Das war wieder ein Tag gewesen. Ein Tag, so wie sie ihn hasste. Alles, was schief gehen konnte, war schief gegangen. Verschlafen, zu spät ins Büro gekommen, vom Chef eine Standpauke erhalten, Müdigkeit, Stress und schadenfrohe Kollegen. Angela ließ die Wohnungstüre hinter sich ins Schloss fallen, warf ihre Tasche auf die Schuhkommode im Flur und verlor auf dem Weg zur kuschelig bequemen Couch ihre hochhackigen Schuhe, den engen Rock und die Rüschenbluse, an der sich ihr heutiges Mittagessen verewigt hatte. Sie ließ sich in die Polster plumpsen und atmete erst einmal tief durch. Sie war zuhause, in ihren eigenen vier Wänden, für die sie schwer geschuftet hatte und für die sie den lausigen Job, als immer lächelnde Empfangsdame, und den ungerechten Chef auf sich nahm. Sie war allein. Kein Chef, der sie anbrüllte und während seiner Predigt in ihren Ausschnitt glotzte. Keine Kollegen, die sich von ihrem hübschem Gesicht, ihren strahlenden blauen Augen, ihrem sinnlichen Mund und ihre beinahe tadellose Figur angesprochen fühlten. Die Männer würden sie gerne in ein stilles Kämmerchen entführen. Die Frauen sahen sie am liebsten mit einem blauen Brief in der Hand. Sie atmete tief durch, lehnte ihren Kopf auf das Polster zurück und schloss die Augen. Es war immer ein erhebendes Gefühl nach Hause zurückzukehren. Nach Hause, wo niemand auf sie wartete ...
Sie hob den Kopf wieder und sah sich um. Vielleicht ein kühles Bier, dachte sie und öffnete ihren BH. Nein! Allein machte es keinen Spaß sich volllaufen zu lassen. Sie erhob sich, marschierte ins Schlafzimmer und warf sich in bequemere Klamotten. Obwohl sie eigentlich keine Lust hatte, sich ins Nachtgeschehen zu werfen, sehnte sie sich nach Gesellschaft beim Trinken. Menschen, die sie nicht kannte, die ihr zuprosteten, ohne zu wissen, wer oder was sie war. Einfach nur so. Als sie ihre Wohnung wieder verließ, fiel ihr auf, dass sie dies in letzter Zeit öfter tat. Einfach hinaus gehen, sich unter die Leute mischen, in irgendwelche Bars gehen, sich von Zufallsbekanntschaften einen oder zwei Drinks spendieren lassen und allein wieder nach Hause gehen.
Nach Hause, wo niemand auf sie wartete ...
Sie wollte eigentlich nicht, dass jemand auf sie wartete. Jemand, der ihre geordnete Unordnung durcheinanderbrachte. Jemand, der das letzte Stück Toast aus der Packung nahm. Jemand, der den Rest der Zahnpasta aus der Tube drückte, ohne an Angela zu denken.
Sie warf einen prüfenden Blick in die Spiegelrückwand der Aufzugskabine. Ihr Outfit erweckte nicht den Eindruck, als wolle sie heute Abend jemanden aufreißen. Ihre Jeans waren alt und gebraucht. Sie hatte sie vor einigen Tagen in einem Secondhand-Laden gekauft. Ebenso die lederne Fliegerjacke mit den vielen Stickern, ganz nach Top-Gun-Mode. Sie verhüllte gänzlich ihre weibliche Rundung. In Turnschuhen und ohne Make-up und Schmuck sah sie eher aus, als suche sie einen Kumpel zum Trinken, was sie heute Abend vielleicht auch bezweckte. Ihre Haare kringelten sich wirr und zwanglos um ihr Gesicht. Zum Teil noch geknickt und gerollt von der Aufsteckfrisur, die sie im Büro trug.
Nach einem längeren Spaziergang, ziellos durch die Straßen, landete sie im 'Dundees', einer kleinen, gemütlichen Bar im Herzen eines betuchteren Viertels der Stadt. Ein paar Mal war sie schon hier gewesen. Das Publikum hier gefiel ihr. Meist gelangweilte Ehemänner, die ebenso wie sie das Bedürfnis verspürten, vollkommen zwanglose Bekanntschaften zu machen und sich gegenseitig zu zuprosten. Oder Frauen, die ihren Alltag etwas auflockern wollten. Sie fühlte sich irgendwie dazugehörig und identifizierte sich mit den müde an ihren Gläsern hängenden Leuten. Sie setzte sich vor die alte Music-Box aus den Sechzigern und bestellte ihren Beginnerdrink, Bacardi-Cola. Sie sah sich um und sog die verrauchte Luft tief in ihre Lungen. Sie hatte vergessen, sich Zigaretten zu besorgen.
Verdammt! Damit hatte sie doch aufgehört.
Verärgert schob sie den gefüllten Aschenbecher an den gegenüberliegenden Rand des Tisches und sah sich erneut um. Bekannte Gesichter und unbekannte. Einige nickten ihr zu, andere betrachteten sie prüfend.
Dann sah sie ihn. Ein neues Gesicht. Noch nie in dieser Gegend, oder in dieser Bar gesehen. Er saß am Tresen, lässig und selbstsicher. Drückte eine Zigarette in den Aschenbecher, nahm sein Glas zur Hand und kippte den Rest einer goldbraunen Flüssigkeit in seinen Rachen. Ein Mann zum ohnmächtig werden. Irgendwie ihr Traummann. Eine athletische Figur, von Kopf bis Fuß durchgestylt, teure Designer-Klamotten, eine goldene Rolex am Handgelenk, Sonnenbankbräune und frisch vom Friseur. Ungefähr in Angelas Alter. Vielleicht ein paar Jahre älter, aber genau ihre Kragenweite. Ein frech lässiges Lächeln spielte um seine Lippen und entblößte makellose, blendend weiße Zähne. Ein Lächeln, das sie sofort und mit Haut und Haaren einnahm.
Und das Lächeln galt ihr. Eindeutig ihr.
Wie sollte es anders sein. Sie war an diesem Abend die einzige ansehnliche Frau in diesem Laden. Außer ihr gab es noch zwei ältere Hausfrauen, die scheinbar ihre Ehemänner zur Sicherheit in die Bar begleiteten und ein junges Ding, in einem knappen Rock, der beinahe den Blick in ihr intimstes Reich entblößte und erst recht, wenn sie auf dem hohen Barhocker die Beine spreizte. Denn ihre Unterwäsche schien sie zuhause vergessen zu haben. Das Mädchen hatte den faszinierenden Mann an der Bar ebenfalls entdeckt und warf ihm unentwegt aufreizende Blicke zu. Doch sie verfehlten ihre Wirkung. Sie prallten nutzlos an ihm ab. Er hatte nur noch Augen für die blonde junge Frau in der Ecke vor der Juke-Box.
Als Angela das Lächeln verlegen erwiderte, nahm er sein leeres Glas, stieg vom Barhocker und kam auf sie zu.
"Hast du Lust auf Gesellschaft?", fragte er und lächelte immer noch sein einnehmendes Lächeln. Seine Stimme ging im Stimmengemurmel beinahe unter. Dennoch verursachte sie auf Angelas Körper eine Gänsehaut.
"In Gesellschaft trinkt es sich besser", antwortete sie und deutete auf einen leeren Stuhl ihr gegenüber. Sie musste sich leise räuspern, als sie den enttäuschten und eifersüchtigen Blick des jungen Flittchens einfing. Der Puck war an sie gegangen.
Er setzte sich auf den Stuhl neben Angela.
"Nikolas Cramer", stellte er sich vor und hielt ihr eine Hand zur Begrüßung hin. "Nenn mich einfach Nik."
"Angela Holt", erwiderte sie und schlug ein. Seine Hand war warm, obwohl sie das Glas in den Händen gehalten hatte. Er wand sich um und winkte dem Barkeeper. Wenig später kam die Bedienung und stellte ihm ein volles Glas Bier vor die Nase.
"Du siehst nicht aus, als würdest du Gesellschaft suchen", begann er, als er sich den Schaum von den Lippen geleckt hatte. Eine Bewegung, die das Eis in Angelas Glas zum Schmelzen brachte.
"Es war ein mieser Tag heute", erklärte sie. "Ich wollte nur etwas trinken gehen und den Abend etwas besser gestalten, als der Tag heute verlaufen ist."
Er lachte kurz auf, dann betrachtete er sie eingehend, dass Angela beinahe die Röte ins Gesicht steigen ließ, und beugte sich leicht vor.
"Ärger im Büro, was?", erriet er mit punktgenauer Treffsicherheit. "Ich wette, du bist Sekretärin, oder Ähnliches, trägst tagsüber enge Röcke, Spitzenblusen, hochhackige Schuhe und hochgesteckte Haare." Er betrachtete sie erneut.
"Deine Menschenkenntnis ist beeindruckend", erwiderte sie und begann sich zu ärgern. Sie hatte keine Lust, über ihren heutigen Tag zu sprechen. Er war schon mies genug gewesen. Darüber noch zu reden, war noch mieser.
"Ich weiß", nickte er. "Aber genau deswegen bin ich heute Abend hier. Ich suchte jemanden, mit dem ich ein paar Bier kippen konnte und dem es ebenso mies wie mir geht."
Angela betrachtete ihn überraschend.
"Du siehst nicht aus, als würde es dir mies gehen", bemerkte sie schließlich.
"Findest du?" Er sah sie fragend an. "Dann habe ich für heute wohl genug getrunken." Er schob das Glas etwas von sich weg, und als er den Blick wieder hob, umspielte wieder das frech lässige Lächeln seine Lippen. Seine dunklen Augen begannen zu glänzen. Angela musste sich zusammenreißen, nicht zu zerschmelzen.
"Du wärst der erste Mann, der sich von der Meinung einer Frau, von etwas abhalten lässt", ließ sie sich zu einer Spitzfindigkeit hinreißen.
"Aus deinen Worten spricht große Enttäuschung, Angela", bemerkte er, mit einem Hauch von Anspannung. "Aber ich bin nicht hier, um in Philosophie zu schwelgen. Ich würde vorschlagen, wir lassen für heute den ältesten Kampf der Geschichte und arbeiten gezielt an der Freundschaft zweier Trinkkumpels. Was meinst du?" Er nahm sein Glas in die Hand, hielt es hoch und wartete darauf, dass Angela mit ihm anstieß.
"Okay." Sie nahm ebenfalls ihr Glas und prostete ihm zu. Während sie an ihrem Glas nippte, beobachtete sie ihn über den Rand hinweg. Er sah einfach umwerfend aus. Ein Mann, von dem sie Nacht für Nacht geträumt hatte. Er schien Geld zu besitzen, worauf allein schon die Uhr hindeutete. Von den teuren Klamotten ganz abgesehen. Angela kannte sich darin aus. Sie hatte in vielen langweiligen Abenden die Modemagazine studiert und sich die männlichen Modells und ihre schicken Klamotten gründlich angesehen. Obwohl es noch zwei Jahre hin waren, ehe sie die Dreißig überschritt, fühlte sie manchmal, an miesen Tagen wie heute und an langweiligen Abenden vor dem Fernseher wie den letzten beiden Wochen eine gewisse Panik und Einsamkeit. Vielleicht war dieser Kerl, das Ende ihrer langweiligen Stunden vor langweiligem TV-Programm, der Mann fürs Leben. Der Mann, der zuhause auf sie warten würde.
Nein, er sah nicht aus, als würde er zuhause auf seine Frau warten. Er sah eher aus, als müsse seine Frau auf ihn warten.
"Was machst du beruflich?", fragte sie neugierig.
"Im Moment nichts", antwortete er aufrichtig. "Ich habe viel zu viele Probleme am Hals, als dass ich einen klaren Kopf für meinen Job behalten könnte."
"Ich wette, du bist ein Bankmensch, oder ein Makler, solche die teure Villas verkaufen", versuchte sie zu erraten.
Er lächelte umwerfend.
"Fast", sagte er und nahm einen weiteren Schluck. "Nur knapp daneben."
Angela nickte freundlich lächelnd. Wenn er es ihr nicht freiwillig verriet, wäre es mehr als unhöflich und aufdringlich, wenn sie weiter danach fragte. Und Angela war anständig und verspürte keine Lust, auch noch seine Lebensgeschichte zu erfahren. Er machte keine Anstalten, mehr aus seinem Leben zu erzählen, sondern betrachtete sie eindringlich, dass Angela erneut gegen die Röte ankämpfen musste. Sie reagierte doch sonst nicht so, wenn Männer sie anstarrten. Warum wurde sie ausgerechnet unter seinem Blick verlegen?
Vielleicht lag es daran, dass er ihr gefiel. Sie musste es irgendwie anstellen, dass er sich mehr für sie interessierte und sie ihn besser kennenlernte.
"Wie gefällt dir die Stadt?", versuchte sie es mit Small-Talk.
"Ehrlich gesagt habe ich noch nicht viel von ihr gesehen", verriet er und sein Lächeln verschwand für einen Moment. Es kehrte jedoch bald wieder zurück. "Aber das werde ich sobald wie möglich nachholen." Er nahm eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche. Zu Angelas Erleichterung war sie leer. Er zerknüllte die Packung und warf sie in den Aschenbecher. Es gab einen Automaten in den Toilettenvorräumen. Doch zum Aufstehen war er nicht bereit. Eine zufällige Bekanntschaft ließ man nicht schon nach drei Minuten wieder allein.
"Wohnst du hier in der Nähe?", wollte er wissen.
Angela wand den Blick von ihm ab. Also doch ein Mann, der es nur mit ihr treiben wollte, dachte sie ihre Befürchtung als bewahrheitet.
"Das Hotel, in das ich mich eingenistet habe, ist mehr als lausig", fuhr er fort. "Kennst du ein Hotel hier in der Nähe, das einem besseres, als schmutzige Bettwäsche und fehlende Badezimmerkacheln bietet?"
Angela musste schmunzeln und biss sich auf die Lippen. Sie hatte sich in ihm getäuscht. Solange sie ihn nicht sonderlich gut kannte, sollte sie kein Urteil über ihn bilden.
"Hier gibt es ein paar Hotels, aber die sind teuer", meinte sie.
"Alles ist mir Recht", sagte er. "Nachdem mir heute Nacht eine ausgewachsene Ratte Gesellschaft leisten wollte, bin ich ausgerissen. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der vor vierbeinigem Getier davonläuft, doch in meinem Bett hat so etwas nichts zu suchen. Da kann ich mir etwas Besseres vorstellen."
Angela kicherte leise. "Es gibt das Royal, am Ende dieser Straße", erzählte sie. "Und das Magnific Palace ein paar Blocks weiter."
"In welches würdest du gehen?"
"In keines von beiden", erwiderte sie lächelnd. "Für eine Nacht in einen dieser Hotels, müsste ich einen halben Monat arbeiten."
"Was schlägst du vor?"
"Ich kenne deine Ansprüche nicht."
"Solange nichts Vier- oder Mehrbeiniges über die Bettdecke krabbelt, ist mir alles Recht", meinte er in seinem gewohnten Lächeln und prostete ihr erneut zu.
"Ich wüsste ein nettes Hotel. Es liegt etwas außerhalb dieses Viertels und ich habe noch nicht gehört, dass dort die Gäste wegen vierbeiniger Gesellschaft davongelaufen wären."
"Na toll. Genau das Richtige für mich." Er lächelte sie an. "Würdest du mich dorthin begleiten? Wenn es dir nichts ausmacht und wenn du nichts anderes vorhast, selbstverständlich."
"Ist das eine Einladung zu einer heißen Nacht?", fragte sie und hielt seinem Blick stand.
"Ich glaube kaum, dass du viel von mir hättest", gab er leichthin zurück. "Ich bin seit heute Morgen um vier auf den Beinen und dies ist bereits mein drittes Glas. Wenn ich mich ins Bett legen sollte, gleich mit wem oder was, befürchte ich, dass ich bald in ganz anderen Träumen schwelge."
Angela musste schmunzeln. Die Art sich gekonnt herauszureden gefiel ihr. Natürlich war seine Bitte eine Einladung gewesen, den Rest der Nacht mit ihm zu verbringen. Auf eine gewisse unwiderstehliche Art und Weise, die sie beeindruckte. An sich hatte sie nichts dagegen, doch dies ging ihr etwas zu schnell. Vielleicht sollte sie es einfach darauf ankommen lassen. Wenn es ihr nicht mehr gefiel, oder wenn es ihr zu brenzlig wurde, könnte sie ja noch immer gehen.
