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Ohne Perspektive

„Herr Rennert!“

Die laute Stimme meines Vorgesetzten riss mich aus der Konzentration und ich blinzelte verwirrt.

Ein Blatt Papier flatterte auf meine Tastatur. Der Ausdruck einer Liste. Mit einem flüchtigen Blick auf schwarzen Buchstaben und Zahlen erkannte ich, dass es sich dabei um Eingaben handelte, die ich gestern gemacht hatte.

„Können Sie mir das erklären?“, wollte Herr Braun, mein direkter Vorgesetzter wissen und blickte mich äußerst streng an. Eine Augenbraue hob sich dabei. Seine grauen Augen schienen in mich eindringen und die Antwort direkt aus meinem Gehirn ablesen zu wollen. „Das hat uns tausend Euro gekostet.“

Heiße Panik schoss durch meine Glieder.

Verfluchter Mist.

Ich versuchte, so schnell ich konnte, den Fehler herauszufinden, um eine Rechtfertigung zustande bringen zu können. Schon auf den ersten Blick erkannte ich die fehlerhaften Eingaben, die eine falsche Endsumme hervorgebracht hatte. Wie konnte mir das nur passieren? Ich hatte es doch extra noch dreimal kontrolliert und für fehlerfrei befunden. Jetzt, wo mir der Ausdruck vor die Nase gehalten wurde, hatte ich die falschen Zahlen sofort gefunden. Warum war mir das am gestrigen Tage nicht auch aufgefallen.

Die Panik in mir wurde noch heißer, als ich begriff, dass meine Unkonzentriertheit erneut Schaden angerichtet hatte. Es war nicht zum ersten Mal, dass ich mich vertippt hatte. Eigentlich war ich als Bürokaufmann für diese einfache Typistentätigkeit überqualifiziert. Doch das war der einzige Job, den ich nach fast zwei Jahren Arbeitslosigkeit ergattern konnte. Als einer von zweitausend Mitarbeitern, die nach der Insolvenz des größten Arbeitgebers der Stadt von einem Tag auf den anderen auf der Straße standen, einen Job zu finden, stellte sich als Ding der Unmöglichkeit heraus. Obwohl ich mir als junger, unabhängiger, erfahrener und flexibel einsetzbarer Bürokaufmann sehr gute Chancen ausmalte, musste ich bald feststellen, dass es auf dem Arbeitsmarkt bald wie beim Untergang der Titanic zuging. Jeder wollte derjenige sein, der einen sicheren Platz im Arbeitsmarktboot ergatterte. Die wenigen interessierten Arbeitgeber konnten sich ihre ganz persönlichen Favoriten in aller Ruhe aussuchen. Irgendwann griff ich auch nach dem dünnsten Rettungsring, nur um im Sumpf des finanziellen Absturzes nicht gänzlich abzusaufen.

„Es tut mir leid, das sagen zu müssen, Herr Rennert. Aber wenn das noch einmal passiert, müssen wir uns von Ihnen trennen. Wir können uns derartige Fehler nicht leisten. Das wirft bei unseren Kunden kein gutes Licht auf uns.“

Ich nickte stumm. Es war im Grunde eine ziemlich stupide Arbeit: Tätigkeitsberichte in Tabellen einzutippen. Man musste dennoch vollkonzentriert sein. Wir arbeiteten auf Kundenauftrag, wurden nach Stunden und erreichtes Pensum abgerechnet. Das Risiko für etwaige Fehler lag jedoch bei meinem direkten Arbeitgeber.

Meine Kollegen sahen mich mit seltsamen Blicken an. Ich kannte kaum jemanden von ihnen. Zwar hockten wir acht Stunden am Tag nebeneinander an unseren Schreibtischen, dennoch kamen keine persönlichen Kontakte zusammen. Wir saßen beinahe alle in diesem kleinen Boot, klammerten uns verzweifelt irgendwo fest, um nicht über Bord zu gehen. Der Job wurde nicht sonderlich gut bezahlt und einige von ihnen mussten zusätzlich noch Unterstützung anfordern. Aber es war etwas zu tun und man verdiente sich für seine spätere Rente etwas dazu.

Warum ich in letzter Zeit immer mehr Fehler machte, konnte ich nicht sagen. Ich hatte eigentlich gedacht, diesen Job mit links zu absolvieren, da ich den ganzen Tag nichts Anspruchsvolleres zu tun hatte, als stupide Zahlen einzutippen. Dennoch war es anstrengend und am Ende des Tages fiel ich müde und zerschlagen ins Bett und hatte keinerlei Lust, mich mit irgendjemanden auf ein Bierchen zu treffen.

Ich verpasste mir eine imaginäre Ohrfeige und schalt mich, nicht ein viertes oder ein fünftes Mal die Eingaben kontrolliert zu haben, bevor ich sie in den Zentralcomputer überspielte. Ich musste unbedingt besser aufpassen.

Doch drei Tage später stand Herr Braun erneut vor meinem Schreibtisch. Diesmal sagte er gar nichts, legte mir nur den Ausdruck auf die Tastatur und drehte sich wortlos um. Am nächsten Tag hatte ich meine Kündigung im Briefkasten.

Da ich noch nicht lange genug angestellt war und daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I besaß, landete ich postwendend wieder im Hartz IV – was bedeutete, dass ich meine Bedürfnisse und Ansprüche erneut gewaltig herunterschrauben musste.

