Cover

Vorwort

 

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

 

Dieses Buch ist eine homoerotische Fantasy-Geschichte und beinhaltet daher explizite Darstellungen von sexuellen Handlungen zwischen Männern.

 

Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

Fiktive Personen können darauf verzichten.

Im wahren Leben gilt: Safer Sex!

 

 

 

Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie.

Danke!

 

 

 

 

 

Inhalt:

Zwei Jahre sind vergangen, seit sich Jonas, Fäiram, der Drachenprinz von Häälröm und Tuniäir, der Falken-Marschall, gefunden haben und Eins geworden sind. Die Geburt eines neuen Kronprinzen steht bevor. Fäirams Gemahlin, die Drachendame Säirlasi, will alte Traditionen aufleben lassen und ihr Junges im Drachenberg zur Welt bringen.

Mit dem Auftauchen eines Feuervogels steht den drei Männern eine Bewährungsprobe bevor, die sich noch zusätzlich verschärft, als Jonas mit dem Bann des Feuers belegt wird.

 

 

Aus dieser Reihe bereits erschienen:

Drachenfedern

Können Märchen wahr werden?

Das normale Leben von Werbefachmann Jonas gerät aus den Fugen, als er eine mysteriöse, schwarze Feder findet und sich daran verletzt. Fortan befallen ihn merkwürdige, erotische Visionen, die ihm Einblicke in eine andere, geheimnisvolle Welt gewähren. Als ihn eines Nachts ein Falke zu einem leibhaftigen Drachen führt, ist das nur der Beginn einer fantastischen Reise voll andersartiger Gefühle, Liebe und Leidenschaften. Unversehens findet Jonas eine andere Seite seiner Sexualität und muss erkennen, dass auch Fabelwesen nicht das sind, was er bislang geglaubt hatte. Homoerotische Fantasy-Geschichte

Endlich Eins!

Drachenfedern im vereinigten Band als eBook und Taschenbuch erhältlich.

Die vormals im Fantasy Welt Zone Verlag erschienenen Einzelbände „Schicksalhafte Begegnung“ und „Im Netz der Intrigen“ wurden in der überarbeiteten Neuauflage zusammengefügt.

 

 

 

 

1

 

Nein!

Nicht jetzt!

Nicht ausgerechnet jetzt!

Jonas kniff die Augen zusammen und versuchte, das nervige Klingeln seines Telefons im Wohnzimmer auszuklinken. Er hatte sich den ganzen Tag auf diesen Moment gefreut, wo er endlich allein war und das tun konnte, was er seit zwei Jahren am liebsten tat. Nein, nicht herumlungern oder im Bett liegen, sondern mit Fäiram und Tuniäir auf eine ganz spezielle Weise beisammen zu sein, die nur ihnen drei vorbehalten war.

Beisammensein war nicht ganz richtig. Er war allein in seinem Schlafzimmer, obwohl er noch viel lieber persönlich bei den beiden Männern wäre. Allerdings konnten die beiden in diesem Moment nicht hier sein, zumindest nicht leibhaftig. Nicht in einer Gestalt, die es ihnen ermöglicht hätte, ihre körperlichen Gelüste auszuleben.

Das Telefon hörte nicht auf, zu klingeln.

Er legte seine Hände zu beiden Seiten seines Kopfes an das Kissen und zog es sich fest zu seinen Ohren heran. Nun klingelte es leiser, war jedoch nicht gänzlich verstummt.

Er stöhnte laut, als sich das penetrante Geräusch durch die dicke Schicht Daunen den Weg zu den Ohren bahnte und in seinem Kopf widerhallte. Jonas' Stöhnen galt nicht nur dem nervigen Telefon, sondern auch dem, was er gerade fühlte.

Denn sie waren bereits da – diese Hände – auf die er den ganzen Tag gewartet hatte.

Es waren genau jene Hände, die er so sehr liebte – lange, schlanke, wissende Hände, die seinen Körper genau kannten, die genau wussten, wo sich die empfindlichen Stellen befanden, sie zielsicher trafen, stimulierten, ihn unter ihnen winden und vor Lust vergehen ließen. Er liebte diese Hände, die ihn seit vielen Nächten begleiteten, ihn streichelten, liebkosten, ihm viele seiner Nächte in wahren Infernos aus Lust und Leidenschaft bescherten. Die Hände kannten sich bestens aus, warteten bei jeder Abenddämmerung gierig darauf, dass er sich zur Ruhe legte und sie ihre Arbeit verrichten konnten.

Denn genauso wie Jonas sich den ganzen Tag auf diesen Moment hinsehnte, so begierig warteten auch diese Hände, dass sie endlich beginnen konnten.

Doch da war noch immer dieses penetrante Klingeln aus dem Wohnzimmer.

Es gab nur einen einzigen Menschen, der unverschämt genug war, ihn um elf Uhr nachts noch anzurufen – sein Bruder Basti - Sebastian.

Sebastian wusste eigentlich Bescheid. Er wusste, dass Jonas am Abend lieber allein und für niemanden zu sprechen sein wollte. Dass sein großer Bruder nach Feierabend anderes im Sinn hatte, als sich mit dem Jüngeren über erste Liebe, unerreichte Level in irgendwelchen Computer-Spielen, Schul- und Klassenkameradenproblemen oder auch über das worüber Brüder im Grunde so sprachen, zu unterhalten. Er wusste genau, dass Jonas zu diesem Zeitpunkt Besuch bekam – Besuch ganz besonderer Art. Keine Wesen aus Fleisch und Blut, sondern eher virtuell.

Denn diese Hände, diese geliebten Instrumente voller Gier und Hunger auf sexuelle Erregung, die voller Ungeduld auf ihn gewartet hatten und sich nun überall auf seinem Körper ausbreiteten, gehörten Fäiram und Tuniäir.

Zwei Männer – der Eine – Prinz Fäiram, der Drachenprinz von Häälröm und der Andere – Tuniäir, der Falken-Marschall. Beide entstammten einer Welt, die Jonas erst vor einigen Jahren kennengelernt hatte, als er während einer Mittagspause eine merkwürdige Feder gefunden und sich im Streit mit seinem kleinen Bruder daran verletzt hatte. Er war der Dritte, der Drachenritter, und sollte eigentlich bei ihnen sein. Allerdings lag er allein in seinem Bett – in seiner eigenen Welt.

