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Ja, ich war fest entschlossen es zu tun. Ich, Valerie, war fest entschlossen nach England zu ziehen. Auch wenn meine Eltern etwas dagegen hatten, ich war davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war! Mein Flieger ging um zehn. Als ich mich nun langsam in mein Auto setzte und den Motor startete, pulsierte das Herz in meiner Brust. Heute würde ich ein neues Leben anfangen. Ich hatte morgen eine Hausbesichtigung in einem Haus… ach was einer Villa namens Sweet Dream! Es lag zwar etwas abgelegen, aber die Bilder sahen einfach zu toll aus! Ich öffnete die Augen und hörte die Ansage, dass wir bald landen würden. Ich lächelte und gähnte. Langsam zog ich meine Taschenuhr aus meinem Rucksack. So spät schon! Es blieb also keine Zeit mehr, um noch einmal zum Haus zu fahren. Schade.
Das war’s! Nun war ich in meiner neuen Heimat angekommen. Lächelnd trat ich aus dem Flugzeug. England ist ein wundervolles Land. Ich freute mich auf ein weiteres Leben dort. Ich traf die Entscheidung einen Passanten nach einem guten Hotel zu fragen. Ich stand mich an den Straßenrand und rief: „Taxi!“ Sofort kam ein Taxi angefahren. So einfach ging das hier also. Ich fragte den Fahrer nach einem guten Hotel in der Nähe und er meinte, er würde mich sofort zu einem wundervollen Motel bringen. Zwar kein Hotel, aber für eine Nacht schien mir das nicht wichtig. Er setzte mich ab. Die Fahrt war billig. Ich drehte mich um und sah das etwas abgefallene Motel hinter mir. „Einen komischen Geschmack haben die Engländer…“, murmelte ich. Schon komisch, dass der Fahrer mir genau dieses alte Motel geraten hatte.

Ich setzte den ersten Fuß in das Haus und wunderte mich, dass niemand da war. Alles was ich sah, war ein schrecklich langer Flur. Ich sah mich um, doch ich konnte weder eine Rezeption noch eine Lobby erkennen. Ich sah nur die vielen Zimmertüren. „Was soll’s.“, sagte ich und klopfte an die erste Tür. Als niemand öffnete, klopfte ich erneut. Noch immer keine Reaktion. Also drückte ich die Türklinke nach unten und die Tür schwang unabgeschlossen auf. Ein komisches Gefühl überkam mich. Wenn hier niemand drin wohnte, wieso war dann die Tür nicht abgeschlossen gewesen? Ich seufzte und überredete mich selbst mir das Zimmer anzusehen. Das Zimmer sah von innen fast wie der Flur aus. Man sah nur einen elend langen Gang. Doch als ich ein Stück gegangen war sah ich, dass das Motel-Zimmer sich öffnete. Ich schaute um die Ecke. Ich sah ein Bett was mit vergilbter Bettwäsche bezogen war, ein paar Regale und dann eine Tür die offensichtlich in ein Bad führte. Gerade als ich das Bad begutachtete, hörte ich Schritte die näher kamen. Erschrocken fuhr ich um und blickte einem Mann in die Augen. Der Mann sagte in perfektem Deutsch: „Hi. Dürfte ich fragen was sie in meinem Zimmer wollen?“ Er lächelte, also schien er nicht verärgert zu sein. Ich antwortete: „Ich…Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass das Zimmer hier bewohnt ist. Ich hatte geklopft, aber keiner hat geöffnet, also habe ich geschaut, ob die Tür verschlossen ist.“

