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1.

Seine Hände lagen auf seinen Oberschenkeln und trommelten in einem nervösem Takt auf ihnen. Immer wieder öffnete sich die Tür, fremde Gesichter sahen ihn fragend an, doch niemand kam zu ihm und wollte wissen, wer er sei. Das verwirrt ihn etwas, stören tat es aber nicht sonderlich.
Es war eh nicht so cool auf eine neue Schule gehen zu müssen.

Wenig Zeit später betrat der Lehrer, ein junger Mann, anscheinend gerade mit der Ausbildung fertig, das Zimmer, zwang ihn, nach ein paar netten Begrüßungsworten, sich vorzustellen. Seine Stimme klang kratzig, als er dies tat.
„Mein Name ist David. Ich komme aus dem Norden, habe da in verschiedenen Dörfern gelebt. Jetzt hat es meine Mutter hierher verschlagen. Ich bin vor kurzem siebzehn geworden. Eh... ja.“
Schnell senkte er den Blick und ließ seine braune, halblange Haare wie einen Vorhang vor sein Gesicht fallen, damit niemand seine roten Wangen sah

Wie er das hasste. Das Rotwerden. Es lag an den Genen. Sein Vater, der sich schon vor langer Zeit in die Staaten abgemacht hatte, war auch immer rot geworden, in jeder Situation.

Seine neuen Mitschüler tuschelten einen Moment, doch dann zwang der Lehrer sie zur Ruhe und begann seinen Unterricht. Mathematik. Schnell erkannte David, dass er das Thema auf seiner alten Schule schon längst durch genommen hatte und seufzte innerlich. Was ein Glück. Das hieß, dass er nichts nachzuholen hatte, was ganz gut war. Sein ganzes Zimmer stand noch voller Umzugskartons, sein Bett wartete noch darauf, aufgebaut zu werden. Die letzte Nacht hatte er auf einer Isomatte verbracht.
Sein Blick begann durch die Klasse zu schweifen. Er versuchte sich ein Bild der Leute hier zu machen, was natürlich nicht leicht war. Jemanden danach zu beurteilen, wie er den Stift hielt, war nicht so leicht.
Also beugte er sich über seinen Zettel und begann sich doch Notizen zu dem zu machen, was vorne an der Tafel erläutert wurde. f(x)= 6x3-7x^2+x+9, also ist F(x)= 1½ x4-21/3+½x^2+9x+C ... Spannend!

Nicht nur er freute sich, als es endlich zur Pause klingelte.

Nun ja, Freude war es nicht wirklich. Eher ein wenig Erleichterung, allerdings gepaart mit Nervosität. Was würde passieren? Würde er einfach nur in der Ecke stehen? Oder würden seine Klassenkameraden auf ihn zukommen und mit ihm sprechen? Wenn ja, was würde sie sagen? Oder würden sie ihn nur über sein Leben ausfragen? Es könnte natürlich auch sein, dass sie ihn ignorieren...

Probieren geht über studieren! Er nahm sich seine Schachtel Zigaretten, sein Feuerzeug und verließ den Klassenraum. Den Weg nach draußen fand er, auch die Raucherecke. Es war einfach der Platz, zu dem alle hinströmten. Er entdeckte ein paar Leute aus seiner Klasse. Direkt dazu stellen wollte er sich nicht, er wollte sich ihnen nicht aufdrängen, aber sich in eine ganz andere Ecke zu stellen würde dazu führen, dass die Leute denken würden, dass er keinen Kontakt wollte. Entscheidungen über Entscheidungen!
Doch jemand nahm sie ihm ab. Ein Junge, ein halber Kopf größer als er, blondes, wuscheliges Haar, braune Augen, fettes Grinsen.
„Hey, David! Ich bin Finn, Klassensprecher und -clown.“ 
„Hi.“
„Komm, ich stell dir ein paar Leute vor.“ 

Finn ging zu der Gruppe und steckte sich währenddessen eine West an. Die Gruppe schaute auf. David wurde sofort wieder rot. Finn begann ihm die Namen der Personen zu sagen, aber es fiel ihm schwer, sie sich alle zu merken. Er murmelte jedem eine schnelle Begrüßung und zog dann hastig an seiner Zigarette.

Er hasste seine Schüchternheit.

Finn wechselte ein paar Worte mit einem der Kerle und drehte sich dann zu David. 
„Wo wohnst du?“ 
Hastig sagte ihm David den Namen von dem Dorf, das etwa zehn Minuten von dieser Stadt, in der er sich gerade befand, entfernt war. Finn grinste.
„Hey, da wohn ich auch. Wenn du willst, fahren wir zusammen. Ich hab 'nen Auto.“
Eines der Mädchen lachte. 
„Einen weißen Twingo mit Blumen!“
„Meinem Charakter entsprechend“, grinste Finn.
Die beiden begannen sich verschiedene Dinge an den Kopf zu werfen, lachten dabei aber unablässig.
David rauchte seine Zigarette fertig und schon war die Pause um. Gemeinsam mit dem Rest der Klasse ging er wieder hinein.

Zurück im Klassenraum setzte er sich wieder auf den Platz, den er am Morgen belegt hatte. Finn gesellte sich zu ihm. 
„Da sitzt unser Klassenstreber. Er ist bei einem Vorstellungsgespräch, darum ist er heute nicht da, aber morgen wird er es wieder sein und dann gibt’s Stress.“ 
Er grinste. 
„Setz dich zu mir! Los, komm!“
David schaute ihm verwirrt nach, als er ein paar Tische weiter ging. War das sein Ernst? Wollte er das wirklich? Zögernd stand er auf und nahm sein Federmäppchen in die Hand. Finn lachte laut. 
„David!“
Schnell kam er erneut an den Tisch und nahm das restliche Zeug. 
„Du bist aber ganz schön unsicher. Ich werd dich schon nicht beißen. Hab gut gegessen heute Morgen.“
David zwang sich zu einem Grinsen und folgte seinem neugewonnen Freund dann. Gar nicht mal so ein schlechter Start!

Die letzten Stunden gingen schnell vorbei, Finn war ein wirklich angenehmer Sitznachbar. Er redete nicht zu viel und nicht zu wenig, er beteiligte sich am Unterricht und half David, wenn dieser nicht mehr weiter wusste.
Der Deutschunterricht erwies sich nämlich schwieriger, als Mathe. Dort hatten sie eine Lektüre gelesen, über die sie sprachen. David kannte dieser aber leider nicht. Also, vom Titel her schon, wer weiß nicht, dass Schiller „Die Räuber“ geschrieben hat, aber inhaltlich hatte er absolut keine Ahnung, von was dieses Buch handelte. Zwar gehört das normalerweise zum Allgemeinwissen, doch er hat sich nie wirklich für das Lesen interessiert.
Eher für das Zeichnen.

Schon als Kind hatte er jeden Tag am Küchentisch gesessen, Stifte in der Hand, das noch weiße Papier vor sich liegen. Es hatte ihm immer gefallen, darauf etwas entstehen zu lassen. Erst waren es die üblichen Dinge eines Kindes – Sonne, Wiese, Baum, Blume – später wurden es Fahrzeuge und irgendwann begann er Mangas zu zeichnen. Es hatte lange gebraucht, bis er seinen eigenen Stil entwickelt hatte, doch er hatte es. Und jetzt tat er nichts lieber, als Geschichten aufzuzeichnen oder sich auch einfach nur so eine neue Figur auszudenken.


Wie auch jetzt. Sein Geist hatte sich schon längst vom Unterricht verabschiedet, verstand er ja nicht, um was es ging. Auch wenn Finn ihm ab und an etwas zuflüsterte, war ihm die Lust vergangen. Kein guter Eindruck für die erste Stunde, aber was sollte er tun? Er würde sich gleich morgen das Buch zulegen und es lesen, damit er am Ende der Woche auch mal ein paar Worte sagen kann.

Finn sah seinem Sitznachbar dabei zu, wie er Linien auf ein Blatt zeichnete. Erst erkannte er nicht, was es werden sollte, doch irgendwann wurden die Konturen des Menschen besser. Ein Mann, ein ziemlich gut aussehender. Hm... ob David auch... Es wäre möglich, es könnte sein. Sollte er ihn darauf ansprechen? Besser nicht. Er könnte sich bedrängt fühlen.
Finn war schwul. Und das wusste auch jeder. Seine Freunde, Mitschüler, die Lehrer, seine Schwester und seine Eltern. Am Anfang war es schwierig gewesen, viele seiner Kumpel wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben, hatten Angst, dass er was von ihnen will und sie „ansteckt“. Als ob das ginge. Davon abgesehen waren das seine Freunde, er kannte sie schon jahrelang. Für den einen oder anderen hatte er mal kurze Zeit geschwärmt, sich vorgestellt, wie es sein würde, mit ihm zusammen zu sein, aber verliebt hatte er sich in keinen von ihn. Wenn ihn jemand fragte wieso, antwortete er stets, dass er sie dazu zu gut kennt.
Später, nachdem sie die Schule gewechselt hatten oder eine Ausbildung angefangen hatten, wurde es wieder besser. Finn überzeugte sie mit dem Argument, dass er ihnen so wenigstens keine Mädchen wegschnappen würde. Das brachte die Meisten zum Lachen, wussten doch alle, dass Finn, schwul oder nicht schwul, viel bessere Chancen bei den Mädels hatte.

Finn war selbstbewusst. Er wusste, dass er gut aussah und nutzte das vollkommen aus. Wenn er in den Schwulenclub in der nächstgrößeren Stadt ging, fand er immer jemand, mit dem er die Nacht verbrachte. Im Argumentieren war er super. Er musste seinen Diskussionspartner nur einmal mit seinen großen Hundeaugen anschauen und schon war er weichgekocht. Na ja, meistens zumindest. Die Hartnäckigen konnte er tatsächlich mit harten Argumentationen überzeugen.

Wieder schaute er zu David. Süß, irgendwie. Die langen, braunen Haare, hinter denen er sich versteckte, die ständig roten Wangen... und dunkelblaue Augen, ernst, schüchtern. Die Lippen, von einem mittlerem Rot, die Oberlippe etwas schmaler als die Unterlippe. Süße Stupsnase. Schlanke, lange Finger, gepflegte Nägel, die noch immer präzise Striche auf das Papier zeichneten.
Finn gefiel, was er sah.

„Finn! Lass uns zu Subway!“
Finns beste Freundin Alina war nach Schulschluss total aufgedreht und erleichtert, dass der schlimme Montag endlich um war.
„Ich hab David gesagt, ich nehm´ ihn mit nach Hause.“ 
David sah auf den Boden und schüttelte mit roten Wangen den Kopf.
„Ist schon okay, ich ruf meine Eltern an. Oder ich glaube es fährt auch ein Bus.“
„Nein!“, rief Alina. „Du kommst ganz einfach mit und lädst uns ein! Du bist der Neue und wir wollen dich kennenlernen.“ 
Sie grinste und stupste David an.
„Wir sind auch alle gaaanz lieb, versprochen!“
Unsicher hob David den Blick. Finn schenkte ihm ein Lächeln.
„Sind wir wirklich.“ 
„Okay... aber ich kann euch nichts ausgeben.“
Finn musste lachen. 
„Das war nur ein Spaß von Alina.“
Er streckte die Hand aus und wuschelte seiner Freundin durchs Haar.
„Sie ist ein wenig verrückt.“
„Bin ich nicht!“ 
„Doch.“

Übermütig diskutierten die beiden weiter, während David hinter ihnen her schlenderte. Er mochte Finn. Locker und unkompliziert, immer einen frechen Spruch auf den Lippen. Irgendwie war er froh, dass er ihn unter seine Fittiche genommen hatte, es war immer gut, jemanden auf seiner Seite zu haben, der so war.
Diese Alina war ihm ein wenig zu aufgedreht, aber vielleicht war sie ja nicht immer so.
Er war gespannt, wie die anderen Leute der Klasse noch so waren, bisher war er nämlich nicht zu Wort gekommen, wenn ihn jemand was gefragt hatte, denn wenn er den Mund geöffnet hatte, wurde ihm schon die nächste Frage gestellt.
Aber eine Sache wusste er. Diese neue Schule – die war gar nicht mal so schlimm.

2.

Subway war voll von Schülern. Wieso verstand David nicht, er fand es dort einfach nur teuer. Seit sie losgegangen waren, überlegte er, was er nehmen sollte. Er hatte nicht viel Geld mit, den dieses war momentan knapp bei ihm. Der Umzug hatte seine Mutter viel gekostet, daher musste sie sein Taschengeld kürzen. Nicht, dass es ihr Spaß gemacht hätte, sie liebte ihren Sohn und dieser wusste das auch.
Es war selbstverständlich für David, seiner Ma etwas abzugeben, wenn sie nicht genug hatte. Er war kein egoistischer Mensch, der sein Geld für sich behalten wollte. Er brauchte es eh nur für Zeichenblöcke und Bleistifte. Ab und zu auch mal für Gummibärchen.
Okay, oft für Gummibärchen.
Mit einem innerlichen Seufzer tätschelte er seinen Bauch. Er war weniger schlank, als er sein wollte. Seiner Meinung nach war er sogar dick. Seine Freunde hatten immer nur verächtlich geschnaubt und ihm jedes Mal, wenn er davon anfing, gesagt, dass es nicht stimme und dass er aufhören solle, sich so schlecht zu machen.
Er wusste nicht, ob sie das ernst meinten oder ob sie es nur sagten, weil sie ihn nicht verletzen wollten.

Inzwischen war er dran mit seiner Bestellung. Schnell murmelte er das billigste Gericht, dass er in der Eile finden konnte. Einige Minuten später bekamen die drei ihre Baguettes und setzten sich in eine Ecke, wo gerade ein paar Kerle aufgestanden waren. Einer von ihnen grüßte Finn im Vorbeigehen und zwinkerte ihm zu und strich ihm über den Arm. David fragte sich kurz, was das sollte, doch dann wurde er von Alina belagert, die eine Menge Fragen hatte.

Eine Stunde später und mit vollen Bäuchen verließen die drei Subway wieder. Alina verabschiedete sich überschwänglich bei Finn und drückte ihn bestimmt fünf Minuten lang an sich. David bekam auch eine Umarmung und dann war sie auch schon weg.
Auf dem Weg zurück zur Schule schwiegen David und Finn lange. Erst kurz vor dem Ziel brach Finn das Schweigen.
„Sie ist ziemlich... sie übertreibt oft.“
„Sie ist doch ganz nett.“
Finn lachte.
„Ja, das stimmt wohl. Aber die ganzen Fragen...“
„War okay. Ich meine, ich bin neu, da wird doch gefragt.“
„Stimmt.“
Er blieb vor seinem Auto stehen – es war tatsächlich ein weißer Twingo mit Blumen – und schloss auf.
„Also, nur zur Info, meine Freunde sagen ich fahr ganz schrecklich.“
David grinste.
„Ich werd es überleben. Und wenn nicht gehst du ja mit drauf.“
„Stimmt wohl.“

Finn lächelte ihn sanft an. Wie süß der Kerl einfach war! Obwohl Alina ihn mit unmöglichen Fragen gelöchert hatte, war er immer ruhig geblieben, hatte geantwortet. Zwar sehr verschlossen, aber immer ehrlich.
Die einzige Frage, die Finn wirklich interessiert hatte, war die gewesen, ob David eine Freundin hat. Alina hatte ihn das nach fünf Minuten gefragt. David hatte seine Stirn in Falten gelegt und dann den Kopf geschüttelt.
„Sie hat mich verlassen, als sie erfahren hat, dass ich umziehen werde. Wir waren grade erst zusammengekommen. War ganz schöner Mist.“
Ob er es schlimm fand, dass es vorbei war, ob er deswegen Kummer hatte, das hatte er nicht durchblicken lassen. Aber es hatte Finns Frage nach Davids Sexualität beantwortet. Hetero. Schade eigentlich.
Wobei... wiederum auch nicht. Denn Finn war nicht beziehungstauglich. Er nimmt die Kerle einmal mit ins Bett, fickt sie und dann ist Schluss. Für immer.

David saß inzwischen im Auto und schaute zu ihm.
„Willst du doch noch hierbleiben?“
Schnell schüttelte Finn den Kopf und grinste.
„Hab nachgedacht. War es dir echt nicht zu viel, dass Alina so auf dich losgegangen ist?“
„Nein, hab ich doch schon gesagt.“

Zehn Minuten später standen die beiden vor Davids Haustür. David öffnete die Tür und stieg aus.
„Danke fürs Mitnehmen.“
„Bitte. Soll ich dich morgen früh abholen?“
„Musst du nicht.“
Er errötete.
„Tu ich aber“, grinste Finn und fuhr davon.

David lachte leise und schüttelte den Kopf. Unglaublich dieser Kerl.
Schnell ging er in das neue Haus und schaute sich um. Seine Ma war anscheinend nicht da. Schade. Er hatte sich darauf gefreut mit ihr über den heutigen Tag zu sprechen. Aber spätestens beim Abendessen würden sie sich ja sehen.
Seine Schritte führten ihn in sein Zimmer und er begann seine Kisten auszuräumen. Regal und Schrank waren schon aufgebaut. Sobald seine Mutter am Abend kommen würde, hätten sie genug Platz, das Bett aufzubauen und er konnte die Nacht endlich wieder auf seinem Lieblingsgegenstand im ganzen Raum verbringen.

Am Ende der Woche hatte David sich schon gut eingelebt. Die Geräusche im Haus waren immer noch seltsam, aber inzwischen roch alles nach ihm und seiner Ma.
In der Schule lief es auch super, er hatte sich mit ein paar Leuten aus der Klasse angefreundet. Mit Finn verstand er sich auch gut und auch Alina hatte er inzwischen sehr gern. Sie waren beide unkomplizierte Menschen. Außerdem übernahmen sie das Reden, was David sehr, sehr recht war. Er stand gerade im Bad und machte sich für die Schule fertig. Es ging relativ schnell, er musste nur seine Zähne putzen und seine Haare bürsten. Er duschte immer abends, da er keine Lust hatte am Morgen seine Haare zu föhnen und so konnten sie in der Nacht trocknen. Nachteil war halt, dass sie immer wie irre abstanden, wenn er am Morgen aufwachte.

Als sein Handy klingelte zuckte er zusammen. Finn.
„Hab verschlafen. Komm besser her, damit wir noch pünktlich sind. Beeil mich.“
David musste laut lachen, ging dann hinunter und packte sein Pausenbrot, das seine Mutter ihm geschmiert hatte, in seine Tasche. Eine Flasche Wasser dazu und schon war er ausgerüstet.
Auf dem Weg zu Finn musste er wieder lachen. Er wohnte nur eine Straße weiter. Ob es wirklich einen Unterschied machte, dass er zu ihm kam? Die zwei Minuten...
Er schloss eine Wette mit sich selbst ab: Dieser Kerl würde nicht einmal ansatzweise fertig sein.

Angekommen klingelte er und Finns Mutter öffnete die Tür. Die Haare hatte Finn von ihr und auch sonst sah er ihr sehr ähnlich. Sie lächelte David an.
„Guten Morgen, komm doch rein. Du musst David sein! Ich bin Gabriele. Finn ist mal wieder nicht aus dem Bett gekommen, egal, was ich versucht habe.“
Sofort fühlte David sich gemocht und aufgenommen. Es war zu erkennen, woher Finn seine Art hatte.
„Ja bin ich. Finn hat mich herbeordert. Passiert das oft?“
„Öfter als gut ist. Er ist in seinem Zimmer, Treppe hoch, zweite Tür von links.“
„Danke.“
David legte den beschriebenen Weg hinter sich und klopfte an die Tür.
„Finn?“
„Komm rein!“ 

Er öffnete die Tür und trat in das Zimmer. Sofort sah er Finn, der mit einem Brot in der Hand und nur in Boxershorts durch das Zimmer hüpfte und sein Schulzeug zusammenpackte.
„Bin gleich so weit!“, rief er und stopfte sich das Brot in den Mund.
„Ich hab Zeit. Die Schule läuft nicht weg.“
„Aber sie fängt ohne uns an. Setz dich“, nuschelte Finn mit vollem Mund und rannte dann aus dem Zimmer.
David leistete seiner Aufforderung Folge und nahm auf dem Bett Platz. Sein Blick schweifte durchs Zimmer. Es war ziemlich unordentlich, was ihn ziemlich störte. Er liebte es ordentlich. Alles lag auf dem Boden! Kleidung, Bücher, leere Flaschen, Zeitschriften... Grauenhaft!
Sein Blick glitt über die Wände. Er stutzte. Hier hingen nicht, wie in anderen Zimmern männlicher Altersgenossen, nackte Frauen sondern... Männer. David runzelte die Stirn. War Finn etwa...
Die Tür wurde wieder aufgerissen und Finn stürmte wieder rein und sprang zu seinem Schrank.
„Ich lieg noch in der Zeit!“
David lachte und schaute sich dann wieder ein Poster an. Sollte er fragen? War das nicht irgendwie unsensibel und viel zu neugierig? Doch dann kam ihm wieder die Devise in den Sinn, die er an seinem ersten Schultag im Kopf gehabt hatte: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
„Wieso hast du so viele Männer hier hängen?“
Überrascht drehte sich Finn zu ihm.
„Hast du es nicht mitbekommen?“
„Was?“
„Ich bin schwul.“

Erst wurde David blass. Dann wurde er knallrot.
„Oh.“
Finn lachte laut.
„Ich dachte, die anderen hätten es dir erzählt.“
„Nein.“
„Also, ich steh auf Kerle.“
Er drehte sich weg und zog sich seine Hose, danach sein T-Shirt an.
„Ändert das was? Wirst du mir jetzt ausweichen?“
Seine Stimme klang bitter, als er dies sagte. David dachte keine Sekunde über seine Antwort nach.
„Nein. Das gehört zu dir. Und ich mag dich, wie du bist.“
Sofort verfärbten sich seine Wangen wieder. Finn lächelte
„Danke, David. So, ich bin fertig. Meinst du, wir schaffen das noch?“
„Nee. Es ist zehn vor acht.“
„Ach Mist.“
Schnell griff Finn nach Davids Hand und zog ihn mit sich runter. „Tschüss, Mama!“, brüllte er und rannte aus der Tür, noch bevor sie ihm antworten konnte. Schnell saßen die beiden im Auto.

„Fahr einfach ganz normal, Finn, ja?“, flüsterte David leise.
Seine Hände hatten sich in seine Oberschenkel verkrampft und er sah angestrengt aus dem Seitenfenster. Finn hatte ganz schön aufs Gas gedrückt. Sie waren mit achtzig durch den Ort gefahren und David hatte das nicht gefallen.
Finn nickte und hielt sich ab sofort an die Geschwindigkeitsbegrenzung. David zu verängstigen gehörte nicht zu seinen Zielen, die er in nächster Zeit erreichen wollte. Außerdem waren sie so oder so zu spät.
„Was hätten wir jetzt?“
„Chemie“, antwortete Finn.
„Oh, gut, das kann ich nicht ausstehen.“
„Wieso nicht?“
„Kapiere es einfach nicht.“
Ein Seufzer entwich ihm. Chemie lag ihm wirklich nicht, er verstand einfach nicht, um was es da ging. Wütend grummelte er etwas vor sich her. Amüsiert schaute Finn ihn an.
„Ich kann dir dabei helfen, wenn du mir ein wenig in Englisch hilfst. Ich komm mit den Zeiten nicht so gut klar.“
David schaute ihn überrascht an und nickte dann.
„Okay. Abgemacht.“
Mit einem Lächeln lehnte er sich im Sitz zurück.

Es vergingen einige Wochen, in denen David sich in dem neuem Haus und in der Klasse einlebte. An einem Mittwoch, in der Woche vor den Osterferien, kam Alina zu ihm.
„Du kommst am Samstag doch auch?“
David sah sie verwirrt an.
„Wohin?“
„Na, zu der Party!“
„Ich weiß von keiner Party.“
Alina lachte laut.
„Ach ja, stimmt da, du bist ja noch nicht so lange hier. Also, wir planen eine Überraschungsparty für Finn. Er hat am Sonntag Geburtstag, wir wollen reinfeiern, es ist nämlich ein runder Geburtstag! Sonst ist es so, dass jeder einfach mal kommt, wann er gerade Lust hat, aber diesmal wollen wir eine richtige Feier.“
„Oh, okay. Na ja, wenn er mich dabei haben will...“
„Klar will er das! Er mag dich und ihr seid inzwischen doch Freunde. Und außerdem hab ich eine super Aufgabe für dich.“
„Die wäre?“, fragte David misstrauisch.
„Du fragst ihn, ob ihr am Samstag was machen wollt. Am besten nachmittags! Ihr könnt euch ja bei dir treffen oder so und in der Zeit bereiten seine Mutter, Elisa und ich die Party vor. Abends kommen dann die anderen, so um acht, um neun kommt ihr und alle rufen „Überraschung!““
Gar keine so schlechte Idee, eigentlich.
„Okay, auch wenn ich kein Plan habe, was wir bei mir machen könnten.“
„Ach, euch fällt schon was ein. Ihr seid doch beide kreative Köpfe.“
Mit diesen Worten tätschelte sie kurz seinen Kopf und verließ in dann, um gemeinsam mit Elisa, einem anderen Mädchen aus der Klasse, das auch zu Finns Freundeskreis gehörte, über die Dekoration zu reden.

Kopfschüttelnd ging David in die Raucherecke, wo er sich zu Finn gesellte. Dieser grinste ihn breit an.
„Na, Dave.“
David zog seine Augenbrauen hoch.
„Du sollst mich so nicht nennen. Wie oft soll ich es dir noch sagen?“
Lachend legte Finn seinen Arm um seine Schultern.
„Soll ich dich lieber Schatz nennen? Wobei, das ist zu allgemein. Honey, Babe, Engelchen...“
David wurde knallrot und schüttelte Finns Arm ab.
„Oder einfach David? Das wäre mir am liebsten.“
„Schade.“

Finn zog an seiner Zigarette und grinste. Es machte wirklich Spaß, David zu ärgern. Er wurde immer so süß rot! Zuerst die Ohren, dann der Hals, bevor sich die Röte in die Wangen verzog. Und wie er immer sein Haar nach vorne warf, damit es bloß niemand sah! Wirklich knuffig.
„Was machst du am Wochenende, Finn?“
Erstaunt hob der Angesprochene seine Augenbrauen.
„Also, Freitag und Samstag hab ich nichts vor, Sonntag werden ein paar Leute vorbeikommen. Wieso fragst du?“
„Na ja, ich dachte, vielleicht willst du mal vorbeikommen. Wegen Chemie, du weißt schon. Ich brauch Hilfe, wir schreiben ja nach den Ferien direkt die Klausur.“
„Und das muss ausgerechnet am Samstag sein?“, grinste Finn. „Ich glaube, dein Kosename ist ab jetzt Streber.“
„Och man.“
Schmollend wendete David sich ab. Finn lachte leise in sich hinein, streckte die Hand aus und durchwuschelte Davids Haare.
„Wenn es dir so wichtig ist, Kleiner. Aber danach machen wir was Cooleres. Ein Bier trinken zum Beispiel.“
„Okay“, nickte David und lächelte ihn an.
Den Rest der Pause unterhielten sie sich über andere Themen, als es klingelte gingen sie hinein und folgten dem ach so spannenden Unterricht.

3.

Am nächsten Tag fuhr David nicht gemeinsam mit Finn nach Hause, was diesen wunderte, aber er fragte nicht weiter nach, als Alina auftauchte, David am Handgelenk packte und ihn mit sich davonzog. Vielleicht hatten die beiden ja ein Date oder so. War ja auch egal. Er hatte keine Ansprüche auf David und dieser hatte das Recht, sich mit jedem zu treffen, mit dem er sich treffen wollte. Finn dachte nicht daran, dass er am Ende der Woche seinen zwanzigsten Geburtstag hatte, sonst wäre ihm bestimmt ein Licht aufgegangen. Aber so setzte er sich grübelnd in sein Auto. Seine Gefühle für David gingen, nachdem sie in den letzten Wochen viel Zeit miteinander verbracht hatten, über das Freundschaftliche hinaus. Das war falsch, verdammt falsch. Und so fremd. Schon lange hatte Finn nicht mehr solche Gefühle gehabt. Das letzte Mal mit fünfzehn. Sein damaliger Schwarm war auch mit ihm zusammen gewesen, hatte ihm gesagt, dass er ihn liebt. Und dann hatte er ihm erbarmungslos das Herz gebrochen, indem er mit einem Mädchen zusammengekommen ist, noch während er und Finn eine Beziehung hatten. Seitdem war „scheiß Liebe“ Finns Lebensmotto.