Mit dem nächsten nervigen Klingeln des Telefons kniff Jonas die Augen noch fester zu, presste das Kissen härter auf seine Ohren und konzentrierte sich auf das Gefühl der Hände auf seinem Leib. Viel lieber als nur ihre Berührungen zu spüren, wäre ihm gewesen, jetzt leibhaftig bei ihnen zu sein, es ging jedoch nicht. Sie hatten ausgemacht, dass sie sich nur am Wochenende trafen, um in zwei Tagen und drei Nächten ihre Leidenschaft in vollen Zügen auszuleben. Nachdem Jonas nach einer durchliebten Nacht wiederholt zu spät in die Arbeit gekommen war, unkonzentriert durch den nachfolgenden Tag stolperte oder gar nicht aufkreuzte, weil Fäiram und Tuniäir ihn nicht gehen lassen wollten und dadurch Jonas beinahe gefeuert worden wäre, musste er sich zu diesem Schritt durchringen. Er liebte seinen Job und vor allem, er brauchte ihn. Obwohl es seit zwei Jahren auch einen anderen Jonas gab, den Drachenritter, war er noch immer ein ganz normaler Mensch, der zur Arbeit gehen musste, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Basti gab nicht auf. Er schien genau zu wissen, dass sein großer Bruder in seiner Wohnung hockte und das Telefon ignorierte. Jonas wünschte sich, er hätte rechtzeitig drangedacht, den Stecker rauszuziehen. Dies hatte er jedoch versäumt. So konnte es fortlaufend klingeln.

Er schickte einen mentalen Befehl zu seinem kleinen Bruder, dass er bitte endlich aufgeben und ihn in Ruhe lassen sollte. Dass dies nicht funktionierte, war ihm im selben Moment ebenfalls klar. Diese übersinnlichen Befehle funktionierten nur mit Fäiram und Tuniäir. Nur diese beiden Männer kannten seine Gedanken, wie auch umgekehrt. Sie waren Eins.

Das Drachenblut, das in den Adern der drei Männer floss, verband sie miteinander, schaffte eine einzigartige, nicht auflösbare Brücke zueinander. Die beiden waren ständig in seinem Kopf, so wie er ständig in ihren saß. Sie fühlten, was er fühlte, sahen, was er sah. Sie waren getrennt, von der unsichtbaren Schwelle zwischen den Welten weit auseinandergerissen und dennoch in jeder Minute ihres Lebens nah beieinander.

Seit beinahe zwei Jahren war das nun schon so, als er sich an der zerbrochenen Feder verletzt hatte und diese ausgelaufene schwarze Flüssigkeit in seinen Blutkreislauf gelangt war. Anfänglich, in den ersten Tagen und Wochen danach, befielen ihn noch, zum jetzigen Zeitpunkt betrachtet, recht harmlose Visionen. Doch waren sie so heftig und beängstigend, dass er glaubte, den Verstand zu verlieren. Visionen, in denen ihm Bilder aus einer anderen Welt erschienen und von zwei Männern – Fäiram und Tuniäir. Je mehr sich das Drachenblut in seinem Organismus ausgebreitet hatte, desto mehr verknüpfte es ihn mit Fäiram, dem Drachen.

Eine Verknüpfung, die den drei Männern nun zugutekam, denn sie nutzten sie schamlos aus, wenn sie nicht zusammen sein konnten. Jeden Abend und jede Nacht liebten sich Fäiram und Tuniäir und ließen Jonas dabei durch diese besondere Verbindung daran teilhaben. Sie lagen in Fäirams großen, mit weißen, filigranen Vorhängen verhangenem Himmelbett und liebten sich ausgiebig und leidenschaftlich. Dabei war ihm bewusst, dass sie ihn nicht ausgrenzten, nicht hinter seinem Rücken oder während seiner Abwesenheit Dinge taten, die sie nicht mit Jonas tun wollten. Etwas, was auch gar nicht ging. Sie waren verbunden. Sie waren Eins. Die beiden anderen Männer vereinnahmten ihn bewusst in ihr Liebesspiel, gedanklich, wie auch indirekt. Zu diesem Zweck hing über dem großen Bett ein Spiegel – wie auch in Jonas' Schlafzimmer. Nur durch den Spiegel allein, der ein Tor zur Seele der Anderen darstellte, konnten sie sich auch richtig sehen.

Aber Jonas kniff die Augen zusammen. Es war dunkel in seinem Zimmer und das Klingeln aus dem Wohnzimmer schrillte noch immer zu ihm herüber.

Verdammt, Basti, leg endlich auf!, zeterte er im Stillen und wünschte den schon lange nicht mehr so kleinen, dicklichen Kerl zum Teufel. Auch mit Sebastian war eine Veränderung einhergegangen. Aus dem rundlichen, ihm stets auf den Senkel gehenden Kerl war ein recht ansehnlicher junger Mann geworden, nach dem die Mädchen sich gerne umdrehten. Noch vor zwei Jahren war ihm seine Existenz zuwider gewesen, der Familienbande zuliebe hatte er es jedoch ertragen. Heute war der kleine Kerl so etwas wie ein Verbündeter geworden. Denn er kannte Jonas' Geheimnis wie kein anderer.

Sebastian kannte Fäiram und Tuniäir, hatte sie in ihrer Welt – Häälröm – besucht, und kannte die beiden Männer auch in der Gestalt, in der sie sich in der Welt der Menschen zeigten.

Fäiram als Drache, Tuniäir als Falke. Trotz allem musste Jonas schmunzeln, als ihm der gemeinsame Urlaub in Griechenland unerwartet in den Sinn kam, wo Basti bei der Rettung Fäirams Ungeahntes offenbarte und sich die beiden Brüder nahegekommen waren.

Wessen Hände das gerade waren, die sich zärtlich und liebevoll über seinen Körper hermachten, vermochte er nicht zu sagen. Ihre Gefühle verschmolzen miteinander, untrennbar miteinander verflochten. Es war Jonas auch vollkommen gleichgültig, wem sie gehörten. Er genoss es, wenn sie sich so streichelten, die Körperregionen des anderen erkundeten, die empfindlichen Stellen mit sanften Massagen und Streicheleinheiten stimulierten, worauf sie alle drei erregt aufkeuchten und sich in aufkeimender Lust wanden. Jonas konnte sein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Warum auch. Er war allein in seinem Schlafzimmer. Niemand störte es. Er liebte dieses einzigartige Spiel so sehr, dass er sich jedes Mal aufs Neue wünschte, über Tuniäirs Fähigkeiten zu verfügen und sich per Konzentration in die andere Welt zu „teleportieren“. Er wusste aber auch, dass er sich nicht mit kleinen Spielchen oder mit einem einzigen Orgasmus zufriedengeben konnte. Er war jedes Mal wie im Rausch, vollgepumpt mit einer gefährlichen Droge voll unersättlichem Verlangen und schaffte es nie, rechtzeitig die Bremse zu ziehen, um in sein normales Leben zurückkehren zu können – das des Menschen, der morgens um acht Uhr ausgeschlafen und ausgeruht im Büro zu erscheinen hatte. Das gelang ihm nie.