 

Mein bester Kumpel Hannes überredete mich zu einem Feierabendbierchen in unserer Stammkneipe. Eigentlich konnte ich es mir nicht leisten, ich gab dennoch nach, denn ich sehnte mich irgendwie nach ihm. Unsere Treffen waren in letzter Zeit ziemlich rar geworden, nicht zuletzt, weil mir das Geld fehlte, um diese Abende zu finanzieren. Mich von Hannes einladen zu lassen, fiel mir nicht einmal im Traum ein.

Hannes gehörte zu jenen, die ein Gustav Gans-Gen in sich zu tragen schienen. Alles in ihrem Leben funktionierte und brachte sie die Karriereleiter immer weiter nach oben. Wir hatten uns in der Lehre kennengelernt. Während ich auf die vermeintliche Sicherheit eines Baukonzerns baute und die nächsten fünf Jahre dort verbrachte, ging Hannes nach seiner Ausbildung erst einmal ein Jahr ins Ausland. Nach seiner Rückkehr bekam er eine lukrative Anstellung in der Versicherungsbranche und fuhr mittlerweile einen dieser Prestigeobjekte, die Protz und kratzfesten Lackglanz als Standard mitgeliefert bekamen. Ein klein wenig war ich schon neidisch auf ihn, auch auf seinen Mut, einfach alles hinter sich abzubrechen und anderswo neu anzufangen. Eigentlich hatte ich auch gedacht, in dem Weltkonzern einen Job fürs Leben ergattert zu haben. Nie im Leben hatte ich erwartet, dass der mal Pleite gehen und ich auf der Straße sitzen könnte.

Hannes prostete mir mit seinem Glas zu, setzte es an seine Lippen an und leerte es fast bis zur Hälfte. Ich nippte an meinem nur, denn meines musste noch den ganzen Abend reichen.

Ich wunderte mich stets aufs Neue, dass sich jemand wie Hannes mit jemanden wie mir abgab. Nach seinem Auslandsaufenthalt hatte er nichts Besseres zu tun gehabt, als mich noch auf dem Flughafen anzurufen – wo ich eigentlich erwartet hatte, von ihm längst vergessen worden zu sein. Das mit ihm war ein ganz besonderes Verhältnis. Er war schwul, wie ich und hin und wieder landeten wir sogar im Bett oder in einem Hinterzimmer, wo wir es uns gegenseitig taten. Doch außer zwanglosem Sex war nie mehr zwischen uns entstanden.

Ich hätte gern mehr gehabt, doch ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als ihm dies zu gestehen.

„Du siehst müde aus, Mike“, stellte er fest und beäugte mich. „Ärger?“

Kurz überlegte ich, ob ich es ihm erzählen sollte. „Es ist schwer, einen geeigneten Job zu finden“, gab ich ausweichend von mir.

„Auf dem Arbeitsmarkt zählt heute nur noch Leistung. Der Mensch dahinter kommt einfach zu kurz“, erwiderte er philosophisch, nahm einen weiteren Schluck von seinem Glas und blickte sich kurz im Raum um. Die Kneipe war gut gefüllt. Freitagabend. Seine Augen scannten einige andere männliche Besucher und schienen sie in Kategorien einzusortieren. Ich schluckte das beißende Gefühl herunter, das sich bei diesem Anblick in mir aufbegehrte.

„Es brachte Geld“, erklärte ich knapp.

Hannes drehte den Kopf zurück und beäugte mich mit demselben strengen Blick, den auch Herr Braun drauf hatte. Es wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen, Hannes mit meinen Problemen zu belästigen. Was interessierte es ihn schon, was ich gerade trieb. Unsere Gespräche beschränkten sich auch meist auf Belangloses, Politik oder Sport. Ihm mein Herz auszuschütten, verbot mir meine Ehre als Mann. Wenn wir uns gegenseitig nach dem Befinden befragten, war es auch eher rhetorisch gemeint.

„Brachte?“, hakte er nach.

Ich winkte ab, senkte den Kopf tiefer auf mein Glas und verbarg die Scham, die in mir aufkeimen wollte. Erneut arbeitslos … In Hannes Augen, der mir wenige Minuten zuvor von einem besonders lukrativen Vertragsabschluss mit dickem Bonus berichtet hatte, musste sich das lächerlich anhören. Wie euphorisch hatten wir damals in der Ausbildung unsere Zukunft ausgemalt. Während Hannes von Weltruhm gesprochen hatte, gestaltete ich mir meinen Weg gedanklich bis in die Chefriga des Bauriesen.

Nun hockte ich hier, fast pleite und klammerte mich an ein Glas Bier.

Hannes schüttelte fassungslos den Kopf, ohne näher darauf einzugehen. Dann huschte ein Lächeln um seine Mundwinkel. „Ich hab vielleicht was für dich“, eröffnete er. „Der Besitzer des Fitness-Centers, in das ich regelmäßig gehe, beschwert sich seit Langem, dass ihm der ganze Bürokram über den Kopf wächst. Ich gebe ihm deine Nummer. Er soll dich anrufen.“

Dankbarkeit machte sich in mir breit. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen, doch ich hielt mich zurück. Abgesehen, dass es sich in einer Hetero-Kneipe nicht schickte, wenn sich zwei Männer umarmten, wäre es für mein Seelenheil schlecht gewesen, wenn ich dem Drängen nachgegeben hätte.

