Ich liebe den Geruch von Frühling.
Wenn sich die Natur nach einem nassen, kalten Winter aus der schneeweißen Zudecke erhebt, sich reckt und streckt und den ersten wärmenden Sonnenstrahlen im März entgegen strebt. Wenn das geschäftige Summen und Sirren Tausender der eiskalten Starre des Winters entkommenen Insekten anschwillt, sich zu dichten Schwärmen in die Lüfte erhebt und die ersten Blüten besucht. Wenn der Boden unter den warmen Strahlen der Sonne zu dampfen beginnt und sich ein Duft erhebt, der alle Lebensgeister und den Hunger nach Leben, Liebe und Energie weckt, so wie der unverkennbare, verlockende Duft eines frischgebackenen Brotes. Wenn aus den struppigen und trostlosen Bäumen und Sträuchern kleine Knubbel und Knospen wachsen und ehe man sich versieht Blätter und Blüten daraus hervor sprießen.
Dann streckte ich stets meine Nase in den seichten Frühlingswind und schnupperte.
Schnuppern hatte ich mittlerweile von meiner Mitbewohnerin gelernt. Die Nase in die leichte Brise heben und sich die Nachrichten der vergangenen Stunden einverleiben, war eines der Lieblingsbeschäftigungen der kleinen Hündin, die seit gut zwei Jahren die Wohnung mit mir teilte.
Ich, Milo Rauch, ein ganz normaler Mittzwanziger, der vor dem Einzug dieser bezaubernden Hundedame gerade mal einen Dackel von einer dänischen Dogge unterscheiden konnte, aber auch nur, weil sie sich schon rein optisch nicht ganz ähnlich waren, mutierte inzwischen schon fast zu genauso viel Hund, wie es dieses kleine quirlige Energiebündel zuweilen war.
Meine Mitbewohnerin war eine kleine Terriermischlingsdame namens Bella.
Vor ungefähr zwei Jahren, als ich ein halbes Jahr lang umsonst einer falschen Liebe hinterher gelaufen war und nur noch wie ein heulendes Häufchen Elend mit knallroten Alienaugen herumstolperte, kam mein bester Freund Axel mit diesem fiependen Handvoll Fell an und drückte sie mir mit einem begeisterten: „Ein bester Freund vom besten Freund“ in die Hand. Ich war überwältigt und im ersten Moment fiel mir kein besserer Hundename für meine neue Freundin ein. Bella, die Schöne, nicht gerade sehr einfallsreich, er gefiel mir jedoch auf Anhieb.
Der Terrierdame machte es sowieso nichts aus. Sie hörte auch auf so wohlklingende Namen wie Streuner, Zottelmäuschen, Süße oder Zeckenfalle – wie ich sie eines Morgens, nach einem ausgiebigen Spaziergang über eine blühende Wiese verärgert nannte, nachdem ich gefühlte hundert dieser blutsaugenden Biester aus ihrem Fell entfernt hatte. Einmal rief ich sogar „Käsestück“ durch die Wohnung und die Kleine kam angetippelt, hob erwartungsvoll ein Pfötchen, legte den Kopf schief und blickte mich mit ihren großen, dunklen Augen an, die mein Herz so sehr erweichen konnten, dass ich wie Butter in der Sonne dahinschmolz.
Ja, dieses Mädchen hatte mein Herz im Sturm erobert. Nach meiner Mutter, das einzige weibliche Wesen auf dieser Welt, denn rein körperlich stand ich eher auf Jungs.
Dieses weißbraun gefleckte Ergebnis eines One-Morning-Stands ihrer Mutter und einem vierbeinigen Wüstling, der sich aus dem Staub gemacht hatte, bevor ihre Besitzer sie in flagranti erwischen konnten, hatte mich vom ersten Moment an, als ich das wimmernde Etwas an meine Brust drückte, um den Finger gewickelt. Da konnte ich noch so hundemüde und bereits halb im Tiefschlaf versunken sein. Sie brauchte nur leise vor die Wohnungstüre zu schleichen und nervös von einem Pfötchen auf das andere zu tippeln, da war ich bereits wieder auf den Beinen, griff blindlings nach der Leine und ging mit ihr mal kurz um den Block.
Bella war schon etwas Besonderes. Sie hatte mein Leben aufgemischt und ordentlich auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass ich fortan eine doppelte Portion Frühstückskäse auf den Tisch stellen musste, denn sie liebte Käse mehr als irgendein Wurststückchen, was mir als Vegetarier besonders an ihr gefiel. Seit sie in mein Leben kam, hatte sich auch meine Arbeit grundlegend geändert.
Als Kinderbuchillustrator stand ich mit meinem heftigen Herzschmerz kurz vor einem kreativen Absturz. Ich brachte keine einzige Heile-Welt-Szene mehr zusammen. Bunte Bilder waren mir ein Gräuel geworden und wäre sie nicht gewesen, wäre ich vermutlich ins Horrorfach abgewechselt. Sie hatte mich mit ihrem leisen Fiepen und ihren großen dunklen Augen aus dem tiefen Loch herausgerissen und in die helle strahlende Welt zurückgeworfen. Dafür war ich ihr unendlich dankbar.
Nun war dieser quicklebendige viertel Meter Hund mein Lebensmittelpunkt und so manches Mal fand es ein beinahe ebensolches Pendant in einem der Büchlein wieder.
Eine seichte Brise wehte über die in der Morgensonne mit glitzerndem Raufreif überzogene Wiese und ich hob meine Nase. Ich konnte den zarten Hauch von frischen Knospen und den ersten Blüten ausmachen und schloss für einen Moment die Augen. Diese Momente brauchte ich, um gewisse Stimmungen für meine Bilder einzufangen. Wenn etwa die Wichtel aus ihrem Winterschlaf erwachten und freudig die Frühlingssonne begrüßten, musste ich das Gefühl kennen, bevor ich es zeichnen konnte. So sog ich jede einzelne Eingebung gierig in mich hinein und genoss es.
Es war noch recht kalt an diesem frühen Märzmorgen. Doch die kühle Morgenluft machte mir nichts aus. Gut eingepackt in dicker Daunenjacke, Thermostiefeln, Schal und Wollmütze konnte mich selbst der eisige Winter nicht in die Knie zwingen. Ich war beinahe jeden Morgen mit Bella draußen, lange bevor die Menschheit aus ihren warmen Betten kroch und ihre ersten müden Schritte Richtung Küche wankte, um Kaffeemaschine oder Toaster zu aktivieren. Dann war der Park noch nahezu leer und man konnte die Gedanken fliegen und den Hund laufen lassen, ohne von genervten Radfahrern, überängstlichen Müttern oder wohlgemeinten Rentnern in die Schranken oder besser gesagt an den Leinenzwang für Hunde erinnert zu werden.
Irgendwo in der Ferne hörte ich das helle Bellen meiner Süßen und ein Schmunzeln zauberte sich wie von selbst auf meine Lippen. Vermutlich hatte sie eine Maus entdeckt und scheuchte das arme Tier nun kreuz und quer durch das Unterholz. Ich genoss noch eine ganze Weile die warmen Strahlen der Morgensonne, während ich mit geschlossenen Augen den Weg entlang schlenderte und die Ruhe und die Einsamkeit genoss. Ich kannte den Weg wie meine Westentasche und schlenderte daher ohne irgendwo anzuecken oder anzustoßen dahin. Meine Bella geriet in den Hintergrund, als meine Gedanken zu dem Waldbuch wanderten, das ich heute zu illustrieren hatte.
