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Es war einmal....


vor vielen, vielen tausend Jahren, da lebte eine junge Frau namens Falohradhá. Die Stadt in der sie lebte war die sagenumwobene Dschungelstadt Uzalador. Da, wo unter dem Sternenhimmel prächtige Gebäude und bunt gekleidete Menschen zu bewundern waren. Und des Tages, da sah man einstweilen einen fliegenden Reitdrachen zum Palast des Radschas aufsteigen. Dann schauten alle Menschen in der Stadt gen Himmel und fragten sich, welch wichtige Persönlichkeit einmal wieder eine Botschaft an den gutmütigen Radscha Sakuratan gesandt hatten. So auch Falohradhá. Sie war eine einfache Arbeiterin in der Schreibstube eines einflussreichen Händlers der Stadt. Ihre Haare waren lang und hell wie die Sonne. Ihr Gesicht war wunderschön und braun wie Bronze und ihre Haut so weich wie Seide. Und jeden Abend, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwand, saß sie auf einer Mauer ihres Hauses und blickte in den Himmel und träumte.

Im prächtigen Palast lebte der Radscha Sakuratan mit seinen vier Frauen. Nur eine hatte ihm bisher einen Sohn geboren, den er Rafatkarandara, das Kind des Mondes nannte. Rafatkarandara saß jede Nacht auf einer Mauer des Palastes und blickte in den Himmel und träumte. So auch diese Nacht. Er war einsam, denn im Palast gab es nur Wachen, viele Diener, seine vier Mütter und seinen Vater, den Radscha. Dieser hatte aber nie Zeit für ihn und so beschloss er, sich aus dem Palast zu schleichen, um Abenteuer zu erleben. Am Tage war ein Drachenreiter angekommen und hatte seinem Vater wichtige Neuigkeit über das Land gebracht. Seit dem hatte der seinen Vater nicht mehr gesehen, da dieser sich in seinem Schreibzimmer eingeschlossen hatte.

Rafatkarandara hatte zu seiner Geburt vom großen Dschinn ein edles Geschenk erhalten: Eine Kette mit einem wunderschönen Anhänger mit einem kleinen Spiegel darin. Dazu weissagte der Dschinn, das diese Kette Rafatkarandara einst den richtigen Weg weisen würde. Er starrte auf die Kette. War das der richtige Weg, fort zugehen und dem Palast und seinem Vater leb wohl zu sagen? Er wartete, aber nichts passierte.
Und so ging er wieder in den Palast, denn Müdigkeit übermannte ihn.

Falohradhá jedoch blieb noch lange sitzen und schaute den Sternen zu, wie sie leuchtend am Himmel standen. Sie hätte ewig so sitzen bleiben können, doch auch sie überkam dann der Schlaf. Am nächsten morgen machte sie sich früh auf, um in die Schreibstube zu gehen. Bullah, der Händler wartete bereits schon auf sie. Er war schon früh am morgen total verschwitzt und fächelte sich mit einem kleinen Fächer aus Gold Luft zu. Sein massiger Leib war in bunte Seide und Damast gewickelt. „Falohradhá, ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Ich selbst werde morgen auf eine lange Reise gehen und gestern hat mich der Radscha um Hilfe gebeten. Er benötigt zwanzig Krüge voll Wein für eine große Feier. Es ist ein besonderer Wein, aus den Landen des Wassers. Er ist süß und bekömmlich, aber äußerst schwer herzustellen und sehr teuer! Da ich bereits auf einer Reise bin, wirst Du an meiner Stelle in die Lande des Wassers reisen und die Krüge mit einer Karawane in den Palast bringen. Der Radscha hat zugesagt zwanzig seiner besten Männer als Geleitschutz mitzugeben.“ Damit gab Bullah ihr einen kleinen Zettel, der sie als Vertreterin auswies und mit welchem sie in den Palast zu kommen schien.

Falohradhá konnte ihr Glück kaum glauben, denn endlich würde sie etwas erleben. Allerdings war die Reise gefährlich und sie wusste nicht, das Bullah sie nur geschickt hatte, weil er zu feige für solch eine schwierige Aufgabe war. Er wollte sein Leben schonen und das Falohradhá´s auf das Spiel setzen. Doch Falohradhá wusste nichts davon und freute sich, mit so einer wichtigen Aufgabe betraut worden zu sein.

