Cover

Vorwort


Meine langen braunen Haare wehten im Wind, während ich meine mit Wimperntusche schwarz gefärbten Augen wieder in Richtung meines schon lang beobachteten Schwarms richtete. Mein Plan war es ihn schon länger anzusprechen, aber mein Mut reichte nie. Seit mittlerweile 2 Jahren hatte ich ein Auge auf ihn geworfen, und schon viele meiner Gedanken ausgeschmückt, wie es mit uns sein könnte. Letzteres beschloss ich aber doch wieder meinen Mund zu halten, und ihn weiter aus der Ferne zu beobachten. Obwohl mein Herz schon lange nach etwas Zuneigung verlangte, bekam ich sie dennoch nur von meinen Freunden, die 2 Orte weiter wohnten, und ich praktisch nie sah, da sie in die Schule 2 Orte weiter gingen. Ich hingegen ging auf die Schule in unserem Ort.
Meine Eltern mussten viel arbeiten, also war ich oft alleine zu Hause, und da ich schon 15 war, kümmerte es meine Eltern herzlich wenig wie es mir ging. Somit merkten sie auch nicht, dass mich meine Mitschüler nicht beachteten, und wenn dies schon passierte, dann war es so, dass sie mir blöde, und sehr verletzende Sprüche an den Kopf warfen und sie mir tief in die Seele brannten. Von Freunden war hier keine Rede. Keiner mochte mich, nicht einmal meine ehemalige Freundin aus der Volksschule. Mit einem Lehrer zu reden, traute ich mich nicht. Schließlich würde er alles nur noch schlimmer machen.
Mein Plan war es die Schule abzuschließen, irgendwohin zu ziehen wo mich keiner kannte, und dort ein Studium beginnen. Welches das sein würde, wusste ich jetzt noch nicht, aber ich wollte auf jeden Fall etwas aus meinem Leben machen.
Ich war ein etwas außergewöhnliches Mädchen, meine Träume waren nicht wie die von anderen. Oder doch? Ich wusste ich hatte Talente für viele Dinge die ich mir wünschen würde. Doch dies zu erreichen würde zu schwer sein. Dennoch standen sie auf der Liste der Dinge die ich einmal im Leben nur versuchen wollte.
Eines dieser Dinge war Modedesignerin. In meiner Nachttischlade, welche direkt neben meinem Kamin stand, war eine Mappe, mit vielen Zeichnungen von Kleidern, die mir persönlich gut gefielen, dennoch nicht so waren, dass ich mich traute sie irgendeiner Agentur zu schicken. Obwohl meine Freunde sehr überzeugt waren, und viele sogar sagten, sie würden sie sofort kaufen, war mein Mut wie üblich nicht da.
Ein weiterer Punkt dieser Liste war Modeling. Dieser Traum liegt sicher in den meisten Köpfen anderer Mädchen in dem Alter, oder auch nicht? Ich wusste nur, dass dies in meinem Kopf stand. Mit 15 die beinahe perfekten Modelmaße zu besitzen, war nur ein Traum vieler Mädchen. Ich besaß sie. Ich war mit 1,73m beinahe perfekt. Meine Figur war auch einigermaßen toll. Aber mein Traum war es lediglich einmal einen tollen Laufsteg entlang zu laufen, und in einem beliebten Modemagazin wie der Vouge ein professionelles Foto zu sehen. Doch auch wie der andere Traum, unerreichbar.
Ein anderer Punkt war einmal singen, auf einer Bühne so groß wie die meiner Schule. Doch ich sang nicht besonders toll. Ich sang zwar besser als die meisten. Aber dennoch war ich nicht gut genug. Meine Eltern fanden dafür nie gefallen. Im Gegenteil sie fanden es sogar schrecklich. Aber das war wohl der unwahrscheinlichste Punkt auf meiner Liste.
Selbstverständlich standen auf dieser Liste auch noch andere Punkte wie die Wasserfälle in Kanada zu sehen, auf Fotos faszinierten sie mich so sehr, dass ich sie zu einem der wahrscheinlichsten Punkte gemacht habe. Ein anderer Punkt war einmal der erste Kuss. Mit 15 hatten den schon die meisten Mädchen, entweder bei Pflicht- Wahl oder Wahrheit. Aber ich war anders.
Reden wir nicht über meine Träume. Ich war ein Mädchen, in einem kleinen Ort namens Pottendorf. Dort ging ich zur Volkschule, Hauptschule und jetzt ging ich in eine Schule in Wr. Neustadt. Ich lebte in einem Land namens Österreich. Kennt beinahe niemand. Ist aber bekannt für Wien. Aber das ich Nebensache. In meinem kleinen Ort wohnte ich am Rande in einem Haus. Es war wunderschön, groß und wir hatten sogar einen echt tollen Pool. Ich fühlte mich zu Hause immer am wohlsten. Mein Zimmer war zwar klein, aber dafür sehr gemütlich. Die Wände waren gelb und blau. Mein einziges Fenster stand auf Nordseite. Dies bedeutete zwar, dass wenig Licht ins Zimmer kam, dennoch mein liebster Ort war. Hier konnte ich mich zurückziehen, mir die Seele aus dem Leib weinen. Und einfach für mich da sein.


Kapitel 1


Ich war auf einer Insel auf Urlaub mit meinem Freund Justin. Er war in Italien in seinem Strandhaus. Seine Eltern hatten mich mitkommen lassen. Wir unternahmen jeden Tag etwas Romantisches. Täglich wurde es romantischer. Und ich konnte die restlichen Tage bis zur Schule schon an den Fingern abzählen. Dann würde alles anders werden. Entweder würde ich beliebt sein, oder Justin unbeliebt. Aber das war Nebensache. Das schönste auf der Welt hatte ich ja- Zuneigung.