Der Mann lächelte immer noch: „Schon ok. Ich bin Paul und ich wohne hier seit zwei Tagen. Wie kommt’s das Sie sich hierher verirren?“ Ich erwiderte: „Nun ja. Ich hatte den Taxifahrer eigentlich um ein gutes Hotel gebeten, aber er hat mich hier abgesetzt. Man kann schließlich nicht sagen, dass das hier schön ist oder?“ Er zuckte mit den Schultern und murmelte: „Geschmackssache.“ Ich nickte. Als ich ihn fragte, ob es hier sowas wie eine Rezeption zum Einchecken gab, meinte er, dass er es selber nicht genau wüsste. „Naja wissen Sie. Ich bin…oder war der einzige Bewohner hier, also konnte ich auch keinen Fragen. Ich bin gestern erst spät angekommen und hatte noch nicht die Möglichkeit mich umzusehen und heute war ich außer Haus, also war ich grade dabei hier alles zu erkunden.“ Ich nickte. „Und schon was gefunden? Ich möchte sowieso nur für diese Nacht bleiben. Morgen habe ich eine Hausbesichtigung in Sweet Dream.“ Der Mann riss die Augen auf. „Was?, schrie er schon fast, „ In Sweet Dream? Na dann viel Glück. Um Punkt zwei Uhr morgens sollen da alle Bewohner verschollen sein. Keiner, der jemals dort gelebt hat, wurde jemals wieder gesehen.“
Ich hatte diese Geschichten gehört, doch ich glaubte seit ich sechs war an keine Geistergeschichten mehr. „Sagen Sie mir nicht, dass sie diesem Mist Glauben schenken? Das sind doch sowieso alles nur Schauergeschichten, damit niemand dieses wundervolle Haus kaufen wird.“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie meinen.“ Ich beschloss mich nun auch einmal umzusehen, um vielleicht einen Manager oder etwas in der Art zu finden. Der Mann war wieder in sein vermodertes Zimmer verschwunden. Dass er an diese dämlichen Geistergeschichten über das Haus glaubte, hatte mich leicht verärgert.
Als ich den langen Flur entlangging, sah ich, dass auch dieser Raum sich am Ende öffnete. Genauso wie das Zimmer des Mannes. Ich trat in den Raum. Ich wunderte mich, dass dieser überhaupt nicht eingerichtet war. Kein einziges Möbelstück. Das Einzige was ich sah, waren zwei riesige Fenster. Ich trat an die Fenster und sah, dass es angefangen hatte zu regnen. Der Parkplatz sah verlassen und langweilig aus. Ich sah ein Auto die Einfahrt hochfahren und die Scheinwerfer blendeten mich.

Alles war still. Das einzige Geräusch war, das Knallen der Tür, als die Familie eintrat. Ich lief den langen Flur entlang. Es machte mich glücklich, dass sich noch ein paar Leute hierher verirrten, denn dieser Ort war bei diesem Wetter, um diese Uhrzeit doch etwas beunruhigend. Als ich an der Tür angekommen war, kamen zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge auf mich zugerannt. Ich hörte sie lachen und alles schien wie ein Traum zu sein. Sie riefen mir ein lautes Hey zu, doch irgendwie war ich nicht im Stande zu antworten. Ich brachte nur ein kleines Lächeln zustande. Ich war wie in Trance, doch als dieses Gefühl verschwand fragte ich freundlich: „Na? Wo sind denn eure Eltern?“ Ich ging davon aus, dass sie Deutsch sprachen. Aus welchem Grund auch immer. Und ich hatte Recht. Auch sie schienen aus Deutschland zu kommen. Der Junge antwortete: „Die sind dahinten im Zimmer.“ Er deutete auf das Zimmer wo der Mann wohnte. Ich bedankte mich und machte mich auf den Weg dorthin.
Ich klopfte an die offene Tür und betrat das Zimmer. Ich begrüßte das Ehepaar und machte sie darauf aufmerksam, dass es hier anscheinend weder Rezeption noch Manager gab. „Wo ist denn eigentlich der Herr der hier wohnt? Ich habe ihn gar nicht weggehen sehen.“ Beide blickten mich verständnislos an. „Was denn für ein Mann?“, fragte die Frau. Ich runzelte die Stirn. „Na der Mann, der hier in diesem Zimmer wohnt. Vor fünf Minuten war er noch hier. Ich hätte die Tür gehört, wenn er gegangen wäre.“ Beide schüttelten Kopf. Also fragte ich die Kinder, ob sie hier nicht einen Mann gesehen hätten. Beide verneinten und der Mann, Paul, war und blieb ein Rätsel für mich. Die Familie zog in das Zimmer von Paul und ich nahm das danebenliegende. In der Nacht wurde ich schlagartig wach. Ich fror ganz fürchterlich.