Während Finn sich also auf den Heimweg machte, zerrte Alina David hinter sich her in die Stadt. Auch Elisa war dabei. Die drei wollten für Finn ein Geschenk kaufen. Als Alina David gefragt hatte, ob er bei ihnen mitmachen will, war er sofort einverstanden gewesen. So gut, als dass er ein Geschenk für Finn aussuchen könnte, kannte er ihn noch nicht und so langweilige Sachen wie Geld, Gutscheine, Schokolade oder Wein verschenkte er einfach nicht gern. Die Mädchen liefen zielgerichtet auf einen Buchladen zu.
„Finn liebt gute Mangas.“
Überrascht blieb David stehen.
„Wirklich?“
„Ja!“, rief Alina und lachte. „Am liebsten welche, in denen es um Schwule geht.“
„Was auch sonst“, fügte Elisa trocken hinzu.
„Und ihr wollt ihm jetzt Mangas kaufen?“
„Ja, was dagegen?“
„Ist das nicht gefährlich? Kann ja sein, dass er dann ausgerechnet die schon hat.“
„Na ja, er steht halt drauf und im Notfall kann er sie umtauschen.“
David zögerte einen Moment, räusperte sich dann und sagte:
„Ich hab ein paar fertige daheim. Von mir gezeichnet. Bei einem davon habe ich mich sogar mit einer homoerotischen Geschichte versucht.“

Alina und Elisa sahen erst sich an und dann David.
„David?“, fragte Alina vorsichtig, „Bist du auch schwul?“
Sofort färbten sich seine Wangen rot und schnell schüttelte er den Kopf.
„Nein. Ich hatte doch ne Freundin.“
„Das muss ja nichts heißen. Magst du Finn?“
„Er ist ein Freund“, murmelte David ausweichend und wendete sich dann ab. „Also, was ist? Machen wir es so? Wir können ihm ja eine coole CD oder DVD kaufen. „Atemlos“ ist ein guter Film, kennt er den? Der ist gerade auf DVD erschienen. Oder wie wäre es mit „The Holding“? Der ist auch gut.“
Unsicher ging er auf ein Elektrogeschäft zu. Wieso mussten sie ausgerechnet heute mit dem Thema anfangen?
Heute Nacht hatte er nämlich von Finn geträumt und zwar ziemlich eindeutige Sachen. Am Morgen war er erregt aufgewacht. Er verstand es nicht! Nie vorher hatte jemand vom gleichen Geschlecht ihn so fasziniert. Eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass er schwul war. Immerhin war er ja mit Anastasia gegangen und die war eindeutig ein Mädchen gewesen.

Elisa und Alina entschieden sich für „Atemlos“. Ihre Begründung war, dass man bestimmt mal Taylor Lautner ohne Oberteil zu Gesicht bekommen würde und das schon Grund genug wäre, den Film zu kaufen. Danach kauften sie noch ein paar Süßigkeiten, die Finn gerne mochte, bevor sie in einen Laden gingen, in dem es Girlanden, Luftschlangen, Konfetti und Partyhüte gab. David stand eher daneben. Er interessierte sich mehr dafür, wo er die losen Blätter, auf denen das Manga gezeichnet war, am besten binden lassen konnte. Diese Frage richtete er schließlich an Alina, welche ihm einen günstigen Copyshop sagte. Er würde also noch einmal am nächsten Tag in die Stadt müssen. Vielleicht hatte seine Ma ja Zeit, ihn zu fahren.

Eine Stunde später verabschiedeten sich die drei voneinander. David fuhr mit dem Zug heim, während Alina und Elisa liefen, da sie in der Stadt wohnten. Leider gab es in dem Dorf, in dem David lebte, keinen Bahnhof und so musste er die drei Kilometer vom Nachbardorf aus nach Hause laufen. Aber das war okay, das Wetter war schön. Langsam wurde es nämlich warm, wie auch heute. Es waren ungefähr zwanzig Grad im Schatten. Daheim begab David sich auf die Suche nach seinen Zeichnungen. Ob Finn das gefiel? So gut war David ja nicht, fand er. Egal. Einen Versuch war es wert.

Der Freitag verging, wie jeder normale Tag, an dem es Ferien gibt. Drei Stunden Qual in der Schule, dann Jubelschreie, als die Lehrer den Unterricht für beendet erklärten. Finn und seine Freunde wollten noch was unternehmen, aber David lehnte ab, da er seine Mutter schon warten sah. Einige Klassenkameraden zwinkerten ihm verschworen zu, während Finn ihm lässig auf die Schulter klopfte.
„Dann bis morgen, Kleiner. Ich hoffe, du kannst jetzt endlich Reaktionsgleichungen aufstellen!“
„Klaro“, log David und wurde leicht rot. „Bis morgen, Finn.“
Schnell stieg er in das Auto seiner Ma, begrüßte sie kurz und legte dann seine Stirn an die Scheibe, während seine Mutter losfuhr. Hoffentlich lief das morgen alles glatt!

4.

Als David den Samstagmorgen erwachte, war es bereits halb zwölf. Um halb eins wollte Finn kommen, also musste er sich jetzt beeilen. Er wollte noch duschen und das Geschenk einpacken, das Bett sollte vielleicht auch gemacht sein.
Fahrig tapste David in sein Bad, das direkt an sein Zimmer grenzte. Er hatte schon wieder von Finn geträumt und seine Pyjamahose war diesmal feucht.
So ein Mist!
Nach einer schnellen Dusche ging er zurück in sein Zimmer, wo er sich Shorts überzog, es waren draußen jetzt schon so fünfundzwanzig Grad, wie er auf dem Thermometer ablesen konnte, um dann das Geschenk einzupacken und gut zu verstecken. Seine Chemiesachen breitete er auf dem Tisch aus. Als nächstes ging er in die Küche, um noch was Essbares in sich hineinzustopfen. Seine Mutter ignorierte er größtenteils, brummte nur kurz, dass Finn gleich kommen würde. Sie sagte dazu nichts, sie war froh, dass David so schnell Anschluss gefunden hatte.

Plötzlich war es halb eins. David stürmte ins Bad und putze sich die Zähne. Währenddessen fragte er sich selbst, wie er wohl gleich auf Finn reagieren würde. Diese Träume machten ihm Angst. Er war nicht schwul! Er fand doch schon immer Mädchen... wobei. Seine Ex-Freundin, die hatte ihn praktisch dazu überredet, mit ihm zusammenzukommen, obwohl er sie eigentlich nicht so wirklich anziehend fand.
Davids Gedankenfluss wurde unterbrochen, als es an der Tür klingelte. Hastig spülte er sich den Mund aus und lief zurück in sein Zimmer. Seine Mutter und Finn waren allerdings schneller gewesen und Finn saß schon auf dem Schreibtischstuhl.
„Hey, Dave.“
„Finn.“
Mit drei Schritten war David beim Schrank und zerrte sich ein Shirt raus, welches er sich schnell überstreifte. Er musste sich beherrschen, nicht rot zu werden und versuchte, nicht an die Nacht zu denken, was ihm irgendwann auch gelang. So konnte er sich zu Finn drehen, ohne, dass sein Gesicht wieder die Farbe einer überreifen Tomate annahm.

„Du bist pünktlich. Hätte ich nicht mit gerechnet.“ 
„Tja, siehste mal“, grinste Finn und deutete dann auf das Schulzeug. „Willst du echt lernen? Oder wollen wir nicht lieber was zocken? Oder raus gehen? Fußball?“ 
„Ehm... ich versteh das echt nicht.“ 
„Aber wir haben doch die ganzen Ferien! Komm schon, das Wetter ist so verdammt geil!“ 
„Na gut, überredet. Aber kein Fußball.“ 
„Wieso?“ 
„Kann ich nicht.“ 
„Okay, hast du Badminton?“ 
„Ja.“ 
„Dann machen wir das. Komm!“

Finn stürmte raus und lachte. Sonne! Wie sehr er sie liebte! Jeden Winter schob er Blues, aber sobald die Sonne wieder rauskam, war sein Leben wieder toll. Und die Ansicht von David ohne Shirt hatte auch einen gewissen Teil an seiner guten Laune beigetragen. Heiß!
Er ließ sich ins Gras fallen und schaute zu der Haustür, aus der David gerade trat. Ruhig, besonnen, wie immer. Eine kleine Tasche mit zwei Badminton-Schlägern und Federbällen trug er mit sich, als er zu Finn ging. 

„Wenn du da im Gras liegst, können wir aber nicht spielen.“
„Stimmt!“, rief Finn und sprang mit einem breiten Grinsen auf, nahm David das Zeug aus der Hand, gab ihm einen Schläger, rannte ein paar Meter weg und eröffnete das Spiel.

Eine Weile spielten sie, ohne miteinander zu sprechen, aber dann unterbrach Finn das Schweigen.
„Kommst du morgen auch mal bei mir vorbei?“
„Wieso?“
„Ich hab Geburtstag.“
Entgeistert sah David ihn an, während er innerlich diabolisch grinste.
„Und das sagst du mir erst jetzt? Wie soll ich dir bis dahin noch ein Geschenk besorgen! Idiot!“
„Niemand hat gesagt, dass du mir was schenken musst! Außerdem bin ich kein Idiot!“
Finn schaute ihn an.
„Komm, bitte, ich würde mich freuen. Ach, und falls du mir wirklich was schenken willst, mal mir doch so eine coole Mangafigur!“
„Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, meine Ma will mir morgen so einen Kerl vorstellen, den sie kennengelernt hat.“

Das war die Wahrheit. Aber eigentlich unwichtig, weil Finns Party ja schon am Abend steigen würde. Trotzdem wichtig. Gestern, nachdem David und seine Mutter aus der Stadt zurückkamen, hatten sie sich zusammen an den Küchentisch gesetzt und seine Ma hatte ihm erzählt, dass sie nicht wegen einem Job, sondern wegen einem Mann hergezogen waren. Das hatte David entsetzt und er war furchtbar wütend auf sie. Dennoch hatte er ihr versprochen, sich den Kerl mal anzuschauen.

Finn schaute seinen Kumpel an.
„Alles okay bei dir, Mann?“
„Klar, immer alles gut.“
David lächelte schief und in diesem Moment fand Finn ihn wieder unglaublich süß. Am liebsten wäre er über ihn hergefallen, aber er musste sich zurückhalten. Immerhin wusste er nicht, ob David auch auf Männer stand oder ob er hetero war. War ja eigentlich auch egal. Sie waren inzwischen Freunde und mit Freunden fing Finn nichts an.

Später schaffte es der Ältere, seinen neuen Kumpel doch noch zum Fußballspielen zu überreden. So bolzten sie den halben Nachmittag, als wären sie kleine Jungs.
Schließlich wurde es Abend. Da Finn noch auf ein Bier in eine Kneipe wollte und David Finn irgendwie nach Hause bringen musste, kam es ganz gelegen, dass Finn sich seine Jeans mit Grasflecken eingesaut hatte und sich nochmal umziehen musste. Auch David ersetzte Short durch Jeans, war es abends doch noch recht kühl.

Nachdem sie sich noch eine Tiefkühlpizza geteilt hatten, liefen sie gemeinsam zu Finns Haus. Während Finn Davids Nähe suchte, versuchte David ein wenig Abstand einzuhalten. Schnell waren sie an ihrem Ziel und Finn runzelte die Stirn.
„Wieso stehen hier so viele Autos?“
„Eh... i-ich weiß nicht?“
Misstrauisch sah Finn ihn an.
„Sicher?“
Hastig nickte David, packte sein Handgelenk und zog ihn zur Tür.
„Na komm, ich brauch jetzt wirklich ein Bier. Oder zwei.“
„Wieso?“
Finn blieb stehen und sah ihn ernst an.
„Du hast was. Du bist schon die ganze Zeit so komisch. Was ist los?“
Ohne darüber nachzudenken nahm er Davids Hand, was diesen zum Erröten brachte. Er antwortete leise.
„Meine Ma hat mich belogen. Sie hat gesagt, sie hätte hier ihren Traumjob gefunden, aber gestern hat sie mir erzählt, dass es stattdessen der Traummann war. Den Job, den sie hier macht, mag sie nicht einmal sehr. Sie wollte nur wegen diesem Kerl her. Wegen diesem Typen musste ich meine ganzen Freunde hinter mir lassen! Nachdem ich endlich welche hatte...“
Finn erschrak, als sich eine einsame Träne auf Davids Wange den Weg nach unten suchte.
„David“, hauchte er und nahm in vorsichtig in die Arme. „Hey, nicht weinen.“
„T-tut mir l-leid!“
„Schon okay. Ich versteh es.“
Sanft drückte er ihn an sich und küsste ihn auf das weiche Haar.
„Wollen wir bei mir bleiben? Wir können auch hier Bier trinken und du kannst mir alles in Ruhe erzählen.“
„I-ich...“

David wurde unterbrochen, als die Tür aufgerissen wurde und eine wütende Alina die beiden anfunkelte.
„Kommt ihr Turteltäubchen jetzt endlich rein? Wir warten alle schon seit eineinhalb Stunden!“
Verwirrt sah Finn sie an.
„Wie? Hä?“
„Wir feiern deinen Geburtstag, du Depp! David hatte die Aufgabe, dich den Tag über abzulenken und dich dann herzubringen und nicht, sich an dich ranzuschmeißen.“
„Woa, was hast du denn für ein Problem?“
Er ließ David los, ging auf Alina zu und umarmt sie.
„Danke, Süße.“
Nachdem er ihr einen Kuss auf die Wange gehaucht hatte, drehte er sich zu David, welcher sich abgewendet und seine Tränen getrocknet hatte.
„Kommst du mit rein?“
Schnell nickte der Jüngere und lief ins Haus. Alina meckerte weiter.
„Jetzt hat er alles versaut. Wir wollten doch „Überraschung“ rufen! Und nur wegen David hat es nicht geklappt!“
Bei diesen Worten zuckte David zusammen und Finn knurrte wütend.
„Meine Fresse, Alina, was ist mit dir los? David hat mich doch hergebracht. DU hast es versaut! Indem du die Tür aufgerissen und mir davon erzählt hast.“
Er schnappte sich Davids Arm.
„Komm, wir schauen, ob noch angenehmere Gesellschaft da ist.“
„Die halbe Schule ist da“, flüsterte David. „Du bist beliebt.“
Finn grinste.
„Na ja, es gibt auch viele, die mich hassen und viele, denen ich erst beweisen musste, dass ich sie nicht ficke, sobald sie nicht aufpassen. Weil wir Schwulen ja alles ficken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.“
Seine Stimme triefte vor Sarkasmus und brachte David zum Lächeln. Finn drehte sich zu ihm.
„Nicht jeder ist wie du. Nicht jeder akzeptiert es, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Mit diesen Worten kamen sie im Keller an. Sofort wurde Finn von David weggerissen und von lauter Leuten angesprochen. Da David nicht dumm herumstehen wollte, ging er in die Ecke, in der die Getränke standen, nahm sich ein Bier und setzte sich auf einen Sessel.
Und dort bewegte er sich auch nur noch weg, um sich ein neues Bier zu holen. Ab und an unterhielt er sich mit jemandem aus seiner Klasse, aber zum großen Teil wurde er von den anderen ignoriert. Es war halt immer schwierig, als Neuer in einer eingeschworenen Gesellschaft.
Als es Mitternacht war, brüllten alle gemeinsam ein lautes „Happy Birthday, Finn!“ und sangen das passende Lied dazu laut und schief. Danach wurde Finn so ziemlich von jedem einzelnen in diesem Raum umarmt und beglückwünscht.
David beobachtete das aus der Ferne und wartete, bis die Traube um Finn kleiner wurde, bevor er sich erhob.
Huch.
War der Raum hier die ganze Zeit schon so wackelig gewesen? War das ein Erdbeben? Unsicher wankte er auf Finn zu, welcher ihm entgegen grinste.
„Na, Dave.“
„Alles Gute“, lallte David und fiel seinem Kumpel um den Hals. „S..swanzig, Mann.“
„Und du bist betrunken, mein Freund.“
„Gar nicht!“
„Oh doch.“

Er drückte sich fester an Finn.
„Bin froh, dass wir F-freunde sin'.“
Amüsiert schaute Finn ihn an.
„Das sagst du nur, weil du ein Bier zuviel hattest. Soll ich dich nach Hause bringen?“
„Nein! Das hier is' dein Geburtstag. Du muss' bleib'n.“
Finn lachte, drückte David an sich und ging mit ihm zum Sofa.
„Wie wär es, wenn wir dann eine Weile hier sitzen bleiben?“
David erwiderte nichts, kuschelte nochmal kurz sich an Finn, ließ ihn dann los und setzte sich einigermaßen ordentlich hin.

Sie blieben solange sitzen, bis der letzte Gast gegangen war. Zwischendurch kam Alina zu ihnen und entschuldigte sich für ihre Arschigkeit, wirkte aber in Finns Augen immer noch ein wenig geknickt. Es war gegen halb vier am Morgen, als der unfreiwillige Gastgeber einen langen Seufzer ausstieß.
„Na endlich.“
David sah ihn an und lächelte müde, inzwischen wieder einigermaßen nüchtern, nachdem Finn ihm literweise Wasser eingeflößt hatte.
„Dann geh ich auch mal.“
„Ich dachte, du bleibst?“
„N-nein, besser nicht.“
Wieder verfärbte sich sein Gesicht rot.
„Och bitte, Dave!“
Finn rutschte näher zu ihm.
„Hab ich mich eigentlich schon für dein Geschenk bedankt? Du hast wirklich Talent.“
„Danke.“
Die Röte vertiefte sich noch um eine Nuance, wie David spürte. Das machte Finns Nähe. Er musste die ganze Zeit an diese Träume denken!

„Bist du sehr sauer auf deine Ma?“, nahm Finn das Thema von vor einigen Stunden wieder auf.
Vorsichtig nickte David.
„Es hat mich verletzt. Aber ich kann nichts dagegen tun, richtig? Ich bin immerhin noch keine achtzehn und selbst wenn ich es wäre, könnte ich nicht für mich selbst sorgen. Ich kann ja nicht einmal kochen.“
David hob den Blick und schaute Finn ernst an.
„Außerdem ist sie meine Ma. Ich werde mich schon daran gewöhnen, richtig?“
Finn nickte und flüsterte:
„Bestimmt.“

Daraufhin gingen sie hoch in Finns Zimmer, wo sie sich beide bis auf die Boxershorts auszogen. Finns Bett war breit genug, als dass sie beide darin schlafen konnten. Ein Problem war nur die eine Decke, die sie sich würden teilen müssen, da Finn nicht wusste, wo seine Mutter die Ersatzbettwäsche verstaut hatte und er sie nicht unbedingt jetzt noch wecken wollte. Beide wussten nicht so recht, ob es gut wäre, unter einer Decke zu schlafen. Beide hatten sie Angst, am Morgen erregt zu erwachen. Und beide wussten nicht, dass der andere sich genau die gleichen Sorgen machte.
„Wand oder vorne?“, unterbrach Finn das Schweigen.
„Wie ist es dir lieber?“, erwiderte David.
„Ich schlaf immer vorne.“
„Und ich immer an der Wand.“
Sie grinsten sich an und kletterten dann ins Bett.

Finn löschte das Licht und sie lagen schweigend in der Dunkelheit. Was tun, was tun? Später wusste David nicht mehr, woher er den Mut nahm. Doch er rutschte zu Finn und kuschelte sich an ihn. Finn verwirrte das,  aber es war ihm nicht unangenehm und so legte er seine Arme um David, um ihn noch dichter an ihn zu ziehen.
„Finn?“, flüsterte dieser nach ein paar Minuten Stille.
„Hm?“
Dann spürte Finn, wie Davids Hand vorsichtig über seine Brust fuhr, noch ein wenig höher und wie seine Finger dann über seine Lippen strichen. Unwillkürlich öffnete Finn seinen Mund ein wenig und atmete angespannt aus.
David bewegte sich ein Stück nach oben und sah Finn unsicher in die Augen.
„Finn“, flüsterte er.
Dann legten sich seine Lippen auf die des Anderen.

5.

Sofort übernahm Finn die Führung. Er knabberte an Davids Unterlippe, nahm sie zwischen die Zähne und saugte leicht daran, bevor er sie wieder losließ und sanft mit seiner Zunge drüber strich, um David um Einlass zu bitten. David kam dieser Bitte nach und öffnete seinen Mund ein wenig. Vorsichtig strich Finn mit seiner Zunge über Davids, umspielte, neckte sie. Ein leiser Seufzer verließ Davids Kehle, als Finn ihn aufs Bett drückte und sein Knie zwischen seine Beine schob.
Das motivierte Finn und er strich mit der flachen Hand über Davids nackte Brust, während er den Kuss noch ein wenig vertiefte. Der Untere schlang seine Arme um Finns Hals und presste sich so dicht an ihn, wie es nur ging.

Der verdammte Kuss gefiel ihm nämlich. Und wie!
Er hatte keine Ahnung, weshalb er Finn geküsst hatte. Es war in diesem Moment absolut notwendig gewesen, er hatte dem Geburtstagskind einfach so nahe wie möglich sein wollen. Als Finn sich von seinem Mund löste und begann an seinem Hals zu knabbern, stöhnte David leise und strich Finn durchs Haar, spielte mit den dicken Strähnen und wollte mehr, mehr, mehr.

Finn hob den Kopf und schaute David grinsend in das rote Gesicht.
„Gefällt dir, hm?“
Hastig  nickte David und die Röte vertiefte sich noch ein wenig.
„Mir auch.“
Finn verschloss Davids Mund wieder mit seinem und erneut begannen ihre Zungen ein wildes Spiel, was eine halbe Ewigkeit anzudauern schien. In den Hosen der Jungs wurde es langsam hart, vor allem, weil sich ihre Unterleiber aneinander rieben. Und beiden gefiel es.

Doch als Finns Hände sich in Davids Boxershort schoben, keuchte dieser mehr erschrocken als erregt und stieß den Blonden von sich.
„Ich bin nicht schwul!“, brüllte er beinahe und sprang auf um sich anzuziehen.
Dann warf er Finn noch einen fassungslosen Blick zu, bevor er das Zimmer verließ.
Draußen wurde es schon hell, es war inzwischen halb sechs am Morgen. David genoss die frische Kälte nach dem erhitzenden Spiel in Finns Bett. Was war das gewesen? Wieso hatten ihn Finns Berührungen so erregt? Er war doch nicht schwul! Er KONNTE nicht schwul sein! Ja, auch wenn er von Finn geträumt hatte. Das musste einen anderen Grund haben!

Währenddessen starrte Finn an die Zimmerdecke. Ach du Gott. Er hätte nie, nie, nie, nie gedacht, dass David ihn einfach so küssen würde. Verfluchte Scheiße, der Kerl war echt unglaublich. Schade, dass er sich zurückgezogen hatte. Aber okay, vielleicht brauchte er noch eine Weile, um darauf klarzukommen, dass er etwas für einen Kerl empfand. War ja auch egal jetzt. Er würde sich sowieso nicht in David verlieben.

Zuhause ließ David sich auf sein Bett fallen und seufzte. Toll, jetzt war es wohl vorbei mit der Freundschaft zwischen ihm und Finn. Und lernen würden sie auch nicht mehr gemeinsam. Sollte dann wohl so sein. Auch egal.
Langsam drehte er sich auf den Bauch, um dann sein Gesicht in das Kissen zu drücken. Wie hatte er ihn nur küssen können? Einfach so? Er war bestimmt noch betrunken! Ja, das musste es sein! Nüchtern wäre er nie auf die Idee gekommen, das zu tun! Ach Mist.

Zwei Tage später stand Finn vor Davids Haustür und klingelte, doch niemand öffnete. An sein Handy ging David auch nicht. Finn verstand ja, dass er Abstand brauchte, aber, verflucht nochmal, nicht mal auf eine SMS reagieren? Außerdem interessierte es Finn brennend, weshalb David das getan hatte! Inzwischen hatte er die Theorie festgelegt, dass David eventuell doch noch ein wenig Alkohol im Blut gehabt und gedacht hatte, dass neben ihm ein Mädchen liegt. War ja auch egal!
Erneut drückte er den Klingelknopf – und diesmal wurde die Tür tatsächlich aufgerissen!
„Was ist?“, blaffte ein zwei Meter großer und breit gebauter Typ.
„Hi. Ich bin Finn. Ist David da?“
Der Mann musterte Finn mit hellgrauen Augen und nickte schließlich.
„Der ist oben. Vielleicht bekommst du ihn ja aus diesem Zimmer.“
Finn nickte und stieg die Treppe hoch.

Vor Davids Zimmertür blieb er stehen und klopfte sanft.
„Was?!“, kam es von der anderen Seite der Tür.
Vorsichtig drückte Finn sie auf.
„Dave?“
Er trat einen Schritt ins Zimmer und sah zu David. Dieser saß am Schreibtisch, jede Menge Zettel um ihn herum verteilt.
„Wieso gehst du nicht an dein Handy?“
David seufzte.
„Weil ich nicht mit dir sprechen will.“
„Wegen dem Kuss?“
„Wegen... allem.“
Er dreht sich auf dem Schreibtischstuhl zu ihm. Finn erschrak, David sah ziemlich übermüdet aus. Langsam ging er zu ihm.
„David, was ist los?“
„Ich bin nicht schwul“, flüsterte der Jüngere. „Oder?“
Finn zuckte mit den Schultern.
„Und wenn? Ist es so schlimm?“
„Meine Ma... sie mag Schwule nicht.“
„Wieso?“
„Ich-ich weiß nicht. Finn! Ich kann das nicht!“

David sprang auf, ging zur Tür, schloss sie ab und kroch dann unters Bett, um einen Stapel Blätter hervorzuholen.
„Guck dir das an!“
Er breitete die Zettel auf seinem Bett aus. Finn trat näher und sah lauter Zeichnungen, von zwei Männern in eindeutigen Positionen, die selbst Finn die Röte in die Wangen trieb.
„Dave... Das ist...“
„Eindeutig ein Beweis, oder?“
„Möchtest du sowas auch machen?“
„Ja“, hauchte David mit knallroten Wangen.
„Dann...“, sagte Finn und sah den Anderen fest an. „Dann bist du eindeutig schwul.“

„So ein Mist“, flüsterte David und ließ sich auf die Blätter sinken.
„Nicht!“
Eilig zog Finn ihn wieder hoch, räumte die Blätter wieder unter das Bett und schaute David dann an.
„Jetzt kannst du.“
Sofort ließ sich David wieder auf sein Lieblingsmöbelstück sinken und nach hinten fallen.
„Sie hasst mich schon, weil ich diesen Kerl nicht leiden kann.“
„Er ist wirklich unsympathisch“, flüsterte Finn und legte sich neben David.
Dieser drehte den Kopf zu seinem vielleicht-irgendwie-mehr-als-Kumpel, welcher sich seitlich auf seinen Arm abstützte und die freie Hand auf Davids Bauch legte, wo sie begann, leichte Kreise zu ziehen.
„Ich finds schade, dass wir das Sonntagmorgen abgebrochen haben, wirklich. Du küsst unglaublich gut“, flüsterte Finn heiser. „Aber ich verstehe, dass du weggelaufen bist. Ich hätte vermutlich nicht anders reagiert in deiner Situation. Es war immerhin dein erster Kuss mit einem Jungen.“
„Es hat mir gefallen“, antwortete David. „Sehr. Zu sehr.“
Er sah Finn vorsichtig in die Augen.
„Trotzdem würde ich es wieder tun. Scheiße, ich mag dich. Ich weiß nicht wie sehr, aber ich mag dich.“
„Ich hab dich auch gern. Aber ich bin kein Typ für eine Beziehung, David. Ich hätte nie mit dir rumgemacht, wenn du nicht angefangen hättest, weil ich dir nicht weh tun wollte. Will ich immer noch nicht. Darum darf es nicht wieder passieren.“
„Aber...“ David setzte sich auf. „Es hat dir auch gefallen!“
„Ja.“
„Und ich kann doch gar keine Beziehung mit einem Kerl haben! Meine Mama würde mich umbringen!“
„Was willst du mir sagen?“

Doch anstatt von einem weiterem Wort, küsste David Finn. Dieser reagierte sofort mit einem gepressten Stöhnen und rollte sich auf den Jüngeren. Wie auch den Sonntag fochten ihre Zungen einen heißen Kampf aus, die Körper machten sich selbstständig und rieben aneinander. Davids Hände fanden schnell ihren Weg unter Finns Shirt, während Finns Hände Davids Haare zerwühlten. Schnell waren beide ihre Oberteile los, auch die Hosen folgten.
Lange konnte Finn sich nicht mit Davids Lippen zufrieden geben, seine Mund wanderte an seinem Hals hinunter und blieb schließlich an den Brustwarzen hängen. Zärtlich leckte er über eine, pustete dann drüber, was David am ganzen Körper Gänsehaut einbrachte. Dann biss er leicht hinein, saugte dann daran. David stöhnte leise und drückte Finns Kopf dichter an sich.

Finn grinste. Unglaublich, wie sehr David sofort darauf einging! Und gefallen schien es ihm total – vor allem der Beule in der Boxershort nach zu urteilen. Während er sich der anderen Brustwarze widmete, strich seine Hand wieder und wieder über diese bestimmte Stelle.
David konnte kaum an sich halten. Das war besser als alles, was er bisher erlebt hatte! Finns Küsse brachten ihn schon in den neunten Himmel und seine Berührungen erst!
Doch plötzlich verstummte er und stieß Finn von sich.
„Sie können uns hören!“
„Oh, fuck, Dave!“
Finn fuhr sich durch die Haare.
„Willst du das jetzt jedes Mal machen? Mich aufheizen und dann den Schwanz einziehen?“
Wütend stand er auf und schmiss sich in seine Kleidung.
„Ach, vergiss es.  Wenn du irgendwann mal denkst, dass du es auch zum Ende bringen kannst, komm vorbei.“
Mit festen Schritten ging Finn zur Tür, schloss sie auf und stürmte hinaus. Stumm sah David ihm nach, vergrub dann das Gesicht im Kissen. Schöner Mist. Wieso machte er es immer kaputt?