Ich wusste selbst nicht genau, was ich für ihn empfand. Liebe konnte es nicht sein, eher Neid oder der Wunsch, mir von ihm ein Scheibchen abschneiden zu wollen. Ich mochte ihn viel zu gern, um ihm dies an den Kopf zu werfen. Hannes war das lebende Beispiel dafür, dass es auch anders ging. Dass man auch Glück im Leben haben konnte. So zu sein wie er, nahm ich mir oft genug als Ziel, wenn ich am Verzweifeln war. Dann kam Hoffnung in mir auf.

Doch ich war ganz und gar nicht wie er.

 

Der Besitzer des Fitness-Studios stellte sich als muskelbepackter Schrankwand in hautengem Stretch-Trikot heraus, der ein so breites, sympathisches Lächeln hatte, dass er mich auf Anhieb einnahm. Das Vorstellungsgespräch verlief relativ kurz und bündig. Dass er mich nur auf geringfügig beschäftigen konnte, gefiel mir zwar nicht, ich nahm den Job dennoch an. Es war definitiv besser, als den ganzen Tag zuhause herumzuhocken, die Stellenangebote durchzuforsten und Frust zu schieben. Auch wenn das Jobcenter meckerte und verlangte, dass ich eher einen rentenversicherten Job annehmen sollte. Es zog mir das spärliche Gehalt von der Unterstützung ab, sodass es mir nicht wirklich einen Vorteil verschaffte, zwei Mal in der Woche quer durch die Stadt zu fahren und arbeiten zu gehen. Ich wollte jedoch nicht darauf verzichten. Boris, mein neuer Boss war trotz seines beeindruckenden Auftretens recht nett und gestattete mir sogar, in ruhigeren Zeiten kostenlos die Geräte zu benutzen.

 

Leider ging es nicht lange gut. Ein halbes Jahr später trat er zu mir.

„Ich hatte eben ein Gespräch mit meinem Steuerberater. Er meinte, es fehlen einige Belege und die Kostenstellen sind oft nicht richtig eingetragen“, berichtete er. „Frag mich, wenn du dir nicht sicher bist. Ich habe Wirtschaft studiert und ein klein wenig Ahnung von der Materie. Also, bevor du die Buchhaltung dem Steuerberater vorlegst, wäre es gut, wenn wir die Unterlagen zusammen durchgehen.“

Ich nickte und versuchte, die Hitze zu verdrängen, die in mein Gesicht schoss.

Boris lächelte mir noch nett zu, ehe er sich umdrehte und zu einem Kunden ging, der sich mit bereits rotem Gesicht an einem Kraftgerät abmühte.

Wie ein geschlagener Hund trottete ich zum Regal, holte den Ordner mit den Buchhaltungsunterlagen hervor und blätterte in den Papieren herum. Da waren sie, die fehlenden Belege. Noch letzte Woche hatte ich Stunden damit zugebracht, den zugehörigen Vorgang zu suchen – vergeblich. Ich war schon nahe dran gewesen, Boris darauf aufmerksam zu machen, dass er die Rechnungen noch nicht bezahlt hatte. Mein Glück, dass ich damit noch ein wenig warten wollte.

Ich klatschte mir mit der flachen Hand gegen den Kopf.

Was war nur los mit mir? Verabschiedeten sich meine Gehirnzellen? Warum war ich auf einmal so unkonzentriert? Solche Flüchtigkeitsfehler waren mir früher nie passiert. Ich war dafür bekannt, gewissenhaft und sorgfältig zu arbeiten.

Irgendetwas stimmte nicht mit mir.

Ich war heilfroh, dass Boris es in gewissem Maße locker nahm und mich vor versammelter Mannschaft nicht zur Sau machte. Das war nicht sein Stil. Dennoch hatte ich die Standpauke erkannt und nahm mir, mich zusammenzureißen.

Brauchte ihr Urlaub?

Wohl kaum. Ich saß seit Wochen nur noch zuhause herum, studierte die Kleinanzeigen und das Internet nach Jobs und schrieb eine Bewerbung nach dem anderen. Ich hatte genug Erholung. Körperlich anstrengend war diese Tätigkeit wahrlich nicht.

Zwei Wochen später stand Boris erneut vor mir und ermahnte mich, bei der Ablage der Belege das Alphabet zu beachten. Auf der Suche nach einer Rechnung hatte er am Vortag mehrere Stunden Suche aufbringen müssen.

Ich fühlte mich wie ein kompletter Versager. Wenn ich nicht einmal mehr imstande war, Papiere ordnungsgemäß in einen Ordner zu packen. Zu was war ich dann noch nütze?

Bevor ich Boris noch weiteren Schaden zufügen konnte, kündigte ich. Ich brachte es nicht fertig, auch nur eine weitere Minute für ihn tätig zu sein. Das konnte ich mir selbst gegenüber nicht verantworten. Ich war das Geld nicht wert, das er mir zahlte – auch wenn es nicht viel war.

