Er schon wieder.
Ich verdrehte die Augen und wandte mich um, in der Hoffnung, dass er mich nicht sah. Doch diese Hoffnung wurde durch einen lauten Ruf meines Namens augenblicklich zunichte gemacht.
Eine Warnung vorweg: Es ist eine absolut ungünstige Konstellation, wenn man jemandem im Rausch von Frustration, Alkohol und unbefriedigtem Bedürfnis nach körperlicher Nähe den Schwanz lutscht. Vor allem, wenn dieser jemand seit Monaten in einen verknallt ist und nur auf diese Gelegenheit gewartet hat.
Für mich hatte dieser Abend nichts zu bedeuten gehabt. Ich war betrunken und von der Liebe enttäuscht. Nur eine halbe Stunde zuvor musste ich selbst einen ziemlich bitteren Korb entgegennehmen, wobei bitter noch maßlos untertrieben war. Der Tonfall, mit dem mir mein Schwarm Bastian sagte, dass ihn mein Arsch nicht im geringsten interessierte, verhielt sich wie Brandlöcher in einer Kunstfaserdecke. Hässlich, wulstig und mit hartem, verschmirgeltem Rand, an dem man sich noch mehr verletzen konnte. Seit dem ersten Semester war ich hinter ihm her gewesen, hatte ihn bezirzt, ihn umgarnt, über seine Witze gelacht und versucht, ihn von mir zu überzeugen. Obwohl ich merkte, dass er sich zurückhielt, immer wieder auf Distanz ging und sogar einen Schritt zurück machte, wenn ich ihm zu nahe auf die Pelle rückte, ließ ich nicht locker. Enttäuscht und verletzt von der nun verbal und für alle hörbar ausgestoßenen Abfuhr, hatte ich mich in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Oder besser gesagt, in eine Ecke der Tanzbar, in der bereits Noah auf mich gewartet hatte. Ob er mich bereits mit offenem Hosenstall empfing, konnte ich nicht mehr sagen. Ich wusste nur noch, dass ich, von einigen Gläsern Wodkacola meiner männlichen Würde beraubt, erst heulend an seiner Brust klebte, dann an seinen Lippen, schließlich in seinem Schoß.
Womit das Unheil ihren Lauf nahm. Denn Noah war nun der Meinung, dass wir ein Paar wären.
Sämtliche Versuche, ihm diese fixe Idee auszutreiben, waren sinnlos. Mir erging es nun wie Bastian, der mir vor versammelter Mannschaft, gegen den Lärm der Lautsprecher anschreiend, klar gemacht hatte, dass ich alles andere als sein Typ wäre und er mich nicht einmal dann anfassen würde, wenn wir beide die einzigen Lebewesen auf Erden wären. Ich liebäugelte schon damit, Noah dasselbe an den Kopf zu werfen, doch allein schon der Gedanke daran, die Worte in den Mund zu nehmen und mit demselben Tonfall auszusprechen, aktivierte eine Handbremse in mir. Auch wenn es mich tierisch nervte, dass er ständig an mir herumgrabschte, mir immer wieder einen Kuss auf die Wange hauchte, mich anlächelte, als sei ich die Inkarnation seines Seelenpartners und auch ständig nach meiner Hand griff, konnte ich ihm das nicht antun. Aber nicht, weil mir Noah leidtat, sondern ich mir selbst. Es tut weh, wenn eine Liebe nicht erwidert wird. Mein Herz blutete und ich träumte trotz dieser Zurückweisung noch immer von ihm. Fast jeden Morgen erwachte ich mit verklebter Hose, hatte mich im Traum wie ein Pubertierender vollgesaut. Ich ärgerte mich über mich selbst, schämte mich, schalt mich und verhöhnte mich morgens im Bad selbst, wenn ich die nasse Pants in den Wäschekorb pfefferte. Ich bin ein Trottel, ein sehr verliebter, und wollte Bastian noch immer nicht aufgeben. Mein Herz hing wie eine Klette an ihm und schlug schneller, wenn ich auch nur seinen Namen hörte. In seiner Nähe war ich selbst nach dieser Abfuhr noch immer sprachlos und musste gegen einen fleißigen Schwanz ankämpfen, der unentwegt Zeltchen in meiner Hose aufstellen wollte. Scheiße, es war eine verzwickte Situation. Ich wusste selbst, dass ich besser damit lag, ihn endlich zu vergessen. Doch ich konnte nicht.
Ähnlich erging es offenbar Noah mit mir. Kaum, dass wir aufeinander trafen, klebte er an mir. Auch jetzt, legten sich zwei Hände auf meine Schulter. Im nächsten Moment beugte sich ein Kopf von hinten über mich und schob sich in mein Sichtfeld. Die schulterlangen Haare fielen nach vorn und versperrte mir wie ein weißgoldener Vorhang die Aussicht. Instinktiv wich ich zurück. Dummerweise direkt an seinen Leib und damit gegen die Erektion, die sich zwischen meine Schulterblätter drückte. Ich versteifte mich. Denn wenn ich vor dem Ständer zurückwich und nach vorn ruckte, würde ich damit unweigerlich unsere Lippen zusammenbringen. Etwas, was ich noch weniger wollte, als den Kontakt mit Kleidung verhüllter sexuell erregter Körper.
Rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass ich zur Seite ausweichen konnte und tat es auch. Noah ließ sich mit einem Lachen neben mir auf die Bank fallen und rempelte mich mit der Schulter an. Seine Hand landete zielsicher auf meinem Schenkel. Als er auch noch meine Hand fassen und unsere Finger miteinander verschränken wollte, rutschte ich ein Stück zur Seite. Noahs Lächeln geriet für einen Moment in Schieflage, doch er erholte sich rasch und lachte mir direkt ins Gesicht.
„Schon gehört?“, trällerte er. Sein Blick schielte nach meiner Hand, die ich demonstrativ in die Jackentasche steckte. „Chris veranstaltet am Wochenende eine Party“, plapperte er unbeirrt weiter. „Chris hat immer gute Ideen. Ich hoffe, es ist noch heiß genug. Eine Poolparty wäre cool. Hat er schon mit dir gesprochen?“
„Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hatte ihn heute noch nicht einmal gesehen. Wir gingen zwar auf dieselbe Uni, hatten aber total unterschiedliche Lehrbereiche. Es wäre daher überraschend, wenn wir uns außerhalb der Mensa über den Weg liefen. „Ich glaube auch nicht, dass ich Zeit habe“, schob ich hinterher, um Noahs nächste Aussage vorweg zu nehmen. „Ich hab noch einiges zu tun.“
„Lernen? Wer lernt schon in den letzten Tagen im Semester. Aber wenn du unbedingt willst, könnten wir es zusammen tun“, schlug Noah vor, worauf ich unwirsch mit den Zähnen knirschte. Das war das Letzte, das ich wollte. Ich unterdrückte ein Schaudern. Versteht mich nicht falsch. Noah war in seiner ganzen Erscheinung nicht gerade Quasimodo. Auf seine Art war er sogar irgendwie süß. Bei unserer ersten Begegnung fand ich ihn sogar interessant. Doch dann schob sich Bastian in meine Aufmerksamkeit und alle anderen Kerle, die hier auf dem Campus herumliefen, mutierten zu verschrumpelten Erdmännchen. Zwei Semester lang lungerte ich um ihn herum. Ebenso lang versuchte Noah sein Glück bei mir.
