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1

Ein halbes Jahr später...

Sam

Mit einem Lächeln auf den Lippen stieg ich aus dem Flugzeug und ging direkt zur Gepäckausgabe. Heute würde ich endlich Niko wieder sehen! Zwar war ich nur einen Monat weggewesen, aber es war mir wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Der Betrieb, in dem ich gleich nach der Ausbildung eine Festanstellung gefunden hatte, war der Meinung gewesen, ich müsste auch die Filiale in Schweden kennenlernen. Es war wirklich interessant dort gewesen. Zu Beginn etwas schwierig, da mein Englisch nicht das beste war, aber nach und nach wurde es besser und die letzte Woche hatte ich mich super mit allen unterhalten können.
Dass ich heute schon ankam, hatte ich Niko nicht erzählt – offizell hatte ich ihm den morgigen Tag durchgegeben. 
Aber ich wollte ihn überraschen!
Kurz vor meiner Reise waren wir in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Zwar waren wir noch nicht so lange zusammen, so richtig zusammen, aber ich liebte ihn so unendlich und wenn ich seinen Worten glauben schenken konnte, ging es ihm genauso. Daher hatte ich auch nicht gezögert, als er mich gefragt hatte, ob wir uns eine Wohnung teilen wollen. Na gut, es war auch ziemlich schwierig in der großen Stadt, in der wir inzwischen lebten, eine zu finden, die man sich auch leisten konnte.
Das war auch so ein toller Zufall gewesen. Beide waren wir je bei einer Firma in dieser Stadt untergekommen, die sich beinahe hundert Kilometer von der kleinen Gemeinde befand, in der wir vorher gelebt haben.
Aus all diesen Gründen lag es nahe zusammenzuziehen, aber ich hätte mich niemals getraut ihn zu fragen!

Auf jeden Fall freute ich mich total auf ihn. Eine Woche ohne seine Nähe war schon unerträglich, aber der Monat hatte es bei weitem überboten!
Zum Glück fuhr gerade eine Straßenbahn ein, als ich aufs Gleis trat. Mit einem breiten Grinsen stieg ich in einen der Wagons und war froh, dass wir nur zwanzig Minuten vom Flughafen entfernt wohnten.
Dennoch kam mir die Fahrt unendlich lange vor.
Endlich hielt die Bahn an der nächsten Station unseres Hauses. Fünfhundert Meter später schloss ich die Haustür auf und ging hinein.
Es war ruhig, alles war dunkel – Niko war wohl nicht da. Aber heute war immerhin Samstag und er war bestimmt mit ein paar Freunden oder Kollegen unterwegs. In einer Mail hatte er geschrieben, dass er das die letzten Wochen öfter gemacht hatte und ich vergönnte es ihm nicht. Sonst hingen wir beide ja immer gemeinsam ab.
Summend machte ich mich daran meinen Koffer auszupacken. Die Schmutzwäsche wanderte direkt in die Waschmaschine, das was noch sauber war in den Schrank. Dabei stellte ich schmunzelnd fest, dass Niko mal wieder das Bett nicht gemacht hatte. Eines unserer liebsten Streitthemen. Aber wenigstens hatte er die Küche in Ordnung gebracht!

Nachdem ich fertig war, legte ich mich auf das Sofa und sah mir noch die Folgen meiner Lieblingsserie an, die ich die letzten Wochen verpasst, Niko aber für mich aufgenommen hatte. Süß von ihm, nicht wahr?
Dabei schlief ich dann aber allerdings ein.

 

Niko

Der süße Twink an meinem Arm kicherte, als ich die Tür aufschloss und ihn reinstieß. Sogleich pinnte ich ihn an der Wand fest, um ihn zunächst leidenschaftlich zu küssen und ihm dann seine Hose vom Leib zu zerren.
Es war meine letzte Nacht ohne Sam und die wollte ich voll und ganz ausnutzen.
Himmel, was hatte mich überhaupt geritten, als ich ihn gefragt habe, ob wir zusammenziehen? Klar, ich liebe ihn, aber genauso liebe ich auch meine Freiheit! Als wir noch getrennt von einander gelebt haben, war es kein Problem – ich hab ihm einfach erzählt, ich wäre mit Kumpels verabredet, bin dann aber in den nächsten Club und hab ein paar Kerle im Dark Room vernascht.
Dass ich die Kerle jetzt mit nach Hause brachte, lag daran, dass er nicht da war und das um einiges bequemer war.
Gut, ich war eben ein Arschloch! Und? Sam hatte viele schwule Freunde, als hätte der mit denen noch nie was gehabt. Aber na ja.
Vor allem sagte er mir immer noch nicht, dass er mich liebte. Nicht mal beim Sex oder so rutschte es ihm raus. Er hatte doch gesagt, dass er sich ändert... aber davon hab ich nichts gemerkt!
Ein Problem mit der ganzen Sache würde ich haben, wenn er rausbekam, was ich in Wirklichkeit trieb. Hatte ja gesagt, dass er mich umbringen würde, wenn ich ihm nochmal weh tue. Na ja, umbringen würde er mich sicherlich nicht, dafür war er zu sehr Pazifist.

