Cover

„Äh – was wird das?“
„Er hat sich den Kopf gestoßen.“
„Schon klar. Aber das da ist sein Arm.“
„Ich weiß. Es kann aber doch nicht schaden …“
„Wenn du meinst …“

Es

erwachte ohne Kenntnis, wer, wo oder wann es

war. Es

glaubte zu schweben und fühlte doch unter seinen

Händen eine Bettstatt. Oder etwas anderes? Dunkelheit umgab es

, die in strahlenden Farben leuchtete, sein

Geist war leer und voller Gedanken. Erinnerungen? Sein

Gesichtsfeld war eingeschränkt, es

sah und sah doch nicht, seine

Händen wanderten von selber in sein

Gesicht und fanden Bandagen, die über seine

Augen gerutscht waren. Jetzt sah es

endlich. Und erkannte, wer es

war.

„Das Haus ist nie im Leben leer.“
Er schlich näher und warf einen Blick durch das Fenster. „Ich versteh' das nicht. Normalerweise wohnt hier niemand.“
„Kann ich nicht beurteilen. Jetzt jedenfalls scheint da 'ne Party stattzufinden.“ Sie schob die Unterlippe vor.
„Ausgerechnet heute.“ Seine Gedanken rasten. Endlich hatte er sie soweit und dann konnten sie nicht ins Haus.
„Also können wir genauso gut wieder abhauen.“ Sie wandte sich zum Gehen.
„Nein, warte. Ich hab' eine Idee.“ Er grinste. „Hinter dem Haus ist ein Wald. Wenn ich eine Decke aus dem Auto hole, haben wir es da sehr gemütlich. Und sind vollkommen ungestört.“
„Im Wald.“ Sie schluckte.
„Ja klar. Warte.“ Er huschte zum Auto und war nur wenige Sekunden später mit einer Decke zurück. „Es sei denn, du möchtest in meinem Mini …“
„Nein, lass mal. Wald ist gut. Wir müssen ja nicht so weit rein.“
„Hast du Angst?“ Er nahm ihre Hand. „Musst du nicht, du hast doch mich.“
Sie lächelte gequält. „Wenn du das sagst …“
„Du solltest weniger Horror-Geschichten lesen.“ Er lachte leise. „Heute jedenfalls wirst du eine romantische Nacht erleben.“

Es ist also wahr. Ich bin tot.


Er hatte sich aufgerichtet und betrachtete seine Schätze, die ihn umgaben.
Und doch lebe ich. Wiedergeboren als Gott.


Langsam stieg er aus seinem Sarkophag, glitt hinunter auf den Steinboden und fühlte die Kälte durch die Bandagen hindurch in seine Beine kriechen.
So lebendig. Ich habe den Tod besiegt. Ich …


Er stutzte. Wieder ein Loch in seinen Gedanken, seinen Erinnerungen. Wer war er? Er brauchte seinen Namen, sonst wäre sein neues Leben nichts wert.
Während er noch bemüht war, das Dunkel in seinem Hirn zu lichten, fiel sein Blick auf die Kanopen und einen flüchtigen Moment lang erinnerte er sich, was mit seinem Gehirn geschehen sein musste. Noch bevor er diesen Gedanken festhalten konnte, erstrahlte jäh ein gleißendes Licht, viel heller als zuvor und von einem derartigen Glanz, dass er die Augen abwenden musste. Und doch sah er die Gestalt, aus den Augenwinkeln, umgeben von dem Strahlen, ehrfurchtgebietend und vertraut.
Amun-Re

.
Eine Stimme erklang in seinem Kopf und nannte ihn bei seinem Namen.

„Es ist dunkel.“
„Jo.“
„Das Bier ist alle.“
„Jo.“
„Sollen wir nicht langsam reingehen?“
„Jo.“
„Und warum stehst du dann nicht auf?“

Er hatte es geahnt. Nein, gewusst. Zeit zurückzukehren.
Die einzige Tür in der Totenkammer führte in den Vorraum und dort lagen – er stutzte. Wer lag da? Und warum so viele? Und so durcheinander? Unbandagiert?
Es mussten Grabräuber sein. Hinweg gerafft von Amun-Re, da sie sein Allerheiligstes betreten wollten. Es schänden wollten. Opfer des Fluchs. Verdientermaßen.
Beim Näherkommen sah er ihre entstellten Gesichter, gefangen im Todeskampf, da sie ihr Ende nahen sahen. Er lachte. Amun-Re war mit ihm. Und seine eigene Unsterblichkeit machte auch ihn zu einem Gott. Er hatte den Tod überlebt. Im Gegensatz zu diesem Gewürm, dass einen grausamen Tod gestorben war. Was für ein Gefühl.
Er wählte die Tür, die Richtung Sonnenaufgang lag und betrat die dunkle Wüste.
Direkt vor ihm lag eine Oase. Palmen wiegten sich in einem leichten Wind, Wasser leuchtete trotz der Schwärze der Nacht und er hörte die Wüste seinen Namen flüstern und ihm den Weg weisen.

„Hörst du das?“, keuchte sie erschrocken.
„Was?“
„Da ist jemand.“ Sie schob ihn von sich. „Irgendwer kommt gleich.“
„Ja, ich, wenn du mich weitermachen lässt.“
„Aber …“
Er küsste sie, schob die Zunge zwischen ihre Lippen und hoffte, sie so zum Schweigen zu bringen.
„Mmmhmmmmhmmm“, ließ sie sich vernehmen, ehe sie zubiss.
„Auuuuuu, du chpinnssst wohl.“ Seine Zunge schien jäh auf das Doppelte anzuschwellen und er sprang auf. „Dasss tut weh.“
„Sei doch still, dann findet er uns vielleicht nicht.“
„Wer sssoll …“
Unvermittelt brach er aus dem Unterholz, just in dem Moment, da der Mond hinter den Wolken hervor kam.
Blutige Bandagen hüllten die Gestalt ein, er torkelte und hielt einen Ast in den Händen.
'Eine Mumie', dachte er noch, da begann die Frau schon zu kreischen.