Aus meinem Schlaf weckte mich ein Kuss auf die Wange. Als ich meine beinahe schwarzen Augen öffnete, war das erste was ich zu Gesicht bekam mein aller größter Schatz Justin. Langsam richtete ich mich auf uns begutachtete Justins Lippen. Seine vollen Lippen waren wie immer die perfekte Abstimmung zu seinen restlichen Gesichtszügen. Seine blonden etwas längeren Haare waren noch zerzaust vom Schlafen, aber das Frühstück hatte er mir schon ans Bett gebracht. Letzteres begutachtet ich seinen Waschbrettbauch der genauso gebräunt war wie sein restlicher Körper. Ich erinnerte mich wieder an den Surfunterricht den er mich am Vortag gegeben hatte, bei dem ich mich als total talentiert entpuppte. Mein Wunsch war es bestimmt noch einmal, und zwar heute surfen zu gehen. Aber Justin hatte bestimmt etwas anderes geplant.
Als Justin seinen Mund öffnete um mir einen schönen guten Morgen auszurichten, kamen nur die Töne eines Weckers raus, die mich unsanft aus dem Schlaf rissen. Ich riss meine Augen auf, und dachte als erstes daran, dass die Person aus dem Traum noch nie zuvor da war. Sonst träumte ich immer von meinem Schwarm Kevin. Aber die Person war mir im Aussehen und im Namen unbekannt. In meinem Leben war nie ein Justin. Und nebenbei auch noch nie ein Junge der mich liebte. Zumindest wusste ich davon nichts.
Mein nächster Gedanke war, dass ich nicht aufstehen wollte und wie jeden Morgen in die Schule zu fahren. Dennoch musste ich dies, wenn ich in meinem Leben einmal etwas erreichen wollte. Also schlug ich die Decke nach vorne. Ein kalter Schauer rann mir den Rücken hinab. Die Winterfrische kam mir entgegen. So schnell wie möglich stülpte ich mir meinen Bademantel über und ging nach unten. Dort nahm ich wie jeden Morgen das Nutella aus dem Schrank, und klatschte es auf mein Brot.
Nachdem ich mein Frühstück verdrückt hatte, ging ich wieder nach oben und zog mir mein Gewand an, schminkte mich ein wenig und sah auf die Uhr. Es war Zeit zu gehen. Also zog ich mir meine Stiefel und meine Jacke an. Schloss die Haustür und ging zu meiner Nachbarin, mit der ich immer zum Zug ging. Als sie auch nach draußen kam, gingen wir los. Nicht weit gegangen, bemerkte ich, dass es ein Rutschgang werden würde. Und nicht weit entfernt von meinem Gedanken, rutschte ich aus, und landete sehr schmerzhaft auf meinem Po. Mein Kopf klatschte genau auf den Randstein des Gehsteigs. Das pochen in meinem Kopf deutete auf eine Gehirnerschütterung. Da mir aber nicht schlecht wurde und auch keine Schwindelgefühle da waren, wurde aus meiner Annahme nichts. Meine Nachbarin fing sofort an zu lachen, und ich stimmte in das Lachen ein. Sie half mir beim Aufstehen und wir gingen weiter zum Bahnhof. Dort ging sie dann zu ihren Freunden und ich zu meinen. Die ich allerdings nur bei der Zugfahrt sah, sonst waren sie auch wieder in anderen Schulen.
Die Schule war wieder eine Qual. Als die Schlussglocke läutete, stürmte ich als erste zur Tür hinaus, und zum Bus, der mich zum Zug bringen sollte. Im Zug angekommen, verband ich meine Kopfhörer mit meinem Handy, und drehte die Musik so laut es ging, und wartete bis ich bei meiner Station aussteigen konnte.
Als ich zu Hause angekommen war, stand das Mittagessen schon am Herd. Und ich musste nur noch fertigkochen. Als ich mit dem Essen fertig war, spülte ich es ab und stellte das Geschirr zurück in den Schrank. Dabei entdeckte ich einen Zettel. Er musste wohl von meiner Mutter sein. Darauf stand, ich solle noch Milch einkaufen gehen und beim Heimweg noch ihr Kleid in der Schneiderei abholen. Dabei lagen noch 100 ¤.
Ich machte mich auf den Weg, und blieb bei der Ecke vor dem Maronihaus stehen, denn da entdeckte ich wieder Kevin. Ich begutachtete ihn wieder einmal von oben bis unten. Seine Gesichtszüge kombinierten sich perfekt zu seinen Lippen. Da ich dort unbedingt vorbei musste, um die Milch zu besorgen, fuhr ich mit meinen Fingern noch einmal durch meine Haare um sie frischer aussehen zu lassen. Dann ging ich los. Zu meiner Verwunderung beachtete er mich zum ersten Mal. Da er nicht in meine Klasse ging, hatte er mich auch noch nie kennengelernt, oder mich als Außenseiter gesehen. Als er mich sah, konnte ich ein kleines Lächeln über seine Lippen schwinden sehen. Mein Herz begann sofort zu rasen. Um nicht unhöflich zu wirken, versuchte ich das bezauberndste Lächeln über meine Lippen zu bringen. Ich glaubte es gut hinbekommen zu haben. Und ging weiter. Nachdem ich im Supermarkt und bei der Schneiderei war, ging ich nach Hause. Ich brachte die Milch in den Kühlschrank und das Kleid legte ich auch das Bett meiner Mutter.
Da ich beim Reingehen die hochstehende Fahne am Briefkasten entdeckt hatte, ging ich erneut nach draußen um die Post zu hohlen. Beim Reingehen durchforstete ich die Post nach Briefen oder ähnlichem für mich. Und tatsächlich. Da war ein Brief an mich adressiert. Drinnen öffnete ich ihn sofort. Als ich zu lesen beginnen wollte, kam auch schon meine Mutter nach Hause. Ich rannte auf sie zu und begrüßte sie. Als sie sah was ich in der Hand hielt, nahm sie es mir weg und sagte, es stünde zwar mein Name drauf, aber er wäre für sie. Unwillig gab ich ihn ihr.