Am liebsten würde er nach Häälröm auswandern, um ständig bei den beiden Männern sein zu können. Diesen Schmerz wollte er seiner Mutter jedoch nicht antun. Weswegen er notgedrungen und auch seinem Job und der damit verbundenen finanziellen Sicherheit zuliebe, mit diesem virtuellen Spielchen vorliebnehmen musste, solange er von seinen beiden Geliebten getrennt war.

Aber das hatte es auch in sich.

Fäiram und Tuniäir waren gut darin, ihn aus der Ferne einer anderen Welt vor Lust zum Schreien zu bringen. Wenn sich eine Hitze über sein vor Erregung angeschwollenes Glied stülpte, war es so als kniete Fäiram oder Tuniäir leibhaftig über ihm und umschloss den langen Schaft mit seinen weichen, heißen Lippen. Wenn wissende Finger schützend um die Rundung seiner Hoden tasteten und sie sanft massierten, sich eine freche Zunge in die kleine Öffnung an der prallen Eichel stahl und die ersten Tropfen ableckte. Wenn sich ein Mund fest an der harten Pflaume am Ende seines Schwanzes festgesaugt hatte und die ersten Vorboten seines nahenden Ausbruches durstig aus ihm heraussaugte. Wenn der feste Muskel einer Zunge unnachgiebig und dennoch anschmiegsam über die samtige Haut leckte, konnte er es an seinem eigenen Unterleib spüren, wie auch in seinem Mund.

Gierig nach dem bittersalzigen Geschmack der Lust, leckte er sich über die Lippen, suchte nach den heißen, milchigen Tropfen, ließ sie sich auf der Zunge zergehen und keuchte auf, als dieses Saugen, Lecken und Knabbern das prickelnde Ziehen in seinem Unterleib mehr und mehr anstachelte. Sein Lustzentrum, sein Mojo, hüpfte freudig auf und ab, tanzte einen wilden Reigen mit seiner Libido. Jonas ließ sich in diese Berührung fallen, genoss das heiße Prickeln auf seiner Haut, auf seinem ganzen Körper, vor allem in seinem Unterleib. In ihm bereitete sich alles auf einen baldigen Ausbruch vor. Ein brodelnder Vulkan, der sich langsam sammelte und nur auf den alles entscheidenden Impuls wartete.

Wieder klingelte das Telefon.

Ein wütendes Knurren entkam ihm. Verdammt, Basti! Leg endlich auf! Ich will jetzt nicht mit dir sprechen. Jetzt nicht!

Jonas öffnete die Augen und starrte in den Spiegel an der Decke über ihm. Es war dunkel im Raum. Von der halb geschlossenen Jalousie des Fensters fiel der fahle Schein des Vollmondes herein und gab dem Geschehen über ihm ein gespenstisches Aussehen. Schemenhaft konnte er zwei Männer ausmachen, im Liebesspiel untrennbar miteinander verknotet. Er konnte den schweren Leib auf sich spüren, ebenso wie er einen harten Körper unter sich ausmachen konnte, den er mit seinem Gewicht in die seidigen Laken drückte. Er wünschte sich, dass seine Gefühle wahr wurden, dass er genau zwischen den beiden lag.

Selbst durch die Dunkelheit seines Schlafzimmers konnte er erkennen, wie Fäiram, seinen Kopf hob, der dichte Vorhang seiner langen, schwarzen Haare zur Seite rutschte und ihn mit seinen dunklen, fast schwarzen Augen ansah. Sein Gehirn fügte das Gesehene und das was ihm die Verbindung übermittelte zu einem einzigen Bild zusammen. Er konnte sehen und an seinen eigenen Lippen fühlen, wie Fäiram seine Lippen schürzte und ihm über das Spiegelbild hinweg einen Kuss zukommen ließ.

Der Kuss der Liebe …

Wohlige Emotionen erfüllten ihn, als er an diesen ganz besonderen Moment in seiner Vergangenheit zurückdachte. Den Kuss der Liebe, der eigentlich Fäirams Gemahlin gebührt hätte, wollte er nur ihm geben, Jonas, seinem Geliebten. So waren sie durch das Gelöbnis noch enger miteinander verbunden. In Jonas' Welt würde man sagen, verheiratet, in Häälröm hieß es vermählt. Was aber beides das Gleiche ausdrückte: die Besiegelung ihrer Liebe.

Jonas fühlte sich geehrt, als Fäiram ihn durch dieses Versprechen, ihn ewig zu lieben, an sich zog und ihn küsste. Gerne dachte er an diesen Moment zurück. Ein Moment tiefer Glückseligkeit, unendlichem Vertrauen und heißer, inniger Zuneigung. Zwei Männer, ein Drachenprinz und sein Drachenritter, einander versprochen vor den Augen ganz Häälröms. Etwas, was es bisher in der Geschichte von Häälröm noch nicht gegeben hatte – und in seiner Welt erst recht nicht.

Es war im Zimmer so dunkel, dass er den Kuss eigentlich nicht sehen konnte. Er spürte ihn auf seinem Gesicht und sah sich selbst im Spiegel. Sein Gehirn vervollständigte Bild und Gefühl zu einem kleinen 3D-Kinospot, so als würde er in diesem ganz persönlichen Porno direkt involviert sein.

Diese ganz besondere Verbindung zwischen ihm, Fäiram und Tuniäir war bemerkenswert. Jonas hätte niemals gedacht, dass ihm das einmal so gefallen könnte. Am eigenen Leib mitzuerleben, was die Anderen spürten, konnte schmerzhaft und ärgerlich, aber auch höchst erotisch sein.