Ich war in Gedanken bereits gänzlich bei Igeln, Hasen, Füchsen und Rehen, als sich mir plötzlich die Nackenhaare sträubten. Ich riss die Augen auf, blieb stehen, drehte mich um und fand mich beinahe Auge in Auge mit einem Mann. Ich hatte den Jogger nicht herannahen hören. Seine Schritte hätten auf dem steinigen Boden eigentlich deutlich hörbar sein müssen. Ich kannte das gleichmäßige Knirschen der Laufschuhe auf dem Kiesboden der Parkwege, beinahe so genau, wie ich das leise Quietschen meines Radiergummis aus Hunderten von anderen heraushören könnte.
Erschrocken wich ich einen Schritt zurück und starrte ihn verwirrt an.
„Morg'n“, grüßte der Mann abgehetzt. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Er schien nervös und blickte sich hektisch nach allen Seiten um. Sofort schoss mir das Bild eines früh morgendlichen Überfalles in den Kopf und wich einen weiteren Schritt zurück. Nicht, dass ich überaus ängstlich war oder die Konfrontationen mit unangenehmen Zeitgenossen scheute. So unerwartet einem Fremden gegenüberzustehen, der sich auf magische Weise wie aus dem Nichts vor mir formiert hatte, befremdete mich doch etwas. Unwillkürlich dachte ich an die Dose Pfefferspray in meiner Jackentasche, die ich eigentlich zum Schutz für Bella mit mir herumschleppte. Denn die unerschrockene junge Dame geriet so manches Mal in einen Zwist mit anderen Hunden, die sich wenig begeistert von ihren neugierigen Annäherungsversuchen schon mal mit Beißattacken wehrten. Meine Hand schob sich tiefer und suchte nach der Dose, als der Mann auch schon einen Schritt zur Seite machte, damit einen noch größeren Abstand zwischen uns beide brachte und sich abermals hektisch umsah.
Offenbar war er doch nicht darauf aus, mich zu überfallen. Denn er schob nun seine Hände ebenfalls in die Tasche seiner knallroten Sportjacke und presste sie an seinen Leib.
„Haben Sie zufällig einen dunkelbraunen, zotteligen Hund gesehen?“, fragte er und keuchte im schnellen Rhythmus dicke, weiße Atemwolken aus, während er sich seitlich drehte und seinen Blick über die vom Nachtfrost mit Raureif überzogene Wiese schweifen ließ.
Ich entspannte mich sogleich und blinzelte verwirrt. Er suchte lediglich seinen Hund, sagte ich mir schnell im Stillen, um den Schreck dieses überfallartigen Zusammentreffens rasch niederzuwürgen. Der Kerl war sicherlich nicht viel älter als ich und sah auf seine abgekämpfte Art und Weise unheimlich attraktiv aus. Die Morgensonne zauberte ihm kleine Schatten ins Gesicht, vor allem, als er ihr den Rücken zudrehte, und ließ ihn trotz seines besorgten Tonfalles ein klein bedrohlich und geheimnisvoll wirken. Sofort sortierte mein Künstlergedächtnis dieses Gesicht als brauchbar ein.
Andere sammelten Bierdeckel oder Rabattmarken, ich Gesichtsausdrücke. Diese Sorge, überschattet von leichter Bedrohung und Unbehagen, gefiel mir und ich schloss für einen Augenblick meine Augen, um es abzuspeichern.
Dabei fielen mir sofort die moosgrünen Augen auf. Meist konnte ich Gesichter erst lange im Nachhinein richtig erkennen und katalogisieren. Oft erst dann, wenn ich mich ans Zeichenpult setzte und es aus meinem Gedächtnis nachempfinden versuchte. Das war der Vorteil eines fotografischen Gedächtnisses. Ich konnte Bilder wie auf einer Festplatte sichern und bei Bedarf wieder hervorholen und ganz genau betrachten. Als Nächstes stach mir der gekonnte Schwung seiner Augenbrauen ins Auge. Vor Besorgnis hatte sich die eine etwas höher angehoben, als die andere. Wie auch der leichte Knick in der sonst geraden Linie der Nase, der vermutlich von einem Bruch des Nasenbeins herrührte. Und die leicht geöffneten Lippen, die in der trüben Morgensonne bleich und blutleer wirkten und über die in gleichmäßigen, schnell aufeinanderfolgenden Stößen, Atemwolken wie wabernder Nebel hervorquoll. Sein Kinn zitterte leicht. Ihm war kalt.
Ich musste mich gewaltsam aus meiner geistigen Abspeicherung herausreißen, als ich mich der Anwesenheit des Mannes wieder bewusst wurde und begriff, dass er eine Antwort erwartete.
„Ich … äh … nein“, stammelte ich verwirrt von mir selbst. Denn außer dem außergewöhnlichen Gesichtsausdruck war mir noch etwas bewusst geworden. Etwas, was mir schon lange nicht mehr passiert war. Ein gewisses Kribbeln tief in der Magengegend, das einem unmissverständlich zu verstehen gab, dass man unterbewusst im Begriff war, sich zu verlieben.
Jetzt?
Hier?
Ich schüttelte innerlich den Kopf.
Gut, das was ich in dieser äußerst kurzen Zeit von ihm gesehen hatte, reichte sicherlich bei Weitem nicht aus, um vollends sein Herz zu verlieren. Es genügte jedoch, um es ordentlich anzukurbeln. Dieses Kribbeln hatte sich in den letzten zwei Jahren bereits einige Male in Erinnerung gerufen und mir die Hoffnung aufrechterhalten, dass nicht alles in mir abgestorben war. Ich war wahrlich keine lebendige Leiche, stolperte aber trotzdem nicht blindlings in jede Affäre, die sich mir freiwillig bot. Auch wenn dieser Kerl nicht zu der Kategorie gehörte, die ich angewidert von meiner Bettkante geschubst hätte, trotz seines abgehetzten und dampfenden Zustandes, wusste ich meine Regungen doch unter Kontrolle zu halten und vernünftig zu denken.
Der Mann erleichterte mir meinen Kampf, indem er mir dankend zunickte, herumwirbelte und leichten Jogging-Schrittes davonrannte. Ich sah ihm hinterher, beobachtete das Spiel seiner Gesäßmuskeln, die sich unter der engen, dunkelblauen Thermohose so deutlich abzeichneten, dass ich beinahe jeden Strang einzeln sehen konnte, und musste mich unversehens mit einem leichten Bedauern abmühen. Dieser Blick aus seinen moosgrünen Augen war es vermutlich gewesen, überzogen von leichten Schatten der noch tief stehenden Morgensonne, der mich eingenommen und beeindruckt hatte.
Als er jedoch nach seinem Hund rief, verpuffte dieser Eindruck urplötzlich und ich musste die Lippen zusammenpressen, um nicht laut loszuprusten. Wer nannte seinen Hund schon Striezel und rief dies auch noch lautstark heraus?
Vermutlich derselbe Verrückte, der eine kleine strubbelige Mischlingshündin Bella nannte.