Nachdem sie ihren Mantel abgelegt hatte, und sich einen Kaffee gemacht hatte, las sie den Brief. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war sie froh über den Inhalt des Briefes.
Als schließlich auch mein Vater heim kam, las er den Brief auch. Später als ich ins Bett musste, konnte ich hören wie sie darüber redeten. Anscheinend ging es um einen Urlaub im Sommer. Ich war irgendwie froh darüber. Aber warum war er an mich adressiert, und vor allem, warum wollten sie mir davon nichts sagen. Vielleicht sollte es auch eine Überraschung werden, da wir seit Jahren keinen Familienurlaub mehr gemacht hatten. Bevor ich einschlief, machte ich mir viele Gedanken darüber wo es hingehen könnte, oder ob es überhaupt ein Urlaub sein könnte.
Als ich wieder vom Wecker geweckt wurde, dachte ich daran, dass es Samstag war, und ich gestern vergessen hatte den Wecker abzustellen. Ich versuchte erfolglos einzuschlafen. Als die Sonne aufging stand ich auf, stellte mich unter die Dusche und machte mich frisch. Meine Eltern schliefen noch, und der Brief war nicht zu finden, also machte ich mir Frühstück und ging mit meiner Kamera nach draußen um schöne Winterfotos zu machen. Auf meinem Weg in dem Wald traf ich Kevin wieder. Er lächelte mich an, und zeigte mir mit einer Handbewegung dass ich herkommen solle. Mit Herzklopfen ging ich auf ihn zu und dachte nicht daran zu lächeln. Da es sowieso kalt war, hatte ich dies als Ausrede dafür, warum ich so böse schaute. Er fragte mich warum ich mit einer Kamera in der Kälte herumlief, und ich antwortete einfach und gezielt, dass ich an der Weltmeisterschaft für Fotografen teilnahm, und dass das meine einzige Möglichkeit sei, ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen und mein Talent im Fotografieren zu zeigen. Als ich ihm die Fotos gezeigt hatte, war seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, echt viel Begeisterung zu sehen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass das mein erstes Gespräch mit ihm war. Meine hängenden Mundwinkel formten sich schnell zu einen Lächeln. Und mein Herz klopfe schneller als je zuvor. Das änderte sich schnell als ich daran dachte wie kalt es war. Ich begann wieder zu zittern. Kevin fragte mich ob mir kalt sei. Mit einer einfachen Antwort war das geklärt, und er fragte mich ob ich nicht mitkommen möge zum Maronihaus. Mit Freude sagte ich zu, und wir gingen zum Maronihaus. Da wir uns aufwärmen wollten, setzten wir uns hinein. Dort fragte ich ihn dann wo er zur Schule ging, da ich ihn in meiner nie sah. Und auch sonst nicht so oft. Er wurde ein wenig rot, und fing an zu erzählen.
>>> Meine Eltern waren jung als sie heirateten. Meine Mutter war bald schwanger mit mir, und starb bei einem Autounfall. Sie konnten mich retten, aber ich wurde trotzdem zu früh geboren. Mein Vater hat mich allein gelassen als meine Mutter starb. Also kam ich ins Heim. Nach vielen Jahren, als ich alt genug war um darauf zu achten war mit mir passiert, und ich meinen Vater gefunden hatte. Da besuchte ich ihn einmal. Er war froh mich gefunden zu haben und erzählte, dass er mich immer bei sich haben wollte, aber das Heim es nicht zugelassen hat. Und er sagte auch, er hätte im entscheidenden Moment um mich gekämpft. Aber dies alles habe nicht gereicht.
Und seither besuche ich ihn immer Übers Wochenende. Und da ich freitags nicht lange Unterricht habe, darf ich dann gleich zu ihm.<<<
>>> Das ist ja schlimm.<<Kapitel 2


Der Weg zu ihm führte durch den ganzen Park bis zu einer schönen kleinen Wohnanlage. Es waren zwar nur Wohnungen, aber trotzdem schöne Wohnungen. Er hatte eine Wohnung im Erdgeschoss, also besaß er sogar einen kleinen Garten, und man glaubt es kaum, aber er hatte sogar einen kleinen Pool, der jetzt im Winter natürlich zugefroren und fast ganz leer war.
Als wir in der Wohnung waren, trafen wir auf dem Weg in sein Zimmer, seinen Vater. Ich begrüßte ihn höflich, und er ebenfalls. In seinem Zimmer angekommen, bot er mir an mich auf seinem Sofa zu setzen. Als ich mich gesetzt hatte, war er weg. Ich begutachtete sein beinahe doppelt so großes Zimmer, und entdeckte ein Regal, welches voll war mit Pokalen. Die Figuren dabei waren alle eindeutig zu erkennen. Er hatte also viel mit Klettern in seiner Freizeit zu tun. Unter seinen Pokalen fand sich auch einer mit Pferd. Ich dachte mir nur, warum sollte ein Junge freiwillig Kontakt zu Pferden haben? Als er ins Zimmer kommt, entdeckte ich die 2 Tassen in seinen Händen. Geschickt hielt er die 2 Tassen in einer Hand und in der anderen Hand hielt er eine Packung Minimarschmallos. Die konnte nur eines bedeuten. Er hatte heiße Schokolade gemacht. Als er sie mir reichte, fragte ich ihn nach seinem Reitpokal. Da begann er seine Geschichte vom Reiterhof zu erzählen, auf dem er als kleiner Junge war. Währenddessen begann ich meine Schokolade zu pusten, damit sie mit nicht die Kehle verbrannte. Aus seiner langen Geschichte zu urteilen, war er als kleiner Junge auf einem Reiterhof im Urlaubscamp, und er hatte den Camp Pokal beim Springturnier gewonnen.
Da ich alles wusste was ich wissen wollte, versuchte ich mich an der Schokolade. Da fragte mich Kevin noch, ob ich noch Marschmallos haben wolle. Dagegen hatte ich nichts, da ich total auf die Dinger stand.