Ich stand auf und öffnete meine Reisetasche, um meine Wolldecke rauszuholen. „Wo ist denn das blöde Ding?“, fluchte ich. Ich erschrak als mich jemand auf die Schulter tippte und meinte: „Na hier ist sie doch!“ Ich wirbelte herum und sah Paul mit meiner Wolldecke in der Hand. „Wo zum Teufel kommen Sie her? Vorhin waren Sie noch wie vom Erdboden verschluckt und plötzlich tauchen Sie hier in meinem Zimmer mitten in der Nacht auf, um mir MEINE Wolldecke zu bringen?! Das ist doch irre!“ Paul zuckte mit den Schultern „Vielleicht.“ Ich sah irritiert an und nahm die Wolldecke an mich. Ich meinte: „Und jetzt machen Sie das Sie hier rauskommen. Wenn ich Glück habe, kann ich noch ein bisschen schlafen.“ „Wieso wie viel Uhr ist es denn?“, fragte Paul mich. Ich war überfragt. Also reichte er mir meine Taschenuhr und ich sah, dass es genau zwei Uhr war. Ich sah Paul ins Gesicht und sah, dass er teuflisch grinste. „Immer noch keine Angst vor Sweet Dream?“, fragte er mich feixend. Entnervt verdrehte ich die Augen, stand auf und schob diesen komischen Mann aus meinem Zimmer. Ich rief ihm hinterher: „Und lassen Sie sich hier nie mehr blicken!“ Die Nebentür wurde aufgerissen. „Hören Sie mal! Was erlauben Sie sich hier so rumzuschreien? Wissen Sie wie spät es ist?“ Es war der Mann von dem Ehepaar. „Entschuldigen Sie. Aber Paul war wieder hier und so langsam raubt mir dieser Kerl den letzen Nerv mit seinen Geschichten über das Haus was ich mir morgen ansehen werde!“ „Welches Haus wollen Sie sich denn ansehen?“, fragte der Mann versöhnt. Ich antwortete: „Es heißt Sweet Dream.“
Plötzlich knallte der Typ die Tür ohne ein Wort zu und ich konnte genau hören wie er im Zimmer zu seiner Frau sagte: „Diese Frau hat sie nicht alle! Sie will in Sweet Dream ziehen! Du kennst doch die Geschichten die erzählt werden. Schon komisch, dass sie genau um zwei Uhr hierum schreit, dass dieser Paul wieder da war. Weißt du was? Ich glaube, dass ist ihr imaginärer Freund oder sowas.“ Wütend schlug ich gegen die Tür und schrie: „Wohl kaum!“ Ich rannte in mein Zimmer und schlug die Tür zu. Ich stieß einen schrillen Schrei aus, als ich Paul neben meinem Bett stehen sah. „Verdammt, schrie ich wütend, „ Machen Sie verdammt nochmal das Sie hier weg kommen! Sie sind doch eh nur hier, um mir Schauermärchen zu erzählen!“ Paul schüttelte den Kopf. „Oh Nein Valerie.“ Er lächelte. „Ich bin hier um Sie zu warnen. Wär doch schade wenn so einem hübschen Ding wie Ihnen was zustoßen würde.“ Er streichelte mir über die Wange. Erschrocken schlug ich seine Hand weg und rief: „Woher zum Henker wissen Sie wie ich heiße und wieso ist es Ihnen verdammt nochmal so wichtig, dass ich nicht in das Haus ziehe?!“ Er schaute triumphierend. „Aber das sagte ich doch bereits Valerie! Ich will Sie nur warnen. Auch so eine starke Frau wie Sie würde keine Nacht in diesem Haus überleben. Schreckliche Dinge passieren dort. Ich rate Ihnen einfach nur, auf mich zu hören!“ Ich schüttelte den Kopf und schob ihn zum zweiten Mal in dieser Nacht aus meinem Zimmer. Ich beruhigte mich selbst: „Schon ok Valerie. Morgen wirst du dir dieses Haus ansehen und dann endlich dein neues Leben beginnen können. Morgen ist ein neuer Tag!“ Anschließend zwang ich mich in den Schlaf.

Der nächste Morgen war für mich ganz normal. Ich blieb nur in meinem Zimmer sitzen und ernährte mich von Müsliriegeln aus meiner Tasche. Ich hatte sowieso keine Lust mit der Familie von nebenan zusammen zustoßen! Deswegen verabschiedete ich mich auch nicht, als ich endlich dieses Motel verließ und in ein Taxi stieg, um zum Haus Sweet Dream zu fahren. Das Haus sah man schon vom Weiten. Das rote Dach ragte aus den vielen Baumkronen des nahgelegenen Waldes. Schon von außen war es einfach wundervoll. Ich seufzte und dachte nur: „Wow.“ Glücklich stieg ich aus und näherte mich dem großen Eisentor, welches in einen riesigen Vorgarten führte. Doch es war verschlossen. Ich entdeckte eine kleine Klingel, die am Tor befestigt war. Ich klingelte gleich zweimal, weil ich es einfach nicht mehr abwarten konnte! Eine alte Dame mit Kopftuch kam aus dem Haus und näherte sich dem Tor.
Sie öffnete es und reichte mir die Hand. Ja, ich gebe zu: Irgendwie hatte dieses Haus etwas Gruseliges an sich, aber gerade das fand ich so unglaublich faszinierend an diesem Haus. Ich betrat den Vorgarten und begutachtete den Pool und die vielen Blumen. „Und das alles für den Preis.“, meinte ich, worauf die alte Frau zustimmend nickte. Als ich das Haus betreten durfte, wunderte ich mich immer mehr, dass es doch so billig war. „Wieso kostet dieses Haus eigentlich nicht viel mehr? Es ist einfach atemberaubend!“ Die Frau nickte wieder und meinte: „Ja nicht wahr? Aber ich bin nur die Maklerin.“ Sie lächelte. „Ich habe absolut keine Ahnung wieso das Exemplar so einen niedrigen Preis hat. Ich denke mal, wegen diesen ganzen schrecklichen Vorfällen! Da traut sich nun mal nicht jeder hier einzuziehen.“ Ich verdrehte die Augen.