Apropos … Meine kleine Begleiterin war mir vollkommen entglitten.
Ich blickte mich suchend um und rief sogar nach ihr. Doch sie kam nicht.
Es gab nur wenige Momente, in denen ich sie verfluchte. Nämlich dann, wenn sie ihre lustig wackelnden Ohren auf Durchzug stellte und einen auf bockigen Teenager machte.
Ich kam mir ziemlich dämlich dabei vor, durch den Park zu laufen und unentwegt den Namen meines Hundes zu brüllen, während dieser sich vermutlich irgendwo mit einer Maus oder einem Feldhasen vergnügte und dabei vollkommen die Zeit und den Anstand vergaß.
Irgendwann kam sie mit fliegenden Pfoten angerannt, wedelte heftig mit dem Schwanz und tänzelte ausgelassen um mich herum, als sei nichts gewesen und wollte schon wieder davon eilen. Ich nahm sie schnell an die Leine, bevor sie mir wieder entwischen konnte, und kehrte in meine Wohnung zurück.
Bereits auf dem Heimweg bemerkte ich, dass etwas anders war. Bella verhielt sich anders. Sie wirkte irgendwie nervös.
Gut, sie war ein kleines quirliges Mädchen, das vor Energie nur so strotzte, aber dass sie herumtippelte, als würde sie auf glühenden Kohlen laufen und an der Leine in die entgegengesetzte Richtung zog, als wollte sie zurück in den Park, war ungewöhnlich.
Normalerweise folgte sie mir nach einem ausgiebigen Spaziergang brav in die Wohnung zurück. Was jedoch nicht hieß, dass sie dort geduldig bis zum nächsten Gassi gehen ausharrte, sondern im Garten Vögel, Schmetterlinge oder Bienen jagte, oder mit ihrem Spielball durch die Wohnung tobte. Doch heute schien sie keine rechte Lust zu haben. Ich musste sie sogar hochnehmen und tragen, um überhaupt irgendwann wieder zu Hause ankommen zu können.
Bei mir angelangt, hockte sie sich vor die Wohnungstüre und blickte mich mit großen Augen an, legte den Kopf ständig in die andere Richtung schief und wackelte mit ihren kleinen Ohren. Ich ließ mich nicht erweichen. Abgesehen davon, dass ich noch einen Auftrag zu erledigen hatte, kam mir dieses Verhalten höchst schleierhaft vor.
Den ganzen Tag war sie absolut nervös. Es hielt sie keine zwei Sekunden in ihrem Körbchen, wenn ich sie entnervt von ihrem Verhalten dort hinschickte. Sie sprang beinahe sofort wieder auf, rannte zur Wohnungstüre und fiepte leise. Ich versuchte, dies so gut wie möglich zu ignorieren, denn ich musste mich auf Igel, Füchse und Hasen konzentrieren, die sich auf einer Lichtung zu einer kleinen Mondscheinparty versammelten.
Als ich irgendwann im Laufe des Tages bemerkte, dass fast alle meiner Waldtiere grüne Augen besaßen, starrte ich die Bilder entgeistert an und erinnerte mich wieder an meine Begegnung mit dem Jogger. Um das abgespeicherte Bild aus meinem Kopf zu bekommen, nahm ich mir ein leeres Blatt Papier und begann es aufzuzeichnen. Binnen weniger Minuten blickte mich der von seinem Lauf abgehetzte Mann mit seinen leuchtenden, moosgrünen Augen an. Das Sonnenlicht in seinem Rücken zauberte ihm geheimnisumwitterte Schatten ins Gesicht und ließ die Augen so bedrohlich wirken wie ein böser Waldgeist. Als ich dann schließlich vor meinem fertigen Werk saß und es betrachtete, bemerkte ich, wie in meiner Magengegend wieder jenes flattrige Gefühl aufkeimte.
Schmetterlinge, wusste ich sofort. Der Blick dieses Mannes bewirkte, dass Frühlingsgefühle in mir entstanden und sich ein ganzer Schwarm hypernervöser Schmetterlinge in die Lüfte erhob und wild umher flatterten.
Aber warum?
Ich kannte ich doch gar nicht. Außer seinem malerischen Blick und dass er gern joggte, wusste ich doch nichts von ihm. Nicht einmal, ob er dem eigenen Geschlecht zugeneigt war. Bei meinem Glück, was Liebeleien anbetraf, war er wahrscheinlich hetero, verheiratet und besaß mindestens ein Kind. Also jemand, wovon ich tunlichst meine Finger lassen sollte.
Dennoch ging er mir nicht aus dem Kopf.
Dieser Blick aus den grünen Augen, die ihn mit einer seltsamen Mischung aus Überraschung, Sorge, Stress und auch Neugier betrachtet hatten, schlich sich immer wieder in meine Bilder. Gegen späten Nachmittag, als Bella so penetrant nervig an der Wohnungstüre jaulte, gab ich den Kampf, dieses Gesicht aus meinem Kopf zu verbannen, auf und drehte eine Runde mit meiner Hündin. Dabei versuchte ich zwar zu vermeiden, dem Park zu nahe zu kommen. Bella kannte den Weg dorthin bereits sehr gut und zog ungeduldig an der Leine.
Warum zum Henker wollte sie unbedingt in den Park?
Ich war jedoch nicht gewillt, dem sturen Köpfchen der Terrierdame nachzugeben und weigerte mich vehement. An der Wohnungstüre, als ich sie einen Moment zu früh von der Leine befreite, entwischte sie mir und rannte davon.
Na toll, dachte ich mir wütend, als sie auch auf meine Rufe nicht reagierte und mit wehenden Ohren und fliegenden Pfoten davon galoppierte. Ich hastete hinterher, rief sie einige Male mit scharfem Ton zurück, doch Bella ignorierte dies und sauste davon. Notgedrungen musste ich wieder in den Park, rief sie unentwegt und suchte die Büsche und Sträucher ab, unter denen ich sie bereits einige Male hatte hervorholen müssen. Ich machte mir schon Sorgen um sie, malte mir in Gedanken schon Bilder aus, wo ich sie im harten Straßenkampf mit einem weitaus größerem Köter vorfand – Susi und Strolch-mäßig. Bella war unerschrocken und besaß auch vor den ganz großen Tieren, an die ich mich auch mit Ganzkörperpanzer nicht herantrauen würde, nicht die geringste Angst. Sie reichte ihnen kaum bis an den Bauch und dennoch bellte und knurrte sie diese großen Vierbeiner mutig an, so als war sie davon überzeugt, unbesiegbar zu sein oder einen fleißigen Schutzengel an ihrer Seite zu wissen. So manches Mal oblag mir die Funktion dieses Schutzengels, wenn ich sie aus einer dieser Auseinandersetzungen herausreißen musste, auf den Arm nahm und forttrug.
Doch diesmal war sie weder in das Aufbuddeln eines Mauseloches, noch in einer Diskussion mit einem Artgenossen vertieft, sondern …
Ich hielt den Atem an, als ich sie fand.
Bella und ein zotteliger, dunkelhaariger Streuner in einer eindeutigen Situation.