Finn steckte die Hände in die Hosentaschen und stapfte wütend nach Hause. Gott, wieso ließ er so mit sich spielen? Vor allem hatte dieser Kerl doch null Erfahrung! Wie konnte er ihn so heiß machen? Ein knurrender Laut verließ Finns Lippen. Toll, jetzt konnte er sich zuhause einen von der Palme wedeln, mit seinem treuen Partner Mr. Hand. Wurde Zeit, dass er mal wieder jemand vernünftigen zum Ficken bekam, ging doch nicht an, dass er bei der kleinsten Berührung von einem verdammten Kerl, der sich auch noch dazu wünschte hetero zu sein, gleich einen Steifen bekam!

6.

Zuhause tat Finn das, was getan werden musste. Danach setzte er sich an seinen Laptop und spielte ein wenig Minecraft.
Es verging keine Stunde, bevor es klingelte. Genervt stand Finn auf und ging zur Tür.
„Was ist?“, fragte er angepisst.
Als er jedoch sah, dass David vor ihm stand, veränderte sich sein Gemütszustand sofort. Seine Augen begannen wütend zu funkeln und unwillkürlich trat David einen Schritt zurück.
„Finn... du hast gesagt, dass ich kommen soll, wenn ich denke, dass ich es zu Ende bringen kann.“
Unsicher schaute er sich um, Finn erkannte deutlich, dass David Angst hatte, dass ihn jemand hören könnte.
„Komm rein“, brummte er deswegen und marschierte in sein Zimmer.

Leise folgte David ihm und ließ sich dann vorsichtig auf dem Bett nieder.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann, Finn. Ich... ich hab Angst.“
„Wovor?“, fragte der Ältere ungerührt.
„Na ja... also...“ David seufzte laut. „Da ist irgendwas zwischen uns. Ich meine, ich träum fast jede Nacht, wie du...“
Er brach ab, als sein Gesicht knallrot wurde, während Finn neugierig aufhorchte.
„Du träumst von mir?“
„Davon, wie wir Sex haben“, murmelte David und versteckte sein Gesicht ihm Kissen.
Finn erhob sich von dem Drehstuhl und ging zu ihm. Langsam ließ er sich neben ihm nieder, um mit sanften Kreisen über seinen Rücken zu streichen.
„Und wieso hast du Angst?“
„In meinen Träumen ist es immer wunderschön“, flüsterte David, „Aber im Internet steht, dass es weh tut!“
„Hm... das tut es auch. Ohne Vorbereitung sogar sehr.“
David drehte sich um und schaute Finn an.
„Also, da stand, dass es Aktive und Passive gibt und ich dachte, dass du bestimmt aktiv bist.“ Finn nickte und grinste.
„Ich bin eigentlich immer Top. Aber, hey, du kannst es doch einfach ausprobieren, was dir besser gefällt.“
Sanft strich er ihm übers Haar und lächelte.
„Ich hab auch eine Weile gebraucht, bis ich zum ersten Mal der passive Part war, weil ich da auch absolut derben Schiss vor hatte. Gefallen hat es mir dann auch nicht wirklich, aber das war okay, so hab ich herausgefunden, was ich mag. Du musst wissen, ob du das willst.“
„Will schon“, murmelte David, „Aber ich hab wirklich Angst.“

„Wir müssen ja nicht gleich Sex haben“, flüstert Finn nach einer Weile des Schweigens und schaut David fest an. „Ich meine, hast du schon irgendwelche Erfahrungen? Außer die, die du schon mit mir gemacht hast?“
„Nein. Nicht mal mit Mädchen.“
„Also. Dann ist doch Sex eh viel zu viel auf einmal, findest du nicht auch?“
„Schon irgendwie. Aber ich dachte du...“
„Hör doch einfach mal auf zu denken! David, wieso sollte ich dich zu irgendwas drängen?“
„Keine Ahnung. Weil du nur auf Sex aus bist?“
„Bei dir aber nicht.“ Ernst schaute er ihn an. „Scheiße, David, dafür bist du viel zu zerbrechlich.“
„Ich bin nicht zerbrechlich!“
Wütend setzte der Jüngere sich auf und funkelte Finn an.
Zerbrechlich, pah!
Doch sein Kumpel grinste nur.
„Okay, ich nehm es zurück. Trotzdem. Und ich mag dich viel zu sehr, um nur einmal mit dir ins Bett zu steigen.“
„Wie sehr?“
„Zu sehr“, erwiderte Finn und sah ihn ernst an. „Aber das wird nichts daran ändern, dass ich mich auf keine Beziehung einlasse.“
„Ist doch okay. Ich meine, ich kann eh nicht. Meine Ma würde mich umbringen.“
Zögerlich rollte sich David auf Finn.
„Aber was sind wir dann?“
„Fickkumpanen“, grinste Finn.

„Aber wir lassen es langsam angehen?“, fragte David nach einem kurzem Schweigen.
„Ja“, antwortete Finn.
Vorsichtig beugte er sich über David und gab ihm einen sanften Kuss, hauchzart, die Lippen berührten sich kaum. Doch David legte seine Hände in Finns Nacken und zog ihn an sein Gesicht. Die Münder trafen sich erneut und diesmal lag eine gewisse Härte in dem Kuss, die David aufstöhnen ließ. Aber es dauerte nicht lange, ehe Finn sich wieder löste.
„Weißt du, ich wurde ziemlich übel verletzt, als ich in deinem Alter war. Ich hab auch erst mit siebzehn bemerkt, dass ich schwul bin, durch einen älteren Kumpel. Er hat mich einfach mal geküsst und es hat mir mehr gefallen als mit einem Mädchen.“
„Ich bin froh, dass du mich verstehst“, flüsterte David und kuschelte sich an ihn.

Den Rest der Ferien verbrachten die beiden im Bett. Zu Finns Bedauern lief nicht mehr als Küssen und oberkörperfreies Kuscheln, aber er wollte David auch zu nichts drängen. Natürlich wäre es einfacher gewesen sich jemand anderen zu suchen, um den Druck abzubauen, doch aus irgendeinem Grund wollte Finn das nicht.
David hatte es ihm angetan. Auch gelernt hatten sie viel, zu viel, nach Finns Geschmack. Aber so waren sie wenigstens auf die anstehenden Fachabiturprüfungen vorbereitet.

Den Sonntag bevor sie wieder in die Schule mussten, übernachtete David bei Finn. Sie lagen gemeinsam in dessen Bett und schauen einen Film, als Finn plötzlich eine kalte Hand an seinem Hosenbund spürte. Vorsichtig hielt er den Atmen an und versuchte stillzuhalten, um David nicht zu überfordern. Dennoch hielt dieser inne.
„Darf ich?“, fragte er leise und sah Finn mit roten Wangen an
„Ja“, hauchte der Ältere und lächelte sanft. „Aber nur, wenn du es wirklich willst.“
„Sonst würde ich es nicht tun.“

Langsam schob er seine Hand in Finns Shorts und berührte vorsichtig sein Geschlecht. Genüsslich schloss Finn die Augen, als David begann sanft darüber zu streichen. Er war sehr vorsichtig und absolut unsicher. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Finns Lippen. Der Junge war einfach zum Aufessen! So zuckersüß. Er hatte große Angst ihm weh zu tun, das merkte man ihm an.
„Fass mich einfach an, wie dich selbst.“
David schaute zu ihm hoch und wurde knallrot im Gesicht.
„W-was?“
„So wie wenn du es dir selbst machst!“, grinste Finn und zog ihn dann an sich, um ihm einen langen Kuss zu geben.
Davids Hand hielt einen Moment still, doch dann tat er, was Finn von ihm verlangte und Gott! Er wusste, wie es gut war. Es dauerte nicht lange, bis Finn in seiner Hand kam.
Dann tat David was, das Finn nie erwartet hätte: Er nahm seine Hand zu seinem Mund und leckte Finns Samen davon ab.
Entgeistert starrte Finn ihn an, was David sofort wieder die Röte ins Gesicht trieb.
„I-ich... ich war neugierig!“ Hektisch sah er sich um. „Hast du ein Taschentuch?“
„Ja, hier.“
Schnell gab Finn ihm eins und grinste dann, während David sich säuberte.
„Das war heiß.“
Er beugte sich vor um ihn zu küssen und seine Hand in Davids Hose verschwinden zu lassen, doch dieser stieß ihn von sich.
„Ich will das noch nicht.“
„Okay. Kein Ding.“
Sanft küsste er ihn noch einmal und stand dann auf.
„Ich spring kurz unter die Dusche.“
„Okay.“

Finn nahm eine saubere Boxer, verließ das Zimmer, ging ins Bad und duschte sich schnell. Nachdem er sich trockengerubbelt und wieder angezogen hatte, ging er zurück in sein Zimmer, nur um einen niedlich schlafenden David vorzufinden, der die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen hatte. Leise lachte Finn und legte sich zu ihm. Der Jüngere kuschelte sich sofort mit einem Seufzen an ihn.
Lange betrachtete Finn ihn noch, bevor auch er einschlief.

7.

Am nächsten Morgen verschliefen sie. Eher gesagt Finn. David lag wach neben ihm und starrte die Uhr an, die immer weiter schritt. Es war bereits viertel nach sieben, aber David hatte keine Lust ihn zu wecken, vor allem, weil er wusste, was für ein Morgenmuffel Finn war und dazu war er nicht in Stimmung.
Das gestern hatte ihn nämlich ziemlich umgehauen.
Finn zu berühren, war unglaublich gewesen. Er hatte so Angst gehabt, etwas falsch zu machen, aber anscheinend hatte es ihm gefallen, was David unglaublich erleichterte. Doch als Finn ihn hatte anpacken wollen, war er plötzlich in Panik geraten. Er war sich sicher, dass ihm das gefallen würde, aber er hatte irgendwie noch eine gewisse Angst, dass er wirklich schwul sein könnte. Okay, er hatte akzeptiert, dass er Finn mochte, sehr mochte. In ihn verliebt war. Jetzt war es raus. Ja, er hatte sich in Finn verliebt. Eigentlich schon, als er ihn das erste Mal angesprochen hatte. Nein. Als er ihn im Klassenraum gesehen hatte. Aber er hatte es nicht wahrhaben wollen.
Seine Mutter war eine sehr religiöse Frau. David teilte ihre Ansichten nicht unbedingt. Aber ihm wurde von klein auf eingetrichtert, dass es nicht richtig ist, homosexuell zu sein. Seine Ma hatte ihn dennoch zur Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben erzogen. 
„Es sind auch nur Menschen, David“, sagte sie stets, „Menschen, mit denen was nicht stimmt.“
Sie hatte ihm mehr als deutlich gemacht, dass, wenn er auch mal einen Kerl lieben sollte, sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Davor hatte er Angst. Seine Ma war alles, was er noch hatte, abgesehen von seinen Großeltern, die aber genauso drauf waren. Seine Familie war ihm wichtig. Ende.

Ein erneuter Blick auf die Uhr ließ ihn aufschrecken. Verdammt, es war inzwischen halb neun! Hatte er so lange nachgedacht? Entschlossen rollte er sich auf Finn und presste seine Lippen auf seine. Dabei spürte er etwas an seinem Bein. Morgenlattenalarm! Er selbst war ja auch mit einer erwacht, doch ein kleiner Besuch im Bad hatte dieses Problem erledigt. David dachte kurz nach und entschied dann, dass Finn auch nicht ins Bad gehen durfte – er würde das erledigen.

Während David das dachte, wachte Finn aus und wollte aus einem Reflex raus die Person auf sich weg stoßen. Gerade rechtzeitig fiel ihm noch ein, dass es wohl David sein musste, der sich so auf ihm breit machte. Als er das realisierte, ging er auf den Kuss ein und legte seine Arme um Davids Hüfte, um ihn auf den Rücken zu drehen und sich selbst über ihn zu rollen. David seufzte leise und den Kuss hinein und vertiefte ihn noch ein wenig, während seine Hand den direkten Weg in Finns Unterwäsche nahm. Finn löste den Kopf und grinste ihn an. 
„Du kriegst ja gar nicht genug.“
„Ich will dir nur dabei helfen, dein Problem zu lösen.“
„Gefällt mir ja auch. Nur hab ich so ein... schlechtes Gewissen.“
„Wieso?“ „Weil ich hier befriedigt rausgehe, du aber nicht.“
Davids Wangen erröteten sich.
„Außerdem...“
Finn beugte sich hinunter und haucht den nächsten Satz in Davids Ohr:
„...kommen wir nicht mehr aus dem Bett, wenn wir jetzt wieder so anfangen. Wir haben zwar die ersten beiden Stunden verpasst, aber Politik ist ja nicht so wichtig. Die anderen Fächer schon, immerhin schreiben wir nächste Woche Abschlussprüfung.“
„Hast ja recht“, murmelte David und kroch unter ihm hinaus. „Dann beeil dich besser mal.“

Finn verschwand ins Bad, während David sich anzog und dann darauf wartete, zum Zähneputzen ins Bad gehen zu können. Währenddessen dachte er nach. Finn hatte ihn heute morgen eindeutig abgelehnt. War er gestern so schlecht gewesen? Anscheinend... er würde wohl noch üben müssen. Vielleicht stellte sich Finn ja zur Verfügung.
Als dieser aus dem Bad kam und sich anzog, ging David schnell Zähne putzen. Kurze Zeit später fuhren sie los.
Sie kamen gerade zur Pause in die Schule und wurden sofort von Alina begrüßt, die Finn um den Hals fiel.
„Finn! Ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr!“
„Haben verschlafen“, gab Finn zur Antwort und erwiderte die Umarmung leicht.
„Zusammen?“
Sofort wurde David knallrot.
„Nein“, grinste Finn, „Jeder für sich. Der Süße hier ist leider nicht schwul.“

David hielt sich aus dem Gespräch heraus und zündete sich eine Zigarette an. Hätte ein einfaches „Nein“ nicht gereicht? Ihn als hetero darzustellen, war vielleicht nicht so gut, falls er sich doch noch dazu entscheiden würde, es offiziell zu machen. Wobei er das wirklich nicht vorhatte.
Als die Pause vorbei war, gingen sie gemeinsam in den Klassenraum. Während David sich auf seinen Platz setzte, ging Finn durch die Reihen und begrüßte jeden und wiedermal wunderte David sich, dass Finn so beliebt war, trotz seiner Homosexualität. Andererseits verstand er es auch, Finn hatte einfach eine Art, die man lieben musste.
Hatte er gerade „lieben“ gedacht?
Mögen. Er mochte Finn. Sehr.
Dass in seinem Körper jedes Mal ein Feuerwerk ausbrach, wenn Finn ihn berührte oder gar küsste, dass es in seinem Bauch kribbelte, ihm schwummerig wurde und er zu zittern begann, wenn er bloß an Finn dachte, ignorierte er.
Verliebt?
Auf keinen Fall!

Mit dem Stundengong ließ Finn sich neben David fallen.
„Puh, das ist immer so anstrengend!“
„Selber Schuld, was musst du auch so viele Freunde haben?“, grinste der Braunhaarige.
„Ja, ich weiß schon. Aber soll ich dir was sagen?“
„Was denn?“
„Dich hab ich am allerliebsten!“
Mit diesen Worten drückte Finn seine Lippen auf Davids Wange. Dieser lachte und schob ihn weg.
„Du bist schlimm.“
„Jetzt hast du mich traurig gemacht!“
Finn zog einen Schmollmund und brachte David so erneut zum Lachen.
„Mein armer Schatz!“ Er zog den Älteren in seine Arme und tätschelte seine Haare. Finn brummte zufrieden, kuschelte sich mit dem Kopf an Davids Brust und schloss die Augen.

So blieben sie die paar Minuten, bis der Lehrer kam und seine Schüler begrüßte.
Als Finn sich aufrichtete, begegnete er vielen wütenden Blicken. Sie stammten alle von den Mädchen. Schuldbewusst grinste er und lehnte sich zurück.
Sie fanden David wohl süß. Sie alle. Der arme Junge... 
Die Mädchen hier waren richtig schlimm, wenn sie etwas wollten. Bei ihm war es am Anfang auch so gewesen, bevor er mitten im Unterricht aufgestanden war und ihnen seine sexuelle Orientierung preisgegeben hatte. 
Bei David verstand er es aber vollkommen. Doch er selbst hatte den Wettbewerb um David schon gewonnen. Zumindest inoffiziell. 
Er lachte leise und stieß David an.
„Ich wette, sie haben sich die ganzen Ferien über überlegt, wie sie dich rumkriegen.“
„Wer?“
„Na, die Mädels!“ 
David wurde rot.
„Ach quatsch.“
„Doch! Hey, Dave, du bist purer Zucker! Sie werden sich um dich prügeln.“
„Das sagst du nur, damit ich Angst bekomme und es offiziell mache.“
„Gar nicht!“
„Finn...“
„Nein, ehrlich! Es war bei mir am Anfang auch so. Als erstes wirst du Zettelchen bekommen. Und da ist auch schon einer.“
Er grinste und reichte David den Zettel, der auf seinem Tisch gelandet war.
„Mach auf!“

David seufzte, öffnete das Briefchen und las.
„Da findet jemand meinen Arsch knackig“, grinste er dann.
„Hey, der gehört mir!“, rief Finn.
„Pscht!“
Da wurde Finn bewusst, dass er wohl zu laut gesprochen hatte und versuchte die Situation zu retten.
„Das ist mein einziger Kuli! Den brauch ich! Nimm ihn nicht einfach!“
David lachte und drückte ihm einen Kuli in die Hand.
„Tut mir leid.“

Elisa sah zu den beiden und seufzte innerlich. Keine gute Reaktion auf ihren Brief. 
David gefiel ihr unglaublich gut und sie hoffte, dass Alina nicht recht hatte, wenn sie sagte, dass er unter Garantie auch schwul war und zudem auch noch was mit Finn hatte. Das wäre echt Mist. Ziemlicher. Sie wollte doch endlich auch mal die Chance bei einem Kerl haben! Und David war genau so schüchtern wie sie... Traurig wandte sie sich wieder ihren Notizen zu und versuchte, dem Unterricht weiter zu folgen.

8.

„Weißt du, Finn“, begann David einige Tage später, nachdem sie frustriert ihre Marketing-Bücher geschlossen hatten. „Wenn ich die Prüfung versaue, kann ich ja immer noch Maurer werden.“
„Ach ja?“
„Ja, klar.“
„So ungeschickt wie du bist?“
„Ich bin nicht ungeschickt!“
„Sagte der verrückte Kerl, dem jeden Tag mindestens fünfmal der Stift runterfällt.“
„Ach man...“
„Mach dir keine Sorgen, Süßer. Du kriegst das schon hin! Du bist doch total intelligent.“
„Aber Marketing.“
„Ich weiß, das Problem hab ich auch. Ach man.“
„Das wird schon“, erwiderte diesmal David und streckte Finn die Zunge raus.
„Ey! Das lass ich mir nicht gefallen, Süßer!“
Der Ältere stürzte sich auf David, hob ihn vom Stuhl und warf ihn aufs Bett. David lachte bloß und wehrte sich nur sporadisch, als Finn begann ihn durchzukitzeln. Denn eigentlich gefiel ihm das.
„Gnade, großer, allwissender Finn!“
Doch dieser dachte gar nicht daran, David zufrieden zu lassen und schob seine Hand unter Davids Oberteil. Als er die Brustwarze erreichte, kniff er leicht hinein und brachte den Jüngeren so zum Keuchen.
„Finn!“
„Ja, Kleiner?“
„Ey, ich bin nicht klein!“

Finn beendete Davids Proteste, indem er seinen Mund mit einem Kuss verschloss. David stöhnte leise hinein und schlang seine Beine um Finns Hüfte. Der Kuss dauerte eine Weile, bis Finn ihn unterbrach und David sein Shirt auszog.
„Ich will dich berühren, David. Du machst mich wahnsinnig!“
David wurde rot, zog Finn dann aber auch das Oberteil aus.
„Dann tu es“, hauchte er.
Der Blonde zögerte einen Moment, öffnete dann vorsichtig Davids Hose.
„Du kannst jeder Zeit „Stop“ sagen.“
„Ich weiß. Ich... vertrau dir.“
Finn lächelte und warf die Jeans weg, um dann über Davids Unterwäsche zu streichen.
„Das  gefällt mir doch.“

Als sich Finns Hand in die Boxershort schob, schloss David angespannt die Augen.
„Dave...“, murmelte Finn und begann seinen Hals zu küssen, während er ihm sanft über den Schaft strich. „Du fühlst dich so gut an, Liebling.“
Beide stockten. David riss die Augen auf, während Finn sich zurückzog und rote Wangen bekam.
„Das... ich... wollte das nicht sagen!“
„Es...“
„Scheiße.“
Finn sprang auf und ging aus dem Raum. David blieb erhitzt liegen.
Liebling?
Mochte Finn ihn etwa mehr, als er zugeben wollte? Er hatte ja schon die ganze Zeit Andeutungen gemacht, aber Liebling? Das war irgendwie... schön. David wurde rot. Eigentlich wünschte er sich, dass Finn ihn auf diese Weise mochte – so, wie er ihn mochte. 
Währenddessen schlug Finn seinen Kopf immer wieder gegen die Badtür. Er war ja so ein Idiot! Wie hatte ihm das nur rausrutschen können?
Eigentlich gab es nur eine Erklärung: Er mochte David mehr, als er zugab!
So ein Mist. Das wollte er nicht. Er konnte das nicht!

Niedergeschlagen ließ er sich auf dem Badewannenrand nieder. Ach, so ein Mist aber auch! Er, Finn, hatte sich verliebt! In den absolut süßesten Jungen der Welt... Okay, David mochte ihn auch. Aber so? Auf diese Weise?
Er zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte.
„Finn?“, ertönte Davids Stimme leise.
Finn stand auf und öffnete ihm die Tür.
„Was denn?“
David lächelte zögerlich und schlang dann seine Arme um Finns Taille. 
„Das war schön.“
„Was?“
„Dass du mich so genannt hast.“
„Ehrlich?“
„Ja!“
Vorsichtig legte Finn seine Arme um David und zog ihn enger an sich.
„Ich kann keine Beziehung haben. Ich weiß nicht mal, wie man sich da verhalten muss!“
„Aber ich doch auch nicht!“
„Und deine Ma...“
Betroffen senkte David den Blick.
„Ich will sie nicht verlieren. Aber ich will auch... ich will mit dir zusammen sein! Ich will nicht, dass du mit anderen Kerlen schläfst, während es mich in deinem Leben gibt! Und auch, wenn du sagst, dass du das gar nicht tust, will ich eine Beziehung mit dir, damit ich eine gewisse Sicherheit habe, dass du treu bist!“
„Das kann ich, David. Treu sein. Auch ohne wirkliche Beziehung. Aber... Scheiße.“
Er seufzte.
„Ich will das auch mit dir haben, weißt du? Ich hab nur die ganze Zeit versucht, es zu verdrängen.“
„Was zu verdrängen?“
„Na, dass ich in dich verliebt bin!“

David ließ die Worte einen Moment auf sich wirken, bevor er seine Lippen zu einem Lächeln verzog.
„Du bist in mich verliebt?“
„Ich... glaube schon. Scheiße.“
Finn ließ sich auf den Wannenrand sinken und legte das Gesicht in seine Hände.
„Ich hab immer ein total flaues Gefühl im Magen, wenn ich dich sehe oder an dich denke, ich zittere am ganzen Körper und wenn du mich berührst, habe ich an diesen Stellen das Gefühl zu verbrennen. Ich habe versucht, es zu ignorieren, aber das geht nicht mehr! Du machst meinen Kopf total... wuschig!“
David lachte leise und umarmte ihn.
„Das geht mir auch so.“
„Also sind wir jetzt... ein Paar?“
Finn sah hoch und grinste.
„Wenn du nein sagst, raste ich aus.“
„Also, meinetwegen... schon. Ich... würde mich freuen!“, murmelte David. 
Der Ältere erhob sich und zog David sanft an seine Brust.
„Ich weiß, dass du das erstmal alles geheim halten willst und so. Nur meiner Mutter würde ich es gerne erzählen. Du weißt ja, wie nahe wir uns stehen und sie soll es wissen! Weil mich das gerade verdammt glücklich macht. Sie wird es auch niemandem sonst erzählen.“
Unsicher schaute David ihn an. Ob das so gut war? Aber er vertraute Finn. Und wenn Finn seiner Mama vertraute, dann vertraute er ihr auch. 
„Okay. Dann los.“

9.

Das Gespräch mit Gabriele verlief besser, als David geglaubt hatte. Auch das Lernen lief, zumindest, solange sie Marketing außen vor ließen.
Und plötzlich war er da: Der Tag der ersten Fachabiturprüfung. Deutsch.
David schlief die Nacht davor kaum und hatte dementsprechende Augenringe, als er zu Finn ins Auto stieg.
„Du siehst beschissen aus, Süßer“, bemerkte Finn, charmant wie immer.
David entgegnete mit einem Knurren, bevor er sich zurücklehnte. Finn gab Gas und warf seinem Freund immer mal wieder Blicke zu. Irgendwie machte er sich Sorgen...
So hielt er im Wald auf einem Parkplatz, beugte sich zu David und drückte seine Lippen auf die des Jüngeren. Nur zu gerne ging dieser auf den Kuss ein. Allerdings nur kurz, dann schob er Finn weg.
„Wir kommen zu spät.“
„Das riskiere ich. Geht es dir gut?“
„Passt schon“, flüsterte David, aber sein Blick war verzweifelt. 
„Nein, sag schon, was ist los?“
„Was, wenn ich nicht bestehe?“
„Das wäre auch kein Weltuntergang. Außerdem bist du so intelligent! Du packst das locker.“
David schüttelte den Kopf und eine Träne rollte seine Wange hinunter. Finn strich sie ihm besorgt weg.
„David...“
Er beugte sich zu ihm und küsste David noch einmal zärtlich.
„Du schaffst das.“
„Fahr... fahr einfach weiter.“ Seufzend legte Finn den Gang ein und gab Gas.

In der Schule angekommen, genehmigten sie sich erst einmal eine Zigarette, bevor sie in den Prüfungsraum gingen und sich dort einen Platz suchten. Sie setzten sich hintereinander ans Fenster. Während Finn nur seine Sachen ablegte und mit ein paar Klassenkameraden darüber diskutierte, welches der beiden Bücher – Schiller oder Das Parfüm – heute in der Prüfung dran kommen würde, legte David seine Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Leise murmelte er die Regeln, die er bei einer Charakterisierung beachten musste, so wie die Merkmale eines klassischen Theaterstücks vor sich her. Er erschrak ziemlich, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
„Alles okay?“, fragte Elisa.
Seufzend sah David auf und nickte.
„Wie könnt ihr alle so ruhig sein? Diese Spannung ist grauenhaft!“
„Komm, ist doch nur Deutsch. Morgen bei Schwerpunkt werden wir hier alle im Viereck springe. Aber danach sind wir wieder ruhiger, kommt ja dann nur noch Mathe und Englisch und das wird ein Klacks.“
„Hoffen wir mal.“
Unsicher lächelte David sie an. Elisa nickte heftig.
„Klar! Und gerade du solltest dir keine Sorgen machen! Du hast es doch eigentlich voll drauf.“
„Das sagt Finn auch.“
Elisa zögerte, bevor sie weitersprach.
„Du und Finn... ist da mehr als Freundschaft?“
David zuckte zusammen und schüttelte heftig den Kopf.
„Nein! Ich bin doch nicht schwul!“

Finn, der diese Reaktion mitbekommen hatte, seufzte innerlich schwer. Natürlich hatte er nichts Anderes erwartet, aber Davids Worte taten doch ziemlich weh. Wie gerne er jetzt hingehen und David einen dicken Kuss aufdrücken würde, um Elisa in ihre Schranken zu weisen! Denn er wusste schon, was ihre nächsten Worte sein würden, ehe sie sie aussprach.

„Wollen wir am Freitag, bei der Grillparty... wollen wir da zusammen hingehen?“
„Ehm...“
Unsicher sah David sich um und schüttelte dann leicht den Kopf.
„Tut mir leid, ich fahre mit Finn. Er hat gesagt, er trinkt nichts und nimmt mich dann wieder mit heim, also wäre das ziemlich schlecht. Wenn wir zusammen hingehen würden. Aber wir sehen uns ja dann da und dann trinken wir ein Bier zusammen, okay?“
Enttäuscht nickte Elisa und drehte sich weg.
„Viel Glück bei der Prüfung.“
„Dir auch. Danke.“
Sie ging auf die andere Seite des Raumes und nahm Platz. Finn legte seine Hand auf Davids Schulter.
„Bereit?“
David lächelte schwach und lehnte sich kurz gegen Finns Berührung.
„Geht schon.“
„Viel Erfolg, Kleiner.“
Finn wuschelte seinem Freund kurz durchs Haar und nahm Platz, gerade rechtzeitig, als der Lehrer hineinkam.