„Keine gute Idee“, presste ich hervor, mich händeringend zum Thema zurückbefördernd.
„Warum?“ Noah legte den Kopf leicht schief und sah mich verwundert an.
Ich schüttelte nur den meinen, schnappte mir meine Habseligkeiten und erhob mich. „Ich muss los. Wir sehen uns … irgendwann“, setzte ich rasch hinterher. Hoffentlich nie, war mir eher auf der Zunge gelegen, doch ich konnte die Worte noch rechtzeitig austauschen. Es war mir trotz allem unangenehm, Noah so schroff behandeln zu müssen. Je länger das mit uns ging … wobei ich nicht behaupten möchte, dass überhaupt etwas mit uns lief … desto besser konnte ich mich in Bastian hineindenken. Er fühlte sich von mir ebenso bedrängt, wie ich mich von Noah. Eine Erkenntnis, die mir eine neue Vorgehensweise in der Eroberung meines Schwarms verschaffte. Vielleicht sah er mich besser aus der Ferne. Wie ein Kurzsichtiger, dem alles direkt vor seiner Nase wie ein unwirklicher Farbenbrei vorkam. Ich entschloss mich, doch auf die Party zu gehen, ob mich Chris einlud oder nicht. Explizite Einladungen wurden eh niemals ausgesprochen. Man erzählte es nur einer einzigen Seele und es machte die Runde wie ein Lauffeuer. Am Ende war die Bude brechend voll.
Auf dem Weg zur Vorlesungssaal kam mir tatsächlich Chris entgegen. Er schien mich gesucht zu haben. Sein Gesicht hellte sich schlagartig auf, als er mich fand. Zielstrebig bahnte er sich einen Weg durch die Massen an Studenten, die in die Vorlesungssäle strömten.
„Hey“, rief er mir freudig entgegen, streckte mir eine Faust hin, gegen die ich mit meiner boxte und wir uns daraufhin blöde angrinsten. „Am Samstag schon was vor?“
„Ich hab da was von einer coolen Poolparty läuten hören“, ging ich sofort drauf ein.
Chris lachte schallend auf, hakte sich bei mir unter und ließ sich an meiner Seite vom Strom der Wissbegierigen den Flur entlang treiben. „Kommst du mit Noah?“
Ich schüttelte den Kopf. „Allein.“
„Der Kerl klebt an deinem Schwanz wie Kaugummi“, sagte Chris und zog mich enger an sich. „Warum lässt du ihn nicht endlich ran?“
„Weil er nicht mein Typ ist.“
„Du bist aber auch nicht Bastians Typ. Vergiss es endlich. Es hat keinen Zweck, sich noch damit abzumühen. Er hat dir doch unmissverständlich klar gemacht, dass ihn dein Arsch nicht anmacht.“
„Man sollte die Hoffnung niemals aufgeben.“
„Seit wann hechelst du ihm schon hinterher?“ Chris rempelte mich mit der Schulter an. „Komm schon. Hak’ ihn ab und nimm dir, was sich dir auf dem Silbertablett bietet.“
„Selbst wenn er sich eine rote Schleife an den Sack bindet – Ich will ihn nicht.“
„Schade. Du könntest sicher ein ausgefülltes Sexleben haben. Ich habe gehört, er geht im Bett ab wie eine Rakete.“
Mein Kopf zuckte zur Seite. „Wer sagt das?“, entkam es mir scharf.
Chris lachte schallend. Ich musste gegen die Hitze ankämpfen, die in meine Wangen schoss. Keine Ahnung, woher der Funke Eifersucht auf einmal kam. Aber allein schon die Vorstellung, dass Noah sich von einem anderen von Null auf Hundert bringen ließ, versetzte mir auf einmal einen Stich ins Herz. Doch rasch hatte ich diesen Impuls von mir gewischt und trampelte nun mental darauf herum, bis nur noch Krümel übrig blieben. Es sollte mir scheißegal sein, von wem es sich Noah besorgen ließ. Es sollte mir sogar mehr als recht sein, denn dann ließ er mich vielleicht endlich in Ruhe.
„Ich reserviere dir schon mal zwei Liegestühle“, rief Chris lachend, rempelte noch einmal gegen meine Schulter und war im nächsten Moment im Strom der Studenten verschwunden.
Ich blinzelte verwirrt, denn er war tatsächlich wie vom Boden verschluckt und ich blickte mich um. Geträumt hatte ich die Unterhaltung sicher nicht. Obwohl es durchaus zutreffen könnte. Denn mein Blick fing unvermittelt Bastian ein, der sich selbstvergessen Richtung Hörsaal schieben ließ. Von seinen Ohren gingen weiße Strippen weg, die sich unterhalb seines Kinns trafen und in einer verschwurbelten Umarmung unter die halb geöffnete Jacke krochen. Sein Kopf wippte leicht im Takt der Musik, die direkt in seine Gehörgänge dröhnte. Ich wünschte, ich wäre eines der kleinen Knöpfe und würde ihm Sinnliches ins Ohr flüstern. Dass ich stehen geblieben war, bemerkte ich erst, als ich von der Wucht der Strömung getroffen vorwärts taumelte, direkt auf den breiten Rücken eines Mitkommilitonen, der sich entrüstet umwandte und mich verärgert anfauchte. Ich schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln und versuchte, die Schimpftirade zu überhören. Mein Blick glitt zur Seite. Ich suchte sofort wieder Bastians Schopf in der Menge, der überraschenderweise meinen Blick erwiderte. Jedoch mit einer selbstgefälligen Mimik und einem schiefen, abfälligen Grinsen. Als der Typ, den ich angerempelt hatte, auch noch begann, mich mit homophoben Beleidigungen zu überschütten, lachte Bastian sogar auf und marschierte weiter. Kalte Leere machte sich in mir breit. Ich hatte nicht gerade erwartet, dass er heroisch herbeieilte und mich aus der Situation herausrettete. Zumal er sicher froh war, wenn ich von diesem bärbeißigen Typ zermalmt wurde. Dennoch konnte ich die Enttäuschung nicht verbergen. Er hätte sich zumindest neben mich stellen und physische Unterstützung leisten können, nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark.