"Okay", sagte sie deshalb. "Ich habe im Moment nichts Besseres zu tun."
Er lächelte wieder sein unwiderstehliches Lächeln und setzte das Glas an die Lippen. Als er es wieder absetzte, war es zur Hälfte geleert.
Sie unterhielten sich noch eine Weile über völlig belanglose Dinge, wie das Wetter, die Dundee-Bar, die Leute in der Stadt und gingen, als der Wirt die Stühle auf die Tische stellte. Angela sah auf die Uhr. Sie fühlte sich überhaupt nicht müde und auch Nik hatte während des ganzen Abends kein einziges Mal gegähnt. Sie schienen beide Nachtmenschen zu sein. Seine Drohung, dass er todmüde ins Bett fallen würde, war scheinbar doch nur eine Ausrede gewesen, um Angelas Befürchtungen zu zerstreuen.
Nik bezahlte die Rechnung und verließ mit ihr die Bar. Etwas abseits parkte ein letzter Wagen, auf den er zielstrebig zuging.
"Du hattest ein paar Gläser weniger als ich, außerdem kennst du dich besser aus", sagte er und drückte ihr die Wagenschlüssel in die Hand.
"Du kennst mich doch erst seit ein paar Stunden und lässt mich schon deinen Wagen fahren?" Angela schloss dennoch auf und stieg ein.
"Du bist nett", bemerkte er achselzuckend. "Und ich sitze daneben. Was sollte mich daran hindern. Außerdem ist es ein Leihwagen." Er verzog sein Gesicht und schnallte sich vorschriftsmäßig an.
Angela ließ schmunzelnd den Motor an. Der Kerl gefiel ihr immer besser. Auch mit etwas Alkohol im Blut, das die Redseligkeit etwas begünstigte, er gefiel ihr. Seine ganze Art. Höflich und zuvorkommend, irgendwie ein Gentleman. Keineswegs aufdringlich, aber auf einer netten Art bestimmt. Er wusste genau, was er wollte. Und Angela wusste ebenfalls, was er wollte. Die Art, wie er sie beide auf sein Ziel zutrieb, gefiel ihr. Ihr wurde heiß und kalt, wenn sie sich wie durch Zufall berührten. Seine Blicke fraßen brennende Löcher in ihre Haut. Sein Lächeln raubte ihr beinahe die Sinne. Mit zitternden Händen lenkte sie den Wagen auf die Hauptstraße hinaus. Der Alkohol machte sie etwas müde und brachte zugleich ihren Kreislauf in Schwung. Auch wenn er sie jetzt vor ihrer Wohnung absetzte, sie verspürte keine Lust, sich schlafen zu legen. Nicht mit einem solchen Mann an ihrer Seite.
Nik lehnte den Kopf an die Stütze, schloss die Augen und ließ sich durch die Nacht kutschieren. Es schien, als wäre er eingeschlafen. Doch als Angela etwas fester auf die Bremse drücken musste, als ein aus einer Seitenstraße kommender Wagen in die Kreuzung hineinschoss, ohne sie zu beachten, war er augenblicklich hellwach.
"Du hast doch hoffentlich einen Führerschein?", fragte er und lächelte sie von der Seite her an.
"Habe ich", kicherte sie. "Und ich hatte noch nie einen Unfall."
"Das merkt man", bemerkte er und lehnte sich wieder zurück. "Du fährst, als würdest du rohe Eier im Kofferraum spazieren fahren." Er lächelte frech in seine geschlossene Augen.
"Ich wollte dich nicht wecken." Angela fühlte sich von dieser Bemerkung angegriffen und ihre Lust auf ein nächtliches Abenteuer verging ihr.
"Ich wette, du bist meistens mit der U-Bahn unterwegs. Dir fehlt die Übung."
"Deine Menschenkenntnis ist verblüffend", gab sie etwas reserviert von sich.
"Dazu ist keine Menschenkenntnis nötig. Ich bin den ganzen Tag mit dem Wagen unterwegs und habe jede Art von Fahrern gesehen. Diejenigen, die Stolz behaupten, sie hätten noch keinen Unfall gehabt, bringen keine tausend Meilen auf den Tacho. Außerdem, wozu solltest du Auto fahren. Das U-Bahn-Netz ist hier besser, als die Verbindungsstraßen und vor allem leerer."
"Dann bist du noch nie während den Stoßzeiten unterwegs gewesen."
"Das stimmt allerdings", gab er zu. "Wenn ich aus den Federn krieche, hast du vielleicht schon deine Mittagspause hinter dir."
"Wir sind da", entgegnete Angela und lenkte den Wagen vor das Portal des Hotels.
Nik öffnete die Augen und betrachtete das Haus. Ein kleineres Hotel, mit gehobenem Standard, aber keinesfalls Nobelklasse.
"Sieht schon besser aus, als die Bruchbude, in der ich die letzte Nacht verbracht habe."
"Warum bist du dort geblieben?", wollte Angela wissen. "Du hättest dir ein anderes Zimmer suchen können?"
"Ich hatte andere Dinge im Kopf", antwortete er ausweichend, öffnete die Tür und stieg aus.
Angela stieg ebenfalls aus. Sie war plötzlich neugierig auf diese Dinge, die ihn davon abhielten, die Stadt zu besichtigen und sich ein besseres Hotel zu suchen. Aber sie besaß genug Anstand, nicht danach zu fragen. Schließlich hatten sie abgemacht, nicht von ihren Problemen zu erzählen.
"Würde es dir etwas ausmachen, für einen Moment mit hineinzukommen?" Er sah sie so umwerfend an, dass Angela alles anderes konnte, nur nicht Nein sagen.
"Gern", erwiderte sie.
Nik nahm ihr die Schlüssel ab, öffnete den Kofferraum und nahm sein Gepäck heraus. Eine lederne Tasche, mit einem Lagerfeld-Emblem und ein ebensolcher Koffer. Er musste nicht nur Geschmack besitzen, sondern auch noch eine Menge Geld. Sie folgte ihm, die Treppe hinauf und gesellte sich an seine Seite, als er sich ins Gästebuch eintrug. Er besaß eine markante Unterschrift. Schwungvoll und ausdruckskräftig. Entweder Bankmensch, oder Immobilienmakler, versuchte sie zu erraten. Sie folgte ihm auch bereitwillig, als er hinter dem Mann herging, der ihm das Gepäck bis auf sein Zimmer trug. Pagen besaß dieses Hotel nicht. Aber einen Portier, der dies höchstpersönlich übernahm.
"Sieht nicht übel aus", bemerkte Nik, öffnete den Kleiderschrank und warf einen Blick ins Badezimmer. Das Bett erfüllte ebenfalls seine Ansprüche.
"Viele unserer Gäste nächtigen hier", bemerkte sie und sah sich um. Sie selbst war noch nie hier gewesen. Sie hatte nur stets die telefonischen Reservierungen getätigt. Obwohl sie den Namen des Portiers kannte und sie mit ihm so manchen flüchtigen Plausch gewechselt hatte, gab sie sich nicht zu erkennen. Die Gefahr, dass es jemand aus dem Büro erfuhr, war zu groß.
"Dann ist das wohl ein absoluter Insider-Tip. Vielen Dank. Du hast mir sehr geholfen." Er betrachtete sie mit seinem gewohnten Lächeln. Sie waren nun allein im Zimmer. "Ich würde es dir nicht übel nehmen, wenn du jetzt lieber nach Hause möchtest. Wartet jemand auf dich?"
"Nein", antwortete Angela schnell. "Es wartet niemand. Leider." Sie wand verlegen den Blick ab. Vielleicht hätte sie dies nicht sagen sollen und verschwinden, bevor es brenzlig wurde. Wer weiß, zu welchem Wesen er sich entpuppte, wenn sie alleine waren.
"Das ist schade." Er zog seine Jacke aus und hängte sie sorgfältig über einen Stuhl. Dann setzte er sich aufs Bett und schlüpfte aus seinen Schuhen. Er ließ sich rücklings fallen und starrte an die Decke. "Zumindest keine Fliegen und Spinnen an der Decke."
"Was?", fragte Angela verwirrt, die etwas anderes erwartet hatte.
"Ach, vergiss es", wehrte er ab. "Ich ärgere mich nur über mich selbst, dass ich mich drei Tage in dieser dreckigen Bude abquäle, wo es doch weitaus bessere Hotels gibt."
"Du t wirklich sehr beschäftig sein, wenn du nicht einmal Zeit findest, dir ein besseres Hotel zu suchen", bemerkte sie und hätte sich sogleich auf die Lippe beißen können. Ihr Anstand schien sich in Luft aufzulösen. Sie wollte doch nicht darüber sprechen.
"Oh, ja", nickte er an die Decke. "Leider. Wenn ich nicht alles hingeworfen und mich dazu entschlossen hätte, mich in einer Bar volllaufen zu lassen, hätte ich die Nacht vermutlich unter dem Tisch in der Dundee-Bar verbracht."
"Du bist wirklich zu bedauern", gab sie wenig mitleidig von sich.
Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und betrachtete sie ernster.
"Du erhältst keine zweite Chance zu verschwinden", meinte er und lächelte sie wieder an.
"Willst du, dass ich verschwinde?"
"Weshalb wärst du sonst mitgekommen?"
"Warum fragst du dann noch so dumm?"
Er betrachtete sie lächelnd. Dann streckte er eine Hand nach ihr aus. Gefällig kam sie näher und setzte sich zu ihm auf das Bett.
"Du hast ein hübsches Gesicht. Ist mir gleich aufgefallen."
"Nur ein hübsches Gesicht?"
"Viel mehr habe ich noch nicht gesehen." Seine Finger gingen auf Wanderschaft. Die Berührungen seiner Hände versetzten ihr heiß kalte Schauer. Sie versuchte nicht daran zu denken, worauf sie sich eingelassen hatte. Trotz allem war er ein Wildfremder. Ein Mann, in den sie sich zwar auf Anhieb verliebte, aber von ihm nichts weiter wusste, als dass er Gesellschaft für die Nacht gesucht hatte.
Angela gestattete es ihm, dass er ihr Hemd öffnete und seine Finger sich einen Weg unter den Stoff bahnten. Sie ließ ihn gewähren, als er über die Spitzen ihres BH's strich und die Träger samt Hemd und Jacke über die Schultern streifte. Er setzte sich auf und küsste ihre nackten Schultern, während seine Finger die Gürtelschnalle suchten und sie öffneten. Angela hielt still, schloss die Augen und genoss jede Bewegung und jede Berührung.
"Du hast nicht nur ein hübsches Gesicht", flüsterte er und bedeckte ihren Hals mit heißen Küssen. "Sondern auch noch einen hübschen Körper."
"Warte, bis du alles gesehen hast", erwiderte sie leise und half ihm dabei, den Reißverschluss ihrer Hose zu öffnen. Dann machten sich ihre Finger an seiner Kleidung zu schaffen. Seine Haut fühlte sich gut an, als sie unter den Stoff glitt und das Hemd über die Schultern streifte. Er besaß harte, durchtrainierte Muskeln. Vermutlich trieb er viel Sport. Er zitterte leicht. Angela vermutete die Erregung oder die Anstrengung. Denn seine Lage war mehr als unbequem. Sie ließ sich rücklings sinken und bemerkte mit Wohlwollen, dass er nachrückte. Seine Finger glitten unter ihren Hosenbund und spielten mit ihren Beckenknochen, dann kehrten sie wieder zurück, verfingen sich kurz in ihrem Bauchnabel und streichelten wieder über ihre Schultern, an der BH-Linie entlang, während er ihr Dekolleté mit Küssen bedeckte. Angela zog sein Hemd aus der Hose und warf es neben sich auf den Boden. Ihre Finger strichen über seinen Rücken. Sie hielt still, als seine Zunge mit ihrem Ausschnitt spielte. Sie ließ es sich gefallen. Es gefiel ihr. Seine Hände suchten den Verschluss des BH`s. Angela drehte sich bereitwillig herum und gestattete es ihm, dass er ihn öffnete. Überraschend gekonnt öffnete er den Verschluss und streifte das störende Teil ab. Er platzierte einen heißen Kuss auf jeder der Brustwarzen und schob sich höher um seine Lippen auf ihren Mund zu setzen. Während ihre Zungen miteinander spielten, entkleideten sie sich gegenseitig der restlichen Stoffe.
Angela ließ sich fallen. Mit jeder Sekunde gefiel ihr dieser Mann mehr. Er schien tatsächlich der Mann zu sein, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte. Er war zärtlich und sanft, aber bestimmt und mit einem festen Ziel vor Augen, auf das er stetig zuarbeitete. Auch wenn sie es nicht gewollt hätte, ihr blieb keine andere Wahl. Er nahm sie ein, mit Haut und Haaren. Sie war ihm in diesem Moment verfallen, und als er sie in ein Reich der siebten Glückseligkeit katapultierte, Gefühle, die sie seit Langem nicht mehr fühlen durfte, war sie sich sicher. Er war dieser Mister Right, auf den sie so lange gewartet hatte, von dem sie als kleines Mädchen träumte.
Erschöpft und glücklich schmiegte sie sich an ihn, legte ihren Kopf auf seine Schulter und lauschte seinen gleichmäßigen Atemzügen. Er war eingeschlafen. Angela war noch zu aufgewühlt, um sich ihrer Müdigkeit hingeben zu können. Irgendwann schlief sie aber doch ein - nach einer langen Zeit des Nachdenkens. Wie war das Leben nach der Einsamkeit?
Ihre Aufwachroutine war einfach verblüffend. Stets zur selben Zeit öffnete sie die Augen. Ihre Hand fuhr zum Wecker, um mit einem Aufschrei die Uhrzeit abzulesen. Mit einer notorischen Gleichmäßigkeit wachte sie stets zu spät auf. An diesem Morgen wachte sie in einem fremden Zimmer auf. Neben ihr lag ein fremder Mann und ihre Hand griff ins Leere. Nach einigen Sekunden kam die Erinnerung zu ihr zurück und sie legte sich noch einmal zurück. Er bewegte sich leicht, als sie ihn auf den Mund küsste.
"Ich muss gehen", flüsterte sie. "Ich komme sonst zu spät ins Büro."
Er brummelte etwas Unverständliches vor sich hin. Angela bezweifelte, dass sein Verstand die Störung registriert hatte. Sie erhob sich, duschte schnell und kleidete sich an, und als sie aus dem Badezimmer kam, saß er aufrecht im Bett. Die Vorhänge waren noch zugezogen. Im Halbdunkel erkannte sie seine Gestalt am Kopfende des Bettes.
"Entschuldige. Ich wollte dich nicht wecken", sagte sie aufrichtig und setzte sich zu ihm aufs Bett. "Ich muss mich beeilen. Ich komme ohnehin schon zu spät."
Sie fanden sich zu einem innigen Kuss.
"Darf ich dich heute Abend anrufen?", fragte sie vorsichtig.
"Na, sicher", erwiderte er und holte sie sich zurück, als sie aufspringen und aus dem Zimmer eilen wollte. "Wehe, wenn nicht", drohte er schmunzelnd und gab ihr einen letzten Kuß.
Dann eilte Angela ins Büro. Zu spät, wie am Tag zuvor. Sie erhielt einen weiteren Anpfiff von ihrem Chef und eine Androhung zur Kündigung. Doch diesmal machte es ihr weitaus weniger aus. Wusste sie doch, dass Nikolas Cramer, Nik, auf ihren Anruf wartete.
Angela tätigte ihren Anruf, sobald sie von der Arbeit nach Hause kam und sie traf sich mit Nik. Sie verbrachten einen weiteren tollen Abend mit einigen Gläsern Champagner und anschließendem Nachtdinner im Bett. Angela fühlte sich wie im siebten Himmel. Nik war einfach umwerfend und sie konnte ihr Glück kaum glauben. Er wusste stets, was sie wollte und verhielt sich stets angemessen zurückhaltend und zugleich bestimmend. Er war kräftig und ausdauernd. Er wusste, was er wollte und verfolgte sein Ziel eisern. Einfach ein Traummann.