Ich begann also meine Schokolade zu schlürfen, aber der Duft der verdampfenden Schokolade machte mich ganz wahnsinnig. Es roch wie der allerschönste Traum. Er war unvergleichbar mit den schönsten Dingen die man gerochen hatte, den schönsten Dingen die man erlebt hatte, es war einfach das unvergleichbarste Erlebnis das bisher in meinem Leben stattfand. Ein Geruch der einfach die traurigen Momente im Leben für ein paar Momente wegschaltete. Ich blitzte Kevin mit einem funkeln in den Augen an, wie ihn noch nie ein Mädchen in die Augen gesehen hatte. Mein Herz pochte wieder wie wild. Ich hatte das Gefühl, dass es Kevin genauso erging. Aber dies alles könnte genauso gut an der heißen Schokolade liegen, die mir gerade den Verstand raubte.
Plötzlich wurde mir schwindlig und ich stellte die Tasse vorsichtig auf dem vor mir stehenden Tisch ab. Und versuchte mich wieder in eine Aufrechte Sitzposition zu richten, doch ich kippte weg. Als ich meine Augen öffnete war ich mit einer Decke zugedeckt. Mir war warm und wohlig ums Herz. Mein erster Gedanke war die Uhrzeit. Ich schaute mich um und entdeckte eine Uhr über dem Fenster. Sie hatte die Form eines Karabiners. Und die Zeiger hatten die Form und Struktur eines der beinahe unzerstörbaren Seile die man beim Klettern verwenden kann. Jedenfalls war es erst 12 Uhr, trotzdem war es Zeit zu Hause Bescheid zu geben. Plötzlich konnte ich wieder die vertraute Stimme von vorher war nehmen. Ich bemerkte nur, dass Kevin mit seinem Vater sprach. Dabei fiel mein Name mehr als einmal. Ich wusste es war unhöflich Gespräche zu belauschen, aber es ging doch um mich, und wenn jemand was merken sollte, dann würde ich es einfach abstreiten und behaupten, dass ich im Schlaf manchmal solche Bewegungen machte.
In dem Gespräch ging es darum, dass Kevin nicht ohne Vorwarnung Mädchen oder gesamt Freunde mitbringen sollte. Und unter den Umständen, dass ich auch noch eine so strenge Mutter besäße, solle er sich von mir fernhalten. Es würde nur Ärger geben. Für seinen Vater, ihn selbst und für mich. In meinem Körper staute sich die Wut, und die ersten Tränen flossen wieder mein Gesicht herab. Ich überlegte wie ich schnellst möglich die Wohnung verlassen könnte. Kevin und sein Vater waren im Wohnzimmer, ich musste nur an der Tür vorbei. Dabei würden sie mich bemerken, aber wenn ich schnell genug laufen würde, dann könnten sie nicht viel machen. Auf gut Glück versuchte ich so leise wie möglich die Decke auf die Seite zu legen, und rannte so schnell und leise es nur ging zur Haustür. Offenbar hatten sie mich nicht bemerkt. Auch die Tür bekam ich mehr oder weniger lautlos auf, doch beim Zuziehen quietschte es. Ich versuchte so schnell es nur ging meine Schuhe anzuziehen. Und rannte einfach los. Hinter mir hörte ich die Tür erneut aufgehen. Ich konnte Laute hören die aus Kevins Mund kamen, aber das rascheln meiner Winterjacke war zu laut um es zu hören. Und eigentlich wollte ich ihn auch nicht hören, es bereitete mir zu große Schmerzen. Ich wollte einfach nur weg. Wohin wusste ich auch schon. An meinem Lieblingsort . Den kannte bestimmt keiner. Und schon gar nicht Kevin. Ich kannte ihn erst richtig seit zwei oder drei Tagen. Ich rannte so schnell ich es nur hinbekam und gleichzeitig flossen mir tausende Tränen meine Wange hinab. Da dachte ich im einen Moment noch ich wäre wieder auf einem besseren Weg. Und dann hört man, dass man unerwünscht ist, und einen sogar in Schwierigkeiten bringe.
Ich lief und lief, bist ich endlich da war. Ich versteckte mich hinter dem Baum, hinter dem man den besten Überblick über den zu Eis erstarrten See hatte. Ich setzte mich hin, weinte, dachte wieder über das Leben nach. Und hatte Angst. Wenn ich heimkommen würde, was für eine Strafe würden sie mir diesmal geben. Was würden sie diesmal an mich adressiert finden. Was für einen Sinn hatte das Leben eigentlich. Verstoßen von der Person der man alles anvertraut hatte, ungeliebt von den Eltern und kaum Freunde, und die waren zu weit weg, um mir Trost zu schenken. Jetzt dachte ich gerade an den kleinen Teddybär den ich einmal geschenkt bekommen hatte von meiner Freundin. Ich dachte daran dass ich ihn doch in die Jackentasche von genau dieser Jacke getan hatte. Ich holte ihn heraus und knuddelte ihn so fest an mich, dass er wenn er echt wäre, Höllenqualen erleiden müsste. Aber das war er glücklicherweise nicht. Noch einmal musterte ich ihn. Sein Tarngewand machte ihn zu einem unglaublich mutigen Teddy, der einem irgendwie Schutzgefühl geben konnte. Plötzlich dachte ich daran, dass Schnee lag, und man meine Fußspuren ganz leicht verfolgen konnte. Ich dachte mir einen Plan aus, wie ich zu dem Versteck etwas weiter hinten im Wald erreichen könnte. Aber ich konnte mich nicht aufrichten, um den Plan auszuführen. Meine Beine und Arme waren zu kalt. Jede Bewegung schmerzte. Also beließ ich es dabei. Irgendwer würde mich finden, oder ich würde von der Kälte, erlöst werden von meinem Leben. Klingt zwar schmerzhaft, aber ein Leben weiterführen, indem man sowieso nicht geliebt wird, nicht einmal von den eigenen Eltern. So ein Leben wollte ich sowieso nicht führen. Ich schmiegte mich wieder an meinen tapferen Soldaten und vergoss wieder Tränen über Tränen. Mein Gefühl trübte mich zwar, aber ich hatte das Gefühl, die Tränen würden festfrieren. Aber dabei dachte ich an etwas, was wir vielleicht einmal in der Schule gelernt hatten. „Salzwasser friert nicht!“ so kam es vielleicht mal aus einem der Münder.