Stattdessen machte er sich aus dem Staub, oder besser gesagt, es interessierte ihn nicht die Bohne, wie und ob ich mich aus dieser Angelegenheit befreien konnte. Zu meinem Glück oder Pech – je nachdem, wie man es nahm – noch ehe ich meinen Mund öffnen und eine Erwiderung laut werden lassen konnte, schob sich ein heller Schopf in mein Sichtfeld.
„Halt die Luft an!“, fuhr Noah den um gut einen Kopf größeren Mann an und schubste ihn einfach von sich. „Er interessiert sich nicht für deinen schwabbeligen Arsch.“
Der Kerl schnappte entrüstet nach Luft und hätte Noah vermutlich ohne zu zögern, die Faust ins Gesicht gedonnert. Doch der wurde von seinen Freunden aufgehalten und weitergezogen. Murrend und schimpfend verschmolz er mit den anderen Studenten und war wenig später nur noch als ein grummeliger Teil der Geräuschkulisse zu hören.
Noah drehte sich zu mir um und lächelte mich breit an. Der Strom der Studenten war durch diesen Zwischenfall ins Stocken geraten. Nun kam er wieder in Bewegung und nahm uns beide einfach mit. Ich ließ mich davontreiben, froh, dass es mich von Noah wegschwemmte und direkt in den richtigen Hörsaal hinein. Ich flüchtete regelrecht vor ihm, kämpfte mich in eine Gruppe von Studenten hinein und achtete darauf, dass die Sitzplätze neben, unter und über mir belegt waren, sodass Noah nichts anderes übrig blieb, als sich Plätze weit weg von mir zu suchen.
Und obwohl ich wusste, dass Bastian im benachbarten Saal sitzen musste, ließ ich meinen Blick über die Köpfe der Kommilitonen schweifen. Im ersten Semester hatte ich sogar erwogen, das Studienfach zu wechseln, nur um ihm näher zu sein. Doch Betriebswissenschaften waren nichts für mich. Ich hatte versucht, mich im Internet auf den Stoff vorzubereiten, musste jedoch eingestehen, dass ich kein einziges Wort davon verstehen konnte. Es war für mich wie Fachchinesisch. Die spezifischen Begriffe verschwammen irgendwann vor meinen Augen und bei den staubtrockenen Gesetzestexten bin ich sogar eingeschlafen. Schweren Herzens blieb ich bei Physik und Mathe, auch wenn diese Fächer nicht ein einziges Mal auf Bastians Lehrplan vorkamen.
Den Rest der Woche brachte ich irgendwie rum. Ich freute mich auf Samstag. Auf der Party würde ich unweigerlich auf Bastian treffen. Ich überlegte mir schon am Vormittag, was ich auf der Poolparty anziehen sollte. Natürlich waren Badeshorts und T-Shirt angesagt. Ich stand bestimmt drei Stunden vor meinem nicht gerade großen Kleiderschrank und überlegte, welche der Klamotten mich am besten zur Geltung brachten. Die Jeans, die so eng anlag, dass sie mir fast auf den Arsch geschneidert wirkte, wäre die beste Wahl, jedoch für die Jahreszeit zu heiß. Ich würde sie nicht schnell genug von meinen Beinen schälen können, falls … ja, falls was? Hoffnungen, dass mich Bastian erhörte, brauchte ich mir nicht zu machen. Dennoch kam ich nicht davon los. Seine Worte waren mehr als unmissverständlich gewesen. Mein Herz schien diese Sprache jedoch nicht zu verstehen. Es klammerte sich an den Kerl, als könne es ohne ihn nicht mehr leben.
Dabei war ich eigentlich recht vernünftig. Bastian war nicht meine erste Schwärmerei. Zuvor hatte ich mich noch für einige andere Männer in ähnlicher Art und Weise erwärmen können. Wenn sie ablehnten oder es auseinander ging, hing der Himmel für ein paar Tage und Wochen mal nicht voller Geigen. Doch dann klarte es sich wieder auf und ich blickte nach vorn. Warum ich mir Bastian einfach nicht aus dem Kopf schlagen konnte, war mir selbst schleierhaft. Insgeheim wusste ich, dass aus uns niemals etwas werden würde. Und wenn dann allerhöchstens für eine schnelle Nummer. Bastian wechselte seine Sexbekanntschaften wie andere Leute ihre Unterhosen. Jede Nacht träumte ich aber davon, dass ich derjenige sein würde, der ihn zu einer längeren Beziehung bekehren könnte. Vielleicht wurde ja doch mehr draus.
Die Party war bereits im vollen Gang, als ich gegen zehn Uhr Abends eintraf. In ein schwarzes, eng anliegendes sexy Muscle-Shirt und eine hellgraue Badeshort gehüllt, schlenderte ich über die vollbesetzte Terrasse. Chris genoss den glücklichen Umstand, vor Ort zu wohnen. Seine Eltern waren häufig geschäftlich unterwegs und so hatte er das Anwesen oft für sich allein. Er veranstaltete mindestens zwei Partys pro Semester, die obligatorischen Beginner- und Endpartys eingeschlossen. In ein paar Tagen waren Semesterferien und mir war jetzt schon ganz schlecht, weil ich in dieser Zeit Bastian nicht sehen konnte.
Mein suchender Blick fing Noah ein, der in einem der Korbsessel hockte und sich erwartungsvoll gerader rückte, als er mich sah. Ich wandte jedoch sofort den Kopf zur Seite, denn ich war auf der Suche nach jemand anderen. Ich fand ihn am anderen Ende des Pools. In seinen Armen eine junge Frau, deren blondes Haar bis über den Hintern hing. Er hatte seine Arme um sie geschlossen. Sie rieb sich an ihm, drückte ihre Brüste an seinen Leib. Sein Blick war jedoch abgewandt, klebte förmlich am Arsch eines Kerls, der in einer leidenschaftlichen Knutschorgie mit einem Mädchen festhing. Ich schlenderte lässig an ihnen vorbei, genau zwischen ihm und dem knutschenden Pärchen hindurch. Dafür musste ich mich zwischen Grill und Bierkästen hindurchzwängen, um die Runde vollenden zu können. Lässig angelte ich mir eine Flasche aus einem der Kästen und prostete Bastian mit einem Zwinkern zu. Sein Lächeln erstarb sofort. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Kräuseln. Um mich zu provozieren und mir zu sagen, dass ich keinerlei Chancen hätte, drehte er den Kopf der Blondine am Kinn zurecht und schob ihr grob die Zunge in den Hals. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken, sondern lächelte breiter, tat so, als würde mich dieses Schauspiel antörnen. Tatsächlich fand ich überhaupt nichts dabei, ein Mädchen zu küssen oder auch nur dabei zuzusehen. Ich hatte es meinen verständnisvollen Eltern sei Dank auch niemals vortäuschen müssen. Nicht einmal ein Dreier käme für mich in Frage. Aber für Bastian würde ich über meinen Schatten springen und es tun.