Verletzte sich der eine, so zuckten die anderen schmerzerfüllt zusammen und hielten sich die Stelle des Körpers, an der der Schmerz aufgeflammt war. Fand einer von ihnen etwas besonders erheiternd, so lachten auch die anderen unverhofft los – ein Umstand, der Jonas immer wieder in Erklärungsnot brachte, denn wenn er mitten in einer Präsentation plötzlich zu Lachen oder Stöhnen begann, oder mit einem Schrei zusammenzuckte, musste er sich vielen fragenden Blicken stellen. Mittlerweile hatte er die Eindrücke, die ihm durch diese Blutsverbindung übermittelt wurde, relativ gut im Griff. Nur hin und wieder wollte es ihm nicht gelingen, sich rechtzeitig gegen den unsichtbaren Angriff seiner Gefühle zu wappnen. Er hatte gelernt, damit umzugehen, diese doppelten und dreifachen Empfindungen im entsprechenden Moment auszuklinken und sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Dennoch war es nicht ganz einfach. Drei Männer, die Eins waren.

Drei verschiedene Empfindungen, Eindrücke und Bedürfnisse, die unterschiedlich und dementsprechend einzuordnen waren. So manches Mal wusste Jonas nicht, ob es von ihm selbst kam, wenn ihm der Sinn nach irgendwelchen Köstlichkeiten stand und er sich unversehens im Supermarkt an der Kuchentheke wiederfand. Tuniäir war ein ausgesprochenes Leckermäulchen und stopfte Unmengen von Süßigkeiten in sich hinein. Oder, wenn er genervt von all den Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, begann, im dominierenden Ton über seine Kollegen herzufallen, so musste er sich selbst daran erinnern, dass er kein Drachenprinz war, der seine Untergebenen anherrschte. Ebenso mussten die beiden anderen Männer sicherlich darum kämpfen, nicht die Beherrschung zu verlieren, wenn Basti ihn wieder einmal tierisch nervte, so wie in diesem Moment.

Jonas entschloss sich, den kleinen Kerl umzubringen, wenn er ihm das nächste Mal über den Weg laufen würde, damit sich sein Bruder ein für alle Mal merken konnte, ihn abends nicht mehr zu stören.

Das Telefon klingelte immerfort, während sich die Hand tiefer in die männliche Region vorarbeitete. Sie umfasste sein Geschlecht und drückte es liebevoll, ließ die Fingerspitzen über den anschwellenden Penis und die Hoden kreisen, massierte die samtige Haut des Schaftes vorsichtig und umspielte die prall angeschwollene Eichel. Er konnte spüren, wie die Fingerspitzen mit den milchigen Tropfen kokettierten, die bereits aus der kleinen Öffnung drangen und sie ganz sanft verrieben. Er hörte sich selbst leise stöhnen und keuchen, als sich etwas Heißes, Enges um seinen Schaft stülpte, sich eine muskulöse Zunge daran rieb und ihm eine heiße Welle nach der anderen durch den Körper rinnen ließ. Prickelnde Impulse tanzten auf seiner Haut und spielten Katz und Maus mit seinem Mojo.

Tuniäir verstand es grandios ihn allein mit seinen Händen zum Kommen zu bringen, ohne ihn dabei übermäßig zu pumpen. Er brauchte nicht einmal in die Nähe dieser Region zu gelangen. Der Falken-Marschall war Meister darin, ihn allein über die empfindlichen Stellen an seinem Körper zu stimulieren und damit die Fantasie und die Lust so anzustacheln, dass es aus ihm herausbrach, als hätte er den besten Fick seines Lebens.

Wenn nur nicht immer wieder Basti dazwischen funken würde, mit seinen lästigen Anrufen.

Da konnte Jonas sich noch so darauf konzentrieren, das nervtötende Klingeln des Telefons aus seinem Bewusstsein zu verbannen, es ließ sich nicht ignorieren. Penetrant, aufdringlich, nervend und absolut unerwünscht.

Inzwischen hatten auch Fäiram und Tuniäir mitbekommen, dass Jonas nicht ganz bei der Sache sein konnte. Durch ihre Köpfe rauschten sarkastische Gedanken, ebenso wie mörderische. Obwohl keiner von ihnen wirklich so blutrünstige Absichten hatte, wie sie sich in ihren Gedanken ausmalten, geschweige denn, sich tatsächlich dazu hinreißen lassen würden, diese Absichten auch in die Tat umzusetzen, so war trotz allem allein die Vorstellung überaus reizvoll – vor allem in diesem Moment, wo sie allein sein wollten, um sich zu genießen.

Für einen langen Augenblick verschmolzen ihre Gedanken zu einem einzigen gemeinsamen. Es waren keine Gedanken im herkömmlichen Sinn, wie etwa Worte, die zusammengefasst und in einem Satz laut werden konnten. Es waren Eindrücke, Empfindungen, Gefühle, Reize, die direkt in die Gehirne der Anderen gepflanzt wurden, als wären es die eigenen.

Jonas liebte ganz besonders diese Verschmelzung ihrer Empfindungen. Er genoss es, wie Fäiram zu fühlen, sich exakt in ihn hineinversetzen zu können, die Dinge aus der Sicht von Tuniäir zu sehen und so Fäiram mit denselben verliebten Augen zu betrachten. Manches Mal schaukelten sie sich gegenseitig hoch, bis sie vor Verlangen und Leidenschaft schrien und sich vor Lust und Begehren in ihren Betten wanden.

Wenn nur endlich dieses blöde Telefon verstummen würde …, dachte er vollen Missmutes.

Jonas knurrte laut. Er wünschte sich, er hätte das Mobilteil neben sich auf den Nachttisch gelegt, bevor er sich ins Bett gelegt hatte, sodass er einfach nur danach greifen konnte, um es abzuschalten. Er war nun nicht mehr in der Lage, aufzustehen, ins Wohnzimmer zu gehen und den Anruf wegzuklicken oder gar am Basisteil den Stecker aus der Buchse zu reißen. Aufstehen konnte er nicht mit dieser prallen Latte in seinem Schoß. Nicht mit dem heißen Ziehen eines drohenden Orgasmus, das sich quer durch seinen Unterleib bahnte und seine Prostata dazu zwang, seine Nervenenden mit glühenden Nadeln zu traktieren. Jonas keuchte atemlos, als er Fäirams Hände an seinen Schulterblättern fühlte, während er Tuniäirs Rachen im immer schnelleren Rhythmus an seiner dicken Eichel anklopfen spürte. Seine Finger krallten sich tief in das Daunenkissen, dass er sich an die Ohren presste. Die Federn knirschten protestierend.