 

Die Perspektive auf meine Zukunft wurde immer nebliger. Wenn ich anfangs noch ein kleines Licht am Ende des Hoffnungstunnels, durch den ich seit der Insolvenz des Konzerns wandelte, gesehen hatte, so verblasste es nun immer mehr. Ich saß nur noch zuhause herum, wusste nichts mit mir anzufangen. Das Jobcenter überhäufte mich mit Angeboten, doch für keines der Stellen sah ich mich qualifiziert genug. Bei einem wurden Englischkenntnisse gefordert. Meine waren seit der Schulzeit ziemlich verkümmert. Eine andere Stelle verlangte Bilanzierungsfähigkeiten. Dafür müsste ich mich erst weiterbilden. Bei einer dritten waren Datev- oder andere Computerkenntnisse verlangt, die ich nicht erfüllen konnte. Ich sagte alle ab – was natürlich irgendwann Konsequenzen für die finanzielle Unterstützung seitens des Jobcenters nach sich zog. Ich hielt mich mit Gelegenheitsjobs, wie Zeitungen austragen oder Pizza ausliefern über Wasser. Doch ich wusste auch, dass ich das nicht lange durchhalten konnte. Das finanzielle Polster, das ich mir in fünf Jahren Arbeit aufgebaut hatte, um es im Alter mal bequem zu haben, schmolz wie Eis in der Sonne.

 

Die einzigen Lichtblicke waren die Abende mit Hannes. Nach wie vor trafen wir uns ein- oder zweimal in der Woche in unserer Stammkneipe, um ein Bierchen zu trinken.

„Du siehst gar nicht gut aus“, bemerkte er eines Abends und beäugte mich, als würde er ein neues Kleidungsstück abschätzen, ob es der Kauf wert war oder nicht. Ich wand mich unter seinem Blick. Denn ich fühlte mich derzeit absolut unwohl in meiner Haut. Zudem traf mich die Bemerkung mehr, als ich zuzugeben bereit war.

„Bist du unterfickt?“, gab er halb belustigt, halb mit eindeutigem Unterton von sich.

Die Frage ließ einen heißen Blitz in meinen Unterleib fahren. Meine Finger verkrampften sich um mein Glas, fast so als würde ich mich daran festhalten müssen, um nicht umzukippen. Natürlich war ich unterfickt. Das letzte Mal, dass ich richtigen Sex hatte, nicht einen solchen, den man allein in seinem Bett praktizierte, mit nichts weiter als einer Hand und sehnsüchtigen Wünschen, war vor mehr als einem halben Jahr gewesen, mit Hannes in der Toilette der Kneipe. Allein die Erinnerung daran ließ meinen Schwanz anschwellen. Auch wenn es nur ein belangloser Fick gewesen war, so hatte er mir mehr gegeben, als man erwarten konnte.

„Ich bin auch gerade solo“, erzählte er. „Was hältst du davon, wenn wir uns mal kurz auf das Klo verziehen?“ Er zwinkerte schelmisch, während sein Blick zwischen mir und dem Hinterausgang hin und her ging.

Ein weiterer Blitz schoss durch meine Eingeweide. Die Vorstellung, gleich von ihm genommen zu werden, verpasste mir einen enormen Schub an Hitze und Lust, die in dicken Wellen durch meine Adern raste und mich von einer Sekunde auf die andere einnahm. Oh ja, das war genau das, was ich jetzt gebrauchen könnte.

„Oder sollen wir gleich zu dir gehen?“, schlug Hannes vor und lachte kurz auf.

Ich schüttelte den Kopf. Für Besuch war meine kleine Wohnung derzeit nicht geeignet. Die letzten Wochen hatte ich mich kaum dazu aufraffen können, für Ordnung zu sorgen.

„Klo reicht“, erwiderte ich daher knapp, kippte den Rest des Bieres hinunter, an dem ich schon den ganzen Abend lang nippte und inzwischen ziemlich lack geworden war, erhob mich und ging voran.

Hannes folgte mir auf dem Fuß und zwängte sich hinter mir in die kleine Kabine. Es war zwar nicht der schönste Ort, um die Hochgenüsse sexueller Bedürfnisse auszuleben. Aber mir genügte es im Moment. Jeder Augenblick mit Hannes war es wert, ganz egal wo und wie. Ich freute mich regelrecht darauf, ihn an mir zu spüren, seine Härte in mir aufzunehmen und seinen Orgasmus in meinem Inneren ausleben zu lassen. Ohne große Umschweife öffnete ich die Hose, schob sie über meine Hüften und stützte mich gegen die Wand, meinen Hintern seinem Unterleib entgegenreckend. Hannes stülpte ein Kondom über seinen bereits erigierten Schwanz, spuckte in seine Handfläche und befeuchtete das Latexumhüllte Fleisch und meinen Eingang. Als er mit seiner Eichel durch den Muskelring drängte, hielt ich für einen Moment die Luft an und entspannte mich. Ich schloss die Augen, um das Gefühl so gut wie möglich in mich aufzunehmen. Ich liebte es, wenn er in mich drängte und mich ausfüllte. Wenn das unangenehme, brennende Ziehen in prickelnde Lust überging und sein heißes Keuchen an meinem Hals vorbeistrich. Wenn seine Hände nach vorn kamen, erst sanft meinen Bauch streichelten und sich dann meiner Härte annahmen. Er war so gefühlvoll und zärtlich, gleichzeitig aber auch so zielstrebig und fest.

Heißer Atem, der in raschen Schüben an meinem Hals entlang strich, versetzte mir einen Kick nach dem anderen. Die Erregung nahm rasch von mir Besitz und katapultierte mich schneller an den Rand der Klippe, als mir recht war. Ich kämpfte gegen das erste Ziehen in meinem Unterleib an. Ich wollte noch nicht, dass Schluss war, sondern noch eine Weile genießen. Wenn es ginge, könnte er ewig so weitermachen. Es durfte gar nicht mehr aufhören.

