Prolog
Niemals, niemals könnte ich ohne ihn leben, das hab ich seit kurzem begriffen, aber jetzt war es sowieso zu spät. Ich stand am Rande der Klippen und tausend Gedanken jagten mir durch den Kopf. Wie konnte er mich so fallen lassen? Wie konnte ich ihm so egal geworden sein? Auch wenn er wüsste wo ich bin und was ich vorhab, er würde nicht kommen um mich davon abzuhalten. Der Wind zerzauste mein Haar, Tränen liefen mir über die Wangen und meine Augen waren schwarz von Wimperntusche, aber das war mir egal…Jetzt war mir alles egal. Ich wollte nur noch eins, ich wollte springen.
Seltsame Begegnung
Der Wecker klingelte. Böse schmiss ich ihn vom Nachttisch. „Verdammt“, fluchte ich. Warum musste er gerade jetzt klingeln, wo ich doch von dem tollsten Typen, den ich je gesehen habe, träumte. Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich sah immer noch den ziemlich großen, muskulösen Typen mit seinem tollen Lächeln und den funkelnden, braunen Augen vor mir. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. „Dumm“, sagte ich mir. Ich verstand dass ich mich gerade wortwörtlich in meinen „Traumtypen“ verliebte. Da ich aber zu Schule musste stand ich auf und beschloss ihn aus meinem Kopf zu werfen. Die Tür meines Schrankes quietschte leise, als ich mir meine Lieblings-Jeans und ein Oberteil rausholte. Schnell huschte ich ins Bad. Nun begann das volle Programm. Duschen, Haare föhnen und glätten, anziehen und schminken. Nach einer halben Stunde ging ich die Treppe, ich korrigiere mich, stolperte ich die Treppe runter. Ja, ich bin ziemlich tollpatschig. Das Frühstück musste ausfallen, denn sonst käme ich zu spät zur Schule. Ich zog mich an, nahm meine Tasche und verließ das Haus in dem ich mit meinen Eltern wohnte. Depoe Bay liegt im Staat Oregon, etwas von Lincoln City entfernt. Wir wohnen im Wald, sehr abgelegen von der Stadt. Hier gibt es weder eine Schule, noch sonst was. Ich stieg ins Auto. Letztes Jahr als ich 16 wurde, hab ich meinen höchst ersehnten Führerschein bekommen. Nun konnte ich selber zur Schule fahren. Nach 15 Minuten Fahrt parkte ich, stieg aus und machte mich auf den Weg zur Schule. Ich lief zu meinem Spint und hörte jemanden rufen.
„Kate?“
Ich erkannte sofort die Stimme meiner besten Freundin Alexis, kurz „Alex“. Sie kam auf mich zu.
„Na, wie geht’s?“…
„Gut und dir?“, fragte ich.
Jetzt fing sie an zu erzählen …
„Super. Ich war gestern mit Chris im Kino, war total schön.“
„Chris? Du meinst doch nicht etwa Christopher? Oder?“ Aber sie meinte genau den Christopher den ich im Sinn hatte, meinen EX.
„Tut mir leid“, meinte sie: „ich wusste nicht, dass du noch etwas für ihn empfindest“.
Da hatte sie aber unrecht. Zwischen Chris und mir war es schon lange vorbei und ich empfand absolut gar nichts für ihn, und genau das sagte ich auch zu Alex. Sie atmete nur tief ein und aus und wir machten uns auf zur ersten Stunde. Im Klassenzimmer saßen wir ziemlich weit hinten. Unsere Mathelehrerin betrat das Klassenzimmer.
„RUHE!“, schrie sie.
Wie immer hörte kein einziger zu. Sie schlug nun das Buch auf ihr Pult und es wurde langsam ruhiger. Die Mathestunde hatte wahrscheinlich vor für immer zu bleiben, so kam es mir zumindest vor. Nach einer Ewigkeit klingelte es endlich. Alex und ich sprangen sofort auf und machten uns auf den weg zur Tür.
„Katelyn, Alexis wollt ihr etwa nachsitzen?“
Diese Frage war total bescheuert.
„Nein!?“, antwortete Alex.
„Dann setzt euch sofort wieder auf eure Platze, ich beende hier den Unterricht.“
Da wir absolut keine Lust auf Nachsitzen hatten setzten wir und wieder. Nach ein paar kurzen Sätzen war der Unterricht nun „offiziell“ beendet.
Als nächstes hatte Alex Spanisch, ich dagegen war total schlecht in dem Gebiet, also hatte ich mich für die Freistunde entschieden. Ich stampfte nun in den Aufenthaltsraum und kuschelte mich neben eine Heizung.
Wärme, ich könnte stundenlang neben einer Heizung sitzen und die Wärme genießen, besonders in den Wintermonaten. Zwar sind die Winter hier eher mild und es herrschen Plustemperaturen, doch die plus 10 Grad Celsius, die manchmal auftreten, reichen für mich einfach nicht aus. Im Sommer ist es hier warm. Da findet man Alex und mich nur noch an dem kleinen Strand, der sich zwischen die Klippen drängt. Und im Herbst wenn es kälter wird sind wir beide so braun, dass es für den ganzen Winter reicht. Alex meint zwar immer, dass sie blass sei, ich find ihren Teint aber absolut super. Sie ist schon von Natur aus bräunlicher und hat lange goldbraune Haare. Ihre Augen sind jedoch Grün. Kein normales Grün, es ist ein dunkles, strahlendes Grün. Die Jungs laufen ihr ständig hinterher und jetzt will sie auch noch was mit Chris anfangen. Aber gut. Sie kann ja schließlich tun und lassen was sie will. Ich hatte dagegen schon lange keine Beziehung mehr. Als mit Chris vor ca. zwei Jahren Schluss war, wollte ich erstmal Abstand von den Jungs. Irgendwie wollte mich anschließend keiner. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht so super Aussehe wie Alex oder die anderen Mädels hier. Ich bin 1.69m groß, Dunkelblond und habe blau-graue Augen. Nichts Besonderes eben. Naja, auf jeden Fall bin ich extrovertiert und gehe gerne auf Menschen zu. Ich habe also keinen blassen Schimmer woran es liegt, dass ich immer noch nicht vergeben bin. Vielleicht bin ich einfach zu wählerisch. Viele Freunde hatte ich nie, dafür aber die besten drei die man haben könnte –Jessica, Rachel und Alexis. Jessy und Rachel sind aber im letzten Jahr weggezogen und wohnen nun irgendwo in New Jersey und Florida. Jetzt hab ich nur noch Alex.
Als es klingelte erschrak ich, da ich mich zu sehr meinen Gedanken hingegeben habe. Genervt stand ich auf. Ich verließ die warme Heizung echt sehr ungern, aber ich musste noch rechtzeitig im Unterricht sein. Bio stand auf dem Stundenplan. Wie ich es hasste. Ich bin sowieso eher schlecht in der Schule und Biologie war nun wirklich nicht mein Fall, davor drücken konnte ich mich jedoch nicht. Ich betrat das Zimmer. Alex war schon mitten im Gespräch mit Chris, also setzte ich mich einfach auf meinen Platz. Nun kam auch Alex wieder, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie schien wirklich glücklich zu sein, dass Chris sie genauso mochte wie sie ihn, also beschloss ich mich für sie zu freuen.
„Und? Gibt’s was Neues?“, fragte ich.
„Neeee, ich bin nur so happy…“, sie lächelte vor sich hin: „was machst du heut Abend?“
Ich hatte noch keine Ahnung was ich heut Abend machen würde. Hausaufgaben, Fernsehen, Musik hören, lesen? „Nichts“, sagte ich.
„Willst du heute zu mir? Wir könnten etwas lernen und einen Film angucken.“
„Hört sich gut an…“ mehr hatte ich nicht zu sagen.
„Du, Kate? Hast du wirklich nichts dagegen wenn ich mit Chris ausgehe?“
„Nein, natürlich nicht! Weißt du ich freu mich für dich, find’s total süß. Ihr passt wirklich gut zueinander.“ Und das war nicht gelogen.
„Hmm, danke. Also heute um 5 bei mir?“
„Klar“, ich lächelte…
Am Abend machte ich mich auf den Weg zu Alex. Sie wohnte genauso wie ich etwas abgelegen von der Stadt. Ich musste die Waldstraße entlang. Da es schon etwas dunkler wurde, hatte ich ein bisschen Angst. Ich versuchte mich selber zu beruhigen, was jedoch nicht sehr gut klappte. Ich wusste dass irgendetwas passieren wird. Ich versuchte schneller zu laufen aber nicht zu rennen. Rechts neben mir hörte ich plötzlich ein Geräusch. Mich zuckte es zusammen und ich drehte mich nach rechts um. Da war absolut gar nichts. Ich beschleunigte noch mehr meinen Gang, wieder dieses Geräusch. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Miauen. Ich drehte mich nochmal um… Eine süße, kleine Katze folgte mir. Nun war ich erleichtert. Ich nahm sie auf den Arm und streichelte sie sanft. Sie gab mir das Gefühl von Sicherheit, was absolut absurd schien. Ich lief mit ihr noch kurz die Straße entlang und ließ sie dann nach kurzer Zeit los. Jetzt war ich fast bei Alex. Ich klingelte und Alex öffnete die Tür.
„Hi“
„Hey“
Wir umarmten uns zur Begrüßung.
„Willst du ne Tasse Cappuccino?“, fragte Alex.
Ich war einverstanden.
Wir saßen nun auf der Couch und tranken unser Cappuccino.
Alex erzählte mir von ihrem gestrigen Kinobesuch und davon, dass sie sich wieder treffen wollen. Sie redete nur noch von Chris, was für mich etwas komisch war, denn ich hatte ihn vor zwei Jahren verlassen. Ich wusste noch ganz genau, wie schön es mit ihm war. Er war immer so hilfsbereit und nett. Ich fühlte mich einfach wohl mit ihm und er brachte mich immer zum Lachen, was sehr schwierig bei mir ist. Doch ich merkte irgendwann, dass die Liebe die ich mal für ihn empfand mit der Zeit verflog. Ich wollte ihn nicht veraschen und so tun als wäre alles in Ordnung.
Und jetzt als ich hörte wie Alex von ihm schwärmte, erinnerte es mich sehr an die alte Zeit.
„Und du? Hast du dich endlich mal in jemanden verliebt?“, fragte Alex.
Ich mochte diese Frage nicht. Der einzige von dem ich jetzt schwärmen würde wäre der Typ aus meinem Traum, aber das konnte ich Alex sicher nicht erzählen.
„Neeee“, brachte ich nur gequält heraus.
„Haja, das wird schon“, tröstete mich Alex.
Meine Laune war nun im Eimer. Alex wäre nicht mal im Traum auf den Gedanken gekommen, dass ich auf dem besten weg war mich zu verlieben - nur leider in den Falschen. Ich wusste ganz genau, dass es total bescheuert war, es war eben nur ein Traum, doch ich wusste, dass ich nur den einen wollte - den Typen mit dem süßen Lächeln, welches bei mir zu Herzklopfen und Schmetterlingen im Bauch führte.
„Katy?... Kaaate??... Warum lächelst du so in dich hinein?“
Ich schüttelte den Kopf. Zu sehr war ich in meine Gedanken vertieft.
„Was? Ich? Was?“
„Warum lächelst du so? Hast du mir vielleicht doch was zu erzählen?“
„Ehm, ne, ich hab grad nur an … ach weißt du, ist eigentlich egal.“
„Naja, wenn du meinst…“, meinte sie.
Ich war mir nun sicher, ich wollte Alex nicht von dem Traum erzählen. Sie würde mich für verrückt halten.
„Du? Kann ich kurz telefonieren? Dad soll mich abholen.“
„Klar, wo das Telefon ist weißt du ja“
„Weißt du, ich hab irgendwie Angst allein durch den Wald“
„Haja, kann ich verstehen“
Ich ging zum Telefon und wählte die Nummer.
„Hallo?“, sagte meine Mutter.
„Hey Ma, kannst du Papa sagen er solle mich bei Alex abholen?“
„Mach ich“, antwortete sie.
„Okay, ciao.“
Ich legte auf.
„Und?“, fragte Alex.
„Er holt mich gleich ab“, sagte ich.
Ich verabschiedete mich von Alex und stieg ins Auto.
Zu hause aß ich noch das Abendessen und ging dann in mein Zimmer, wo ich die Hausaufgaben machte. Ich plumpste aufs Bett und knipste den Fernseher an. Auf keinem der vielen Kanäle lief was gutes, also schaltete ich den Fernseher wieder aus. Ich beschloss ins Bett zu gehen. Nachdem ich mich umgezogen und abgeschminkt hatte putzte ich meine Zähne. Auf dem Weg in mein Zimmer stolperte ich am Teppich und fiel fast hin. Heil im Bett angekommen kuschelte ich mich unter die Decke. Die Wärme machte mich sofort schläfrig. Ich schloss meine Augen.
Gegen jede Vernunft
Ich wachte auf. Es war Freitag und wieder einer dieser grauenhaften Tage. Ich musste wie immer zur Schule. Nachdem ich im Bad fertig war, stolperte ich wieder mal die Treppe runter. Diesmal reichte die Zeit um zum frühstücken, aber ich hatte einfach keinen Hunger. Also machte ich mich auf den Weg zur Schule. Alex traf ich schon am Parkplatz. Sie fing sofort an zu schwärmen, wie süß Chris doch sei und dass sie total in ihn verliebt ist. Ich wunderte mich, denn nach fast anderthalb Monaten seitdem sie im Kino waren ist immer noch nichts zwischen ihnen passiert. Chris war kein Mensch der Worte, er bevorzugte Taten und deshalb schien es so, als würde es nicht das gleiche für sie empfinden. Wie sehr ich das auch wollte, ich konnte es Alex einfach nicht sagen. Sie würde doch eh nur denken, dass ich eifersüchtig bin. Während des letzten Monats hat sie sich total verändert. Sie vernachlässigte mich, die Schule und alles andere auch. Wenn sie früher in Spanisch immer eine eins hatte, so wurden jetzt vierer draus. Sie redete nur noch von Chris, sie dachte nur noch an Chris und alles was sie tat und tun wollte drehte sich um Chris. Ich fand ihr Verhalten total bescheuert aber ich konnte sie nicht darauf ansprechen, also tat ich so, als wäre nichts gewesen.
Die ersten Stunden haben wir überlebt. In der Pause redete Alex wieder nur von Chris. Als wir in der Cafèteria am Tisch saßen, fing Alex plötzlich an, sich wie eine total Gestörte zu benehmen. Bevor ich merken konnte an was es lag stand auch schon Chris am Tisch.
„Hey Mädels!“, sagte er lautstark.
„H-h-hhey!“ Alex stotterte zum ersten Mal in ihrem Leben, sie war immer sehr selbstbewusst gewesen und ich merkte, dass Christopher ihr nicht gut tat.
„Hallo“, antwortete ich ihm.
„Ich wollte euch zu meinem Achtzehnten einladen, Samstag in einer Woche, würde mich echt freuen, wenn ihr Lust hättet!“
Chris war total super drauf, so wie immer, er hatte sich überhaupt nicht verändert. Er lächelte immer noch so süß wie vor zwei Jahren. Na gut sein Gesicht ist männlicher geworden.
„Klar kommen wir“, antwortete ich für Alex und mich, da sie anscheinend kein einziges Wort herausbrachte.
Christopher freute sich jetzt nur noch mehr: „Super, dann sehen wir uns!“
Er verschwand wieder genau so schnell wie er gekommen war.
Alex starrte die Einladung an.
„Nächsten Samstag!?“, sie schrie fast. „Ich habe absolut gar nichts zum anziehen. Kate? Du musst mir helfen!“
„Du hast tausend tolle Sachen in deinem Schrank, die du noch nie an hattest“, versuchte ich sie zu beruhigen.
Ich versuchte sie nun schon den ganzen Tag zu beruhigen und langsam schien es zu funktionieren. Sie war nur noch halb so aufgedreht wie in der Pause, aber das reichte mir schon. Hauptsache sie schrie nicht im Gang rum und textete mich nicht den ganzen Unterricht zu. Aber konzentrieren konnte ich mich trotzdem nicht. Mir kamen die ganze Zeit Gedanken über Chris in den Kopf. Ich verstand nicht was das sollte, ich wollte es nicht verstehen. Nein! Das durfte einfach nicht sein.
Alex war unsterblich in ihn verliebt und ich konnte ihr das nicht antun. Sie würde sich umbringen, wenn ich ihr gestehen würde, dass ich vielleicht doch noch was für Christopher empfand. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn sie sich meinetwegen etwas antun würde.
Es klingelte. Ich packte meine Sachen und machte mich auf den Weg zum Auto. Die ganze Fahrt über konnte ich an nicht Anderes denken, als an das Lächeln von Chris. Ich versuchte den Gedanken nach ganz hinten zu verdrängen. Zu hause angekommen stellte ich meine Tasche ab, zog meine Jacke aus und ging in die Küche. Ich knipste das Licht an. Meine Eltern waren arbeiten. Ich schaute in den Kühlschrank, machte ihn jedoch schnell wieder zu weil ich merkte, dass ich kein Hunger hatte. Ich ging hoch in mein Zimmer.
Noch immer versuchte ich Chris aus meinem Kopf zu verdrängen, aber je mehr ich an ihn dachte, desto sicherer wurde ich mir.
Ich zog mich um und legte mich hin.
Ich wollte nicht mehr an ihn denken. Ich wollte ihn vergessen, für immer, damit ich niemandem Weh tun konnte. Aber wie lang ich es auch versuchte, es ging nicht. Chris war tief in meinem Kopf und auch genauso tief in meinem Herzen eingeschlossen und wie sehr ich es auch wollte, ich kam nicht weg von ihm. Er war wie eine Droge, der ein Drogenabhängiger nach einem kurzen Entzug nicht widerstehen konnte.
Gott sei dank träumte ich in den folgenden Nächten von kleinen Häschen die auf einer Wiese rumhüpften und nicht von Chris. Als der Wecker klingelte war aber die schöne Zeit mit den Häschen vorbei. Der Alltag erwartete mich wieder. Im Bad brauchte ich heute länger als sonst. Ich versuchte so perfekt wie möglich auszusehen. Wenn Alex meine Gedanken lesen könnte, wäre ich nun für sie gestorben. Zur Schule kam ich gerade noch rechtzeitig. Heute wie auch jeden Mittwoch hatten wir Sport und ich freute mich riesig darauf. Einfach mal abschalten, das war das was ich am meisten wollte, aber zuerst musste ich 2 Stunden Mathematik und eine Stunde Englisch aushalten. Gleich in der ersten Stunde wurden wir von Mrs. Evans, unserer Mathelehrerin angemotzt. Die hälfte der Klasse hatte mal wieder die Hausaufgaben nicht gemacht.
Die Klassenzimmertür ging auf. Wow, dachte ich. Ein total süßer Typ betrat das Zimmer.
„Hey, ich bin der Neue… Ich soll zu ihnen in die Klasse“, wendete er sich an die Lehrerin.
„Ah, Bryan Daniels?“, fragte sie.
„Ja genau!“, er lächelte.
„Wir haben sie schon erwartet, setzen sie sich doch neben Sean“, bat sie ihn.
Alex drehte sich zu mir: „Hast du sein süßes Lächeln gesehen?“
„Jap, hab ich.“ Ich war sprachlos. War sie denn nicht gerade noch in Christopher verliebt gewesen?
„Du? Alex? Was ist eigentlich mit dir und Chris? Läuft da was?“, fragte ich vorsichtig.
„Ne, weißt du, ich hab ihn darauf angesprochen, ob er sich was mit mir vorstellen könnte. Er sagte er interessiert sich nicht für mich“, sagte sie halblaut.
„Oh“, ich schlug einen mitleidenden Ton an.
„Ich hab beschlossen ihn zu vergessen“, sprach sie weiter.
„Was? Aber du warst doch so verliebt in ihn…“ Ich war wieder sprachlos, jedoch flammte ein Funken Hoffnung in mir auf.
„Weißt du Kate, Liebe hält nicht ewig. Das weißt du am besten, denk ich.“
Sie hatte recht. Ich wusste ganz genau wie es ist eine Person nicht mehr so zu lieben wie am Anfang. Aber andererseits hatte sie auch total unrecht, denn sie wusste nicht, dass ich mich wieder in Chris verliebte.
„Und was machst du jetzt?“, fragte ich sie.
Sie war auf einmal ziemlich fröhlich, zumindest schien es so. „Ich schmeiß mich erstmal an den neuen ran“, sie zwinkerte mir zu.
Mein Herz ließ einen Schlag aus. Ich hasste mich dafür, aber ich war total glücklich darüber, dass sie Chris vergessen wollte.
„Tu was du nicht lassen kannst“, sagte ich scherzend.
Wir lachten kurz und verstummten sofort als der Blick von Mrs. Evans auf uns traf.
In Sport spielten wir Volleyball, was ich natürlich total klasse fand. Volleyball das war das Einzige, das ich genauso liebte wie Wärme.
Als ich endlich zu hause ankam, war ich total fertig. Ich machte meine Hausaufgaben. In meinem Englischheft fand ich plötzlich die Einladung von Chris wieder. Ich hatte schon total vergessen, dass ich am Samstag bei ihm eingeladen war. Jetzt bekam ich Panik. Nur noch zwei Tage! Ich wusste, dass ich an diesem Abend perfekt aussehen musste, das Problem dabei war, ich hatte absolut nichts zum anziehen. Ich wühlte in meinem Kleiderschrank rum. Nein. Absolut nichts Passendes. Ich brauchte etwas was stilvoll und sexy war. Heute konnte ich nicht mehr shoppen gehen, so musste ich bis morgen nach der Schule warten.
Ich träumte heute von Christopher. Aber es war ein schöner Traum, ich musste mir nicht mehr über Alex Gedanken machen und auch nicht darüber was sie von mir denken würde. Ich konnte mich einfach auf meine Gefühle einlassen. Und das Gefühl bei Chris zu sein war schöner als ich dachte.
An diesem Morgen stand ich mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Ich hüpfte ins Bad. Die Treppe lief ich zum ersten Mal ohne zu stolpern herunter. Total gut gelaunt, machte ich mir Müsli. Ich hätte die ganze Welt umarmen können. Auf dem Weg zur Schule hörte ich Musik und sang laut mit.
„Just dance. Gonna be okay. Da-da-doo-doo. Just dance….”
Die Schule war heute schneller vorbei als ich es mir vorgestellt habe. Ich war nun bereit fürs Schoppen. Da es in Depoe Bay nicht viel Auswahl gab, beschloss ich nach Lincoln City zu fahren. Dort hielt ich vor einer kleinen Boutique. Im Schaufenster waren superschöne Outfits zu sehen. Schnell trat ich ein, in dieser Boutique war ich noch nie. Alles war total gemütlich und gastfreundlich gestaltet. Die Verkäuferin kam zu mir rüber.
„Kann ich ihnen helfen?“, fragte sie freundlich.
Ich erzählte ihr zu welchem Anlass ich ein Outfit brauchte und sie bat mich mit ihr mitzukommen. Sie zeigte mir Mengen von tollen Kleidern, Oberteilen und Hosen, beziehungsweise Röcken. Ein Kleid fand ich besonders schön. Es war ein schwarzes Neckholderkleid mit einer silbernen Brosche am Oberteil des Kleides. Dazu bot mir die nette Verkäuferin Highheels, Ohrringe und einen Armreif in Silber an. Die Highheels hatten lange Bändchen die man sich um das Fußgelenk binden musste und waren mit „Diamanten“ besetzt, genauso wie die silberne Brosche am Kleid. Ich zog das Outfit an. Als ich aus der Kabine kam, fühlte ich mich total sexy. Meine Beine wurden durch die Highheels gestreckt und wirkten dünner. Auch meine Oberweite wurde durch das Kleid super betont.
Ich wusste, dass ich das perfekte Kleid gefunden hatte.
„Ich nehme das Outfit“, sagte ich zu der Verkäuferin.
„Gerne.“
Nachdem ich wieder umgezogen war, folgte ich der Frau zur Kasse.
„Es wären dann 298 Dollar“, sagte sie.
Wow. An den Preis hab ich nicht gedacht, aber ich musste das Kleid einfach haben, also reichte ich ihr das Geld herüber.
„Danke“, sagte sie mit einem fröhlichen Lächeln.
„Danke gleichfalls“, entgegnete ich ihr.
„So, bitte sehr.“ Sie überreichte mir eine dunkelviolette Papiertasche.
Ich bedankte mich nochmal und verließ die Boutique.
Kaum war ich aus der Tür, wurde ich plötzlich von jemandem angerempelt. Ich stolperte und viel fast hin, doch der Man fing mich auf.
„Oh, tut mir leid“, sagte er.
Ich erkannte die Stimme sofort, denn vor zwei Jahren hab ich sie fast täglich gehört.
„Kate? Was machst du denn hier?“, Chris klang überrascht.
Es war mittlerweile dunkel geworden und ich erkannte sein Gesicht erst jetzt.
„Ehm, ich bin schoppen gewesen“, gab ich zu.
Ich wollte auf keinen Fall, dass Christopher bemerkt, dass ich mich für ihn so sehr ins Zeug legte.
„Und du?“, fragte ich schnell.
„Ich? Ich war bei meinem Cousin, er wohnt hier in der Nähe.“ Chris lächelte nun süß.
„Und was hast du dir gekauft?“, hakte er nach.
„Hmm, nichts Besonderes.“ Ich versuchte ihn vom Thema abzulenken: „ Und wie war’s bei deinem Cousin?“
„Hmm, ganz gut schätze ich.“
Er wusste wie ich tickte, und erkannte meine Täuschungsversuche sofort.
„Lenkst du etwa von Thema ab?!“ Nun hatte ich keine Wahl mehr.
„Das... das wird eine Überraschung!“
„Für mich?“, er fragte nach obwohl er die Antwort schon kannte.
„Ja für dich“, gab ich nur sehr ungern zu.
„Und wann bekomm ich dir Überraschung zu sehen?“, er fragte jetzt nicht mehr aus Neugier sondern um mich zu ärgern.
„Wenn du mir weiterhin so auf den Wecker gehst, dann nie“, ich meinte es natürlich nicht ernst.
„Gut wenn ich dich nerve, dann gehe ich jetzt wohl lieber…“
Ich wusste, dass er es nicht ernst meinte, aber er drehte sich um und wollte gehen.
„Jetzt warte doch, es war nur ein Scherz“, ich lächelte ihn an.
„Ich mach ja auch nur Spaß“, er lächelte zurück.
„Willst du vielleicht einen Kaffee trinken gehen?“, er klang etwas nervös, lächelte aber trotzdem weiter.
Ich nickte.
Wir betraten ein süßes Café an der Hauptstraße. Es war ziemlich leer, denn es war ja schließlich Donnerstag.
Chris führte mich zu einem der Tische und half mir meine Jacke auszuziehen.
„Danke“, sagte ich.
Wir nahmen Platz.
Ich sah ihn an und er schaute mir tief in die Augen. Ich bekam sofort Gänsehaut. Sie waren so blau und so strahlend wie sonst nichts auf der Welt. Mein Magen drehte sich um, aber nicht weil mir schlecht war. Nein, es war ein schönes Gefühl, es war Liebe.
„Es tut mir leid“, sagte ich leise.
Er war verwirrt: „Was tut dir leid?“
„Na, die letzten Jahre, ich habe dich einfach ignoriert. Weißt du, ich habe dich einfach verlassen und ich hatte ein schreckliches Gewissen dir gegenüber, aber ich wollte dir nicht um sonst Hoffnungen machen“, ich plapperte wie ein Wasserfall.
„Kate?“, unterbrach er mich: „dich trifft absolut keine Schuld. Es ist nun mal so, dass du einfach nicht mehr das gleiche empfunden hast wie ich und ich bin dir dankbar, dass du mich nicht verarscht hast.“
„Aber…“, fing ich wieder an.
„Nichts aber, es war besser so für uns beide.“
Er nahm meine Hand. Wie Strom durchlief es mich und Alles fing an sich zu drehen. Um davon abzulenken trank ich einen Schluck von meinem Cappuccino, den ich vorher bestellt hab.
Das entging ihm aber natürlich nicht. Er lächelte frech und ich musste auch lächeln. So saßen wir eine Zeit lang da und taten gar nichts. Ich guckte auf die Uhr. Verdammt, es war schon viertel vor neun. Ich wollte diesen Moment nicht zerstören, aber ich musste los. Meine Eltern würden sich sicher schon Sorgen machen.
„Sorry“, sagte ich: „ich muss jetzt gehen“
Er ließ meine Hand langsam los und stand auf.
„Ich begleite dich, ok?“
Ich nickte.
Als wir die Straße runter gingen, schwiegen wir. Ich sah nun die kleine Boutique und auch mein Auto.
„Es tut mir wirklich leid“, entschuldigte ich mich nochmal.
„Kate. Ich habe dir doch gesagt, dass es dir nicht Leid tun muss“, sagte Chris in einem mitleidigen Ton und umarmte mich. Ich spürte seine Wärme und ich wollte für immer so stehen bleiben. Ich hielt ihn fest. So war es früher immer gewesen. Wie konnte es nur passieren, dass ich einen so wunderbaren Mensch wie Christopher verlassen konnte? Ich erinnerte mich an meinen Traum. Vielleicht war es nur so eine Vorahnung gewesen, dass ich Chris immer noch liebte. Ja, der Typ sah anders aus, aber im Traum ist nicht so wie es in der Wirklichkeit ist.
Er ließ langsam los.
„Kommt es mir nur so vor oder willst du mich nicht loslassen?“, fragte er in einem neckischen Ton.
Ich wurde Rot und freute mich darüber, dass es dunkel war und Chris es nicht sehen konnte.
Nachdem ich ins Auto gestiegen bin, fuhr ich los. Ich sah im Hinterspiegel, dass Chris noch mit den Händen in den Hosentaschen da stand und mir hinterher schaute. Ich lächelte.
Um halb zehn kam ich zuhause an. Meine Mutter war total sauer und machte mir sofort eine Szene. Ich wollte mich nicht mit ihr streiten, also erklärte ich ihr, dass ich in Lincoln City shoppen war und entschuldigte mich. Chris erwähnte ich ihr gegenüber nicht.
Ich machte mich Bettfertig und ging schlafen.
Am nächsten Tag sah ich Chris nur ganz kurz. Er winkte mir zu. Alex bemerkte das.
„Hast du wieder den Draht zu Chris gefunden?“, fragte sie mich interessiert.
„Ja, ich hab mich bei ihm entschuldigt, dass ich ihn ignoriert hab.“
„Und was hat er dazu gesagt?“, hackte sie nach.
„Er versteht mich, zumindest hat er mir das gesagt. Ach ich weiß auch nicht“, ich wollte mit Alex nicht über Chris sprechen, über meinen süßen Chris.
„Läuft da was zwischen euch?“ Alex wollte einfach nicht mit dem Thema aufhören.
„Nein, es läuft nichts“, antwortete ich ihr genervt.
„Hmm, was nicht ist kann ja noch werden“, sie lächelte mich total hinterhältig an.
„Alex!“, ich war ein bisschen laut.
„Na gut, ich bin ja schon leise“, sie gab sich geschlagen.
„Was ist eigentlich mit Bryan?“, jetzt stellte ich ihr die gleiche Frage.
Sie lächelte versaut.
Es war Samstag. Ich stand schon früh auf und machte mich fertig. Wie immer das volle Programm, Duschen, Haare föhnen und glätten und dann noch schminken. Ich hatte mir Smokey Eyes gemacht. Es war gerade mal halb fünf also musste ich noch dreieinhalb stunden warten, denn die Party fand um 20 Uhr statt. Ich machte also Musik an.
„That shawty is a killa, but I really want him, and I gotta have him tonight”, ich sang wie immer mit. Tanzen konnte ich schon immer gut, fand ich. Ich hielt meine Arme hoch und meine Hüften bewegten sich im Takt.
Es klingelte und ich rannte zum Telefon.
„Hallo, Thomson“
„Hey Kate, na was machst du?“, sprach Alex.
„Ehm, nichts besonderes, mach mich langsam fertig“, antwortete ich.
„Achso. Wie kommst du zu Chris?“, fragte sie.
„Dad fährt mich, willst du mitfahren?“
„Ja das wollte ich dich gerade fragen“, sie lachte.
„Wir holen dich dann zwanzig vor acht ab“
„Joa, gut bis dann.“
„Ciao“, sagte ich und sie legte darauf auf.