Das Telefon schrillte.

Jonas zwang seine Gedanken zur Ressort.

Was würde geschehen, wenn bekannt würde, dass er regelmäßig in eine andere Welt reiste und sich dort mit zwei Männern traf. Dass man ihn inzwischen schon für schwul hielt, war ihm mittlerweile vollkommen gleichgültig, wenn nicht sogar recht. Denn endlich wusste er, wohin er gehörte. All die Jahre, in denen sein Mojo nach dem entscheidenden Kick gesucht hatte, waren vergebliche Liebesmüh gewesen. Denn das, was er suchte, befand sich nicht in seiner Welt – sondern befand sich jetzt in dem Moment in seinem Kopf und in jeder Faser seines Körpers.

Fest kniff er die Augen zu, so fest, dass seine Tränenkanäle nachgaben und sich seine Augen mit Wasser füllten. Er wünschte sich, er würde Tuniäir und Fäiram nicht nur spüren, stattdessen neben ihnen, zwischen ihnen, auf ihnen oder auch unter ihnen liegen. Denn dann würde er das Telefon nicht hören und sich voll und ganz auf ihre Liaison konzentrieren können.

Dieses verdammte Telefon.

Dieser verdammte Basti.

Warum gab er nicht endlich auf? Es musste bereits zum dreißigsten Mal klingeln. Inzwischen sollte der Anrufer mitbekommen haben, dass Jonas niemanden zu sprechen wünschte.

Basti war jedoch äußerst hartnäckig und legte nicht auf.

In ihm zog sich unbarmherzig wie heiße, brodelnde Lava der Orgasmus zusammen. Jonas stöhnte laut, leckte sich zittrig über die Lippen und ergab sich seinen überkochenden Gefühlen. Sein Unterleib zuckte und bäumte sich auf, im pulsierenden Rhythmus seines Ergusses. Heiße Tropfen klatschten auf seinen Bauch, seine eigenen und die von Fäiram, während Tuniäirs Zunge über den zuckenden Schaft leckte und ihn mit süßer Qual neckte. Seine Finger krallten sich in das Kissen und zerrten am Baumwollstoff. Noch viel lieber wäre ihm, sie in die Schulter des Falken-Mannes schlagen zu können.

Ihn sehnte danach, die feste und dennoch weiche Haut des hochgewachsenen Mannes mit den rotbraunen Haaren berühren zu können. Fäiram streckte seine Finger und erfüllte Jonas diesen Wunsch. Sanft streichelte er über die vom Liebesspiel erhitzte und schweißnasse Haut, fuhr die kantigen Konturen der Schulter und des Schlüsselbeines ab und verfing sich in der dreieckigen Kuhle zwischen Schulter und Hals, während Tuniäir weiterhin mit breiter Zunge über das sich allmählich beruhigende Glied leckte oder mit frecher Zungenspitze, mit den milchigen Tropfen spielte, die aus der Öffnung quollen.

Langsam entspannte sich auch Jonas' Körper. Schwer atmend sank er auf sein Bett, ließ die Arme seitlich fallen, löste somit auch das Kissen, das er an seine Ohren gepresst hatte. Sofort drang das durchdringende Klingeln des Telefons wieder ungehindert zu ihm und er fuhr erschrocken zusammen.

Mit einem Knurren suchte er nach dem Handtuch, das er zuvor vorsorglich neben sich gelegt hatte, und wischte sich den klebrigen Erguss von seinem Bauch, um anschließend mit Mordgedanken ans Telefon zu gehen und ihn zumindest für heute ordentlich zur Sau zu machen.

„Verdammt noch mal, Basti!“, bellte er sogleich ins Telefon, noch aufgewühlt von seinem Orgasmus und der Wut über seinen starrköpfigen Bruder. „Hab ich dir nicht schon tausend Mal gesagt, dass ich am Abend nicht gestört werden will?“

„Papa ist im Krankenhaus“, kam es beherrscht durch das Telefon, vollkommen unbeirrt des heftigen Wutanfalles, der über ihn hereingefallen war. Offenbar hatte der Junge damit gerechnet. „Er hatte einen schlimmen Autounfall.“

 

 

2

 

Die Würde zu bewahren – etwas, das einem Drachenprinzen eigentlich in die Wiege gelegt sein sollte – fiel ihm heute ganz besonders schwer.

Fäiram war erfüllt von Sorge, von blanker Wut, von grenzenloser Enttäuschung und von kalter Angst. Sie begleitete ihn seit der gestrigen Nacht, nachdem er und Tuniäir sich ausgiebig geliebt hatten und dabei in Gedanken bei ihrem gemeinsamen Geliebten Jonas gewesen waren – seit sie gemerkt hatten, dass bei ihm etwas nicht stimmte.

Beide Männer wären am liebsten sofort in die Welt der Menschen gereist und hätten nach dem Rechten gesehen. Jonas notfalls unterstützt oder ihn in ihre Mitte genommen und getröstet. Sie wussten jedoch, dass sie ihm mehr helfen konnten, wenn sie ihm über ihre ganz besondere Verbindung Trost und Unterstützung schenkten. In der Welt der Menschen waren die beiden Männer lediglich Tiere.

Tiere, denen die Sprache der Menschen in dieser Gestalt versagt blieb. Sie konnten nicht verstehen, was er ihnen zu sagen hatte. Abgesehen davon würde ein Drache über der großen Stadt, die selbst in der Nacht hell erleuchtet war, ziemliches Aufsehen erregen. Tuniäir als Falke hingegen, konnte sich unter die heimischen Vögel mischen und sich unerkannt im Reich der Menschen bewegen, weswegen er sich heute auch auf den Weg zu Jonas gemacht hatte, während Fäiram gezwungen war, sich um die Pflichten zu kümmern, die seine Position mit sich zogen.