Eines Abends - auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn besorgte sich Angela noch einige Zeitschriften. Mit großen, auffälligen Lettern prangte ihr ein Artikel auf der ersten Seite einer Tageszeitung entgegen. Ein Phantombild stand neben dem Aufreißer und dieses Bild versetzte ihr einen Schreck. Das Bild zeigte eindeutig Nik. Dieselbe Frisur, die Augen, die Nase, das Kinn. Es war eindeutig Nikolas Cramer. Angela kaufte die Ausgabe und las den Artikel in der U-Bahn. Ein Scharfschütze hatte ein Attentat auf ein angesehenes Mitglied der Industrie-High-Society verübt. Das Phantombild stammt von einem zufälligen Zeugen, der den Mörder gesehen haben will. Die Polizei bat die Bevölkerung um Hilfe. Doch als Angela die Tatzeit las, wurde sie stutzig. Während dieser Nacht war sie mit Nik zusammen gewesen. Sie fuhr geradewegs zum Hotel.
Doch Nik war nicht mehr da. Stattdessen wartete die Polizei auf sie. Jemand hatte ihn ebenfalls erkannt und noch vor Angela die Behörden verständigt. Angela verschanzte sich hinter einem Busch und überblickte das Geschehen von ihrem Versteck aus. Vor dem Haus standen drei Streifenwagen und mehrere bewaffnete Männer patrouillierten vor dem Portal oder strichen um das Haus herum. Sie konnte weder Nik noch seinen Wagen entdecken. Lange überlegte sie, ob sie sich zu erkennen geben sollte, denn schließlich hatte sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Aber da offensichtlich der Portier Alarm geschlagen hatte und sie zweifellos als Komplizin angeben musste, war es keine gute Idee, sich zu erkennen zu geben. Angela dachte angestrengt darüber nach. Früher oder später mussten sie auch auf sie kommen. Der Portier könnte der Polizei eine genaue Beschreibung von ihr geben und ihr Bild würde ebenfalls in der Zeitung erscheinen. Sie musste sich zu erkennen geben. Doch nicht hier, wo man sie wahrscheinlich nicht anhören würde, sondern auf dem Revier. Sich freiwillig melden, hörte sich vorteilhafter für sie an, als sich bei einer Razzia erwischen zu lassen. Sie schlich davon und marschierte in die nächste Polizeistation.
Sie brauchte sich nicht sonderlich um Anerkennung zu bemühen. Als sie dem Beamten an der Pforte das Bild in der Zeitung zeigte und ihm erzählte, dass sie ihn kannte, hatten sofort einige Beamten Zeit für sie und einer der zivil gekleideten Männer, die auch am Hotel waren, tauchte nur eine halbe Stunde später ebenfalls auf.
"Wie ist ihr Name?", wollte der große, breitschultrige Mann mit den grauen Schläfen wissen.
"Angela Holt", antwortete sie bereitwillig.
"Sergeant Andrew Fisher", stellte er sich vor, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an den Schreibtisch, zu seinem Kollegen, der seine Finger bei jedem Wort von Angela auf die Tasten einer Schreibmaschine niedersausen ließ.
"In welchem Verhältnis stehen Sie zu Nikolas Cramer?", wollte Fisher wissen.
Angela erzählte von der ersten Begegnung in der Dundee-Bar und ihrer noch sehr jungen Beziehung.
"Wissen Sie, wo er sich im Moment aufhält?"
"Ich dachte, ihr hättet ihn verhaftet."
"Er ist heute Morgen ausgezogen", berichtete der Beamte. "Sie behaupten, zu den Mordzeiten mit ihm zusammen gewesen zu sein?"
Angela nickte. "Die ganze Nacht. Wir tranken Champagner und schliefen miteinander", erzählte sie bereitwillig.
"Kann das noch jemand bezeugen?"
"Der Portier musste uns gesehen haben, wie wir gekommen sind. Und er sah mich, als ich am nächsten Morgen wieder ging."
"Dazwischen liegen über zehn Stunden", bemerkte Fisher kühl.
Der Portier hatte ihm dies bereits erzählt, stellte Angela fest.
"Wir waren die ganze Zeit im Zimmer", gab sie entschlossen zurück.
"Man kann das Hotel durch die Hintertür verlassen, ohne an der Rezeption vorbei zu kommen."
"In der Zeitung stand, der Mord wurde um halb Drei verübt", ließ sie sich nicht beirren. "Ich bin um drei Uhr aufgewacht. Und da lag Nik neben mir. Selbst ein raketenangetriebenes Fahrzeug würde es nicht schaffen, in einer halben Stunde von der Westend zurückzukehren. Ein Hubschrauber vielleicht, aber dann wäre das ganze Hotel von dem Lärm aufgewacht."
"Wenn niemand sonst es bezeugen kann, dass sie um drei Uhr wach wurden, ist dies keine Entlastung. Weder für Sie, noch für Nik Cramer."
"Einen Moment", rief Angela, als sie sich an etwas erinnerte. "Ich bin auf die Toilette gegangen. Im Zimmer nebenan stritten sich ein Mann und eine Frau. Haben Sie die Gäste im Nebenzimmer gefragt, wann Sie ihren Streit hatten?"
"Habe ich", antwortete Fisher und sank auf seinem Stuhl zusammen. Sein Täter schien sich mit dieser Antwort in Luft aufgelöst zu haben. Angelas Aussage bewies, dass sie zur Tatzeit im Hotelzimmer gewesen war. Das streitende Ehepaar hatte die Toilettenspülung gehört und ihm davon erzählt. "Sind Sie sicher, dass Cramer neben Ihnen im Bett lag?"
"Absolut sicher", erwiderte Angela fest. "Er erwachte, als ich zurückkam und wir tranken den Rest der Flasche aus." Sie sah ihn eindringlich an.
"Kann es sein, dass Sie nur sagen, er wäre im Zimmer gewesen, weil Sie ihn beschützen wollen?"
"Nein", gab Angela entschlossen von sich.
"Warum ist er heute Morgen überraschend ausgezogen?", wollte Fisher wissen.
"Keine Ahnung."
"Erzählte er davon, dass er das Hotel wechseln will?"
"Nein."
Fisher schnaufte tief durch.
"Wie erklären Sie sich, dass ein Nachtwächter ihn gesehen haben will? Er gab eine genaue Beschreibung an. Der Portier erkannte Cramer auf dem Phantombild eindeutig wieder."
"Ich erkannte ihn auch wieder. Die Annahme, dass ein Doppelgänger herumläuft, der prominente Personen ermordet, ist wohl etwas wage. Aber dies herauszufinden, ist doch immerhin ihr Job, nicht meiner. Nik ist kein Mörder."
"Sie kennen sich doch viel zu wenig, um dies beurteilen zu können."
"Ich kenne ihn gut genug."
"Er ist nicht von hier. Wissen Sie, woher er kommt?"
"Nein."
"Sie gehen mit ihm ins Bett und wissen nicht einmal, woher er gekommen ist?"
"Er ist hier, weil er etwas erledigen. Er will nicht darüber reden, weil es ihm unangenehm ist. Ich will es auch nicht wissen."
"Vielleicht ist er hier, um Industriebosse zu ermorden?"
"Während er mit mir schläft?" Der Polizist nervte sie. Doch Angela besaß genug Selbstvertrauen, um sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen. "Das müsste ich doch wohl merken."
"Vielleicht sind sie seine Komplizin und verschaffen ihm nur ein Alibi?"
"Scheinbar kennen sie mein Leben bereits besser, als ich selbst, um zu wissen, dass ich nichts damit zu tun habe", sprach sie ihre Schlussfolgerung aus. "Aber wenn doch, dann müsste das Paar von nebenan ebenfalls zu dieser Bande gehören. Und ich nehme an, dass sie dies bereits genauestens überprüft haben. Was sollen diese Fragen? Sie haben den Falschen erwischt. Warum wollen sie das nicht einsehen? Vielleicht gibt es doch einen Doppelgänger, oder der Nachtwächter hatte geträumt."
"Es gibt keinen Grund, sich derart aufzuregen", gab der Beamte sachlich von sich. Er schien seinen Fehler bemerkt zu haben.
"Ich rege mich über die Ungerechtigkeit auf. Sie glauben, den Täter gefasst zu haben. Aber er ist es nicht. Trotzdem reiten sie noch darauf herum, als hätten sie keine Lust, sich den richtigen Mann zu suchen. So einfach ist das. Dann haben sie ihren Mörder, sie können einen Bericht schreiben und fertig, aus. Ein Unschuldiger schmort hinter Gittern, während der Richtige weiter sein Unwesen treibt. Und alles nur, weil irgendein überforderter Nachtwächter einen Krimi ansieht, dabei einschläft und behauptet ihn gesehen zu haben. Vielleicht ist er Nik tatsächlich begegnet. Woher sollte er sonst die Beschreibung haben. Ich weiß es nicht. Aber lassen sie uns in Ruhe." Sie atmete tief durch, um sich wieder in den Griff zu bekommen. "Bin ich jetzt verhaftet, oder kann ich gehen?"
"Sie können gehen", erlaubte Fisher und erhob sich.
"Danke", gab Angela reserviert von sich. "Ich verlange, dass Sie das Phantombild zurückziehen. Ich möchte morgen in den Zeitungen lesen, dass es der Falsche war."
"Sie verlangen zu viel."
"Ich verlange das Recht jedes Unschuldigen, sich rehabilitiert zu sehen."
"Ich werde sehen, was ich tun kann."
"Sollte morgen kein Artikel in der Zeitung stehen, die in nicht mindestens fünf Zentimeter große Lettern die Unschuld von Nikolas Cramer bezeugt, werde ich Anzeige gegen sie erstatten, Sergeant Andrew Fisher", drohte sie böse. Wenn sie etwas von den Gästen ihres Chefs und von ihrem Chef selbst gelernt hatte, dann war es treffsichere Drohungen auszustoßen. Ihr Chef war ein Meister darin und in seinem ständigen Umgang mit Anwälten und Staatsvertretern, hatte auch Angela ein wenig davon mitgekommen. Ihre Drohung mit dem Anwalt war nicht von ungefähr. Sie hatte sich mit einigen hochkarätigen Advokaten angefreundet, als sie ihnen ausgefallene Wünsche, von wegen Hotel, besondere Getränke oder Speisen, oder sogar Hostessenservice erfüllt hatte. Sie hoffte nur, dass sie die Freundschaft nicht in Anspruch nehmen musste und wenn doch, dass die besagten Herren sich keiner Gefälligkeit entsagen würden.
Angela war noch immer aufgebracht, als sie das Revier verließ. Der Polizist hatte sie dermaßen erregt, dass sie ohne es eigentlich zu wollen, in die Dundee-Bar marschierte, um sich ihren Ärger mit ein paar Bacardi-Cola hinunterzuspülen. Zu ihrer Überraschung saß in einer dunklen Ecke Nik.
"Weißt du, dass dich die ganze Stadt sucht?", rief sie aufgebracht und setzte sich sogleich zu ihm.
"Das weiß ich", antwortete er und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie leiser reden sollte.
"Was hast du mit dieser ganzen Sache zu tun?"
"Nichts", erwiderte er.
"Und warum bist du ausgezogen?"
"Wegen des Artikels in der Zeitung. Ich hatte heute Morgen einen Termin, und als ich an einem Zeitungsstand vorbeikam, sah ich mein Bild. Ich dachte mir, dass der Portier mich wiedererkennen und die Polizei rufen wird. Deswegen bin ich aus dem Hotel ausgezogen."
"Das war nicht besonders klug", bemerkte sie. "Du hast dich verdächtig gemacht."
"Ich weiß", nickte er. "Aber ich kann im Moment keinen Ärger mit der Polizei gebrauchen."
"Den hast du jetzt umso mehr."
"Ich weiß", nickte er erneut. "Ich hoffte, dass du hierher kommst, wo wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Du musst bezeugen, dass ich es nicht war."
"Das hat sich bereits erledigt. Ich komme eben vom Revier und habe meine Aussage gemacht. Es kostete mich einige Mühen, den Sergeant von deiner Unschuld zu überzeugen. Morgen steht es in der Zeitung, dass du es nicht gewesen bist."
"Danke", sagte er und sein Lächeln erschien wieder.
"Gern geschehen", entgegnete sie und ließ sich von ihm küssen.
"Was hast du jetzt vor?", wollte sie wissen.
"Ich werde mir ein anderes Hotel suchen. Vielleicht sollte ich wieder in die Bruchbude ziehen."
"Wie wäre es mit meiner Wohnung?"
"Nein, das halte ich für keine gute Idee."
"Warum nicht?"
Nik wand für einen Moment den Blick ab.
"Hat dies etwas mit deinen Problemen zu tun?"
"Richtig", nickte er.
"Erzählst du mir davon? Vielleicht kann ich dir helfen."
"Nein", war seine einzige Antwort. Er nahm das Glas in die Hand und trank die zweite Hälfte seines Bieres aus.
"Vertraust du mir nicht?"
"Ich möchte dich vorher besser kennenlernen."
"Sag mir bitte nur eines", bat sie und akzeptierte seine Weigerung. "Ist es illegal? Etwas wofür man ins Gefängnis kommen könnte?"
Auf seinem Gesicht erschien wieder sein für ihn typisches Lächeln. "Nein", erwiderte er. "Ich muss nur vorsichtig sein. An sich habe ich nichts dagegen, zu dir zu ziehen. Doch wenn es herauskommt, könnte das nachteilig für mich ausgelegt werden. Ich ziehe in ein Hotel. Weißt du noch ein anderes?"
Angela schmunzelte und nickte.
Am nächsten Tag stand tatsächlich ein großer Artikel in der Tageszeitung, der in fünfeinhalb Zentimeter großen Buchstaben die Unschuld des zu unrecht Verdächtigten und die Unfähigkeit des Polizeiapparates kommentierte. Angelas Drohung hatte gefruchtet. Als sie mit der Zeitung in der Hand zum Hotel ging, in dem sie die Nacht mit Nik verbracht hatte, war dieser bereits wieder ausgezogen. Der Portier wies sie etwas unwirsch ab und drückte ihr einen Zettel in die Hand. Nik erwartete sie in der Dundee-Bar.
Wo sie ihn in derselben Ecke sitzen sah, in der sie ihn auch gestern vorgefunden hatte.
"Was ist los?", fragte sie. "Warum bist du wieder ausgezogen?"
"Ich hatte kleine Differenzen mit dem Hotelbesitzer, wegen des Artikels von gestern", erklärte er. "Er bat mich höflich, aber bestimmt, seine geweihten Hallen zu verlassen. Er hielt meine Anwesenheit für keine gute Werbung."
"Mistkerl", schimpfte Angela.
"Von mir erhielt er ganz andere Titel", gab er ärgerlich von sich.
"Vielleicht haben sie hier ein Hinterzimmer, in das du ziehen könntest", kicherte sie und rückte ihren Stuhl näher an ihn heran. "Ich wüsste noch eine andere Unterkunft, aus der du garantiert nicht herausfliegst."
"Zu dir", wusste er Bescheid. Doch er schüttelte erneut den Kopf.
"Warum nicht? Es braucht doch niemand zu wissen. Wer oder was auch immer es nicht wissen darf."
"Angela", sagte er fester und beugte sich vor. "Es ist nicht so einfach, wie du denkst."
"Ich denke gar nichts. Über was sollte ich denn nachdenken. Ich habe doch keine Ahnung."
Nik hielt sich an seinem Glas fest.
"Also gut", gab er endlich nach. "Ich bin wegen meiner Scheidung hier. Und du solltest nichts davon wissen, weil ich sonst erzählen müsste, warum sich meine Frau von mir scheiden lässt. Zuvor wollte ich dich besser kennenlernen. Du bist wunderbar und ich möchte dich nicht verlieren."
"Was ist das für ein Grund?", fragte sie nach.
"Ich bin Polizist", gestand er.
"Polizist?"
Er nickte. "In einer Spezialtruppe, verdeckt. Ich darf mich nicht zu erkennen geben, sonst fliegt die ganze Truppe auf. Pattie ließ sich von mir scheiden, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, allein zu sein. Ich kam tage- oder wochenlang nicht nach Hause. Pattie hielt es einfach nicht mehr aus. Und irgendwann traf sie diesen Typen. Sie ist mit ihm hierher gezogen. Dieser Typ will mich fertigmachen. Er will mich ruinieren. Ich bin hier, um mich mit Pattie gütlich zu einigen. Doch er lässt mich nicht an sie heran. Meine Briefe gehen unbeantwortet zurück. Telefonisch stellt er mich nicht zu ihr durch und sein Haus ist besser bewacht, als die Wohnung des Präsidenten. Ich müsste nur einmal mit ihr sprechen. Dann wäre die ganze Sache erledigt. Wegen ihm muss ich von einem Anwalt zum anderen laufen. Und wenn ich zu dir ziehe, wird mir das vielleicht noch als Ehebruch angelastet."