Er ignorierte mich viele Minuten lang, konzentrierte sich auf den Kuss und schien mich vollkommen auszublenden. Doch meine Nähe störte ihn sichtlich und so löste er sich mit einem Zischen von den roten Lippen, um sich mir zu widmen. Ich erschrak förmlich, als er mich direkt ansah. Es war ein provozierender Blick, der „Hau endlich ab!“ genauso heißen könnte, wie „Was ist? Willst du mitmachen?“ Ich entschied mich für letzteres und kam näher. Die Flasche stellte ich unangetastet einfach auf den Boden und schmiegte mich von hinten an das Mädchen. Sie murrte, blickte über die Schulter hinweg und verzog angewidert ihr Gesicht. Doch bevor sie mich zum Teufel schicken konnte, hatte Bastian das Wort ergriffen.
„Du willst es also unbedingt!“, sagte er kalt.
Ich nickte lächelnd. Mein Herz polterte hart in der Brust. Ich konnte es kaum glauben, dass er mich ansprach. Na ja, ihm blieb ja keine andere Wahl, nachdem ich mich so aufdrängte.
Bastian schob das Mädchen zur Seite, packte mich am Arm und bugsierte mich vor sich her durch die anderen Feiernden hindurch ins Hausinnere. Er führte mich geradewegs ins Badezimmer, drückte die Tür hinter uns zu und presste mich gegen das Waschbecken, indem er die Hand auf meine Brust legte, dort, wo mein Herz vor Vorfreude raste. Ich wusste genau, was nun kam. Mein Schwanz schnellte förmlich in die Senkrechte.
„Warum?“, wollte er scharf wissen und beäugte mich, als müsse er anhand der Poren auf meiner Stirn abwägen, ob ich es wert war, von ihm gefickt zu werden. „Was findest du an mir?“
„Ich finde dich einfach klasse“, erwiderte ich. Meine Zunge war schwer. Mein Hirn schien sich schon Richtung Gürtellinie verabschiedet zu haben. In meinem Kopf herrschte nur noch der Gedanke an das Bevorstehende. Rosarote Zuckerwatte schwebte mir durch den Sinn. Ich war von seinen Lippen wie verzaubert und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie sich um meinen zuckenden Schwanz legten.
„Ich finde dich langweilig.“ Bastian verzog leicht angewidert seine Mundwinkel.
„Du kennst mich noch nicht gut genug.“
„Habe ich auch nicht vor.“ Sein Blick wanderte von meinem Gesicht über die Brust tiefer zu meinem Schritt, wo mein Ständer bereits das Füllvermögen der Shorts austestete. „Aber vielleicht kannst du versuchen, mich zu überzeugen.“ Eine Hand wanderte in meinen Nacken, packte fest zu und zog mich an sich. Ich folgte der Bewegung bereitwillig, ging in die Knie und ließ mein Gesicht auf seinen Schoß drücken.
Oh Mann. Wie lang hatte ich darauf gewartet. Jetzt würde es bald so weit sein. Ich würde ihn in den siebten Himmel blasen. Dann würde er wissen, was er bisher verpasst hatte.
Ich zog seine Shorts herunter, befreite den schlaffen Schwanz und nahm ihn in den Mund. Bastian keuchte und stöhnte leise, während ich mich abmühte, ihm zu einer Erektion zu verhelfen. Seine Hand lag fest in meinem Nacken und gab den Rhythmus vor, mit dem ich ihn blies. Mit der Zunge erforschte ich die Sehnen und Adern, die sich immer mehr an seinem Schaft abbildeten. Ich umspielte keck die Eichel, spielte mit dem Bändchen, umgarnte die Kuhlen und Furchen rund um die Eichel und leckte am ganzen Schaft entlang, wenn er mich am Schopf packend von sich wegzog. Bastian gab exakt das Spiel vor und ließ mir wenig Raum, meine eigenen Ideen zu verwirklichen. Es störte mich nicht. Ich wollte es ihm recht machen, ihn davon überzeugen, dass ich ihn zu seiner Zufriedenheit lecken konnte. Er ächzte und stieß mit seinem Becken vorwärts, damit seinen Prügel direkt in meinen Mund. Ich ließ es zu, dass er mich in den Mund fickte, hielt geduldig still, umschloss ihn mit den Lippen und wartete auf den Moment, in welchem es auch für mich schön werden sollte. Dann wurde der Griff in meinem Nacken so hart, dass ich aufjammerte. Er zog mich auf die Beine, drehte mich um und beugte mich über das Waschbecken. Hastig zerrte er meine Shorts von den Hüften und spreizte meine Beine wie ein FBI-Mann, der einen Verdächtigen abtasten wollte. Zeitgleich holte er ein Kondom hervor, riss das Päckchen mit den Zähnen auf und rollte es auch schon über seinem Schwanz ab. Nur einen Augenblick später rammte er sich ohne Vorbereitung und Gleitgel in mich. Ich schrie auf, denn der Schmerz, der von meinem Anus über meinen Hintern bis unter die Haarwurzeln schoss, schien mich verbrennen zu wollen. Im ersten Moment wehrte ich mich dagegen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass es Bastian war, der mich nahm, und hielt still.
Bei jedem Stoß biss ich die Zähne zusammen, erinnerte mich daran, locker zu lassen, damit er leichter in mich eindringen konnte. Ich hatte noch nicht viel Sex gehabt, musste ich zugeben. Mein Hintern war noch Jungfrau. Denn bisher hatte ich mich noch nicht entschieden, welchen Part ich übernehmen wollte. Mein Schließmuskel reagierte entsprechend auf die Dehnung. Auch mein Innerstes rebellierte mit heftigen Schmerzwellen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und versuchte, den Stößen auszuweichen, indem ich mich gegen das Keramik presste oder zur Seite rutschte. Aber Bastian zurückzustoßen, oder ihn darauf hinzuweisen, dass er sanfter machen sollte, fiel mir im Traum nicht ein. Ich wollte, dass er zufrieden mit mir war.
Er kam schließlich in mir, presste mich hart gegen das Waschbecken und stöhnte laut. Die Geräusche aus dem Badezimmer wurden jedoch von der lauten Musik übertönt. So bekam niemand mit, was wir hier miteinander trieben.
Ächzend zog er sich zurück, zupfte das Gummi von seinem Schwanz und warf es in die Toilettenschüssel. Dann zerrte er sich die Hose über die Hüfte und lehnte sich erneut an mich. Mein Hintern brannte. Ich musste die Zähne zusammenbeißen.
„Ich hatte Recht“, raunte er in mein Ohr. „Selbst wenn du der letzte Arsch wärst, den es noch auf Erden gab, wärst du keine Wahl.“ Damit stieß er sich von mir ab und verließ das Bad.