Sofort erinnerte ich mich wieder daran, dass ich es bislang noch nicht übers Herz gebracht hatte, sie sterilisieren zu lassen. Bella unter dem Messer zu wissen und ihr das Natürlichste zu nehmen, was ihr Mutter Natur geschenkt hatte, dazu konnte ich mich einfach nicht durchringen. Dies schien sich jetzt bitter zu rächen. Denn der vierbeinige Lüstling von einem Zottelvieh hatte eindeutige Absichten, und Bella hielt ihm bereitwillig ihr Hinterteil hin.
Ich rief sie mit scharfem Ton, doch Bella war gänzlich in diese kurz bevorstehende Vereinigung versunken. In meiner Verzweiflung wusste ich mich nicht anders zu helfen, als einen Stein aufzunehmen und zu werfen. Zum Glück der beiden Turteltäubchen war ich ein mieser Werfer und verfehlte die beiden um mehrere Zentimeter. Der dumpfe Aufprall auf dem kiesigen Boden ließ die beiden Hunde dennoch erschrocken zusammenzucken und auseinander fahren, ehe es zur verhängnisvollen Kopulation kommen konnte. Wäre ja noch schöner, wenn ich in absehbarer Zeit die Bude voller frecher kleiner Strolchis hätte.
Mit wenigen Schritten war ich bei den beiden. Ich schrie den anderen Hund an, worauf dieser den Schwanz zwischen die Hinterbeine steckte, die Ohren anlegte und einige Schritte davon eilte, dann jedoch stehen blieb und uns beide mit wackelnden Schlappohren beobachtete. Ich nahm Bella hoch, klemmte mir das widerspenstig zappelnde Ding unter den Arm und eilte mit ihr davon. Auf dem ganzen Weg schimpfte ich mit ihr und versuchte ihr klar zu machen, dass der fremde Streuner nichts für sie war.
„Schluss mit der Susi-und-Strolch-Gute-Nacht-Geschichte, du ungezogenes kleines Mädchen“, schalt ich.
Bella versuchte sogar anfangs, mich zu beißen, damit ich sie losließ. Ich packte ihr Maul und fuhr sie scharf an, worauf sie sich endlich fügte und sich nach Hause tragen ließ. Ich fühlte mich nicht weniger mies, als ich sie auf den Boden ließ, nachdem ich die Wohnungstüre sorgsam geschlossen hatte. Ich mochte es eigentlich nicht, mich derart herrisch über meine Mitbewohnerin aufzuspielen. Aber einen ganzen Stall von Zottelwesen, das brauchte ich wirklich nicht. Vielleicht sollte ich mich doch endlich dazu aufraffen und sie zu einem Tierarzt bringen.
Eine Entscheidung, die mir absolut nicht leicht fiel.
Es war ein recht ungemütlicher Abend und eine noch ungemütlichere Nacht. Bella schien es mir übel zu nehmen, dass ich sie ihrem Freund entrissen hatte. Wenn ich sie rief, kam sie nicht, sondern wackelte nur beleidigt mit einem Ohr, schob ihre Schnauze auf die andere Pfote und strafte mich mit Missachtung. Sie rührte ihr Fressen nicht an und ließ sich selbst von einem großzügigen Stück Käse nicht aus ihrem Körbchen locken.
Die ganze Nacht jaulte und fiepte sie unentwegt und tippelte mit leise über den Fliesenboden klickenden Krallen durch die Wohnung. Ein ums andere Mal musste ich sie scharf zurechtweisen und auf ihren Platz schicken. Sie hielt es jedoch keine Minute aus, sprang wieder auf, rannte unruhig zwischen Wohnungstüre und Balkontüre hin und her und jaulte leise.
Ich konnte sie ja verstehen. Sie war verliebt und ich hatte ihr erstes trautes Beisammensein jäh abgebrochen. Das war gemein, ich weiß. Aber abgesehen davon, dass dies unvernünftig gewesen wäre und ich in absehbarer Zeit Vaterpflichten hätte übernehmen müssen, wollte irgendwas tief in mir drin nicht zulassen, dass sie ihr Glück fand und ich nicht.
Bella nahm es mir jedenfalls ziemlich übel und ließ mich mit ihrem unruhigen Hin- und Herlaufen nicht schlafen. Irgendwann mitten in der Nacht gab ich es schließlich auf und setzte mich an meinen Zeichentisch. Meiner unglücklichen Hündin zuliebe skizzierte ich den zottelhaarigen Vierbeiner, klebte das Bild neben ihrem Körbchen an die Wand und beobachtete mit Genugtuung, wie sie ruhiger wurde, sich in dem Polster ihres Kissens zurechtrückte und mich mit ihren großen, dunklen Augen beinahe schon dankbar ansah.
Ich liebte meine Süße, und wenn ich nicht ebenfalls vom Frühlingsfieber befallen wäre, hätte ich darüber sogar lachen können.
So setzte ich mich mit merkwürdigem Flattern zurück an meinen Tisch und begann weiter zu zeichnen. Das, was meine Stifte auf dem Papier hinterließen, sah unübersehbar wie der Jogger aus, in mehreren Szenen … wie er der aufgehenden Sonne entgegen lief, die ausgeprägten Muskeln an seinem Hintern durch das gekonnte Spiel von Licht und Schatten noch extra in Szene gesetzt … wie er mir einfach nur mit diesem besonderen Ausdruck in seinem Gesicht entgegenblickte, diese geniale Mischung aus Überraschung, Neugier und Zurückhaltung … Eine Stunde später bekam er sogar Gesellschaft, in Form eines anderen Mannes, mit kinnlangen, glatten, karamellfarbenen Strähnen, die ihm keck ins Gesicht fielen, einem trotzigen Kinn und einem Bleistift hinter das Ohr geklemmt. Einem Kerl, der dem Anderen aus seinen sehnsüchtigen, beinahe schon traurigen graublauen Augen tief in die moosgrünen Weiten seiner eigenen Augen blickte. Sie waren ungefähr gleich groß. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. Oder wie sie beide Hand in Hand der Sonne entgegen spazierten – der Jogger in seinem hautengen Thermo-Outfit, der andere dick eingehüllt in Daunenjacke, Strickschal und ebensolcher Mütze, unter welcher noch einige seiner widerspenstigen goldenen Haarbüschel hervortraten. Eines zeigte die beiden sogar in einen innigen Kuss vertieft, die Augen geschlossen, jede Sekunde dieses in grauem Grafit und zarten Buntstiftstrichen festgehaltenen Moments genießend.
Seufzend saß ich vor den Bildern und streichelte beinahe zärtlich über das Kinn des Joggers, das sich zärtlich an das des Anderen schmiegte, und wünschte mir, ich könnte mit der Zeichnung tauschen. Denn der Mann, den ich in meinem Anflug von sehnsuchtsvollem Frühlingsgeflatter gezeichnet hatte, war ich selbst.