"Und was ist mit ihr? Sie ist doch mit dem Kerl zusammengezogen."
"Das stimmt", nickte er. "Doch er ist Psychotherapeut und betreibt in seinem Haus, eine Art Privatklinik. Unter diesem Deckmantel ist sie bei ihm. Ich weiß, dass diese Klinik eigentlich nicht existiert, aber die höchsten Leute der Stadt sind bei ihm in der Behandlung und an seiner Glaubwürdigkeit ist nicht zu rütteln."
"Ganz schöner Schlamassel", gab Angela von sich. "Und was nun?"
"Dürfte ich dich um einen Gefallen bitten?" Er sah sie beinahe flehend an.
"Was soll ich tun?"
"Er kennt dich nicht. Du könntest in das Haus kommen und Pattie einen Brief von mir überreichen. Würdest du das für mich tun?"
"Aber sicher." Sie lächelte zuversichtlich und gab ihm einen Kuss.
Wenig später verließen sie die Bar und Nik führte sie zu einem Wagen.
"Ist das deiner?", fragte sie überrascht, als er den Schlüssel in einen fremden Wagen steckte. "Wo ist dieser weiße Schlitten?"
Nik sah betreten zu Boden.
"Ich war heute Morgen so wütend, dass ich einen Unfall verursachte", gestand er.
Angela kicherte und stieg ein.
"Du solltest dein Gepäck in den Kofferraum tun", riet sie. "Wenn es auf dem Rücksitz liegen bleibt, lockt das nur Autodiebe an."
"Ich weiß", nickte er. "Aber die Schlüssel, die ich für diesen Wagen erhielt, passen nicht für den Kofferraum. Ich kann ihn nicht öffnen."
"Ein Unglück kommt selten allein", kicherte sie kopfschüttelnd.
"Ich hoffe, dass diese Serie endlich ein Ende nimmt", schnaufte er und fuhr los.
Er lenkte den Wagen in ein Nobelviertel der Stadt und parkte am Hintereingang eines großen, weißgelben Hauses. Etwa fünfzig Meter vor ihnen parkte ein Wagen und ungefähr zweihundert Meter weiter vorne, noch drei weitere am linken Straßenrand. Ein hoher Zaun umgab das Anwesen links der Straße. Dahinter lag ein prachtvoller Garten mit blühenden Inseln, makellosem, dunkelgrünem Rasen und uralten, himmelhohen Bäumen. Im Garten war keine Menschenseele zu sehen. Von der Straße aus konnte man direkt auf die weitläufige Veranda blicken. Die großen Glastüren standen weit offen. Eine seichte Prise wehte die weißen Gardinen ins Freie.
"Um diese Zeit ist er nicht zu Hause", berichtete Nik. "Ich bleibe hier stehen. Sag ihr, dass du von mir kommst. Sie kann mich vom Fenster aus sehen."
"Du hast das Haus beobachtet, richtig?"
Er nickte. "Ich muss unbedingt mit ihr sprechen." Er nahm einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und überreichte ihn Angela. "Danke", sagte er noch einmal.
"Gern geschehen", wiederholte sie, gab ihm einen Kuss und stieg aus. Angela ging um das Haus herum und stand alsbald an einem gigantischen Eingangstor. Ein Laster hätte bequem hineinfahren können, die breite Einfahrt hoch und oben vor dem Portal sogar noch wenden, ohne auch nur eine der Blumen zu knicken, die in einer eng stehenden Reihe den Weg vom Tor zum Portal säumten. Sie drückte den Knopf an der Säule und wartete auf eine Antwort.
"Hallo?", rief eine weibliche Stimme.
"Hallo", rief Angela zurück. "Sind sie Pattie?"
"Ja", kam die Antwort. "Wer sind sie?"
"Ich bin Angela und ich komme von Nik."
Stille drang ihr entgegen, dann summte der elektronische Türöffner. Angela drückte die kleine Gittertür im Eingangstor auf und marschierte die gelb gekieste Auffahrt hinauf. Sie wurde leicht nervös und zerknüllte den Brief in ihrer Hand etwas. Ihre Hände wurden feucht. Sie wischte sie an ihrer Jeans ab, atmete tief durch und ging weiter. Auf der Veranda rechts neben dem Blumenweg, patrouillierte ein bewaffneter Sicherheitsmann und beobachtete jede ihrer Schritte argwöhnisch. Die Eingangstüre öffnete sich, bevor Angela die breite Treppe hochsteigen konnte. Eine junge Frau in einem eleganten Kostüm, ebenfalls teure Designermode, erschien in der Türe und betrachtete die Besucherin eingehend.
"Hallo. Ich bin Angela", sagte sie und hielt der Frau die Hand zur Begrüßung hin.
"Hallo", erwiderte Pattie, schüttelte ihr kurz die Hand und bat sie ins Haus.
Angela zwang sich, ihre Augen bei der Frau zu halten. Denn die Einrichtung des Hauses, war mehr als beeindruckend. Kristallleuchter, verchromte oder versilberte Spiegel, dicke Teppiche, teuer wirkende Vasen. Angela zwang sich, diese Details nicht zu bemerken. Sie sollte nur den Brief übergeben und wieder verschwinden.
"Wo ist Nik?", wollte Pattie wissen. Sie bat Angela in einen wahren Salon von Wohnzimmer, mit glänzendem Fliesenboden, ledernen Sitzmöbeln und hinterglasbeleuchteten Glasvitrinen. Der ganze Raum, überhaupt das ganze Haus, war in strahlendem, blitzsauberem Weiß und Pastellgelb gehalten. Scheinbar die Lieblingsfarben des Besitzers.
"Hinter dem Haus", antwortete sie und wand sich den großen Glastüren zu. "Er steht da draußen auf der Straße. Man kann ihn von hier aus sehen."
Pattie ging zum Fenster und schirmte die Augen vor der Sonne ab, um das parkende Auto draußen auf der Straße zu sehen. Nik war ausgestiegen und lehnte lässig am Wagen.
"Er bat mich, Ihnen diesen Brief zu geben", begann Angela und hielt ihr den Umschlag hin.
Pattie nahm den Brief, setzte sich in einen der weißen Ledersessel und riss den Umschlag auf.
"Ich werde dann wieder gehen", sagte Angela und wand sich um.
"Warten Sie", rief Pattie. "Er will eine Antwort. Bitte setzen sie sich. Möchten sie eine kleine Erfrischung?" Sie betrachtete die Botengängerin. "Bier habe ich leider keines."
"Cola ist mir auch recht. Vielen Dank", gab Angela von sich und setzte sich. Von einer Antwort hatte er nichts gesagt. Und dass Pattie sie so geringschätzig betrachtete, gefiel ihr ebenfalls nicht.
Pattie nickte, erhob sich erneut und verschwand für ein paar Minuten. Sie kehrte mit einem Tablett, einer Flasche Cola und einem leeren Glas zurück, stellte es auf den Glastisch und ließ sich wieder im Sessel nieder, um den Brief zu lesen.
Angela goss Cola in das Glas und nippte daran, ohne den nötigen Durst. Sie beobachtete Niks Frau und versuchte sie einzuschätzen. Sie sah müde und erschöpft aus. Vielleicht die lange Zeit des Bangens, um ihren Mann. Jeden Tag die Sorge, ob er noch lebte, oder ob er vielleicht schon als Treibgut in irgendeinem Tümpel lag, oder als Massentiefkühlware in einer dunklen Schublade. Angela dachte darüber nach, ob sie selbst dies aushalten konnte.
"Sind Sie seine Freundin?", wollte Pattie wissen, als sie den Brief auf ihren Schoß sinken ließ. Eifersucht schwang in ihrer Stimme mit.
"Nein", antwortete Angela schlagfertig.
"Wie nennt man das dann?"
"Zufallsbekanntschaft", erwiderte Angela. "Wir trafen uns heute zufällig an einem Hot-Dog-Stand. Er bat mich um einen Gefallen und ich bekomme einen Hunderter dafür." Angela setzte ein freundliches Lächeln auf. Pattie musste die Wahrheit nicht unbedingt erfahren. Vielleicht verplapperte sie sich eines Tages bei diesem psychopathischen Psychiater.
"Aha", machte Pattie, mit einem Ausdruck im Gesicht, als ob sie längst Bescheid wusste, erhob sich und ging zu einem weiß, furnierten Sekretär. "Demnach wissen sie nicht, um was es hier geht", sagte sie feststellend und nahm Papier und Kugelschreiber aus einer Schublade.
"Er sagte irgendetwas von komplizierter Scheidung", gab sich Angela unwissend und zuckte mit den Schultern. "Es interessiert mich auch nicht."
"Aha", machte Pattie wieder und kritzelte etwas auf das Papier.
Erst jetzt fiel Angela auf, dass Pattie barfuß war. Rotlackierte Fußnägel und ein goldenes Knöchelkettchen spitzelten unter dem Stuhl hervor. Ihre Beine waren kräftig. Ihre Füße drahtig, als ob sie viel joggte. Sie schlug die Fersen übereinander, während sie die Antwort auf Papier bannte. Angela nippte wieder an ihrer Cola und hoffte, dass sie bald mit dem Brief fertig war und sie das Haus bald wieder verlassen könnte. Es wurde ihr mit jeder Minute unangenehmer. Obwohl das Haus hell und freundlich eingerichtet war, fühlte sie sich erdrückt.
Endlich war Pattie fertig, faltete den Bogen zusammen, steckte ihn in einen Umschlag und klebte ihn zu. Sie erhob sich, ging zu der Sitzgruppe zurück und setzte sich, während sie den Brief traurig betrachtete.
"Er erzählte ihnen nichts weiter?" hakte Pattie noch einmal nach.
"Warum sollte er?", fragte Angela zurück.
"Das ist eigentlich nicht seine Art", verriet die Frau und hielt Angela den Brief hin. Angela nahm ihn entgegen und steckte ihn in ihre Jacke.
"Vielleicht hatte er keine andere Wahl", gab sie sich immer noch unwissend. Sie wollte schnellstens hier weg und erhob sich.
"Warten Sie, bitte", bat Pattie. "Sagte er sonst noch irgendetwas?"
"Was zum Beispiel?", fragte Angela unschuldig.
"Ich weiß nicht." Sie wand sich ab. Für einen Moment schien es, als müsse Pattie mit den Tränen kämpfen. Angela drohte aus Mitleid ihre Maske aufzugeben. Doch sie riß sich zusammen und blieb stehen.
"Ich wollte das alles nicht", begann Pattie mit zitternder Stimme und presste ihre Lippen zusammen, um ihre Fassung zurückzuerhalten. "Er verdient dies nicht. Er kann doch nichts dafür."
"Sagen Sie das nicht mir, sondern ihm", bemerkte Angela anteilnahmslos und suchte die Ausgangstüre. "Was auch immer zwischen euch vorgefallen ist. Ihr müsst es zwischen euch ausmachen. Mich geht es nichts an. Ich will nur meinen Hunderter und mit der ganzen Sache nichts zu tun haben."
Pattie hob den Kopf und betrachtete die Überbringerin. Glasige, in Tränen getränkte Augen starrten sie an. Ihre Lippen waren ein blasser, dünner Strich zwischen Kinn und Nase und ihre Nasenflügel bebten, als sie tief einatmete.
"Ich gebe Ihnen einen Rat", ließ sich Angela doch ein wenig erweichen. "Ich habe keine Ahnung, um was es hier eigentlich geht. Doch das was ich bisher mitbekommen habe, ist der reinste Psycho-Terror. Ich weiß ja nicht, wie Sie zu ihrem Ex-Mann stehen, doch dies hier scheint auch nicht gerade das Paradies auf Erden zu sein. Haben Sie sich wohl etwas anders vorgestellt, was? Verlassen Sie diesen Typen, bevor er Sie im Keller ankettet und Sie wie eine Sklavin benutzt." Sie wand sich um und marschierte in den Flur hinaus. Ihre Turnschuhe gaben ein leises quietschendes Geräusch von sich, als sie über den Fliesenboden ging. Sie wünschte sich, sie könnte lautlos verschwinden.
"Wie können Sie sich eine Meinung bilden, wenn Sie nicht wissen, was eigentlich geschehen ist?", rief Pattie hinter ihr her.
"Eben", rief Angela zurück und ärgerte sich, dass sie sich hatte erweichen lassen, ihre Meinung von sich zu geben. "Vergessen Sie die ganze Sache."
Pattie folgte ihr zur Türe und hielt sie auf.
"Ich bin schon zu lange hier", rief Angela, durch einen Blick von Pattie auf ihre Uhr inspiriert und riss sich los. "Ihr Freund könnte jeden Moment zurückkommen."
"Nein. Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht verletzen. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie Niks Brief überbracht haben. Ich bin nur etwas verwirrt. In letzter Zeit stürzt so viel auf mich ein, dass ich nicht mehr weiß, was ich sage."
"Ist schon gut", besänftigte Angela die Frau. "Nik wirkte ebenfalls etwas geschafft. Wieso muss eine Scheidung eigentlich so kompliziert sein?"
"Es hat etwas mit einem Anschlag auf mich zu tun", gestand Pattie. "Ich wäre beinahe ums Leben gekommen. Es war mein Fehler, mich an Professor Garwin zu wenden."
"Anschlag?" wiederholte Angela fassungslos.
"Ich hatte Glück, dass ich etwas im Haus vergessen hatte und wieder ausgestiegen bin. Das Auto explodierte, als ich eben ins Haus zurücklief." Pattie lächelte gequält, an unschöne Geschehnisse erinnert zu werden. "Hat Nik nichts davon erzählt?"
"Nein? Wieso?" rief Angela schnell und räusperte sich. "Wer sollte es denn auf Ihr Leben abgesehen haben?"
"Wer auch immer die Bombe im Wagen angebracht hatte, er wollte damit Nik treffen", erklärte Pattie und setzte erneut ihr künstliches Lächeln auf.
"Das ist ein ganz schöner Hammer", keuchte Angela und schluckte ihren Schreck hinunter. Spätestens jetzt stand für sie fest, dass ihre Beziehung zu Nikolas Cramer nicht mehr lange andauern würde. Sie würde nur noch solange bestehen, bis sie ihm den Brief gegeben hatte, dann würde sie wieder ihre eigenen Wege gehen. "Also ich würde mich nach so etwas auch scheiden lassen." Sie öffnete die Türe und stieg die Treppe hinunter.
"Vielen Dank für Ihre Hilfe", rief ihr Pattie hinterher.
"Wenn ich das vorher gewusst hätte, ich meine das mit der Autobombe, wäre mein Honorar bedeutend höher gewesen." Sie grinste breit, winkte der Frau zum Abschied zu und marschierte das gelbe, von leuchtend gelben Blüten eingesäumte Band wieder hinunter zum Tor. Ein Wunder, dass das Tor die silberne Farbe von purem Zink besaß, dachte sie bei sich und zog die Gittertüre hinter sich zu. Sie hatte noch ein Wörtchen mit Nik zu reden. Das mit der Autobombe hatte er ihr wohlweislich verschwiegen.
Als sie zum Wagen zurückkam, saß Nik wieder hinter dem Steuer. Eine blaue Rauchwolke dampfte aus dem Fenster. Sie steckte den Brief durch das Fenster der Fahrerseite und blieb an der Türe stehen.
"Warum hast du mir das mit der Bombe nicht erzählt?", fuhr sie ihn sogleich an.
"Bombe?" kam es fragend zurück.
"Ja, die Autobombe."
"Ich dachte nicht, dass ihr euch über derart Intimes unterhaltet", erwiderte er ausweichend.
"Wir haben uns auch nicht unterhalten. Pattie hat sich nur etwas aufgeregt und kam freiwillig damit heraus."
"Lass uns fahren", rief er gereizt, warf die Zigarette auf die Straße und hatte die Hand bereits am Zündschlüssel.