Geschockt blieb ich zurück. Zunächst so wie er mich verlassen hatte. Mein brennender und vor Schmerz pochender Hintern nackt und ungeschützt an der Frischluft. Dann wurden meine Knie weich und ich sank langsam zu Boden. Die kühlen Fliesen taten irgendwie gut. Sie besänftigten das schmerzhafte Pochen. Tränen traten in meine Augen. Mein Blick verschleierte sich zusehends. Schließlich rannen sie haltlos über meine Wange.
Ich wusste in diesem Moment nicht mehr, was genau ich mir davon versprochen hatte. Dass ich ihn mit einem Fick von mir überzeugen konnte? Es kam mir auf einmal so absurd und töricht vor. Ich wusste doch eh schon die ganze Zeit, dass er mich nicht wollte. Warum hatte ich mich noch zusätzlich von ihm demütigen lassen?
Ich sank ganz auf den Boden, presste meine glühenden Wangen auf die kalten Fliesen. Meine Hose hing noch immer am Oberschenkel. Es war mir egal. Der Stoff hätte mich ohnehin gestört, denn mein Hintern brannte, als hätte jemand Benzin drübergegossen und angezündet. Vermutlich war alles wund, aufgescheuert von dem harten Fick. Ich schämte mich plötzlich, kam mir wie eine Hure vor. Ich hatte mich ihm angeboten und die Strafe dafür kassiert.
Die Tränen rannen haltlos über mein Gesicht. Ich heulte, wie ich zuletzt als Kind geflennt hatte, nachdem mein kleiner Bruder meiner Lieblings-Ironman-Figur den Kopf abgerissen hatte. Irgendwann kam jemand ins Badezimmer. Ich hob den Kopf und glaubte, durch den Schleier meiner Tränen Noah zu erkennen. Er war jedoch so schnell wieder verschwunden, dass ich ihn für ein Trugbild hielt. Es war aber der entscheidende Impuls, der mir half, mich wieder aufzuraffen, die Hose hoch zu ziehen, mir kaltes Wasser ins Gesicht zu schmeißen und die Party erhobenen Hauptes zu verlassen. Ich hatte endlich genug von Bastian.
Zwei Monate Semesterferien, die ich zuhause bei meinen Eltern verbrachte. Gegen Ende rang ich nach Ausreden, um nicht an die Uni zurückkehren zu müssen. Denn da würde ich unweigerlich auf Bastian treffen, wie auch auf Noah. Beide wollte ich nicht wiedersehen. Ich erkundigte mich sogar, ob der Wechsel an eine andere Uni möglich war, doch aus einem undefinierbaren Grund wollte ich dies nicht. Mir gefiel es dort. Außerdem hätte ich damit ein untrügliches Zeichen gesetzt, dass mich Bastians Verhalten verletzt hatte. Ich wollte ihm die Stirn bieten, so tun, als sei nichts gewesen.
Also kehrte ich in meine kleine Bude zurück und betrat am ersten Tag mit wild klopfendem Herzen den Vorlesungssaal. Ich entdeckte Noah auf einem der hinteren Reihen sitzen. Er hielt seinen Blick gesenkt. Seine langen Haare, die ihm wie ein Vorhang vors Gesicht fielen, verbargen es vollständig. Seine Hände umklammerten den Collegeblock, der vor ihm auf dem Tisch lag, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Durch einen Spalt zwischen Tischplatte und der Sitzreihe davor konnte ich sehen, wie seine Beine unruhig wippten. Etwas hatte ihn aufgewühlt. War er doch im Badezimmer gewesen? Na und? Ich hatte ihm zu keiner Zeit eine Bestätigung geliefert, dass es zwischen uns etwas Ernstes sei.
Die Vorlesung rann an mir vorbei wie feiner Kiesel durch eine Sanduhr. Am Ende wusste ich nicht, worüber mir eben ein Vortrag gehalten wurde, denn mein Kopf fühlte sich verstopft an. Ich hatte auch keine Notizen gemacht und hoffte, dass diese Vorlesung nicht irgendwann für eine Klausur wichtig sein würde. Ich bewegte mich wie eine Marionette zum nächsten Saal. Ob Physik für meinen desolaten Zustand besser war als höhere Mathematik bezweifelte ich. Dennoch musste ich Anwesenheit zeigen und wenigstens einen Hauch von Interesse heucheln.
Chris stellte sich mir unvermittelt in den Weg.
„Hey!“, rief er gut gelaunt und hielt mir seine Faust hin. Ich brauchte ziemlich lange, um meine Habseligkeiten vom rechten Arm in den linken zu bugsieren und den Gruß zu erwidern. Er gab irgendwann auf. „Alles in Ordnung?“
„Nicht wirklich!“, gab ich zu. „Und bei dir?“
„Heut Abend gibt es die gewohnte Party bei mir“, erklärte er. „Kommst du?“
„Ich glaube nicht.“
„Du bist bei der letzten so plötzlich verschwunden. Hattest du Streit mit Noah? Der ist seitdem auch komisch drauf.“
Ein Stich fuhr mir direkt ins Herz. Ich zuckte zusammen und ließ meinen Blick über die Gesichter der Studenten schweifen, die an mir vorübereilten. Keine glich dem von Noah.
„Nein“, sagte ich mit einem gemächlichen Kopfschütteln. „Ich hab ihn auf der Party nicht gesehen.“ Es war eine Lüge. Aber ich hatte auch keine Lust, mich damit zu befassen.
„Vielleicht schmollt er deswegen“, schien Chris die Lösung für Noahs Problem gefunden zu haben. „Dann komm einfach heute. Das muntert ihn sicher auf.“
„Und wenn ich das nicht will?“
„Ihn aufmuntern? Warum nicht? Jetzt, wo Bastian weg ist, kannst du dich voll und ganz ihm widmen.“
„Bastian hat die Uni gewechselt?“ Obwohl ich mir geschworen hatte, dass mich dieser Kerl kalt ließ, versetzte es mir eine eiskalte Dusche.
„Komm jetzt nicht auf die Idee, ebenfalls das Handtuch zu schmeißen“, ermahnte Chris mit erhobenem Zeigefinger. „Die Welt braucht dich Mathegenie. Also wirst du gefälligst deinen Hintern brav bis zum Ende des Studiums tagtäglich in die Bankreihen schieben. Hast du verstanden?“
„Warum hat Bastian das Studium geschmissen?“
„Woher soll ich das wissen? Ist mir auch schnurzegal. Das sollte es dir auch. Immerhin hat er dich eiskalt abserviert. Und Noah steht immer noch parat.“
„Ich will Noah nicht!“, erwiderte ich energischer, beinahe schon böse. Ich war es leid, ihm das ständig aufs Neue sagen zu müssen. Obwohl ich mir dessen bewusst war, dass er es nur gut meinte. Aber ich wollte nicht verkuppelt werden. Am allerwenigsten mit Noah.