Kein Wunder. Kaum hatte er sein Zepter gefunden, kamen sie schon, um es ihm zu entreißen. Und ihr Kriegsgeheul war schrecklich. Doch Amun-Re war bei ihm und so schwang er ehrfurchtgebietend sein Zepter.

Ehe er reagieren konnte, traf ihn der Ast, den die Mumie in Händen hielt, am Kopf. Und als er in der Schwärze versank, seufzte er, da das Schreien endlich verstummte.

„Ich muss pinkeln.“
„Jo.“
„Gehen wir jetzt rein?“
„Jo.“
„Dann steh doch endlich auf.“

Unbeschadet verließ er die Oase und stand vor der großen Ebene. Im Hintergrund erhob sich der Palast.

„Ich glaub, da kommt einer.“ Ächzend erhob er sich. Das viele Bier forderte seinen Tribut, er musste dringend pinkeln. „Steh endlich auf, du faule Sau, lass uns reingehen und noch ein Bier trinken. Aber erst muss ich pissen.“
„Jo.“
„Steh auf!“ Scheiße, er schaffte es nicht mehr bis drinnen, also stellte er sich an die Birke.
Eine Gestalt torkelte durch die Hecke.
„Was ist das denn?“ Er starrte mit offenen Mund auf die Mumie, die direkt auf ihn zusteuerte, einen Ast hob und zuschlug. Er sackte zu Boden noch während er pinkelte.

Und noch ein Hinterhalt, er hätte es wissen müssen. Es war eine Prüfung. Er musste beweisen, dass er wirklich und wahrhaftig gottgleich war nach seiner Wiedergeburt. Wieder schwang er sein Zepter und der Erste brach wie vom Blitz getroffen zusammen.
Der Zweite stellte sich tot, doch ihn legte niemand rein.
Erzittere, Wurm!


„Jo.“ Dann traf auch ihn die Wucht des Zepters. Und endlich war der Weg frei.

Sein Palast hieß ihn willkommen. Von den Bediensteten war nichts zu sehen, doch sie konnten auch nicht ahnen, dass er bereits auferstanden war. Er war ein nachsichtiger Gott. Heute ließe er es ihnen durchgehen, aber morgen, morgen hätten sie ihm den gebührenden Respekt zu erweisen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Denn er war wieder heimgekehrt. Er. Tutanchamun.
Zeit zu schlafen.

„Wie siehst du denn aus?“
Ihr lautes Lachen holte ihn aus seinem Schlaf. „Nicht so laut. Mein Kopf.“ Es konnte nicht sein Kopf sein, eher ein Amboss, auf den jemand unerbittlich einhämmerte. Besser liegen bleiben. Aber für den Anfang könnte er die Augen öffnen. Er blinzelte.
„Das muss ja eine schräge Party gewesen sein. Als du hier weggegangen bist, warst du noch nicht verkleidet.“ Sie grinste.
„Verkleidet?“ Vorsichtig den Kopf anheben und an sich entlang sehen. Verbände. Sein kompletter Körper war bedeckt mit schmutzigen, blutigen Verbänden. „Oh mein Gott!“ Er wollte sich aufsetzen, doch Schwindel erfasste ihn, ließ ihn zurück aufs Kissen sinken, während Übelkeit seine Kehle empor kroch. Er schluckte sie hinunter. „Hatte ich einen Unfall?“, flüsterte er heiser. „Wo bin ich?“
„Du bist in deinem Bett – und nein, du hattest keinen Unfall, du hast dir gestern Abend nur ein wenig den Kopf gestoßen. Jedenfalls meinte es wohl jemand zu gut mit deinem Kopfverband.“
„Wie jetzt?“
„Sarah hat vorhin angerufen, weil ihr heute Morgen aufgefallen ist, dass du nicht mehr da bist. Und sie wollte wissen, ob du heil angekommen bist.“
„Wieso denn auch nicht?“ Bilder in seinem Kopf. Wer war er? Wo war er? Er war doch … der Name entglitt ihm, noch ehe er ihn fassen konnte.
„Psilocybin.“
„Wer?“ Er sah sich vorsichtig um. Er lag in einem Bett. In seinem Bett. Neben ihm der Nachttisch. Er blinzelte.
„Ihr habt Magic Mushrooms

auf der Pizza gehabt. Sarah hat es selber erst heute Morgen von ihrem Freund erfahren. Der fand das wohl lustig, sie weniger. Jetzt ist er ihr Ex-Freund.“
Pilze? War er nicht … sein Blick fiel auf das Buch auf seinem Nachttisch. Das Amarna-Grab

. Na klar, da hatte er gestern noch drin gelesen, bevor er auf die Party gegangen war. Hatte er tatsächlich gedacht, er wäre Tutanchamun? Bei Amun-Re, da war er aber schief gewickelt gewesen …

Impressum

Texte: Cover: http://gratis-foto.eu/
Tag der Veröffentlichung: 10.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Beitrag zur 19. Runde des Wortspiels - Thema: Falsch verbunden Danke, Gabi, für das inspirierende Thema - es hat mir großes Vergnügen bereitet. Danke, Jacob, für "Das Amarna-Grab" - für mich immer noch eins der genialsten Bücher, das ich je las. :)

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