"Ich werde mit dir nirgendwo mehr hinfahren", gab Angela festentschlossen von sich. "Ich kann deine Frau jetzt verstehen. Es ist zu gefährlich, mit dir zusammen zu sein. Ich habe keine Lust, eines Tages mit Explosionskraft gen Himmel gejagt zu werden. Du hast deine Antwort, von der du übrigens auch nichts erwähnt hast, und nun lass mich bitte in Ruhe." Sie drehte sich um und ging davon. Es tat weh, doch bevor ihr noch mehr zugefügt wurde, musste sie diese Beziehung beenden.
"Nein, Angela, warte", rief er und sprang aus dem Wagen.
"Lass mich in Frieden", rief sie energisch, verstaute ihre Hände in der Jacke und marschierte zielstrebig davon. Irgendwo würde sie schon ein Taxi oder einen Bus finden. Überraschenderweise gab Nik nach und folgte ihr nicht.
Sie blieb kurz stehen, als ihr etwas einfiel, wand sich um und hätte sich beinahe erweichen lassen, zurückzulaufen, als sie Nik, mit hängenden Schultern neben seinem Wagen stehen sah.
"Ich an deiner Stelle würde erst rückwärtsfahren", rief sie. "Vor deinem rechten Vorderrad liegt eine zerbrochene Flasche. Sie könnte einen Platten verursachen." Dann winkte sie ihm zum Abschied, wand sich wieder um und marschierte von dannen. Wieso sie ihn davor gewarnt hatte, wusste sie nicht. Vielleicht liebte sie ihn doch mehr, als sie sich eingestehen wollte und eine Warnung sollte keinem verwehrt werden. Außerdem musste zu seiner Pechsträhne nicht auch noch ein platter Reifen kommen.
Als sie am nächsten Tag von der Arbeit zurückkam, wartete vor dem Eingang ihres Hauses eine Polizeistreife. Der Beifahrer sprang aus dem Wagen, als Angela die Straße heraufkam.
"Angela Holt", rief ihr der Mann entgegen.
Sie nickte.
"Was ist los?", wollte sie wissen.
"Dürfen wir Sie bitten, mit uns zum Revier zu kommen?", fragte der Uniformierte höflich.
"Um was geht es denn?", wollte sie wissen und machte keine Anstalten, in den Wagen zu steigen. "Habe ich etwas angestellt? Bin ich verhaftet?"
"Nein", war die Antwort auf ihre beiden Fragen. "Es geht um Nikolas Cramer."
"Nik", rief sie entsetzt. "Ist ihm etwas zugestoßen?"
"Nein", antwortete er erneut. "Würden Sie bitte mitkommen?"
Nun war sie bereit, in den Wagen zu steigen.
Auf dem Revier kam ihr sogleich Sergeant Fisher entgegen. Er bat sie in sein Büro und deutete auf einen Stuhl.
"Verzeihen Sie die Störung, doch ich brauche Ihre Bestätigung zu einer Aussage", begann er.
"Zu welcher Aussage?"
"Nikolas Cramer behauptet, gestern Abend mit ihnen zusammen gewesen zu sein."
"Ist er verhaftet? Ich dachte, die Sache hat sich geklärt."
"Waren Sie mit ihm zwischen sieben und acht Uhr Abends zusammen", fragte er eindringlich.
"Ja, war ich", nickte Angela.
"Wo waren sie? Gibt es Zeugen, dass die Sie mit ihm zusammen gesehen haben?"
"Ja, das heißt. Nicht direkt."
"Was heißt, nicht direkt?"
"Er bat mich um einen Gefallen. Ich sollte seiner Frau einen Brief bringen. Er parkte hinter dem Haus."
"Demnach war er allein."
"Sozusagen. Wir konnten ihn vom Haus aus sehen. Er saß die ganze Zeit im Wagen. Warum wollen sie das wissen?"
"Wo wohnt seine Frau?"
Angela nannte bereitwillig die Adresse. Es gab keinen Grund für Heimlichkeiten. Sie hatte wohl erkannt, dass der Polizist einen driftigen Grund besitzen musste, um ihr derartige Fragen zu stellen.
"Was ist passiert?", erkundigte sie sich.
"Gestern passierte noch ein Mord", berichtete Fisher. "Wie lange waren Sie in dem Haus?"
"Etwa eine halbe Stunde."
"Ist Ihnen etwas aufgefallen? Parkte der Wagen an einer anderen Stelle, als sie zurückkamen? Vielleicht nur einen halben Meter vor oder zurück."
"Nein", wusste Angela genau. "Als er den Wagen parkte, fuhr er auf eine Flasche, die am Straßenrand lag. Und als ich zurückkam, stand der Reifen noch immer auf den Scherben."
Erneut sank Fisher in sich zusammen. Er wand sich kurz um und fluchte still vor sich hin.
"Ist seine Frau zuhause?", wollte er wissen, als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte.
"Keine Ahnung. Sie wohnt bei Professor Garwin."
"Professor Garwin?" Fisher blickte sie überrascht an.
"Nik ist Polizist", verriet sie endlich. "Sie leben in Scheidung. Der Professor gibt ihr wahrscheinlich Privatsitzungen."
"Polizist? Cramer soll Polizist sein?"
"Ja, bei irgendeiner Spezialeinheit mit verdeckten Ermittlungen. Er darf sich nicht zu erkennen geben, sonst fliegt seine Truppe auf. Ich hoffe seiner Truppe wegen, Sie behalten dies für sich."
Fisher starrte sie verblüfft an.
"Bei welcher Einheit?", wollte er wissen.
"Er wird sich hüten, mir das zu verraten. Ich will es auch gar nicht wissen. Seine Frau wurde beinahe bei einem Bombenanschlag getötet. Deswegen die Scheidung. Mir reichte es, um ihm gestern den Laufpass zu geben."
Wieder musste sich Fisher umdrehen und leise vor sich hinfluchen.
"Haben Sie den Doppelgänger immer noch nicht gefunden", fragte Angela höhnisch. "Vielleicht gibt es einen Zwillingsbruder, von dem er nichts weiß. Oder was ist, wenn ihn der Kerl, der seiner Frau die Bombe ins Auto legte, auf diese Art abservieren will. Alles ist möglich. Sie klammern sich zu fest an das Wesentliche."
"Wenn ich Ihren Rat brauche, werde ich mich melden", knurrte Fisher gereizt. "Warum hat er das bei der Vernehmung nicht erwähnt?"
"Er wird es nicht jedem auf die Nase binden", gab Angela achselzuckend vor sich. "Schließlich muss er seine Tarnung wahren."
"Warum Ihnen und nicht mir, wie es angebrachter wäre?"
"Nik lag es daran, dass ich ihn verstand. Ich denke, ich bin ihm nicht ganz gleichgültig. Er rückte auch erst damit heraus, als ich hartnäckiger wurde. Er hatte Angst, dass ich ihn verlasse, wenn ich von seinem Job erfahre."
"Sie haben ihn verlassen?"
"Ja, richtig. Aber erst, als ich von der Autobombe erfuhr." Angela verzog ihr Gesicht zu einem überfreundlichen Lächeln. "Ist Nik wieder frei?"
"Ich muss das erst überprüfen", gab Fisher sachlich von sich. "Halten Sie sich bitte für weitere Fragen zur Verfügung."
"Aber sicher. Ich stehe im Telefonbuch, falls Sie noch Fragen haben." Sie erhob sich und spazierte aus dem Büro. Der Mann tat ihr beinahe leid. Der Mörder hatte ihn ein zweites Mal auf eine falsche Fährte geführt.
Sie setzte sich vor den Fernseher, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie wollte Nikolas Cramer und die ganze Aufregung wegen und mit ihm vergessen, obwohl es ihr schwerfiel. Sie hatte sich tatsächlich in ihn verliebt. Doch ein Leben an seiner Seite war ihr einfach zu gefährlich. Irgendwann würde jemand ein Päckchen vor ihrer Türe zurücklassen und sie würde doch bei einer Explosion ihr Leben lassen müssen. Nein, dies war nichts für sie.
Die Türglocke schellte. Sie seufzte, stellte die Coladose auf den Boden und ging zur Türe. Vorsichtshalber, dass es doch vielleicht ein Päckchenservice war, spähte sie durch den Türspion. Sie verschluckte sich, als sie Niks Gesicht erkannte. Ihre Aussage war bestätigt und Nik als unschuldig entlassen worden. Für einen Moment überlegte sie, ob sie die Tür öffnen sollte.
"Was willst du?", rief sie durch die Tür.
"Ich will mit dir reden", kam es zurück.
"Ich dachte, es ist keine gute Idee, dich bei mir sehen zu lassen."
"Ach, verdammt, Angela", rief er ärgerlich. "Ich habe keine Ahnung, wohin ich gehen soll. In dieser verdammten Stadt scheint sich alles gegen mich verschworen zu haben. Bitte, lass mich rein."
"Ich denke nicht daran", blieb sie eisern.
"Du hast Angst, wegen meines Jobs", wusste er Bescheid. "Dann kann ich dich beruhigen. Bevor ich mich in den Flieger setzte, um hierher zu kommen, quittierte ich meinen Dienst. Die Gefahr ist also vorbei."
"Ich weiß nicht. Ich habe so ein Gefühl, dass sich noch jemand an dich erinnert."
"Du meinst wegen den Morden?"
"Genau. Jemand hat es auf dich abgesehen. Er will dich fertig machen, und wenn es so weit ist, möchte ich nicht an deiner Seite stehen."
"Ich hielt dich nicht für so feige", rief er durch die Türe.
"Müsst ihr eure Diskussion unbedingt auf dem Flur austragen", rief eine dritte Stimme wütend.
"Ich würde mir ja gerne einen anderen Ort suchen, aber …"
Angela öffnete endlich die Türe und zog ihn herein, bevor ein Streit mit dem Wohnungsnachbarn entbrennen konnte.
Nik sah erschöpft aus. Der Aufenthalt im Gefängnis schien an ihm genagt zu haben. Wieder keimte Mitleid in ihr auf. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihm in aller Ruhe und Gelassenheit zu sagen, dass er für immer verschwinden sollte. Sie war tatsächlich zu feige, noch länger an seiner Seite zu bleiben.
"Danke", sagte er aufrichtig.
"Nur für heute Nacht", blieb sie krampfhaft reserviert. "Morgen suchst du dir wieder ein Hotelzimmer. Wo ist dein Koffer?"
"Draußen vor der Tür. Ich hole ihn schnell." Damit war er wieder durch die Türe verschwunden. Angela wünschte sich, sie könnte stark genug sein, die Wohnungstüre zu zuwerfen und ihm kein zweites Mal die Türe zu öffnen. Doch da war er bereits wieder da und stellte seinen Koffer in den Flur.
"Ich war mir nicht sicher, ob du mich reinlassen würdest. Ich hatte es sehr gehofft", meinte er und kam ihr etwas zu nahe.
Angela wich zurück.
"Stelle meine Gastfreundschaft nicht auf die Probe. Du bist nur ausnahmsweise hier. Und außerdem darf es niemand erfahren. Also verhalte dich ruhig."
"Okay", gab er zackig von sich.
Angela ging ins Wohnzimmer zurück und ließ sich wieder in den Sessel fallen.
"Ich würde mich gerne duschen. Darf ich dein Badezimmer benutzen?" fragte er höflich.
"Nur zu", gab Angela zurück und deutete mit einem Wink in Richtung Badezimmer. Sie bewunderte sich selbst, dass sie so gelassen sein konnte. Doch insgeheim drohte sie, sich erneut zu erheben und ihm ins Badezimmer zu folgen. Sie krallte sich ins Polster. Nur sitzen bleiben. Sie war hoffnungslos in ihn verliebt und wünschte sich nichts sehnlicher, als seinen Rücken mit duftendem Badeschaum einzuseifen. Sitzenbleiben, ermahnte sie sich immer wieder.
Als der Film durch eine Werbepause unterbrochen wurde, tauchte Nik wieder auf. In einem Moment, in dem sie nichts vor dem Fernseher hielt. Sie zwang ihr Gesicht zur Seite. Er war nur mit einem Handtuch um den Hüften bekleidet. Seine Haut glänzte vor Nässe. Sein Haar hing ihm strähnig ins Gesicht.
"Du hast es wirklich drauf", schimpfte sie.
"Was meinst du?", fragte er unschuldig.
"Du machst mich noch verrückt", rief sie verärgert. "Du spazierst halb nackt vor mir herum. Während ich versuche, mein Herz von dir zu trennen. Du machst es mir nicht leicht."
"Warum willst du dich unbedingt von mir trennen?", wollte er wissen und betrachtete sie. "Ich habe gekündigt. Es gibt keinen Grund mehr."
"Und ob es den gibt. Allein schon, weil du mir nicht die ganze Wahrheit erzählst. Wer weiß, was du mir noch verschweigst. Ich will nicht eines Tages erfahren, dass du irgendein Topagent bist. In geheimer Mission für das Land unterwegs oder so ähnlich. Bitte, tu mir einen Gefallen und verschwinde, bevor ich mich hoffnungslos in dich verliebe."
"Ich dachte, du wärst das schon", gab er traurig von sich. "Ich kündigte eigentlich nur, um Pattie zur Vernunft zu bringen. Doch dann traf ich dich. Also, was mich betrifft, du hast mich vom Fleck weg umgehauen. Wie du in die Bar gekommen bist .. Du bist nicht einfach hereingekommen. Du bist ... Es war einfach umwerfend."
"Hör auf damit, Nik. Du weißt genau, dass du mich damit herumkriegst."
"Das will ich ja auch."
"Aber ich nicht."
Er betrachtete sie ernst. In seinem Gesicht stand etwas Undefinierbares geschrieben. Etwas, was Angela erneut auf die Palme brachte. Sie wand den Blick ab.
"Als ich bei Pattie war, hatte ich den Eindruck, sie liebt dich noch immer und dass es ihr unheimlich leidtut."
"Ich weiß", nickte er. "Das stand in dem Brief von ihr."
"Ist mit euch beiden jetzt alles geklärt?"
"Du hast bei deiner Aussage heute, von meinem Job erzählt", wich er aus.
"Das musste ich, um dich zu entlasten. Dieser Bulle ist felsenfest der Meinung gewesen, du hättest den Mord begangen. Als ich erzählte, du wärst Polizist, ist sein schöner Plan verpufft, wie eine Seifenblase. Warum hast du es ihm nicht erzählt? Du solltest etwas kooperativer sein. Warum hilfst du ihm nicht bei den Ermittlungen? Schließlich geht es um deinen Kopf."
"Ich kann nicht, auch wenn ich es wollte. Ich bin nicht mehr im Dienst. Und wenn ich mich einmische, handele ich mir nur noch mehr Ärger ein. Ich musste versprechen, dass ich in ein Mauseloch krieche und auf Nimmerwiedersehen verschwinde."
"Aber den Beamten hättest du es erzählen müssen. Sie sind schließlich auch Polizisten."
"Das stimmt", gab er ihr Recht. "Vielleicht hätte ich das tun sollen. Man kann eben nicht immer das Richtige tun." Er sah sie mit seinem typischen Lächeln an.
"Du machst mich noch wahnsinnig", stöhnte Angela und lehnte ihren Kopf auf die Rückenlehne zurück. Ehe sie etwas erwidern oder etwas dagegen unternehmen konnte, war er bei ihr und drückte ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Auch wenn es Angela gewollt hätte, sie vermochte nicht, sich dagegen zu wehren. Irgendwie machte es in ihr Klick und ihr Herz übernahm die Führung. Sie ließ es zu, dass er ihr Hemd öffnete und seine Finger auf Wanderschaft gingen. Sie gestattete es ihm, dass er sie vom Sessel auf den Boden zog und sie verführte.
Es war fast wieder alles beim Alten, als nur drei Tage später, in der U-Bahn-Station, in der Angela ausstieg, um nach Hause zu gehen, Nik stand. Er hatte sein Jackett ausgezogen und sich lässig über die linke Schulter gelegt. Als sie ihm um den Hals fiel, verzog er das Gesicht und drückte sie von seiner Schulter weg.
"Was ist los?", fragte sie besorgt.