„Das war ja mal richtig easy!“, rief Finn übermütig und umarmte David lachend. „Das Parfüm! Ich hatte so Bammel, dass sie Schiller nehmen!“
„Also hattest du doch Schiss!“
„Nicht viel“, grinste der Ältere und hakte sich bei David unter, als sie zum Auto liefen.

Elisa sah ihnen hinterher. Auch wenn David sagte, dass nichts zwischen ihnen war, so wurde sie doch das Gefühl nicht los, dass er log...

Am nächsten Tag war die Schwerpunktprüfung und sie hatten verdammtes Glück – Marketing war nicht dabei. Es lief erstaunlich gut, für sie beide. 
Den Mittwoch hatten sie frei und sie verbrachten ihn in Finns Bett, wo sie gemütlich Playstation zocken konnten. 
Donnerstag war Englisch dran und auch dies war nicht schwer.
Freitag Mathe war etwas schwieriger, aber auch dieses Fach meisterten sie.
Und schon war es Freitagabend und somit Zeit für die Grillparty.

David stand verwirrt in Unterwäsche vor seinem Kleiderschrank und überlegte, was er anziehen sollte. Normalerweise würde er sich in seine alte Jeans zwängen, ein Bandshirt überziehen und eventuell noch eine Pulloverjacke, falls es kalt werden würde. Aber er wollte auch Finn gefallen! Nachdenklich schaute er auf sein Handy. Sollte er ihm eine SMS schreiben? Nein! Das ließ ihn nur wieder unselbstständig wirken. Also zog er dann doch sein normales Outfit an und begab sich danach in die Küche, um sein Steak und den Salat, den seine Mutter für heute Abend gemacht hatte, aus dem Kühlschrank zu nehmen. 
Seine Mutter.
Sie hatten sich in letzter Zeit selten gesehen, da er viel Zeit mit Finn verbrachte und sie oft bei ihrem Kerl war. Er fand das nicht schön, aber was sollte er tun? Sie war eigentlich nur noch hier, wenn der Idiot auch dabei war und auf den hatte er keine Lust. Na ja, immerhin hatte sie sich nach den Prüfungen erkundet. Wenn auch heute Mittag, zwischen Tür und Angel, nachdem sie von der Arbeit gekommen war und bevor sie sich auf den Weg zu dem Sack gemacht hatte.
David ging vor die Haustür, stellte die Dosen neben sich ab und steckte sich eine Zigarette an, um die Wartezeit auf Finn etwas zu verkürzen. Doch anscheinend war dies nicht nötig gewesen, denn kaum nahm er den ersten Zug, machte der weiße Twingo einen Vollbremsung vor dem Gartentor.
Finn grinste ihm zu, stieg aus und hüpfte zu seinem Freund.
„Na, Liebling!“
Er drückte ihm einen Kuss auf die Wange und nahm ihm dann die Kippe ab, um selbst einen Zug zu nehmen.
„Wartest du schon lange?“
„Nein, ausnahmsweise bist du pünktlich“, grinste David und eroberte sich die Zigarette zurück. 
„Ha! Ich hab mich extra beeilt.“

David nahm sich einen Moment Zeit, damit er Finn von oben bis unten mustern konnte. Die Beine steckten in einer grauen, ausgewaschenen Röhrenjeans, der Oberkörper in einem dunkelblauen Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt waren, dazu trug er seine ausgelatschten Chucks. Den Hals schmückte ein Lederband, auch an den Armen trug er welchen. Wenn David Finns Aussehen in zwei Worten zusammenfassen müsste, wären es wohl diese: Verdammt heiß!
David stöhnte leise und streckte die Hand aus, um Finns weiches Haar zu berühren.
„Müssen wir dahin?“
Finn lachte leise.
„Ja. Wie würde es aussehen, wenn der Klassensprecher nicht kommt? Wir müssen ja nicht allzu lange bleiben...“
David wurde rot und zog seine Hand zurück.
„So meinte ich das nicht.“
„Natürlich, mein Herzstück. Na komm, sonst fangen sie ohne uns mit dem Grillen an und wir müssen uns von Salat ernähren.“
Allein der Gedanke an gesundes Essen ließ Finn schaudern, also packte er David am Handgelenk und zog ihn zum Auto.

Sie kamen gerade, als die ersten Würstchen auf den Grill gelegt wurden und Finn freute sich darüber wie ein kleines Kind.
„Yeah, Fleisch!“
Lachend lief er zum Grill, damit er seinem Klassenkameraden, der diesen Job übernommen hatte, die Grillzange aus der Hand reißen und sich selbst zum Würstschenbeauftragen ernennen konnte.
David schmunzelte darüber und ging zu den Mädchen, die gerade das Salat- und Dessertbuffet aufbauten. Elisa lächelte ihm zaghaft zu, während Alina ihn umarmte.
„David! Wir dachten schon, Finn hätte seinen Fleischgelüsten nachgegeben und dich aufgegessen. Ihr seid spät!“
„Ihr wisst doch, wie lange er im Bad braucht“, grinste David und stellte seine Schüssel ab.
Alina lachte.
„Dafür sieht er aber auch wieder super aus. Oh, was ist das für ein Salat?“
„Spagetti. Richtig lecker. Und richtig dickmachend“, lachte der Braunhaarige und zwinkerte Alina zu.
„Sag mal, Dave...“ 
Alina zog ihn ein Stück zur Seite und sah ihn ernst an.
„Elisa mag dich. Und sie ist meine beste Freundin. Tu ihr nicht weh, okay?“
David sah zu Elisa, die seinen Blick auffing und wieder lächelte. Dann drehte er sich wieder zu Alina.
„Ich werde es versuchen. Jetzt entschuldige mich.“
Er schnappte sich sein Fleisch und lief zu Finn, der ihm hoch und heilig versprach, das Steak auf die Minute genau durchzubraten.David ließ seinen Blick schweifen und seufzte leise.
Was dieser Abend wohl noch bringen würde?

10.

Die Klasse aß gemeinsam. Dazu hatten sie zwei Bierzeltgarnituren zusammengeschoben. Neben David saß auf der einen Seite Finn, auf der anderen Alina und ihm gegenüber Elisa, die ihm immer mal wieder zulächelte. Finn sah das nicht gerne, darum fand seine Hand schnell ihren Platz auf Davids Oberschenkel, wo sie sanft drüber strich. David bekam davon rote Wangen und betete, dass es niemand bemerkte.
Nachdem alle fertig gegessen hatten, verstreute sich die Gruppe. Finn ging zu ein paar Jungs, die versuchten, ein Lagerfeuer zu machen. David nahm zwei Flaschen Bier und ging zu Elisa.
„Hier, wir wollten doch ein Bier trinken.“
„Oh, danke!“, strahlte Elisa ihn an und ließ sich mit ihm im Gras nieder.
„Wie geht’s dir so?“
„Ach, ganz gut eigentlich. Und dir?“
„Ebenfalls“, erwiderte David und ließ seine Flasche gegen Elisas klacken.
„Darf ich dich was fragen?“
„Klar.“
„Du bist doch so richtig gut in Kunst, aber schlecht in Mathe. Weshalb hast du dein Fachabi nicht in Gestaltung gemacht?“
„Na ja, es gibt ja zum Glück Taschenrechner und Finn war mir auch eine große Hilfe. Für Gestaltung hätte ich in eine andere, größere Stadt gemusst und ich bin nun mal ein richtiges Dorfkind. Die Natur hätte mir gefehlt. Und außerdem... wäre ich ganz allein gewesen.“
„Und das wolltest du nicht.“
„Nein, meine Familie ist mir wichtig.“ Er lachte leise. „Auch, wenn es im Moment nicht so toll ist zuhause. Aber na ja. Da will ich jetzt nicht drüber reden.“
„Finn weiß es, oder?“
„Finn ist mein bester Freund.“ David sah Elisa ernst in die Augen. „Du magst ihn nicht, oder?“
„Doch, klar! Ich meine, wer mag ihn nicht? Aber er hat schon fast jeden Kerl aus der Klasse im Bett gehabt, auch wenn er es dir nicht erzählt hat. Und ich wette, dich will er auch.“
„Fast... jeden?“
„Ja. Offiziell natürlich nicht, aber er geht immer mit jemand anderem von den Partys und es wurde auch schon oft gesehen, wie er denjenigen geküsst und angefasst hat. Warst... warst du auch schon mit ihm? Ich meine, an seinem Geburtstag...“
„Nein. Nein!“
David nahm einen großen Schluck Bier und versuchte nicht auszurasten. Sollte er ihr glauben? Irgendwie glaubte er ihr. Finn war so ein Typ. Er sah hoch und schaute zu ihm. Gerade hatte er einen der Klassenkameraden im Schwitzkasten und lachte laut. Unglaublich gut sah er aus. So gut...
„David?“
„Hm?“, zuckte David erschrocken zusammen.
„Alles okay?“
„Klar.“
Er leerte sein Bier und ging zu den Kästen, um sich ein neues zu holen. Dort traf er auf Finn, der seinen Kumpel losgelassen hatte und sich einen Becher Cola nahm. „Unterhältst du dich gut mit ihr?“ „Ja.“ „Wow, ganz schön wortkarg.“
David zuckte mit den Schultern und setzte die Bierflasche wieder an. Finn seufzte.
„Irgendwas hast du.“
„Ist doch egal.“
„Du bist sauer auf mich.“
„Nein. Finn, es ist alles okay.“
„Gut. Ich bin da drüben. Wenn du fahren willst...“
„Sag ich Bescheid. Alles klar.“
Schnell flüchtete er zurück zu Elisa und ließ sich neben sie fallen.
„Wo waren wir stehen geblieben?“

Die nächsten Stunden blieb David bei den Mädchen und trank als mehr und mehr. Er bemerkte nicht, dass Finn ihn immer wieder besorgt ansah. Was David wohl hatte? Ob Elisa ihm etwas über ihn erzählt hatte? Könnte er sich durchaus vorstellen. Nur was? Dass er bei fast jedem Test schummelte? Am besten redete er am nächsten Tag mal mit ihm.
Währenddessen wusste David gar nicht mehr, was er tat. Sein Arm lag um Elisas Schulter, sie hatte sich an ihn geschmiegt und lächelte glücklich. Ihre Hand strich über Davids Bauch und suchte langsam aber sicher den Weg unter sein Shirt. David kicherte leise und sah sie an.
„Was hast du denn vor?“
„Ich will dich.“
„Mich?“
„Ja.“
David lachte und küsste sie auf die Wange. Sie drehte jedoch den Kopf so, dass er ihre Lippen erwischte und drückte sich fest an ihn.
Genau das sah Finn. Genau in dieser Sekunde sah er zu ihnen. Ihm wich das Blut aus dem Gesicht, er drehte sich um und rannte weg.

David schob Elisa von sich.
„N-nein!“
„Wieso nicht? Was ist an mir falsch?“
Er stand ungelenk auf und runzelte die Stirn.
„Weil du keinen Penis hast.“
Elisa wurde blass.
„Du bist DOCH schwul!“
„Ja! Und ich bin in Finn verliebt und Finn ist in mich verliebt und wir sind ein Paar! Finn?“ Er drehte sich um seine Achse und fiel dabei wieder um. „Oh, mir ist schwindelig.“
Elisa schnaubte bloß, ging davon und ließ David liegen. Ein anderes Mädchen half ihm auf und lachte leise.
„Warte, ich hole Finn, dann bringt er dich nach Hause.“
„Danke“, nuschelte David und versuchte aufrecht sitzen zu bleiben.

Finn stiefelte wütend zu seinem Auto, ohne sich von jemandem zu verabschieden. Wie konnte David nur! Wie konnte er nur dieses Weibsbild küssen! Vor einer Woche noch behaupten, er sei in ihn verliebt... war das alles nur ein Spiel gewesen? Ein wenig Erfahrung sammeln? Und er Idiot hatte sich auch noch darauf eingelassen! Hatte Gefühle für ihn entwickelt... Wild schüttelte er seinen Kopf und schloss das Auto auf.
„Finn!“, rief eine Mädchenstimme.
„Was ist, Sandra?“
„Willst du fahren?“
„Ja“, antwortete er knapp und öffnete die Tür.
„Du hast David vergessen.“
„Hab ich nicht.“
„Finn, er hat gerade der halben Klasse gesagt, dass er in dich verliebt ist, nachdem Elisa ihn geküsst hat. Wenn du ihn jetzt sitzen lässt...“
„Er hat was?“
„Ehrlich. Komm.“
Sandra nahm seine Hand und zog ihn mit sich zu David. Finn lachte leise, als er ihn sah.
„Du bist betrunken.“
„Gar nicht!“
„Oh doch. Komm.“
Er hob ihn hoch und drückte ihn leicht an sich. David schlang seine Arme um Finns Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Du bist zucker-zucker-zuckersüß und so schön und ich hab dich lieb!“
„Ich hab dich auch lieb“, lachte Finn und nickte seinen Klassenkameraden zu, die sich alle um die beiden versammelt hatten.
Morgen würde jeder über sie sprechen. Und er würde David morgen fragen, was mit ihm los war. Nicht ohne Grund hatte er sich so abgeschossen. Er hievte David auf die Rückbank, drückte ihm eine Plastiktüte in die Hand und fuhr nach Hause, wo er David dann Jeans und Shirt auszog und ihn in das Bett verfrachtete. Nachdem auch er sich bettfertig gemacht hatte, legte er sich neben ihn und zog ihn in seine Arme. David seufzte zufrieden und kuschelte sich an ihn. Finn überlegte noch eine Weile, doch schlief dann auch ein.

11.

Finn war vor David wach und schaute ihn mit einem breiten Grinsen an. Er war gespannt, an was sich David noch erinnern würde. Und an sein Gesicht, wenn er erfuhr, dass er sich vor der ganzen Klasse geoutet hatte!
Nicht, dass das Finn stören würde. Für ihn hieß das, dass er David küssen konnte, wann und wo er wollte! Na ja, okay, gut, nicht unbedingt, wenn Davids Mum in der Nähe war oder so. Das wäre nicht so intelligent. Dennoch. Seiner Meinung nach hätte gestern Abend nichts besseres geschehen können.

Oh Gott, war das hell. Und dieses Hämmern im Kopf! Übel war ihm auch. Scheiß Alkohol! Wo war er überhaupt? Hektisch blinzelte er, bis er schließlich die Konturen von Finn erkannte. Nach einem weiteren Blinzeln erkannte er schließlich Finns Gesicht, auf dem ein breites Grinsen lag.
„Na, du Alkoholleiche? Wieder unter den Lebenden?“
David antwortete mit einem Stöhnen, welches Finn zum Lachen brachte.
„So ein Stöhnen würde ich lieber hören, wenn du unter mir liegst. Ich würde dich furchtbar gerne küssen, aber du hast eine so schlimme Fahne, dass ich dann auch betrunken werde. Ab, unter die Dusche! Ich mach dir ein Katerfrühstück.“
Elegant schwang sich Finn aus dem Bett und streckte sich mit einem lauten Gähnen. David rollte sich zur Bettkante und stieg um einiges schwerfälliger aus dem Bett. Der Blonde grinste ihn an, legte einen Arm um Davids Hüfte und schob ihn ins Bad.
Noch halb am Schlafen zog David sich aus und stolperte dann unter die Dusche. Finn nutzte die Gelegenheit, um Davids Kehrseite zu bewundern, ehe er noch einmal in das Zimmer zurückging, ein paar Klamotten für David zurechtlegte und dann hinunter in die Küche ging. Dort bereitete er David sein Frühstück – Rollmops und Kaffee mit Zitrone. Damit musste er leben. Finn half das zumindest immer.

Danach ging er wieder hinauf. David kam gerade aus dem Bad und grinste schief.
„Hab ich mich gestern sehr daneben benommen?“
„Na ja, abgesehen davon, dass du Elisa gesagt hast, dass du sie nicht willst, weil sie keinen Penis hat...?“
Der Jüngere wurde blass und dann knallrot.
„Das hab ich gesagt?“
„Ja. Hätte nicht erwartet, dass du das Wort überhaupt in den Mund nimmst“, grinste Finn und zog seinen Freund an sich. „Ich hoffe nur, dass du dein Outing nicht bereust.“
„Wissen es jetzt alle?“, flüsterte David und schloss die Augen.
„Gehe ich mal von aus.“
„Scheiße.“
„Ach, das wird schon, Dave.“
„Und wenn es irgendjemand meiner Mutter sagt? Ich bin tot!“
„Meinst du echt sie reagiert so heftig?“
„Auf jeden Fall. Sie wird mich abschieben und dann seh ich dich nie wieder!“
„Und... das wäre schlimm?“
„Was? Natürlich wäre es das! Ich... ich mag dich doch.“
Finn lächelte und zog David in seine Arme.
„Ich mag dich auch.“
David wurde rot und vergrub sein Gesicht an Finns Brust.
„Hast du eine Aspirin?“
„Ja klar. Ich hol eine. Unten ist auch ein kleines Frühstück für dich!“
„Echt?“
„Du bekommst Rollmops.“ Finn grinste. „Ich bring es dir hoch, okay?“
David nickte und schlurfte zum Bett, in welches er sich reinkuschelte. Bis Finn wieder oben war, war David schon längst wieder eingeschlafen.

Montagmorgen wollte David gar nicht aufstehen. Wenn er nur daran dachte, dass er in die Schule musste... sie würde sich über ihn lustig machen! Er wusste es, er wusste es einfach! Da konnte Finn ihm gut zureden, wie er wollte. Finn mochte ja von alles akzeptiert, ja, sogar gemocht werden, aber wer garantierte, dass das in Davids Fall auch so war? Richtig, kein Mensch!
Erst, als es an der Tür Sturm klingelte, stand David auf und zog sich etwas über. Die Haare versteckte er schnell unter einer Mütze, damit  niemand sah, dass sie etwas fettig waren. Dann schnappte er sich seine Tasche und rannte hinunter.

Finn schaute ihn missmutig an.
„Jetzt kommen wir zu spät. Und diesmal ist es deine Schuld!“
David nickte und schaute auf den Boden.
„Ich hab so Angst, Finn. Ich hab so Angst, dass sie mich lynchen.“
„Ach Quatsch, dazu haben sie keinen Grund. Und außerdem hast du mich.“
Er sah sich unauffällig um.
„Ist deine Mutter da?“
„Nein.“
„Gut.“ Finn zog David in seine Arme und drückte ihn fest an sich. „Gemeinsam schaffen wir das. Ich verspreche, dass ich dich damit nicht allein lasse und nie lassen werde.“
Mit roten Wangen sah David zu ihm auf. Finn lächelte süß und strich seinem Freund mit dem Handrücken über das Gesicht.
„Du bist so süß, Dave. Am liebsten würde ich jetzt ganz andere Dinge mit dir tun, als in die Schule zu fahren.“
David lachte leise.
„Oh ja, das glaub ich dir. Aber bis es so weit ist, wirst du noch ein wenig Geduld brauchen.“
„Die hab ich, Süßer, die hab ich.“
Vorsichtig küsste Finn ihn kurz, nahm dann seine Hand und zog ihn mit sich zum Auto.
„Warts nur ab, Dave, wenn die dir doof kommen, dann gibt’s Ärger! Das schwör ich dir!“
„Du hältst so zu mir“, grinste David und lehnte sich im Sitz zurück.
„Natürlich, immerhin sind wir ein Paar!“
Finn zwinkerte David kurz zu und fuhr dann los.

David blickte sich mehrfach um, als er mit Finn vor dem Schulhof stand und eine rauchte. Eigentlich waren sie schon zu spät und müssten schon längst im Unterricht sitzen, aber David traute sich einfach nicht in die Klasse – während Finn all seine Überredungskünste einsetzte, um ihn doch dazu zu bewegen, hinein zu gehen. Doch schließlich gab er auf und ging alleine.

Der Jüngere sah Finn hinterher und ließ sich dann mit einem Seufzer auf einer Bank nieder. Er konnte da nicht hinein, so gerne er auch wollte. Aber die Blicke! Und sowieso...
Auf seiner alten Schule war das richtig grässlich gewesen. Nachdem sich dort einer geoutet hatte und das absichtlich, wurde er so sehr gemobbt, dass er sich zuletzt selbst umgebracht hatte. Und das nur, weil er zu sich selbst gestanden hatte. Das war ein ziemlicher Schlag in die Fresse gewesen für David und so war er froh gewesen, als seine Mutter ihm einige Wochen später verkündigte, dass sie umziehen würden – er war immer standhaft geblieben, wenn es um seine Heterosexualität ging, auch, wenn er gerne mal einem Kerl nachsah. Immerhin gab es ja auch schöne Mädchen, die er gerne anschaute! Und er hatte eine Freundin gehabt! Na gut, die hatte ihn wieder verlassen, bevor mehr passiert war, aber dennoch.
Nun aber mochte er Finn.

Jetzt stellte er sich natürlich die Frage, ob er wirklich schwul war. Vielleicht war er auch nur bi? Und in ein paar Monaten, Jahren, würde er mit einer Frau glücklich werden? Natürlich erst, wenn Finn ihn verließ, für einen anderen. Ach, was dachte er da eigentlich? Finn würde schon in ein paar Tagen gehen, wenn er ihn nicht ran ließ...
Unsicher sah er an dem Schulgebäude hoch. Was da wohl im Moment abging? Machten sie sich über ihn lustig? Bestimmt! Finn würde ihn zwar verteidigen, da war er sich sicher, aber trotzdem.

Dass er nach heute einen unentschuldigten Fehltag auf dem Zeugnis stehen haben würde, verärgerte ihn. Doch hochgehen? Das brachte er nicht über sich!
Er holte sein Handy aus seiner Tasche und schrieb Finn schnell eine SMS, welche aussagte, dass David sich ein wenig in der Stadt beschäftigte, bis die Schulzeit um war.
So ging er also los und gönnte sich erst einmal zwei Kugeln Eis, bevor er in einem Bekleidungsgeschäft verschwand und ein paar skurrile Outfits anprobierte.

Einige Klassenkameraden hatten ziemlich verwirrt geguckt, als Finn das Zimmer allein betrat, ohne seinen getreuen Schatten. Inzwischen waren auch diejenigen, die zum Zeitpunkt des Geschehens gerade woanders gewesen waren, informiert. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Alina beispielsweise zwinkerte ihm zu, während einer der Jungs, mit denen Finn eh nur sporadischen Kontakt hatte, sehr schwulenfeindliche Sprüche losließ. Elisa sah aus, als wollte sie Finn erwürgen, was sie Mitsicherheit auch getan hätte, wäre sie nicht festgehalten worden. Einige Kerle der Klasse  schlugen ihm gröhlend auf die Schulter. Einer ließ den Arm um Finns Hals liegen.
„Gut, dass ich nicht klein bin, was?“
Finn lachte.
„Hey, so klein ist David auch nicht.“
„Na ja, schon. Und? Wie küsst er?“
„Na, wie wohl?“, grinste Finn und schüttelte den Arm ab. „Wisst ihr was Leute?“
Er ging zur Tafel und baute sich mit verschränkten Armen davor auf. Sofort lag die Aufmerksamkeit bei ihm.
„Es ist ja echt nett, dass ihr euch Gedanken über meine Beziehung macht. Wirklich. Und echt super, dass ihr darüber sprecht. Oh mein Gott, David ist schwul! Na und? Ist es ihm verboten? Hey, mit mir habt ihr doch auch kein Problem. Ihr Mädchen findet das doch eigentlich alle cool und euch Kerlen ist es egal, solange wir euch nicht anfassen, nicht wahr? Ich hab das doch niemals gemacht! Denkt ihr im Ernst, dass David das würde? Gott, ihr wisst doch, wie schüchtern er ist! Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, weshalb er etwas für mich empfindet, aber er tut es und ich bin verdammt glücklich darüber. Ja, ich habe immer gesagt, dass ich keine Beziehung will und eigentlich habe ich David auch nicht verdient. Ehrlich.“
Er sah Elisa an.
„Jeder andere hätte ihn mehr verdient. Aber er will mich. Warum auch immer.“
Jetzt sah er wieder in die Runde.
„Leute, ehrlich. David hat richtig Angst herzukommen, weil er denkt, dass ihr ihn fertigmacht. Ich habe ihm zwar versucht klarzumachen, dass dem nicht so sein wird, aber wie ich merke, wäre es genauso abgelaufen. Scheiße, das ist nicht gut! Er ist doch schon... schüchtern und unsicher genug.“

Finn hatte gar nicht bemerkt, dass die Tür aufgegangen und der Lehrer hineingekommen war. Doch jetzt wurde er von ihm unterbrochen.
„Schöne Rede Finn, aber unangebracht. Setz’ dich. Wo ist David?“
„Dem geht es nicht so gut. Aber morgen kommt er wieder.“
„Alles klar. Dann lasst uns mit dem Unterricht beginnen...“

Um kurz vor drei machte David sich auf den Rückweg zur Schule. In den Händen hielt er Tüten voll mit Malutensilien und Büchern. Das war wohl sein gesamtes Taschengeld für diesen Monat gewesen, aber na ja. Wenigstens keine Gummibärchen diesmal!
Abrupt blieb er vor einem Schaufenster stehen und besah sich. Seitdem er hierhergezogen war, hatte er ganz schön abgenommen. Ob das nur an Finn lag? Keine Ahnung. Aber so gefiel er sich viel besser. Und Finn bestimmt auch! Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. So, jetzt aber zu Finn! Fröhlich lief er weiter und summte leise vor sich hin, als sein Handy klingelte. Beschwingt nahm er ab.
„Ja?“
„Hey, Süßer. Wo bist du?“
„Gerade am Deichmann vorbei, wieso?“
„Ich hol’ dich, bleib wo du bist! Lust auf einen Kaffee?“
„Klar! Sehr gerne!“
„Cool. Bin in fünf Minuten da!“

Grinsend steckte David sein Handy weg und lehnte sich entspannt gegen eine Mauer, steckte sich eine Zigarette an und nahm einen genüsslichen Zug. Irgendwann in der Zeit zwischen der Schule und dem Schaufenster, hatte er beschlossen, sich jetzt voll und ganz auf die Beziehung zu Finn einzulassen. Er mochte ihn, er mochte ihn wirklich sehr. Vielleicht liebte er ihn sogar... okay, vielleicht übertrieben, das noch so kurzer Zeit zu sagen, er war immerhin keine vierzehn mehr. Whatever.

Finn drücke aufs Gas und und stand tatsächlich fünf Minuten später neben David.
„Spring rein, junger Mann!“
David tat, was er verlangte und setzte sich neben ihn.
„So gut gelaunt?“
„Ich hab den Arschgeigen aus der Klasse die Meinung gegeigt und außerdem hab ich dich so sehr vermisst! Und jetzt kann ich dich gleich wieder in meinen Armen halten und dir die Lippen wund küssen! Ich würde sagen, dass wir uns jetzt bei Mecces schnell einen Kaffee holen und dann zu mir fahren?“
„Klingt gut“, antwortete David und lehnte sich zurück, den Kopf Finn zugewandt. „Wusstest du, dass ich ganz neidisch auf deine Locken bin?“
„Echt? Ich hasse die. Außerdem, hättest du Locken, dann würdest du aussehen, wie Tina Turner.“
„You’re simply the best! Better than all the rest!“, trällerte David los, bevor er anfing zu lachen. „Ja, mag sein. Aber trotzdem sind deine Haare schön.“
Er streckte die Hand aus und strich ihm sanft durch die Haare.
„Sie fühlen sich toll an.“
„Deine auch, Dave.“
„Sind sie nicht zu lang?“
„Nein, warum?“
„In der alten Schule haben sie oft gesagt, ich sähe wie ein Mädchen aus. Ich hab überlegt, dass ich sie abschneiden lasse.“
„Wie viel?“
„Na ja, momentan sind sie echt lang.“
„Stimmt schon. Manchmal denke ich, dass nachts ein Mädchen neben mir liegt.“
„Oh...“
Finn hielt auf einem Parkplatz.
„David, hier gibt es einen Friseur, wo man sofort dran kommt. Er ist auch nicht teuer. Wenn du es wirklich willst, dann gehen wir da jetzt hin.“
„Ich brauche eine Veränderung.“
„Nur, wenn du willst. Ich werde dir bestimmt nicht vorschreiben, was du zu tun hast. Dann bin ich nämlich hinterher der Dumme.“
„Sie wachsen ja wieder.“
„Genau!“
„Ich mach es.“ David sah auf seine Schuhe und dann mit roten Wangen wieder zu ihm. „Dann seh’ ich wenigstens ein wenig männlicher aus.“
„Das musst du doch gar nicht.“
„Ich will aber!“
Finn lachte.
„Okay. Auf! Friseur, danach Kaffee und dann Rummachen.“

Er grinste und stieg aus. Auch David verließ das Auto und lächelte leicht. Finn schloss ab, ging um das Auto herum, schaut kurz über den Parkplatz und nahm dann unauffällig Davids Hände.
„Am liebsten würde ich dich jetzt küssen, Liebling. Schade, dass es hier zu auffällig ist.“
Unsicher sah David auf den Boden.
„Ich weiß nicht, wo Ma ist.“
„Ist doch alles okay, Dave! Lass uns Haare schneiden, ja? Desto schneller sind wir daheim.“
David sah wieder hoch, nickte und ließ Finns Hände los.
„Na dann.“
Finn grinste und betrat mit David den Laden. Eine der Friseurinnen kam sofort auf ihn zugeeilt.
„Finn! Du warst aber schon lange nicht mehr hier!“ Kundig fuhr sie ihm mit den Fingern durch die Haare. „Wow, die neue Spülung hilft, was? Sie sind viel weicher als das letzte Mal.“
„Ja, die ist klasse!“
„Willst du sie geschnitten haben?“
„Nein, ich mag die Länge momentan!“
„Oh, dann will bestimmt deine kleine Freundin auf den Stuhl.“
Mit großen Augen rieß David den Kopf hoch. Sie hatte ihn als Mädchen bezeichnet! Beschwichtigend legte Finn seine Hand auf Davids Arm.
„Mein Freund.“
„Oh, fuck! Scheiße, das tut mir leid!“
„K-kein Problem. Schon gut.“
Unsicher schaute David sie an, nur um kurz darauf wieder auf den Boden zu schauen. Finn strich ihm eine Strähne hinters Ohr.
„Die Haare müssen ab, Shelly. Er versteckt sich immer dahinter.“
„Will er das auch selbst? So eine schöne Mähne!“
„Will ich“, mischte sich David wieder ein und sah wieder nach oben. „Sie müssen ab, wirklich. Aber es soll gut aussehen!“
Finn lachte.
„Das wird es, Dave. Shelly ist fähig.“

Sanft drückte er seinen Freund auf einen der Friseursessel. Shelly holte noch schnell was zu trinken für die beiden und dann ihr Werkzeug. David lächelte Finn schwach an, als sie die Schere ansetzte und den ersten Schnitt tätigte.