In immer schnellerem Rhythmus presste er sich an mich. Immer wieder versenkte er sich bis zum Anschlag in mir. Unsere Leiber klatschten leise aneinander. Simultan zu diesem Geräusch entkam mir ein Keuchen, das einfach aus mir herausdrängte, um für den Schwall der Lust, die mich mit jedem Stoß erfüllte, ein Ventil zu suchen. Ich stemmte mich von der Wand ab, drückte mich ihm entgegen. Der Takt wurde immer schneller, bis er sich schließlich an mir festkrallte und sich mit einem leisen Stöhnen in mir ergoss. Erneut schloss ich die Augen, sog dieses pochende Gefühl in mir auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Ich liebte dieses Pochen in meinem Unterleib und hielt daher ganz still, wartete auch das letzte Zucken seiner Erregung ab. Ich wollte alles haben, jeden einzelnen Impuls.

Seine Hand lag immer noch um meinen Schwanz, der zum Zerreißen gespannt war. Es schmerzte bereits, doch ich war noch nicht bereit zum Kommen. Ich wollte erst Hannes' Höhepunkt bis ins Letzte auskosten. Eigentlich hätte mir das im Moment genügt. Ich hätte ihn nicht wütend angefahren, wenn er sich nun von mir abgewandt und seine Wege gegangen wäre. Die Sache zu Ende bringen konnte ich auch allein zuhause.

Doch Hannes machte weiter, ließ meinen harten Stängel im raschen Takt durch seine Faust rasen und brachte mich binnen weniger Augenblicke wieder zum Keuchen. Hitze schwappte in immer dichter aufeinanderfolgenden Schüben durch mich hindurch. Ich drohte innerlich zu verbrennen. Es war wie immer mit Hannes ein ergreifendes Erlebnis. Und als er seine freie Hand nach oben schob und einen Nippel in Beschlag nahm, ihn zwischen seine Fingerspitzen hindurchgleiten ließ und sanft zwickte, konnte ich den Ausbruch nicht mehr zurückhalten. Haltlos brach es aus mir heraus. Ein heiseres Ächzen entkam mir, als sich mein ganzer Unterleib zusammenzog und mit mir gemeinsam über die Klippe der Erlösung sprang. Ich versuchte, mich zu weigern, mich an irgendetwas festzukrallen. Ich wollte nicht kommen, doch Hannes' Hände, sein Körper, der sich an meinen Rücken schmiegte und sein erregtes Keuchen an meinem Hals, sorgten dafür, dass ich auf verlorenem Posten stand.

Schneller, als es mir lieb war, war es auch schon zu Ende.

Er streichelte noch ein paar Mal zärtlich über meine Brust und meinen Bauch, löste sich dann von mir, entsorgte das Kondom in der Toilette und wickelte Klopapier für uns beide ab, damit wir uns säubern konnten.

„Geil“, wisperte er begeistert. Sein Gesicht war gerötet. Seine Augen glänzten.

Ich hatte nur einen Blick über die Schulter geworfen. Doch genügte dieser kurze Anblick, um mich erneut in Erregung zu versetzen. Hannes konnte nach dem Sex so unheimlich anziehend aussehen, betörend und verlockend. Dieser leicht glasige Blick und das Leuchten in seinen Augen waren so erotisch, dass ich am liebsten auf die Wiederholungstaste gedrückt hätte.

„Immer gerne“, gab ich betont gleichmütig von mir. Es war nur harmloser, bedeutungsloser Sex, sagte ich mir, um dieses Brennen in meinem Herzen zu unterdrücken. Denn ich wusste, dass ich für Hannes nur Mittel zum Zweck war. Er war gerade solo, was bedeutete, dass er an mir nur seinen Druck abbaute.

„Noch einen Absacker?“, erkundigte sich mein bester Freund, schloss seine Hose und öffnete die Kabinentür.

Hastig überflog ich gedanklich den Inhalt meiner Geldbörse und schüttelte den Kopf. „Nein, hab schon genug für heute.“

„Einen kleinen?“, bot er an. „Ich geb dir einen aus. Als Dank für das geile Erlebnis.“

Ich schluckte meinen Groll hinunter. Ein geiles Erlebnis … mehr war ich nicht für ihn. Was hatte ich auch erwartet? Hannes wusste ganz genau, dass ich im Grunde ein totaler Versager war. Für einen Fick war ich gut, aber zu mehr nicht. Und von ihm Aushalten lassen, wollte ich mich erst recht nicht. Da hatte meine Ehre entschieden etwas dagegen.

„Nein, danke“, winkte ich ab. „Ich muss ins Bett. Bin völlig fertig.“ Ich schnaufte tief und versuchte, das wummernde Brennen in meinem Unterleib zu ignorieren. Ich war noch immer geil wie Oskar. Allein schon die Erinnerung an das Erlebnis ließ die Hormone in mir sprießen und die Latte in meine Hose erneut anschwellen.

„Schade“, grummelte Hannes enttäuscht. „Dann ein andermal.“

Ich nickte, verabschiedete mich von ihm und ging nach Hause.

Warum fühlte ich mich auf einmal noch viel schlechter als vorher?

Eigentlich sollte ich mich glücklich schätzen. Ich hatte Sex, ein klein wenig den Druck in meinem Inneren abbauen können. Das sollte mich eigentlich für die nächsten paar Monate wieder zufriedenstellen. Leider machte sich das genaue Gegenteil in mir breit.