Wahrscheinlich würde es niemals zu diesen Szenen kommen, dachte ich mir resigniert und blätterte mit zitternden Fingern durch die Werke, die in ein paar Stunden Nachtarbeit entstanden waren. Mir blieb nur die Erinnerung an unsere erste Begegnung, dieser Blick, der sich in mir eingeprägt hatte und mich nicht mehr loslassen wollte und diese Zeichnungen.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden fielen mir vor Müdigkeit die Augen zu und ich legte mich wieder ins Bett. Bella schlummerte selig in ihrem Körbchen, neben ihr das Bild ihres Verehrers und seufzte dann und wann im Schlaf. Vermutlich träumte sie gerade von ihrem unterbrochenen Tête-à-Tête und wünschte sich, sie hätten sich ein besseres Versteck gesucht. Gerade in meinen eigenen heißen Sehnsüchten nach dem Jogger versunken, erwachte ich von einem leisen Jaulen. Missmutig drehte ich mich auf die andere Seite, zog das Kissen über meinen Kopf und versuchte weiter zu schlafen, doch es ging nicht. Das Jaulen hörte nicht auf.
„Bella, Ruhe!“, brüllte ich aus meinem Schlafzimmer und grummelte, als sie einfach nicht hören wollte und unverwandt weiterjaulte. Mit einem Knurren, das ich von meiner Mitbewohnerin gelernt hatte, zog ich das Kissen wieder von meinem Gesicht, richtete mich auf und sah mich schlaftrunken um. Das Jaulen kam eindeutig nicht aus dem Wohnzimmer.
Ich schwang die Beine über die Bettkante, stand auf und stapfte wütend ins Wohnzimmer. Bella saß an der Balkontüre und starrte stumm nach draußen, als würde sie im Garten einen Vogel oder ein Eichhörnchen beobachten und jeden Moment durch die Glasscheibe hüpfen und das arme Tier erbarmungslos jagen wollen.
Ich erkannte schnell, dass dieses Jaulen nicht von Bella stammte und ging zur Türe, um einen Blick nach draußen zu werfen. Ein Laut der Überraschung entglitt mir, als ich erkannte, wer sich da in unseren Garten geschlichen hatte – der dunkelhaarige Zottelfreund meiner kleinen Terrierdame. Er musste ihrer Spur gefolgt sein und jaulte nun draußen auf der Veranda nach ihr. Als ich die Hand auf die Klinke legte, hob Bella sofort erwartungsvoll ihr Hinterteil und tippelte näher.
„Nein, meine Süße“, erkannte ich und nahm die Hand wieder von der Klinke. „So einfach trickst du mich nicht aus.“ Ich packte mit einem wissenden Grinsen das zappelnde kleine Wesen und trug sie ins Schlafzimmer, wo ich sie wieder runterließ und schnell die Tür schloss, sodass sie in dem Zimmer eingeschlossen war.
Dann begab ich mich wieder zur Balkontüre und öffnete sie. So flugs wie eine haarige Rakete schoss das Fellbündel durch den kleinen Spalt und begann sofort die Duftspur aufzunehmen. Ich konnte ihn gerade noch am Halsband packen, ehe er in Richtung Schlafzimmertür entwischen konnte.
„Halt, mein Freund!“ Ich zog ihn näher an mich heran. „Bevor ich dich wieder mit meiner Bella ausgehen lasse, will ich wissen, wer du bist.“ Am Halsband baumelten mehrere kleine Blechschildchen: die obligatorische Steuermarke und auch eine Plakette, in die eine Handynummer und der Name Sebastian Kämpfert eingeprägt war.
Das dunkle Zottelfell des Rüden sah auf den ersten Blick leicht verwahrlost und verfilzt aus, als ich ihn jedoch so nahe an mich heranzog und meine Finger in sein Fell vergrub, um ihn fester zu packen und ihn etwas zu beruhigen, stieg mir der unverkennbare Duft von Hundeshampoo in die Nase und das Unterfell des Hundes fühlte sich locker und sauber an. Ich betrachtete den kleinen Kerl eingehend, besah mir die Statur und den Körperbau, wurde jedoch nicht schlau daraus, welcher Rasse er zugehörig sein könnte. Er hatte etwas von einem Terrier, aber auch ein klein wenig von einem Schäferhund, gepaart mit dem langen, gelockten Fell eines Pudels und den langen Schlappohren eines Cocker Spaniels. Da schien von jedem etwas drin zu sein, eine kunterbunte Promenadenmischung. Er war kräftig. Die Schleimhäute in seinem Maul wirkten rosig und gut genährt. Das war kein herrenloser Streuner, sondern ein frecher kleiner Kerl, mit widerspenstigem Fell und einem verliebtem Herz, der seinem Herrchen entkommen war.
Ich ließ ihn los, bevor er die Ungeduld verlor und mich eventuell noch biss. Mit einem Telefon und ein paar von Bellas Leckerlis bewaffnet, kehrte ich zurück zu dem ungewöhnlichen Gast, der inzwischen der Duftspur in meiner Wohnung gefolgt war, vor der Schlafzimmertür angekommen war und an der Tür schnüffelte.
Mit den Leckerlis, die der Hund bereitwillig abnahm, lenkte ich ihn lange genug ab, um die Telefonnummer auf der Plakette abzulesen und sie in das Tastenfeld meines Telefons einzugeben. Es war fast sieben Uhr morgens. Für gewöhnlich war ich zu dieser Zeit bereits mit Bella unterwegs im Park. Der Besitzer des Hundes schien noch zu schlafen oder bereits ebenfalls unterwegs zu sein, denn der Anruf klingelte bis zur automatischen Weiterleitung zur Mailbox durch.
„Ähm … guten Morgen. Milo Rauch, mein Name“, presste ich hastig hervor, als der Piepton verstummte, nachdem die elektronische Stimme die Handynummer wiederholt hatte. „Ihr Hund ist hier bei mir. So eine kleine dunkelhaarige Promenadenmischung. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn bald wieder abholen könnten. Katharinenstraße 15, Erdgeschoss.“ Ich drückte auf die Taste mit dem roten Hörer und hoffte, dass sich der Besitzer bald melden würde. Ich konnte Bella nicht die ganze Zeit im Schlafzimmer einsperren. Den fremden Hund so einfach wieder in den Garten scheuchen, erschien mir in Anbetracht dessen, dass er sich vor der Schlafzimmertür breitmachte und offensichtlich nicht mehr daran dachte, diesen Platz zu verlassen, wenig erfolgreich.
Während Bella im Schlafzimmer fiepte, bellte und jaulte und der fremde Hund an den winzigen Schlitzen unterhalb der Tür schnaubte und prustete, um den Duft seiner Liebsten in sich aufzusaugen, bereitete ich mir ein Frühstück zu. Mit einer Tasse dampfenden Kaffee kehrte ich an den Zeichentisch zurück und hoffte, dass der Besitzer recht bald auf der Matte erschien. Das Geschnüffel des Rüden, das Jaulen und Bellen meiner Hündin machte mich nervös. Außerdem erinnerte es mich an meine eigenen Nöte.
Mit einem Seufzen widmete ich mich den Zeichnungen, die ich in der Nacht erstellt hatte, und betrachtete den fremden Mann darauf. Er war mir genauso anonym und unbekannt, wie der kleine Zottelkerl, mit dem sich Bella in ihrer eigenen Sprache durch die Türe unterhielt. Ich schloss die Augen und wünschte mir, dass er erneut so unversehens vor mir auftauchte und mich abermals mit diesem wunderschönen Blick ansah. Ein Ausdruck, in den ich mich inzwischen absolut und bis über beide Ohren verliebt hatte.
Vielleicht sollte ich mit Bella einen Spaziergang durch den Park machen, sagte ich mir hoffnungsvoll. Und vielleicht traf ich da wieder auf den Jogger.