Der Twink riss mich aus meinen Gedanken, als er begann mich mit seinen Lippen zu verwöhnen. Stöhnend lehnte ich mich an die Wand und legte meine Hände auf den Kopf des Kleinen, um ihn enger an mich zu drücken.
Ich brauchte den Sex eben. Und Sam war ja nicht da gewesen! Im Bett lief es eh nicht gut bei uns. Er war so versteift, wollte immer das Gleiche und es war einfach... langweilig.
„Lass uns ins Schlafzimmer gehen, Süßer“, flüsterte ich und zog an den Haaren des Kleinen, um ihn wieder nach oben zu zerren.
Dieser erschauderte und nickte bloß. Er war mir schon vor einigen Tagen aufgefallen, aber immer von anderen Kerlen umgeben gewesen. Heute Abend hatte ich dann meine Chance gewittert und sie sofort ergriffen.
Er sah Sam ähnlich, vielleicht war das ein Grund gewesen, dass er meinen Jagdinstinkt geweckt hatte. Aber im Moment spielte es eh keine Rolle – ich wollte ihn unter mir. Sofort.

2

Sam

Ich wurde von einem lauten Stöhnen geweckt und saß sofort aufrecht auf dem Sofa. Niko war da! Und es war definitiv seine Stimme gewesen! Was... trieb er?
Ein dreckiges Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich schaltete den Fernseher aus. Dann stand ich auf und schlich leise zum Schlafzimmer. Bei der Tür hielt ich inne, atmete tief durch. Oh Gott, ich freute mich so auf ihn!
Meine Hand wanderte in meine Hosentasche und umschloss die kleine Schachtel, die sich darin befand. In Schweden hatte ich beschlossen, dass ich ohne Niko nicht mehr leben wollte und würde ihn daher fragen, ob er mein Mann werden wollte.
Gerade als ich die Tür öffnen wollte, hörte ich plötzlich wieder ein Stöhnen – eines, das definitiv nicht Nikos war!
Wütend riss ich die Tür auf, sodass sie an der Wand abprallte. Vier Augen sahen mich an. Zwei von ihnen waren sehr groß, erschrocken, nervös. Sie waren mir egal.
Die anderen beiden hatten einen geschockten Ausdruck, gepaart mit Schuldgefühlen und blanker Angst. 
Nikos.
Mein ganzer Körper begann vor Wut zu beben.
Der junge Typ sprang auf, zog sich hastig an und rannte hinaus, doch das interessierte mich gar nicht. Ich sah nur Niko an.
Auch dieser erhob sich, streifte sich seine Unterwäsche über. Seine Hände zitterten, als er sich mit ihnen nervös durchs Haar fuhr.
„Sam...“
Ich hob meine Hand, um ihm zu deuten, dass er schweigen soll.
Warum... warum hatte er das getan? Weshalb? Weil ich ihm immer noch nicht häufig sagte, dass ich ihn liebte? So wie damals? War das der Grund?
Mein Herz begann plötzlich stark zu schmerzen, als hätte es die letzten Minuten nicht geschlagen. Dafür hämmerte es jetzt umso heftiger.
Über meine Lippen kam hastiger Atem und ich musste tatsächlich einige Male blinzeln, da mir die Sicht verschwamm.
Niko kam einen Schritt auf mich zu, die Hände flach ausgestreckt.
„Es tut mir so...“
„Spar´ dir das!“, zischte ich da plötzlich. „Du elender Bastard!“
„Ich hatte eine solche Sehnsucht -“
„Sei ruhig!“ Diesmal brüllte ich und meine Hände ballten sich zu Fäusten. „Du widerlicher Perversling!“
Niko wich einen Schritt zurück und ließ die Hände sinken.
„Sam! Bitte!“
Doch ich drehte mich nur um und verließ das Zimmer. Erst in der Küche machte ich halt, wo ich mich zitternd an der Anrichte festhielt. Niko folgte mir.
„Sam, ich liebe dich. Nur dich.“
„Lüg mich nicht an.“
Meine Stimme war jetzt wieder leise. Ruhig. Gefährlich ruhig.
Ich griff in meine Hosentasche und warf ihm die Schachtel vor die Füße, sah, wie sich seine Augen weiteten.
„Sam!“
„Ich dachte, damit könnte ich dir beweisen, dass ich dich wirklich liebe. Aber war wohl zu spät, hm?“
Wieder verließ ich den Raum, ging ins Schlafzimmer und packte den Kram, den ich eben erst ausgepackt hatte, wieder zusammen. Noch immer zitterten meine Hände wie verrückt und ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte.
Ich wollte was kaputt machen.