 

Das Licht am Ende meines Hoffnungstunnels rückte immer weiter weg. Es war kaum noch zu sehen. Nur noch ein kleines Fünkchen, unerreichbar weit weg. Es rückte endgültig von mir weg, als mein zehn Jahre alter Wagen den Geist aufgab und eine größere Reparatur fällig war, die mein mittlerweile auf Nichts zusammengeschmolzene Budget nicht mehr hergab. Ohne Auto war ich ein Niemand. Der alte Polo war zwar nichts gewesen, womit ich angeben konnte, dennoch hatte er für mich ein Stück Unabhängigkeit und Stärke dargestellt. So ganz ohne fühlte ich mich nackt und nutzlos. Ich kapselte mich ab, zog mich in mein Schneckenhaus zurück, wimmelte selbst Hannes ab, wenn er mich zum Kneipenbesuch überreden wollte. Um mich herum wurde es dunkel. Ich sah keinen Ausweg mehr.

So stand ich eines Tages vor einem Discounter, bei dem ich mich eigentlich als Kassenkraft bewerben sollte. Doch anstatt zum Zweigstellenleiter zu gehen, marschierte ich zielstrebig in die Spirituosenabteilung und erstand mit den letzten Kröten, die ich noch in meinem Portemonnaie finden konnte, eine Flasche des billigsten Fusels. Mit meiner Beute kehrte ich in die Wohnung zurück. Ich war mir durchaus bewusst, dass Alkohol meine Probleme nicht beseitigen konnte. Er versprach mir jedoch ein paar Stunden Erlösung oder auch einen ganzen Tag lang. Die betäubende Wirkung ließ die Wirklichkeit von mir wegrücken und bettete mich in Watte, die jegliche Empfindung dämpfte. Für die Dauer der Wirkung war ich frei, losgelöst und nicht mehr der Versager, für den ich mich hielt.

Wer wollte mich denn schon haben? Ich war zu nichts nütze, schaffte nicht einmal die einfachsten Arbeiten, ohne Mist zu bauen. Selbst Hannes wollte mich nur zu einem Fick. Dafür war ich ihm gut genug.

Glas für Glas kippte ich den Wodka in mich hinein und versank immer tiefer in Selbstmitleid und Zweifel. Je stärker der Alkohol meine Sinne verwirrte, desto leichter ging es mir. Ich glaubte irgendwann zu schweben, die ganze Welt umarmen zu können. Einmal begann ich irre zu kichern, dann brach ich in Tränen aus. Meine Gefühlswelt geriet durcheinander. Meine Probleme rückten von mir ab, kamen mir auf einmal gar nicht mehr so riesig und bedrohlich vor. Es gab nur noch mich und diese schwankende Wolke, auf die mich der Wodka gehievt hatte.

Ich ignorierte das Klingeln meines Telefons, genauso wie das an der Tür. Überzeugt davon, nicht mehr zu dieser Welt zu gehören, lag ich einfach nur auf meinem Sofa, schwamm in meinem Selbstmitleid und kippte das scharfe Gebräu Glas für Glas in meine Kehle. Mir war alles gleichgültig geworden. Die Welt konnte auch ganz gut ohne mich klarkommen. Vielleicht erging es ihr dann sogar besser.

 

Plötzlich stand jemand neben mir, zerrte mich vom Polster hoch und schleppte mich entgegen meiner Gegenwehr ins Badezimmer, wo ich unter eine eiskalte Dusche gestellt wurde. Ich schrie wie am Spieß, wehrte mich verbissen, da ich diese herrlich beschwingte Welt nicht mehr verlassen wollte. Doch gegen die Kräfte des Einbrechers, der ungefragt meine Wohnung betreten hatte, hatte ich nicht die geringste Chance.

Erst als ich am ganzen Körper schlotterte, meine Zähne so laut aufeinander klapperten, dass das Geräusch von den kahlen Fliesenwänden zurückhallte und sich mein Verstand allmählich wieder klarte, erkannte ich, dass Hannes derjenige gewesen war, der mich von meiner watteweichen Wolke heruntergerissen hatte. Ich tobte vor Wut, versuchte, ihn zu schlagen, ihn für diese bodenlose Frechheit zu bestrafen. Doch er wickelte mich wortlos in Handtücher ein, schleppte mich ins Schlafzimmer, zog mir die nassen Klamotten vom Leib und warf mich ins Bett, wo er sich ebenfalls auszog und sich neben mich legte.

Mein Körper war durch das kalte Wasser ausgekühlt. Ich zitterte, bebte förmlich. Meine Lippen waren sicherlich blau. Als sich Hannes an mich schmiegte, seine Arme um mich legte und mich an sich presste, beruhigte ich mich rasch. Seine Nähe tat so gut, viel besser als der Alkohol. Sein Duft berauschte mich stärker als der billige Fusel und sein Herzschlag direkt an meinem Rücken war viel schöner als das Brennen des Schnapses, der durch meine Speiseröhre geflossen war.

Hannes hielt mich einfach nur fest, schmiegte sich an mich, wärmte mich, ließ seine Kraft und Ruhe in mich einfließen. Irgendwann lag ich einfach nur noch da, die Augen geschlossen, wie auf der Toilette der Kneipe, und genoss dieses Gefühl.