Zu meinem Leidwesen stand geradewegs jener plötzlich neben uns, von dem wir gerade gesprochen hatten. Ich hätte ihn gar nicht bemerkt. Doch Chris stieß plötzlich seinen Namen aus und zitierte ihn zu sich. Noah zierte sich auf einmal, von Chris näher an mich herangezogen zu werden. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie er innerlich sämtliche Krallen und Klauen ausfuhr und in den Boden stemmte.
„Du kommst auch“, verfügte Chris, lachte herzhaft, legte einen Arm kameradschaftlich um Noah und drückte ihn an sich. „Deine Chancen bei Felix haben sich seit diesem Semester vervielfacht, denn der Nebenbuhler ist weg. Also Bahn frei. Wirf dich ran.“ Er schubste Noah näher zu mir. Doch dieser wich sofort wieder zurück. Der Blick, den mir Noah unter dem Vorhang seiner langen Haare zuwarf, konnte man mit Dolchen vergleichen. Selten hatte ich soviel Hass und Ablehnung in den Augen eines Menschen erkennen können, wie in den hellen, blauen dieses Mannes, die mich sonst wie zwei kleine Sterne angestrahlt hatten.
„Kein Interesse“, murrte Noah kurz angebunden, machte sich von Chris frei, wirbelte herum und marschierte einfach davon.
Etwas erstaunt blickte Chris ihm hinterher. „Habt ihr euch doch gestritten?“
„Da war nie was zwischen uns“, erläuterte ich so eindrücklich, als müsse ich ihm die Relativitätstheorie erklären.
„Glaub, was du willst. Aber Noah ist verrückt nach dir.“ Chris schnaubte leicht wütend. „Was auch immer du ihm gesagt hast, bring es in Ordnung.“
Ich zischte entrüstet. „Ich hab ihm nichts gesagt.“
„Dann wird es Zeit, dass du was sagst.“
„Kannst du dich mal entscheiden?“ Ich knurrte wütend und umfasste meinen Laptop fester. „Er stand nie zur Debatte.“
„Er verdient es, dass du ihn wenigstens bemerkst.“
„Das hab ich schon. Ich hab ihm im Rausch dem Schwanz gelutscht und jetzt werd ich ihn nicht mehr los.“ Mein Blick schweifte in die Richtung, in die Noah verschwunden war. Er war weg und irgendwie machte sich mit dieser Erkenntnis eine unangenehme Leere in mir breit. Ich schüttelte es ab. „Aber offenbar hat er es jetzt kapiert. Und das ist gut so.“
„Warum soll das gut sein?“
„Weil ich ihn nicht will.“
„Wen dann? Diesen Bastian? Der pro Semester mehr Ärsche und Mösen fickt, als ein Zuchtkarnickel?“
„Sprich nicht so von ihm“, zischte ich wütend, erinnerte mich aber sogleich daran, dass er mir sehr weh getan hatte. Nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Mein Hintern hatte es nach einer Woche vergessen. Meine Seele schrie aber noch immer vor Schmerzen.
„Sei froh, dass er dich abgelehnt hat, denn ich glaube nicht, dass es dir gefallen hätte, dich auf einer langen Reihe von Nummern einzugliedern. Man munkelt, er hätte in jedem Semester Wetten laufen gehabt. Er soll immer gewonnen haben.“
„Gerüchte“, gab ich knurrend von mir. Eine Nummer. Ich war für ihn nichts weiter als eine fortlaufende Nummer gewesen, bezweifelte jedoch, dass er mich überhaupt hinzuzählte. Denn der Fick in Chris’ Badezimmer hatte einzig den Zweck gedient, mich zu demütigen.
„Ich muss weiter“, presste ich mühsam hervor, schob mich an Chris vorbei.
„Vergiss die Party nicht“, rief er mir hinterher.
Ich eilte zielstrebig auf die Toilette zu, warf die Tür auf und knallte sie beinahe einem Studenten an den Kopf. Zu meiner Überraschung war es Noah, der sie gerade noch abfangen konnte. Wir blieben einen Moment perplex voreinander stehen, ehe Noah einen Schritt zur Seite machte und mich vorbei gehen ließ. Ich nahm das Angebot an, betrat die Toilette, drehte mich jedoch um und hielt ihn am Arm fest, als er gehen wollte.
„Du bist doch da gewesen, richtig?“, sagte ich. „Du hast mich gesehen, nackt auf dem Boden liegen.“
Tränen schossen in seine Augen. Sein Gesicht wurde bleich. Er presste die Lippen fest zusammen. Dann legte er den Kopf leicht schief, sodass der Vorgang seiner Haare davor fiel und verbarg den giftigen Blick, den er mir im letzten Moment zuwarf. Mit einem ächzenden Geräusch riss er sich los und verließ die Toilette.
Ich wandte mich langsam um, lehnte mich ans Waschbecken und starrte in den Spiegel, jedoch ohne mich selbst zu sehen. Vor meinem geistigen Auge erschien die Erinnerung. Ich glaubte Bastian hinter mir zu sehen, sein leicht gerötetes Gesicht, wie er mich vögelte, als gäbe es kein Morgen. Er hatte die Augen geschlossen, sah mich nicht. Vermutlich dachte er an den Kerl, den er kurz vorher beim Knutschen mit dem Mädchen beobachtet hatte. Ich hatte ihn nie interessiert. Er wollte nicht mit mir ficken, sondern mit diesem anderen.
Warum war ich ihm so zuwider? Nur weil ich ihm zu langweilig war?
Warum war es mir so wichtig gewesen, mich an Bastian heranzuschmeißen? Nur wegen seines Aussehens? Wegen seines Rufes? Oder weil ich mich da in etwas verrannt hatte?
Ich konnte es selbst nicht mehr sagen. Im Nachhinein betrachtet, hatte ich mich wie ein verliebter Teenager aufgeführt. Mit 22 war ich zwar von diesem Stadium nicht weit entfernt, dennoch hätte ich vernünftiger, besonnener und vor allem mit mehr Rücksicht auf andere vorgehen sollen. Rücksicht auf Noah.
Ich lehnte mich weiter über das Waschbecken, bis meine Stirn gegen den Spiegel stieß und verschloss die Augen vor mir selbst. Ich war nicht viel besser als Bastian. Ich hatte Noah mit Füßen getreten, genauso wie es Bastian mit mir gemacht hatte. Jedoch ohne, dass ich es wollte. Ich war davon überzeugt, niemals eine Beziehung zu ihm aufgebaut zu haben. Doch nun, wenn ich so darüber nachdachte, war da tatsächlich etwas gewesen.
Ich hatte mich geehrt gefühlt, geliebt zu werden. Es war mir lästig gewesen, dennoch hatte ich manchmal regelrecht darauf gewartet, dass er auftauchte. Etwas, was ich vor zwei Monaten niemals zugegeben hätte.