 

Niko

Der wunderschöne Ring verschwamm vor meinen Augen, wegen den Tränen, die sich in ihnen sammelten. Wie hatte ich ihm das nur antun können? Okay, ich wusste, warum ich es getan hatte, aber...
Gott, als er plötzlich im Zimmer stand! Ich war erstarrt gewesen, unfähig irgendwas zu tun. Aber er hatte ja gesehen, was abging und... wie hätte ich es leugnen sollen?
Jetzt verließ er mich. Und ich war an allem schuld.
Warum war ich nur so dumm gewesen! Himmel!
Hastig lief ich ihm hinterher, packte seine Hände.
„Ich liebe dich, Sam. Ich liebe nur dich.“
„Dreckiger Hurensohn“, gab er zurück.
Seine Stimme war eiskalt, seine Miene verschlossen und ich wollte nur noch heulen.
„Bitte!“
Anstatt mir diesmal eine Antwort zu geben, verpasste er mir eine Ohrfeige.
Das raubte mir für eine Sekunde den Atem, aber ich hatte es ja nicht anders verdient. Das Arschloch hier war ja ich...
Seine Hände ließen gar nicht mehr von mir ab, fügten mir Schmerzen zu. Wahrscheinlich würde ich morgen gar nicht mehr laufen können, vermutlich würde mein Körper von blauen Flecken übersät sein, aber es war mir egal. Wenn ich ihn so bei mir halten konnte, war es mir egal...

Doch plötzlich ließ er von mir ab. Wich zurück und presste sich an den Schrank.
„Wer bekommt die Wohnung?“
Ungläubig sah ich ihn an. Darüber dachte er jetzt nach? Aber ich sagte nichts, es war wohl Zeit für mich den Schwanz einzuziehen und zu verschwinden.
„Du kannst sie haben“, erwiderte ich daher leise. „Immerhin bin ich das Arschloch hier. Und glaube mir, es tut mir wirklich Leid, Sam.“

Er wandte sich von mir ab, verließ das Schlafzimmer und ich sah ihm bloß hinterher, bevor ich zu packen begann. Oh Gott.. es tat so weh...

 

Sam

Mein Weg führte in die Küche, wo ich mich mit den Händen auf der Anrichte abstütze und aus dem Fenster nach draußen sah. Im Horizont war schon ein heller Streifen zu sehen, die Sonne schien schon aufzugehen.
Hatten wir uns wirklich jetzt die halbe Nacht gestritten? Es kam mir vor, als wären erst wenige Sekunden vergangen, seit ich Niko erwischt hatte.
Aber jetzt verlangsamte sich die Zeit plötzlich, schien zäh zu sein. Ich hörte Niko nebenan rumpeln, ab und an gelangen leise Flüche in mein Ohr.
Tränen stiegen in meine Augen.

Jetzt war es vorbei. Wieder vorbei. Obwohl ich ihn liebte, obwohl ich ihm das mindestens einmal die Woche gesagt hatte.
War ihm das zu wenig gewesen? Aber ich konnte eben nicht so gut über Gefühle sprechen! Und jedes Mal war es eine Überwindung für mich gewesen.
Ich machte einfach alles falsch. Geschlafen hatten wir nämlich seit dem Einzug hier kaum noch miteinander. Darum hatte Niko sich bestimmt einen anderen gesucht. Oder mehrere?
Hölle, daran wollte ich gar nicht denken! Allein der Gedanke daran widerte mich an!
Ich wollte nicht, dass Niko mit anderen Kerlen im Bett war!
Nein!
Ich bemerkte nicht, wie meine Hand sich um unser großes Küchenmesser schloss und meine Schritte mich zurück ins Schlafzimmer führten. Was ich wahrnahm war, wie Niko mich mit großen Augen ansah. Er kam immer näher. Oder war ich es, der immer näher zu ihm ging? Vermutlich eher letzteres. Der Plastikgriff wurde langsam warm, weil ich ihn so fest hielt.
Doch als ich bei Niko ankam, beugte ich mich nur vor und presste meine Lippen auf seine. Er seufzte leise, erwiderte meinen Kuss und schlang seine Hände um meinen Nacken.
Der Kuss war gefühlvoll, zärtlich und ließ mich erschaudern.
Ich liebte ihn so sehr.
Niemand anderes sollte ihn jemals bekommen.




Verwirrt blinzelte ich und sah auf meine Hand. Was machte denn das Messer da? Und warum war es so rot?
Mein Blick wanderte nach unten, landete auf Nikos Körper. Auch er war total rot, leere Augen starrten mich an. Aus unzähligen Wunden an seinem Oberkörper sickerte Blut.
Kraftlos sank ich zu Boden.
„Niko“, hauchte ich und sah ihn an. „Niko, wach auf.“

 

Impressum

Texte: Alles meins!
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2013

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