„Sagen Sie mir nicht, dass Sie auch an dieses Zeug glauben, was hier passiert sein soll.“ Die Frau lachte gackernd. Bei diesem Lachen lief mir ein eiskalter Schauer den Rücken runter. „Was gibt’s da zu lachen?“, fragte ich genervt. Die Frau erwiderte: „Oh nein mein Kind ich glaube nicht nur daran. Es ist so…“ Anscheinend brauchte sie Überwindung um weiter zu erzählen. Sie wiederholte: „Es ist so…meine Tochter hat hier einmal gewohnt und naja..wie soll ich Ihnen das erklären? Sie ist …leider verschwunden! Um zwei Uhr klingelte mein Telefon und ich dachte schon, dass es meine Tochter war. Aber Nein! Es war ein irgend so ein Mann. Namens Paul. Und der meinte, dass ich meine Tochter wohl nie wieder sehen würde. Glauben Sie mir ich habe ihm auch keinen Glauben geschenkt, doch am nächsten Tag wollte ich meine Tochter besuchen und sie war einfach…verschwunden.“ Ich riss die Augen auf. „Was meinen Sie mit verschwunden?“, fragte ich plötzlich ängstlich. „Sie ist einfach weg! Zwar glauben alle an einen Tod, aber es gab keine Blutspuren, keine Fingerabdrücke einfach nichts!“ Ich fragte weiter: „ Und eben hatten sie etwas über einen Paul gesagt richtig? Ich hatte da gestern so…eine Begegnung mit einem Paul.“ Die Frau fragte nach und ich erzählte ihr, von Paul’s Warnungen nicht in das Haus zu ziehen.
Vielleicht hatte er doch Recht gehabt und ich hätte das Haus nicht besichtigen sollen. Aber es hat mich einfach so zu diesem Haus gezogen. Und zurück nach Deutschland konnte ich auch nicht, mein altes Haus hatte ich verkauft. Und wieso auch immer…ich wollte nicht zurück. Ich wollte in dieses Haus ziehen, um mehr über das Geschehene zu erfahren. Menschen verschwanden doch nicht einfach! Ich meinte der Frau, dass ich gleich in dieser Nacht dort schlafen wollte. Sie schien erschrocken. „Aber…Sie können doch das nicht machen! Ich kann nicht zulassen, dass Ihnen auch noch etwas passiert! Am Ende ist das alles meine Schuld, weil ich Sie in das Haus gelassen habe.“ „Hören Sie…, beruhigte ich die Frau, „ Ich weiß was ich tue. Und wenn um zwei Uhr irgendetwas passiert rufe ich schon meine Freunde an.“ Auch wenn es der Frau schwer fiel, am Ende hat sie mir doch den Schlüssel gegeben und ich fühlte mich großartig. Ich nahm mir vor auf keinen Fall einzuschlafen! Oh nein. Ich würde die ganze Nacht wach bleiben, damit ich auch alles mitbekam was im Haus vor sich ging. Der Abend verlief ruhig. Die Frau meinte, sie wolle so schnell wie möglich wieder aus dem Haus und sagte, ich solle mir das Haus alleine ansehen. Das machte mir nichts aus. Also dachte ich mir, dass ich mich doch nun umsehen könnte. Als ich durch die riesige Vorhalle zur Küche ging, fiel mir auf, dass das Haus alle Möbel behalten hatte. Scherzend sagte ich: „Naja. Kein Wunder, wenn hier alle Leute verschwinden, wer soll dann die Möbel zu sich nehmen?