Als kurz nach acht Uhr morgens die Türklingel schrillte, zuckte ich erschrocken zusammen und starrte für einen Moment entgeistert die Wohnungstür an. Wer um Himmels willen besuchte mich schon um diese frühe Zeit? Doch dann erinnerte ich mich an den Hundebesitzer, der offenbar seine Mailbox abgehört haben musste und sich nun seinen Hund zurückholen wollte.
Glücklich über diesen Umstand, sprang ich auf meine Beine. Das ersehnte Eintreffen des nachlässigen Hundebesitzers würde mir einen baldigen Spaziergang durch den Park ermöglichen – mit hoffentlich glücklichen Begegnungen.
Ich eilte an die Türe und riss sie förmlich auf …
… und erstarrte augenblicklich zu Eis.
Denn kein anderer, als der Jogger stand vor mir. Beinahe genauso wie am gestrigen Tag, einem Déjà vu gleich, in derselben Sportmontur, dieselbe Strickmütze und denselben dicken Schal.
Mein Unterkiefer klappte haltlos herunter.
Der Jogger schien ebenso überrascht zu sein, denn wir standen uns sicherlich eine ganze halbe Minute gegenüber, ohne dass auch nur einer von uns in der Lage gewesen wäre, irgendetwas zu sagen oder zu tun. Kein guten Morgen, kein Hallo, kein „Danke, dass sie meinen Hund gefunden haben.“
Meine Finger krallten sich in die Türklinke. Ich musste mich förmlich daran festhalten, sonst wäre ich sprichwörtlich aus den Latschen gekippt. Wie kann einem der Anblick eines anderen Menschen nur so aus der Fassung bringen?
Der Rüde kam angesprungen, als er sein Herrchen erkannte und streifte mich flüchtig an der Wade, als er an mir vorbei ins Treppenhaus eilte, um seinen Herrn zu begrüßten – jedoch nur, um sofort wieder kehrt zu machen und an die Schlafzimmertür zurückzukehren.
„Äh … Morgen“, fand der Andere als Erster seine Stimme wieder und senkte leicht verlegen den Kopf. „Ich … Sie haben mich angerufen … wegen dem Hund.“ Er deutete ins Innere meiner Wohnung an die gegenüberliegende Tür, wo es sich mein ungewöhnlicher Hausgast bequem gemacht hatte.
„Sebastian Kämpfert …? Ihr Hund …?“, keuchte ich atemlos und musste mich zusammenreißen und innerlich einen Tritt in meinen Hintern verpassen, ehe ich es schaffte, wieder auf Normalzustand zu gelangen. „Ah … Ja.“ Ich drehte mich um. Wie hieß der kleine Kerl noch mal? Striezel? Es schien mir absolut lächerlich, diesen Namen zu rufen und vollkommen unangebracht. Woher sollte ich den Namen auch kennen? Wenn ich diesen komischen Namen ausstieß, würde er sich unweigerlich fragen, woher ich ihn wissen konnte. An dessen Halsband hatte sich keine Plakette mit dessen Namen befunden. Also woher …
Der Jogger kam mir zuvor, indem er für mich nach dem Hund rief. Doch der stellte sich bockig und strafte seinen Herrn mit Missachtung, indem er den Kopf auf die andere Seite drehte.
„Entschuldigung … Darf ich?“, fragte der Mann und deutete ins Innere des Flures.
Ich nickte hastig und öffnete die Tür weiter für ihn, lud ihn damit ein, mein heiliges Reich zu betreten.
„Er ist schon seit gestern so merkwürdig“, begann Sebastian Kämpfert, trat ein und marschierte zielstrebig zu seinem Hund, zog eine Lederleine aus seiner Jackentasche und kette den Hund daran fest. „Da muss irgendwo eine läufige Hündin sein. Ich habe gestern Abend nur für einen Moment nicht aufgepasst und schon ist er mir entwischt.“
Wie zur Antwort kam aus meinem Schlafzimmer ein kläglicher Laut, so als wüsste Bella genau, was sich hinter der Tür abspielte. Dass ihr Freund weggebracht werden würde und sie wieder getrennt wären.
„Ihre Hündin?“, begriff der Andere sofort.
Ich nickte nur und biss mir auf die Lippen. Ich war von den grünen Augen wie hypnotisiert. Meine Gedanken galoppierten gerade haltlos davon. Ich stellte ihn mir vor … er und ich … mit unseren Hunden spazieren gehen … wir zusammen im Bett. In mir begann es brodelnd zu kochen und ich musste mich zur Seite drehen, damit man meine beginnende Erregung nicht bemerkte. Ich trug noch immer meinen Pyjama und schalt mich, nicht wenigstens einen Morgenmantel drüber geworfen zu haben.
Der andere Mann zerrte seinen Hund an seine Seite. „Das erklärt, warum er bei Ihnen aufgetaucht ist. Entschuldigen Sie bitte. Ich werde besser auf ihn achtgeben.“
Ich zog nur meine Schultern hoch, brachte es noch immer nicht fertig, irgendwas zu sagen. Innerlich war ich dabei, mich zu Ohrfeigen, mir unentwegt Tritte in den Hintern zu verpassen oder in die Seite zu boxen, damit ich endlich aus dieser Starre herauskam. Mein Hals war verdammt eng geworden, sodass ich kaum genügend Atemluft bekam, so heftig ich auch zu keuchen versuchte. In meinem Magen flatterte die gesamte Horde Schmetterlinge so wild durcheinander, dass ich glaubte, sie wollten durch die Bauchdecke nach draußen entfliehen.
Striezel dachte nicht daran, sich von seinem eroberten Plätzchen wegführen zu lassen und zerrte energisch wieder an die Schlafzimmertür zurück. Dabei entglitt dem Jogger die Leine aus den Fingern. Er bückte sich hastig nach der Lederschlaufe. Sie entwischte ihm jedoch, als sein Hund einen Sprung zur Seite machte und dabei die Leine mit sich zog. Um seinem Herrchen zu entkommen, rannte der Hund ins Wohnzimmer, die Leine hinter sich her schleifend.
Wütend folgte sein Herrchen ihm und versuchte, die Leine zu erhaschen. Doch Striezel war offenbar geübt genug, um den Lederstriemen immer wieder aus der Reichweite zu bringen. Die Hatz ging einmal um meine Sofalandschaft herum und endete abrupt vor meinem Zeichentisch, der vor dem Verandafenster stand, indem Sebastian stehen blieb, während Striezel mit freudig wedelndem Schwanz sichtlicher Siegesfreude zur Schlafzimmertür zurückkehrte.
Erst als ich bemerkte, warum er angehalten hatte, schoss kochend heißes Blut in meinen Kopf.
Verdammt – die Zeichnungen.
Sebastian sah hoch, drehte den Kopf in meine Richtung und starrte mich fassungslos an. Sein Gesicht besaß beinahe wieder denselben Ausdruck, wie damals, als er unversehens vor mir aufgetaucht war. „Was … was soll das?“, wollte er wissen. Seine Miene verfinsterte sich ein wenig, als er mich eingehender anstarrte.