Achtzehn Uhr – stellte ich fest, als ich auf die Uhr schaute. Ich holte die Autoschlüssel, meine Handtasche und meine Jacke, dann begab ich mich zu meinem Auto. Ich war auf der Suche nach einem offenen Friseurladen. Endlich sah ich ein „OPEN“-Schild. Die Frisörin fragte mich, nachdem ich eingetreten war, was sie denn mit meinen Haaren machen durfte.
„Ich gehe auf eine Party heute, also bräuchte ich etwas passendes“, ich hatte keine Ahnung was ich mir unter „passend“ vorstellte.
„Dann leg dich zurück und entspann dich“, sagte die Frisörin nett.
Ich sah meine Frisur nochmal an, als ich zu hause ankam. Ja, die Frisörin hatte es eindeutig drauf. Ich ging die Treppe hoch und schlüpfte in mein tolles, schwarzes Kleid. Die Highheels funkelten im Lampenlicht. Ich sah perfekt aus, so wie ich aussehen wollte. Vorsichtig ging ich die Treppe runter, denn erstens durfte ich nicht stolpern und mir blaue Flecken zuziehen und zweitens durfte ich nicht stolpern und meine Highheels kaputtmachen. Mein Vater sah mich etwas traurig an, für ihn war ich immer noch seine „kleine Katy“, und nun musste er sich eingestehen, dass ich langsam erwachsen werde. Ich lächelte leicht. Meine Mutter kam aus der Küche.
„Oh Süße, wie hübsch du aussiehst.“ Sie sah mich lächelnd an.
„Danke Mum, Dad kommst du? Wir müssen noch Alex abholen“
„Ja, einen Moment ich muss noch meine Jacke anziehen“, sagte er.
Wir hielten bei Alex, ich stieg aus und klingelte. Sie war sofort draußen.
„Hat Emily jetzt eigentlich das Zeug bekommen wofür wir alle zusammengelegt haben?“, fragte Alex.
„Du, ich hab keine Ahnung“, antwortete ich. Wir lachten beide.
Emily wollte irgendein tolles Geburtstagsgeschenk von allen besorgen, aber ob sie es geschafft hat war mir gerade ziemlich egal. Ich freute mich zu sehr auf die Party, besser gesagt auf Chris.
„Bryan wurde auch eingeladen“, sagte Alex fröhlich.
„Cool, dann kannst dich ja an ihn ranschmeißen“, scherzte ich.
Meinem Vater gefiel meine Bemerkung anscheinend überhaupt nicht, er räusperte sich laut. Alex und ich verstummten augenblicklich. Man sah schon von weitem wo gefeiert wird. Das ganze Haus strahlte wegen Lichterketten und Fackeln. Wir stiegen aus und Dad gab mir nochmal zu verstehen, dass ich nicht mit Jungs rummachen, nicht rauchen und nicht trinken soll. Wir klingelten und Chris machte die Tür auf.
„Hey, freut mich, dass ihr da seid“, meinte er.
„Ja hey, alles Liebe zum Geburtstag!“, sagte ich und umarmte ihn. Wieder spürte ich seine Wärme, es war fast so als wär er ein Teil von mir, ein Puzzelstück, das mir gefehlt hat. Alex sah mich ungeduldig an und ich ließ ihn los, damit sie ihm auch gratulieren konnte.
„Ja los, kommt rein, oder wollt ihr draußen feiern?“, scherzte Christoph, nachdem er auch eine Umarmung von Alex bekommen hatte.
Wir ließen uns nicht zweimal bitten und traten ein. Das Haus kannte ich gut. Es war ziemlich groß, mit einem riesigen Garten hinterm Haus und die Inneneinrichtung war sehr modern. Es waren ziemlich viele gekommen.
„Oh, da ist Bryan“, sagte Alex und war sofort verschwunden.
„Wow, du siehst atemberaubend aus“, sprach Chris wieder los, während er mich von untern bis oben ansah.
„Danke“, ich wurde etwas rot: „du hast dich aber auch rausgeputzt.“
„Nun, ist ja auch mein Geburtstag, oder hab ich nicht das Recht dazu?“, fragte er scherzend.
Ich lachte.
„Komm“, er nahm meine Hand und zog mich in die Menge. Ich wehrte mich nicht. Es war mir egal was er machte, Hauptsache ich war mit ihm. Wir gingen zur Tanzfläche. Er nahm meine andere Hand und legte sie sich auf die Schulter, dann zog er mich an meiner Taille etwas näher zu sich hin. Ich schaute ihm in die Augen und bekam sofort wieder Gänsehaut, denn sie strahlten noch schöner als sonst. Es gab nur ihn und mich. Die Menge um uns verschwand im Schatten, so als richtete man einen Scheinwerfer nur auf uns.
Ich kam ihm noch näher und legte mein Kopf auf seine Schulter. Im Hintergrund spielte langsame Musik. Er drückte mich ans sich und wir bewegten uns langsam im Kreis. In meinem Bauch spürte ich Schmetterlinge und lächelte leicht. Es war wunderschön. Ich schloss meine Augen und genoss die Wärme die von ihm ausging. Er streichelte mir leicht, mit der Hand, über den Rücken und jede Berührung kribbelte auf meiner Haut. Gab es etwas Schöneres auf der Welt als mit Christopher zusammen zu sein? Das bezweifelte ich im Moment. Ich war rundum glücklich.
Er ließ langsam los.
Was war passiert? Ich machte meine Augen auf und wurde traurig. Das Lied war zu ende und somit auch unser Tanz. Es fiel mir so schwer ihn loszulassen. Er sah mich an und hielt meine Hand immer noch fest. Obwohl ich Highheels anhatte war er bestimmt noch fünfzehn Zentimeter größer als ich.
„Können wir reden?“, fragte er. Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich ernst.
„Ja natürlich, was ist denn los?“ Es war so als würde meine „heile Welt“ plötzlich im Schwarzen Loch versinken.
„Können wir vielleicht in den Garten?“ Er sah jetzt ein kleines bisschen entspannter aus.
„Ja, ich muss nur meine Jacke holen“, antwortete ich.
„Gut, ich warte dann Draußen.“ Er drehte sich um und ging.
Wahre Gefühle
Ich eilte in die Empfangshalle und versuchte meine Jacke zu finden, was bei mehr als 50 Jacken sehr schwer war. Nach langem Suchen hatte ich sie endlich. Nun zog ich sie mir auf dem Weg nach Draußen über. Chris konnte ich nicht sehen.
Ich ging etwas weiter in den Garten rein und erschrak als ich etwas sah was sich bewegte, dann hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und ich sah Christopher in einer Hängematte sitzen. Er stützte seinen Kopf mit beiden Händen und dachte anscheinend über irgendetwas nach.
„Hey“, flüsterte ich fast. Ich versuchte eigentlich mit voller Stimme zu reden aber irgendetwas hinderte mich daran.
Er erschrak. „Hi, ich hab dich nicht kommen hören“
Ich setzte mich neben ihn, und er nahm wieder meine Hand.
„Kate? Ich … Ich weiß nicht wie ich’s sagen soll. Weißt du, als es vor zwei Jahren mit uns zu Ende war, wollte ich es so hinnehmen, ich wollte dich nicht nerven oder dir hinterherlaufen und dich darum bitten wieder zurückzukommen. Aber ich wusste, dass nichts mehr so sein wird wie es mal war.“ Er sah mich kurz an, senkte seinen Blick wieder und schaute auf meine Hand die er festhielt.
„Und diese Jahre waren echt scheiße für mich. Ich versuchte dich zu vergessen, aber er klappte einfach nicht, ich konnte dich einfach nicht aus meinem Kopf werfen, und auch nicht aus meinem Herzen. Und dann trafen wir uns zufällig in Lincoln City und ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich kann nicht mehr so tun als würdest du mir egal sein, denn du bist der letzte Mensch der mir im Leben egal sein könnte. Kate? Ich liebe dich immer noch“
Ich konnte mich kaum noch darauf konzentrieren was er sagte, Alles drehte sich und mir war total schwindelig. Ich fiel ihn um den Hals und eine Träne lief mir die Wange herunter.
„Es tut mir so leid, dass ich dich so fallengelassen habe“, flüsterte ich. „Ich liebe dich auch noch. Ich wusste die letzten Wochen überhaupt nicht mehr was ich machen sollte. Ich hab dich nie wirklich vergessen können und als Alex angefangen hat von dir zu schwärmen erinnerte ich mich an die tolle Zeit mit dir, die mir so sehr fehlte.“ Ich sah ihn an und Tränen standen in meinen Augen.
„Ich will dich nie wieder verlieren“, sagte ich ganz leise.
Er wischte mir die Träne weg die sich gerade auf meiner Wange befand und dann passierte es. Ich bekam sofort wieder Schmetterlinge im Bauch und Wärme durchzog wiedermal meinen ganzen Körper. Mir war total schwindelig deswegen hielt ich mich an Chris fest. Der Kuss war wunderschön, viel schöner als früher. Chris hielt mein Gesicht mit seinen Händen fest und presste seine Lippen gefühlvoll auf meine. Jede seiner Berührungen brannte auf meiner Haut wie Feuer. Das war der beste Kuss, den ich je hatte. Er lächelte mich an und ich lächelte zurück. Langsam verging das Schwindelgefühl. Ich kuschelte mich an seine Brust und er legte sich zurück in der Hängematte und so lagen wir da. Wir redeten nicht, denn jetzt war es nicht mehr nötig irgendetwas zu sagen. Ich konnte es nicht fassen, dass Chris mich immer noch wollte, nach all dem was ich ihm angetan hatte. Und in einem war ich mir sicher- Alles würde sich zum Guten wenden. Chris streichelte mir übers Haar und ich genoss jede seiner Berührungen. Ich habe keine Ahnung wie lange wir so lagen, als sich Chris dann aufrichtete und mir einen Kuss auf die Stirn gab.
„Wollen wir wieder reingehen? Sie fragen sich wahrscheinlich schon wo wir sind“, schlug Chris vor.
Ich hatte absolut keine Lust diesen tollen Ort, an dem ich jetzt mit Chris war, zu verlassen, aber es war sein Geburtstag und ich konnte ihn nicht darum bitten seine Gäste zu vernachlässigen. Also nickte ich.
Chris stand auf und half mir hoch, dann umarmte er mich an der Taille und wir gingen zusammen rein.
Es war immer noch so voll und auch sehr laut, so dass man schreien musste um den anderen zu verstehen. Alex kam auf uns zu und sah dass Chris mich an sich drückte.
„Oh mein Gott!“ Sie schrie fast und ihre Augen funkelten: „Seid ihr wieder zusammen?“
Chris und ich sahen uns kurz an und er zog mich noch näher an sich ran.
„Ahhhhh, ist das toll!“, kreischte Alex nun.
„Alex, halt die klappe!“, befahl ich ihr, ich versuchte zu flüstern. Ich wusste nicht warum ich jetzt auf einmal flüsterte, so dass keiner mitbekommt, dass Chris und ich wieder zusammen wahren.
Chris sah zu mir runter.
„Mein Schatz“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ich sah ihn an und verlor mich wie immer in seinem Blick.
„Aufwachen Dornröschen“, scherzte er. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich ihm in die Augen geschaut habe, aber es war lange genug, dass er mitbekommen konnte, dass ich abwesend war. Ich lief etwas rot an und schämte mich dafür, dass ich dieses verfluchte „Rotanlaufen“ nicht verhindern konnte, was mich nur noch röter werden ließ.
Er bückte sich zu mir und drückte mir einen kleinen, aber dennoch gefühlvollen Kuss auf die Lippen.
„Jetzt solltest du aber endgültig aus deinem Traum erwacht sein! Oder bin ich nicht der Märchenprinz auf den mein Dornröschen gewartet hatte?“
Ich schlug ihn mit dem Handrücken leicht auf den Bauch, doch er war so hart, dass Chris wahrscheinlich nichts gespürt hatte.
Es war genau wie früher, alles, diese kleinen Sticheleien, der Blick mit dem er mich ansah und auch das Lächeln, welches nicht mehr von seinen Lippen wich.
Er strahlte Wärme aus, nicht nur im übertragenen Sinne sondern auch im direkten. Ich umarmte ihn an der Taille und lehnte mein Kopf gegen seine Brust. Ich liebte wärme und als ich daran dachte dass ich nun eine „wandelnde Heizung“ immer dabeihaben würde, lächelte ich in mich hinein.
Als die Party um eins zu Ende war, holte Dad uns ab. Alex wollte sich von Bryan überhaupt nicht trennen. Ich wunderte mich, wie schnell alles gehen konnte, zumindest bei Alex.
Wir stiegen ins Auto.
„Alexis, schläfst du heute bei uns oder soll ich dich heimfahren?“, fragte Dad.
„Ehm, ja wenn Kate nichts dagegen hat!?“, sagte Alex etwas unsicher.
„Natürlich hab ich was dagegen!“, schimpfte ich zurück.
„Na also, dann nach hause“, lachte Dad.
Alex’ Eltern hatten nie was dagegen, wenn sie bei mir übernachtete ohne ihnen was zu sagen. Im Allgemeinen machten sie sich nicht sehr viele Sorgen, wo sie war oder was sie machte.
Wir gingen die Treppe hoch und Alexis fiel aufs Bett.
„Oh man, Bryan ist so unbeschreiblich toll!“, brachte sie mit einem Lächeln heraus.
„Hmm, wahrscheinlich schon, ich kenne ihn nicht sehr gut“, gab ich zu.
„Kate? Beantwortest du mir eine Frage?“, sie klang interessiert.
„Klar, worum geht’s?“
„Würdest du was mit Chris anfangen, wenn ich immer noch in ihn verliebt währe?“, fragte sie ernst und auch ein bisschen traurig.
„Nein, natürlich nicht. Wie kommst du darauf?“, ich war etwas schockiert.
„Naja, du hast ihn die letzte Zeit anders angesehen. … Ich bin nicht blind“
„Hmm, naja ich hab dir etwas nicht erzählt.“, sagte ich vorsichtig.
„Ich höre?“, Alex sprach in einem leicht wütendem ton.
„Ich war vor seinem Geburtstag in Lincoln City shoppen und da hab ich Chris getroffen. Naja wir sind dann Cappuccino trinken gegangen und ich hab mich wieder total wohl mit ihm gefühlt. Ich weiß es klingt komisch, aber es war so als hätten wir uns nie getrennt.“, ich sprach langsam und suchte sorgfältig die Wörter aus.
„Verstehe“, sagte sie abwesend.
„Alex, ich schwöre dir, ich hätte mich nicht auf ihn eingelassen, wenn du ihn noch lieben würdest“, sprach ich gequält.
„Ne, ist schon ok, ich will ja nichts von ihm.“
Ich freute mich, dass jetzt kein streit wegen Chris entstehen würde.
„Steh mal kurz auf, ich muss das Bett für dich vorbereiten“, lenkte ich vom Thema ab.
Sie stand ohne große Lust auf und plumpste sich auf den Stuhl.
Während ich das Bett bezog und noch ein Kissen und eine Decke holte, zog sich Alex um.
Wir lagen im Bett und dachten beide nach - ich über Chris und worüber sie dachte, traute ich mich nicht sie zu fragen.
Alles beim Alten?
Die Sonne schien hell am Himmel, als Alex mich weckte. Ohne große Lust aufzustehen, stampfte ich ins Badezimmer. Ich duschte und zog mich an. Als ich am Spiegel vorbeilief bemerkte ich diese Person darin, diese glückliche Person, die mir überhaupt nicht ähnlich sah. Ich hielt an und wunderte mich darüber, dass ein einziger Mensch soviel bei einem anderen Menschen bewirken konnte. Ich strahlte förmlich vor Freude, obwohl ich nicht einmal lächelte. Schon früher wusste ich, dass Chris mich glücklich machte, aber wie sehr, darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Die Erinnerungen an den gestrigen Abend nahmen mich völlig ein ich bekam Gänsehaut, als ich mich wieder an Chris‘ warme Brust erinnerte. Es war alles zu schön, um wahr gewesen zu sein. Jetzt bekam ich Panik, vielleicht hatte ich das nur geträumt, vielleicht war das nur meine Fantasie die mir einen Streich gespielt hatte, vielleicht hatte ich es mir nur vorgestellt, weil ich es so sehr wollte – weil ich Chris so sehr bei mir haben wollte, weil ich ohne ihn nicht leben wollte…
Nein, es war echt. Alles war echt. Der Abend, Chris, meine Gefühle für ihn und wie ich hoffte auch seine Gefühle für mich.
Ich kehrte langsam in die Realität zurück.
Als ich wiedermal die Treppe herunter stolperte, saßen Alex und meine Mutter bereits am Tisch und redeten über etwas. Ich holte mir eine Schüssel, Milch und Cornflakes. Auf dem weg zum Tisch schnappte ich mir noch einen Löffel, der auf der Anrichte lag.
„Morgen“, sagte ich gutgelaunt.
„Guten Morgen“, erwiderte meine Mutter: „und habt ihr heute was vor?“
„Sonntag ist doch scheiße“, stresste Alex nun rum.
Meine Mutter und ich lachten über Alex‘ Gesichtsausdruck.
„Hahaha, sehr witzig“, murmelte sie und musste selber über sich lachen.
Nach dem Frühstück ging Alex nach hause und ich hoch in mein zimmer. Ich legte mich aufs Bett und machte die Augen zu. Bei dem Versuch mir Chris vorzustellen, sah ich jemanden anderen. Es war wieder dieser Typ, den ich vor einiger Zeit in meinem Traum gesehen hatte. Wieder diesen süßen Typ, mit den braunen leuchtenden Augen und dem unbeschreiblich süßen Lächeln. Mit dem Lächeln stellte er Chris locker in den Schatten. Ich ärgerte mich darüber, wie ich so etwas denken konnte. Ich liebte Chris, und war mir dabei sicher, dass wenn es den Typen aus dem Traum geben würde, würde mich nichts mehr bei Chris halten.
Ich konnte Haargenau das Gesicht des Typen aus dem Traum beschreiben, wohingegen ich mir Chris‘ Gesicht nicht mal vorstellen konnte. Wie konnte so etwas sein? Ich war schockiert über diese Erkenntnis. Ich kannte diesen Typen nicht aber ich wusste, dass er perfekt ist.
Mein Handy klingelte. Ich schaute aufs Display –Chris.
„Hey Schatz“, sagte ich, nachdem ich auf Annehmen geklickt hatte.
„Hey Süße, na wie geht’s?“
„Super, und dir?“, antwortete ich.
„Mir geht’s gut!“ Man hörte an seiner Stimme, dass es ihm gutging.
„Was machst du heute noch so?“, fragte er
„Ich hab noch nichts vor“
„Dann hol ich dich heute um 16 Uhr ab. Ist es Ok?“, fuhr er fort.
„Sicher“, sagte ich.
„Na dann, bis Nachher. Ich liebe dich“ Er legte auf bevor ich etwas sagen konnte.
Ich lag immer noch auf dem Bett und dachte darüber nach was Chris wohl vorhatte. Ich hatte einfach keine Ahnung. Ich meine, es war Sonntag. Und was will man schon am Sonntag unternehmen.
Ich sah auf wie Uhr.
„Scheiße“, fluchte ich; „das gibt’s ja nicht!“
Ich sprang auf und rannte ins Bad.
Schnell glättete ich mir die Haare und verbrannte mich fast dabei.
Ich schminkte mich so schnell und so gut es ging und rannte anschließend in mein Zimmer.
Ich durchwühlte meinen Kleiderschrank, nach etwas passendem.
Das rote Top und die schwarze Röhrenjeans sprangen mir ins Auge.
Es klingelte an der Tür.
Ich zog schnell das Top und die Jeans an und war gerade dabei meine Schlafzimmertür zu öffnen als es klopfte.
Als ich die Tür aufmachte stand Chris davor.
Er sah mich an und fing an zu lachen.
Ich hatte mein rotes Top falsch rum an.
In der Eile hatte ich ganz vergessen mich im Spiegel anzugucken.
„Tja, jetzt musst du dich wohl umziehen“ Ich kannte schon seine Bemerkungen, also drehte ich mich mit dem Rücken zu ihm und Zog mein Top aus.
Gerade als ich es richtigrum anziehen wollte, spürte ich Chris‘ warme Hände an meiner Taille.
Mein Herz fing an zu rasen, als ich seinen Atem auf meinem Hals fühlte.
Er küsste mich im Nacken und drehte mich langsam zu sich.
Ich machte die Augen zu und legte meinen Kopf in den Nacken, als er anfing mich am Hals zu küssen. Dann näherten sich seine zarten Küsse meinem Mund.
Er war wie eine Droge für mich. Mein Kopf war leer.
Ich wollte ihn.
Seine Lippen berührten meine, aber nur für einen ganz kurzen Moment, für den Anfang.
Dann spürte ich wieder seinen Atem auf meinem Gesicht er küsste mich erneut.
Ich legte meine Hände um seinen Hals und begann dann in seinen Haaren zu „wuscheln“.
Er drückte sich an mich und strich mir mit der Hand über den nackten Rücken.
Meine Haut brannte…
Es war ein langer, sehr langer Kuss.
Ich ließ die Tür ins Schloss fahlen und nahm Chris‘ Hand. Wir gingen zusammen zu seinem Auto, das auf der anderen Straßenseite parkte. Er machte mir die Tür auf und ich setzte mich rein.
Als dann auch er im Auto war, fuhren wir los. Ich wusste immer noch nicht wohin die Fahrt ging, denn das wollte Chris mir nicht verraten.
Wir fuhren nach Depoe Bay und dann wieder aus Depoe Bay heraus, in Richtung Strand.
Er hielt das Auto an und machte mir die Tür auf.
Dann holte er einen Korb aus dem Kofferraum heraus.
Die freie Hand legte er mir auf die Schulter und zog mich mit zu den Klippen.
Der frische, kühle Wind zerzauste mir die Haare, als wir am Klippenrand standen. Chris ließ mich los um den Korb abzustellen. Ich hatte damit nicht gerechnet und verlor mein Gleichgewicht. Gerade noch rechtzeitig, bevor ich die Klippe runterfallen konnte, hielt mich Chris wieder fest. Er zog mich etwas weiter vom Klippenrand weg, damit ich nun wirklich nicht runterfallen konnte. Als er es endlich geschafft hat, alles was im Picknickkorb war auf die etwas kleine Decke zu platzieren, setzen wir uns hin. Sandwiches, Salate, Früchte… er hatte wirklich an Alles gedacht. Ich kuschelte mich an seine warme Brust, denn der wind war wirklich etwas kalt. Ich probierte von Allem ein Stück und alles schmeckte super, selbst die Trauben, die ich eigentlich nicht mochte, gefielen mir auf einmal. Es war bereits Abend geworden als wir mit dem Picknick fertig waren… Chris packte Alles wieder in den Korb und ich half ihm dabei, dann legten wir uns auf die Decke und schauten in den Himmel, die Sonne war bereits am Horizont angelangt und der Himmel war rötlich gefärbt. Chris hatte eine große, warme Decke für uns dabei, da es jetzt erst anfang Frühling war und die Wärme noch nicht die Kälte vertreiben konnte.
Ich drehte mich zu Chris. Er lächelte…
„An was denkst du gerade?“, fragte ich.
„Ich? Ich versuche gerade zu verstehen womit ich dich verdient hab…“, sagte er leise, aber sehr deutlich.
„Wie süüüüüß“, ich legte mich zur hälfte auf seinen Oberkörper.
„Nein ehrlich, was habe ich, was die ganzen anderen Jungs nicht haben?“, fragte er etwas lauter als zuvor.
„Schatz, du glaubst doch wohl nicht, dass mich die anderen interessieren würden, wenn ich dich habe“, ich versuchte es möglichst glaubhaft rüberzubringen, dann gab ich ihm einen kleinen Kuss.
Er lächelte und erwiderte meinen kleinen Kuss. Ich küsste ihn auch wieder.
Als er mich dann zum zweiten mall küsste, dachte er nicht einmal daran aufzuhören und ich auch nicht. Seine Hände glitten an den Seiten unter meinen Pullover und mein rotes Top und meine Haut kribbelte bei seinen Berührungen. Doch weiter als bis zu meiner Taille ging er nicht. Eigentlich war ich ihm auch dankbar dafür, denn für weiteres war ich noch nicht bereit.
Als mich Chris abends nach hause brachte sprachen wir noch über die Schule und was wir auf Morgen aufhatten.
Er küsste mich zum abschied.
Ich löste mich von seinen Lippen.
„Also, bye… „
„Wir sehen uns“, sagte er und küsste mich wieder, während er mich an sich ran zog.
„Ich muss jetzt echt“
„Okay, geh“, brachte er gerade raus bevor er mich küsste…
„Aber jetzt geh ich“, sagte ich und küsste nun ihn.
„Bis später“ er erwiderte meinen Kuss.
Wahrheit oder Pflicht?
Tage, Wochen wahrscheinlich auch einige Monate vergingen. Chris und ich waren bereits unzertrennlich. Als meine Mutter erfuhr, dass wir wieder zusammen sind, war sie so Glücklich, dass sie Saltos hätte machen können – wär sie in der Lage dazu gewesen. Meine Schulnoten verbesserten sich mit Christopher’s Hilfe. In Bio hatte ich zuletzt eine zwei geschrieben, was meine Mutter in eine noch bessere Stimmung brachte. Und ich, nun ja ich hatte mich mehr unter Kontrolle denn je. Ich stolperte nicht mehr die Treppe runter, flog nicht auf die Nase, weil ich am Teppich mit dem Fuß hängenblieb oder Schnitt mich nicht dauernd beim Kochen. Alles war so wie damals, wie früher, als ich das erste Mal mit Chris zusammen war. Alles war perfekt. Perfekt. Was das vielleicht das Gefühl alles sei perfekt, dass mir Gänsehaut bereitete und mir das Leben schwer machte. Ich konnte nicht perfekt sein, und Chris auch nicht. Warum also dieses Gefühl? Es war alles perfekt und doch hasste ich diese Perfektion. Es war so langweilig so eintönig. Liebte ich Chris wirklich? War es die Wahrheit die ich aussprach, jedes Mal wenn ich Christopher sagte, dass ich ihn liebte. Oder war es zu meiner Pflicht geworden? War es die Pflicht, der ich nachgehen musste, Chris zu lieben. Musste ich nun Chris lieben, weil ich ihn nicht wieder enttäuschen wollte oder liebte ich ihn weil er immer für mich da war, mich immer unterstützt hatte, mich wie sein eigenes Leben liebte? Ich wusste die Antwort nicht. Es war wie Flaschendrehen. Es kommt immer dieser Zeitpunkt an dem man zwischen Wahrheit und Pflicht entscheiden muss.
Ich wachte auf.
Ich hätte mich umbringen können, so sehr hasste ich mich gerade. Warum hatte ich immer diese dummen Träume und diese Gedanken, dass Chris und ich einfach nicht zusammengehören? Warum?
Vielleicht war an diesen Träumen etwas Wahres dran und vielleicht war es wirklich meine Pflicht geworden ihn zu lieben.
Ich verjagte diesen Gedanken aus dem Kopf.
Und da war noch dieser Typ, der die braunsten und schönsten Augen der Welt hatte. Warum träumte ich andauernd von ihm?
Ich wollte verdammt noch mal eine Antwort darauf haben. Was wenn es gar keine Träume waren?
„OK. Du bist verrückt!“, sagte ich mir, aber das beruhigte mich nur wenig.
Dieser Typ in meinem Traum, er stand mit mir auf den Klippen in Depoe Bay ungefähr da wo Chris und ich waren.
„Nur dieses eine Mal“, sagte ich mir, stand auf, schnappte mir meine Jeansjacke und stieg ins Auto. Ich fuhr den Waldweg zur Stadt hinunter und dann bog ich ab zu den Klippen. Die Sonne stand schon ziemlich weit oben. Ich schaute auf die Uhr. 10.41. Ich parkte und stieg aus. Ich war wirklich verrückt. Ich dachte doch tatsächlich, dass ich ihn hier treffe. Ich meinte das ernst. Völlig ernst.
Ich lief hinüber zu den Klippen und suchte nach Ihm. Nichts. Da war absolut gar nichts. Nur die Sonne, das Meer, die Wellen und der frische Wind. Ich setzte mich an den Klippenrand und sah den Wellen unter mir zu.
Irgendwann stand ich dann wieder auf und ging zu meinem Wagen. Ich fuhr los und drehte mich nicht mehr um. Eine Träne lief mir die Wange runter.
Ich schloss kurz die Augen und wischte die Träne von meiner Backe. Doch als ich die Augen aufmachen wollte, waren meine Augenlieder schwer wie Beton. Mein Kopf schmerzte auf einmal fürchterlich und meinen Arm spürte ich nicht mehr. Immer noch mit geschlossenen Augen versuchte ich zu verstehen, was passiert war. Mit meinem Fuß tastete ich nach der Bremse, doch da war keine. Ich bekam Angst. Was war passiert? Wo war ich? Mehrmals versuchte ich die Augen zu öffnen, doch die Anstrengungen waren um sonst. Es war so, als hätte man sie mir mit Sekundenkleber oder ähnlichem zusammengeklebt. Die Müdigkeit überkam mich.
Als ich meine Augen aufmachte, war alles verschwommen. Ich sag eine Gestalt vor mir, konnte jedoch nicht sagen wer es war.
Ich blinzelte ein paar Mal und erkannte dann Alex.
Sie schaute mich mit großen Augen an.
„Kate!“, schrie sie.
Mir kam es sehr laut vor, furchtbar laut.
Ich öffnete meinen Mund.
„Wo bin ich?“, fragte ich sehr leise und schwach.
„Süße, Alles ist gut“, versuchte Alex mich zu beruhigen.
„Wo bin ich Alex, was ist passiert?“, wiederholte ich nochmal.
„Wir sind im Krankenhaus, du …du hattest einen Unfall.“
„W-ww-was?“, ich war schockiert: „einen Unfall?“
„Reg dich bitte nicht auf, es ist Alles wieder gut.“
„Gut?“, fing ich an, beschloss dann aber es zu lassen. „Wie lange bin ich schon hier?“ fragte ich dann ruhig.
„Eine Woche und zwei Tage.“, sagte Alex leise.
„O mein Gott“, mehr brachte ich nicht raus.
„Deine Mutter ist fast verrückt geworden vor Sorge. Dein Vater hat sie nach hause gefahren, sie hat drei Tage nicht geschlafen.“, erzählte Alex.
„Alex, ruf sie bitte an, sag ihr, dass es mir gut geht“, sagte ich schnell jedoch immer noch sehr leise.
„Keine Sorge, mach ich gleich“, antwortete Alex.
Sie ging raus zum Telefonieren. Ich schaute auf meinen Arm. Er war vergipst. „Gebrochen“ dachte ich mir.
Die Tür ging auf und eine Ärztin betrat das Zimmer.
„Frau Thomson? Wie geht es ihnen?“, fragte sie höfflich.
Wieder spürte ich diese stechenden Schmerzen in meinem Kopf.
„Nicht sehr gut“, antwortete ich und fragte sie ob ich im Koma gelegen habe.
„Nein … es war eher eine Art tiefer Schlaf, kein richtiges Koma. Aber ich muss sagen Frau Thomson“...
„Kate, nennen sie mich Kate“, unterbrach ich sie.
„Ich muss sagen Kate, sie hatten sehr viel Glück.“
Sie untersuchte mich kurz und schloss die Tür, nachdem sie sich von mir verabschiedet hatte.
Was war passiert? Was für ein Unfall hat es gegeben? Ich konnte mich an nichts erinnern, außer an diese letzte Träne, die mir die Backe herunterlief.
Erneut wurde die Tür geöffnet. Alex setze sich auf das Bett.
„Wie geht’s dir?“, fragte sie mit leiser Stimme.
„Den Umständen entsprechen gut“, antwortete ich.
„Deine Mutter wird bald da sein“, sagte Alexis.
Ich nickte.
„Alex? Was war das für ein Unfall?“, fragte ich.
„Hmm, ich weiß auch nicht genau, aber ich glaube du bist gegen einen Baum gefahren.“
„Wo?“, wollte ich wissen.
„In der nähe von deinem Haus, in dem Waldstück, wo du durch musst, wenn du von Depoe Bay zu dir fährst.“
„Was?“, fragte ich. Ich konnte dort gar keinen Unfall gemacht haben, weil ich dort nicht gewesen bin.
„In dem Walds“, fing sie wieder an.
„Nein“, ich unterbrach sie: „bist du dir sicher, dass es dort war?“
„Ja“, antwortete sie: „das hat zumindest dir Polizei deiner Mutter gesagt.“
Ich schloss meine Augen. Nein, so weit konnte ich gar nicht gefahren sein… Ich war erst bei den Klippen. Ich konnte mich an Nichts erinnern aber ich wusste – irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
„Alex? Weißt du vielleicht wann der Unfall passiert ist?“
„Eine Frau hat schrecklichen Lärm gehört, als sie dich sah rief sie die Polizei, sie sagten es war ca. 12.09 Uhr, als der Anruf einging“
„Abends?“, fragte ich in der Hoffnung sie würde meine Frage bestätigen.
„Morgens“, sagte sie verwundert: „ warum fragst du?“
„Das kann nicht sein…“, sagte ich: „ als ich am Samstag, bei den Klippen ins Auto stieg, war es genau 12.06 Uhr. In drei Minuten konnte ich kaum vom Strand zum Wald gekommen sein.
„Welche Klippen?“, fragte Alex verdutzt.
„Wie welche Klippen?“, wiederholte ich.
„Von welchen ´Klippen` redest du?“, wollte sie wissen.
„Ehh… von den in Depoe Bay wo ich am Samstag morgen hingefahren bin…“
„Du wolltest doch am Samstagmorgen um 11 zu Chris und auf dem Rückweg ist dann wahrscheinlich der Unfall passiert“, sagte sie: „was erzählst du mir von irgendwelchen Klippen?“
„Ich war am Samstagmorgen um 11 Uhr am Meer bei den Klippen in Depoe Bay“, sagte ich entrüstet.
„Schatz, bestimmt hast du dir den Kopf zu sehr gestoßen“, sagte Alex.
Ich war gar nicht überrascht sowas von ihr zuhören, sie war zwar meine beste Freundin, jedoch sehr ehrlich und direkt.
Damit war die Diskussion beendet, denn wenn Alex einmal zum Schluss gekommen ist brauchte man gar nicht mehr wiederanfangen. Und jetzt hatte sie mich gerade als ein Psycho abgestempelt.
Einige Zeit später kam dann meine Mutter hereingestürmt und den Rest könnt ihr euch wahrscheinlich schon denken …
Ich musste noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben, und mit jedem vergangenen Tag verlor ich mehr und mehr das Zeitgefühl, da ich ziemlich oft am Tag einschlief und in der Nacht aufwachte. Mein Kopf tat nicht mehr weh und meinem Arm ging es auch schon besser. Ich dachte die ganze Zeit über das nach, was Alex mir gesagt hatte… Ich war anscheinend nicht bei den Klippen, aber wie kam ich dann darauf? War es nur ein Traum. Möglich wäre es, denn die Ärztin sagte ich lag in einer Art tiefem Schlaf…aber wieso konnte ich mich nicht daran erinnern, dass ich um 11 das Haus verließ um zu Chris zu fahren? Gedächtnisverlust??? Das kam mir am logischsten vor.
´Chris` dachte ich. Wie ging es Chris? Schon seit einer Ewigkeit hatte ich nicht an ihn gedacht. Er war nicht im Krankenhaus um mich zu besuchen. Was war mit ihm los? Ich hatte keine Antwort auf die Frage. Vielleicht wusste ja Alex mehr. Ich stützte mich auf dem Ellbogen ab und nahm mein Handy vom Nachttischchen oder wie das Ding neben meinem Krankenbett auch hieß…Ich schaute auf die Uhr. Viertel nach fünf… Alex ist bestimmt schon aus der Schule zurück, dachte ich.
Hey du, wie gehts? was machst du? bist du schon daheim? wann kommst du wieder vorbei? will dich was fragen.. M.B
Ich schickte die Sms ab. Viel Wert auf die Grammatik und Rechtschreibung legte ich beim Simsen nicht.
Nach kurzer Zeit kam die Antwort…
Alex war schon auf dem Weg ins Krankenhaus und fragte mich was los sei. Ich beschloss nichts mehr zu schreiben, sondern zu warten bis sie da war.
Als Alex zur Tür reinkam sah sie besorgt aus.
„Was ist passiert?“, fragte sie sofort und umarmte mich danach zur Begrüßung.
„Nichts“, gab ich leise zurück: „ Ich wollte nur wissen was mit Chris los ist. Warum kommt er nicht hierher?“
„Oh Süße… weißt du das auch nicht mehr?“
„Was weiß ich nicht?“, fragte ich panisch.
„Er hat mir alles erzählt. Er sagte es tut ihm sehr leid, dass alles so kommen musste, er wollte nicht, dass das alles passiert. Er gibt sich die Schuld an deinem Unfall, sagt er hätte dich nicht in dem Zustand fahren lassen sollen“
„Von was redest du Alex?“, unterbrach ich sie.
„ Na von eurem Streit“, sagte sie.
„Alex kannst du bitte ganz vorne anfangen und mir alles erzählen, anscheinen hab ich mir wirklich den Kopf etwas fester gestoßen … ich weiß nichts mehr.“
„Natürlich“
Und während sie erzählte wurden meine Augen von Tränen überfüllt. Chris hatte mich betrogen, das hab ich an diesem Samstag erfahren, als ich ihm einen Überraschungsbesuch abstattete. Isabelle hieß sie, dieses kleine Miststück, wegen wem Chris mich fallen ließ. Halb Italienerin, klar dass er ihr nicht widerstehen konnte. Wie konnte ich nur so dumm sein, und seinen ganzen Lügen Glauben schenken? Ich kaufte ihm jedes einzelne Wort ab. Ich hatte ihn damals fallen lassen, wie konnte ich ernsthaft glauben, dass er nicht das Selbe mit mir tun würde. Ich hielt ihn für einen besseren Menschen als ich es jemals sein konnte, was sich jetzt als ein fataler Fehler entpuppte.
Alex hörte auf zu erzählen und nahm mich in den Arm.
„Ich habe schon befürchtet, dass du das alles nicht mehr weißt, aber ich wollte es dir nicht erzählen als es dir noch schlecht ging.“
„Also ist es jetzt nun aus zwischen uns?“, es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Ich erinnerte mich an meinen Traum, indem es darum ging, dass Chris und ich nicht zusammengehörten. War es vielleicht eine Vorahnung, dass sowas passieren würde… Nein. Es war nur ein Traum, ein gewöhnlicher Traum.
Was schmerzt mehr als ein gebrochener Arm? – richtig- die Wahrheit.
Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen, doch mich richtig darüber freuen konnte ich nicht. Das Wetter war nun sonnig und warm, aber auch diese wärme konnte mich kaum trösten. Es war anfang Mai… um genau zu sein war es der dritte Mai, ein Samstag. Meine Mutter holte mich aus dem Krankenhaus ab und fuhr mich heim, danach fuhren meine Eltern einkaufen. Ich war alleine zu hause. Mein Arm war immer noch vergipst, tat jedoch gar nicht mehr weh. Weil mir langweilig war, saß ich vor dem Fernseher und aß Schokolade. Wiedermal dachte ich darüber nach, wieso ich dachte, dass ich an den Klippen war und nicht bei Chris. Wollte mein Gehirn mir nur das Leid ersparen, indem es mich denken ließ, dass Chris und ich uns an dem Tag nicht begegnet sind? Denken, denken, denken, denken, das einzige woran ich dachte, war „denken“…. Ich stand auf, holte das Telefon und setze mich wieder aufs Sofa während ich die Nummer wählte.
„Ja, hallo?“, die Stimme ließ mich erstarren.
„Hi Chris“, sagte ich schließlich überzeugt.
„Was willst du?“
Wegen dem Ton zog sich mein Magen zusammen. Chris klang so anders, nicht wie der Chris den ich liebte.
„Reden.“ Das war das einzige Wort, das ich rausbrachte.
„Worüber?“
„Chris, ich weiß gar nichts mehr, ich weiß nicht mehr dass ich bei dir war, ich weiß auch nicht mehr, dass wir uns gestritten haben, nichts“, ich wusste dass ich verzweifelt klang.
„Kate, es ist aus. Du brauchst nicht angekrochen kommen und mich um etwas bitten, was ich nicht machen werde“
Tränen stiegen mir in die Augen, ich wollte es nicht wahr haben.
„Warum willst du nicht mit mir reden?“
„Wir haben uns nichts zu sagen, wir hatten uns nie was zu sagen, Kate“
„Dann hast du mich also nur verarscht?“, es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
„So ist es….“, er klang kalt, gefühlslos, herzlos.
„Und willst du mir vielleicht sagen warum?“, ich war entschlossen. Ich wollte die Wahrheit wissen. Was war los?
„Kate, stell dich nicht dumm. Du weißt ganz genau warum“, sagte er sarkastisch.
„Nein, weiß ich nicht, sag es mir! Sag mir einfach die Wahrheit und ich lass dich für immer in Ruhe!“
„Kate, wir sind jetzt Quitt. Du hast mich verarscht, ich hab dich verarscht, so einfach ist das Leben.“ Seine Stimme erinnerte mich an Eis, und dabei war sie doch immer so warm gewesen.
„Wer bist du?“, es war nicht wirklich eine Frage. Er antwortete nicht. Dachte er nach?
Dann sprach er doch: „Hast du noch was zu sagen?“ Er klang äußerst genervt.
„Was hast du mir gesagt, bevor ich nach hause gefahren bin?“
Das war die „eine Million“ Frage. Seine Antwort würde alles erklären. Aber er antwortete nicht. Schließlich kam nur ein Satz raus.
„Glaub mir, du willst es lieber nicht wissen.“ Er legte auf.
Was hatte das zu bedeuten? Ich fühlte nichts, weder Trauer noch Schmerz noch Enttäuschung. Auf dem Sofa sitzend, starrte ich ins Leere. Ich weiß nicht wie viel Zeit verging, aber meine Eltern waren noch nicht vom Einkaufen zurück. Ich stand auf, legte das Telefon weg und ging die Treppe hoch. Mein Bett war kalt, als ich mich drauflegte, aber das war mir egal. Ich lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ich fühlte mich komisch. Warum wollte ich nicht weinen, warum fühlte ich keinen Schmerz? Gerade jetzt wär es doch angebracht im Selbstmittleid zu versinken und sich gehen zu lassen, doch nichts….Ich war viel zu geschockt um was fühlen zu können.
Ich hörte wie meine Eltern vom Einkaufen kamen. Mit ihnen reden wollte ich nicht, also tat ich als ob ich schliefe. Meine Mutter kam hoch in mein Zimmer, sah dass ich schlief, machte die Tür zu und ging wieder runter. Ich hörte wie sie zu meinem Dad sagte, ich sei müde und erschöpft von der ganze Unfallsache und schlaf würde mir gut tun. Ich drehte mich im Bett um. Vor mir waren meine Regale mit den Büchern, die ich mir entweder selber gekauft, oder geschenkt bekommen habe. Als ich das Buch „Vampire Diaries“ sah, fragte ich mich ob Stefan Elena verziehen hätte, wenn sie was mit seinem Bruder Damon angefangen hätte. Die Antwort schien mir simpel. Er hätte alles für sie getan, denn er liebte sie mehr als alles auf der Welt. Für sie hätte er sein „totes“ Leben gegeben, ohne auch nur kurz darüber nachzudenken. Leider war es nur ein Buch und einen Stefan Salvatore gab es nicht, wobei ich ja immer dachte, dass Chris mein „Stefan Salvatore“ ist. Wie man sich doch im Menschen täuschen kann. Chris war gestrichen. Ich musste ihn vergessen. Er wollte mich nicht, wobei ich nicht mal wusste warum, aber ich entschied mich dafür ihn zu vergessen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Er würde irgendwann angekrochen kommen, mich um Verzeihung bitten, aber ich würde ihn … Ach, was bilde ich mir ein, er würde nicht kommen, selbst wenn ich sterben würde.
Selbst wenn ich sterben würde….. selbst wenn ich sterben würde… Dieser Satz hörte sich für mich logisch an. Habe ich versucht mich umzubringen, als ich in den Baum im Wald fuhr?
So dumm konnte ich doch nicht gewesen sein, oder konnte ich doch. Was hat Chris mir gesagt bevor ich nach hause gefahren bin? Ich war mir sicher, dass es die Antwort zu Allem war. Es konnte bestimmt mein Unfall erklären und auch das, was Chris mit „verarschen“ meinte. Ich wollte es wissen, ich musste es wissen. Aber ich konnte Chris nicht schon wieder anrufen, so tief konnte ich nicht sinken. Ich musste ihn „zufällig“ treffen.
Wann ich schließlich wirklich einschlief, weiß ich nicht. Am nächsten Tag wachte ich auf, weil mein Handy klingelte.
„Hallo?“, sagte ich verschlafen.
„Hey Kate, pennst du noch oder was? Wir haben schon 14 Uhr.“, es war natürlich Alex.
„Was ist?“, ich klang noch verschlafener.
„Ich wollte fragen ob du mit ins Kino willst?“
„Welcher Film und wann?“
„Knight and Day“, sagte sie „um 3.“
Eigentlich war ich einverstanden, aber es war unmöglich, dass ich in 40 Minuten fertig werden konnte, damit ich noch rechtzeitig beim Kino war.
„Läuft er nicht auch noch etwas später?“
„Doch um 6“
„Können wir dann vielleicht lieber um 6 gehen?“, fragte ich sie.
„Jaja, bis du fertig bist, ist der ganze Film um 3 eh vorbei. Also ich hole dich um 20 vor 6 ab?“, sie stellte fest, dagegen konnte ich mich nicht wehren.
„Passt“, sagte ich.
Sie legte auf, nachdem sie mir „Ciao“ gesagt hatte und ich nicht mal die Zeit hatte mich zu verabschieden.
Ich stand auf und schleppte mich ins Bad, stellte mich unter die Dusche und ließ heißes Wasser über mich laufen. Die Wärme machte mir gute Laune, und ich beschloss den Tag zu genießen.
Wie abgemacht, holte mich Alex um 20 vor sechs ab und wir fuhren in die Stadt. Alex parkte und wir liefen zusammen zum Kino. Während Alex noch die Karten kaufte, ging ich auf die Toilette. Als ich mir gerade die Hände wusch, hörte ich hinter mir eine Stimme.
„Soso, Kate, was für ein nettes Treffen“, sagte Isabelle
„Spar dir deine Höflichkeit“, gab ich zurück und verdrehte meine Augen.
„Spiel doch nicht die beleidigte Leberwurst, es ist alles deine Schuld.“ Sie setzte einen schroffen Ton an.
„Was hab ich denn getan? Nur weil ich ihn damals verlassen habe, verarscht er mich dermaßen“, meine Stimme wurde etwas lauter.
„Damals verlassen? Wie du dich jetzt auch noch rausreden willst… Kate er weiß alles, dieser Jake hat ihm alles erzählt.“, sagte sie bestimmt.
„Dieser WER???“ Wovon sprach sie? Jake, ich kannte keinen Jake, und was hätte er ihm schon erzählen können?
„Tust du eigentlich nur so, oder bist du wirklich so bescheuert, und versuchst immer noch zu verbergen, dass du schon seit ner Ewigkeit mit ihm rummachst“, sie klang wirklich interessier.
„Du hast doch keinen blassen Schimmer, was du da redest. Ich kenne keinen Jake!!!“
„Ach Kate… Ich befürchte, das wird dir keiner glauben.“, sagte sie hinterhältig und ging.
Plötzlich wurde mir alles klar.
Isabelle hat irgendeinen Typen damit beauftragt, die Beziehung zwischen Chris und mir zu zerstören, damit sie sich an Chris ranmachen kann, wer er am Boden zerstör ist und Trost braucht.
Dieses Miststück. Wahrscheinlich hat dieser Jake die „Es tut mir leid, aber sie hat dich mit mir betrogen“ Tour abgezogen, und Chris hat ihm alles abgekauft.
Mir wurde schlecht, als ich begriff, dass Chris mich nicht hasst, nicht hassen könnte, wenn er die Wahrheit kennen würde.
Ich stützte mich am Waschbecken ab, um nicht umzukippen…
Alex machte die Tür auf und schaute rein.
„Bist du ok?“, fragte sie besorgt.
„Ich weiß warum ich bei Chris war, und warum wir uns gestritten haben“, sagte ich.
„Was? Woher?“
„Isabelle. Ich hab sie grad getroffen und sie sagte mir, dass mir niemand glauben wird, dass ich Chris nicht mir Jake betrogen habe“, sagte ich leise.
„Wer ist Jake“, fragte sie verdutzt.
„Da siehst du es, ich habe genauso viel Ahnung wie du“, flüsterte ich, aber nicht weil ich nicht wollte, dass uns jemand hört, sondern weil ich nicht lauter reden konnte.
„Was? Ich verstehe nicht..“
„Alex, dieser Jake macht gemeinsame Sache mit Isabelle, er wurde von Ihr gebeten mich und Chris auseinanderzubringen, damit sie sich an ihn ranmachen kann“
„Scheiße“, sagte sie leise und lehnte sich gegen die Wand.
„Was wirst du jetzt machen?“
„Ich muss mit Chris reden… Er muss mir glauben, er wird mir glauben, wenn ich ihm das mit Isabelle erzähle.“, sagte ich.
„Kino ist gestrichen?“, fragte Alex vorsichtig.
„Nein, du hast ja schon die Karten bezahlt“, sagte ich und wir verließen die Damentoilette.
Schluss – mit Allem.
Ich klingelte. Die Tür ging auf und Chris starrte mich an.
„Was willst du?“, fragte er wiedermal genervt.
„Chris, es gibt keinen Jake und gab nie einen“
„Oh bitte“, er rollte die Augen: „erspar mir das“
„Chris ich lüge nicht, ich verstehe dass du mir nicht glauben willst, weil dieser angebliche Jake dir erzählt hat, er wär schon ewig mit mir zusammen, aber verdammt es ist alles nur gelogen. Isabelle hat ihn darum gebeten uns auseinander zubringen“
„Wouwouwou … lass Isabelle daraus! Kate, dieser Jake, er wusste alles von dir. Er hat gewusst was dein Lieblingsessen ist, er wusste, dass du keine Trauben magst…Woher? Sag mir woher konnte er das wissen, wenn selbst ich es nach den Monaten nicht gewusst habe?“, er schrie schon fast.
„Ich weiß es nicht Chris…“, meine Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich liebe dich, und ich habe immer nur dich geliebt“, ich hatte einen Kloß im Hals und die Wörter kamen nur ganz leise heraus.
„Sorry, ich kann dir einfach nicht mehr glauben, vor allem nicht mehr vertrauen…“, sagte er.
Stille.
„Wir sind fertig miteinander“, fuhr er fort.
Stille.
„Ich hab dich geliebt, du hast mir so viel bedeutet…Ich hätte alles für dich gemacht…“, er sprach immernoch, denn ich hatte einfach keine Kraft mehr um auch nur ein Wort zu sagen.
Stille.
„Kate, du hast mich kaputtgemacht, ich werde es einfach nicht überstehen, dich noch einmal zu verlieren… es tut mir leid“, sagte er. Es war das Schlusswort, das er gesprochen hatte, und gegen welches ich einfach nicht ankämpfen konnte. Ich war schwach. Nicht körperlich schwach. Meine Seele drohte sich einfach abzuschalten, wie ein Handy dessen Akku leer ist. Auch mit meinen Nerven war ich am Ende.
Stille.
Er schloss die Tür.
Die Tränen liefen mir über die Wangen.
Ich rannte zu meinem Wagen.
Weinend legte ich meinen Kopf auf das Lenkrad. Ich würde niemals wieder lachen können. Chris, mein Lebensinhalt, der mich liebte oder mal geliebt hatte glaubte mir nicht.
Das Sprichwort: „Man merkt erst was man hatte, wenn man es bereits verloren hat“, stimmte also.
Alles war so wie Isabelle es gesagt hatte…
Ich schloss meine Augen. In diesem Zeitpunkt wollte ich nur noch weg von hier. Ich wollte überall sein nur nicht hier.
Ich stellte mir vor wie der Wind mit meinen Haaren spielen würde, wenn ich jetzt am Meer wäre. Die kühle Nachtluft roch salzig und trotzdem frisch und ich hörte das Meer rauschen.
Ich startete den Wagen und fuhr los. Ja es war dämlich von mir in meinem Zustand Auto zu fahren, doch das kümmerte mich im Augenblick ‘n Dreck. Kurz darauf war ich bei den Klippen von Depoe Bay angelangt. Ich parkte mein Auto total schief und ging zum Abhang. Vorsichtig setzte ich mich hin und sah zum Meer hinaus. Die Erinnerungen an unser Picknick überfluteten mein Gehirn und mein Herz drohte vor Schmerz zu zerreißen.
Ich war mir bewusst, dass ich das Alles nicht länger aushalten würde…Ich würde irgendwann an einem qualvollen Tod durch ein gebrochenes Herz sterben. „Aber wozu leiden?“, dachte ich mir…
Ich stand auf und ging näher an den Abhang.
Niemals, niemals könnte ich ohne ihn leben, das hab ich seit kurzem begriffen, aber jetzt war es sowieso zu spät. Ich stand am Rande der Klippen und tausend Gedanken jagten mir durch den Kopf. Wie konnte er mich so fallen lassen? Wie konnte ich ihm so egal geworden sein? Auch wenn er wüsste wo ich bin und was ich vorhab, er würde nicht kommen um mich davon abzuhalten. Der Wind zerzauste mein Haar, Tränen liefen mir über die Wangen und meine Augen waren schwarz von Wimperntusche, aber das war mir egal…Jetzt war mir alles egal. Ich wollte nur noch eins, ich wollte springen.
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2011
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