12.

Mit offenem Mund starrte Finn seinen Freund an. Dieser schaute verlegen in den Spiegel und zupfte an ein paar Strähnen.
„Wie seh’ ich aus, Finn?“, flüsterte er und drehte sich zu dem Blonden.
Finn räusperte sich.
„Wie lange brauchen wir bis nach Hause?“
„Ehm... 10 Minuten?“, antwortete David verwirrt.
Finn stand auf, drückte Shelly Geld in die Hand und zerrte David hinter sich her aus dem Friseurladen zum Auto. David wusste nicht, wie ihm geschah, als er auf den Beifahrersitz gedrückt wurde.
„Finn?“
Der Angesprochene hielt inne und stöhnte dann leise.
„Scheiße, du siehst noch tausend Grad heißer aus als vorher.“
„Willst du deshalb so schnell nach Hause?“
„Ich will dich küssen, ich will dich so sehr küssen, David!“
„Dann tu das doch.“
„Deine Mum?“
„Die wird schon nicht gerade jetzt hier langlaufen.“
„Dein Wort in Gottes Ohr.“

Finn beugte sich zu David ins Auto, nahm sein Gesicht in seine Hände und presste seine Lippen auf die des anderen. Mit einem leisen Seufzen schlang David seine Arme um Finns Hals und drückte sich leicht an ihn.
Sanft strich Finn mit seiner Zungenspitze über Davids Lippen, welcher seinen Mund sofort öffnete und ihm entgegen kam. Der Kuss war zärtlich und liebevoll, zumindest solange, bis David Finn mehr ins Auto zog.
Zu diesem Zeitpunkt löste sich Finn von ihm.
„Nach Hause?“
„Zu dir“, flüsterte David mit rauer Stimme und räusperte sich dann.
Finn ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte beinahe zur Fahrerseite.

Eine Viertelstunde später hielten sie vor Finns Haustür. David sah auf die Uhr.
„Es ist schon gleich fünf. Um sechs soll ich daheim sein, wir essen heute alle zusammen.“
Missmutig verzog er das Gesicht.
„Schaffen wir“, grinste Finn und stieg aus.
Schnell waren die beiden in Finns Zimmer, wo dieser wieder über den Jüngeren herfiel. David verlor sein Shirt ziemlich bald, ebenso wie Finn. Kurz darauf lagen sie auf dem Bett und waren in leidenschaftliche Küsse vertieft.
Finn wollte ausprobieren, ob er inzwischen weiter gehen konnte bei David und schob seine Hand langsam zu dem Bund der Jeans. Als Davids Becken ihm entgegenkam, lächelte er in den Kuss hinein. Flink war der Knopf geöffnet. Finn strich zärtlich über Davids Unterwäsche und löste den Kuss um ihm in die Augen schauen zu können. Davids Wangen hatten wieder ein dunkles Rot angekommen und seine Augen funkelten erregt. Durch die neue Frisur kam das viel besser zur Geltung und – verdammt noch mal! – das gefiel Finn.

Er ließ David ein paar Minuten Zeit, um sich daran zu gewöhnen, dort berührt zu werden, dann schob er die Hand in die Shorts und umfasste leicht das Glied. David entwich ein Stöhnen und er hob sein Becken leicht an, was Finn als Bestätigung nahm, seine Hand zu bewegen. Der Braunhaarige biss sich auf die Lippe, damit ihm keine lauten Töne entwichen.
Das alles war neu für David, diese fremde Hand an seiner intimsten Stelle. Und doch fühlte es sich einfach nur unglaublich an. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so erregt gewesen zu sein.
Finn beobachtete seinen Freund und ihm gefiel, was er sah. Wie unglaublich David einfach war! Ihm gefiel, dass er den Braunhaarigen zu diesen Gefühlen brachte und wollte dies nur noch steigern. So beugte er sich hinab und strich vorsichtig mit der Zunge über Davids Spitze.
Dieser riss erschrocken die Augen auf, während seinen Lippen in einer sehr rauen Stimmlage Finns Name entwich. Der Blonde nahm das als Aufforderung weiterzumachen und nahm ihn sanft in den Mund. Seine Hand griff nach Davids Hoden und schon spürte er, wie David sich sofort verkrampfte – und kam.
„Scheiße“, flüsterte der Kleine nur. „Es tut mir leid.“
„Kein Problem.“ Finn lachte leise, legte sich neben ihn und zog ihn in seine Arme. „Mein Süßer.“

Nachdem David sich etwas erholt hatte, warf er einen Blick auf die Uhr und erschrak.
„Verdammt, es ist schon gleich viertel nach sechs!“
Er sprang auf und kleidete sich ein, während Finn ihn amüsiert betrachtete. David schaute zu ihm und wurde rot.
„Jetzt hab ich mich gar nicht revanchiert.“
„Kein Problem, Süßer, wir haben ja noch ein paar Jahre vor uns“, zwinkerte Finn und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Außerdem hast du mir schon mehr gegeben, als ich dir.“
David wurde wieder rot.
„Wenn du das glaubst.“
Er ging zu seinem Freund und gab ihm einen kleinen Kuss.
„Wir schreiben, ja?“
Finn nickte bloß und sah dem Braunhaarigen dann hinterher, als er verschwand.

Ob David überhaupt verstanden hatte, was er meinte? Klar, David hatte ihn schon mal befriedigt, aber das hatte er gerade gar nicht im Sinn gehabt. Was er gemeint hatte, war einfach, dass David ihm gezeigt hatte, dass er Gefühle haben konnte – Gefühle, die viel stärker als Freundschaft waren. Konnte er schon von Liebe sprechen?
Er wusste es nicht, aber das war auch egal.
David bedeutete ihm viel, mehr, als bisher jeder andere Junge oder Mann. Vielleicht war es Liebe, vielleicht auch nicht, spielte es eine Rolle? Zählte nicht einfach dieses Glücksgefühl, das er hatte, wenn David bei ihm war?

David stürzte in die Küche.
„Tut mir leid, Ma! Finn und ich haben uns festgequatscht!“
„Dieser Finn hat einen schlechten Einfluss auf dich. Wie siehst du überhaupt aus? Diese kurzen Haare passen nicht zu deinem runden Gesicht.“, sagte sie und sah David ernst an. „Setz' dich, David. Ich muss mit dir sprechen.“
Verwirrt tat er es und nahm sich etwas zu essen. Die Worte über seine Haare ignorierte er, obwohl es ihn doch schmerzte, dass sie ihn beleidigte. Aber eigentlich war ihm von vorneherein klar gewesen, dass sie es lieber hatte, wenn seine Haare lang waren, denn eigentlich hatte sie sich immer ein Mädchen gewünscht.
„Was ist denn los?“
„Ich will nicht, dass du dich weiterhin mit ihm triffst.“
„Weshalb?“
„Der Junge ist schwul!“
„Ach echt?“, erwiderte er nüchtern.
„Ich habe ihn gestern Abend mit einem anderen Jungen in der Stadt gesehen. Widerlich war das, widerlich!“
David wurde blass. Einen... anderen Jungen? War das ihr Ernst?
„Was... was für einen Jungen?“
„Na, so einem anderen widerlichen Schwulen!“

Sein Herz setzte einen Moment aus, nur um sich kurz darauf schmerzhaft zusammenzuziehen. Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen und er musste sich zusammenreißen, nicht laut  zu schluchzen. Er schob seinen Teller von sich.
Finn hatte... einen anderen geküsst?
„Ich hab keinen Hunger mehr. Und Schwule sind nicht eklig, Mama. Soll ich dir mal was verraten?“
„Was denn?“
„Ich bin es auch.“
Mit diesen Worten rannte er in sein Zimmer, schloss sich ein und ließ seinen Tränen freien Lauf.

13.

Finn wartete und wartete...
David kam einfach nicht. An sein Handy ging er auch nicht. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es schon bald Zeit war loszufahren. Ausnahmsweise war er pünktlich. Er stieg aus und klingelte. Es drang kein Geräusch aus dem Haus. Dass David nicht öffnete, bereitete Finn Sorgen. War gestern noch was passiert? Erneut klingelte er Sturm, aber es regte sich einfach überhaupt nichts. Nachdem er beschlossen hatte, dass es einen Grund haben würde, setzte er sich in seine Twingo und fuhr fort.

David hielt sich die Ohren zu, als es klingelte. Bestimmt war es Finn... aber er war heute eindeutig nicht in der Lage, in die Schule zu gehen. Seine Augen waren gerötet, da er die ganze Nacht geweint hatte. Müde war er auch. Finn hatte einen anderen. Immer wieder schwirrte ihm dieser Gedanke durch den Kopf. Bestimmt einen, der offen zu seiner Homosexualität stand. Bestimmt einen, der mit ihm schlief. Dabei hatte er sich doch gestern auch einen Schritt weiter führen lassen! Was war an ihm falsch?

Der Tag verging für den einen langsam und für den anderen schnell.
Der eine war in der Schule, wurde von seinen Mitschülern doof angeschaut und von seinen Freunden gefragt, wo der andere sei. Auf sein „Ich weiß es nicht!“ hin wurde keine Ruhe gegeben.
Der andere lag auf seinem Bett und tat nichts. Er starrte einfach nur an die Decke und hing seinen Gedanken nach. Und diese Gedanken kreisten nur um eine Person...
Es wurde Nachmittag, dann Abend. Finn beschloss, noch einmal zu David zu gehen. Er machte sich Gedanken, er wusste nicht, was los war. Hatte er einen Fehler gemacht? Hätte er nicht so weit gehen dürfen? Er klingelte. Diesmal öffnete sich die Tür und Davids Mutter stand vor ihm. Sie schaute ihn verächtlich an.
„Was willst du?“
„Zu David.“
„Er hat keine Zeit für dich“, erwiderte sie kalt und wollte die Tür zuschlagen.
Doch Finn stellte seinen Fuß dazwischen.
„Warum nicht?“
„Du hast ihn zu einer Schwuchtel gemacht. David wird das Haus erst wieder verlassen, wenn er normal ist!“

Finn wurde wütend. Normal?
„Hören Sie mal! David ist alt genug, er kann selbst entscheiden, mit wem er was unternimmt und mit wem er zusammen sein will! Lassen Sie mich sofort zu ihm!“
„Nein, das werde ich nicht.“ Sie grinste fies. „Er weiß nämlich, dass du nur mit ihm spielst und ich bin sicher, dass er dich überhaupt nicht sehen will.“
Erneut schlug sie die Tür zu und Finn reagierte dieses Mal nicht schnell genug.
„Ich spiele nicht mit ihm“, flüsterte er.

David hatte das Wortgefecht mitbekommen und war wütend auf seine Mutter. Es ging sie doch überhaupt nichts an, was Finn getan hatte! Es ging sie auch nichts an, dass er schwul war! Gott, sobald er achtzehn werden würde, wäre er hier weg.

Am nächsten Tag fuhr er mit dem Bus zur Schule. Dieser fuhr eine halbe Stunde vor Finn los und so konnte er ihm vorerst aus dem Weg gehen. Er war der erste in der Klasse und setzte sich auf seinen Platz. Dann nahm er seinen Block hinaus und begann zu zeichnen – vielleicht würde ihn das wieder in seine Fänge ziehen, damit er nicht mitbekam, wenn Finn den Raum betrat.

Dieser fuhr erst gar nicht zu David sondern direkt in die Schule. Der Braunhaarige wäre eh nicht mitgekommen...
Zu seiner Überraschung saß David schon auf seinem Platz. Leise ließ Finn sich neben ihm nieder und lugte auf das Blatt, das vor David lag. Zwei Jungen waren darauf zu sehen. Der Kleinere stand ein wenig abseits, abgewandt und hatte einen verletzten Gesichtsausdruck. Der andere lächelte fröhlich und hatte seine Arme um den ersten geschlungen, schaute aber in die andere Richtung, in der man noch die Rückseite einer dritten Person erkannte. David malte dem traurigen Jungen ein paar Tränen auf die Wange und starrte dann stumm das Bild an.
Er sah zerbrochen aus.
Vorsichtig legte Finn die Hand auf seinen Unterarm.
„Fühlst du dich so?“
Der Jüngere zuckte zusammen und schaute ihn dann an.
„Wer ist es?“
„Wer ist was?“
David schüttelte den Kopf und stand auf. Hier im Raum lauschten ihm zu viele. Also verließ er ihn und lehnte sich auf den Flur mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand. Finn verstand die unausgesprochene Aufforderung und folgte ihm.
„Wer ist was?“, wiederholte er seine Frage.
Der Braunhaarige schaute traurig zu Boden und versuchte sich hinter seinen Haaren zu verstecken, was aber aufgrund der neuen Frisur nicht ging.
„Der Kerl. Mit dem meine Mutter dich am Sonntag gesehen hat.“
„Ich war Sonntag bei meiner Familie, das weißt du doch.“
„Woher wusste sie dann, dass du schwul bist? Wenn sie dich nicht gesehen hat?“
„Keine Ahnung! David, ich habe dir versprochen, dass ich treu bin und das bin ich auch!“
„Du brauchst es nicht. Denn wir sind Geschichte.“ Tapfer schaute er ihm in die Augen. „Ich ziehe wieder weg. Genau, du hast richtig gehört! Meine Mutter verachtet mich! Vor kurzem habe ich Kontakt mit meinem Vater aufgenommen. Sobald ich das Abschlusszeugnis in der Hand halte, werde ich zu ihm gehen. Nach Florida.“

Finn fühlte sich, als würde ihm jemand das Herz herausreißen.
„Das kannst du nicht tun“, flüsterte er heiser, „Bitte, David!“
„Doch, das werde ich. Was hält mich hier noch? Ein Freund, der mich betrügt? Eine Mutter, die mich hasst? Mitschüler, die sich über mich lustig machen? Nein danke.“
„Ich betrüge dich nicht!“
„Und ich bin der Kaiser von China.“
„David...“
„Lass mich zufrieden.“
Er ging in die Klasse zurück und setzte sich wieder. Sein Entschluss war in der Nacht gereift und er hielt es für die beste Lösung. Nur noch ein paar Tage, dann hatte er Geburtstag. Bis zu den Zeugnissen waren es noch vier Wochen. Er hoffte, dass er in der Zeit alle notwendigen Unterlagen wie Reisepass und Greencard zusammenbekommen würde. Einen Flug musste er auch noch buchen...
Klar tat es ihm weh, Finn einfach so verlassen. Er hatte sich wirklich in ihn verliebt. Doch wenn er nur daran dachte, dass er einen anderen hatte, dann fühlte es sich schon an, als säße jemand auf seinem Brustkorb und würde ihm die Atemluft abschnüren. Es war einfach alles zu viel.

Finn blieb noch eine Weile auf dem Flur stehen. Es tat so weh. Es tat so weh, dass David ihn nie wieder sehen wollte. Dass David wegging... dass David ihn verlassen hatte. Er hatte eine Ahnung, mit wem Daves Mutter ihn gesehen hatte.
Am Sonntag war sein Opa 70 geworden und sie hatten es in einem kleinen Hotel in der Stadt gefeiert. Dieses lag auf dem Obermarkt, auf dem es noch viele Restaurants und Cafés gab. Bestimmt hatte sie in einem dieser Lokale gesessen, als er mit seinem Großcousin Hand in Hand spazieren gegangen war. Sie sahen sich nicht oft und sie liebten sich. Nicht in der Liebe-Liebe Art sondern auf familiäre Weise, auf freundschaftliche Weise, auf wir-können-einfach-nicht-ohne-einander-Weise.
Sie waren beide schwul, daher benahmen sie sich auch so. Küsschen hier, Küsschen da, Händchen halten... so wie es auch Mädchen taten! Aber er wusste genau, was geschehen würde, wenn er es David so erklärte. Er würde ihm nicht glauben, ganz schlicht und einfach nicht glauben. Und das war scheiße.

Die Tage flogen nur so dahin. Finn versuchte jeden Tag mit David zu sprechen, aber dieser lehnte bloß ab. Lediglich an seinem achtzehnten Geburtstag nahm er Finns Glückwünsche entgegen, das Geschenk wiederrum nicht. Aber Finn würde es ihm schon noch unterjubeln.

Und plötzlich war er da: der letzte Schultag.
Sie wurden einzeln in einen anderen Raum gerufen, wo sie ihre Noten erfuhren. Finn freute sich tierisch, dass er bestanden hatte und war auf Davids Ergebnisse gespannt, da dieser ja so Angst vor den Prüfungen gehabt hatte. Für einen Moment vergaß er, dass sie nicht miteinander sprachen, als David aufgerufen wurde.
„Viel Glück“, rief er ihm zu.
David blieb stehen, drehte sich zu ihm und sah ihn mit einem ausdruckslosen Gesicht an. Dann wandte er sich wieder ab und verschwand.
„Okay, Finn“, sagte da Alina plötzlich. „Was ist passiert?“
Sofort ruhten alle Augen auf ihm. Er seufzte.
„Wir haben uns getrennt. Aber warum verrate ich euch nicht.“
„Aber ihr liebt euch!“, rief Alina aus und funkelte ihn wütend an. „Was hast du getan?“
„Nichts!“, verteidigte sich Finn und schaute sie ernst an. „Ehrlich. Wir haben nur verschiedene... Ziele. Ach, lasst mich in Ruhe!“
Er sprang auf, lief in die Raucherecke und steckte sich eine Zigarette an.

David lächelte zum ersten Mal seit diesem Tag wieder. Bestanden! Und das sogar ziemlich gut! Sofort wollte er zu Finn laufen und es ihm erzählen.
Doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie ja nicht mal mehr Freunde waren. Er verließ den kleinen Raum und schloss kurz die Augen. Dann schrieb er seinem Vater schnell eine Mail.  Kurz ging er in die Klasse und holte sich seine Zigaretten. Er sah, wie die anderen ihn anschauten und dann zu tuscheln begann. Das machte ihn wütend. Was hatte Finn erzählt? Ein kurzer Blick sagte ihm, dass dieser nicht hier war. Bestimmt war er auch rauchen. Also ging er hinaus. Und tatsächlich, da stand er! Wütend stapfte er zu ihm.
„Was hast du ihnen erzählt?!“
„Nur, dass wir uns getrennt haben, David, nichts Bewegendes. Sie haben gefragt.“
„Hast du ihnen auch den Grund genannt?“
„Nein. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass du dir was zusammenspinnst.“
„Das tue ich nicht!“, rief er aus.
Er wollte noch etwas sagen, aber er brach ab. Stattdessen lief er los und zündete sich seine Zigarette ein paar Meter entfernt an, wo er auch wieder stehen blieb. Er wollte sich nicht mit Finn unterhalten.

Diesem passte das aber nicht. Er ging David hinterher.
„Wann fliegst du?“
„Sobald wir die Zeugnisse haben.“
Es hatte alles geklappt.
„Das ist bald.“
„Na und?“
„Lass uns vorher noch was machen.“
„Und was bitte?“
„Mal schauen... ein Date?“
„Vergiss es.“
„Bitte.“
„Nein. Lass mich zufrieden.“
Er trat seine Zigarette aus und flüchtete ins Innere des Schulgebäudes. Seufzend schaute Finn ihm hinterher. Schöne Scheiße.

Zwei Wochen später gab es Zeugnisse. David war vor Finn da, mit seiner Mutter und deren Freund. Immer wieder schielte er zum Eingang, wartete auf Finn. Ihm war so klar gewesen, dass der Blonde wieder zu spät kam! Warum er wartete, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er ihn noch einmal küssen wollte, bevor er flog.

Finn fluchte, ließ Krawatte Krawatte sein und stürmte zu seiner Mutter.
„Wir sind zu spät!“
„Das hab ich dir vor einer halben Stunde schon gesagt“, erwiderte diese trocken und ging voran zum Auto.
Eine Viertelstunde später kamen sie an der Halle an und gingen hinein. Der Direktor hielt bereits seine Rede. Leise schlichen sie sich auf ihre Plätze. Bei der Klasse war nur noch neben David frei. Finn zögerte kurz, setzte sich dann aber und stieß ihn leicht an.
„Hey.“
David schaute ihn an und lächelte ganz leicht. Es war das letzte Mal, dass sie sich sahen...
„Hi. Du bist spät.“
„Kennst mich doch“, grinste Finn  und legte vorsichtig die Hand auf Davids Oberschenkel.
Dieser zuckte kurz zusammen, schloss dann aber die Augen.

Der Blonde war erstaunt. War jetzt alles wieder gut? Hatte David sich beruhigt? Vorsichtig beugte er sich vor und küsste ihn sanft auf die Wange.
„Ich werde dich so vermissen.“
David wurde rot.
„Meine Mutter ist hier! Lass das...“
„Kommst du hinterher auf die Feier?“
„Eigentlich hatte ich es nicht vor. Was will ich da ohne Freunde?“
„Du hast mich.“
„Eigentlich ja nicht“, erwiderte David und fuhr dann leiser fort, „aber heute ist mein letzter Tag in Deutschland. Da möchte ich noch ein wenig von dir haben. Also komm ich mit.“
„Das freut mich.“
„Aber es wird nichts zwischen uns passieren. Das will ich nicht, Finn.“
„Ist okay. Hauptsache wir verbringen Zeit miteinander.“

Ein paar Minuten später wurden sie aufgerufen und bekamen ihre Zeugnisse. Dann folgten Unmengen an langatmigen Reden, bis schließlich das Ende verkündet wurde. Erleichtert standen alle auf und verließen das Gebäude.
David ging einfach Finn hinterher, ohne seiner Mutter zu sagen, dass er noch ausging. Es ging sie ja sowieso nichts mehr an. Seine Koffer waren gepackt, er war achtzehn. Finn und er ließen sich von Gabriele zu der Diskothek bringen, in der die Feier stattfinden würde. Nachdem sie den Eintritt bezahlt hatten, gingen sie hinein und wurden von lauter Musik begrüßt.
„Komm, wir holen uns was zu trinken!“, rief Finn David ins Ohr und nachdem dieser genickt hatte, begaben sie sich gemeinsam zur Bar.
Sie bestellten, dann sahen sie sich in die Augen und stießen an.
„Auf einen neuen Lebensabschnitt“, sagte David leise.
Finn antwortete flüsternd:
„Ich will nicht, dass du gehst.“
„Aber das werde ich.“
„Ich weiß.“
Ihre Blicke fanden einander und plötzlich existierten nur noch die Augen des jeweils anderen. Unwillkürlich rutschte David ein wenig näher an Finn, welcher ihm sanft über die Wange strich. Als er sich herunter beugte und Davids Lippen vorsichtig mit seinen gefangen nahm, hörte die Welt sich zu drehen auf.

Wie er es vermisst hatte. Seine Augen fielen wie von selbst zu und er schlang seine Arme um Finns Nacken. Vorsichtig vertiefte er den Kuss, wollte mehr Finn.
Ihn schmecken, ihn berühren.
Dem Blonden gefiel es auch. Seine Hände fanden auf Davids Hüften Platz. Er zog ihn enger an sich und erwiderte den Kuss.
Erst, als sie jemand anstieß, lösten sie sich voneinander. Elisa. Sie funkelte die beiden wütend an.
„Hört auf, das ist widerlich!“
Finn schaute sie kalt an.
„Oh, tut mir leid, dass ich mich von David verabschiede!“
„Verabschieden?“
„Ich fliege morgen in die USA“, erklärte David und schaute sie dabei an, „Du musst also nicht mehr eifersüchtig auf Finn sein. Keiner von euch bekommt mich.“
„Aber er darf dich küssen!“, erwiderte sie mit Tränen in den Augen.
„Weil ich ihn liebe, Elisa. Dich nicht.“

Er liebte ihn? Finn blieb das Herz kurz stehen, dann schlug es doppelt so schnell wie vorher weiter. Er liebte ihn!
Aber... dennoch ging  er. Warum?! Nur, weil seine Ma ihm so einen Scheiß erzählt hatte?
„Geh nicht“, bat er erneut.„Bitte, bleib!“
Doch David schüttelte nur den Kopf.
„Nein.“
„Bitte!“
„Finn, ich kann nicht. Lass mich einfach... gehen. Es war ein Fehler mit herzukommen...“
Schnell tauchte er in der Menge unter.

Aber nicht mit Finn! Nein, nein! Gelassen ging er zum DJ, flüsterte ihm etwas ins Ohr und bekam dann das Mikrofon in die Hand. Kurz räusperte er sich, dann schaltete er es an.
„Hey, Leute! Vor allem hey, meine alten Klassenkameraden! Wir haben dieses Schuljahr einen neuen Schüler bekommen. David.“
David hörte es und blieb stehen. Was hatte dieser Idiot vor?
„Und na ja, er wandert aus. Also dachte ich, dass sich alle nochmal verabschieden sollten! Aber er ist gerade von mir abgehauen. Wer ihn sieht, der schicke ihn her!“
Der Braunhaarige spürte, wie ihn einige Leute packten und nach vorne schoben. Sofort wurde er rot. Das wollte er nicht! Er hätte doch nach Hause fahren sollen! Er wurde auf das Podest gehoben und stand nun vor Finn. Dieser lächelte.
„Da bist du ja. Ich glaube, du weißt  gar nicht, wie sehr wir dich vermissen werden. Vor allem bei der Abschlussfahrt in vier Wochen.“
„Man kann nicht alles haben“, erwiderte David. „Aber danke.“
„Hoffentlich sehen wir uns nochmal wieder.“
„Vielleicht...“

David wurde noch von anderen Leuten verabschiedet, dann konnte er endlich die Bühne verlassen. Mit hochroten Wangen stürmte er hinaus und stellte sich zur Bushaltestelle. Nur schnell weg hier!
Finn war ihm gefolgt und stellte sich neben ihn.
„Ich werde dich wirklich vermissen.“
„Glaube ich dir nicht. Du hast doch noch den anderen.“
„Du glaubst mir anscheinend gar nichts“, flüsterte Finn und strich ihm mit dem Handrücken über die Wange. „Aber dennoch liebst du mich.“
Davids Röte vertiefte sich.
„Das war nur so gesagt“, murmelte er. „Ich wollte sie loswerden.“
„Jetzt lügst du.“
Tränen stiegen in die Augen des Jüngeren.
„Ich werde dich auch vermissen, Finn, aber ich muss von dir loskommen.“
„Bitte, bleib.“
„Nein!“
Zum Glück kam jetzt der Bus. David hauchte Finn einen kleinen Kuss auf die Lippen.
„Leb' wohl.“
Dann stieg er ein.
Lange stand Finn dort und sah den Lichtern des Fahrzeuges, in dem sein Dave saß, hinterher. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er ihn sehr lange Zeit nicht sehen würde.

14.