„Ich bin Zeichner“, presste ich rasch hervor. „Und sammle Gesichtsausdrücke.“ Mit wenigen Schritten war ich beim Zeichentisch und wollte eiligst die Bilder zusammenraffen, ehe er die bemerken konnte, die uns beide in eindeutigen Szenen zeigten. Doch er war schneller und schlug so blitzschnell seine Hand auf den Tisch, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Als er seine Hand wieder langsam wegnahm, kam eine Zeichnung darunter hervor, die uns beide in einem innigen Kuss vereint zeigte.
Mit versteinertem Gesicht starrte er das Bild an – bestimmt eine ganze Minute lang.
Ich bemerkte erst, dass ich ebenso lange die Luft angehalten hatte, bis sich meine Lunge protestierend meldete. Keuchend holte ich das Versäumte nach. Ein unsichtbarer Strick hatte meine Kehle zusammengeschnürt und ich versuchte, schluckend Freiraum zu schaffen. In meinem Inneren tobte und brodelte es. Mein Blut rauschte wie ein Sturzbach durch meine Adern und mein Herz schlug so schnell, als würde es einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen wollen. Innerlich machte ich mich bereits auf einen Ausbruch bereit. Immerhin kannten wir uns nicht und die Zeichnungen zeigten uns in eindeutigen Positionen. Alles Resultate meiner eigenen, durchgehenden Fantasie – angeleitet vom Frühlingsfieber und in Form gebracht durch meine gekonnten Finger.
„Du bist gut“, floss es zu meiner Überraschung beeindruckt über seine Lippen. Endlich kam sein Kopf wieder hoch und er sah mich wieder an. Die plötzliche persönliche Anrede machte mich stutzig. Dass er auf einmal das Du wählte, konnte verdammt mächtigen Ärger bedeuten, jedoch auch etwas ganz Gegensätzliches.
„Hast du das alles selbst gezeichnet?“ Er nahm das Blatt Papier hoch und betrachtete es sich genauer. Wir beide, vereint in einen leidenschaftlichen Kuss. So hatte ich uns beide gesehen – ein früh morgendlicher Traum.
Ich nickte nur.
„Wie kommst du auf so eine Idee?“, wollte er wissen und hielt mir das Blatt hin.
Ich hatte niemals gedacht, dass ich noch dunkler anlaufen könnte. Doch seine Frage hatte es geschafft und ich fühlte mich höchst unwohl in meiner Haut.
„Einfach so … Fantasie …“, stammelte ich, unfähig klare Gedanken zu fassen, vollkommen wehrlos meiner Scham erlegen. „Für ein Projekt“, schob ich rasch hinterher, als ich glaubte, eine geniale Ausrede gefunden zu haben. „Zur Übung für ein Projekt. Ich hab da so einen neuen Auftrag, wo sich zwei Kerle ineinander verlieben. Der eine ein Jogger und der andere … Na, ja, und da bist du mir eben auf die Schnelle eingefallen. Keine Angst. Ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur für mich, zu Studienzwecken. Ich sammle Gesichter und ihre verschiedenen Ausdrücke …“ Ich schloss rasch den Mund, ehe ich mich noch mehr in meiner eigenen Lüge verheddern konnte. Ein Fünkchen Wahrheit war bei meiner fadenscheinigen Ausrede dabei gewesen und ich hoffte, dass er es mir nicht an der rot leuchtenden Nasenspitze ablesen konnte. Mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit war er ein eingefleischter Hetero und würde mir sicherlich gleich eine scheuern. In letzter Zeit verliebte ich mich immer in den Falschen, die entweder so ganz und gar nicht auf Jungs standen, oder bereits seit einiger Zeit vergeben waren.
„Studienzwecken?“ Er legte den Kopf leicht schief und blickte mich fragend an. Wieder so ein Gesichtsausdruck, den ich für meine Sammlung gebrauchen konnte. Es hatte etwas von dem fragenden Blick eines Hundes, erkannte ich innerlich schmunzelnd. Wir Hundebesitzer passten uns unseren Tieren oft mehr an, als uns lieb war.
Ich beeilte mich, zu nicken. In der Hoffnung, die Ohrfeige damit zu verhindern und ihn etwas zu besänftigen.
Mit einem leisen Seufzen legte er die Zeichnung zurück auf den Tisch, wo er sie sorgsam neben eines legte, das uns eng umschlungen in meinem eigenen Bett zeigte. Meine Hand fuhr dem gezeichneten Gegenüber gerade durch das helle kurze Haar und legte sich zärtlich an seinen Hinterkopf, um ihn zu einem Kuss an sich heranzuziehen.
Sebastians rechte Augenbraue hob sich ein kleines Stück und in mir begann es abermals, zu brodeln und zu kochen.
„Das ist nicht ganz korrekt“, gab er mit leicht belegter Stimme von sich und zog sich die Strickmütze vom Kopf. Eine schwarze Lockenmähne fiel ihm bis auf die Schultern herab. Er hob seinen Kopf und lächelte mich frech an.
Mir blieb kurz das Herz stehen, ehe es stolpernd weiter polterte und mir bis zum Hals klopfte.
„Zu Studienzwecken sagst du?“ Sein Blick wurde wieder so merkwürdig fragend und er kippte dabei seinen Kopf leicht zur Seite, so wie es Bella tat, um mich zu einem Stückchen Käse zu überreden.
Ich nickte hastig und schluckte hart. Meine Finger wurden feucht und zitterten. Das Papier in meinen Händen begann zu knistern.
„Schade“, gab Sebastian Kämpfert so leise von sich, dass ich es fast nicht verstehen konnte.
Er setzte seine Strickmütze wieder auf, ging an mir vorbei und schnappte sich seinen Hund. Unbarmherzig zog er ihn zur Wohnungstür und blickte kurz über die Schulter zu mir, ehe er in das Treppenhaus hinaustrat.
„Na, dann“, verabschiedete er sich mit einem knappen Lächeln. „Danke.“
Ich eilte ihm an die Haustür hinterher, beinahe magisch einfach mitgezogen, wie ein Magnet ein kleines Stück Eisen und blieb an der Tür stehen - nicht imstande an der momentanen Situation etwas zu ändern.
„Gern geschehen“, brachte ich mühsam hervor und kämpfte darum, wieder in den Normalzustand zurückkehren zu können.
Hinter mir begann Bella, wieder lauter zu jaulen. Offenbar schien sie durch die undurchsichtige Holztür genau erkennen zu können, was da draußen vor sich ging. Und es gefiel ihr ganz und gar nicht, was sie da sah. Ich hörte auch das Kratzen ihrer Pfoten an der Türe und schalt sie im Stillen, denn ihre Krallen hinterließen hässliche Kratzer im weißen Lack, die ich wieder reparieren musste. Dann gab es ein weiteres Geräusch aus dem Schlafzimmer und ich drehte mich langsam um. Ich kannte das Geräusch. Es war das Klacken einer Türklinke, wenn sie in die Ausgangsposition zurück schnalzte.