Als ich Schritte hörte, stockte mein Atem, ich wollte nicht gesehen werden, ich wollte in diesem Moment einfach nur tot sein, in einem tiefen endlosen Graben liegen. Ich wollte in tieferen Tiefen sein als der Marianengraben, der tiefste zu erreichende Punkt der Erde, war nicht tief genug… am liebsten hätte ich mich aufgelöst und meine Asche in der Erde hinterlassen. Aber selbst dies war zu spät, denn hinter mir ertönte ganz leise, und vorsichtig ausgesprochen mein Name >>> Jeanie<<< Mein Herz raste wie verrückt, mein Blutdruck erhöhte sich gewaltig, so hatte es zumindest den Anschein, und ich konnte meinen Atem sehen, wie schnell sich die warme Luft aus meinem Mund bewegte, wie schnell mein Herz raste, und wie nervös ich war. Die Stimme ertönte noch einmal auf dieselbe Art und Weise wie vorher, fragend als wäre sich die Person nicht sicher ob ich es war, flüsternd weil die Kälte so sehr im Hals brannte, und vorsichtig um keine Verletzungen zu verursachen. Aber es musste Kevin sein. Der Schnee war frisch gefallen und meine Fußspuren waren wie ich beobachtet hatte, die einzigen die man sehen konnte. Ich versuchte wieder den Atem anzuhalten. Ich lauschte der Natur, dem schnellen Atmen von Kevin, welcher vom Rennen total erschöpft war, dem Herzschlag den ich bis hier her hören konnte. Er war nicht so schnell wie meiner, aber schnell genug um Erschöpfung zu zeigen. Der Herzschlag von mir und von Kevin verlangsamte sich. Mein Atem wurde noch ruhiger und Kevins stockte ganz. Mitten aus der Stille kamen die Schritte auf einmal näher. Erneutes flüstern war zu hören >>>Darf ich mich setzen<<< ich war der Meinung ich sollte ihn ignorieren, also sagte ich einfach nichts und wartete ab.
Schließlich setzte er sich doch zu mir. Ich wendete meinen Blick vom See ab und blickte in den Schnee links von mir, so musste ich Kevin nicht ansehen. Und da entdeckte ich drei grüne Spitzen die zwischen der weißen Schneedecke zum Vorschein kamen. Meine Augen begannen zu leuchten, denn das hieß dass wir bald Frühling haben, und deshalb freute ich mich besonders. Ich hasste den Winter. Es war einfach nur kalt, nass und einfach nicht meine Jahreszeit. Ich hatte den Sommer am liebsten. Da war es warm, wir hatten Ferien, und man konnte so wenig wie möglich anziehen und schwitze trotzdem.
>>> Warum ignorierst du mich<<< Ich gab wieder keine Antwort, ich wollte einfach nicht mit jemandem reden, der mir erst Hoffnungen macht, und mir dann das Herz bricht. Ich war einfach zutiefst verletzt. Wieder sammelten sich die Tränen in den Augen, bis sie sich schließlich trennten und meine fast eingefrorene Wange runterrannen. Eine sanfte Berührung eines warmen Körpers auf der Unterseite einer meiner Tränen ließ mich wieder erröten. Mein Herz wurde wieder schneller. Aber ich musste wieder an das Gespräch das er und sein Vater hatten, denken. Dabei rannen noch mehr Tränen. Ich fühlte mich so verletzt, dass ich sogar schluchzen musste. Mit einer sehr beruhigenden Stimme redete Kevin auf mich ein. Es fühlte sich an wie eine große wärmende Decke unter der man plötzlich saß. Ich saß da mit Kevin, und er legte seinen Arm um mich und drückte mich ganz fest, als ich mit meiner rechten Hand die Decke ein Stück anhob, konnte ich den See ganz geschmolzen sehen, die Seerosen erblühten in enorm geringer Zeit. Die Bäume bekamen Blätter so schnell ich es noch nie gesehen hatte. Die Wärme die ich in meinem Gesicht spürte, war eine Frühlingsluft, die immer wärmer wurde. Ich hatte den Drang mir die Jacke auszuziehen. Beim Versuch dies zu tun, fragte mich Kevin warum ich so dumm sei? Und meine Augen sahen wieder die Wirklichkeit. Ich saß da, angelehnt an den Baum. Kevin rechts an meiner Seite. Keine Decke in Sicht, und der See völlig zugefroren. In der Ferne konnte ich einen schneeweißen Hasen vorsichtig über das Eis hoppeln sehen. Ich hatte kein Wärmegefühl mehr und wollte meine Jacke wieder zuziehen. Doch der Verschluss klemmte. Als mir Kevin zur Hilfe kommen wollte, wies ich ihn ab. >>>Ich brauche keine Hilfe von jemanden, der mir erst das Gefühl gibt etwas Besonderes zu sein, und dann das Gefühl gibt, unerwünscht zu sein<<< So schnell ich mich winden konnte, stand ich auf, und lief davon. Ich wusste nicht wohin, ich wusste nicht wie lange und ich wusste nicht ob er mir nachlief. Und wieder hörte ich die Stimme aus dem Stiegen Abgang. Die mir nachrief. Diesmal konnte ich ihn sogar verstehen. Aber es war nur mein Name.