"Ein weiteres dieser merkwürdigen Vorfälle meiner nicht enden wollenden Unglücksserie", erwiderte er sarkastisch. "Der Leihwagen gab den Geist auf. Aber da ich unbedingt vor dir zuhause sein wollte, fuhr ich mit der U-Bahn weiter und geriet in einen Schusswechsel. Sie ballerten los, als ich eben ausstieg. Es hat mich an der Schulter erwischt. Doch keine Angst, es ist nur ein kleiner Kratzer. Ein Pflaster, ein bischen liebevolle Pflege und es ist bald verheilt."
"Schussverletzungen müssen gemeldet werden", sagte sie.
"Ich weiß. Die Polizisten haben dies auch registriert. Sie sagten, ich solle in ein Krankenhaus gehen, aber ich wollte dich doch von der U-Bahn abholen. Denn heute ist ein besonderer Tag."
"Besonderer Tag?" wiederholte Angela fragend. "Was ist denn geschehen? Haben sie den Kerl endlich gefasst, der mit deinem Gesicht Leute ermordet?"
Sein Gesicht verfinsterte sich kurz, dann schüttelte er den Kopf.
"Nein. Ich habe den Termin für die Scheidung vorverlegen können. In drei Wochen ist es soweit." Sein lässiges Lächeln erschien wieder.
"Na, großartig", rief sie und musste sich zurückhalten, ihm nicht um den Hals zu fallen.
"Ich habe eine Überraschung für dich", sagte er, nahm sie bei der Hand und zog sie aus dem U-Bahn-Schacht und hielt erst wieder an, als er vor der Türe von Angelas Wohnung stand. Er hatte von ihr längst einen Wohnungsschlüssel bekommen und schloss auf.
Angela staunte nicht schlecht, als sie den festlich gedeckten Tisch entdeckte.
"Zur Feier des Tages, ein Dinner for two", rief er und legte die Arme um sie. Dabei zuckte er kurz zusammen, als er seine Schulter bewegte.
"Erst kümmern wir uns um deine Wunde", meinte sie ernst und zog ihn ins Badezimmer.
Für Hartgesottene mag es vielleicht ein kleiner Kratzer gewesen sein. Für Angela sah es eher wie die Folgen eines Bullterrier-Angriffes aus. Sein Hemd war aufgerissen. Der Ärmel voller Blut. Druckstellen deuteten auf einen Druckverband hin, der nach dem Versiegen der Blutung wieder abgenommen worden war. Sie riss ihr Verbandszeug aus dem Wandschränkchen.
Da läutete es an der Türe.
"Mach du inzwischen die Wunde sauber", sagte sie und drückte ihm Watte und Jod in die Hand. "Ich komme gleich wieder." Nach einem Kuss ging sie zur Türe.
"Guten Abend", grüßte Sergeant Fisher höflich und nickte ihr kurz zu. "Verzeihen Sie die Störung. Nur eine kleine Frage. Ist Nik Cramer bei Ihnen?"
"Ja", erwiderte Angela.
"Dürfte ich ihn sprechen?", bat er höflich.
"Aber sicher." Sie nahm die Kette von der Türe. Mit dem Sergeant kamen noch zwei weitere Beamten in die Wohnung und draußen auf dem Flur standen noch drei oder vier weitere.
"Was ist los?", wollte Angela wissen. "Nik ist im Badezimmer", sagte sie, auf Fishers suchenden Blick. Der Beamte ging schnurstracks in die angedeutete Richtung, riss die Türe auf, stutzte kurz und wand sich nach seinen Begleitern um.
"Verhaftet ihn", rief er ihnen zu.
"He, was soll das", rief Angela und versuchte dazwischen zu gehen, doch Fisher hielt sie zurück.
"Diesmal gibt es keine Ausrede. Der Mörder wurde angeschossen." Er zeigte auf Niks verletzte Schulter.
"Aber ... Er wurde in der U-Bahn angeschossen."
"Waren sie dabei?"
Angela stutzte. "Nein."
"Schafft ihn fort", zischte Fisher und wollte die Wohnung bereits verlassen.
"Halt warten sie. Das kann doch nicht ihr Ernst sein." Angela lief ihm hinterher und beobachtete nur mit Missfallen, wie die Beamten Nik brutal aus dem Badezimmer zerrten und ihn auf den Boden niederzwangen, um ihn die Handschellen anzulegen. Sie achteten keine Sekunde auf seine Verletzung. Er setzte sich zur Wehr, schrie und zappelte, doch die Männer zeigten kein Erbarmen. Sie dachten, den gesuchten Killer gefasst zu haben. Mit professionellen Mördern sollte man kein Erbarmen haben.
"Es muss einen Bericht darüber geben", rief Angela in letzter Hoffnung. "Ein Beamter hat die Schießerei in der U-Bahn aufgenommen. Niks Verletzung muss dabei erwähnt worden sein."
"Ich hoffe es für Sie, dass es so ist", bemerkte Fisher kühl, wand sich um und verließ mit seinen Männern die Wohnung.
Angela blieb allein zurück. Allein, mit dem festlich gedeckten Tisch, der überaus köstliche Düfte ausströmte, von denen ihr plötzlich übel wurde.
So sehr es Angela auch hoffte, der Killer wollte kein viertes Mal zuschlagen. Mit jedem Tag, der verging, versuchte sie sich mehr und mehr glauben zu machen, dass Nik der gesuchte Mörder war. Sie brachte es aber nicht fertig, Hass und Angst vor ihm zu verspüren. Alles, was sie für ihn empfand, war Zuneigung, und als endlich am fünften Tag ein dicker Artikel in der Tageszeitung stand, stieß sie einen Freudeschrei aus. Vor Schadenfreude, Gehässigkeit und Freude, tanzte sie auf der Straße. Der Killer hatte sein viertes Opfer, ebenfalls ein bedeutendes Mitglied der Industrie-Magnaten gefunden. Obwohl sie eigentlich auf dem Weg ins Büro war, ging sie auf das Revier und verlangte Sergeant Fisher zu sprechen.
Sie legte ihm prompt den Artikel auf den Schreibtisch.
"Würden sie Nik bitte freilassen", forderte sie.
"Ist alles in die Wege geleitet", sagte er zähneknirschend. "Ich dachte mir, dass Sie hier auftauchen. Es gab tatsächlich eine Schießerei in einer U-Bahn-Station. Doch Cramers Name wurde leider nicht erwähnt."
"Soll das heißen, Sie glauben ihm immer noch nicht? Vielleicht hat der Beamte es nur versäumt, den Namen in seinem Bericht zu erwähnen. Der Mensch ist dazu geboren Fehler zu begehen, sonst hätte ihn der Allmächtige mit Unfehlbarkeit ausgestattet."
"Wieso müssen Sie nur immer eine Ausrede finden?"
"Wieso müssen Sie unbedingt Beweise für seine Schuld finden?" gab sie schlagfertig zurück. "Geben Sie endlich zu, dass Sie auf einer falschen Fährte waren. Nik hat mit seiner Scheidung genug Probleme. Dieser Professor macht ihm schon genug zu schaffen."
"Professor Garwin befindet sich im Moment auf einer längeren Reise", gab der Sergeant trocken von sich. "Er ist vor sechs Wochen aufgebrochen."
Angela musste sich setzen. "Vor sechs Wochen?" wiederholte sie ungläubig.
"Vor sechs Wochen", bestätigte Fisher nickend. "Der Professor kann ihm nicht zu schaffen machen, denn er ist nicht zuhause."
"Und Pattie Cramer?"
"Sie ist allein im Haus. Nicht einmal die Dienerschaft ist bei der Arbeit. Sie wurde von Professor Garwin höchstpersönlich in den Urlaub geschickt. Sie ist ganz allein. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie von Schwierigkeiten sprechen. Außerdem konnte ich in der ganzen Stadt keinen Anwalt finden, der eine Angelegenheit Cramer gegen Cramer bearbeitet." Er blickte sie auffordernd an. "Entweder hat er Sie angelogen, was seine Scheidung betrifft oder er ist gar nicht verheiratet."
Angela starrte ihn fassungslos an.
"Haben Sie sich die Scheidungspapiere oder den Schriftverkehr der Anwälte zeigen lassen?"
Angela schüttelte den Kopf. Dazu fand sie keine Veranlassung. Sie glaubte ihm auch so. Scheinbar nutzte er dies aus. Wie sie es vermutet hatte, verschwieg er ihr noch etwas. Vielleicht den größten Teil seiner Geschichte.
"Danke", sagte sie leise, erhob sich und schickte sich an, das Büro zu verlassen.
"Warten Sie. Ich habe veranlasst, dass er in mein Büro gebracht wird. Ich dachte mir, dass Sie ihn abholen wollen." Er grinste sie frech an.
Eins zu Null für ihn, dachte Angela und setzte sich wieder.
"Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte, dann lassen Sie sich den Schriftverkehr zeigen", bemerkte er und blickte an der jungen Frau vorbei. Sie wirbelte herum. Ein Beamter führte soeben Nik herein. Er war in einem jämmerlichen Zustand. Sein Hemd war schmutzig und an einigen Stellen zerrissen. Er war geschlagen worden. Von wem er Prügel bezogen haben könnte, wagte Angela in diesem Moment nicht zu denken.
"Denken Sie an meinen Rat", rief ihr Fisher hinterher, als sie Nik am Arm packte und aus dem Revier zog. Er folgte ihr mehr als bereitwillig. Einer der Beamten begleitete sie und brachte sie in einem Streifenwagen nach Hause.
"Ich sollte meine Sachen packen und verschwinden", knurrte Nik, als er erschöpft auf Angelas Couch niedersank. "Wenn dieser verdammte Termin nicht wäre, der mich hier festhält, würde ich einfach verschwinden."
"Tu nicht so", rief sie gekränkt. "Du hast gar keinen Scheidungstermin."
Er hob den Kopf und sah sie verwundert an.
"Natürlich", erwiderte er. "Wie kommst du auf diese Idee?"
"Es gibt nicht einen Anwalt in der Stadt, der deine Scheidung vertritt", verriet sie ihm.
"Natürlich gibt es einen, Harold Remans. Einer der besten Anwälte in der Stadt."
"Lohnt sich die Mühe das nachzuprüfen", fragte sie reserviert.
"Ruf an, wenn du mir nicht glaubst", verlangte er und zeigte auf das Telefon. "Die Nummer ist ..."
"Danke, ich suche sie mir lieber aus dem Telefonbuch heraus", schnitt sie ihm das Wort ab und blätterte bereits die Seiten durch. Zu ihrer Überraschung fand sie einen Anwalt dieses Namens, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer. Am anderen Ende meldete sich ein automatischer Anrufbeantworter.
"Kanzlei Harold Remans, guten Tag. Leider bin ich im Moment in dringenden Angelegenheiten unterwegs. Bitte rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an, oder hinterlassen Sie nach dem Piepton eine Nachricht. Sie werden umgehend zurückgerufen. Danke. Piep!"
Angela legte auf.
"Bist du nun überzeugt?", wollte Nik wissen.
"Nein", erwiderte Angela. "Ich will einen Brief sehen. Nur einen einzigen, mit dem Briefkopf deines Anwaltes, gerichtet an den Anwalt deiner Frau, mit dem Vermerk Cramer gegen Cramer. Hast du so etwas?"
"Wieso bist du so misstrauisch?", wollte er wissen und zog sein Hemd aus. "Ich habe keinen Brief bei mir. Der ganze Schriftverkehr liegt bei Remans. Was soll deine Eifersucht? Ich rechnete vielleicht damit, dass du mich wegen dieses Mörders ausfragst und mich mit ihm wegen meiner zufällig zur selben Zeit verpassten Schussverletzung in Verbindung bringst. Aber dies ... Damit habe ich nicht gerechnet."
"Wusstest du, dass sich Professor Garwin ist seit sechs Wochen auf einer Reise befindet", fragte sie unschuldig.
Er sah sie überrascht an.
"Nein, wusste ich nicht", entgegnete er fassungslos. Er schluckte trocken.
"Er war schon lange nicht mehr zuhause gewesen, als ich den Brief überbrachte."
"Deswegen also", rief er, als wäre ihm plötzlich ein Licht aufgegangen.
"Deswegen was?", wollte Angela wissen.
"Er ist nicht verreist", erklärte Nik. "Er ist zuhause. Als ich das Haus beobachtete, um seine Gewohnheiten herauszufinden und eine passende Gelegenheit zu suchen, in der ich Pattie besuchen konnte, fand ich heraus, dass er sein Haus stets verhüllt verließ. Er trug einen Hut, tief ins Gesicht gedrückt, eine dunkle Brille und verkroch sich hinter die schwarzen Scheiben seiner Limousine. Er musste erfahren haben, dass ich in der Stadt war, und wollte mir glauben machen, dass er verreist sei. Er wollte mich in flagranti auf seinem Grundstück erwischen, um mir vielleicht auch noch Einbruch oder Ähnliches anzuhängen."
"Soll das heißen, der Professor ist nicht verreist?"
"Natürlich nicht."
"Das Dienstpersonal ist in den Urlaub geschickt worden."
Er sah sie eingehend an. "Wer hat dir dies alles erzählt?"
"Sergeant Fisher."
"Er hat mit Pattie gesprochen?"
"Nehme ich an", nickte Angela.
"Verflucht", schimpfte Nik und ließ sich wieder in das Sofa fallen. "Wenn Garwin von der ganzen Sache erfährt, bin ich erledigt."
"Aber du bist doch unschuldig."
"Der leiseste Verdacht genügt schon. Ich wollte mit Pattie alles in Ruhe regeln. Allein schon wegen meiner Truppe. Es sollte alles ganz still und leise verlaufen. Diese Aufregung kann ich gar nicht gebrauchen. Garwin wird dies ausnutzen. Er wird nicht nur mich fertigmachen wollen, sondern auch noch die Spezialtruppe. Er ist so ein Typ, der auch Wasserpistolen in Kinderzimmern verbieten lassen würde, wenn er darin eine Gefahr für die kindliche Natur vermutete."
"Der Chef deiner Spezialeinheit besitzt doch sicherlich wirkungsvollere Beziehungen. Er muss doch auch auf Geheimhaltung bedacht sein. Vielleicht kann eine Bemerkung an geeigneter Stelle den Professor zum Schweigen bringen."
Nik lächelte frech lässig.
"Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen", bemerkte er und streckte die Hand nach ihr aus. "Ich war so beschäftigt, die Sache allein wieder hinzubiegen, dass ich an diese Möglichkeit gar nicht gedacht habe. Ich werde ihn gleich morgen anrufen."
"Warum nicht jetzt?"
"Weil ich es nicht von deinem Telefon aus machen möchte und weil ich jetzt Wichtigeres zu tun habe, als nach einem Münztelefon zu suchen." Er lächelte sie umwerfend an. "Ist meine Glaubwürdigkeit wieder hergestellt?", wollte er wissen.
"Ich möchte trotzdem einen Brief sehen." Sie ließ sich zu ihm ziehen.
"Morgen gehe ich zu Remans. Er soll mir einen Brief gehen. Bist du zufrieden?"
Sie nickte und ließ sich von ihm küssen.
"Musst du um diese Zeit nicht arbeiten?", fragte er.
"Ach, vergiss es", machte sie abwehrend. Um nichts in der Welt hätte sie sich jetzt fortschicken lassen.
Nik zeigte ihr tatsächlich einen Brief seines Anwaltes. Eine Kopie des Schreibens an den Anwalt seiner Frau, betreffend Angelegenheit Cramer gegen Cramer. Angelas Herz schlug vor Freude schneller und auf dem Weg vom Büro nach Hause, machte sie Halt auf dem Revier und präsentierte Sergeant Fisher das Schreiben.
"Was sagen sie nun?", rief sie triumphierend.
"Ich wollte Sie deswegen schon anrufen", bemerkte er unbeeindruckt. "Wir haben den Anwalt ausfindig gemacht, Harold Remans. Ein viel beschäftigter Mann, schwer zu erreichen."
"Was sollte dies dann? Wollten Sie nur Unfrieden stiften?"
"Nein, keineswegs."
"Und was sollte das mit der Reise des Professors."
"Das stimmt allerdings. Er ist auf einem Ärztekongress in Australien mit anschließendem Urlaub."
"Das ist nicht wahr", rief sie empört. Dann begriff sie. "Dann gibt sich jemand für ihn aus."
