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Zwei kleine Libellen machten sich Gedanken über die Welt. Die eine glaubte, dass die Welt und ihr Zauber für immer existieren würde. Die andere Libelle denkt jedoch, dass die Welt nicht ewig Bestand findet.
Zusammen flogen sie über Tümpel, Teiche und Flüsse. Zusammen schwebten sie über den leichten Schein des Wasserspiegels, das grünlich und bläulich glänzte und wellte.
„Was bedeutet Ende?“
„Ich glaube, dass Ende nicht immer schlecht sein muss!“
„Wie meinst du das?“
„Ende muss nicht immer mit Schlüssen zu tun haben. Es muss nicht für immer sein. Es muss nicht aufhören. Ende bedeutet nicht immer, dass es schließt. Es kann auch ein Anfang von etwas Neuem sein!“
„Das ist schön! Ich habe denn große Angst vor Enden, die für immer enden.“
„Weißt du, was am Ende des Regenbogens ist?“
„Nein…“
„Er hat auch ein Ende. Zwei Enden sogar. Eines ist nicht so schön. Doch eines seiner Enden ist dafür wunderschön! Man kann es erreichen, wenn man den guten Weg einschlägt und geht!“
„Was ist da?“
„Komm mit… ich zeig es dir. Ich kann diese Schönheit nicht erklären. Du musst sie fühlen!“, sagte die eine Libelle aufgeregt.
„Ich will den guten Weg nehmen!“
„Dann darf man nur gute Sachen tun auf dieser Welt! Sobald du jemanden Leid zufügst oder absichtlich wehtust, hast du den schlechten Weg gewählt und du wirst auch das schlechte Ende des Regenbogens finden. Aber dies wird dir nicht passieren. Du bist eine gute Libelle, die nur gute Taten vollbringt!“
Sie lächelten sich liebevoll an und flogen weiter über Wiesen und Felder. Über Berge und Täler. Über Meere und Seen.
Endlich sahen sie die bunten Farben eines wunderschönen Regenbogens, der glanzvoll seine Farben präsentierte.
„Hallo, lieber Regenbogen!“
„Was wollt ihr?“, antwortete er mit tiefer, alter Stimme.
„Wir wollten dein Ende erfinden. Erkennen. Sehen. Spüren. Hören... und bestaunen!“
„Mein Ende? Welches?“
„Das Schöne!“, antworteten sie beide gleichzeitig.
„Woher weißt du, welches schön ist, und welches nicht schön ist?“
„Das weiß ich nicht. Aber ich kann es hoffen. Ich kann hoffen, dass mich das Gute dahin leitet!“, sagte die eine Libelle zuversichtlich.
„Na du bist ja optimistisch!“
„Ja…!“, antwortet die Libelle „Ich versuche, das Gute zu sehen. Das Gute zu tun und das Gute zu hoffen. Dann bringt mich mein Weg auch zu einem guten Ende!“
„Wege sind unergründlich. Ziele sind nicht immer wünschenswert. Hoffnungen sind nicht immer real.“
„Mein Ziel und mein Ende sind nicht dasselbe. Mein Ziel ist es, meine Gedanken schön zu halten. Auch wenn ich das unschöne Ende erfinde, werde ich dennoch meine Gedanken beschützen. Wenn man an das Gute und Schöne glaubt, wird kein Ende dieser Welt schrecklich sein können.“
„Nun denn. Dann zeige deiner Freundin das Ende, welches du erwählst.“, meinte der Regenbogen neugierig.
„Danke, lieber Regenbogen!“

Und die zwei Libellen flogen voller Freude und Fröhlichkeit entlang des riesengroßen Strahles des bunten Regenbogens.
Nächte und Tage kamen und irgendwann erreichten sie sein Ende, welches hinter der Schattenseite lag. Die Farben des Regenbogens waren nicht mehr so prächtig und glanzvoll. Sie waren bereits abgenutzt. Der Regen und der Donner ließen die Welt in Grauheit fallen. Auch der Regenbogen war betroffen. Der Weg wurde mühsamer und stärker. Doch die Libellen flogen weiter. Immer weiter und weiter. Ihre Flügel taten weh von den schweren Wasserperlen, doch sie gaben nicht auf.
„Bist du dir sicher, dass wir den richtigen Weg nehmen? Er sieht nicht so schön aus.“, fragte die andere Libelle.
„Nur weil er nicht schön aussieht, heißt es nicht, dass er nicht gut ist. Augen lassen vieles im Unverborgenem. Dein Gefühl sagt dir mehr über Schönheit, als es Augen je können! Vertrau mir.“
„Also nehmen wir den beschwerlichen Weg, damit wir seine wahre Schönheit an seinem Ende erkennen?“
„Ja… der einfache Weg ist nicht immer der Richtige. Manchmal muss man beweisen, dass man das Gute verdient. Ich denke mir, dass dieses Ende, das Schöne ist, da nur die es erreichen, die es wirklich wollen und alles dafür tun würden. Viele Libellen sind faul und wollen den heiteren Weg. Aber man muss auch die traurige, unschöne und schwarze Seite erleben, um Glück und Schönheit erkennen zu können. Woher willst du sonst wissen, wie es ist, wenn du nur eine Seite der Münze erfährst?“
Sie flogen schweigend weiter. Durch Gewitter, Stürme und Hagel. Sie froren und hatten großen Hunger.
Doch nach vielen Tagen und Wochen gelangten sie ans Ende des Regenbogenweges.
Es war schöner und wunderbarer als jegliche Vorstellung daran. Große Schätze glänzten prachtvoll in großen Kisten und Krügen. Einige sahen wie Sterne aus. Manche erinnerten an Monde. Manche strahlten wie Sonnen. Sie alle funkelten und hüllten sich in Schönheit. Sie alle waren wertvoller als alle anderen Kostbarkeiten dieser Erde. Denn es handelte sich hierbei um Liebe, Vertrauen und Geborgenheit. Um Nähe, Freundschaft und Hoffnung. Sie alle fanden Platz sie in den Kisten und Krügen. Sie alle waren ein Teil vom guten Ende.
Die beiden Libellen erfreuten sich der schönsten Gefühle dieser Welt. Denn sie haben den Glauben nicht verloren, der ihnen nun ihren Lohn zahlte und schenkte.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.02.2012

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