Als der letzte Federdrache seines Reiches, mit dem Namen Häälröm, einer Welt, die neben der Welt der Menschen existierte und die nur sehr wenige Menschen bisher betreten hatten, besaß er eine Reihe von Verpflichtungen. Eine davon war die, den Bewohnern von Häälröm Audienzen zu gewähren und ihre Anfragen und Beschwerden anzuhören. An der Seite seines Vaters König Daräim zu sitzen und bereits seit Stunden den verschiedensten Geschichten von Bewohnern aus den entlegensten Winkeln von Häälröm zu folgen, war seit dem Zeitpunkt, an dem der Drachenritter Jonas im Reich bekannt wurde, zu einer mehr als anstrengenden Pflicht geworden. Die Anzahl der Audienzen hatte sich verzehnfacht. Die Meisten kamen nur angereist, um einen Blick auf den Drachenritter werfen zu können. Jonas wohnte diesen Audienzen jedoch nur noch selten bei. Seit es in seiner Welt Schwierigkeiten mit seinen eigenen Verpflichtungen gegeben hatten, war ihre Zeit begrenzt.

Der Drachenritter kam nur noch an zwei Tagen nach Häälröm. Zwei Tage, die vollgestopft waren, mit Empfängen, Veranstaltungen und derartigen Audienzen. Immer wieder staunte Fäiram aufs Neue, wie stoisch und selbstverständlich der Mensch diese Verpflichtungen über sich ergehen ließ, doch sobald sie allein waren und sich der wahre Mensch hinter der Fassade des Drachenritters offenbarte, erfuhr Fäiram und auch Tuniäir am eigenen Leib, wie sehr ihn dies anstrengte. Dann nämlich holte sich Jonas die Entschädigung dafür von ihnen.

Eine Pflicht, die die beiden Männer nur zu gerne erledigten.

Meist befand sich Tuniäir in der unmittelbaren Nähe des Prinzen, einige Schritte hinter ihm oder stand schweigend wie ein Mahnmal hinter dem Stuhl des Prinzen, während dieser seine Pflicht absolvierte. Jedoch nicht heute.

In Gedanken war Fäiram bei Tuniäir und sah mit dessen Augen wie er über die gigantische Ansammlung an Häusern und Gebäuden und dem wohlgeordneten Durcheinander von Straßen und Fluchten flog und sich auf ein ganz bestimmtes Ziel zu bewegte – dem Wohnhaus von Jonas.

Bereits im nächsten Moment wurde seine Aufmerksamkeit wieder aus dieser Vision herausgerissen, als ihn sein Vater anstieß, um ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen.

„Fäiram!“, ermahnte ihn sein Vater und warf ihm einen strafenden Blick zu. „Antworte, wenn du angesprochen wirst.“

Fäiram ignorierte den schulmeisterlichen Tonfall seines Vaters und lächelte freundlich. „Verzeiht mir, verehrter Vater. Ich war in Gedanken bereits bei dem morgigen Tag, wo Drachenritter Jonas in Häälröm eintreffen soll.“

„Ich weiß“, seufzte der König leise und verdrehte leicht die Augen. „Du solltest weniger an deine eigenen Bedürfnisse denken, als an die deines Volkes“, raunte er ihm so leise zu, dass nur sie es hören konnten.

Fäiram war wieder Herr seiner Emotionen und setzte ein erhabenes Lächeln auf. „Ich hatte vielmehr an den Empfang gedacht, den wir ihm zu Ehren abhalten. Ich war mir nicht sicher, ob wir die angekündigten Gäste alle wohl beherbergen können. Immerhin haben sich weitaus mehr angemeldet, als beim letzten Mal.“

König Daräim musterte ihn prüfend und schüttelte schließlich bedächtig den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass unser verehrter Shagäiros dieses Problem zu meistern weiß.“

„Wie Ihr meint, mein König“, gab Fäiram erhaben von sich, verneigte leicht seinen Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit den beiden Männern, die vor ihnen standen und ihnen etwas über verletzte Landrechte erzählten.

Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte den Ausführungen der Beiden nicht wirklich folgen, denn Jonas' Sorge flackerte durch seine Venen, als sei es seine eigene. Kalte Schauer rannen über seinen Rücken und ließen ihn frösteln. Irgendetwas war bei Jonas passiert, nicht mit ihm, sondern mit jemandem, der ihm nahe stand. Mit seiner Mutter? Seinem Bruder, diesem lustigen kleinen Menschen, den er inzwischen ebenso lieb gewonnen hatte? Fäiram vermochte die Gefühle und Eindrücke, die ihm die besondere Verbindung übermittelte, nicht so recht einzuordnen.

Eines stand jedenfalls fest. Jonas war besorgt – im höchsten Maße.

Noch während die beiden Männer ihre Diskussion über den Verlauf ihrer Gebietsgrenzen fortführten, versuchte sich Fäiram auf Jonas zu konzentrieren, um den unsichtbaren Faden zu ihm zu intensivieren. Manchmal gelang es ihm, seine Wahrnehmung nur auf einen der beiden Männer zu fixieren, mit denen er im Blute verbunden war, sodass der andere weit in den Hintergrund rückte. Tuniäirs Besorgnis leuchtete trotz allem ebenso hell in ihm. Auch der Falken-Mann machte sich große Sorgen um Jonas, sodass Fäiram kaum in der Lage war, die Gefühle herauszufiltern, die zu seinem menschlichen Geliebten gehörten.

Er sah vor seinen Augen das unter ihm rasch hinweggleitende Bild einer weitläufigen Stadt. Er kannte die Straßenzüge und Häuserdächer inzwischen beinahe auswendig. Ein ums andere Mal flog Tuniäir diesen Weg ab, um Jonas zu ihnen zu holen. Dazwischen flackerten immer wieder undeutlich Bilder einer Umgebung auf, die ihm kalt, weiß und unpersönlich vorkam. Eine Umgebung, die Jonas Unbehagen bereitete, durch die er sich jedoch zügig hindurch bewegte. Zudem glaubte er auch eine Person sehen zu können, die ausgestreckt auf einem Bett oder Bahre lag, bis zum Hals zugedeckt mit einem weißen Tuch. Dieser Anblick ließ ihm abermals einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Etwas in ihm war von diesem Anblick berührt, tief drin, beinahe vergraben unter Wut und Enttäuschung. Dennoch konnte er es spüren.

„Fäiram!“, riss ihn der scharfe Ton seines Vaters aus seiner Konzentration, worauf der Prinz erschrocken herumfuhr. „Es ist selbst für einen Drachenprinzen unhöflich, sich nicht am Gespräch zu beteiligen“, herrschte ihn der Mann an. Auf der Stirn des Königs hatten sich dicke Falten gebildet. Die grauen Augen funkelten den ungehorsamen Sohn böse an. Sein Kiefer zitterte.