"Machen Sie die Sache nicht komplizierter, als sie ist. Vielleicht ist seine Frau nur durchgebrannt oder er hat sie davongejagt und Cramer hat die Geschichte nur erfunden, um sein Gesicht zu wahren. Außerdem, Professor Garwin ist Siebenundsechzig und verheiratet. Seine Frau befindet sich ebenfalls in Australien. Begreifen Sie endlich, dass er ihnen nur ein Spiel vorspielt."
"Was haben Sie über den Killer herausgefunden?", wollte sie wissen.
"Ich darf Ihnen keine Informationen geben", erwiderte er und klappte eine Akte zu. Vermutlich die Akte Industriellenbosse-Mörder.
"Sind Sie ihm auf der Spur?"
"Vom ersten Tag an."
"Ha, ha", machte Angela wenig überzeugt.
"Es kommt nur auf die Betrachtung an", bemerkte er selbstsicher. "Und wenn ich sie jetzt bitten dürfte." Er deutete Richtung Türe. "Ich habe noch zu tun. Ein Serienkiller läuft hier frei herum. Den heißt es, einzufangen."
"Wie wäre es mit einem Lockvogel?", schlug sie vor, während sie die Türe öffnete.
"Die Polizeiarbeit überlassen Sie bitte uns", antwortete er und nickte ihr höflich zu.
Angela gefiel es überhaupt nicht, bei diesem Empfang dabei sein zu müssen. Sie würde lieber bei Nik zuhause sein, mit ihm vor dem Fernseher sitzen und sich alte Schinken reinziehen, oder sich im Bett vergnügen, wo er sie jedes Mal höchst positiv mit etwas Neuem und Originellerem überraschte. Auch Nik hatte ziemlich ärgerlich reagiert, als sie ihm berichtete, dass sie an diesem Abend arbeiten musste. Angela stand mit einem eingefrästen Lächeln und einer Liste mit den Namen geladener Gäste an der Eingangspforte, um die Neuankömmlinge mit ein paar netten Worten willkommen zu heißen und ihre Einladungskarte zu überprüfen. Sie hasste diese Arbeit. Eine Arbeit, bei der allein ihr Aussehen und ihr hübsches Gesicht gefragt waren. Manche der betagten Herren, die in Begleitung bepelzter Damen erschienen, warfen ihr gierige Blicke zu. Denn zu ihrem Übel musste sie noch eine tief ausgeschnittene und knapp bemessene Uniform tragen. Angela hasste dies. Sie kam sich vor, wie ein Flittchen auf dem Präsentierteller.
Plötzlich tauchte Nik auf.
"Was machst du hier", rief sie überrascht.
"Ich wollte sehen, was du hier machst." Er küsste sie auf den Mund. "Außerdem ist mir langweilig geworden. Das beste Fernsehprogramm ist nichts, ohne dich an meiner Seite."
Angela kicherte.
"Du kannst nicht hierbleiben. Bitte geh wieder. Ich bekomme Ärger."
"Wie kann man einer so umwerfenden Frau nur böse sein", lächelte er. "Du siehst einfach zum anbeißen aus."
"Verschwinde", kicherte sie und schob ihn von sich. Ein älterer Herr betrachtete sie mit todernster Miene. Sie nahm ihm die Einladung ab und hieß ihn in aller Höflichkeit willkommen.
"Du machst das sehr gut", rief Nik und strich über ihren Hintern, deren Form sich deutlich unter dem knappen Rock abzeichnete.
"Lass das", rief sie ärgerlich und stieß seine Hand fort. "Ich verliere meinen Job, wenn du nicht bald verschwindest."
"Okay, ich gehe ja schon", gab er endlich nach. "Versprichst du mir, dass du bald nach Hause kommst?"
"Um neun geht die Veranstaltung los. Dann habe ich etwas Zeit. Aber ich kann nicht gehen. Ich muss bis zum Schluss bleiben. Du kannst ja in dem Café an der Straßenecke auf mich warten. Solange sie ihre Reden schwingen, bin ich arbeitslos."
"Okay. Ich erwarte dich sehnsüchtig." Er gab ihr noch einen Kuss auf den Mund und schlenderte davon. Sie lächelte ihm glücklich hinterher und musste sich bereits dem nächsten Neuankömmling widmen.
Wie es der Zufall wollte, tauchte plötzlich auch Sergeant Fisher auf.
"Was machen sie hier", fragte er überrascht.
"Ich arbeite hier, wie sie sehen."
"Wo ist Ihr Freund?"
"In einem Café dort hinten an der Straßenecke. Ich habe ihn gebeten, dort auf mich zu warten. Warum fragen Sie? Wollen Sie ihn diesmal auf frischer Tat ertappen?"
"So ähnlich", erwiderte er knapp.
Angela blickte ihn eindringlich an.
"Ich wette, heute Abend läuft auf diesem Empfang ein dicker Industrieboss mit einer gepanzerten Weste herum", schlussfolgerte sie treffend.
"Passen Sie nur auf, dass sich ihr Freund nicht in der Nähe befindet, sonst kann ich für nichts garantieren", drohte er.
"Keine Angst. Er sitzt im Café. Sie können ja einen Beamten dorthin schicken, um ihn bewachen zu lassen."
"Ich werde mich hüten."
"Sie glauben demnach immer noch, dass er der Mörder ist", begriff Angela endlich.
"Was ich glaube, hält leider vor keinem Gericht stand", entgegnete er trocken. "Ich muss es beweisen."
Angela schluckte trocken. "Sie warten nur darauf, dass er den Mann erschießt. Aber da können sie lange darauf warten. Nik ist nicht der Mörder."
"Irgendjemand wird es heute Abend tun. Und diesen irgendjemand muss ich fassen. Ich hoffe es für Sie, dass es nicht Ihr Freund ist. Hoffen Sie für Ihn, dass er einen Zwillingsbruder besitzt." Damit marschierte er davon.
Angela sah ihm erschrocken hinterher. Sie konnte nun nicht mehr an ihren Job denken, ließ die Liste fallen, als der Polizist im Festsaal verschwunden war und eilte zu dem Straßencafé. Einige der neu ankommenden Gäste protestierten lautstark, doch Angela störte sich nicht daran. So schnell sie auf ihren hochhakigen Schuhen laufen konnte, eilte sie die Straße hinunter und stürmte in das Café. Zu ihrer Erleichterung entdeckte sie Nik. Er saß gelangweilt in einer Ecke und richtete sich abrupt aufrecht, als er Angela entdeckte.
"Ist es schon neun Uhr", fragte er überrascht und sah auf die Uhr.
"Nein, ist es nicht", rief sie außer Atem. "Bitte tu mir einen Gefallen und bewege dich nicht von hier fort."
"Was ist denn passiert", wollte er wissen.
"Sergeant Fisher ist auf dem Empfang. Er vermutet, dass der Killer heute Abend erneut zuschlagen wird. Bitte bleib hier sitzen. Bitte!"
"Na sicher. Unter diesen Umständen, auf jeden Fall. Ich rühre mich hier nicht von der Stelle. Ich hoffe nur, dass die Bedienung sich noch an mich erinnert." Er zog Angela zu sich. "Danke, für die Warnung", flüsterte er und gab ihr einen Kuss. "Und nun mach, dass du zurückkommst. Wenigstens einer von uns muss unser tägliches Brot verdienen." Er gab ihr einen Klaps auf ihr pralles Hinterteil und schob sie von sich.
Sie gab ihm noch einen Kuss und lief wieder zurück. Inzwischen war zwar ihr Chef aufgetaucht und musste die strafenden Worte, in Anbetracht seiner hochkarätigen Begleiter mühevoll unterdrücken, doch Angela wusste, dass er ihre Kündigung bereits auf seiner Zunge hatte. Sie lächelte überfreundlich und hakte die Namen der Neuankömmlinge auf ihrer Liste ab.
Nur wenige Minuten später, kurz bevor die ersten Reden begannen, schrien einige Personen auf. Einige Kellner zückten plötzlich Waffen aus ihrer Uniform und rannten durch die Halle. Ein allgemeines Durcheinander entstand. Gäste rannten panisch hin und her und verließen fluchtartig den Saal. Schreie wurden laut. Befehle wurden gebrüllt. Die Musik verstummte. Dann kehrte für einen Moment Schweigen ein. Angela stand am Eingang, kaute nervös auf ihren Fingernägeln. Sie konnte die Stimme des Sergeants vernehmen. Die Musik setzte wieder ein. Die Rufe verstummten und alles war wieder beim Alten. Einige der Gäste unterhielten sich noch gedämpft miteinander. Andere verließen den Empfang, bevor der erste Redner auf das Podest steigen konnte.
"Entschuldigung bitte", sprach sie eine ältere Dame in einem lila Nerz an. "Was war da drinnen los?"
"Jemand wurde ohnmächtig", erklärte sie und blickte sich um.
"Ohnmächtig", wiederholte sie ungläubig. Sie hatte etwas anderes erwartet. Da entdeckte sie Fisher. "Haben Sie ihn", rief sie ihm entgegen.
"Bleiben Sie, wo Sie sind", rief er hektisch, rannte an ihr vorbei und rempelte dabei die alte Dame an. Sie protestierte empört. Fisher kümmerte sich nicht darum, eilte die Treppe hinunter, auf die Straße und außen um das Gebäude herum. Einige Kellner folgten ihm, mit gezückten Waffen, die sie notdürftig mit der Hand abschirmten. Angela vermutete richtig, dass sie dem Killer hinterher jagten, und atmete erleichtert durch. Nik saß im Café. Er konnte diesmal nicht verdächtigt werden. Denn er besaß das ganze Café-Personal als Zeugen.
Sie drehte sie sich wieder um und ein flüchtiger Blick fing irgendwo in der Menge Pattie ein. Als sie genauer hinsah, war sie verschwunden. Sie konnte sich getäuscht haben und schüttelte den Kopf. Doch dann erhaschte sie noch einen winzigen Blick auf die zartgelbe Stola, die eben hinter einem Vorhang verschwand.
Angela begriff plötzlich und wirbelte herum.
"Fisher", brüllte sie. Doch der Mann war zu weit entfernt. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie ihrem Drang nachgeben sollte und einen Blick hinter den Vorhang werfen. Sie entdeckte einen Kellner. Er sah verwirrt um sich. Er konnte nicht zu den verdeckten Polizisten gehören. Ein weiterer hatte seine Hand unter seiner Jacke. Sie lief zu ihm.
"Sie ist hinter dem Vorhang", rief sie ihm zu. "Der Serienkiller ist eine Frau. Sie ist hinter dem Vorhang verschwunden." Sie deutete auf den Vorhang, der vor der Bühne hing, um den Blick auf die Überraschung des Abends zu verwehren. "Beeilen Sie sich", rief sie. Der Mann setzte sich in Bewegung und verschwand alsbald ebenfalls hinter dem Vorhang. Angela blieb wie angewurzelt stehen und lauschte angestrengt auf das nun Kommende. Sie wusste, dass es keinen Ausweg aus diesem Bereich des Saales gab. Dort gab es weder Fenster, noch Türen. Pattie war gefangen.
Irgendetwas fiel knallend um. Angela wusste, die Dekoration für die Aufführung. Nach einem Schuss hörte sich dies nicht an. Einige der nahe dem Vorhang stehenden fuhren erschrocken herum. Ein paar besonders mutige Männer warfen einen Blick hinter den Stoff und kehrten alsbald zurück. Sie verscheuchten die Passanten. Der Stoff beulte sich plötzlich aus und spuckte den Kellner aus. Die Menge stob auseinander.
Der Kellner riss Pattie mit sich. Sie wirbelte herum und verpasste ihm einen gekonnten Schlag ins Gesicht. Dann drehte sie sich blitzschnell um ihr Achse und schmetterte ihm ihr gestrecktes Bein ins Genick. Er wankte, fing sich sofort wieder, duckte sich geistesgegenwärtig unter ihrem nächsten Schlag hinweg und trat ihr kräftig ins Standbein, dass sie zusammensackte. Sie rollte sich ab, sprang wieder hoch und hing sich an ihn, wie ein Klammeräffchen. Ihre nackten Füße trafen heftig in seine Weichteile. Er stöhnte und kippte um. Pattie krallte ihre Finger in seinen Kehlkopf und als sie aufkamen, war er tot.
Die umstehenden Gäste schrien entsetzt auf.
Pattie sprang auf ihre Beine und rannte durch die Menge. Sie bahnte sich geschickt einen Weg durch die Leiber, und kurz bevor sie zu Angela kam, knallte es. Sie wurde rücklings geschleudert und blieb bewegungslos liegen.
Angela wirbelte herum. Fisher stand mit gezogener Waffe am Eingang und starrte fassungslos auf die Leiche der jungen Frau. Angela sah von einem zum Anderen. Sie konnte nicht fassen, was eben vor ihren Augen geschehen ist.
"Was bilden Sie sich eigentlich ein", brüllte Fisher sie urplötzlich an, sodass sie erschrocken herumfuhr und ihn entsetzt anstarrte. "Wie konnten Sie das nur tun? Ich sollte Sie deswegen verhaften lassen."
"Aber ... Was? Ich habe doch nichts getan", stammelte sie erschrocken.
"Sie haben ihn gewarnt, verdammt noch mal", schrie er wütend. "Deswegen musste seine Partnerin daran glauben."
"Was? ..." Angela schüttelte den Kopf. Sie wand sich um und betrachtete die Leiche von Pattie, um die sich bereits ein paar unerschrockene Neugierige gescharrt hatten. Die bewaffneten Kellner hatten Mühe, die Schaulustigen von ihr fernzuhalten.
"Ich ...", stammelte Angela. "Was erzählen Sie da? Was macht Pattie hier?" Ihr Verstand stand plötzlich still. Nichts wollte mehr in ihrem Kopf funktionieren.
"Wegen ihnen haben wir nun keine Beweise in der Hand", schimpfte Fisher. "Er hat Sie die ganze Zeit nur benutzt. Er brauchte für jede Tat ein Alibi. Sie gaben es ihm, ohne eigentlich zu wissen, was Sie taten."
"Das kann nicht sein."
"Es ist so, glauben Sie mir." Er zog Angela am Arm fort. Sie verließen den Saal, gingen die Straße hinunter und betraten das Café. Nik saß noch immer in der Ecke, gelangweilt und in Gedanken versunken. Als er Angela in Begleitung des Polizisten entdeckte, huschte erst ein Lächeln, dann ein finsterer Ausdruck über sein Gesicht.
"Keine Bewegung, Cramer", warnte Fisher und bedrohte ihn mit der Waffe. Die anderen Gäste duckten sich sofort oder verkrümelte sich aus dem Lokal hinaus. Fisher wand sich an eine Bedienung. "Gibt es hier ein Telefon", wollte er wissen.
Die Bedienung deutete auf einen Münzfernsprecher neben den Türen zu den Toiletten.
"Hat dieser Mann heute Abend telefoniert, nachdem seine Freundin aufgekreuzt ist", wollte er von der Bedienung wissen.
Das Mädchen schüttelte erschrocken den Kopf.
"Was heißt das, hat er, oder hat er nicht?"
"Er hat nicht", antwortete die junge Bedienung.
"Schwören Sie das?"
Sie nickte heftig. "Er hat sich den ganzen Abend nicht von seinem Tisch erhoben", schwor sie und hob eine Hand zum Schwur.
"Verdammt", rief Fisher und ließ endlich die Waffe sinken.
"Was ist hier eigentlich los", meldete sich endlich Nik zu Wort. "Was soll das?"
"Pattie ...", begann Angela, dann unterbrach sie ein heftiger Rempler von Fisher.
"Was ist mit Pattie", wollte Nik wissen und erhob sich endlich.
"Ich muss Sie auf das Revier bitten", wand sich Fisher an Nik.
"Warum? Was habe ich getan?"
"Nicht Sie. Ihre Freundin, oder Frau Pattie."
"Pattie?" Er betrachtete Angela. "Will mir endlich jemand sagen, was dieses Aufgebot soll?"
"Pattie ist tot", brachte Angela endlich hervor.
"Pattie? Tot? Was ist passiert?"
"Sie schoss auf Knyder. William Knyder", berichtete Fisher. "Dem Inhaber von Knyder Industries."
"Pattie?", rief Nik ungläubig. "Das soll wohl ein Scherz sein."
"Ist es nicht", versicherte ihm Angela. "Ich habe es mit eigenen Augen gesehen." Damit meinte sie eigentlich den Schuss auf Pattie, der ihr Leben beendet hatte. Sie war noch immer sehr verwirrt. Tränen schossen in ihre Augen. Nik kam langsam näher und nahm sie in den Arm, als sie ihre Hände nach ihm ausstreckte.