„Warum hast du Idiot das gemacht?“, wollte er wissen. Seine Stimme war sanft und besorgt. Nicht der Hauch eines Grolls schwang mit. Er machte sich wirklich Sorgen um mich. „Wenn du Probleme hast, warum bist du nicht zu mir gekommen?“

Hannes wäre der letzte Mensch gewesen, dem ich mit meinen Problemen auf den Keks gegangen wäre. Ich hatte mich vor ihm ebenso verborgen, wie vor meiner Familie und allen Verwandten und Bekannten. Meine Familie hätte es nicht verstanden und mich noch zusätzlich mit Vorwürfen überschüttet. Mein Vater war ein pensionierter Beamter, der die Insolvenz und die Arbeitslosigkeit als meinen persönlichen Fehler ausgelegt hätte. Ich war ein Versager. Wer wollte sich schon mit mir abgeben?

Am allerwenigsten Hannes.

„Wie bist du reingekommen?“, wollte ich wissen. Meine Muskeln waren noch immer so verkrampft, dass ich kaum sprechen konnte. Nur langsam machte sich die Wärme unter der Decke in mir breit.

„Nachdem du weder ans Telefon noch an die Tür gegangen bist, hab ich den Hausverwalter rausgeklingelt und verlangt, dass er die Tür aufmacht. Ich dachte mir schon, dass mit dir etwas nicht stimmt. Du bist in letzter Zeit ziemlich seltsam gewesen, hast mich ständig mit fadenscheinigen Ausreden abblitzen lassen. Glaubst du wirklich, ich seh tatenlos zu, wie du zugrunde gehst? … Hey, ich bin dein bester Freund.“ Sanft strich er ein paar nasse Haarsträhnen aus meinem Gesicht, legte die Finger an mein Kinn und drehte den Kopf so, dass ich ihn ansehen musste. „Ich liebe dich, Mike“, sagte er ergriffen. „Ich lasse nicht zu, dass du krepierst.“

Ich schluckte hart. „Ich weiß“, keuchte ich und entzog ihm mein Kinn. Ich liebte ihn auch, eine harmlose Floskel, die wir uns schon oft gegenseitig zugeworfen hatten, um uns zu necken. Wir waren beste Freunde.

Hannes holte mein Kinn zurück und zwang mich erneut, ihm in die Augen zu sehen.

„Mike“, gab er betont von sich. „Ich liebe dich wirklich … schon lange. Was glaubst du, warum ich ständig hinter dir hergelaufen bin, warum ich dich einfach nicht loslassen konnte, obwohl du mir deutlich zu verstehen gegeben hast, dass ich nicht dein Typ bin. Okay, ich bin nicht so bodenständig wie du und liebe das Risiko. Ich brauche Trubel und permanent etwas Neues, ganz im Gegensatz zu dir. Aber du bist schon immer mein Ruhepol gewesen. Wenn ich mit dir zusammen bin, ist es wie als würde das Karussell meines Lebens für einen Moment stillstehen. Dann gibt es nur noch dich und mich. Dein Lächeln füllte die Kraftreserven in mir wieder auf. Ich weiß, dass wir nie zusammen sein können, weil wir so unterschiedlich sind, aber ich lasse dich auf keinen Fall zugrunde gehen. Welche Probleme du auch immer hast, wir werden sie gemeinsam meistern. Dafür sind gute Freunde da.“

Ich konnte ihn einfach nur anstarren. Nicht einmal Blinzeln war möglich. In meinen Augen sammelten sich Tränen. Ich konnte sie nicht aufhalten.

„Du liebst mich?“ Es war nur ein Flüstern aus meiner Kehle, das haltlos über meine Lippen floss. Mit der Erkenntnis brach alles in mir zusammen. Die Mauern und Hürden, die ich errichtet hatte, um mich gegen die Enttäuschung abzuschirmen, bröckelten und zerbröselten zu Staub. Hoffnung machte sich in mir breit. Ich konnte es kaum fassen. Hannes liebte mich. Mein sehnsüchtiges Seufzen ließ auf seinem Gesicht ein Lächeln erscheinen.

„Natürlich!“, hauchte er, zog mich fester an sich, schlang seine Beine um mich, als befürchtete er, dass ich flüchten wollte, und küsste mich sanft auf die Wange. „Du glaubst gar nicht wie. Ich bekam einen Riesenschock, als ich dich ebenso gesehen habe. Erzähl mir, was passiert ist.“

Eigentlich wollte ich ihm und mir das nicht antun. Doch die Worte schwappten wie ein Wasserfall über meine Lippen. Ich redete mir alles von der Seele, leerte ihm mein Herz aus. Dabei hatte ich gedacht, dass es mir unsäglich peinlich sein würde, dass er mich für einen kompletten Versager, für einen Loser, für einen Obertrottel halten würde, wenn ich ihm alles erzählte. Doch er streichelte mich nur sanft, küsste mich hin und wieder zart auf die Wange und hörte zu. Mit jedem Wort, jedem Satz wurde mir wohler. Mein Herz wurde leichter. Bald begann es wie ein kleiner Schmetterling beschwingt und befreit zu flattern. Denn mit jedem Wort wurde mir bewusster, dass ich in Hannes' Armen lag, dass er mich immer fester hielt und dass die Wärme, die von ihm zu mir herüber floss, Liebe war. Richtige Liebe, pure leidenschaftliche Zuneigung, die endlich Erfüllung bekam.