Und jetzt, wo Noahs Interesse an mir gestorben war, fühlte ich mich auf einmal kalt und leer. Ich kam mir einsam und verlassen vor. Es war ein beschissenes Gefühl. So als hätte ich einen sehr guten Freund zu Grabe getragen. Es gefiel mir nicht. Aber es gab nichts, was ich dagegen hätte tun können.
Die Tür ging auf und ein paar Studenten kamen herein. Einer verschwand in der Kabine. Der zweite stellte sich an die Urinale. Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ kaltes Wasser über meine Hände laufen. Dabei bemerkte ich nicht, wie die Tür ein weiteres Mal aufging. Denn plötzlich stand Noah neben mir. Erst betrachtete er mich stumm, dann strich er seine Haare aus dem Gesicht und starrte in den Spiegel, als müsse er sich selbst hypnotisieren.
„Ich hab dich gesehen“, antwortete er endlich. „Er hat dir wehgetan.“
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Für den Zwischenfall gab ich mir selbst die Schuld. Ich hatte es provoziert. Selbst Bastian konnte ich nicht dafür verantwortlich machen. Er hatte nicht anders handeln können, um mich loszuwerden.
„Du könntest den Arsch anzeigen.“
„Nein“, erwiderte ich und drehte das Wasser ab. Ich wandte mich um, lehnte meinen Hintern an das Waschbecken und musterte den Kerl, der noch damit beschäftigt war, seine Blase zu entleeren. „Ich wollte es. Auch wenn es ist nicht ganz so abgelaufen ist, wie ich es mir ausgemalt hatte.“
„Warum wolltest du es?“
„Wahrscheinlich, um mir selbst etwas zu beweisen.“
„Hat es sich gelohnt?“
Ich ließ den Blick sinken, betrachtete kurz meine Schuhspitzen und schüttelte dann bedächtig den Kopf. „Es hat alles kaputt gemacht.“
„Das ist wahr.“ Noah drehte sich ebenfalls um, lehnte sich an das Nachbarwaschbecken und ließ ebenso den Kopf hängen.
Ich holte Luft. „Warum bist du wieder gegangen, nachdem du mich dort gefunden hast?“ Ich war mir sicher, dass ich ihn bestimmt ziemlich verletzend angefahren hätte, wenn er geblieben wäre. Dennoch interessierte es mich.
„Ich wollte nur sicher gehen.“
„Du wusstest also ganz genau, was wir da drinnen machen und hast trotzdem nachgesehen? Und als du mich dort aufgelöst liegen sahst, bist du wieder gegangen?“
Noah nickte lahm.
„Das muss gut getan haben.“
„Ganz und gar nicht. Es tat weh. Aber ich wusste, dass du es nicht gewollt hättest.“
Irgendetwas in mir sackte zusammen. Es war, als wäre ein Ventil geplatzt, aus dem nun die Luft entwich und mich immer weiter zusammensinken ließ. „Ich war so ein Idiot“, brach es aus mir heraus.
Der Mann hatte sein kleines Geschäft nun beendet und kam heran, um sich die Hände zu waschen. Ich machte ihm Platz, indem ich mich vom Waschbecken abstieß und ein paar Schritte in den Raum ging.
„Kannst du laut sagen“, gab Noah leise von sich.
„Ich hab dir weh getan“, gestand ich mir selbst zu. „Das hab ich bewusst in Kauf genommen. Nur um …“ Ich brach ab, weil es mir nun vorkam, wie ein misslungener Schülerstreich. Allerdings hatte er immensen Schaden angerichtet.
Nummer Eins verließ den Toilettenraum. Nummer zwei betätigte die Spülung, verließ die Kabine und stellte sich ans Waschbecken. Ich beobachtete ihn gedankenverloren. Das Schweigen war schwer wie Blei. Ich wusste jedoch nicht, wie ich es zerstören konnte. Noch immer entwich die Luft in mir und je länger das Schweigen andauerte, desto mehr sank ich innerlich zusammen. Als Nummer zwei endlich die Toilette verließ, lehnte ich mich mit dem Rücken an die Wand neben dem Heißlufttrockner und sank daran entlang zu Boden bis ich auf den kalten Fliesen hockte.
Noah sah mir besorgt zu, gesellte sich jedoch nicht zu mir oder hinderte mich daran, zusammenzubrechen. Er strich eine Strähne, die ihm bei jeder Bewegung vors Gesicht fiel, hinters Ohr und presste die Lippen zusammen.
Es kam mir fast so vor wie damals, als ich mit wundgescheuertem Hintern die Kühle des Bodens genoss. So wie an diesem denkwürdigem Abend schossen Tränen in meine Augen. Ich hob den Blick an und erkannte Noah wie in einem Trugbild. Ganz verschwommen, von Schleier bedeckt, als würde ich mir das alles nur erträumen.
„Ich war so ein Idiot“, entkam es mir ein weiteres Mal. Diesmal wusste ich tatsächlich nicht mehr, was mich geritten hatte, als ich mich Bastian angeboten hatte.
„Ein verliebter Idiot.“ Noah stieß sich von dem Waschbecken ab und ging vor mir in die Hocke. Er streckte eine Hand aus, wollte sie auf mein Knie legen, zog sie jedoch wieder zurück.
Plötzlich war mir nach den kleinen vertrauten Berührungen, mit denen mich Noah stets bedacht hatte. „Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen kannst“, begann ich, wischte mit der Handfläche über meine Wangen, um die Tränen aufzuhalten. „Aber könnten wir wenigstens Freunde bleiben? Ich wollte es nie wahrhaben, hab es sogar verleugnet. Aber irgendwie war es schön, zu wissen, dass du mich magst, dass du die Hoffnung nie aufgegeben hast.“
Noah schüttelte langsam den Kopf. „Ich möchte nicht, dass wir Freunde bleiben“, sagte er traurig.
Die Schleier tanzten stärker vor meinen Augen. Ich hatte es nicht anders verdient. Ich hatte Noah verletzt, sein Herz zerrissen und war darauf herumgetrampelt wie auf einem Zigarettenstummel. Ich nickte verstehend und ließ den Kopf hängen.
„Ich will, dass wir mehr als Freunde sind“, sagte Noah. Endlich legte er eine Hand auf mein Knie. „Ich will, dass du mein Freund bist.“
Ich blinzelte, hob den Kopf an und suchte das Gesicht des Mannes, der zwei Semester lang an meinen Fersen gehangen war und sich durch nichts hatte abschütteln lassen. Er war in diesen Dingen genauso hartnäckig gewesen wie ich. Nur mit dem Unterschied, dass sein Ziel geläutert werden konnte.
„Trotz dass ich …?“ Ich wusste nicht, wie ich es aussprechen konnte.