Finn starrte aus seinem Fenster und sah den Schneeflocken beim Fallen zu. Es war früh Winter geworden in diesem Jahr, es war gerade mal Ende November und schon bedeckte eine dicke Schneeschicht die Wiese vor dem Haus.
Er vermisste David so sehr.
Die ersten Tage waren richtig übel gewesen, irgendwie. Er hatte kaum gegessen, war kaum vor die Tür gegangen. David hatte auf keinen seiner Versuche zur Kontaktaufnahme reagiert. Immer noch nicht.
Was hatte er nur falsch gemacht? Er hatte ihm eine lange Mail geschrieben, in der er ihm alles erklärt hatte, dann noch einige kurze, aber niemand meldete sich... war er wirklich so minderwertig, dass er es nicht verdiente?
Nie hätte er gedacht, dass er jemanden so sehr lieben kann.
Seine Freunde wandten sich nach und nach von ihm ab, da er ja eh nichts mit ihnen unternahm. Lediglich Alina versuchte immer wieder, sich mit ihm zu treffen. Ab und an sagte er auch mal zu, doch dann schob er so schlechte Laune, dass sie schnell wieder ging. Das einzige, wobei er sich wirklich Mühe gab, war seine Ausbildung. Diese wollte er nicht direkt wieder verlieren.
Warum vermisste er David so sehr? Sollte es ihm nicht egal sein? Er war weg...

David verabschiedete sich von seinem Kollegen und trat dann hinaus in die späte Nachmittagssonne. Ein tiefer Seufzer entwich ihm. Fünf Monate waren vergangen, seit er Finn das letzte Mal gesehen hatte und trotzdem hatte er eine unbeschreibliche Sehnsucht nach ihm. Dass er ständig auf Finns Facebook-Profil war, half ihm bestimmt nicht dabei, ihn zu vergessen, aber er wollte unbedingt wissen, was der Blonde so unternahm – und vor allem mit wem. Allerdings waren da in letzter Zeit nicht viele Einträge gewesen.
Der Braunhaarige zündete sich eine Zigarette an und lief nach Hause. Die neue Freundin seines Vaters würde schon das Abendessen auf dem Tisch stehen haben.
Es war so seltsam gewesen, die ersten Tage hier...
Nachdem er seinen Vater ausfindig gemacht und ihm eine lange E-Mail geschrieben hatte, in der er erklärte, wie sauer er auf ihn war, weil er einfach verschwunden war, war das mit Finn passiert. Erst danach hatte sein Vater ihm geantwortet, sich entschuldigt und ihn zu sich eingeladen. Nie hätte er zugestimmt, aber die Situation zu Hause machte ihn fertig. Seine Mutter hasste ihn, behandelte ihn wie Dreck. Finn und er waren nicht mehr zusammen. Was sollte er da noch? Also sagte er seinem Vater zu. Zu Beginn hatten sie gar nicht gewusst, worüber sie sprechen konnten, bis sein Vater ihn beim Zeichnen gesehen und ihm einige Tipps gegeben hatte. David hatte festgestellt, dass er dieses Talent wohl in den Genen väterlicherseits liegen musste und plötzlich hatten sie sich wunderbar verstanden.
Nach ein paar Wochen erzählte David ihm von Finn und er hatte kein Problem damit, dass sein Sohn homosexuell war. Er akzeptierte es einfach, ohne viel zu hinterfragen. Das gefiel David und er entschloss, länger zu bleiben.
Die E-Mails, die er von Finn bekam, las er zwar, doch antworteten wollte er nicht. Es schmerzte zu sehr. Ob die Erklärungen stimmten, wusste er auch nicht – vielleicht log Finn alles nur zusammen. Ein Cousin, mit dem man händchenhaltend durch die Gegend lief? Konnte David sich nicht vorstellen. Aber jetzt war es ja eh vorbei.

Gabriele reichte es. Ihr Sohn machte nicht viel mehr, als in seinem Zimmer zu liegen, wobei er, bevor David hier aufgetaucht war, doch ein so lebendiger Junge gewesen war! Also entschied sie sich zu einem drastischen Schritt. Am ersten Dezember ging sie zu ihrem Sohn und warf ihm einen Briefumschlag auf die Brust.
„Du fliegst zu ihm!“
Überrascht schaute er zu ihr und schüttelte dann den Kopf.
„Nein, das geht nicht.“„Und ob das geht, mein Lieber! Dass du dich so gehen lässt, ertrage ich nicht mehr!“
„Ich muss arbeiten.“
„Ist geregelt.“
„Was?“
„Du hast so viele Überstunden gemacht, dass du zwei Wochen freinehmen kannst. Danach hast du ja eh Urlaub beantragt.“
Finn wurde wütend.
„Du warst bei mir an der Arbeit und hast mir freigenommen?“
„Ja, damit du zu David fliegen kannst! Dein Flug geht morgen Mittag.“
Damit verließ sie das Zimmer wieder und hinterließ einen verzweifelten Finn. Als ob David ihn sehen wollte!

Trotzdem stieg er zwei Tage später am Orlando International Airport aus dem Flugzeug. Von dort aus nahm er die Bahnverbindung nach Clearwater, der Stadt, in der David momentan lebte, wie er über Facebook erfahren hatte. Dort wurde es dann schwieriger. Wie sollte er ihn bloß finden?

David nahm die Leine vom Haken und pfiff nach dem Hund seines Vaters, Benny. Sofort kam er angelaufen und sprang schwanzwedelnd an dem Braunhaarigen hoch. Er lachte, machte die Leine fest und ging mit ihm hinaus. Es herrschte eine angenehme Wärme, das gefiel David. Lächelnd lief er durch die Stadt, kam schließlich in einem Hundepark an und nahm den Hund von der Leine. Dieser begann sofort zu toben. Sein Besitzer setzte sich auf eine Parkbank und schloss die Augen. Dabei lauschte er der Musik, die aus seinen Kopfhörern kam...
Immer, wenn Benny ankam, nahm er den Stock aus dessen Maul und schleuderte ihn wieder weg. Doch als die Playlist plötzlich bei einem Song ankam, den er immer mit Finn gehört hatte, zuckte er zusammen. Was der Blonde wohl gerade tat?

Finn nahm sich ein Zimmer in einer günstigen Pension und fuhr sein Notebook hoch. Er würde einfach noch eine Mail an David schreiben, vielleicht las er sie ja... Hoffnung starb zuletzt.

David, ich bin in Florida.
Wenn du mich sehen willst, dann... dann ruf mich an, schreib mir, melde dich. Ich möchte dich auf jeden Fall sehen und werde dich suchen. Diese Mail nur als Warnung vorweg.
Ich liebe dich, David.
Finn.

15.

Es war dunkel, als er nach Hause kam. Dort gab er Benny ein wenig Futter, ging dann in sein Zimmer hinauf und legte sich ins Bett. Schweigend zog er seinen Laptop zu sich, da er noch ein wenig Musik hören wollte und nutzte die Gelegenheit, seine E-Mails zu checken. Tatsächlich war dort eine – von Finn. Sollte er sie lesen? Natürlich las er sie. Seine Hände begannen zu zittern, als er die Botschaft realisierte. Finn war hier. In Florida. Nun gut, das hieß nicht, dass er auch direkt in Clearwater war. Er hoffte es nicht.Ihn zu sehen... nun, das wäre schön, ohne Frage. Immerhin vermisste er ihn. Doch es würde nur all die Wunden wieder aufreißen, die er so notdürftig zusammengeflickt hatte. Es dauerte einige Stunden, bis er einschlief, denn wieder und wieder kreiste Finn durch seinen Kopf.

Finn konnte nicht mehr. Seit drei Tagen suchte er nach David – vergebens. Warum schrieb er ihm nicht zurück? Weshalb fand er ihn nirgends? Überall hatte er es versucht… so groß war Clearwater doch nicht!
Inzwischen wurde er sogar von Leuten auf der Straße erkannt.
Wie sollte er als nächstes vorgehen? David noch eine Mail schreiben, weiter ignoriert werden? Nach Hause fliegen? Oder einfach mal die ganze Sache vergessen und richtig feiern gehen?
Er entschied sich für letztes. Ein paar Städte weiter gab es eine Schwulenbar, da würde er hingehen. Sonst würde er nur komisch angeschaut werden.
Abends machte er sich also auf den Weg. Nachdem er angekommen war, checkte er in einem Motel ein, machte sich fertig und ging dann dort hin. Es war ziemlich voll, aber das störte ihn nicht. Grinsend schlängelte er sich zur Bar durch, bestellte sich einen Drink und hatte Glück, dass ihn niemand nach seinem Ausweis fragte, dürfte er doch eigentlich noch gar nichts trinken, hier in Amerika. Mit dem Rücken an die Bar gelehnt sah er sich um und entdeckte einige schnuckeligen Kerle. Einer gefiel ihm besonders. Braune Haare, muskulöser Rücken… wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Er straffte seine Schultern und ging lächelnd zu ihm. Kurz sah er den Rücken noch an, tippte ihm dann auf die Schulter.
Der Kerl drehte sich herum und erschrocken sah Finn in Davids Gesicht. Dieser schaute nicht minder geschockt.
„Finn.“
„David!“, rief der Blonde, hatte sich viel schneller erholt. „David…“
„Was machst du hier?“
„Ich suche dich! Mensch, Dave… bitte, lass uns reden! Bitte!“
„Es gibt nichts zu reden, Finn. Ich bleibe in Amerika. Für immer.“
„Aber deshalb können wir doch reden. Es tut mir so leid, David, alles!“ Dass es eigentlich nichts gab, wofür er sich entschuldigen musste, ignorierte er. „Komm, ich spendier dir was zu trinken.“
„Nein, Finn“, erwiderte der Braunhaarige jetzt schon etwas energischer. „Ich sagte nein. Außerdem bin ich nicht allein hier, was würde das für einen Eindruck machen?“
„N-nicht allein?“
„Nicht allein.“
Zur Bestätigung seiner Wörter nahm David die Hand eines jungen Mannes, der neben ihnen stand und lächelte diesen liebevoll an.
„He´s just a german friend, don´t worry.“
„Okay. I´m gonna get some drinks, what do ya want?“
„You know, what I like, sweety.“
Der Mann grinste und verschwand in Richtung Bar.

„Du hast einen Freund?!“
„Sorry, Finn, tut mir ja auch voll leid und so.“
„Aber ich habe dich nicht betrogen...“
„Ich war dir nie mehr wert als Sex!“, rief David wütend, „Eigentlich ging es immer nur darum. Himmel, ich versteh nicht mal wieso! So toll ist es auch nicht in den Arsch gefickt zu werden oder jemanden zu ficken!“
Finn wurde bei diesen Worten blass. Hatte David... aber...
„Du...“
„Ja, ich! Und Liebe braucht auch niemand, ohne ist man besser dran. Gott, ich weiß echt nicht, was du hier willst. Flieg zurück nach Deutschland, vögel dich durch die Gegend, aber lass mich einfach in Ruhe.“
„Nein! Ich kämpfe so lange um dich, bis ich dich wieder in meinem Armen halte“, erwiderte der Blonde entschlossen, doch David schüttelte den Kopf.
„Sieh es ein, Finn. Das mit uns wäre nie gut gegangen. Wir sind zu verschieden und das waren wir von Anfang an.“

Finn wandte sich ab. Was war geschehen? Seit wann war David so... selbstbewusst? Nicht, dass er es schlecht fand, aber in dieser Hinsicht gefiel es ihm nicht. Er würde ihn jetzt so liebend gerne mit nach Hause nehmen... aber er hatte einen Freund! Das war doch alles Mist... aber eines versprach er sich: Er würde um David kämpfen, kostete es, was es wolle. Seine Gefühle für ihn waren zu intensiv. Außerdem konnte er auch auf Sex verzichten, kuscheln würde ihm genügen, solange es nur David war, den er im Arm hielt.
War doch lächerlich. Warum erkannte man erst, was man hatte, wenn man es verlor?

David musterte seinen ehemaligen Freund intensiv.
„Es tut mir leid, Finn. Woher soll ich wissen, ob du mich wirklich magst oder das alles tust, um mich nur ins Bett zu bekommen? Ich bin im Übrigen sehr beeindruckt von deinem Jagdinstinkt, extra hierher zu kommen...“
Der junge Mann kam mit den Getränken zurück. David murmelte einen Dank, nahm einen großen Schluck und sah dann wieder zu dem Blonden.
„Finn, ich werde nicht zurückkommen. Und du kannst nicht hierbleiben.“
„Wer sagt das? Kann ich wohl! Werde ich!“, erwiderte er laut und war kurz davor auf die Knie zu fallen und David anzuflehen.
„Ja klar. Du gibst deine Ausbildung, deine Familie und deine Freunde auf, nur um mir zu beweisen, dass du nicht nur...“ Er brach ab. „Nein, Finn.“
„Gib mir eine Chance. Lass uns was unternehmen, nur wir beide. Mein Flieger zurück geht erst im neuem Jahr.“

Nachdenklich sah David ihn an. Er vermisste Finn. Sehr. Vor allem liebte er ihn noch immer. Damit saß er in einer Zwickmühle, denn er durfte nichts mehr empfinden! Finn würde ihn wieder und wieder verletzten. Der Blonde konnte ihn gar nicht lieben, da war er sich sicher. Warum auch? Himmel, er sah ja nicht mal sonderlich gut aus! Doch warum war er ihm dann hinterher gereist? Es war alles so schwierig, so kompliziert.
„Finn...“, begann er wieder, wurde aber sofort unterbrochen.
„Bitte, Dave. Bitte.“
Der Blonde sah ihn mit seinem süßen Dackelblick an und so konnte er nur seufzen.
„Na gut. Dann hol mich morgen gegen siebzehn Uhr bei mir ab. Ich schreib dir die Adresse per Mail.“
„Danke!“, rief Finn überschwänglich und strahlte glücklich. „Dann bis morgen.“
„Bis morgen“, murmelte David und wandte sich wieder seiner Begleitung zu.

16.

„David?“
„Hm?“
„Unten ist jemand für dich. Ein Finn.“
„Finn?!“
Eilig sprang er auf und taumelte kurz, da sein Kreislauf noch nicht in Schwung war. Finn war hier! Er war tatsächlich gekommen!
Grinsend wollte er runter stürmen, doch dann fiel ihm auf, dass er ja noch gar nicht geduscht hatte – oder angezogen war.
„Lenk ihn ab!“, rief er seiner Stiefmutter, die ihn geweckt hatte, daher zu und verschwand in seinem kleinen Bad, das an das Zimmer angrenzte.
Er hörte die Frau noch lachen, dann sprang er unter die Dusche und wusch sich eilig. Eigentlich hatte er nicht erwartet, dass der Blonde tatsächlich kommen würde. Er hatte gedacht, dass Finn nur zufällig hier war, auf Urlaub, mit seiner Mutter oder Freunden. Gut, eventuell war es auch so. Der Club in dem sie sich getroffen hatten, war der einzige seiner Art in etwa hundert Kilometer Entfernung und Finn war selbstbewusst genug, als dass er alleine dort hingehen würde.
Aber David hatte auch bemerkt, dass sein Ex ziemliche Augenringe hatte und im Allgemeinen sowieso ziemlich fertig aussah. Also bestand die Möglichkeit, dass er tatsächlich in die USA gekommen war, um nach ihm zu suchen.
Wenn es so war... was sollte er davon halten? Sollte er sich freuen? Oder nicht? Ach Mensch... das Leben war so kompliziert! Erwachsenwerden war es...

Neugierig sah der blonde Deutsche sich im Wohnzimmer um. Hier war es gemütlich eingerichtet, die Wand wurde von einem Kamin geziert und davor standen große und vor allem breite Sofas, die mit Kissen und Decken ausgestattet waren. Auf der gegenüberliegenden Seite hing ein großer Fernseher, vor dem ein weiteres Sofa stand und ein riesiger Glastisch. Vom Wohnzimmer aus konnte man direkt auf eine Terrasse gehen, die im Sommer bestimmt schöner anzusehen war als im Moment. Doch man konnte den riesigen Pool im Garten erkennen und Finn wünschte sich, dass Sommer wäre. Langsam ging er zu dem Kamin, auf welchem Fotos standen. Er konnte ein Grinsen nicht verhindern, als er auf einem der Bilder David erkannte – als Baby.
„Es ist das einzige Foto, das ich von ihm hatte, all die Jahre.“
Finn drehte sich um und entdeckte einen Mann, der David absolut wie aus dem Gesicht geschnitten war. Nun, wobei, es war wohl eher andersrum.
Davids Vater.
Sofort begannen Finns Hände zu zittern.
„Hallo.“
„Du musst Finn sein. Ich hab mir dich größer vorgestellt.“
„Na ja, David ist ja ziemlich klein. Von unten sieht alles ja noch höher aus, als es in Wirklichkeit ist.“
Sofort biss er sich auf die Zunge. Mist! Warum musste er nur immer solche Sprüche lassen? Doch Davids Vater lachte nur.
„Ich bin Paul. Freut mich dich kennenzulernen.“
„Ebenso“, erwiderte Finn grinsend und nahm die dargebotene Hand.

Zehn Minuten später kam David heruntergestürmt und sah, wie die beiden sich unterhielten. Sofort lächelte er. Sie schienen sich zu verstehen! Aber warum freute ihn das? Immerhin war Finn ja jetzt bloß noch... was war er für ihn? David seufzte leise, wusste er doch genau, dass er den Blonden noch immer liebte. Und irgendwie... irgendwie hoffte er, dass er blieb.
„Finn?“, fragte er leise und wurde dann sofort von den strahlenden Blicken von ihm bombardiert.
„Ja, Engel?“
David wurde knallrot.
„Nenn mich nicht so.“
„Sorry! Alles klar?“
Der Blonde stand auf und zog ihn in seine Arme, was Davids Rot noch dunkler werden ließ.
„Natürlich. Und bei dir?“
„Immer, Süßer, immer.“
„Ehm... ich frühstücke noch eine Kleinigkeit, okay?“
„Natürlich.“
Hastig lief David davon. Finn sah ihm kurz nachdenklich nach, lächelte dabei aber. Er würde seinen Süßen wieder bekommen!

Nachdem Finn und Davids Vater sich eine Weile unterhalten hatten und David sein Müsli aufgegessen hatte, schnappte sich David den Autoschlüssel und fuhr mit Finn in ein kleines Eiscafé in der Innenstadt. Stumm saßen sie sich gegenüber, aßen ihr Eis, bis Finn das Schweigen plötzlich unterbrach.
„Gib mir noch eine Chance.“
„Finn, ich kann es einfach nicht.“
„Ich liebe dich.“
„Nein! Tust du nicht! Für dich war es immer nur die Vorstellung, mit mir zu schlafen.“
„Das stimmt doch gar nicht! Klar, ich hätte schon gern… aber nein!“
„Was war es dann?“
„Du. David, du warst es. Du hast mich… verzaubert klingt jetzt ziemlich schwul, aber… nun ja, das bin ich. Du hast mir gezeigt, dass ich lieben kann, dass Vertrauen existiert, eine tiefe Verbundenheit zu einem anderen Menschen entstehen kann. Ich liebe dich um deinetwillen. Du warst immer so unglaublich süß zu mir. Wenn es mir nur um Sex gegangen wäre, hätte ich einfach mit dir geschlafen und gut wäre es gewesen. Na ja, du wolltest es ja nicht. Aber wenn du gewollt hättest. Würde ich dich nicht lieben, hätte ich dich beiseite geschoben, als du nicht wolltest.“
„Ich wollte dich. Nach dem Friseurbesuch.“
„Echt?“
„Ja. Ich meine, was wir getan haben, war auch schön. Aber ich wollte mehr.“
„Du bist so überstürzt abgehauen.“
„Meine Mutter hatte verlangt, dass ich mit ihr und dem Vollidioten zu Abend esse. Ich wusste, dass sie mir dich ausreden wird, wenn ich nicht pünktlich bin. Die Viertelstunde hat ja schon ausgereicht.“
„Was ist eigentlich genau passiert?“
„Sie sagte zu mir, dass sie dich mit einem anderen gesehen hatte und dich beleidigt. Da bin ich ausgerastet und habe ihr an den Kopf geworfen, dass ich auch schwul bin – dann bin ich auf mein Zimmer und habe mich vor ihr versteckt. Sie kam mir nach, hat mir Hausarrest verpasst, bis ich wieder „normal“ bin und…“
„Und?“
„Mir ein paar Ohrfeigen verpasst.“
„Sie hat dich geschlagen?!“
„Es war nicht schlimm. Und beleidigt halt. Aber was mir mehr wehgetan hat war der Gedanke, dass du mich betrügst…“
„Es war mein Cousin. Ja, wir haben uns an den Händen gehalten. Uns ein paar Küsse auf die Wange gegeben. Aber mehr lief da nicht. So gehen wir schon miteinander um, seit wir uns gegenseitig gestanden haben, welche sexuelle Orientierung wir haben. Er ist mein bester Freund und ich wollte ihn dir schon die ganze Zeit vorstellen, aber er wohnt so weit weg.“
„Ist doch okay. Ich habe ein wenig überreagiert. Aber dann musste ich dich von mir fernhalten, weil ich her wollte.“
„Du hättest auch bei mir einziehen können. Meine Mutter hätte dich mit offenen Armen empfangen.“
„Ich wäre ihr zu nah gewesen. Scheiße, Finn, ich hatte panische Angst, dass sie es der gesamten Familie erzählt! Dass sie mich alle verstoßen!“
„Und darum bist du her?“
„Ja. Ich hoffe, dass Gras über die Sache gewachsen ist, bis ich mal wieder nach Deutschland gehe. Dass meine Mutter es einsieht und mit mir spricht.“
„Glaubst du das tritt ein?“
„Nein. Darum kann ich auch nicht... Bitte, Finn. Es tut mir leid, aber es ist, wie es ist.“
„Was machst du Silvester?“, wechselte der Blonde plötzlich das Thema und beugte sich vor. „Mein Rückflug geht erst im neuen Jahr. Und ich würde den Wechsel gerne mit dir feiern.“
„Aber wieso?“
„Das sagte ich doch bereits! Ich liebe dich! Und es gibt doch nichts Schöneres, als um Mitternacht die Person, die man liebt, zu küssen.“
„Finn...“
„Ich sage nur, wie es ist.“
„Du willst mich küssen?“
„Ja. Natürlich! Was glaubst du denn?“
„Aber...“
„David, bitte. Nur einen kleinen Kuss um Mitternacht.“
„Na gut“, lenkte der Kleine ein, „Aber dafür verbringst du Weihnachten mit mir und Dad und Amy. Ich will nicht, dass du alleine irgendwo hockst. Und ich möchte, dass du im Gästezimmer schläfst.“
„Da sag ich doch nicht nein!“, lachte Finn. „Klingt super.“
„Gut, dann machen wir das so“, nuschelte David und senkte den Blick dann wieder auf sein Eis.

17.

Zwei Tage später war Heiligabend und Finn war auf der Suche nach einem Geschenk für David – ziemlich kurzfristig. Paul hatte ihn auch noch einmal eingeladen, die Feiertage mit ihnen zu verbringen. Finn verstand sich wirklich gut mit ihm, was er nie erwartet hatte.
Eigentlich hatte er geplant gehabt, über die Feiertage in der Pension zu bleiben.
Und sich in der Sehnsucht nach seiner Mutter suhlen.
Er vermisst sie, total. Gerade an solchen Tagen. Vor allem weil sie ja seit zwanzig Jahren zusammen gefeiert hatten. Aber er war ihr auch unendlich dankbar, da sie ihm ja die Reise nach Florida geschenkt hatte – und er so endlich seinen David wiedersehen konnte.
Finn seufzte schwer. Was konnte er dem Dunkelhaarigen bloß schenken? Ein paar Stifte und Papier kamen ihm langweilig vor. Ein Buch vielleicht? Aber David arbeitete in einem Buchladen, da konnte er sich mit Sicherheit bedienen, wie er wollte.
Nachdenklich lief er an ein paar Schaufenstern vorbei, ließ seinen Blick darüber schweifen. Und plötzlich sah er es! Das perfekte Geschenk!

David verabschiedete sich mit einem Lächeln von seiner Vorgesetzten.
„Dann wünsche ich dir schöne Feiertage.“
„Ich dir auch, David“, erwiderte diese und zwinkerte ihm zu. „Wir sehen uns im neuen Jahr.“
„Ja! Bis dann, Scarlett.“
Der Dunkelhaarige trat auf die Straße und schob die Hände in die Hosentaschen. So, jetzt ging es nach Hause. Dort musste er unbedingt die Geschenke fertigstellen.
Ja, David hatte nicht gewusst, was er allen schenken sollte, darum hatte er entschieden, für jeden ein Bild zu zeichnen, das seine Gefühle der jeweiligen Person wiederspiegelte. Aber das war schwieriger als erwartet gewesen, zumal Finn dann auch noch hier aufgetaucht war.
An dessen Bild saß er noch, die anderen waren fertig, mussten nur noch koloriert werden. Wie sollte er seine Gefühle gegenüber Finn in ein Bild packen? Es war kompliziert! Er liebte den Blonden. Das tat er, von ganzem Herzen. Es war eine Liebe, die nie vergehen würde. Eine unendliche Liebe. Und er hasste sich dafür, dass er Finn nicht zugehört hatte und einfach geflüchtet war.
Aber er hatte auch Angst davor, sich wieder auf ihn einzulassen. Denn er hatte herausgefunden, warum es so ein Schock gewesen war, dass Finn einen anderen hatte, aber wiederum auch nicht. Er hatte ihm nie vertraut.
Finns Ruf war von Beginn an nicht so gut gewesen. Von vielen hatte er gehört, dass der Blonde mit jedem schlief, der ihm in die Quere kam – und er hatte es geglaubt.
Das tat ihm ja selbst leid! Aber er war doch schon immer unsicher gewesen… wegen allem. Finn hatte ihn verändert, indem er ihm gezeigt hatte, dass er etwas wert war. Er hatte ihm deutlich gemacht, dass er sich nicht zu verstecken brauchte. Darum konnte David jetzt auch auf andere Menschen zugehen. Darum hatte er Freunde hier, in Clearwater.

Kurz darauf kam er daheim an. Nachdem er seine Eltern – ja, die Freundin seines Vaters war wie eine Mutter für ihn, sie hatte nämlich kein Problem mit seiner Sexualität, im Gegensatz zu seiner leiblichen – begrüßt und festgestellt hatte, dass Finn nicht da war, ging er auf sein Zimmer und zog die unterste Schublade seines Schreibtisches auf, in der sich die Bilder befanden. Er breitete sie auf seinem Tisch aus und verschloss noch flott seine Tür.
Dann setzte er sich und sah sich die Zeichnungen an. Mit einem Seufzer begann er mit dem Einfärben der beiden, die für seinen Vater und Amy bestimmt waren. An Finns wagte er sich nicht heran. Dort waren bisher nur leichte Skizzen zu sehen, entschieden hatte er sich noch für keine davon. Aber hey! Er hatte ja noch Zeit bis morgen früh!
David schmunzelte. Sein Vater hatte ihm erzählt, dass in den USA Weihnachten erst am ersten Feiertag begann. Morgens würde es die Geschenke geben. Der Heiligabend wurde eigentlich immer ziemlich ruhig angegangen und das hatten sie auch geplant. Sie wollten sich nachher Pizza bestellen und From Dusk till Dawn schauen. Erklärter Lieblingsfilm seines Vaters. Und leider war der heute dran mit aussuchen.
Das machten die drei nämlich oft. Einfach Filme anschauen. Jeder durfte mal einen aussuchen. Nur, dass Finn heute auch mit von Partie war. Wie das wohl werden würde?
David sah aus dem Fenster und musste schmunzeln, als er das Haus seiner Nachbarn erblickte. Hell leuchtete es, war so sehr geschmückt, dass man nicht einmal mehr die Farbe der Außenwand erkannte. Darauf hatten sie verzichtet, es hatte ihnen sinnlos erschienen, so viel Geld auszugeben!

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Hastig versteckte er wieder alles.
„Ja?“
Ein blonder Wuschelkopf tauchte im Zimmer auf. Finn grinste breit.
„Alles klar bei dir? Wie war die Arbeit?“
„Komm rein!“ David lehnte sich zurück. „War ziemlich stressig. Irgendwie wollten heute noch unglaublich viele Menschen Geschenke kaufen.“
„Du Armer! Aber ich war heute selbst noch unterwegs, um welche zu besorgen.“
„Hast du noch nichts an deine Mutter geschickt?“
„Doch, direkt nachdem ich angekommen bin, damit es sich auch passend bei ihr einfindet. Neeein, für dich, Amy und Paul!“
„Aber du musst uns doch nichts schenken.“
„Ihr lasst mich umsonst hier wohnen und essen und alles. Ich darf Weihnachten mit dir feiern!“
„Trotzdem!“
„David, ich hab euch gerne was besorgt, okay?“
„Okay“, lenkte er ein und warf sich auf sein Bett. „Wollen wir ein bisschen zocken?“
„Ja! Mal schauen, ob du in letzter Zeit besser geworden bist.“
David lachte.
„Davon träumst du!“Auch Finn lachte, warf sich neben ihn aufs Bett und schnappte sich einen Controller.