"Pattie hat einen Mann erschossen. Ich kann das nicht glauben", sagte er fassungslos, während er tröstend über Angelas Rücken strich. "Sie machte mir immer eine riesen Szene, wenn ich meine Waffe herumliegen ließ. Und jetzt hat sie einen Menschen erschossen. Es ist nicht zu fassen."
Fisher betrachtete ihn skeptisch.
"Ich sagte nicht, Sie hätte ihn erschossen", bemerkte Fisher. "Ich sagte, Sie hätte auf ihn geschossen."
Nik hob den Kopf und sah ihn fragend an.
"Ist doch scheiß egal", schimpfte er wütend. "Sie zielte mit einer Waffe auf einen Menschen. Ob sie ihn nur verletzen wollte, oder es tatsächlich vorhatte ihn zu töten, ist doch vollkommen nebensächlich. Sie hat auf einen Menschen geschossen. Pattie verabscheute Waffen. Sie verabscheute Gewalt und alles, was damit zu tun hatte. Ich kann das einfach nicht glauben." Er drückte Angela kurz an sich. "Ich dachte, zu diesem Empfang dürfen nur geladene Gäste."
"Sie hatte keine Einladung", meldete sich Angela zu Wort.
"Professor Garwin, vielleicht?"
"Sie bekam ihre Exklusiv-Einladung in dem Moment, als sie in das Café liefen, um ihren Freund zu warnen", knurrte Fisher ärgerlich.
"Warum haben Sie sie nicht aufgehalten", wollte Nik wissen.
"Ich werde mich hüten, einen Mörder davon abzuhalten, in eine Falle zu laufen", gab er entschlossen zurück.
Die beiden Männer betrachteten sich stumm. Mit Blicken gaben sie sich zu verständigen, was sie voneinander hielten. Fisher wusste, dass Cramer der eigentliche Killer war, doch er konnte es nicht beweisen. Und Nik wusste, dass er mit dem Beamten nicht spaßen durfte. Er nahm Angela in den Arm und führte sie aus dem Lokal hinaus.
"Gehen wir nach Hause", sagte er leise und wand sich noch einmal zu dem Polizisten um. "Wenn sie noch Fragen haben, sie wissen, wo wir zu erreichen sind." Dann verließ er das Café.
Angela schmiegte sich an ihn. Sie wollte den Worten des Sergeanten keinen Glauben schenken. Nik war der Mann für sie. Sie wollte ihn sich nicht nehmen lassen.
Sie spürte, dass er wach war. Aber er bewegte sich nicht. Die Nacht verhüllte sein Gesicht. Dennoch spürte sie, wie er mit wachen Augen an die Decke starrte.
"Denkst du an Pattie?", fragte sie leise.
"Ich kann das immer noch nicht fassen", erwiderte er leise. "Pattie, der Serienkiller. Warum hat sie das nur getan?"
"Fisher denkt immer noch, du bist es."
"Ich weiß. Aber nachdem er seinen Täter gefasst hat, wird es wohl keine weiteren Morde mehr geben."
"Gehst du wieder zurück, nachdem sich deine Scheidung jetzt ... na ja ... von selbst erledigt hat?" Sie erhob sich leicht und versuchte sein Gesicht zu erkennen.
"Ich weiß es nicht", gab er nachdenklich von sich. "Einerseits habe ich keine schöne Erinnerungen an diese Stadt. Andererseits, würde ich nirgendwo hingehen, ohne dich." Er drückte sie sanft an sich.
Angela legte sich wieder zurück.
"Wohin willst du denn gehen", wollte sie wissen.
"Wie wäre es mit Florida, oder Hawai?"
Angela kicherte und schmiegte sich glücklich an ihn. Jemand, der mit ihr in ein Paradies fahren wollte, durfte sie nicht einfach aufgeben. Gleich, welche Bombe an seiner Seite explodierte.
Mit der Morgenpost flatterte Angelas Kündigung in den Briefkasten. Sie war froh und wütend zugleich. Nur weil sie kurz weggegangen war, musste er ihr gleich kündigen. Sie dachte, den wahren Grund zu kennen. Er hatte bemerkt, dass sie einen Freund besaß. Einen Umstand, den er nicht dulden wollte. Sie hatte selbstverständlich seine gierigen Blicke bemerkte. Aber nun war es vorbei. Sie würde sich einen neuen Job suchen, ober mit Nik nach Florida oder Hawai gehen.
Obwohl nun nichts mehr im Wege stand, alle Brücken hinter sich abzubrechen und in ein sonniges Paradies zu fahren, hatte es Nik plötzlich nicht mehr eilig, die Stadt, seine Strähne unglücklicher Zufälle und die Geschehnisse mit dem Serienmörder zu verlassen. Angela begann sich, zu ärgern. Erst machte er ihr Versprechungen, dann hielt er sie nicht ein. Als er auch nach zwei Wochen keine Anstalten machte, seine Koffer zu packen, hielt Angela nach einem neuen Job Ausschau. Dank ihrer Beziehungen, die sie in dem Bürohaus aufbauen konnte, fand sie eine neue Anstellung. Nik regte sich fürchterlich deswegen auf. Doch Angela weigerte sich klein beizugeben.
Ihre neue Arbeit bestand darin, auf Band diktierte Briefe abzutippen. Nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatte, doch es brachte Geld ein und die Kollegen waren nett. Besonders der Chef. Ein vermögender Industrieller, ein schrulliger alter Kerl, mit weißgrauem Haar und schelmischem Blick. Angela mochte ihn bereits, als sie ihn noch als Empfangsdame willkommen heißen musste. Er hatte stets einen flotten Spruch auf den Lippen und trotz seines hohen Alters, nicht um zweideutige Bemerkungen verlegen. Es gefiel ihr.
Es passierte nach Patties Tod tatsächlich kein weiterer Industriellen-Mord mehr. Ein Umstand, der Angelas Chef zu heiteren Sprüchen verleitete. Auch er hatte sich vor Angst in seinem Haus verkrochen. Er gab eine Party in einen seiner Verwaltungsgebäuden. Angela durfte sogar ihnen Freund mitbringen.
Nik gab sich merkwürdig reserviert, als sie ihn mit auf die Party schleppte. Er entschuldigte dies mit Unwohlsein. Er musste wohl etwas Unrechtes gegessen haben. Tatsächlich verschwand er einige Male und kehrte stets mit immer blasserem Gesicht zurück. Aber nach Hause schicken lassen, wollte er sich nicht.
"Ich gehe noch mal an die frische Luft", sagte er irgendwann spät am Abend und gab ihr einen Kuss. "Amüsiere dich gut."
"Willst du nicht doch nach Hause gehen", fragte sie besorgt.
Er schüttelte den Kopf. "Nein. Ich will dir den Abend nicht verderben."
"Soll ich mitgehen?"
"Nein", sagte er schnell. "Ich möchte dir keine Umstände machen."
"Ich mache mir Sorgen um dich."
Er drückte sie sanft an sich.
"Okay. Wir könnten den Mond betrachten." Er lächelte frech lässig.
Angela wunderte sich darüber, dass er trotz seines Zustandes sein Lächeln mühelos hinbrachte. Sie schmunzelte und folgte ihm auf den Dachgarten. Dort setzten sie sich auf eine Bank und betrachteten eng umschlungen den Mond. Angela schwelgte in romantischen Gefühlen.
Doch plötzlich ging ein Ruck durch ihn.
"Entschuldige bitte. Bin gleich wieder zurück", keuchte er gequält, riss sich los und verschwand in der Dunkelheit, ehe Angela etwas erwidern konnte. Sie lauschte in die Nacht und vernahm weit hinten in der Dunkelheit leise Würg- und Hustlaute. Nik schien sich irgendwo zu übergeben. Sie überlegte noch, was er in letzter Zeit gegessen haben könnte, um dem Grund seiner Übelkeit auf den Grund zu kommen. Dann verstummten die Laute. Sie horchte in die Dunkelheit, doch außer den gedämpften Geräuschen von der Party, war nichts mehr zu hören. Sie lauschte noch eine Weile, dann erhob sich und ging in die Richtung, in der Nik verschwunden war. Sie horchte angestrengt, konnte jedoch nichts vernehmen. Nicht ein Laut verriet den Aufenthaltsort von Nik. Nur das Rauschen von der Straße und die gedämpften Geräusche von der Party.
Auf einmal kreischte eine Frau auf. Weitere Schreie gesellten sich dazu. Türen knallten und Schritte hasteten die Stahltreppe hoch, die Nik und Angela ebenfalls benutzt hatten, um auf den Dachgarten zu gelangen.
Ein Geräusch hinter ihr. Sie wirbelte herum. Eine Gestalt kletterte über die Feuerleiter auf das Dach. Als es seinen Kopf hob, hätte Angela beinahe einen Schrei ausgestoßen. Es war Nik und in seinen Händen hielt er ein Gewehr.
Er fluchte leise, als er Angela dort stehen sah, fackelte nicht lange, lud mit einer schnellen Bewegung eine weitere Patrone vom Magazin in den Lauf und drückte den Holm an die Schulter, die Mündung zeigte direkt auf Angelas Kopf. Sie hielt entsetzt die Luft an. Da knallte es. Doch nicht sie war getroffen worden, sondern Nik. Er wurde rückwärts katapultiert und stürzte in die Tiefe.
Angela stieß einen Schrei aus. Ein weiteres Geräusch hinter ihr. Sie wirbelte herum. Fisher stand hinter ihr. Er hielt einen Revolver in den Händen und deutete mit der Mündung noch immer auf den Bogen der Feuerleiter, über die Nik soeben gestürzt war. Er lief zur Brüstung und konnte gerade noch Angela davon abhalten, ebenfalls in die Tiefe zu sehen.
"Sie haben ihn getötet", schrie sie hysterisch.
"Sonst hätte er Sie getötet", rief Fisher zurück. "Ich wusste, dass er es ist. Nicht Pattie. Er ist der Killer."
Angela starrte ihn fassungslos an. Tränen sammelte sich in ihren Augen. Die Knie versagten ihren Dienst. Fisher fing sie auf.
"Denken Sie nach, Angela", sprach er besänftigend auf sie ein, als sie vor Aufregung, Trauer und Verzweiflung zu zittern begann. "Es war ein ausgeklügeltes Spiel von ihm. Er brauchte für jede Tatzeit ein Alibi und sie gaben es ihm, ohne zu wissen, was sie eigentlich taten. Denken sie nach. Nummer Eins. Er konnte das Haus nicht verlassen, ohne vom Nachtwächter gesehen zu werden. Sie dachten, die ganze Nacht mit ihm zusammen gewesen zu sein. Er muss irgendetwas in den Champagner getan haben, damit sie schliefen, während er das Hotel durch den Hinterausgang verlassen konnte. Der Streit um drei Uhr. Ich befragte das Ehepaar noch einmal. Sie erzählten, dass ihre Uhren nicht gestimmt hatten und sie haben dies erst später bemerkt, weil das Dienstmädchen Kaffee über den Tisch gegossen hat, auf dem die Armbanduhren der beiden gelegen waren. Sie brachte sie erst spät abends wieder zurück. Nach ihrer Beschreibung war das Dienstmädchen niemand anderer als Pattie. Und Nummer Zwei. Der Trick mit den Glasscherben vor dem Vorderrad war gut. Er wollte sichergehen, dass Sie sich daran erinnerten, dass sich der Wagen nicht bewegt haben konnte. Er hatte ihn tatsächlich nicht bewegt. Er setzte eine Puppe, statt seiner an das Steuer, was auf dieser Entfernung nicht auffiel und fuhr mit einem anderen Wagen, der vielleicht in der Nähe parkte zum Park, um seine Nummer Zwei zuerledigen. In einer halben Stunde, wenn alles gut vorbereitet war, war dies leicht zu schaffen. Er hatte schließlich den ganzen Tag Zeit, seine Anschläge vorzubereiten. Er musste doch nur darauf achten, dass er während den Tatzeiten mit ihnen zusammen war, oder sie glaubten, mit ihm zusammen zu sein. Wir fanden den Wagen, der angeblich seinen Geist aufgab, sodass er mit der U-Bahn fahren musste. Das Schloss am Kofferraum war ausgewechselt worden. Die Leihfirma wusste nichts davon. Nummer drei. Die Sache mit der Schießerei in der U-Bahn. Der Beamte, der die Angelegenheit aufnahm, konnte sich an jemand erinnern, der nur leicht an der Schulter angeschossen war. Ich vermute, Pattie hat ihn angeschossen. Der Mann stand unter Schock und wusste nicht einmal seinen eigenen Namen. Cramers Pech war nur, dass er jemanden engagiert hatte, der vor lauter Schmerz durch die Schussverletzung nicht einmal den eingebläuten Namen herausbrachte. Und Nummer Vier. Das konnte nur Pattie gewesen sein, um ihn zu entlasten. Nummer Fünf. Er muss uns bereits vorher gesehen oder es zumindest vermutet haben. Warum sonst sollte er seine Komplizin vorschicken. Während er seelenruhig im Café saß und darauf wartete, dass sein Alibi kam, hatte er Pattie die Arbeit machen lassen und sie damit dem sicheren Tod ausgeliefert. Merken Sie nichts, Angela? Er benutzte Sie die ganze Zeit. Sie waren sein ständiges Alibi. Ich habe sie beide die ganze Zeit beobachten lassen. Er konnte seinen Auftrag nicht unerledigt lassen. Es gab sechs einflussreiche Männer in der Stadt. Den sechsten wollte er heute Abend erledigen. Zum Glück konnten wir den Alten dazu überreden, eine schusssichere Weste zu tragen."
Angela hatte längst aufgehört zu schluchzen. Sie hörte ihm aufmerksam zu und mit jedem Wort leuchtete es ihr mehr und mehr. Nik hatte sie die ganze Zeit nur benutzt.
"Ich wollte ihn nicht töten, das müssen Sie mir glauben. Allein schon, weil ich seine Auftraggeber kennen wollte", versicherte er und betrachtete sie ernst. "Ich erzähle es Ihnen nur ungern, Angela. Aber ich denke, Sie sollten es wissen. Ich schickte Cramers Fingerabdrücke durch den Computer und erhielt erst einmal eine Sperrklausel, was ihre Aussage mit der Spezialeinheit nur bestätigte." Er machte eine kurze Atempause. "Es ließ mir keine Ruhe und ich forschte eingehender nach. Wenn Pattie eine enge Beziehung zu Professor Garwin besaß, hätte sie vielleicht durch ihn und seinen Einfluss auf gewisse Herren, einen Vermerk im Polizei-Computer anbringen lassen können. Ich ging deshalb dem Namen Nikolas Cramer auf den Grund und stellte fest, dass er vor drei Jahren in Las Vegas im Kugelhagel starb - im Alter von fünfundfünfzig Jahren, als er seine Tochter Pattie von der Straße holen wollte. Pattie Cramer ist tatsächlich Pattie Cramer. Sie war in schlechte Gesellschaft geraten, trieb sich mit Junkies, Prostituierten und Strichjungen herum und ging sogar selbst anschaffen. Dabei geriet sie an einen Call-Boy namens Jason Michaels, alias Jaques, der kurz nach Nik Cramers Tod auf bezahlter Killer umsattelte, unter dem Namen Nik Cramer. Verstehen Sie jetzt, Angela?"
Sie starrte ihn fassungslos an. Ihr wurde auf einmal so merkwürdig zumute. Sie fuhr herum und übergab sich.
Nik, ihr Traummann, ein ehemaliger Call-Boy, ein Killer.
Sie atmete tief durch, stellte sich auf ihre Beine, versuchte ein mildes Lächeln und verließ den Dachgarten. Sie ging nicht wieder zur Party zurück, sondern schnurstracks nach Hause.
Sie brauchte lange, um dies zu verdauen. Jedes Mal wenn ihr ein umwerfend gut aussehender Kerl in einer Bar frech lässige Blicke zuwarf, zog sie eine Grimasse, stand auf und ging nach Hause, wo niemand auf sie wartete.
E N D E
Texte: Ashan Delon 2013
Bildmaterialien: mzacha www.morguefile.com
Lektorat: myself
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2013
Alle Rechte vorbehalten