„Verzeiht mir, verehrter Vater“, beeilte sich Fäiram zu sagen. „Meine Aufmerksamkeit wird von großer Besorgnis abgelenkt. Bei Drachenritter Jonas ist etwas geschehen und seine Besorgnis geht auch auf mich über.“ Er sah keine Veranlassung, dies nicht mitzuteilen. Er wünschte nur, es geschähe an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit. Denn die beiden vor ihm stehenden Streithähne verstummten augenblicklich und horchten interessiert auf. Es brauchte während eines belanglosen Gespräches nur der Name des Drachenritters zu fallen und der Person, die ihn ausgestoßen hatte, gebührte die Zuwendung sämtlicher Zuhörer. Fäiram konnte zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit sagen, dass sich diese Neuigkeit wie ein Lauffeuer durch ganz Häälröm bahnen wird, noch schneller, als der schnellste Falke zu fliegen vermochte.

Durch diese Mitteilung erhielt Fäiram nicht nur die ungeteilte Aufmerksamkeit aller hier im Saal, sondern auch das Verständnis seines Vaters. Jonas war in seinem Reich beliebt. Niemand sprach auch nur ein böses Wort gegen ihn. Er war wie ein Heiliger. Wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte, hielt ganz Häälröm den Atem an.

„Was ist geschehen?“, wollte der König sogleich wissen.

„Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen.“ Fäiram lauschte in die Verbindung hinein, doch außer wirren Bildern von weißen, unpersönlichen Räumlichkeiten und unter ihm hinwegfliegenden Straßenschluchten konnte er nichts ausmachen. „Falken-Marschall Tuniäir befindet sich in diesem Moment in der Menschenwelt auf dem Weg zu Jonas. Wenn er ihn gefunden hat, kann ich vielleicht mehr berichten.“

„Ja.“ König Daräim wirkte besorgt. „Berichte, sobald du Neues weißt.“

Fäiram nickte betrübt. In den beiden Jahren, in denen er nun schon die geistige Anwesenheit der beiden anderen Männer in seiner eigenen spüren durfte, hatte er wohl gelernt, damit umzugehen. Es war nicht immer leicht gewesen, denn Jonas' Empfindungen prasselten ebenso auf ihn ein wie die von Tuniäir – wobei Letztere ihn weniger stark beeindruckten. Und nur wenn sie zusammen waren, wenn sie sich in dem großen Bett vergnügten, schien es, als ob die drei Leben zu einem verschmolzen.

In diesem Moment, wo Tuniäir sich auf den Weg zu ihrem menschlichen Geliebten gemacht hatte und Jonas sich durch die weißen Räume bewegte, war es für Fäiram schwer, sich in seiner eigenen Welt zurechtzufinden. Kaum hatte er seinen Satz beendet, schien ihn Jonas' Sorge und die Kälte, die in ihm herrschte von Neuem zu befallen, gleichzeitig, wie Tuniäir an einer hohen Häuserwand entlang flog und auf einem Fensterbrett landete. Die schnelle Wende, die Tuniäir vollführen musste, um auf dem schmalen Brett zu landen, ließ ihn leicht wanken.

Er sah, wie der Falken-Marschall mit dem Schnabel gegen das Fenster klopfte, so, wie er es nun schon seit zwei Jahren machte, um ihren Geliebten zu ihnen zu holen. Meist öffnete Jonas das Fenster schon lange bevor Tuniäir landen konnte, denn auch er konnte das Herannahen des Vogels in seinem eigenen Geiste verfolgen. An diesem Tag blieb das Fenster jedoch geschlossen und der Falke klopfte vergeblich an die Scheibe.

Der König wusste inzwischen von der mentalen Verbindung der drei Männer. Längst hatte auch er die Belange der beiden Landherren vergessen und verfolgte mit ihnen das Minenspiel des Prinzen. Als Fäiram enttäuscht sein Gesicht verzog, richtete sich König Daräim gerader.

„Was ist los?“, erkundigte er sich interessiert bei seinem Sohn.

„Jonas befindet sich nicht in seinen Gemächern“, berichtete Fäiram, während er mitverfolgen musste, wie sich Tuniäir abermals in die Häuserschluchten stürzte. Jonas hatte die hellen Räume verlassen und befand sich unter freiem Himmel. Die Gebäude, die links und rechts von ihm aufragten, deren gläsernen Fensterfronten in der Sonne glitzerten, war den beiden Männern aus Häälröm ebenso bekannt. Fäiram brauchte dem Falken keinen Impuls in Form einer mentalen Aufforderung zu übermitteln, denn der Vogel hatte sich bereits in die Lüfte erhoben und auf den Weg gemacht.

Es dauerte nicht lange, bis Tuniäir Jonas inmitten einer kleinen Grünfläche ausgemacht hatte. Zusammengesunken saß er auf dem Rand eines Brunnenbeckens, das Gesicht in die Hände gelegt und die Ellbogen auf die Knie abgestützt.

Den Menschenmann am helllichten Tag zu sich zu holen, würde Tuniäir niemals wagen. So setzte er sich auf den Ast eines Baumes, der ganz in der Nähe des Brunnens stand, und stieß einen Schrei aus.

Jonas' Kopf kam augenblicklich hoch und suchte den Falken in dem dichten Geäst des Baumes. Natürlich wusste er sofort, um wen es sich handelte. Durch Tuniäirs Augen konnte Fäiram ein Lächeln auf Jonas' Lippen sehen. Auf dessen Stirn lag jedoch eine tiefe Sorgenfalte, die das erfreute Gesicht trübte. Die Freude über das Wiedersehen und die Anteilnahme, die der Anblick des Vogels in Jonas auslöste, wallte auch durch Fäiram und er atmete erleichtert aus.

„Jonas geht es gut“, berichtete er, um die Anwesenden über die neuesten Erkenntnisse zu unterrichten. Er verfolgte mit, wie sein menschlicher Geliebter den Mund öffnete und etwas sagte, was er jedoch nicht verstehen konnte. Die drei Männer hatten inzwischen gelernt, ihre Worte durch Gefühle und gewisse Gedanken auszudrücken, welche durch ihre einzigartige Verbindung in jeden von ihnen übertragen wurde. Unwillkürlich musste Fäiram an seinen eigenen Vater denken und daran, wie traurig er sein würde, wenn er nicht mehr wäre. Diese Art der Nachrichtenübermittlung war nicht immer richtig zu deuten, aber in diesem Moment glaubte Fäiram verstanden zu haben, was ihm Jonas vermitteln wollte.

