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Wenn ich erzähle...




Ich saß heute früh am Morgen, oder war es eher spät, ich mag es euch kaum sagen, aber eigentlich ist es ja egal, ob mich die morgendliche oder abendliche Dämmerung umschloss, sie ist jedes Mal grau; sind wir nicht alle grau, im Herzen, im Gesicht, in unseren Worten?
Graue Worte sprudeln aus uns, es sind Worte zwar, aber belanglose, graue eben, ohne einen Ton voller Liebe. Ist die Liebe möglich auch grau, ohne Belang, ohne Ton? Darüber nachzudenken macht mich traurig, meine Seele wird grau.
Also saß ich in der grauen Dämmerung, morgens oder abends und sagte, es ist so leise; meine Worte verschwanden ohne ein Zeichen, dass sie zurückkommen könnten in dem Grau; ich sagte noch mal, es ist so leise; dieses Mal lauter und das Grau verschlang meine grauen, belanglosen Worte. Ich weinte.
Es waren keine Tränen, es waren Perlen; jede verlorene Perle brachte mich dazu, noch mehr Perlen zu weinen, hinein in meine Hand, ich hielt sie fest, sie schimmerten kurz im Grau, ich verlor sie und sagte, Grau mag keine geweinten Perlen, Grau frisst sie auf, so wie unsere Worte, sind die Perlen auch belanglos, ohne Ton?
Ich legte mich schlafen und weinte weiter Perlen, am nächsten Tag würde ich inmitten von Perlen erwachen, die das Grau nicht mehr mochte, weil es satt war und ich hätte alle meine Perlen umsonst geweint.


Er erschien mir im Traum, wie jemand, der einem eben unerwartet, heimlich und leise in den Schlaf schleicht; einfach so, ohne zu fragen.
Du bist im Schlaf, sagte er zu mir, deine Gedanken liegen mit dir im Bett.
Ich sah mich um und spürte, wie mir meine Gedanken in den Ärmel krabbelten, an den Beinen entlang, leise zischten sie auf meiner Haut. Der Mann sagte, Gedanken schlafen nie.
Er sagte das und meine Gedanken krochen in mein Ohr; schliefen Gedanken nie? Sie legten sich doch mit mir schlafen, wachten mit mir auf, das fragte ich ihn und er sagte, sie schlafen anders; wenn wir sterben, sagte er, schlafen sie erst, sonst nie.
Im Schlaf verführen sie uns, sie wie ich dich verführe, sie wie du mich verführst, so wie wir uns verführen, doch sie verführen anders. Wie, das sagte er mir nicht. Ich fragte, woher weißt du das?
Da verschwand er und ich blieb allein, ließ mich von den Gedanken verführen und niemand bemerkte es.


Es war Tag, zumindest schien die Sonne, der Mond strahlt niemals so hell, dass mir die Augen verblendet werden, glaube ich oder glaube ich falsch?
Das tut wieder nichts zur Sache.
Verblenden, die Sonne auf dem Wasser, wie kleine Flöhe hüpfen die blinkenden Lichter, auf mein Gesicht, meine Augen, meine Lippen; kann man Licht schmecken, frage ich Franz.
Er sah mich an, sagte, kann man Liebe riechen?
Ich verstand nicht und fragte, was meinst du?
Können Stühle spüren, wenn sich ein schwerer Mann auf sie setzt, können Türen schreien, wenn jemand sie zuschlägt, fragte mich Franz.
Ich stellte es mir vor, wie ein Stuhl unter Lasten ächzt, vielleicht war sein Knarren ja immer ein Ächzen, sagte ich mir, oder der Knall der Tür der Schrei, was wissen wir schon von der Welt, wir, die nicht einmal wissen, ob man Licht schmecken kann.
Darum setzten Franz und ich uns auf zwei Stühle, die laut ächzten, die Tür vom Haus schlug knallend zu, ich hörte alles und leckte meine Lippen und schmeckte Licht.


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Tag der Veröffentlichung: 11.10.2008

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