Die nächsten zwei Stunden spielten sie, doch dann jagte David Finn hinaus.
„Hopp, ich muss noch die Geschenke fertig machen.“
„Okay, viel Spaß, Süßer!“, lachte der Blonde und verschwand.
Grinsend warf David ihm ein Kissen nach und seufzte dann.
Es fühlte sich so gut an. So leicht! Während sie gezockt hatten, waren sie sich näher gekommen. Zwischen ihnen war nichts geschehen – aber allein die Nähe! David wollte, dass Finn ihn berührte… Er freute sich schon auf den Kuss an Silvester. Auch wenn es nur der eine war. Aber immerhin! Doch sollte er es nicht sein, der sich nicht darauf freuen sollte? Denn es war doch Finn gewesen, der ihn betrogen hatte… oder eben auch nicht.
David schenkte Finns Worten mehr Glauben als denen seiner Mutter. Er wettet mit sich selbst, dass sie, nachdem sie herausgefunden hatte, dass der Blonde schwul war, froh gewesen war, dass sich David nicht mehr mit ihm abgab.
Wieder setzte er sich an sein Bild und diesmal lief es wie von alleine…

„Der Film ist so geil!“, freute Finn sich, als Paul ihm die DVD in die Hand drückte. „Und George Clooney ist verdammt heiß!“
„Nun, er ist ein guter Schauspieler“, erwiderte der Mann und lachte. „Aber ob ich ihn heiß finden soll…“
„Ich find es echt klasse, wie du damit umgehst“, sagte Finn, jetzt vollkommen ernst. „David hat es verdient, so angenommen zu werden, wie er ist.“
„Seine Mutter ist eine intolerante Dummnudel. Es war ein heftiger Streitpunkt bei uns. Ich wette, sie gibt mir die Schuld an Davids Orientierung, mein Bruder ist nämlich bisexuell und hat einmal den Fehler gemacht, einen Mann mit zu meinem Geburtstag zu bringen. Sie hat mich wählen lassen – sie oder er. Ich habe ihn gewählt, sie ging mir sowieso schon die ganze Zeit auf den Geist. Und jetzt habe ich meine Amy und bin irre glücklich mit ihr.“
„Wie ich auch mit dir glücklich bin“, sagte die wunderschöne Dunkelhaarige und umarmte ihren Mann. „Ich habe sie kurz kennengelernt und sie war mir von Beginn an unsympathisch. Nicht nur, weil sie vorher mit Paul verheiratet war, sondern einfach von ihrer Art her.“
„Ich mochte sie auch nie“, gab Finn zu, „Habe aber auch nicht viel mit ihr gesprochen. Ich glaube es hat ihr gestunken, dass ihr komischer Freund meiner Mutter immer auf den Po geglotzt hat.“
„Ich habe mit David noch nicht über meine Ex-Frau gesprochen“, sagte Paul und runzelte die Stirn. „Er blockt mich immer ab. Wir sollten vielleicht das Thema wechseln, ehe er runterkommt, es mitkriegt und dann den ganzen Abend nicht mehr spricht.“
„Also, George ist wirklich Bombe! Und ich finde in dem Film hat er so geile Sprüche drauf. Ich meine, klar, die hat ihm irgendein Drehbuchautor in den Mund gelegt, aber wie er sie rüberbringt!“
„Findest du ihn heißer als mich?“, ertönte da Davids Stimme.
Grinsend stellte der Kleine eine Schüssel mit Popcorn auf den Tisch und zwinkerte Finn zu.
„Nein, nie! Das geht doch gar nicht!“
„Ja, ja, das sagt man so…“
„Ernsthaft, Süßer. An dich kommt niemand ran.
“„Gucken wir jetzt George zu wie er Vampire abknallt oder wollen wir weiterhin dummes Zeug reden?“, fragte der Dunkelhaarige und zwinkerte.
„Definitiv George zuschauen.“
Alle nahmen Platz auf dem großen Sofa und verbrachten einen entspannten Abend, mit vielen dummen Sprüchen, viel Rumgealbere und einer Menge Gelächter.

18.

Der nächste Tag begann nach Finns Geschmack viel zu früh. Das einzige, was den Morgen angenehm machte, war die Art und Weise, wie er geweckt wurde. David warf sich nämlich auf ihn und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange.
„Aufstehen, Schlafmütze! Es ist schon halb neun!“
Doch der Blonde brummte nur und schlang seine Arme um den Kleinen. Dieser kicherte.
„Na komm, oder willst du kein Geschenk? Ich hab mir doch so viel Mühe gegeben!“
„Geschenk?“, brummte er und öffnete die Augenlider halb, um David anzuschauen.
„Ja, natürlich! Es ist doch Weihnachten!“
„Aber ich habe nicht damit gerechnet…“
David schnaubte.
„Warum? Ist doch selbstverständlich! Jetzt komm endliiich!“
„Dafür musst du von mir runter gehen.“
„Das geht erst, wenn du mich loslässt.“
„Niemals!“
Erneut kicherte David und drückte noch einen Kuss auf Finns Gesicht.
„Komm.“
„Hm… musst mich schon besser überzeugen…“

Prompt wurde David rot. Innerlich verfluchte er sich. Gegenüber anderer war er kein bisschen zurückhaltend mehr, aber bei Finn schon und das ärgerte ihn. Trotzdem drückte er seine Lippen auf Finns Mundwinkel – zumindest war das der Plan. Der Blonde drehte nämlich genau in diesem Augenblick seinen Kopf, sodass ihre Münder aufeinander landeten.
David war sich sicher, dass das pure Absicht gewesen war, stöhnte aber trotzdem leise auf und schmiegte sich an seinen Ex.
Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er Finn wirklich vermisst hatte, wie sehr er seine Küsse vermisst hatte, ja, sogar seinen Duft! In diesem Moment fühlte er sich geborgen, weil er bei Finn war. Seinem Finn…
Die Lippen der beiden schmusten übereinander, sie neckten sich leicht mithilfe ihrer Zähne und ihrer Zungen. Langsam aber sich wurde der Kuss intensiver – und in den Hosen der beiden wurde es hart. Schmerzhaft hart.
Das brachte David dazu aufzuspringen und sich nervös über die Haare zu streichen.
„Komm jetzt.“
Grummelnd erhob sich der Blonde und zog sich ein Shirt über.
„Dann los.“
Gemeinsam liefen sie herunter und wurden von Amy und Paul empfangen, die ihnen frohe Weihnachten wünschten. Die Jungs erwiderten den Wunsch und wurden gedrückt. Sich selbst umarmten sie auch, aber nur kurz. Danach frühstückten die vier ausgiebig, unterhielten sich wieder über Gott und die Welt. Paul und Amy stellten Finn viele Fragen über sein Leben und er beantwortete sie alle wahrheitsgemäß. Dann kamen sie auf das Thema, was sie sich für das neue Jahr vornahmen.
„Ich möchte endlich mal abnehmen“, seufzte Amy und streichelte über ihren Bauch.
„Lass das bloß“, protestierte Paul, „Du gefällst mir, wie du bist!“
„Aber ich fühl mich eben nicht wohl! Was willst du denn machen?“
„Mein Buch fertig stellen. Drei Jahre schreiben reichen, oder etwa nicht?“
„Und du, David?“
„Weiß noch nicht so genau. Vielleicht versuche ich auf ein College zu gehen oder so. Damit ich irgendwann mal was anderes machen kann, als Bücher zu verkaufen. Finn?“
„Nun...“ Der Blonde lehnte sich zurück und sah David nachdenklich an. „Zunächst möchte ein gutes Zeugnis in der Berufsschule bekommen. Für die Abschlussprüfung lernen. Aber es gibt noch etwas viel Wichtigeres. Ich möchte eine Person zurückgewinnen. Ich werde alles tun und alles versuchen, damit sie mich wieder so sehr liebt, wie ich sie liebe. Leider lebt sie im Moment in Amerika, aber irgendwie klappt das schon...“
Verlegen sah David auf sein Toast und schwieg den Rest des Frühstücks. Paul und Amy wechselten nur einen Blick, zwinkerten Finn zu und lächelte aufmunternd, was den Blonden ein gutes Gefühl gab – Davids Eltern hatten absolut nichts gegen ihn und würden ihn unterstützen!

Und dann waren die Geschenke dran. Finn war total nervös, als er erst Davids Eltern die Geschenke gab – es waren einfach nur ein Gutschein für ein Nobelrestaurant. Da er die beiden nicht so gut kannte, war ihm nichts Besseres eingefallen. Doch nervös war er wegen dem Geschenk für David.... Dieser sah verlegen drein, als er jedem einen Bilderrahmen reichte.
„Mir ist nichts eingefallen.“
„Das ist wunderschön, David“, sagte Amy gerührt und drückte ihren Stiefsohn an sich.
Auch Paul bestätigte dies, während Finn das Bild einfach nur anstarrte, ehe er den Namen des Dunkelhaarigen hauchte. Dieser wurde rot.
„Gefällt es dir?“
„Es ist... wow... danke. Danke, Dave.“
Er gab dem Kleinen einen keuschen Kuss auf die Wange und sah ihn liebevoll an. Ihm gefiel das Bild, die Zeichnung, wirklich gut. Es spiegelte Liebe wieder. Die Liebe, die David für ihn empfand. Und man... er liebte ihn ebenso!
Jetzt war er noch nervöser.
Vorsichtig holte er ein kleines Schächtelchen aus seiner Hosentasche und hielt es David hin. Seine Hände bebten.
„Das ist mehr als ein Geschenk. Es soll ein Versprechen sein...“
„Ein Versprechen?“, erwiderte David heiser und starrte die Schachtel an.
„Ja. Ich will dir damit versprechen, dass ich dich für immer lieben werden.“ Mit einem tiefen Atemzug öffnete er die Schachtel und ein total schlichter, aber wunderschöner Ring kam zum Vorschein. „Irgendwann möchte ich mit dir eine Lebenspartnerschaft eingehen, David. Du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, du stehst mit meiner Mutter auf einer Stufe. Natürlich musst du das nicht annehmen, wir müssen ja eh schauen, wie sich alles mit uns entwickelt und-“
„Danke“, unterbrach der Dunkelhaarige ihn und lächelte sanft. „Ich nehme es an, Finn. Aber wir schauen erst mal, was uns die Zukunft bringt, okay?“
„Ja“, hauchte er und steckte David den Ring an den Ringfinger der linken Hand – dort, wo auch ein Verlobungsring seinen Platz hatte.
Da klatschten Amy und Paul langsam in ihre Hände und diesmal wurden sogar beide Jungs rot.

Der Tag wurde noch richtig schön. Nach dem Mittagessen – es gab Brot mit Belag – gingen die vier ein wenig spazieren, im nahegelegenen Park. Die ganze Zeit über hielt David Finns Hand, was diesem unglaublich gut gefiel. Sein Herz schlug schnell, drohte beinahe aus seiner Brust zu springen.
Wie sehr er ihn liebte.
Auch David gefiel das gut. Ihm wurde wieder bewusst, wie sehr er den blonden Kerl vermisst hatte. Nämlich so sehr, dass er seine Gefühle solange ignoriert hatte, bis er nur noch abgestumpft war. Bis der Schmerz verging.
Doch jetzt kam alles wieder hoch. All die Empfindungen, die er so erfolgreich verdrängt hatte. Verdammt noch mal, er liebte diesen Kerl. Und jetzt waren sie verlobt. Einfach so... Na gut. Nicht wirklich verlobt. Aber ziemlich nahe dran.
Er hatte einfach nicht ablehnen können. Nicht, wie Finn vor ihm gestanden hatte, ihn mit diesem Blick bedacht hatte, der gezeigt hatte, wie sehr er ihn liebte.
David wollte ja auch wieder mit ihm zusammenkommen. Aber wie sollte das klappen? So schnell würde er nicht nach Deutschland zurück gehen! Er liebte es bei seinem Vater und fühlte sich hier mehr zuhause, als bei seiner Mutter. Ganz abgesehen davon, dass die ihn sowieso nicht mehr haben wollte.
So viele Entscheidungen, die zu treffen waren...

Abends kamen ein paar Freunde seiner Eltern und es wurde eine richtig lustige Feier. Viele dieser Freunde hatten einen richtig guten Humor und so war es nicht verwunderlich, dass den beiden Jungs schon bald die Bäuche wehtaten vor Lachen.
David wischte sich grade eine Lachträne weg, als Finn wieder nach seiner Hand griff.
Schon den ganzen Abend lang hatte er dies getan und David hatte es geschehen lassen.
Die beiden saßen die ganze Zeit nebeneinander. Hielten sich an den Händen, konnten sich einfach nicht voneinander lösen. Wie ein unsichtbares Band, das zwischen ihnen geknüpft war und nicht gtrennt werden konnte. Dennoch war es nicht mehr als die Hand des anderen zu halten. Mehr taten sie nicht.
Noch nicht.

19.

Gegen Mitternacht zogen sich Finn und David zurück. Vor Davids Zimmertür blieben sie stehen und der Dunkelhaarige sah seinen vielleicht-bald-wieder Freund schüchtern an.
„Magst du noch mit reinkommen?“
„Gerne“, erwiderte Finn leise und öffnete die Tür.
David zog ihn sanft hinter sich her, da sie sich noch immer an den Händen hielten, und nahm nervös auf seinem Bett Platz. Finn setzte sich zu ihm und legte die Hand an seine Wange.
„Eigentlich wollte ich ja einen Kuss um Mitternacht an Silvester. Aber heute hast du mich schon einmal geküsst... vielleicht magst du ja nochmal?“
„Ja“, hauchte er nur und schloss seine Augen, dann ließ er sich vorsichtig nach hinten sinken.
Finn beugte sich sofort über ihn und küsste ihn zunächst einmal auf die Nase, eine Augenlider, die Wangen, das Kinn, ehe sich ihre Lippen fanden. Wieder mal. Und erneut war es überwältigend. Der Kuss war so sanft, so zärtlich, dass er David Tränen in die Augen trieb. So liebevoll, dass sein Herz für einen Schlag aussetzte, nur um dann viel schneller weiterzuschlagen. So intensiv, dass er eine Gänsehaut bekam. So leidenschaftlich, dass sein Blut sich unumwunden in seiner unteren Region staute.
Finn empfand ebenso. Wieder einmal stellte er fest, wie sehr er seinen Kleinen vermisst hatte, wie sehr ihm seine Nähe gefällt hatte, die Geborgenheit, die er bei David immer empfand – wie sehr er ihn eigentlich liebte.
„Du bist unglaublich“, murmelte er, als sie eine kurze Pause machten, nur um dann erneut seinen Mund zu erobern.
Auch diesen Kuss erwiderte David nur zu gerne. Seine Hände glitten unter Finns Pullover und kraulten seinen Rücken. Das brachte Finn zum Stöhnen. David auf seiner Haut hatte sich schon immer so gut angefühlt! Es dauerte nicht lange, bis Finn sein Oberteil komplett verloren hatte und er sich selbst auch über Davids Kleidung hermachte.
Kurz darauf waren sie beide so, wie Gott sie geschaffen hatte. Weder der eine noch der andere stoppte, niemand gab ihnen Einhalt.
Finn musterte seinen Freund intensiv. Seine Augen strahlten, als er jedes Detail des in seinen Augen perfekten Körpers in sich aufsaugte. Davids Haut war gebräunter, als er sie in Erinnerung hatte. Seine Brust und sein Bauch trainierter. Langsam ließ er seinen Blick hinuntergleiten, nahm Davids Geschlecht wahr, sah, dass es begann, sich ihm entgegen zu richten. Finns Augen ließen David wieder rot werden, doch er genoss es auch. Und selbst tat er ja genau das Gleiche.
„Du bist so schön, Dave“, flüsterte Finn ergriffen und küsste ihn erneut. Dann wanderten seine Lippen langsam an dem schmalen Körper hinab, verweilten an den Nippeln. Sanft umspielte er sie mit seiner Zunge, blies dann leicht darüber und beobachtete fasziniert, wie sie sich aufrichteten. Das gefiel ihm! Genau wie die Gänsehaut, die sich auf dem Körper des Dunkelhaarigen ausbreitete.
Und nicht nur ihm. Auch David war dem sehr zugetan. Ihm wurde in diesem Moment auch etwas klar – er wollte Finn. Mit Haut, Haar, Leib und Seele. Der Blonde wanderte gerade mit Küssen an Davids Bauch herunter, als er von ihm unterbrochen wurde.
„Ich muss dir was sagen.“
Verwirrt richtete Finn sich auf. Das klang nicht gut, absolut nicht gut...
„Was hast du?“
„Ich hab dich angelogen.“
„Womit?“
Ungeduldig knetete Finn seine Hände. David wurde rot.
„Ich hatte noch nie Sex. In keinster Weise.“
Erleichtert stöhnte Finn auf.
„Das war alles? Oh Gott... David...“
Wieder fiel er über ihn her – und es gab kein Halten mehr. Für keinen von ihnen. Ihre steifen Schwänze rieben aneinander, beide stöhnten kehlig. Mit Küssen und Streicheleinheiten brachten sie sich bald gegenseitig zum Höhepunkt.

Schwer atmend sah David an die Decke. Nachdem sie sich gesäubert hatten, hatte Finn sich auf seiner Brust breit gemacht und war kurz vorm Einschlafen, während der Jüngere immer wieder durch sein Haar strich.
„Warum hast du mich angelogen, Liebling?“, flüsterte der Blonde irgendwann.
„Angelogen?“
„Mit dem Sex...“
„Oh. Ich...“ David seufzte und strich sich durchs Haar. „Keine Ahnung. Ich wollte dich eifersüchtig machen. Oder dir beweisen, dass ich dich nicht brauche. Weiß nicht...“
„Es hat auf jeden Fall funktioniert. Ich wollte die Person töten, die es mit dir getrieben hat. Du gehörst zu mir.“
„Du bist ja wirklich eifersüchtig!“
„Tut mir leid“, erwiderte Finn grinsend, „Du bist halt mein.“
Der Dunkelhaarige lächelte glücklich und gab ihm einen sanften Kuss.
„Ich liebe dich immer noch, Finn. So sehr. Ich wünschte, du könntest bleiben.“
„Das wünschte ich auch“, erwiderte er heiser und schloss seine Augen. „Aber...“
„Aber die Ausbildung. Ich verstehe das schon.“
„Es tut mir so leid.“
„Ist doch okay. Es ist wichtig für dich, mein Schatz. Ich möchte aber auch nicht mit zurück... das schaff ich noch nicht, Finn!“
„Hey, mach dir keinen Kopf. Wir schaffen das! Wir schreiben einfach ständig und vielleicht können wir ja auch mal per Cam chatten, am Wochenende oder so, wenn ich nicht unbedingt schlafen muss und du auch nicht.“
„Und wir haben noch Silvester...“
„Genau, Liebling. Das wird bestimmt auch toll.“
„Ja“, hauchte der Dunkelhaarige, „Weil wir beide zusammen sein werden.“
Langsam schloss er seine Augen und schmiegte sich seinerseits an Finn.
„Schlaf schön.“
„Du auch, Liebling“, murmelte der Blonde und knabberte und saugte an Davids Hals, bis dort ein Knutschfleck entstand.
Kurz darauf schliefen beide friedlich ein.

20.

Die nächsten Tage vergingen nach dem Geschmack der beiden Jungs viel zu schnell. Sie erkundeten gemeinsam die Stadt, gingen ins Schwimmbad, ins Kino und einkaufen, schliefen jede Nacht Arm in Arm ein und küssten sich gegenseitig um den Verstand.
Silvester kam zu schnell. Viel zu schnell. Sie schliefen lange und machten sich dann bereit für die Party, auf die David eingeladen war und wohin er Finn mitnehmen würde.
Der Blonde war gespannt, wie diese Leute da so waren und hoffte, dass niemand dabei war, der seinen Süßen für sich haben wollte, denn dann würde er komplett austicken! Niemand, wirklich niemand, war gut genug für ihn! Er selbst nicht ausgeschlossen. Aber David hatte sich ja für ihn entschieden, oder?

„Du siehst toll aus!“, rief Finn begeistert, als er seinen Freund musterte und gab ihm einen Kuss. „Du Schönling, du.“
„Selber!“, erwiderte der Dunkelhaarige mit vor Verlegenheit geröteten Wangen. „Dann mal auf ins Vergnügen.“
„Hoffentlich wird es auch eins!“, grinste Finn, während sie hinunter gingen.
Paul fuhr die beiden zu der Party und gab ihnen noch einige Ermahnungen mit auf den Weg – trinkt nicht so viel, nehmt euch ein Taxi, passt auf eure Getränke auf – ehe er sie aussteigen ließ.
„Bist du bereit?“, fragte David aufgeregt und gab Finn einen Schmatzer auf die Lippen. „Du wirst jetzt all meine Freunde kennenlernen!“

Finn war ja schon nervös. Was, wenn Davids Freunde ihn nicht mochten? Ihn nicht als gut genug befanden? Würde David sich von ihnen beeinflussen lassen? Oder wenn er dann übermorgen heim flog... dann konnten sie die Entfernung nutzen um einen Keil zwischen die beiden zu treiben!
Entschieden nahm er die Hand seines Freundes fester. Nein. Das würde er nicht zulassen. David gehörte ihm. Nur ihm!
Überrascht sah der Dunkelhaarige ihn an, lächelte dann aber und verschränkte seine Finger mit Finns.
„Mach dir keine Sorgen, Schatz. Sie werden dich lieben. Du verstehst dich doch eh immer mit jedem!“
„Wenn du das sagst“, nuschelte Finn.
David klingelte und kurz darauf machte ein Kerl in ihrem Alter auf.
„Dave! Finally!“
Umarmungen und Küsschen wurden ausgetauscht, Finn wurde vorgestellt – und so ging es dann noch mindestens zwanzig weitere Male. Und mit Entsetzen stellte der Blonde fest, dass es eine reine Männer-Party war! Nur Kerle, wohin man schaute!
„Eh, David?“, fragte er darum unsicher, „Sind hier keine Frauen?“
„Oh, hab ich dir das nicht erzählt? Ich bin so einer Gruppe beigetreten, die nur aus... na ja, so Leuten wie uns besteht. Um ein wenig drüber zu reden und so.“
„Also sind wir jetzt auf einer Party, wo dir jeder Kerl in die Hose will?!“
„Nicht ganz jeder“, murmelte David verlegen und wurde ein wenig rot. „Und ich hab allen deutlich gemacht, dass ich dich liebe und immer lieben werde.“

Ein paar Stunden später ließ Finn sich auf ein Sofa sinken und beobachtete seinen Freund dabei, wie er mit immer wieder einem anderen tanzte. Gott, was war er eifersüchtig! Aber wenn er jetzt einen Aufstand machen würde, würde David behaupten, Finn würde ihm nicht vertrauen und dann ging die ganze Katastrophe von vorne los... ach fuck, fuck, doppel-fuck!
Wütend griff er nach einem Bier und leerte es in einem Zug.
Die Uhrzeiger rückten unaufhörlich auf null zu.
Finn kam eine Idee – er würde David um Mitternacht einfach so küssen, dass jeder Zweifel daran, dass sie zusammengehörten, sich in Luft auflösen würde! Genau! Genau das!
Als die anderen begannen runterzuzählen, kam David atemlos und mit roten Wangen zu ihm geeilt und ließ sich auf seinen Schoß sinken. Finn legte eine Hand an die Wange seines Freundes und in dem Moment, wo sämtliche Kerle „Zero! Happy new year!“, riefen, küsste er ihn mit all seiner Liebe und Leidenschaft.
Sogleich erwiderte David den Kuss, schmiegte sich an ihn und fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare.
Ihre Zungen fanden sich, umspielten einander, entfachte in beiden Jungs ein Feuer. Langsam lösten sie ihre Lippen, sahen sich tief in die Augen. Finns Blick fragend, Davids ernst. Der Jüngere hielt einen Moment still, dann nickte er feierlich und der Blonde lächelte. Sie hielten sich an den Händen, als sie hinauf gingen, in eines der Gästezimmer, sagten kein Wort.

Küssend fielen sie aufs Bett. Geistesgegenwärtig hatte Finn noch schnell den Schlüssel im Schloss gedreht. Er wollte nicht, dass sie jetzt jemand störte. Nicht jetzt und nicht die nächsten Stunden.
Vorsichtig drehte er David auf den Rücken, zog ihn langsam aus und genoss dabei den wunderschönen Anblick des Dunkelhaarigen. Seine Wangen waren wieder gerötet, die blauen Augen sahen sehnsüchtig, verlangend und erregt zu ihm hinauf.
Finn streichelte seine Wange und gab ihm einen sanften Kuss.
„Bist du dir sicher?“

 

 

 

So, meine Lieben. Es ist wohl nun so weit: Sie werden das erste Mal miteinander schlafen. 
Ich hab das Kapitel bereits fertig, aber mir wurde von einer sehr guten Freundin gesagt, dass es zu detailliert wäre, um es online zu stellen. Könnt ihr mir bei der Entscheidung vielleicht helfen? Wie detailliert würdet ihr lesen?

21.

„Ja, bin ich“, erwiderte David atemlos und entkleidete seinerseits Finn.
Erstaunt stellte er fest, dass der Blonde bereits beinahe vollständig erregt war. Grinsend nahm er ihn in die Hand und strich sanft über die samtige Haut.
„Willst du mich so sehr?“
Der Blonde stöhnte tief auf.
„Mehr als alles andere auf der Welt.“
„Dann kriegst du mich auch, Schatz.“
Davids Stimme zitterte vor Aufregung und sein Herz schlug schnell, als er seine Lippen um Finns Eichel schloss und leicht daran saugte. Sofort krallte der Ältere seine Hände in die dunklen Haare und stöhnte tief auf.
„Oh Gott! Ja!“
Grinsend leckte David den Schaft entlang und sah Finn erschrocken an, als dieser ihn wegzog.
„Nicht, Süßer. Sonst halt ich nicht lange durch.“
Er drückte den Dunkelhaarigen wieder aufs Bett und knabberte sanft an seinem Hals, während seine Hände tiefer wanderten und jede erogene Zone des kleinen Körpers liebkoste.
„Du bist so schön“, murmelte David, als er den Blonden betrachtete. „Ich liebe dich so sehr.“
„Und ich liebe dich, mein Engel! Außerdem bist du viel schöner.“
Finn bedeckte immer weiter den gesamten Körper des Jüngeren mit sanften Küssen, ließ aber wieder und wieder diese eine Stelle aus, wo David seine Lippen unbedingt spüren wollte. Seine Erregung stieg und stieg, sein Herz klopfte schnell in seinem Brustkorb.
Er war so aufgeregt. Aber er wollte es auch unbedingt! Er wollte mit Finn schlafen – heute und hier. Auch wenn es vielleicht nicht der richtige Ort war, aber der richtige Zeitpunkt war es definitiv. Bevor Finn nach Hause flog, wollte er dem Blonden zeigen, wie sehr er ihn liebte.Und die Schmerzen würde er schon überleben.
Eigentlich witzig, das Ganze. Nie hatte er sich Gedanken darum gemacht, dass seine erstes Mal schmerzen würde, immerhin war er ein Mann. Es tat doch immer nur den Mädchen weh!
Doch er hatte sie immerhin auch nie eingestanden, dass er mehr an dem männlichen Geschlecht interessiert war. 

„Bitte“, hauchte er, als Finn wieder seine Lenden küsste.
Der Ältere lachte leise und legte seine Lippen dann endlich um Davids bereits voll erigierten Penis.  Dieser warf stöhnend seinen Kopf zurück.
„Oh Gott, jaaa!“
Finn kicherte leise und ließ sofort wieder von ihm ab. 
„Ich will ja nicht, dass du kommst, ehe ich in dir bin, Süßer.“
Er beugte sich vor und angelte aus seiner Hosentasche ein Kondom. Danach wühlte er im Nachtschränkchen, in der Hoffnung, dass er dort Gleitgel fand – und zum Glück tat er das!
Finn machte sich davon etwas auf die Finger, was David schwer atmend beobachtete. Jetzt wurde es also ernst… Oh Gott! Aber er würde das schaffen, er würde es tun – für Finn. Für den Mann, mit dem er den Rest seines Lebens verbringen wollte.
„Ich fang jetzt an“, flüsterte Finn und auch seine Stimme klang aufgeregt. „Nicht erschrecken, könnte kalt sein.“
Trotz der Warnung zuckte David zusammen, als Finns kalte, glitschige Finger seinen Eingang berührten und spannte sich unwillkürlich an. Der Blonde streichelte mit seiner freien Hand beruhigend über seinen Bauch.
„Entspann dich, Engel.“
Ein paar Sekunden später konnte David das dann auch.
Finn begann ihn dort zu streicheln, dort, wo noch nie jemand gewesen war und irgendwie war das David auch peinlich… aber er liebte Finn! Und er wollte ihm das geben. Das schenken! 