„Du bist ein absoluter Idiot“, schimpfte er halbherzig, drehte mein Kinn abermals so, dass ich ihn ansehen musste, und küsste mich. „Du bist alles andere als ein Versager. Du hast nur gerade eine schlechte Phase. Was du brauchst, ist ein gewaltiger Tritt in deinen süßen Arsch und einen Tapetenwechsel. Wir beide werden für zwei Wochen irgendwo hinfliegen, wo wir uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und uns beide genießen können.“

So verlockend die Vorstellung auch war, zwei Wochen allein mit Hannes verbringen zu können, aber ich war derzeit nicht in der Lage dazu. Mein Budget war aufgebraucht und reichte nicht einmal mehr dazu, meine eigenen Grundbedürfnisse zu stillen.

„Ich kann nicht“, lehnte ich daher ab. „Das kann ich mir nicht leisten.“

„Du kommst mit, keine Widerrede.“

„Ich werde nicht …“, begehrte meine Ehre als Mann auf.

„Halt die Klappe“, fuhr mich Hannes an. Doch ein Lächeln und ein Kuss auf die Wange besänftigten mich sogleich wieder für den harten Ton. Als er weitersprach, war davon nichts mehr zu hören. „Ich liebe dich und ich werde es nicht zulassen, dass du noch weiter abstürzt. Du wirst dich wieder fangen. Ich helfe dir bei der Jobsuche. Vielleicht ist es an der Zeit, mal etwas ganz anderes zu machen.“

„Und was?“, erkundigte ich mich verwirrt.

„Keine Ahnung …“ Hannes zuckte mit den Schultern. „Vielleicht Koch?“ Dann lachte er über seinen aberwitzigen Vorschlag und fuhr mit seinen warmen Händen über meinen Bauch, der von der eiskalten Dusche noch immer kühl war. Es war ein absolut angenehmes Gefühl, worauf mir ein leises Seufzen entkam. Prickelnde Gänsehaut machte sich dort breit, wo er mich berührte.

„Mich bringst du jedenfalls schon seit Langem ziemlich schnell zum Kochen“, gestand er. Seine Hand rutschte tiefer, umfasste meinen Schwanz, der sich nicht nur durch seine Nähe aufgerichtet hatte. Unter dem Einfluss seiner erfahrenden Hände schwoll er rasch so hart und fest an, dass ich mich ganz automatisch an ihm rieb und genussvoll die Augen schloss.

„Ich liebe dich, Mike“, flüsterte er mir ins Ohr. „Und ich möchte mehr von dir als Quickies auf dem Kneipenklo. Ich will dich ganz und gar … jeden Tag … jeden Morgen … jede Nacht.“

Ich verpasste mir einen harten imaginären Tritt in den Hintern. Niemals hätte ich es mir träumen lassen, dass ich dies einmal zu meinem besten Freund sagen würde.

„Ich liebe dich auch, Hannes“, hörte ich mich selbst sagen und war unendlich stolz auf mich. Endlich hatte etwas richtig gemacht.

Hannes sah mich an. Seine Augen leuchteten wieder. „Wirklich?“ Ein glückliches Lächeln huschte um seine Mundwinkel. Er schien es nicht glauben zu können.

„Ja“, erwiderte ich. „Schon lange. Ich war mir dessen nur nicht bewusst.“

„Du bist ein größerer Idiot, als ich dachte“, kicherte er, ehe sich unsere Lippen zu einem Kuss vereinten.

Der erste richtige Kuss zwischen uns.

Wenn ich nicht schon durch sein Geständnis weich wie Butter gewesen wäre, so hätte mich spätestens dieser Kuss zum Zerfließen gebracht. Ich konnte nur noch leise stöhnen. War den Empfindungen, die über mich hereinbrachen schutzlos ausgeliefert. Aber ich wollte mich auch gar nicht dagegen wehren. Es war das Schönste, das mir jemals zuteilgeworden war. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust, schien die Gefühle mit hektischen Paukenschlägen willkommen zu heißen.

Als sich Hannes irgendwann löste, seufzte ich traurig. Die Vorstellung, dass dies alles gewesen sein soll, ließ mich erschaudern.

„Ist dir noch kalt?“, erkundigte er sich besorgt. Eine Hand glitt über meine Brust, schien sich selbst über den Zustand meines Körpers informieren zu wollen.

„Ich hätte nichts dagegen, noch weiter aufgewärmt zu werden.“

Hannes schob sich auf mich und begann, meinen Hals mit Küssen zu bedecken. „In dieser Art etwa?“, wollte er wissen. Als er bei meinen Brustwarzen ankam und sie in seinen Mund saugte, bäumte ich mich mit einem weiteren Seufzen auf. Langsam glitt er tiefer und platzierte seine heißen Lippen auf beinahe jeden Quadratzentimeter meiner kühlen Haut. Die viele prickelnde Minuten später erfolgte Vereinigung war so ganz anders, als den schnellen Sex, den wir bisher praktiziert hatten. Ich genoss ihn mehr denn je, denn jetzt tat ich es nicht mehr mit meinem besten, sondern mit meinem festen Freund.

Spätestens als mir Hannes nach seinem Orgasmus erneut seine Liebe ins Ohr flüsterte und mich mit seinem vor Verzückung glasigen Blick betrachtete, konnte ich das Licht am Ende des Tunnels wieder sehen.

Impressum

Texte: Ashan Delon 2013
Bildmaterialien: www.morguefile.com
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2013

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