Rafatkarandara war schon früh erwacht und hatte zusammen mit seinem Vater, dem Radscha von Uzalador gefrühstückt. Der Radscha hatte ihm eine wichtige Botschaft zu überbringen. „Sohn“, sagte er, „eine große Ehre wird dir zu teil. Der Radscha der Wüstenstadt Saldurad möchte seine Tochter vermählen. Ich habe zugestimmt und eure Hochzeit wird in zwei Monden hier in Uzalador stattfinden.“ Rafatkarandara war entsetzt, denn er wusste nichts über die Tochter des Radschas aus Saldurad. War sie schön? Was sie freundlich? War sie gebildet und konnte sie Geschichten erzählen? „Vater, das ist wirklich eine große Ehre, aber was ist wenn ich sie gar nicht heiraten will?“ Der Radscha wurde zornig. „Wenn ich Dir eine Frau zuteile, dann wirst Du sie auch gefälligst nehmen. Du bist kein Mensch aus der Stadt unten, du bist der einzige Sohn des Radschas von Uzalador! Ich habe bereits alle Hochzeitsvorbereitungen getroffen. Morgen geht eine Karawane in die Lande des Wassers, um Wein für das Fest zu holen. Übermorgen geht eine Karawane in die Lande der Gräser, um Tiere zum schlachten hier her zu holen. Und an den darauf folgenden Tagen ziehen weitere Karawanen aus.“

Rafatkarandara war betrübt, und als sein Vater die Lande des Wassers erwähnte, spürte er das Amulett auf seiner Haut pulsieren. Da wusste er, welchen Weg er gehen musste. Er holte das Amulett heraus, damit es auf dem Stoff seines Gewandes lag. „Vater, wenn es denn schon so sein muss und ich mich meinem Schicksal ergeben muss, dann lass mich die Karawane in die Lande des Wassers begleiten. Lass mich dafür sorgen, das der Wein unversehrt nach Uzalador kommt!“ Das Amulett glitzerte und funkelte, als der Radscha davon kurzzeitig geblendet wurde. Dann schaute er seinen Sohn an: „Gut, wenn das dein Wille ist und du dann die Tochter des Radschas von Saldurad heiratest. Dann soll es so sein.“

So machte sich die Karawane mit 30 Reitdrachen auf, um in die Lande des Wassers zu reisen. Falohradhá als Händlerin und Rafatkarandara inkognito als Palastwache. Denn er wollte nicht, dass man ihn erkennen würde. Falohradhá war die einzige Frau in der Karawane und fühlte sich nicht sonderlich wohl. Sie konnte weder kämpfen noch war sie in ihrem Leben aus der Stadt herausgekommen. Doch was sollte schon passieren, bei 29 starken und bewaffneten Männern?

Des Abends ging sie, ein paar Schritte vom Lager entfernt, auf eine Lichtung im Dschungel, um wieder die Sterne zu beobachten. Doch sie war nicht lange alleine, denn kurze Zeit später kam ein junger Stadtgardist aus dem Lager. Er war überrascht, dass das junge Mädchen dort saß. Denn er wollte seine Ruhe haben und in die Sterne schauen und träumen, so wie er es jeden Tag tat. „Oh, verzeiht!“ sagte er und wollte wieder umkehren, als sie sprach: „Nein, bleibt doch. Vielleicht ist es besser wenn ich nicht ganz alleine hier im Dschungel sitze.“ Der Mond war gerade wie immer kreisrund über der Lichtung aufgetaucht und strahlte voll und hell. Rafatkarandara schaute hinauf. Er war das Kind des Mondes. In einer Vollmondnacht geboren. Sein Amulett leuchtete hell, aber es war unter der Kleidung verborgen und so konnte niemand sehen, dass es strahlte.

Rafatkarandara´s bleiches Gesicht schien im Mondesschein zu leuchten und Falohradhá war sich nicht sicher, ob es wirklich nur er Mond war, oder ob es eine andere Ursache hatte. Sie winkte ihn heran und er lächelte und setzte sich zu ihr. Lange saßen sie einfach nur da und betrachteten den Mond und die Sterne. Dann wurde Rafatkarandara traurig, denn er musste an seine bevorstehende Hochzeit denken. Warum konnte er nicht frei und glücklich sein? Falohradhá bemerkte, dass er traurig war und fragte ihn warum er plötzlich Trübsal blassen würde. Doch der Prinz antwortete nicht und eine kleine Träne rann seine Wange hinunter.

So saßen die beiden fortan nun jeden Abend zusammen und betrachteten den Himmel. Und jeden Abend wurde er urplötzlich von Trauer heimgesucht. Sie fragte ihn immer wieder, doch er antwortete nicht. Er wollte ihr das Geheimnis seiner Herkunft und seines Schicksals noch nicht verraten. Das machte Falohradhá ebenfalls traurig, denn er war in der ganzen Zeit ein guter Freund geworden. Und langsam aber sicher entfachte das Feuer der Liebe in ihr.

Am Vorletzten Abend, bevor sie die Lande des Wassers erreichten, waren die Beiden wieder zusammen und betrachteten die Sterne. Auch Rafatkarandara ahnte, das er sich in Falohradhá verliebt hatte. Doch das machte ihn nur noch trauriger. Heute wollte er ihr sein Geheimnis verraten und endgültig Abschied nehmen. Denn ab morgen wollte er sich nicht mehr mit ihr treffen und die Reise schnell hinter sich bringen. In wenigen Wochen würde er eine Unbekannte heiraten. Bevor Falohradhá zu ihm kam, holte er das Amulett zum ersten Mal seit sie unterwegs waren heraus. Es leuchtete strahlend hell und er fragte sich wieso. Das hatte es noch nie getan. War er auf dem richtigen Weg? Trauer überkam ihn.

Als er Falohradhá alles über sich, den Palast, die Weissagung des Dschinns und seine bevorstehende Hochzeit erzählt hatte, fing auch sie an zu weinen. Sie schmiegte sich in seinen Arm und gab ihm einen ersten, sanften Kuss. Und gerade als sich ihre Lippen berührten, leuchtete das Amulett des Prinzen so hell, das Beide für eine Weile geblendet waren und sich nur in den Armen halten konnten. Als sie wieder sehen konnten stand der große Dschinn vor ihnen. Er war ein großer, blauer Geist mit einem roten Turban auf dem Haupte. Seine Augen glühten gelb, aber freundlich.

„Fürchtet euch nicht, denn ich bin der große Dschinn. Rafatkarandara, du hast den rechten Weg gefunden. Doch ihn zu gehen wird für euch Beide ein Weg ohne Wiederkehr sein. Was euch am Ende erwartet, habt nur ihr selbst in der Hand. Noch könnt ihr Beide umkehren und euch abwenden, in eure Heimat zurückkehren und euer Leben fortsetzen. Wählt den Weg, den ihr gehen wollt!“ Der Dschinn schaute das Liebespaar an und wusste welchen Weg sie gehen wollten. Also sprach er: „Die Reise in die Lande des Wassers sind gefährlich. Morgen wird euch ein Rudel wilder Dschungelechsen angreifen. Sie werden alle töten. Doch seid gewarnt, es ist schmerzhaft, denn diese Echsen haben ein Gift in ihren Zähnen, welches ihre Opfer langsam tötet. Die Echsen werden eure Körper nicht fressen. Und dann werde ich euren Geist von euren toten Körpern befreien und ihr werdet frei sein und könnt gehen wohin ihr wollt. Das ist der Preis.“ Rafatkarandara und Falohradhá schauten sich an. Wenn das der Weg war, um zusammen sein zu können, dann wollten sie ihn gehen. Egal wie schmerzhaft er war. Also willigten sie ein.

Am nächsten Tag wurde die Karawane von Dschungelechsen angegriffen. Die Karawane war unterlegen und jeder Mensch wurde von einer Echse gebissen. Als das Gift in den Körper von Rafatkarandara eintrat war er zuerst gelähmt. Er konnte alles hören und sehen, aber er konnte sich nicht rühren. Dann sah er wie auch seine Liebste gebissen wurde und zu Boden ging. Dies verursachte einen tiefen Schmerz in ihm und er fing an zu weinen. Unfähig sich zu rühren, musste er mit ansehen, wie die Echsen seine Kameraden und Untertanen verschlangen. Ihn und Falohradhá verschonten sie, ganz so wie es der Dschinn gesagt hatte. Es war ein furchtbarer Anblick, doch sie ertrugen ihn, bis der Dschinn kam und ihren Geist frei ließ. So irrten die Beiden eine Zeitlang durch die Wälder und waren beieinander glücklich.

Doch bald schon bemerkten sie, dass sie zwar zusammen waren, sich aber nie berühren konnten. Sie waren des Tages unsichtbar und des Nachts durchscheinend. Und wieder saßen die Beiden wieder weinend in der Nacht zusammen unter dem Mond und den Sternen. Der runde Mond sah, dass sein Kind immer noch unendlich traurig war und schickte eine Nachtigall als Bote zu den Beiden. „Warum seid ihr traurig, ihr seid auf ewig zusammen und doch weint ihr?", trällerte der Vogel. „Wir lieben uns und können uns aber nicht berühren. Jeder Kuss ist wie ein Kuss für den Wind und jede Berührung ist eine Berührung des Nichts. Wie können wir damit glücklich sein? Bitte Nachtigall, frag den Mond, ob er nicht helfen kann. Ich ehre ihn und das weiß er, aber so werde ich nicht glücklich!“, flehte Rafatkarandara.

Und so erbarmte sich der runde Mond und holte die Beiden zu sich. Dann sprach er: „Ich kann euch nicht leiden sehen, denn du bist mein Kind Rafatkarandara. Auch wenn ich dich nicht geboren habe, so gehörst Du zu mir. Ich schenke euch zwei Körper.“ Und so nahm der Mond seinen Köper und formte daraus zwei Andere. Dann gab er den beiden Liebenden die Körper und schickte sie zurück auf die Erde. „Aber Mond, du hast uns deinen Körper gegeben. Was ist mit Dir? Du leuchtest gar nicht mehr am Himmel!“ Falohradhá schaute hinauf und sah nur die Sterne glitzern. „Das ist der Preis, sagte der Mond. Aber macht euch keine Sorgen, denn ich werde wieder wachsen. Doch eure neuen Körper sind auf der Menschenwelt vergänglich und ich muss euch immer wieder Neue machen. Daher werde ich ab nun nicht mehr jede Nacht leuchten können.“ Die beiden Liebenden dankten dem Mond, denn er hatte sie glücklich gemacht. Und fortan lebten sie ihr neues Leben in Freude und Dankbarkeit.


Ende

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Mann Bastian und die Kinder, die wir nicht haben

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