Als der Blonde vorsichtig mit einem Finger eindrang, verkrampfte David sich total. Es war komisch, es war ungewohnt und es tat verdammt noch mal weh!
„Schatz…“, flüsterte Finn und sah seinen Geliebten an. 
Dieser hatte sogar Tränen in den Augen. Fluchend zog Finn seinen Finger zurück und küsste David liebevoll.
„Wir müssen das nicht tun.“
„Aber ich will dich glücklich machen“, flüsterte der Kleine mit zitternder Stimme. „Du wünschst es dir schon so lange.“
„Doch nicht, wenn du noch nicht bereit bist.“
„Wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen! Ob du mich bis dahin immer noch liebst!“
Finn verstand. Darum ging es seinem Engel. Wusste er denn nicht, dass er ihm alles bedeutete? Immer bedeuten würde?
Er atmete tief durch.
„Gut. Wenn du mit mir schlafen willst, schlafen wir miteinander.“
„Ja?“
„Ja. Aber…“ Der Blonde lächelte. „… andersrum.“
David riss erschrocken die Augen auf. Also, DAS hatte er nicht gewollt! Okay, er stellte es sich spannend vor. Wirklich spannend. Und wenn er sich nicht täuschte, schwoll sein Schwanz gerade noch weiter an.
Nur konnte er das auch? Immerhin hatte er das noch nie getan! Und vor allem das Vorbereiten…
Zu seinem Erstaunen griff Finn selbst hinter sich und schloss genussvoll die Augen. Vorsichtig setzte sich David auf und war einen Blick über Finns Rücken – und sah, dass er diesen Job selbst übernahm! Er stöhnte tief auf. Das machte ihn total an. Gleich würde er einfach so kommen.
„Finn!“, rief er daher und der Blonde lachte nur.
„Warte, einen Moment noch!“

Ungeduldig wartete David noch etwa eine Minute, ehe Finn zufrieden nickte und ihm das Kondom überstreifte.
„So, mein Engel. Dann entjungfere ich dich jetzt“, rief er übermütig und ließ sich vorsichtig auf Davids prallem Glied nieder.
Beide stöhnten im Einklang auf.
Finn hatte vollkommen vergessen, wie gut es sich anfühlte. Normalerweise war er ja immer derjenige, der... nun ja. Doch mit David war es was ganz anderes als mit diesen vielen, unbekannten Gesichtern sonst. Und David? Der war vollkommen überwältigt von dieser engen Hitze, die ihn plötzlich umgab. Angespannt blieb er liegen und atmete schwerer und schwerer.
Aber als Finn ihn weiter in sich aufnahm, da stöhnte er wieder laut auf.
Der Blonde warf seinen Kopf in den Nacken und schloss genüsslich die Augen, verharrte, als David komplett in ihm war.
„Alles okay?“, fragte er heiser und David gab sofort einen zustimmenden Laut von sich.
„Und bei dir?“, flüsterte er dann, schüchtern, wie früher.
„Es ist toll“, lachte Finn leise und begann sich vorsichtig zu bewegen.

Das war zu viel für David. Er kam. Auf der Stelle.
Enttäuscht schloss er die Augen und die Entschuldigung lag ihm bereits auf den Lippen, als Finn kicherte und ihn zärtlich küsste.
„Mach dir keinen Kopf, wir üben einfach.“
„Aber du bist noch gar nicht gekommen.“
Davids Stimme klang unsicher und so sah der Ältere ihm in diese wundervollen Augen.
„Das ist nicht schlimm.“
„Doch! Lass es mich gut machen, ja?“
„Nur zu, ich werde dich nicht hindern.“

David zog sich aus ihm zurück, entfernte das Kondom, verknotete es und warf es neben das Bett. Dann beugte er sich vor und strich mit seinen Lippen über Finns Penis.
Gut, dass er wenigstens das schon ein paar Mal geübt hatte. Sanft knabberte er an ihm, leckte den Schaft entlang und nahm ihn anschließend in den Mund. Versuchte ihn so tief wie möglich aufzunehmen und umschloss das, was er nicht schaffte, mit seinen Fingern.
Wieder warf Finn den Kopf in den Nacken.
„Oh, Baby!“
Sanft griff er in Davids Haare und dirigierte ihn leicht.
Während der Dunkelhaarige saugte, setzte er auch immer seine Zunge ein und war fürchterlich überrascht, dass Finn schon nach kurzer Zeit verkrampfte und ihm ein Augenzwinkern später seinen Saft in den Rachen pumpte.
Lächelnd schleckte David alles von ihm ab, bevor er abließ und dem Blonden glücklich in die Augen sah.
„Danke“, flüsterte dieser und schloss seine Arme um den Kleinen.
Sie fielen gemeinsam ins Bett, küssten sich träge und genossen die Nähe des jeweils anderen, bis sie in einen seligen, befriedigten Schlaf fielen.

22.

„Bitte bleib!“, schluchzte David und umklammerte Finns Brustkorb.
„Es geht nicht, mein Engel“, flüsterte der Angesprochene und gab seinem Anhängsel einen Kuss auf die Stirn. „Aber ich versuche so schnell wie möglich noch einmal herzukommen. Oder du kommst zu mir! Deine Mutter musst du ja nicht sehen.“
Er wurde von einer Lautsprecherdurchsage unterbrochen, die Finns Flug aufrief. Dies löste eine weitere Tränensalve bei David aus.
Seit letzter Nacht fühlte er sich noch viel verbundener mit dem blonden Schönling. Der Sex hatte ihm gezeigt, dass Finns Herz nur für ihn schlug, dass er nur ihn liebte. Und er wollte verdammt noch mal nicht, dass er ging!
„Ich liebe dich, David“, nuschelte Finn. „Bis bald.“
Er küsste ihn noch ein letztes Mal und verschwand dann in den Bereich, in den David ihn nicht folgen konnte.

Zum Glück waren Amy und sein Vater da. Sonst wäre er zusammengebrochen.
Die Tränen liefen unaufhörlich über sein Gesicht und sein Herz verkrampfte sich wieder und wieder. Er bekam keine Luft mehr, japste und wimmerte.
„Warum muss er gehen?“, war der einzige Satz, den er herausbekam.
„Er hat doch ein Leben in Deutschland“, flüsterte Amy. „Und du weißt, dass auch du jederzeit zurückkannst.“
Dass dies Paul und ihr das Herz brechen würde, erwähnte sie wohlweißlich nicht.
„Darf ich ihn bald besuchen?“
„Aber natürlich“, mischte sich sein Vater ein. „Das wäre doch ein schönes vorzeitiges Geburtstagsgeschenk!“
Das Versprechen lockte David ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
„Danke.“

Finn legte den Kopf an die Scheibe und sah sehnsüchtig zu dem großen Gebäude hinüber, in dessen Tiefen sich David befand.
In ihm schmerzte alles. Er konnte nicht glauben, dass er ihn alleine ließ! Aber es musste ja sein… nach der Ausbildung würde er einfach alles dafür tun, um mit David den Rest seines Lebens zusammen zu verbringen. Auf jeden Fall, hundertprozentig, komme, was wolle! Echt, ohne David wollte er nicht mehr sein… nie wieder. Und seine Hoffnungen waren groß, dass er es auch schaffte. Sein Chef hatte ihm zu Ausbildungsbeginn direkt eine Übernahme in Aussicht gestellt und die Firma hatte Sitze im Ausland. Hey, vielleicht konnte er ja ein Auslandsjahr machen!
Es musste eine Lösung geben. Die nächsten Jahre ohne David? Unvorstellbar!
Der Flug verging rasend schnell, obwohl Finn erwartet hatte, dass er sich hinziehen würde, je mehr er sich von David entfernte.
Als er in Frankfurt landete, erledigte er alles so schnell es nur ging, um dann heulend in den Armen seiner Mutter zusammenzubrechen.

Die Tage flossen an David vorbei. Jeden Tag schrieb er ein paar Mails mit Finn und weinte eine Menge. Paul und Amy gaben ihr Bestes, um ihn aufzumuntern und schafften es nach etwa einer Woche, dass der Dunkelhaarige wieder lachte und ein bisschen Freunde in seinen Augen zu sehen war.
Finn ging es nicht besser. Alina verzweifelte geradezu an ihm und auch seine Mutter konnte nichts für ihn tun. Sowieso war diese nicht oft zuhause und der Blonde wusste nicht, wo sie war. Doch er fragte sie auch nicht, zu sehr war er in seinem Schmerz gefangen.
Nachts blieb Finn sehr lange wach, um mit seinem Freund zu chatten. Obwohl sie bloß durch die Internetleitung verbunden waren, fühlte er sich ihm so viel näher, als wie wenn sie gar keinen Kontakt hätten. Sein Geld legte er eisern zur Seite, gönnte sich gar nichts mehr. Seinen Sommerurlaub wollte er  nämlich wieder bei David verbringen, ihn in seinen Armen halten und seine sanften Lippen küssen.

Monat um Monat vergingen und die Fernbeziehung zerrte an den Nerven beider Jungs. Sie aßen kaum noch und zogen sich von ihren Freunden zurück.
Paul reichte es irgendwann. Er schnappte sich seinen Sohn, packte ihn ins Auto und fuhr los.
„Wo fahren wir hin, Dad?“
„Angeln“, erwiderte er knapp und warf seinem Sohn einen kurzen Blick zu. „Du musst mal raus.“
„Aber heute Abend sind wir wieder da?“
„Oh nein, Dave. Wir bleiben das ganze Wochenende dort.“
Der Dunkelhaarige riss die Augen auf und wurde bleich.
„Und was ist dann mit Finn?!“
„Der kommt auch mal ohne dich aus. Er könnte ja auch mal wieder was mit seinen anderen Freunden machen.“
David seufzte schwer und nahm sein Handy heraus, über welches er Finn eine kurze Mail schrieb, in der er seine Situation erläuterte. Bis der Akku endgültig den Geist aufgab, drei Stunden später, kam keine Antwort.

David tat das Wochenende gut. Damit hatte er absolut nicht gerechnet! Er und sein Vater verstanden sich super und hatten eine Menge Spaß, trotz dass sie das Angeln nach wenigen Stunden aufgaben, da sie sich beide zu Tode langweilten. Aber zum Glück gab es in dem kleinen Ort, in dem sie waren, ein Kino, eine Videothek und einen Supermarkt, sodass sie das restliche Wochenende mit dem Konsumieren von fettigem Essen und einer Menge schlechter Filme umbekamen.
Nach Hause wollten sie nämlich nicht. Paul informierte David kurz nach ihrer Ankunft darüber – und das Entsetzen in seiner Stimme war beinahe greifbar – dass Amy ihre Freundinnen über das Wochenende eingeladen hatte und er das grelle Lachen, Zickereien und das Geläster über ihn nicht aushalten würde. David stimmte ihm sofort zu und war froh, sich nicht gegen seinen Vater gewehrt zu haben. Auch wenn es ihn nervte, dass er sein Handy nicht aufladen konnte!

Als sie Sonntagabend wieder in der Heimat waren, steckte David sein Handy sofort an das Ladekabel. Während er darauf wartete, dass es hochfuhr, schaltete er auch seinen PC an. Innerhalb weniger Minuten konnte er seine Mails checken und war total irritiert, als er feststellte, dass er noch keine Antwort von Finn erhalten hatte!Aber vielleicht war der Blonde ja unterwegs und hatte ein bisschen zu viel getrunken oder so.
Eilig schrieb er ihm, dass er wieder zuhause sei und ihn vermisse.

Am Mittwoch war noch immer keine Antwort angekommen. Nachdem er sich die schlimmsten Horrorszenarien ausgemalt hatte, wie einen verbluteten Finn bei einem Unfall, einen ermordeten Finn oder einem entführten Finn, fiel ihm plötzlich noch etwas viel, viel Schlimmeres ein:
Ein Finn, der ihn betrog. Ein Finn, der ihn nicht mehr wollte.
Auf der Stelle brach er in Tränen aus. Er stand gerade mitten im Buchladen, als ihm dieser Gedanke kam, doch zurückhalten konnte er sich einfach nicht. All dieses Zeug nahm ihn viel zu sehr mit.
Zum Glück hatte er seine Chefin Scarlett, die ihn sofort in den Arm nahm. Ohne etwas zu fragen, strich sie ihm sanft durchs Haar, drückte ihn an ihre Brust und murmelte in einem monotonen Tonfall beruhigende Worte.
Es dauerte mindestens eine halbe Stunde, bis der Dunkelhaarige sich so weit beruhigt hatte, dass er sprechen und Scarlett alles erzählen konnte.
Aufmerksam hörte sie ihm zu, unterbrach ihn kein einziges Mal und runzelte, nachdem David geendet hatte, nachdenklich die Stirn.
„Für mich hört sich das überhaupt nicht so an, als wolle er dich nicht mehr. Denn dann wäre es kein so abrupter Kontaktabbruch gewesen. David, da ist was im Busch. Ruf doch mal jemanden von seinen Freunden an, vielleicht können sie dir was sagen!“ Scarlett zog ihn an der Hand in ihr Büro und drückte ihm ihr Telefon in die Hand. „Na los, Kleiner. Ich mach vorne für dich weiter.“
Sie lächelte ihn an und verschwand.

David zögerte einige Minuten, atmete bewusst ein und aus. Dann endlich nahm er sein Handy zur Hand und wählte Alinas Nummer.
Es tutete einige Male, ehe abgenommen wurde.
„Alina hier?“
„Hier ist David“, sagte er mit brüchiger Stimme. „Ka-“
„Oh Gott, David! Es ist etwas Schreckliches passiert!“
Finns beste Freundin schluchzte laut und in David zog sich alles zusammen. Finn...

23.

„Was ist los, Alina?“, fragte David.
Seine Stimme klang beherrscht, obwohl ihm eher danach war, schreiend zusammenzubrechen.
Es war, als spannten sich schwere Eisenketten um seine Brust, zogen sich eng zusammen. Er musste nach Luft ringen, wollte sich vor Alina keine Blöße geben.
„Was ist mit Finn!“
„Gabrielle!“, schluchzte das Mädchen, „Sie ist vor ein paar Wochen einfach umgekippt und… oh Gott! David! Sie ist tot!“
„W-Was?“, hauchte der Dunkelhaarige.
Seine Beine gaben nach, er sank in Scarletts weichen Sessel. Alina weinte nur noch schlimmer.
„Du musst herkommen, David! Finn redet kaum noch, er liegt nur noch im Bett und säuft! Ich krieg ihn nicht raus… er war nicht einmal bei der Beerdigung!“
„Alina… ich…“ David schloss die Augen. „So schnell ich kann.“

Eine halbe Stunde später hatte er sowohl seiner Chefin als auch seinen Eltern die Situation erläutert und packte seinen Koffer, während Paul einen Last-Minute-Flug buchte.
Mitten in der Nacht führen sie los. Es dauerte Stunden, bis David endlich im Flugzeug saß und dieses abhob. Auch der Flug zog sich endlos hin.
Die ganze Zeit über manifestierten sich in Davids Kopf Bilder von Finn, wie er vor sich hin vegetierte, und er hatte Angst vor dem, was ihn erwarten würde.


Nach der Landung setzte David sich in einen Zug, der ihn in Finns Heimatdorf bringen würde. Diese Fahrt dauerte bloß zweieinhalb Stunden, aber dem Dunkelhaarigen kamen sie wie ein ganzer Tag vor.
Als er endlich ankam, war es stockduster. Auch aus dem Haus, in dem Finn lebte, drang kein Licht auf die Straße. Dennoch klingelte er, in der Hoffnung, dass vielleicht Alina da war oder auch jemand anders, doch nichts rührte sich.
Nachdem er sich mit dem Handrücken über die Augen gefahren war, schrieb er Alina eine kurze Nachricht bei Whatsapp. Sofort antwortete sie, dass er sich nicht von der Stelle rühren solle, sie sei sofort da.Tatsächlich sah er sieben Minuten später Scheinwerfer, die auf ihn zukamen. Das Auto hielt vor ihm und das Fenster wurde heruntergekurbelt.
„Steig ein. Er ist bei mir.“
Dies tat David und sogleich hing ihm die junge Frau am Hals.
„Oh Gott! David!“
Er musste ein paar Küsse und Tränen über sich ergehen lassen, bevor Alina wieder losfuhr. Schweigend brachten sie die kurze Strecke hinter sich, ehe sie anhielten und Alina die Stille durchbrach.
„Erschreck dich nicht. Er ist total...“
„Schon okay“, unterbrach David sie, „Ich gehe einfach zu ihm und wir sehen, was geschieht.“
„Danke.“
Es war nur ein schlichtes Wort. So oft am Tag hörte oder verwendete man es, doch selten sah man in den Augen seines Gegenübers diese tiefe, unendliche Verbundenheit, die David jetzt in Alinas erkennen konnte.

Mit einem schwachen Lächeln stieg David aus und gemeinsam gingen sie hinein, direkt die Treppe hoch. Vor der Tür des Gästezimmers blieben sie stehen. Alina drückte kurz seine Hand und verschwand dann unauffällig. David atmete tief ein und aus, ehe er leise klopfte.
Erst drang kein Geräusch nach außen, also klopfte er erneut, diesmal etwas lauter, und drückte die Türklinge hinunter. Aber es war verschlossen.
„Verschwinde, Alina“, ertönte da Finns Stimme.
Sie klang undeutlich und so, als hätte er gerade geweint.
„Ich bin nicht Alina. Mach auf, Liebling.“
Wieder kam eine Weile keine Reaktion. Diese Sekunden kamen David wie Stunden vor, sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb. Ein Schnauben erklang.
„Hau ab. Ich will dich nicht sehen!“
Diese Worte verletzten David, doch er riss sich zusammen und blieb ruhig.
„Bitte, Finn.“
„Du sollst mich nicht so sehen!“, rief der Blonde verzweifelt.
Jetzt konnte David nichts anderes tun, als sanft zu lächeln.
„Schatz, wenn wir den Rest unseres Lebens miteinander verbringen, werde ich dich vermutlich noch öfter zu sehen. Nicht allzu oft, hoffe ich, aber es lässt sich nicht vermeiden. Oder willst du dich jedes Mal vor mir zurückziehen?“
Erneutes Schweigen, dann hörte der Dunkelhaarige, wie der Schlüssel langsam umgedreht wurde. Geduldig wartete er, aber Finn öffnete nicht. Also tat er dies selbst und musste erst einmal blinzeln.
Keine einzige Lichtquelle gab es in dem Raum und durch den Schein, der vom Flur hereinfiel, konnte er gerade so Finns Silhouette erkennen.
Langsam ging er zu ihm und legte sich einfach neben ihn, zog ihn in seine Arme. Sofort umfing ihn Finns unverwechselbarer Duft und er schloss seine Augen, öffnete sie aber sofort wieder, als ein Laut von tiefer und verzweifelter Trauer Finns Kehle verließ.
Dieser sorgte dafür, dass Davids Augen sich auch mit Tränen füllten.
Der Blonde presste sich an den schmalen Körper neben sich und sein Körper schüttelte sich vor lautlosen Schluchzern.
„Pscht“, flüsterte David mit belegter Stimme. „Mach dir keine Sorgen, Baby. Ich bin hier.“
„David!“, rief Finn und begann dann, richtig zu weinen.

Die ganze Nacht lagen sie dort, Arm in Arm. Viele Tränen wurden vergossen - auf beiden Seiten - und irgendwann konnte Finn sprechen.
„Sie hatte Krebs. Einen Hirntumor... sie hat es mir nicht erzählt, David! Einen Abschiedsbrief hat sie mir geschrieben... sie wollte mich damit nicht belasten!“
„Das hat sie doch nur gut gemeint“, flüsterte Dave und küsste ihn auf die Stirn.
„Jetzt hab ich niemanden mehr!“
Die Worte schmerzten den Dunkelhaarigen und er musste zunächst schlucken, schüttelte dann aber den Kopf.
„Du hast mich. Du wirst mich immer haben. Ich bleibe bei dir, ich verlasse dich nie wieder.“
„Versprochen?“, fragte Finn schüchtern.
„Versprochen!“
„Und... heiratest du mich?“
„Nichts lieber“, erwiderte David gerührt und gab ihm einen zärtlichen, liebevollen Kuss. „Nichts lieber. Du bist mein Leben.“
„Und du meines.“

24.

Finn sah melancholisch aus dem Fenster und sah den Schneeflocken bei ihrem wilden Treiben zu. Ein Jahr war vergangen, seitdem seine Mutter gestorben und David wieder hergekommen war.
Es war eine schwierige Zeit gewesen. Nicht nur auf seiner Seite waren viele Tränen geflossen, auch David war oftmals aufgelöst gewesen und kurz davor, wieder zu verschwinden.
Nur ungern erinnerte er sich an eine Szene im Februar zurück...

„Finn, bitte hör auf zu trinken. Du hast heute schon genug...“
„Lass mich“, unterbrach der Blonde ihn harsch, „Ich brauch das jetzt.“
„Ich mache mir doch nur Sorgen um dich!“
„Bist du meine Mutter? Nein! Meine Mutter ist tot!“, brüllte Finn seinen Freund an und nahm jetzt erst recht noch einen Schluck aus der Bierflasche.
„Finn...“, begann der Dunkelhaarige wieder, stoppte aber sofort, als der Blonde sich drohend vor ihm aufbaute.
„Du sollst mich unterstützen und nicht einen auf Mama machen!“
„Verstehe“, flüsterte David, stand auf und wich seinem Blick aus. „Dann mach weiter.“
Und das tat Finn auch, bis er einfach einschlief.

Als er am nächsten Morgen erwachte, war David verschwunden. Panisch rief er bei Alina an, doch dort war er nicht und andere Freunde hatte David nicht mehr in Deutschland! Also rannte er hinaus, durchsuchte den ganzen Ort, aber nirgends war auch nur die geringste Spur.
Auch die nächsten Tage erhielt er kein Lebenszeichen. Sein Handy war ausgeschaltet und Finn weinte ununterbrochen.Warum hatte er David jetzt auch noch verloren? Es war nicht fair!
Doch nach einer Woche stand der Dunkelhaarige wieder vor seiner Tür.
„Hast du dich beruhigt?“, waren seine einzigen Worte und sie klangen fürchterlich kühl.
„Ich liebe dich“, brachte Finn nur raus und war wieder den Tränen nahe. „Bitte, verlass mich nicht!“
„Dann hör auf zu trinken“, flüsterte David und warf seine Tasche in den Flur der gemeinsamen Wohnung.
„Versprochen!“

Und an dieses Versprechen hatte er sich auch gehalten. Sogar zur Therapie war er gegangen!
Es waren wirklich schwierige Monate gewesen, doch langsam aber sicher hatte er es geschafft, sowohl über den Verlust seiner Mutter, als auch über die Unmengen an Alkohol, die er konsumierte, hinweg zu kommen.
David hatte ihn dabei wieder tatkräftig unterstützt, auch wenn es oftmals zum Streit kam. Aber das war nicht schlimm, denn in jeder Beziehung war dies normal. Es artete auch nicht mehr aus.

Finn wandte sich zum Herd um, damit er die Putenfilets wenden konnte und lächelte sanft. Sein Freund – Verlobter – war noch an der Arbeit. Er wollte ihn mit einem schönen Abend überraschen, darum kochte er etwas Leckeres. Im Wohnzimmer war der Tisch zu einem Candle-Light-Dinner gedeckt, nur die Kerzen musste er noch anstecken, und überall lagen Rosenblätter verteilt.
Hoffentlich gefiel David das!
Wieder dachte Finn zurück, an einen ähnlichen Abend, der erst im September stattgefunden hatte...

„Okay, Finn, du kannst reinkommen!“
Neugierig betrat Finn das Schlafzimmer und staunte nicht schlecht, als er auf dem Bett einen sich im Kerzenlicht räkelnden David sah, der ihn lüstern anschaute.
„Komm zu mir, Baby.“
Das ließ Finn sich natürlich nicht zweimal sagen! Schon auf dem Weg zu David verlor er seine Kleidung und sein Schwanz richtete sich erwartungsvoll auf.
Langsam ließ er sich neben David gleiten und sah ihn bewundernd an.
„Du bist so schön, mein Engel.“
Wie immer, wenn er ein Kompliment bekam, errötete der Dunkelhaarige.
„Das sagst du nur so.“
„Nein, Schatz, das ist mein Ernst.“
Vorsichtig legte er seine Lippen auf die des anderen, schmuste sanft mit ihnen. Doch anscheinend hatte sein Gegenüber anderes im Sinn, denn schnell schon vertiefte er den Kuss, drang mit seiner Zunge in Finns Mundhöhle ein. Beide stöhnten im Einklang auf, als der Blonde es sich auf dem schmalen Körper des Anderen gemütlich machte und ihre Erregungen sich berührten.
Plötzlich aber kam Bewegung in David und er drehte Finn mit einem Ruck herum, um sich dann langsam an dessen Körper herunter zu küssen.
Als er Finns Glied mit seinen Lippen umschloss, entkam dem Blonden ein kehliger Laut, den er nicht beschreiben konnte.
„Nicht! Dave...“, stöhnte er.
Der Dunkelhaarige gab lediglich ein Lachen von sich, intensivierte das bis dato leichten Saugen ein wenig und ließ seinen Finger zu Finns Anus gleiten, um ein wenig Druck darauf auszuüben.
Finn war verloren und war bereits kurz vorm Höhepunkt – als David plötzlich stoppte und sich aufrichtete. Eilig holte er ein Kondom und etwas Gleitgel unter der Bettdecke hervor und sah Finn mit dunkelroten Wangen an.
„Ich will, dass du mich nimmst.“Der Blonde stockte und schluckte schwer.
„Bist du sicher?“
Es war das erste Mal, dass David etwas in diese Richtung sagte. Bisher war er immer der passive Part gewesen. Mit David hatte ihm das auch richtig gut gefallen, weil er wusste, dass er dem Dunkelhaarigen vertrauen konnte.
Aber als David jetzt nickte...Nervös lächelnd nahm Finn alles an und tat etwas Gel auf seine Finger.
„Entspann dich, Schatz, ja?“„Mach ich“, murmelte der Jüngere entschlossen und drehte sich auf den Bauch.
„Nein“, entschied Finn, „Ich möchte dich ansehen.“
Er drehte seinen Freund wieder auf den Rücken und legte dessen Beine auf seine Schultern. David sah ihn mit großen Augen an, schloss diese aber sofort, als Finn vorsichtig begann, das Gel auf ihm zu verteilen.

Es war gar nicht so schlimm, wie David erwartet hatte, als Finn mit dem ersten Finger bei ihm eindrang. Es tat nicht weh, denn er war wirklich entspannt. Eigentlich fühlte es sich sogar richtig gut an! Selbst ein leises Stöhnen entkam ihm. Vorsichtig nahm Finn einen zweiten Finger dazu, begann David langsam zu dehnen – doch auch das gefiel ihm!
Erst als er Finn gequält ansah und ein „Bitte!“ hauchte, zog der Blonde seine Finger zurück und drang gaaanz vorsichtig in ihn ein.
Nach Davids Geschmack viel zu langsam! Aber er hetzte den Blonden nicht. Er wusste, dass Finn ihm einfach nicht weh tun wollte.
Einige Minuten später war Finn komplett in ihm und David genoss das Gefühl des Ausgefülltseins ungemein. Wieder musste er darum bitten, dass der Ältere sich zu bewegen begann.
Und als er dies tat... David wurde von Kopf bis zu den Zehenspitzen heiß. Plötzlich traf Finn eine Stelle in ihm, die ihn laut aufschreien ließ, was wiederum ein Lachen bei dem Blonden auslöste.
„Ich liebe dich, Dave!“
„Und ich dich erstmal!“, erwiderte David stöhnend.

Finn lachte leise und stellte den Topf vom Herd. Das war eine wundervolle Nacht gewesen! Und heute würde er David auch eine solche bieten. Er hatte extra ein paar Ideen gesammelt...
Kurze Zeit später hörte er einen Schlüssel im Schloss. Eilig zündete er die Kerzen an und lief seinem Schatz dann entgegen.
„Hallo! Wie war dein Tag?“
„Stressig, wie immer“, sagte David und lächelte leicht, „Aber jetzt ist ja endlich erstmal Urlaub.“
Dann schnupperte er.
„Was riecht hier denn so gut?“
„Ich hab für dich gekocht.“
„Oh, du bist ja super!“
David verschloss Finns Lippen mit einem sanften Kuss und kuschelte sich dann in seine Umarmung.
Lächelnd führte der Blonde seinen Verlobten in das Wohnzimmer, welches sofort Daves Augen zum Strahlen brachte.
„Wie schön!“
„Nur für dich, Schatz!“
Schnell trug Finn das Essen auf, setzte sich dann mit David hin. Der Dunkelhaarige griff über den Tisch und nahm Finns Hand in seine.
„Ich liebe dich so sehr. Auch wenn wir schwere Zeiten hatten, weiß ich, dass du die Liebe meines Lebens bist und ich bin so unendlich glücklich, dich gefunden zu haben.“
Tatsächlich stiegen Finn einige Tränen in die Augen.
„Und ich danke dir dafür, dass du das letzte Jahr für mich da warst, obwohl ich dir das Leben zur Hölle gemacht habe. Ohne dich mag ich nie mehr sein.“
David sprang auf, lief um den Tisch und ließ sich auf Finns Schoß fallen.
„Du bist mein Leben, Finn“, hauchte er ergriffen und gab dem Angesprochenen einen langen Kuss, der sowohl eine lange Liebe als auch eine heiße Nacht versprach.

Impressum

Texte: liegt bei mir
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In ewigen Gedanken an dich ♥

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