Etwas war mit dessen Vater geschehen - etwas Schreckliches. Womöglich war er dem Tode nahe oder bereits gestorben.

Kälte befiel ihn und er musste sich an den Armlehnen seines Stuhles festhalten, als er diese Erkenntnis den anderen im Saal mitteilte.

„Grund gütiger“, stieß König Daräim entsetzt aus.

Obwohl Jonas' Besorgnis in beinahe jeder Vene seines Körpers vibrierte, spürte er auch noch etwas anderes. Ein Gefühl, das schon zu Anfang in ihm wohnte, als ihn in der letzten Nacht ein ungewöhnlicher Schreck in die Glieder gefahren war. Jonas war durchaus besorgt um das Wohl seines Vaters. Es schwang allerdings auch eine kalte Gleichgültigkeit mit, die Fäiram verunsicherte. Er wusste zwar um das angespannte Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Jonas hatte ihm alles über die Trennung seiner Eltern berichtet und auch darüber, wie er seitdem zu seinem Vater stand. Der Drachenritter machte sich zwar Sorgen um ihn, jedoch schien er es nicht an sich heranzulassen.

Fäiram wünschte sich in diesem Moment, er könnte Jonas zu sich nach Häälröm holen, ihm Trost und Zuversicht spenden, ihm die Kraft geben, diesen Zwischenfall zu überstehen. Gleichzeitig wusste er aber, dass er damit zumindest so lange warten musste, bis sein Geliebter alleine war.

Durch die Augen Jonas' und Tuniäirs entdeckte er viele Menschen, die über die Grünfläche flanierten, teils in lange Mäntel, oder in lockerer Kleidung. Manche führten seltsame Gerätschaften mit sich, die mit langen Schläuchen mit ihren Körpern verbunden waren. Er bemerkte das Näherkommen Sebastians, Jonas' jüngerem Bruder, der sich neben ihn stellte, hochblickte und Tuniäir in dem Baum entdeckte. Auch auf seinem Gesicht erschien für einen kurzen Moment ein freudiges Lächeln, das jedoch einen Augenblick später verschwunden war.

 

 

Über die Autorin:

 

Ashan Delon lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt in Bayern und schreibt schon seit ihrer Jugend mit wechselnden Genres. Seit einigen Jahren findet sie in der Homoerotik ihre schriftstellerische Erfüllung. In ihren romantischen Geschichten vermischt sich auch gerne Reales mit Fantasyelementen. Aus ihrer Feder entstanden bereits ein Fantasyroman und einige Kurzgeschichten, die unter anderem auch auf bekannten Internet-Portalen zu lesen sind.

 

 

 

 

Weitere Kurzgeschichten sind auf amazon und beam-ebooks erhältlich:

 

 

Fehlpass mit Folgen“

Hausarrest mit achtzehn. Gibt es was Peinlicheres? Doch Benedikt hatte wirklich über die Stränge geschlagen, als er mit Freunden den Wagen seines Vaters auslieh und sie einen Unfall bauten. Sein Vater bleibt hartnäckig. Er schleppt ihn sogar mit auf ein Freundschaftsspiel des örtlichen Fußballvereins. Dort wird Benedikt im wahrsten Sinn des Wortes vom Schicksal getroffen.

Homoerotische Kurzgeschichte Young Love

 

Und täglich grüßt der Blumenstrauß …“

Als Besitzer eines Blumengeschäftes sieht Simon täglich die Freude der Empfänger, ohne eine Chance selbst so ein Erlebnis haben zu dürfen. Als er eines Tages zwanzig Baccara-Rosen an einen Mann ausliefern soll, wünscht er sich, er wäre der Absender der Rosen. Doch leider trägt der Empfänger, ein Fotograf, einen bedeutenden Ring an seinem Finger.

Homoerotische Kurzgeschichte.

 

Auslegware“

Schluss mit lustig. Ich habe genug von meinem Dasein als Auslegware. Jetzt wird der Spieß umgedreht. Auf der verzweifelten Suche nach einem Opfer, der meinem Bottom-Status ein Ende bereiten soll, läuft mir in dem Baumarkt, in welchem ich als Verkäufer für Bodenbeläge arbeite, ein schmalbrüstiger Gockel über den Weg, der mich vom Fleck weg fasziniert. Ein idealer Typ, um ihn flach zu legen und mir ein neues Image zu verpassen. Doch so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, wird es nicht.

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Eine Wohltätigkeitsveranstaltung ist immer ein gutes Ding. Zusammen mit seiner Familie engagiert sich der verschlossene, zweiundzwanzigjährige Jens für soziale Projekte. Um Spenden für Überflutungsopfer zu sammeln, organisieren sie ein großes Fest, inklusive der Versteigerung von Freiwilligen, die ein Wochenende lang Arbeiten für ihre Käufer tätigen sollen. Jens lässt sich überreden, sich ebenfalls als Versteigerungsobjekt zur Verfügung zu stellen. Nichts ahnend, dass der Mann, der den Zuschlag für ihn erhält, sein ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Homoerotische Kurzgeschichte

 

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Ferner habe ich mich mit einigen befreundeten Autoren zur Kuschelgang zusammengeschlossen. Mit Spaß am Schreiben und guten Ideen entstehen in unregelmäßigen Abständen sinnliche Anthologien. Die erste ist „Es duftet nach Liebe“, als ebook und Print bei amazon und beam-ebooks zu haben. 10 Autoren, 14 Geschichten, 368 Seiten voller Sinnlichkeit, Duft und Verführung. Düfte, die den Atem rauben, das Herz höher schlagen lassen, verwirren oder einfach nur ungemein zärtlich berühren. In dieser Anthologie dominiert nicht nur die unscheinbare Kraft des Geruchssinns, sondern auch die Liebe zweier Menschen. Jede einzelne homoerotische Geschichte der zehn beteiligten Autoren verführt den Leser mit ihrer ganz eigenen Note.

 

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Kennt ihr die Homo Schmuddel Nudeln?

Für jeden Tag im Jahr - 365 Geile Nacht Geschichten

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Impressum

Texte: Ashan Delon 2013
Bildmaterialien: (y) Ashan Delon, 136329935 Ganna Vasylenko /www.shutterstock.com, Coverdrache: Bonnyb. Bendix
Lektorat: Ingrid Kunantz
Tag der Veröffentlichung: 17.12.2013

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