Meine süße Bella hatte irgendwann mal herausgefunden, wenn sie hochsprang, sich kurz in die Klinke verbiss und sie mitsamt ihrem Körpergewicht nach unten drückte, dass sich dadurch Türen öffnen ließen. Ich hatte geglaubt, ihr diese Unsitte abgewöhnt zu haben, doch in Anbetracht der Not, in der sich die Hundedame nun befand, schien sie auf meine Erziehung zu pfeifen, alleinig die Tür zu öffnen und schneller als ein Pfeil aus dem Zimmer zu flitzen. Sie hastete rechts von mir ins Treppenhaus, noch ehe ich mich bücken und sie festhalten konnte. Beinahe zur gleichen Zeit, riss Striezel an der Leine, hastete zurück in den Flur, um seiner Angebeteten entgegen zu eilen und rannte ihr dann auf unserer anderen Seite in das Treppenhaus hinterher. Dass Striezel noch an der Leine hing und dadurch heftig an der Hand zerrte, die den Ledergurt festhielt, verursachte, dass Sebastian nach vorn gerissen wurde und auf mich prallte. Durch die Kraft, mit der der Rüde losgespurtet war und mit der wir beide nun aufeinanderstießen, verloren wir das Gleichgewicht und plumpsten in meinen Hausflur.
Ein harter Ellbogen bohrte sich tief in meinen Bauch und ein Schenkel drückte hart zwischen meine Beine, worauf ich schmerzvoll keuchte und versuchte, das Gewicht des Anderen von mir zu schieben, der so heftig auf mich gefallen war. Sebastian hielt noch immer die Leine in der Hand. Seine Faust schloss sich fest um den Lederriemen, so heftig der Hund auch daran zog – er ließ nicht los.
Nach der anfänglichen Schrecksekunde, in der wir vollauf damit beschäftigt waren, Bestandsaufnahme bei uns selbst zu machen, kehrte die Wirklichkeit zu uns zurück. Sebastian drehte den Kopf zu mir und musterte mich besorgt.
„Tschuldigung“, murrte er verlegen und versuchte, sich von mir herunter zu hieven. Da noch immer der sich heftig wehrende Hund am anderen Ende der Leine zerrte und ihn in seiner leicht verdrehten Lage immer wieder wegzukippen drohte, kam er nicht so ohne Weiteres von mir herunter.
Ich wollte aber gar nicht, dass er von mir herunter kam. Genauso wie es gerade war, gefiel es mir. Sebastian lag halb auf mir, ein Bein zwischen meinen Schenkeln. Noch immer drückte sein Gewicht auf meinen Unterleib, da er es nicht schaffte, sich entgegen der Kraft seines Hundes aufzurichten. Als meine Hände ein Eigenleben entwickelten und sich um seine Hüfte legten, erstarben die Bemühungen, sich aus seiner Lage zu befreien sofort und sein Blick traf mich unvermindert.
Ein weiteres Mal starrten wir uns einfach nur an. Wir versanken förmlich in den Augen des anderen. So nahe vor mir, kaum eine Handbreit von meinem eigenen Gesicht entfernt, konnte ich die feinen Nuancen seiner grünen Augen erkennen und fand mich unversehens auf einer saftigen Blumenwiese wieder, auf der winzige weiße Blüten das satte Grün sprenkelten und sich mit wippenden Köpfen der Sonne entgegen reckten.
„Ich wünschte, ich könnte auch zeichnen“, sagte er leise und riss mich damit von der Blumenwiese weg. „Denn dein Gesichtsausdruck, als du gestern Morgen mit geschlossenen Augen ganz knapp an mir vorbei gelaufen bist, wäre ebenso eine Zeichnung wert gewesen. Du warst so selbstvergessen, versunken in deine Gedanken. Das war wunderschön. Ich konnte nur stehen bleiben und dich beobachten.“
Ich kämpfte gegen eine ansteigende Röte an. Daher hatte ich seine Schritte nicht gehört. Ich war an ihm vorbei gelaufen und hatte es nicht gemerkt. Erst als sich instinktiv meine Nackenhaare gesträubt hatten. Sein Kompliment entging mir vollends.
„Was ist dein Hund für eine Rasse?“, wollte ich wissen und schalt mich selbst, in diesem Moment und in dieser Lage an so etwas Belangloses wie eine Hunderasse zu denken.
„Reinrassiger griechischer Lastrami“, antwortete er mit einem breiten Grinsen.
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Ich kannte inzwischen so einige Hunderassen, doch etwas Derartiges war mir noch nicht untergekommen. „Lastrami?“
„Landstraßenmix“, kicherte er leise, schien diesen Witz sichtlich zu genießen, bekam sich jedoch rasch wieder unter Kontrolle.
„Milo ist dein Name, oder?“, floss es schließlich heißer über seine Lippen. Meine Augen wurden plötzlich wie magisch von ihnen angezogen und beobachteten die Bewegungen, wie sie meinen eigenen Namen aussprachen.
„Ja“, krächzte ich, ebenso heißer.
„Kannst du deine Zeichnungen korrigieren?“
Was auch immer er gerade gesagt hatte, es traf mich ziemlich verspätet. Erst als sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen und ich irgendwie das Gefühl bekam, etwas verpasst zu haben.
„Wie … was?“ Ich blinzelte benommen.
„Deine Zeichnungen …!“ Er ließ die Leine los, worauf Striezel wie mit der Rakete abgeschossen davonpreschte und irgendwo im Treppenhaus verschwand und zog sich abermals die Strickmütze vom Kopf. Dunkle Locken fielen auf mich herab. „Sie sind nicht richtig dargestellt. Entsprechen nicht ganz dem Original.“
„Sicher“, keuchte ich. „Aber …“ Meine Gedanken waren am Durchdrehen. Sie kreisten nur noch um die eine Zeichnung, auf welcher wir uns leidenschaftlich küssten.
„Aber was …?“, hauchte Sebastian. Sein Gesicht senkte sich langsam auf mich nieder. In seinen grünen Augen begann die Sonne aufzugehen und die winzigen weißen Sprenkel führten einen Freudentanz auf.
„Dann musst du mich aber auch küssen“, gab ich ebenso zurück.
„Wenn es dir für deine Studienzwecke genügt?“ Das Gesicht kam noch näher. Unsere Lippen trennten nur noch hauchdünne Momente. Ein zaghaftes Zögern, das Wissen, dass wir eigentlich Fremde waren und uns überhaupt nicht kannten, jedoch von den aufkeimenden Gefühlen eines Frühlings übermannt wurden und nicht mehr anders konnten.
Als sie sich endlich trafen, war es für mich wie eine Erlösung. Ich erkannte, dass ich die Bilder vollkommen falsch dargestellt hatte. Es fehlte ihnen ein gewaltiger Hauch von Leidenschaft, von dem Fieber, der auf uns beide übersprang. Von dem Glanz der ersten Frühlingssonne und dem Duft einer erwachenden Erde.
Was unsere beiden Hunde gerade machten, war uns beiden vollkommen gleichgültig. Vermutlich taten sie gerade das gleiche wie wir – oder sogar noch mehr, wenn ich an die letzte Begegnung meiner Bella mit Striezel dachte. Ich ließ mich in diesen Gedanken förmlich hineinfallen, denn wenn das eine Bild mit dem Kuss wahr geworden war, so bestand doch eine kleine Chance, dass auch die anderen Bilder wahr wurden – vor allem das mit meinem Schlafzimmer.
Texte: Ashan Delon
Bildmaterialien: nemo/ramicm www.pixabay.com
Lektorat: myself
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2014
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Für Melchen und ihren "Frühling" ♥