>>>Ahhh… Aauuu <<Kapitel 3


Ich wachte auf, mit der Erwartung mir wären die Gliedmaßen vor Kälte eingefroren. Doch mein Gefühl verspürte mir wohlige Wärme. Der stechende Schmerz war dennoch zu spüren. Er war wieder stärker als zuvor. Vielleicht lag es an der Wärme die das Blut wieder schneller gerinnen ließ, vielleicht aber auch der Druck der auf meinem Knöchel lag. Meine Augen zu öffnen wagte ich nicht. Also lag ich weiter in Gedanken und suchte nach Anhaltspunkten die mich vielleicht an meinen derzeitigen Standpunkt festheften könnten. Doch um mich zu tasten wäre auch keine gute Idee, wer weiß wer mich beobachtete. Ich wollte nicht wissen was auf mich zukam. Also versuchte ich einfach wieder einzuschlafen, diesmal wusste ich ja glücklicherweise, dass ich nicht erfrieren würde. Nach einer geschätzten halben Stunde war ich wieder eingeschlafen.
Als ich dennoch erneut aufwachte, konnte ich mir ein erneutes einschlafen einfach nicht vorstellen, da ich erstens ausgeschlafen war, und zweitens einen unglaublichen Schmerz in der Kehle verspürte. Ich brauchte unbedingt etwas zu trinken. Ich überlegte erneut wie ich mir Orientierungssinn verschaffen konnte. Da viel mir ein entscheidender Punkt ein, der mir eindeutig sagte, dass es schon dunkel war. Denn wenn es hell war, dann spürte man das Blenden auch wenn die Augen zu waren, und dieses Gefühl hatte ich jetzt eindeutig nicht. Also musste es Nacht sein. So hatte ich eine 70 prozentige Chance, dass die Person oder die Personen die mich beobachteten, schliefen. Bevor ich anfing um mich zu greifen um mich zu orientieren, lauschte ich nach Atemgeräuschen. Da waren welche, hörte sich nicht nervös oder sonst wie an. Es hörte sich an wie ein schlafender Mensch. Weit entfernt hörte sich die Person nicht an. Also tastete ich sehr vorsichtig alle Richtungen ab, um vielleicht vertraute Gegenstände zu erreichen. Und tatsächlich, da war die Wand, die genau an mein Bett grenzte. Ich griff noch einmal nach links, um zu fühlen ob hier mein Nachtkästchen war. Jetzt war ich mir sicher, dass die Person schlief, also öffnete ich ganz vorsichtig meine Augen. Die Rouleau über dem Fenster auf der Schräge über meinem Bett war nicht zu, also schien der Mond hell durch mein ganzes Zimmer, aber nicht so hell, dass man ihn bei geschlossenen Augen hätte sehen können. Zuerst tastete ich zu dem noch immer schmerzenden Knöchel. Schnell bemerkte ich, dass es jemand verbunden hatte, denn es war ein sauber und fest aufgetragener Verband. Mit genauerem Hinsehen konnte ich deutlich erkennen, dass durch den Verband ein wenig Blut gekommen war. Ich erinnerte mich zwar nicht dass ich geblutet hatte, aber scheinbar war es so. Möglicherweise spürte ich das auch nicht durch den Schnee.
Mein nächster Schritt war, alles zu durchdenken, wie ich lautlos zum Wasserhahn im Bad gegenüber zu kommen. Im selben Moment als ich dachte es müsse leise sein, dachte ich auch, dass es unmöglich sei. Kein Mensch, konnte jemals an einer Person vorbei die genau neben dem Bett auf einem Sessel saß, und dort vielleicht nicht einmal richtig fest schlief. Ich gab es auf und lehnte mich wieder zurück in meinen Stapel von Pölstern die scheinbar jemand dahin gelegt hatte. Ich schloss die Augen, mit der Hoffnung das der Morgen nicht mehr weit reichte, aber auch dies, mit wenig Erfolg. Also lag ich Stunden da, und dachte nach, wie ich hier her gelangt war. Ich überlegte auch wer die Person neben mir sein könnte, auch wenn die Atemgeräusche sehr an Kevin erinnerten. Aber ich verneinte mir selbst. Er konnte es nicht sein. Im Wald war er dann auch weg. Ich beruhte auf der Hoffnung nicht Kevin hier sitzen zu haben. Andernfalls hätte mir das den Puls wieder in die Höhe getrieben. Da ich also genügend Zeit hatte über alles nachzudenken, tat ich das. Später, dachte ich dann über Bücher nach die ich gelesen hatte, Filme die ich gesehen hatte. Und dann dachte ich mir, warum gibt es keine Bücher oder Filme, die so sind wie es mir geht. Komischerweise gab es ähnliches noch nie. Es gab immer nur die Art Bücher und Filme, die einem ausschließlich einen Einblick dafür gaben, wie es in glücklich laufenden Leben ist. Eins war klar, sollte ich jemals ein Buch schreiben, würde das sicherlich mein Leben beinhalten. Doch bis dahin, musste ich erst einmal mein Leben in den Griff bekommen und das Auslandsjahr hinter mich bringen.
Schließlich konnte ich mich dazu überreden die Augen wieder zu öffnen um den Mond und die Sterne zu beobachten, aber ich konnte keinen Mond mehr sehen. Das dunkle blau der Nacht war verschwunden und hat sich durch ein zartes hellblau ersetzt. Bald würde es rosa werden und dann würde die Sonne ganz aufgegangen sein. Da es Winter war, konnte ich noch eine gut geschätzte Stunde darauf warten. Also blickte ich zu der Person um seine Identität zu erfassen. Meine Schätzung war richtig. Es war Kevin. Zu meinem Bedauern war er gerade aufgewacht. Ich versuchte schnell mich schlafend zu stellen. Gut das ich mich nicht aufgesetzt hatte, sonst wäre ich hoffnungslos gescheitert. Ich konnte eine Bewegung hören und Schritte. Dann war totenstille. Keine Atemgeräusche, kein Herzschlag, einfach nur Stille. Vermutlich war er aufgestanden um Sich im Bad wieder frisch zu machen. Doch er kam und kam nicht wieder. Das war meine Gelegenheit aufzustehen und mir schnell etwas Wasser aus dem Bad zu hohlen. Beim Versuch aus dem Bett aufzustehen, scheiterte ich an den Schmerzen in meinem Knöchel. Also legte ich mich wieder ins Bett und erfasste die Verletzung meines Knöchels noch einmal. Und wieder musste ich mich zurücklegen, und so tun als ob ich schlafen würde.