„Trotz dass du“, entgegnete er mit einem Nicken. „Das Herz hat eben seinen eigenen Kopf. Aber da wird nichts draus, denn du willst mich nicht. Ich habe gehört, wie du es vorhin zu Chris gesagt hast. Ich werde dich nicht weiter bedrängen. Vielleicht verlasse ich sogar die Uni. Auch wenn das ein großer Fehler wäre, denn du verdienst es nicht, dass ich deinetwegen mein Leben umkremple und meine Pläne ändere. Aber du sollst wissen, dass ich dich mehr als mag. Ich mochte dich schon, bevor du mir im Vollrausch einen geblasen hast. Ich werde versuchen, dir aus dem Weg zu gehen. Dasselbe verlange ich von dir. Es wird hart, weil ich an nichts anderes denken kann, als an dich. Aber irgendwann werde ich es überwunden haben.“
Gerade noch rechtzeitig, ehe er sich erheben und den Toilettenraum verlassen konnte, umfasste ich seinen Kopf mit beiden Händen, zog ihn an mich heran und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Noah wehrte sich, zog meine Hände energisch von seinem Gesicht weg und starrte mich keuchend an.
„Felix“, stieß er atemlos aus. „Ich lass nicht mehr mit mir spielen. Das ist vorbei.“
„Ich spiele nicht. Ich will dich …“
„Nein, willst du nicht“, fuhr er mir ins Wort. „Du bist verzweifelt, einsam und wahrscheinlich unterfickt. Aber ich stelle mich nicht mehr dafür zur Verfügung. Einmal reicht mir. Ich mache diesen Fehler, zu denken, dass ein Blowjob dich auf mich aufmerksam machen könnte, kein zweites Mal.“
„Ein Fick schafft das auch nicht. Das hab ich lernen müssen.“
„Dann weißt du, wovon ich rede.“ Noah richtete sich auf und brachte etwas Abstand zwischen uns. „Du kannst auf Chris’ Party gehen. Ich werde nicht dabei sein.“
Ich sprang auf die Beine und hielt ihn auf, bevor er durch die Tür entschwinden konnte. „Ich will, dass du dabei bist. Mit mir. Wir gehen zusammen.“
„Felix!“, ermahnte er mich noch einmal betont. „Du willst mich nicht. Du wolltest mich nie. Warum sollte sich jetzt etwas geändert haben?“
Ich packte ihn, zog ihn an mich und pinnte ihn an die Wand, als er versuchte, sich zu entwinden.
„Lass mich los“, verlangte er.
„Nein. Den Fehler hab ich bereits einmal begangen. Ich hab dich von mir gestoßen, dich verletzt, dich gedemütigt. Und du bist trotzdem noch bei mir geblieben. Ich habe dir schlimmes angetan und dennoch kommst du immer wieder zu mir zurück. Ich hab immer in die Ferne gesehen, dort nach jemandem wie dich gesucht und erst kapiert, dass es eigentlich die ganze Zeit nahe bei mir war.“
„Felix, nein …“ Noah wand sich unter meinem Griff. Seine Gegenwehr war jedoch halbherzig und nicht sehr stark. Er hätte sich mit Leichtigkeit befreien können, tat es jedoch nicht. Dies gab mir Hoffnung.
Ich strich ihm die langen Haare aus dem Gesicht, wollte es ganz sehen, jedes Detail in mich aufnehmen. Ich wollte Noah endlich so sehen, wie ich es die ganze Zeit hätte tun sollen.
„Ich will mit dir auf diese Party gehen“, sagte ich entschlossen. „Ich will mit dir auf jede Party gehen, die zwischen heute und irgendwann stattfindet. Ich will mit dir zusammen sein.“
Noah keuchte leise. „Was ist, wenn noch ein Bastian kommt?“
„Da kommt keiner mehr“, versicherte ich ihm. „Du bist mein Bastian. Nein“, unterbrach ich mich sofort. „Du bist mein Noah.“ Mein Gesicht näherte sich ihm. Ich wollte ihn küssen, diese Lippen mit meinen berühren, die so nahe vor mir schwebten und auf einmal so verlockend und verführerisch wirkten. Doch Noah wich aus. Tränen standen in seinen Augen.
Ich sah ihn eindringlich an. „Du glaubst mir nicht?“
„Wie kann ich dir glauben? Das ganze letzte Jahr hast du bei jeder Gelegenheit erklärt, dass ich dich anwidere, dass ich dir lästig bin. Niemand ändert seine Meinung so gravierend.“
„Ich schon.“ Ich ließ ihn los und machte einen Schritt rückwärts. „Wenn du es mich beweisen lässt.“
„Und wie?“
Ich streckte ihm die Hand entgegen. Noah legte die seine zögerlich hinein. Ich verschränkte meine Finger mit seinen und zog ihn etwas an mich. Dann öffnete ich die Tür und schleppte ihn mit. Händchenhaltend gingen wir den Flur entlang zum Hörsaal, in welchem sich bereits alle Studenten versammelt hatten. Die Vorlesung hatte schon vor einigen Minuten begonnen. Sämtliche Augen flogen uns zu, als wir den Saal betraten. Der Professor hielt in seinen Ausführungen inne. Ich blieb stehen und hielt unsere ineinander verschränkten Hände hoch, als sei es die Erklärung schlechthin für unser Zuspätkommen.
„Entschuldigung“, sagte ich laut. „Wir hatten noch etwas zu klären.“
„Wunderbar“, gab der Professor zurück und deutete auf ein paar freie Plätze in der ersten Reihe. „Ich hoffe für sie beide, dass sie im Lösen von Maxwell-Gleichungen ebenso viel Erfolg aufweisen können.“
„Die sind vermutlich einfacher zu lösen, als Beziehungsprobleme“, erwiderte ich, worauf einige der Zuschauer zu Lachen begannen. Wir schoben unsere Hintern auf die leeren Stühle. Dass wir in diesem Semester unter strenger Beachtung sein würden, war mir in diesem Moment absolut klar. Aber das war mir egal. Den einzigen, den ich von meinen Qualitäten wirklich überzeugen wollte, war Noah, der nun so nahe bei mir saß, wie noch nie. Eigentlich war er schon immer in meiner Nähe, ich hatte ihn nur nie wirklich gesehen. Nicht so wie jetzt.
Ich drückte die Hand unter dem Tisch auf meinen Schenkel und spreizte die Beine ein wenig, sodass mein Knie an das von Noah stieß. Er lächelte leicht verlegen, schien der Sachlage noch nicht zu trauen. Immerhin hatte ich ihn ein ganzes Jahr lang von mir weggestoßen. Aber dies war nun vorbei. Ich würde ihn so schnell nicht wieder loslassen, denn ich hatte keine Lust, in die Ferne zu blicken, wenn er doch direkt neben mir saß.
Als ich mich so umsah und alle Jungs mit Noah verglich, kamen mir alle anderen plötzlich wie verschrumpelte Erdmännchen vor.
Texte: Ashan Delon 2015
Bildmaterialien: Ashan Delon/Witizia www.pixabay.de
Lektorat: myself nach besten Wissen und Gewissen.
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2015
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