Das Haus war sehr schön und sehr groß und überall an den Wänden waren altertümliche Verziehrungen angebracht worden. Doch einen Fernseher gab es zwischen all dem alten Zeug. Weil mir langweilig wurde, setzte ich mich davor. Ich lachte und sagte zu mir selbst: „Ich warte hier auf meinen Untergang. Inzwischen war es dunkel geworden. Der Halbmond stand hell am schwarzen Nachthimmel. Ich flog fast vom Sofa, als ich von oben ein lautes Scheppern hörte. Ich sagte: „Oh mein Gott!“ und machte mich auf dem Weg zur Küche, um mir ein Messer zu holen. Wenn jetzt wirklich etwas Schreckliches passieren sollte, sollte ich mich wenigstens verteidigen können. Ich zitterte am ganzen Körper und mein Herz schlug bis zum Hals, als ich an der Treppe stand.

Erneut ertönte ein Scheppern, weswegen ich nochmal zusammenzuckte. Langsam, das Messer neben meinem Kopf haltend ging ich die Treppen hoch. Ich hatte schreckliche Angst! Das musste ich gestehen. „Oh Gott! Vielleicht hatte Paul ja doch Recht!“ Am Ende der Treppe befindet sich eine große weiße Tür. Vor der stand ich nun, am ganzen Körper zitternd und schaute auf meine Uhr. ZWEI UHR! Ich atmete tief ein. „Das kann doch nicht wahr sein!“, flüsterte ich und drückte die Klinke hinunter. Hinter der Tür stand Paul umgeben von mindestens 20 Leuten. Ich packte das Messer in meine Hosentasche. Paul winkte und sagte: „Na. Ist es denn schon so weit?“ Ich schüttelte verwirrt den Kopf. „Für was denn soweit? Und wie bist du bitte hier her gekommen?“, fragte ich. Paul lachte. „Wie ich hier her gekommen bin, kann die egal sein Valerie. Für was es soweit ist…hm. Für was denn wohl? Das du verschwindest!“ Er lachte wieder.

„Wer sind bitte all diese Leute?“, fragte ich und ging nicht auf ihn ein. „Das sind deine Vorfahren. Ihnen ist das gleiche passiert! Sie haben nicht auf mich gehört und sind hier her gekommen. Sie wollten alle nur der Sache auf den Grund gehen. Aber ehrlich gesagt: Keiner von ihnen hat auch nur den Hauch einer Ahnung davon, was mit ihnen passiert. Aber weil du’s bist Valerie. Ich werde es dir erklären. Ich führe euch alle weg von dieser Welt, hin zu einer weit entfernten besseren Welt! Was meinst du wieso das Haus Sweet Dream heißt? Für dich wird es sich anfühlen, als wäre das Leben was du bis jetzt hattest ein Traum gewesen!“ Ich schüttelte den Kopf. Was sagte er da? All diese Leute leben also noch und sind nicht tot? Dieses Haus war ein Ort des Wahnsinns! Ich meinte: „Aber…NEIN!“

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Als ich meine Augen öffnete, konnte ich mich an absolut nichts erinnern. Wo war ich jetzt? Auch das wusste ich nicht. Neben mir waren meine „Vorfahren“. Ich sprach das Mädchen neben mir an: „Wo sind wir hier?“ Das Mädchen sah mich aus tränenden, leeren Augen an. Sie murmelte so leise, dass ich Probleme hat sie zu verstehen: „Ich bin zuhause! Wo sollen wir schon sein?!“ Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. Um mich herum war alles dunkel. Das einzige was ich sah, waren diese vielen Leute.
Und dann sah ich noch Paul, der auf einem roten Sessel saß und mir zuzwinkerte. Ich schaute ihn hasserfüllt an. Und doch ging ich auf ihn zu. Ich hatte tausende Fragen an ihn. „Wieso können dich die anderen nicht sehen?“, fragte ich. Er nickte. „Ich wusste, dass du das fragen würdest. Aber Valerie! Die Antwort ist doch klar. Ich bin nur dein Sweet Dream.“ Er lachte. Ich schüttelte den Kopf. „Nein das bist du nicht! Du bist einfach nur immer genau im richtigen Moment abgehauen! Sonst könnten dich auch die anderen sehen! Richtig?“ Er lächelte mich an und streichelte mir wieder über die Wange. „Aber nein Valerie. Hast du das noch nicht verstanden? Ich komme nur zu den Leuten, die an Sweet Dream interessiert sind! Auch die nette Familie, die im Motel war, war nur deine Einbildung! Ich habe dieses Motel nur erschaffen, damit die Leute die sich für das Haus interessieren dorthin gebracht werden. Valerie…einmal im Jahr ist mindestens eine Person an dem Haus interessiert. Leute, die nicht an Schaudermärchen glauben und die denken sie wären was Besseres! Aber die Wahrheit ist: Am Ende sind sie alle hier und vergessen schon bald, dass es eine andere Welt gibt. Tja Valerie. Ich muss sagen, ich hätte dich echt gern verschont, aber du hast nicht gehört und wolltest trotzdem in dem Haus übernachten!“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß aber noch, dass es eine andere Welt gibt! Ich werde versuchen zurück zu kommen!“

Ich wusste selbst nicht wie, aber irgendwie würde ich das schon schaffen! Ich setzte mich auf den Boden und ein stechender Schmerz durchfuhr mein Bein. Das Messer! Ich hatte es in meine Hosentasche gesteckt! Ich nahm es aus der Tasche und sah, wie ein sich ein roter Fleck auf meiner beigen Hose bildete. Ich begutachtete das Messer. „Und was ist, wenn ich dafür sorge, dass Paul nicht nur in einen Sweet Dream verfällt?“, flüsterte ich lächelnd. Ich ging zu ihm. Wie sollte ich nur einen Menschen umbringen? Ich hatte keine Ahnung, aber mir war klar, dass es meine einzige Möglichkeit war, wieder in die „richtige“ Welt zu kommen! Auch wenn ich nicht wusste wie! Ich hielt das Messer hinter meinem Rücken, damit er es nicht sehen konnte. Als ich bei ihm angekommen war, drehte Paul sich grade um, um mit einer anderen Frau zu reden. Ich nutzte den Moment und rammte ihm das Messer mit voller Wucht in den Rücken. Ich hörte wie Paul hustete und nach Luft rang. Nun fiel er auf die Knie und hörte auf zu atmen. Um mir ganz sicher zu sein, ging ich an seinen Hals, um den Puls zu fühlen. Doch da nahm Paul meine Hände in seine! „Man muss schon sagen. Du bist ein mutiges Mädchen.“, meinte er lachend. Ich schaute ihn aus eng zusammengekniffenen Augen an. Paul redete weiter: „Denkst du wirklich, dass du ohne meine Hilfe den Weg in deine alte Welt finden wirst?! Keine Chance. Also schade, dass du mich umbringen wolltest.“ Er fasste sich selbst an den Hals um seinen Puls zu fühlen. „Na bitte. Kein Puls. Mir geht’s klasse!“ Er lachte.

Was meinte er damit? Er konnte doch nicht wirklich keinen Puls haben! „Wie denn kein Puls?“, fragte ich schnell atmend. „Na ich hab’s dir doch schon so oft gesagt Valerie! Ich bin nur eine Einbildung! Wie soll man eine Einbildung umbringen? Nicht grade logisch findest du nicht auch?“ Ich riss die Augen auf. Was sagte er da? Man konnte ihn nicht töten? Also sollte ich wohl doch nie wieder in die alte Welt zurückkehren. Ich fing an zu weinen. Jegliche Hoffnung hatte mich verlassen. Paul nahm mich in den Arm. „Nicht weinen!“, sagte er lachend. , „Sonst hört uns noch jemand!“ Ich stockte. „Ich dachte wir sind in einem Traumland.“, schluchzte ich. Ich stieß ihn von mir weg und er sah mich aus großen Augen an und schüttelte den Kopf. Nun musste ich lachen. Also waren wir hier gar nicht in einem Traumland. Ich schaute mich um. Doch alles um mich herum war dunkel und das einzige was ich sah, waren die Schatten der vielen Menschen die an den Wänden tanzten.
Plötzlich fing ich an zu rennen und schubste alle Leute, die mir im Weg standen von mir weg. „Es muss irgendeinen Ausweg geben!“, dachte ich entschlossen. Doch noch sah ich nichts Derartiges. Ich erschrak, als ein Lichtstrahl in die Dunkelheit fiel. Hinein kam die alte Frau, welche meine Maklerin gewesen war. Sie kam lächelnd auf mich zu. „Ich sage ja, sie haben keine Chance!“, meinte sie. Ich kniff die Augen zusammen. Wahrscheinlich hing sie bei Paul mit drin. Ich fragte: „Was ist denn mit ihrer Tochter?“ Die Dame lächelte immer noch. „Na die steht doch gleich da hinten.“ Sie deutete auf eine junge Frau, die sie wütend musterte.

„Ich liebe meine Tochter. Wenn sie ja nur nicht so störrisch wäre. Genauso wie Sie!“, sagte die alte Dame und lachte gackernd. Ich machte kehrt und lief auf die Tochter zu. „Wenn sie so störrisch ist wie ich, muss sie ja auch noch reden und sich erinnern können!“, fiel mir ein. Ich war angekommen. Die junge Frau starrte ungerührt nach links. Sie schien keine Lust auf ein Gespräch zu haben. „Hallo? Ma’am?“, sprach ich sie an. Missmutig wandte sie den Kopf in meine Richtung. Anstatt einer Antwort nickte sie einfach nur. „Ich brauche Ihre Hilfe! Ihre Mutter und so ein Mann bringen Leute hierher, um sie verrückt zu machen!“ Endlich zeigte sie eine Reaktion. Sie sagte: „Ich weiß. Aber was soll’s! Hier drin ist es sowieso so, als wären wir schon tot. Irgendwann werden wir alle sterben und ich kann Ihnen auch sagen wo…GENAU HIER! Wir werden hier nie wieder rauskommen und anstatt mich zu nerven, sollten Sie versuchen, damit klarzukommen.“ Die Wut staute sich auf. „Hören Sie mal gut zu, begann ich nun, „ Das Einzige was ich machen werde, ist hier rauskommen und die anderen Leute retten! Es gibt einen Ausweg! Das weiß ich ganz genau!“ Die junge Dame nickte: „Ich weiß, dass es einen Ausweg gibt. Aber der wird gut bewacht. Von Paul. Dort hinter deinem Sessel ist der Ausgang. Wenn sie sterben wollen, versuchen Sie hier raus zu kommen. Sie glauben gar nicht wie viele Leute schon versucht haben zu fliehen. Alle sind sie verendet. Keine Chance.“ Ich schaute sie schief von der Seite an. Wie konnte sie wissen wo der Ausgang ist und nicht versuchen zu fliehen? Weil sie auch nicht besonders freundlich gewesen war, nickte ich einfach nur und ging Richtung Sessel. Wie sie schon sagte. Man stirbt so oder so. Nur entweder hier oder da draußen in der schönen Welt! Ich hatte vor in der schönen Welt zu streben, also würde ich nun versuchen abzuhauen.

Paul saß auf seinem dämlichen roten Sessel und schaute mich an, als wisse er, was ich nun versuchen würde. Er schüttelte den Kopf über so viel Dummheit und fing an auf mich einzureden: „Wir wissen beide, dass Sie keine Chance haben hier raus zukommen. Vergessen Sie’s! Valerie! Ich möchte wirklich nicht Ihr wundervolles Blut an meinen Händen kleben haben. Bitte! Lassen Sie es sein. Keiner hat es je geschafft, also lassen Sie es bleiben!“ Ich war erstaunt darüber, dass alle Leute ihre Aufmerksamkeit auf mich und Paul wendeten. Eben waren sie noch wie in Trance da gestanden und nun wandten alle ihre Augen auf mich. Einige lachten, andere versuchten, wie Paul, mir den Fluchtversuch auszureden. Noch einmal sagte Paul: „Sie haben keine Chance Valerie!“
Er hatte Recht. Ich allein, hätte keine Chance. Deswegen drehte ich mich um und ging auf die Menge zu. Verstört schaute Paul mir hinterher und sagte: „Gute Entscheidung!“ Ich ging auf die Leute zu und fing an, sie über meinen Plan zu informieren, ganz gleich, ob sie alle bei Bewusstsein waren oder nicht! Ich begann: „Ich weiß nicht alle von Ihnen können sich erinnern, aber es gibt eine andere Welt, in der Sie früher alle glücklich und zufrieden gelebt haben.“ Ich sah, wie ein paar Leute mich merkwürdig ansahen. Ich versuchte sie erneut davon zu überzeugen. Deswegen deutete ich mit meinem Arm auf den Sessel hinter mir und meinte: „Dahinter befindet sich der Ausgang aus dieser Welt. Hinter dieser Tür befindet sich ein besseres Leben. Bitte. Sie müssen mir glauben. Sie alle. Denn allein schaffe ich es nicht!“ Es schien, als würden mir die Leute immer noch nicht glauben, deshalb blickte ich die Tochter der verrückten alten Frau hilfesuchend an. Sie schien einzusehen, dass ich nicht so einfach aufgeben würde, denn nun stellte sie sich neben mich und fing ebenfalls an, den Leuten zu erklären, dass es eine schönere Welt als diese gab.

Endlich schienen die meisten Leute zu verstehen, dass wir ihre Hilfe brauchten, denn einige setzten sich in Bewegung und stellten sich zu uns. Dankbar schaute ich der Tochter der alten Frau in die Augen. Sie lächelte und flüsterte: „Ich heiße Marianne.“ Ich erwiderte das Lächeln und sagte: „Valerie.“ Wir wandten uns um und erklärten den Leuten, die offensichtlich auf unserer Seite waren, dass wir hinter den Sessel kommen mussten. Gemeinsam gingen wir auf Paul zu. Pauls Augen weiteten sich: „Wie hast du die denn dazu gekriegt sich zu bewegen?“ Er lachte.
„Aber auch mit so vielen Leuten, wirst du mich nicht umbringen können. Schon vergessen? Ich bin eine Einbildung. Und Einbildungen kann man nicht töten!“ Marianne schien es wie einen Blitz zu treffen. Sie zog mich nach hinten. „Er ist fest davon überzeugt, dass man ihn nicht töten kann, aber wir müssen ihn ja gar nicht töten, sondern einfach nur los werden! Also müssen wir ihm einfach beweisen, dass wir nicht mehr an ihn glauben. Und wenn keiner an ihn glaubt, kann er nicht existieren!“ Sie hatte Recht! Wenn er wirklich nur eine Einbildung war, brauchte er auch Leute, die an ihn glaubten. Wir erzählten den anderen Leuten von unserer Idee und alle waren der Meinung, dass es einen Versuch wert war! Also stellten wir uns Paul gegenüber und fingen alle an zu rufen: „Ich glaube nicht an Einbildungen! Ich glaube nicht an Einbildungen!“ Es musste einfach klappen. Erschrocken riss Paul die Augen auf, als er sich mehr und mehr auflöste. Dabei schrie er, als wäre er dem Tode nahe. Naja, vielleicht war er das, wenn Einbildungen sterben konnten. Als Paul sich ganz aufgelöst hatte, riefen wir den Satz noch ein paarmal.

Von wegen wir konnten ihm nichts anhaben. Glücklich rissen wir die große Tür hinter dem Sessel auf. Ich blickte lächelnd in die „alte schöne Welt“. Sogar die Leute, die bis eben nur reaktionslos dagestanden haben, lächelten und gingen voller Glücksgefühl in ihr altes Leben. Marianne und ich klatschten die Hände aneinander. Ich war unbeschreiblich glücklich. Doch dann sah ich, dass Mariannes Mutter versuchte einige der Leute wieder zurück zu ziehen. Oh nein! Sie hatte ich ganz vergessen! Sie konnte man mit der Methode wohl nicht verscheuchen. Ich fragte mich, was wir jetzt tun sollten, doch dann merkte ich, wie Marianne mir in der Hosentasche rumfummelte. „Was ist los?“, fragte ich. Sie hob den Finger an die Lippen. Deswegen hielt ich den Mund und wartete einfach ab. Ich lächelte, als sie das Messer aus meiner Tasche zog.

War sie wirklich im Stande ihre eigene Mutter umzubringen? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Doch schon ging sie ein paar Schritte auf ihre Mutter zu, welche mit dem Rücken zu ihr stand. Sie lächelte und stieß das Messer in den Rücken ihrer eigenen Mutter. Ich stieß vor Überraschung einen schrillen Schrei aus. Hatte sie das grade wirklich getan? War ihre Mutter grade wirklich vor ihr auf die Knie gesackt und hatte aufgehört zu atmen? Ich wusste es in dem Moment nicht. Doch dann drehte sich Marianne zu mir um und fiel mir weinend in die Arme. Ich wusste das dieser Moment sehr schwer für sie war, aber trotzdem hatte sie uns grade den Weg in die Freiheit gerettet. Ich nickte sie lächelnd an und meinte tröstend: „Du hast das Richtige getan!“ Dankbar schaute sie mir in die Augen und nickte auch. Wir nahmen uns in die Hand und gingen zurück in unser altes, schönes Leben.
Ich musste mich beeilen! Um 15:oo Uhr hatte ich der Maklerin versprochen bei Sweet Dream zu sein. Ja, ich hatte mich für dieses Haus entschieden. Ich wusste, dass ich dort in viele Gefahren gekommen war, aber die ununterbrochen dachte ich mir: „Dieses Haus oder keines.“ Was sollte denn auch großartiges passieren? Paul, meine Einbildung, war fort! Ich fuhr die Einfahrt zum großen Tor hinauf. Als ich die Maklerin sah, verschlug es mir die Sprache! Marianne schaute aus dem Fenster und wank mir freudig zu. Ich winkte auch und sah, wie sie aus der großen Tür hinausgerannt kam. Zur Begrüßung umarmte sie mich und meinte: „Es ist mir eine Ehre dir dieses wundervolle Haus zu präsentieren Valerie!“ Ich lächelte und ging mit Marianne in mein neues Zuhause.

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Tag der Veröffentlichung: 26.04.2012

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