Da die Schritte die vorher den Raum verlassen hatte, ihn wieder betraten, konnte es nur sein, dass Kevin entweder lange im Bad war, oder, nein da gab es kein Oder. Er war schlicht und ergreifend einfach lange im Bad. Ich hörte ihn wieder niedersetzen und etwas abstellen. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken um das, was Kevin abgestellt hatte. Was könnte er wieder mitgebracht haben?

Meine Hand wurde von einem Regenbogen aus Gefühlen angeregt, noch mehr Blut pumpen zu lassen als sonst. Mein Gehirn teilte mir Körperwärme mit, die von außen kam. In mir kamen die schlechten und die guten Gefühle über Kevin hoch. Sollte ich ihm jetzt wieder vertrauen oder nicht. Aber er war andererseits auch der einzige der mich hätte retten können, in dem eisigen Wald. Also war er mir doch gefolgt, oder hatte ich einfach zu laut geschrien? Ich beschloss einfach keinerlei Regung zu tun. Er sollte denken dass ich schlief.
Erneut hörte ich Schritte hereinkommen. Dann das Flüstern einer bekannten Stimme. >>>War sie schon wach?<<< und die raue Stimme von Kevin, die wohl sehr angeschlagen war von der Kälte >>> Nein, aber ich werde hierbleiben bis sie es tut<<<. Dann verabschiedete sich meine Mutter nur noch, da sie zur Arbeit musste. Vorsichtig um nicht zu sehr von der Morgensonne geblendet zu werden, öffnete ich meine dunkelbraunen Augen. Den Gegenstand den Kevin abgestellt hatte, war ein Tablett mit heißer Schokolade, Croissants, und einem Glas Orangensaft. Beim Rest konnte ich nur Umrisse erkennen, da ich zu gerade dalag. Mit funkelnden Augen blinzelte mir Kevin zu. Mein Blick viel wohl eher auf das Glas Orangensaft, da mein Hals noch immer brannte. Mein Versuch ein paar Laute von mir zu geben, verursachte nur zusätzlichen Schmerz. Eine einfache Idee, war einfach aufrichten und dann trinken. >>>Wie geht es dir? <<< waren die ersten Laute aus Kevins Mund, die mich zwangen eine Antwort zu geben. Doch im Moment wusste ich weder womit ich antworten sollte, da ich kein Bisschen wusste wie es mir wirklich ging, noch wie ich auch nur einen Ton aus meinem Mund bekommen würde, ohne wieder Höllenqualen erleiden zu müssen. Also richtete ich mich einfach auf, und löste mich von Kevins Griff. Ich streckte meine Hand nach dem Orangensaft aus, und trank das ganze Glas in einem Zug aus. Kevins verzweifelter Blick verwandelte sich zu einem Lächeln.
Plötzlich musste ich nicht mehr daran denken, dass ich eigentlich böse auf ihn war. Irgendwie hat er mir das Gegenteil bewiesen. Denn immerhin hatte er mir das Leben gerettet.
Da ich wieder Gefühl hatte zu sprechen, fragte ich Kevin nach dem blutenden Knöchel. Wie ich mir denken konnte, war ich nicht nur über den Ast gestolpert, sondern hatte mir auch noch an einem spitzen Ende den Knöchel aufgeschnitten. Anschließend erzählte er mir noch, dass der Hausarzt da war, und nach gründlicher Untersuchung, stellte er nicht mehr fest, als den Knöchel, den er dann verband, und starke Erfrierungen, durch die er mir 2 Wochen Bettruhe verschaffte.
Kevins Frage viel auf das Frühstück. Anscheinend hatte er noch Hunger. Und da ich sowieso nicht so viel Hunger hatte, bat ich ihm eines der Croissants an. Nebenbei begann ich selbst zu frühstücken. Die heiße Schokolade hob ich mir bis zum Schluss auf. Ich wollte unbedingt das Beste zum Schluss, und mir nebenbei auch nicht meine Zunge verbrennen. Das Essen tat mir gut. Kevin und ich redeten noch eine Weile, dabei fand ich heraus, dass er mich vom Waldboden aufgehoben hatte, und heimbrachte. Anschließend war er bei mir geblieben bis ich aufgewacht war.
Stunden waren vergangen, als ich wieder ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend verspürte. Ich fragte Kevin nach einem kleinen Snack. Er stand auf und ging nach unten in die Küche. Einstweilen änderte ich meine Sitzposition zu einem halbwegs anständigen Schneidersitz, was nicht so gut möglich war, da ich sonst Schmerzen verspürte. Da kam mir der Brief in den Sinn. Wo könnte er sein? Beim Öffnen meines Nachtkästchens, viel ein Brief auf den Boden. Meine Schätzung viel sofort auf den Brief, der mich nach London schicken sollte. Aber als ich ihn öffnete, blieb mein Herz stehen. Langsam las ich ihn. Und bei jedem Wort das ich las, standen immer mehr Tränen in meinen Augen. Bis schließlich eine herauskullerte. Es folgten viele mehr, bis ich schließlich schluchzen musste. Kevin kam wieder ins Zimmer, und setzte sich zu mir. Ich schätze er wusste, dass es jetzt am besten war, den Mund zu halten, und einfach nur seine Finger sanft durch die kleinen Zwischenräume meiner Finger zu winden. Dann setzte er sich neben mich, und legte den anderen freien Arm um mich. Es fühlte sich so schön an, aber der Schmerz, den mir dieser Brief ins Herz tätowierte, der wusste ich, war niemals her auszulöschen. Er löste seine Hand von meiner, und ließ eine der herunterrinnenden Tränen, auf seinen Finger fallen. Seine Hand glitt sanft zu der kleinen Tasche in seiner Jeans. Dort zog er ein Taschentuch heraus und wischte mir damit die Tränen aus dem Gesicht. Dann legte er es langsam wieder weg, und nahm wieder zärtlich meine Hand, und fügte sie in die Mulden zwischen seinen Fingern ein. Mit seinem Zeigefinger, berührte er meinen Handrücken so vorsichtig, dass man jedes einzelne Härchen zu Berge stehen sehen konnte. Jedes erneute berühren verlangte nach einem weiteren Gefühl das ich nicht kannte. Aber es war ein wunderschönes Gefühl. Ich drehte mein Gesicht nach rechts, in Richtung von Kevins blitzenden Augen. Ich verspürte das sinnliche Gefühl, Kevins so wohlgeformten Lippen nur einmal zu berühren. Einmal nur die nächste Nähe zu spüren, die sonst jedes Paar verspürte. Ich kannte das Gefühl nicht von vorher oder ähnlichem. Bei mir war das ein neues Gefühl. Ich starrte Kevin mitten in die Augen um in ihn hineinschauen zu können, seine Gefühle deuten zu können, oder die wunderschöne Farbe seiner Iris zu beobachten. Das Funkeln in seinen Augen wurde deutlich mehr. Er kam mir näher. Mein Herz begann sich zu drehen, zu wenden, mir die allerschönsten Gefühle zu demonstrieren. Mein Gesicht war schon beinahe 2 Zentimeter von seinem entfernt. Und endlich passierte es. Er schmiegte seine samtweichen Lippen in die Form meiner. Sie passten genau aufeinander. Wie Ying und Yang fügten sie sich. Wie der Duft einer Rose dieselbe Verbindung zur Rose selbst. Ein kleines Feuerwerk an Gefühlen war zwischen unseren Lippen im Gange. Das Gefühl von Schmetterlingen in meinem Bauch, war nie stärker gewesen. Kevin löste sich wieder aus dem Kuss. Ich wollte dieses Gefühl könnte ewig wehren. Aber es war nur ein Kuss. Ein einfacher Kuss, der doch so viele Gefühle austauscht. Nein, er tauschte kleine Liebesbriefe, besprüht mit dem Gefühl des Verliebt seins, die Zeilen, wunderschön geschrieben, wie von Engelshand, getunkt in die Farbe der innigsten Rose, gedichtet von Amor persönlich, und besiegelt mit dem Zeichen der Liebe selbst aus.
Ich setzte mich wieder normal hin. Meine Beine ließ ich vom Bett herunterhängen. Kevin schmiegte sich weiter an mich. Es war ein tolles Gefühl. Kevin war einfach toll. Er gab mir wieder Hoffnung, trotz der anfänglichen Schwierigkeiten. Der Brief in meiner Hand zog mich zurück in die Realität. Die Wirklichkeit, die einem das Leben oft schwer machte. Es war einfach nicht schön, den Brief vor sich zu haben. Oder besser gesagt, die Sterbeurkunde meines Vaters. Mein derzeitiger Vater, war nur mein Stiefvater. Mein richtiger Vater war vor meinen Augen gestorben. Mit ihm war meine Mutter noch glücklich gewesen und besonders, fürsorglicher.
Mein Vater war ein Mann großer Taten. Er brachte immer einen Sack voller Freude und Spaß von der Arbeit nach Hause. Mein Vater und ich unternahmen zwar nur am Wochenende viel miteinander, dafür war die Vorfreude darauf immer umso größer. Meinen Vater und mich verband viel. Und wer kann schon sagen, dass er viel mit seinem Vater gemein hätte.
Und dann ging er einfach von uns, wegen einem Mann, der unbedingt sein Geld haben wollte. Der Mann war mit einem Messer bewaffnet gewesen und drohte ihn damit zu erstechen, für das Geld, welches er mit sich hatte. Da dem Mann dies aber zu wenig war, stach er 13-mal auf ihn ein. Die Bilder jagten mir immer und immer wieder hinterher. Diese Zahl brachte mir schon immer Unglück. Meine 15 Geburtstage, waren allesamt schrecklich. Und allesamt an einem dreizehnten.
Lang saßen wir da, einfach nur still, kein Wort kam mir über die Lippen, kein Ton kam aus Kevins Mund, das Einzige was zu hören war, war das gleichmäßige Atmen von Kevin, von mir. Und da Kevin das Fenster geöffnet hatte, konnte man das Zwitschern der Vögel hören. Immerhin wurde es in einer Woche schon Frühling. Man konnte dem klatschen der Tauben lauschen, wenn sie beim Fliegen die Flügel aneinander klatschten. Mein Gedanke blieb weiterhin bei meinem ersten Kuss. So wunderschön wie er gewesen war. Einfach himmlisch dieses Konzert an Gefühlen.
Von unten hörte ich wie meine Mutter die Türe aufschloss. Sie kam herein, hängte ihren Mantel auf einen der Kleiderhacken in der Garderobe. Ihre Stiefel stellte sie in den Schuhschrank. Vorsichtig kam sie die Stiegen hoch, um mich im Notfall nicht zu wecken. Kevin löste sich von mir, und setzte sich wieder auf den Sessel neben dem Bett. Meine Mutter kam herein und begrüßte uns. Dann verschwand sie für 2 Stunden im Bad und verließ das Haus wieder. Scheinbar musste sie zu einem Meeting oder traf sich mit meinem neuen Vater. Da ich nicht den ganzen Tag einfach im Bett verbringen wollte, bat ich Kevin, Spiele aus dem Spieleschrank zu hohlen. Dann spielten wir ein paar Stunden und dann beschloss ich schlafen zu gehen. Vorher schleifte ich mich ins Bad, um mir die Zähne zu putzen. Erstaunlicherweise schmerzte mein Fuß nur noch kaum. Und dann ging ich einfach ins Bett und versank in einen tiefen Schlaf.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /