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(Un)Happy Ibiza






Ein feuchtes Handtuch flog an meinen Kopf.
„Verdammt nochmal, Tom!“, keifte Henning wütend. „Räum endlich deinen Kram weg!“
„Mach mal halblang, Mann!“, keifte ich genervt zurück und warf das Handtuch, das ich nach dem Duschen tatsächlich auf dem Boden vergessen hatte, einfach in eine Ecke.
So ging das schon den ganzen Morgen.
Zuvor war es die offen gelassene Duschshampoo-Flasche gewesen. Davor die Zahnpastatube, die ich nicht finden konnte, weil Henning sie, so penetrant wie er manchmal sein konnte, in sein Toilettentäschchen geräumt hatte und die ich zehn Minuten lang vergeblich suchte. Und davor ...
Ich wusste selbst nicht, warum wir uns das noch antaten. Als wir den Urlaub gebucht hatten, hielten wir es für die beste Idee überhaupt. Zwei Wochen Ibiza, an der angesagtesten Meile der Insel – nur wir beide – Sonne, Strand, Meer. Zwei Wochen nur für uns. Wir schwebten auf Wolke sieben, als wir aus dem Reisebüro kamen, planten bereits beinahe bis ins Detail unseren Urlaub; was wir alles unternehmen wollten, oder auch nicht; wie viel Spaß wir miteinander haben würden.
Wir waren erst ein paar Monate zuvor in meine Wohnung zusammengezogen, nachdem wir zwei Jahre lang noch getrennt gelebt hatten, ich in meiner kleinen Eigentumswohnung, die ich von meinen Eltern zur bestandenen Prüfung geschenkt bekommen hatte, und Henning in der WG, mit drei Mädels, die ihren süßen Mitbewohner nur ungern gehen ließen. Ich musste immer wieder schmunzeln, wenn ich an den rührenden Abschied dachte, den die drei meinem Freund zum Auszug bereitet hatten.
Dennoch – die Reise war die Krönung unserer Liebe. Sie sollte unsere Beziehung besiegeln. Wir wollten uns damit selbst belohnen, weil wir es schon so lange miteinander aushielten. Zwei Jahre zusammen, Henning von Lahnstein und ich – Thomas Richter.
Ich liebte Henning, diesen überaus gut aussehenden, manchmal etwas zu eitlen und eigensinnigen Kerl. Er war meine große Liebe. Es tat weh, wenn wir uns stritten. Aber irgendwie war in unserer Beziehung gerade der Wurm drin. Vielleicht hätten wir den Urlaub nicht buchen sollen, denn kurz darauf ging es los.
Belanglosigkeiten, die zu lautstarken Auseinandersetzungen führten. Eine offen stehende Schranktüre, Milch die sauer geworden war, Klamotten die irgendwo rumlagen, bis hin zu den Planungen der Urlaubsaktivitäten. Ich wollte gerne die Partymeile austesten, Henning eher die Sehenswürdigkeiten abwandern. Ich wollte ein paar Chill-Tage am Strand mit Brutzelgarantie, Henning bestand auf Surfen, Tauchen, Wasserski oder Parasailing. So zofften wir uns immer mehr und irgendwann brauchten wir uns nur noch anzusehen, und wir hatten uns bereits wieder in den Haaren.
Auch wenn wir uns noch so stritten, keiner von uns dachte im Traum daran, den Urlaub wieder zu stornieren. Vielleicht war es auch ein Fehler gewesen, trotzdem zu fahren, denn so hockten wir dank des gebuchten Doppelzimmers, in welchem wir eigentlich heiße Nächte haben wollten, eng aufeinander und versuchten, uns so gut es ging aus dem Weg zu gehen – was natürlich nicht so einfach möglich war.
Henning war meist den ganzen Tag unterwegs, besuchte alle möglichen Sightseeing-Plätze. Ich hing den lieben langen Tag am Strand oder auch an der Strandbar herum, machte die halbe Nacht die Clubbing-Szene unsicher, um mich in den frühen Morgenstunden leise ins Bett zu schleichen. Natürlich war Henning am nächsten Morgen zeitig wach und machte so einen Krach, dass ich ebenfalls wach wurde und notgedrungen meinen fehlenden Schlaf am Strand holen musste. So zofften wir uns bereits am frühen Morgen und so etwas wie ein versehentlich liegen gelassenes Handtuch, oder eine Zahnpastatube, die sich einfach nicht finden ließ, waren willkommene Gelegenheiten, uns wieder einmal verbal an die Kehle zu gehen.
„Räum deinen Scheiß auf!“, warf mir Henning noch an den Kopf, während er seinen Rucksack schulterte. „Mir steht deine Schlampigkeit bis hier!“ Damit deutete er eine Linie knapp oberhalb seiner Nasenspitze an.
„Nur weil Herr von Lahnstein unbedingt einen auf Mister Perfekt machen muss, heißt das noch lange nicht, dass ich auch das muss“, gab ich ebenso giftig zurück.
Henning grunzte nur missmutig, wirbelte herum, riss die Türe auf und floh regelrecht aus dem Zimmer. Als die Türe etwas lauter als normal ins Schloss fiel, zuckte ich innerlich von Schmerz zerfressen zusammen.
Ich wollte das nicht. Henning vielleicht auch nicht. Aber irgendwie hatten wir beide uns da in etwas fest gefahren, aus dem wir nicht mehr herauskamen. Es brauchte nur einer ein scharfes Wort zu sagen und der ganze Zirkus ging wieder von vorn los.
Ich sehnte mich danach, ihm zum Abschied wieder liebevoll durch das sorgsam gekämmte und hindrapierte Haar zu fahren, um dieses gutmütige Grummeln in ihm heraufzubeschwören, das ich so sehr liebte. Nur ich durfte dies. Nicht einmal seiner Mutter war dies erlaubt. Nur mir gestattete er es, seine Frisur wieder durcheinander zu bringen. Da war Henning sehr eitel. In den letzten Wochen, wo wir uns nicht so gut verstanden, hatte ich tunlichst auf dieses Privileg verzichtet.
Auch sehnte ich mich danach, ihn im Arm zu halten, seinen festen, harten Körper an mich zu pressen und seine Erregung an der meinen zu spüren. Als es mit uns immer heftiger geworden war, verspürte keiner von uns die Lust, sich mit dem anderen zu vergnügen. Wir lagen schweigend nebeneinander im Bett, schliefen ein, wachten wieder auf und lebten nebeneinander her, als bedeuteten wir uns nichts mehr besonderes. Es schmerzte, ihn nicht mehr küssen zu können, ihn nicht mehr berühren oder liebkosen zu können. Es tat weh, ihn zu sehen, seine Stimme zu hören, oder gar sein Parfum zu riechen, wenn er vor mir im Bad gewesen war oder auch nur einfach an mir vorbeiging.
Mehr als einmal wollte ich einfach nur meine Hand ausstrecken und ihn aufhalten, ihn festhalten und zu mir zu ziehen, damit wir wieder einen gemeinsamen Nenner fanden, auf welchem wir uns finden konnten. Doch sein bitterböser Blick, weil ich wieder irgendetwas gesagt oder getan, oder auch irgendetwas nicht gesagt oder getan hatte, hielt mich immer wieder davon ab.
Hin und wieder standen wir uns auch nur schweigend gegenüber, nicht imstande, die bleierne Stille zu durchbrechen, die sich über uns gelegt hatte. Wir sahen uns einfach nur an, blickten in die vor Zorn glitzernden Augen des anderen und wandten uns wieder ab. Wir waren so festgefahren, dass es offensichtlich keinen Ausweg mehr gab.
Vielleicht sollten wir uns trennen, hatte ich mehr als einmal gedacht, nachdem wir uns wieder einmal so gestritten hatten, dass Henning mit Tränen in den Augen aus der Wohnung gelaufen war und ich mit einem Wutschrei in das nächst beste Ding gedroschen oder getreten hatte, das mir über den Weg lief. Bei dieser Gelegenheit hatte ich bereits einige Stühle und Schranktüren demoliert.
Ich wollte mich aber nicht von Henning trennen. Allein der Gedanke daran, trieb mir den Angstschweiß aus den Poren und ließ mein Herz vor Schreck schneller schlagen.
Mit einem tiefen Seufzen setzte ich mich auf das Bett und ließ mich hintenüber sinken. Gedankenverloren starrte ich an die Decke. Es musste einfach eine andere Lösung geben. Wenn wir so weiter machten, würden wir am Ende unseres Urlaubes noch urlaubsreifer sein als zuvor, womöglich hatten wir uns dann so hoffnungslos zerfleischt, dass es vielleicht doch besser wäre, wenn wir uns trennten. Eine Möglichkeit, die ich nur in aller höchster Not erwog.
Ich wollte mich nicht von ihm trennen. Dafür liebte ich ihn zu sehr – trotz der Differenzen, die derzeit zwischen uns standen.
Henning war nicht unbedingt Mister Perfekt, obwohl er sich manchmal so gab. Aber er war meine erste große Liebe nach vielen Experimenten und Enttäuschungen. Wir verstanden uns auf Anhieb, als könnten wir uns gegenseitig in die Köpfe kucken. Er brachte mein Blut zum kochen, nur indem er mich ansah. Allein seine Nähe, die Wärme seines Körpers, das kaum wahrnehmbare Geräusch wenn er atmete, brachte meine Körpermitte so in Aufruhr, dass ich die ersten Tage und Wochen nur noch mit einem Ständer herumgelaufen war. Henning war für mich wie ein Heimathafen nach endloser, schier aussichtsloser Fahrt in unbekannten Gewässern gewesen. Er war für mich die Bestätigung meiner sexuellen Gesinnung, nachdem ich klar gemacht hatte, dass für mich nur noch Jungs in Frage kamen. So etwas aufzugeben, Nein, das war keine Option.
Ich musste mir etwas einfallen lassen.
Reden brachte nichts, wusste ich aus Erfahrung. Alle Versuche – auf beider Seiten – unseren Streit mit einer Aussprache beiseite zu räumen, mündeten allesamt in einem weiteren Streit. Selbst meine Zwillingsschwester Ramona, die das Ganze nicht mehr mit ansehen konnte, biss sich an uns die Zähne aus.
Ein weiterer Versuch der Aussprache würde demnach nicht helfen.
Also musste es etwas anderes sein.
Ich setzte mich wieder auf, packte meine Strandutensilien zusammen und verließ das Zimmer. Ich war müde, weil ich erst gegen vier Uhr morgens ins Hotelzimmer gekommen und von Henning bereits wieder um acht Uhr geweckt worden war. Vielleicht fiel mir nach ein oder zwei Stunden Schlaf am Strand eine vernünftige Lösung ein.
Mit einer Flasche Wasser, die ich noch in dem Hotelkiosk kaufte, begab ich mich zu meinem Lieblingsplatz, breitete das Handtuch auf dem heißen Sand aus und legte mich bäuchlings darauf. Ich verzichtete auf die teuren Liegen, die um kurz nach neun Uhr ohnehin bereits alle mit Handtüchern belegt worden waren, von Leuten, die erst nach der Siesta am Strand auftauchten. Außerdem mochte ich die durchgelegenen, zum Teil sogar kaputten Liegen nicht. Wer wusste schon, wer sich alles schon drauf verewigt hatte. Von Eistropfen ungeschickter Kinder, bis hin zu klebrigen, milchigen Tropfen, die zurückblieben, wenn sich geile Typen bei der Betrachtung der Strandschönheiten unter dem Handtuch einen herunterholten. Ich wusste, wovon ich sprach. Ich hatte, um mir mein Studium zu verdienen, eine Zeitlang in einem großen Schwimmbad gearbeitet.
So lag ich nun auf dem Bauch im heißen Sand, das Kinn auf die Handflächen gestützt und beobachtete die vorbeigehenden Leute, die sich einen geeigneten Platz für ihren Strandtag suchten. Einige der Leute erkannte ich vom gestrigen Tag wieder. Familien mit Kindern, jüngere und ältere Urlauber, allein oder in Gruppen. Manche der durch den heißen Sand stapfenden Kerle sahen wirklich so aus, als könnten sie interessant sein. Meine Gedanken schweiften jedoch nach wie vor um eine Möglichkeit, wie ich Henning zurückgewinnen konnte.
Vielleicht sollte ich morgen mal mit ihm auf Tour gehen; mal einen ganzen Tag lang die Klappe halten und mich nur auf ihn, seine Wünsche und Vorlieben konzentrieren. Ich wusste jedoch, dass mich Henning gut genug kannte. Ich war nicht so der Besichtigungstyp, oder der Durch-Ruinen-Kletter-Typ. Auch wenn ich mir alle Mühe der Welt geben würde, meine Schlechtwetter-Miene würde ich nicht gänzlich verbergen können.
Ich sollte mich einfach mal zusammenreißen, schalt ich mich selbst. Es konnte doch nicht so schwer sein, etwas zu tun, nur um seinem Liebsten zu gefallen. Nicht, dass ich noch nie etwas getan hatte, um Henning zu gefallen. Ich hatte mir sogar angewöhnt, ihn in Punkto Klamotten nach seiner Meinung zu fragen, nachdem er mich mit seinen durchdringenden blauen Augen ständig so komisch angesehen hatte. Henning besaß wesentlich mehr Geschmack, was die Klamottenfrage betraf. Auch hatte ich ihn oft stundenlang bei seinen ausgiebigen Shopping-Touren begleitet. Ich musste mir dabei ständig auf die Lippen beißen, um nicht vor Ungeduld zu platzen, wenn er mit zehn Hosen und dreißig Hemden zum Anprobieren in die Umkleidekabine marschierte.
Seinetwegen habe ich sogar meine Wohnung umgeräumt und seine Styling-Wünsche bei der Einrichtung unseres gemeinsamen Schlafzimmers berücksichtigt. Mir hatte ein einfacher Schrank und ein schlichtes Bett aus dem schwedischen Möbelkonzern durchaus genügt. Dank Hennings Vorschläge sah unser Schlafzimmer nun echt hammermäßig aus und es machte Spaß, sich darin aufzuhalten und so richtig und hemmungslos Sex zu haben.
Henning hat mein Leben umgekrempelt, wie ich das seine. Anfangs hatte ich über seinen peniblen Aufräumfimmel in der Küche immer wieder den Kopf geschüttelt. Heute konnte er schon mal den Abwasch stehen lassen und sich lieber mit mir vergnügen, oder mal in einem alten T-Shirt durch die Wohnung laufen, wenn wir nicht vorhatten, nach draußen zu gehen. Wir ergänzten uns irgendwie. Was dem einen nicht einfiel, wusste der andere.
Daher fand ich es außerordentlich schade, dass wir uns in letzter Zeit so wenig zu sagen hatten. Wir sprachen kaum noch miteinander. Wir stritten nur.
Die Sonne brannte mir unbarmherzig auf meinen Rücken und dem Hintern. Es dauerte nicht lange, ehe mir der Schweiß in Strömen herunter lief und ich mich auf den Rücken drehte. Ich verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte gedankenverloren in den Himmel, um die vorbeiziehenden Schäfchenwolken zu beobachten, jedoch ohne sie wirklich zu sehen. Meine Gedanken waren zu sehr damit beschäftigt, was wirklich zwischen uns vorgefallen war; was der wirkliche Grund war, warum wir angefangen hatten uns zu streiten. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass etwas so gravierendes passiert war, dass wir uns deswegen in die Wolle gekriegt hätten. Irgendwann war mir aufgefallen, dass wir uns nicht mehr normal unterhielten, sondern sich immer mehr Gift und Sarkasmus in unsere Gespräche einmischten.
„Incoming message“, rief sich mein Handy in meinem Beutel in Erinnerung und ich schnaufte tief. Auch ohne hinzusehen, wusste ich, von wem ich diese SMS bekam. Von Henning sicherlich nicht.
Ich rollte mich leicht zur Seite, wühlte in meinem Beutel und holte mein Telefon hervor. Ich wusste es – Mona, meine Zwillingsschwester.
„Na? Endlich alles roger bei euch?“, las ich da und musste unwillkürlich schmunzeln. Auch Monas Versuche, uns wieder zur Vernunft zu bringen, hatten nicht gefruchtet. Lag wohl zum Teil daran, dass sich Henning und meine Schwester nicht unbedingt grün waren. Mona hatte immer versucht, mich zu trösten und mir Mut zu zusprechen. Sie meinte, im Urlaub würde sich alles wieder einrenken, wenn erst mal der Alltagsstress von uns gefallen war und es nur noch uns beide gab. Aber so wie es aussah, änderte sich so bald nichts.
„Unverändert!“, simste ich zurück und sah mit einem verzweifelten Seufzen hoch. Dabei fiel mein Blick auf einen Kerl, der nur knapp zehn Meter von mir entfernt saß und mich offensichtlich die ganze Zeit beobachtete. Als sich unsere Blicke unverhofft trafen, drehte er schnell den Kopf auf die andere Seite.
Ich schmunzelte belustigt. Anscheinend war ich nicht der einzige Single am Strand, auch wenn ich eigentlich kein richtiger war. Obwohl der Typ durchaus ansehnlich war, besaß ich keinerlei Interesse. Ich war mit Henning zusammen und insofern in festen Händen. Daher widmete ich mich wieder meinem Handy. Mona hatte geantwortet.
„Wird schon werden. Nur Geduld! Bussi Mona.“
Ich hoffte es sehr. Aber mit Geduld würde sich unsere Krise sicher nicht abwenden lassen.
Wir konnten es nicht einfach so weiterlaufen lassen. Wenn keiner von uns beiden etwas unternahm, würde es unweigerlich in einer Katastrophe enden.
Ich seufzte tief und dachte wieder an unsere letzte Auseinandersetzung heute Morgen, und erst jetzt – im Nachhinein betrachtet – fiel mir auf, in was Henning heute geschlüpft war. Immer wenn er sauer war, trug er diese engen T-Shirts mit dem tiefen V-Ausschnitt. Er wusste, dass ich sie nicht mochte, da sie ihm das Reklameschild „Schwul“ verpassten. Und immer wenn er sauer war, trug er diese tuntigen Shirts.
Vielleicht aber auch, um mich zu betören. Denn sie boten einen üppigen Blick auf seine sexy, haarlose Brust.
Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich diese Brust mit meinen Fingerspitzen abtastete, wie ich dem Kragensaum folgte, bis ganz tief in die Ecke zwischen seinen Brustwarzen. Im Geiste legte ich meine Lippen auf diesen freizügigen Fetzen Haut, saugte den salzigen Geschmack in mich auf und ließ ihn mir auf der Zunge zergehen. Ich hörte Hennings leises Keuchen, ein kaum wahrnehmbares Vibrieren in seiner Brust, als er ein kehliges Brummen unterdrückte. Ich spürte seine Finger, wie sie sich in meinem schwarzen Haar vergruben und mein Gesicht an seine Brust drückten. Tief sog ich seinen Duft in mich auf, leckte mit der Zungenspitze am Saum entlang höher, bis zu seinem Hals, dort wo es eine Stelle gab, die ihm wohlige Gänsehaut über den Körper rinnen ließ.
Ich bemerkte, wie sich zwischen meinen Beinen etwas regte, ungeduldig zu zucken und zu jucken begann, und riss mich abrupt aus meinem heißen Tagtraum heraus. Ich befand mich an einem menschenüberfüllten Strand. Hier laut stöhnend zu kommen, kam gar nicht gut – zudem beobachtete mich dieser Typ immer noch.
Bevor der auf dumme Gedanken kam und vielleicht dachte, dass die Beule in meiner Hose seinetwegen aufkeimte, drehte ich mich auf die andere Seite und präsentierte ihm meine Kehrseite. Vielleicht auch nicht gerade die beste Idee, erkannte ich sogleich und rollte mich auf den Bauch.
Der Schweiß lief mir inzwischen in Strömen herunter. Es war fast Mittag und ich verspürte ein gewisses Hungergefühl in meiner Magengegend. Mein Frühstück war wegen der allgemein unguten Stimmung zwischen mir und Henning ein wenig karg ausgefallen. Irgendwie war sie mir auf den Magen geschlagen. Als mir der Duft von frisch gebackenen Brötchen, Kaffee und gebratenen Eiern in die Nase stieg, war mir fast übel geworden, so dass ich mir gerade noch einen trockenen Toast und einen Kaffee reinwürgen konnte, um überhaupt etwas im Magen zu haben.
Ich überlegte mir, ob ich mich vielleicht an die Beach-Bar setzen und einen Snack gönnen sollte, als mein Bauch schließlich zu grummeln begann. Bei dem Gedanken an den Geruch von Pommesfett und verbrannter Pizza drehte sich mir jedoch fast der Magen um und ich entschied mich, meine Hungergefühle erst einmal mit ein paar kräftigen Schlücken aus meiner Wasserflasche zu betäuben. Gleich beim ersten Schluck hätte ich beinahe alles wieder ausgespuckt, denn die Brühe war so heiß wie Tee, in den ich vergessen hatte, die Teebeutel zu geben, welche dem Ganzen wenigstens noch etwas Geschmack verliehen hätte. Ich hatte vergessen, die Flasche in meinem Beutel zu verstauen, wo sie vor den sengenden Strahlen der Ibiza-Sonne geschützt gewesen wäre. Nun musste ich mich mit der kurz vor dem Siedepunkt währenden Brühe zufrieden geben. Nach dem anfänglichen Schock zwang ich mich zu weiteren Schlücken, verbrühte mir dabei fast den Gaumen. Doch ich hatte keine Lust aufzustehen und mir was zu essen zu holen.
Wenn ich aufstand, musste ich alles zusammenpacken, meinen Platz verlassen, und wenn ich zurückkehrte, würde jemand anderer dort liegen.
Also begnügte ich mich mit dem aufgewärmten Wasser und blieb liegen.
Und was machte ich jetzt mit Henning?
Ich hatte noch immer keine Lösung gefunden, wie ich unsere Krise abwenden konnte.
Ich lag auf dem Bauch, das Handy noch immer in der Hand, während die heiße Sonne von Ibiza mir unbarmherzig den Rücken verbrannte.
Sollte ich ihm vielleicht eine SMS schicken, dass wir uns nachmittags oder auch erst am Abend irgendwo zum Essen trafen? Seit wir hier waren, waren wir noch kein einziges Mal zusammen ausgegangen. Ich hatte mich die letzten Tage ausschließlich vom fast schon widerlichem All-Inclusive-Hotel-Buffett ernährt. Allein der zerkochte Kantinenfraß war schon ein Grund, mal etwas anderes auszuprobieren. Es gab hier so viele gute Lokale, wo man gut essen konnte. Es war sicherlich eine gute Idee und auch ein Zeichen der Versöhnung und des guten Willens, wenn ich ihn zum Essen einlud. Aber dafür musste ich mir erst einmal ein passendes Lokal aussuchen.
Kurz entschlossen raffte ich meine Sachen zusammen, sprang kurz ins Meer, um mich abzukühlen und den stinkenden Schweiß von mir zu waschen, ehe ich mich anzog und verließ den Strand.
Der Typ, der mich die ganze Zeit beobachtet hatte, sah mir sehnsüchtig hinterher. Ich würdigte ihn keines Blickes mehr, gab ihm nicht einmal mit einem freundlichen Lächeln den Hauch einer Hoffnung.
Jetzt war Henning wichtig. Ich musste ihn mir zurückholen.
Gegen meinen immer lauter grummelnden Magen besorgte ich mir an irgendeinem Fast-Food-Kiosk etwas zu essen – ich wusste nicht einmal genau, was es war – und marschierte den Ort ab, auf der Suche nach einem lauschigen Lokal oder Restaurant, in welchem wir uns wieder versöhnen konnten. Als ich etwas gefunden hatte und einen Tisch für zwei für heute Abend reservierte, setzte ich mich in ein Straßencafé und holte mein Handy wieder raus.
„Kommst du heute Abend um 18 Uhr in das Restaurant Can Den Parra? Kuss Tom“, schrieb ich Henning per SMS und wartete sehnsüchtig auf die Antwort.
Die Antwort ließ ganze zehn Minuten auf sich warten. Eine Zeit, in der ich immer nervöser an meinem Kaffee nippte.
„Nein. Hab was anderes vor“, las ich da, voller Entsetzen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Panik machte sich in mir breit und biss sich mit tiefen Krallen in mir fest. Ich wählte sofort seine Nummer; er ging jedoch nicht ran. Ich versuchte es ein zweites und ein drittes Mal, doch mit demselben Ergebnis.
Henning wollte mich nicht sprechen.
Voller Verzweiflung versuchte ich es in einer weiteren SMS. Die konnte er nicht abblocken, höchstens ignorieren. Und wie ich ihn kannte, würde ihn seine Neugier dazu zwingen, sie doch zu lesen.
„Bitte Henning. Ich will dich nicht verlieren. Ich liebe dich!“, schrieb ich mit zitternden Fingern und musste den Schleier wegblinzeln, der sich unversehens vor meinen Augen gebildet hatte. Mit klopfendem Herzen schickte ich die SMS ab und wartete hoffnungsvoll.
Als auch nach einer halben Stunde keine Antwort kam, schickte ich eine weitere SMS mit „Bitte Henning!“. Doch auch die blieb unbeantwortet. Offensichtlich hatte das vergessene Handtuch, über das er heute Morgen gestolpert war, das Fass zum Überlaufen gebracht – oder auch meine Antwort. Er hasste es, wenn ich ihn Mister Perfekt nannte.
Das Dinner-for-two war mein Versöhnungsangebot; und Henning hatte es abgelehnt. Ich hätte es wissen müssen, als er mich so hasserfüllt angesehen hatte, bevor er die Türe hinter sich zuknallte.
Henning, schrie ich innerlich, voller Schmerz und Panik. Ein stählernes Seil schnürte sich um meine Brust und erschwerte mir das Atmen. Ich keuchte atemlos und schluckte die aufquellenden Tränen herunter.
Ich musste Henning finden und ihn mir zurück holen. Ich warf ein paar Münzen für den Kaffee auf den Tisch, packte meinen Strandbeutel und eilte ins Hotel.
Hemming war nicht auf dem Zimmer, und auch an der Rezeption wusste niemand, wohin mein Partner Herr von Lahnstein gegangen sein mochte. Hektisch durchsuchte ich das ganze Zimmer nach Hinweisen, nach Karten, Broschüren oder was auch immer, das mir sagte, auf welche Besichtigungstour er sich begeben haben mochte. Doch nichts. Er hatte alles mitgenommen, was er sich an Infomaterial besorgt hatte.
Aus Verzweiflung schickte ich ihm noch eine SMS.
„Ich bitte dich. Lass uns reden! Bitte!“, setzte ich noch dahinter. Henning antwortete nicht. Er war – so wie es aussah – nicht mehr bereit, sich mit mir auszusöhnen. Ich wollte jedoch nicht aufgeben. Irgendwann musste er zurückkehren, denn seine ganzen Sachen lagen noch hier.
Das Hemd, das er am gestrigen Tag getragen hatte, hing sorgsam auf einen Bügel gehängt am Schrank. Ich hielt es mir an die Nase und sog seinen Duft tief in meine Lungen.
Nein, ich war nicht gewillt, ihn aufzugeben.
Rasch duschte ich mich, wusch mir Meersalz, Schweiß und Sonnencreme vom Körper, zog mich an und machte eine Runde über das gesamte Hotelgelände, in der Hoffnung, dass er sich einfach nur versteckte, weil er nicht mehr auf das Zimmer kommen wollte. Er war jedoch nirgends zu finden. Wenn er zu einer seiner Touren aufgebrochen war, befand er sich ohnehin weitab des Hotels, irgendwo in der Pampa. Ich hatte keine Ahnung, wo er sich herum trieb.
Ich schickte ihn eine weitere SMS. „Wo bist du? Ich möchte mit dir reden. Tom.“
Auch die beantwortete er nicht. Ich rief ihn an. Er ging nicht ran. Zumindest hatte er sein Telefon nicht ausgeschaltet, sonst würde mich eine freundliche Elektronikstimme darauf hinweisen, dass er Teilnehmer nicht erreichbar war. Dennoch war er nicht gewillt, mit mir zu sprechen.
In meiner Verzweiflung zog ich sogar in Erwägung, dass er gar nicht antworten konnte, da er vielleicht bei einer seiner Touren irgendwo abgestürzt war. Schnell schob ich den Gedanken wieder beiseite. Henning war sauer; und zwar so richtig.
Das würde mich einiges an Mühe kosten, das wieder zurecht zu biegen. Aber dazu musste ich ihn erst einmal finden.
So allmählich ging mir wirklich der Arsch auf Grundeis. Es war kurz vor fünf Uhr und von Henning keine Spur. Für gewöhnlich kehrte er um diese Zeit zurück, um vor mir im Hotel-Restaurant zu Abend zu essen; bevor ich vom Strand zurückkam und wir uns über den Weg laufen konnten. Doch diesmal kam er nicht.
Ich suchte mehrmals das Restaurant ab, doch von Henning nichts zu sehen.
Kurz vor acht kehrte ich wieder auf das Zimmer zurück. Der Appetit war mir gehörig vergangen. Ich konnte nichts essen. Ich wollte nur noch Henning finden.
Als plötzlich das Handy in meiner Hosentasche vibrierte und sich mit einem „Incoming message“ zu Wort meldete, erschrak ich, war jedoch fest dazu entschlossen, Monas SMS-Aufmunterungsversuche zu ignorieren. Aus reiner Neugierde zog ich es doch aus meiner Tasche und warf einen Blick auf das Display.
Beinahe wäre mir das Gerät aus der Hand gefallen, als ich den Namen des Versenders las – Henning.
Mein Herz schlug schlagartig zehn Takte schneller.
„Am Strand in 10 Min.!“, stand dort. Ich musste es mehrmals lesen, ehe ich es so richtig realisieren konnte.
Offenbar hatte er sich doch noch überreden lassen, sich mit mir zu einem Versöhnungsgespräch zu treffen.
Augenblicklich machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war, um ungeduldig auf den Rufknopf für den Aufzug zu hämmern. Natürlich dauerte es mir diesmal viel zu lange, ehe sich die Kabine mit einem leisen Pling ankündigte und ich mich zwischen die sich aufgehenden Türen zwängte, noch ehe sie sich gänzlich öffnen konnten. Ungeduldig drückte ich mehrmals auf den Knopf für das Erdgeschoss und wippte unruhig auf den Fußballen vor und zurück.
Henning.
Vielleicht war doch nicht alles verloren. Er war bereit, sich mit mir zu treffen. Ich war gewillt, mich zurück zu halten, ihn nicht gleich wieder anzugiften. Wir mussten das einfach wieder in den Griff kriegen. Ein Leben ohne ihn konnte ich mir nicht vorstellen.
Die Stockwerkszahlen zählten sich viel zu langsam von zehn rückwärts auf Null. Bei beinahe jeder knurrte ich missmutig. Ich konnte es nicht mehr erwarten, endlich vor Henning zu stehen und ihm zu sagen, dass mir meine Bemerkung von heute morgen leid tat. Ich hätte es nicht sagen dürfen.
Endlich kam die Anzeige bei Null an. Ich schob mich zwischen die Schiebetüren, kaum, dass sie so weit offen waren, um mich hindurchzuzwängen und eilte aus der Hotellobby. Den Weg vom Hotel zum Strand brachte ich im Laufschritt hinter mir. Die zehn Minuten, die er mir gab, würde ich gründlich unterschreiten. Zehn Minuten waren einfach zu lange, nachdem ich ihn den ganzen Nachmittag verzweifelt gesucht hatte.
Am Strand angekommen, blickte ich mich suchend nach ihm um, konnte ihn jedoch nicht finden. Es war bereits schon ziemlich dunkel geworden. Nur noch ein paar Urlaubsgäste spazierten am rauschenden Ufer entlang, genossen die Romantik des Abends oder gönnten sich noch etwas frische, salzige Luft. Verwirrt blickte ich mich nach allen Seiten um, vermochte ihn jedoch nicht auszumachen. Fast erlag ich schon dem Gedanken, dass er es sich wieder anders überlegt hatte, als mir ein kleines Flackern ins Auge fiel. Etwas fernab des Hotelgeschehens flackerte ein Licht am Boden. Neugierig ging ich darauf zu und entdeckte eine brennende Kerze, die jemand in den Sand gesteckt hatte. Etwa zehn Meter weiter entfernt, steckte noch eine brennende Kerze im Boden. Dahinter flackerten noch weitere Kerzen, eine Linie bildend, die irgendwo hinführte.
Ich folgte der Linie neugierig.
Der Abstand zwischen den einzelnen Kerzen wurde immer kleiner, bis sie nur noch einen Meter voneinander entfernt standen und ich unvermittelt auf einen ganzen Kreis von Kerzen stieß, den ich nach einigem betrachten, als herzförmig erkannte.
Irritiert blickte ich mich um. In diesem Abschnitt des Strandes, ziemlich weit abgelegen von dem üblichen Badestrand, war niemand mehr, außer mir und hunderten von brennenden Kerzen. Da musste sich jemand ziemlich viel Mühe gemacht haben, um jemanden zu beeindrucken.
Und dieser Jemand war niemand anderer als – Henning.
Unversehens tauchte er aus dem Schatten der Dunkelheit auf und trat in das Herz aus brennenden Kerzen. Noch immer trug er das tuntige, hellblaue Shirt und die hellbeigen Kniehosen, mit denen er heute morgen aus dem Zimmer gestürmt war. Doch nun konnte ich ihm weder wegen des affigen Shirts, noch wegen des ziemlich romantischen Ambientes sauer sein. Normalerweise stand ich nicht auf solchen Kitsch, doch heute war es etwas anderes. Ich war beinahe zu Tränen gerührt.
Langsam und zögerlich kam er näher, mich keine Sekunde aus den Augen lassen, als wollte er auf gar keinen Fall meine Reaktion verpassen. Ich kam ihm ebenso zögerlich entgegen, stieg über die Linie brennender Kerzen und trat zu ihm in das flackernde Herz.
„Henning...“, flüsterte ich ergriffen. Ein dicker Kloß hatte sich in meinem Hals breit gemacht. Ich versuchte, ihn zu schlucken, doch er blieb beharrlich dort in meiner Kehle hängen.
„Tom“, kam es ebenso von ihm. Seine Augen glitzerten im tausendfachen Licht der Kerzen, wie funkelten Sterne. Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht vor Rührung loszuheulen.
„Ich habe dich den ganzen Nachmittag gesucht“, gestand ich und musste räuspern. Meine Stimme hörte sich irgendwie fremd an, heißer, rau, belegt.
„Ich weiß“, entgegnete er leise und blickte kurz zu Boden. „Es tut mir leid, dass ich dich heute morgen so angefahren habe.“
Ich schüttelte langsam den Kopf. „Es tut mir leid, dass ich dich so angeraunzt habe.“
Henning kam noch näher. Sein Gesicht war in das rötliche Licht der Kerzen getaucht, die uns umringten und uns zusammenzuschweißen versuchten, während die frische Meeresbrise eine Strähne seines sorgsam gekämmten Haares in sein Gesicht wehte. Fürwahr sah er nun bei weitem nicht so adrett gestylt und gerichtet aus. Ein Haar hing wirr von seinem Kopf. Auf dem hellen T-Shirt waren Schweißränder zu erkennen. Offenbar hatte er den ganzen Nachmittag in der heißen Ibiza-Sonne damit zugebracht, diese Kerzen für mich auszulegen.
Ich kam ebenfalls näher. Wir blieben nur zwei Schritte voneinander stehen und sahen uns stumm an.
Er räusperte sich leise. „Das was du mir per SMS geschrieben hast, hast du das auch so gemeint?“, wollte er vorsichtig wissen und sah mich mit leicht schiefem Blick an.
Ich wusste genau, was er meinte und nickte heftig. „Natürlich habe ich das, Henning. Ich liebe dich und ich will dich nicht verlieren.“
Zögerlich kam er noch einen weiteren Schritt näher. Ich tat es ihm gleich. Nun standen wir so nahe voreinander, dass wir nur unsere Hände ausstrecken brauchten, um den anderen zu berühren. Doch keiner von uns traute sich dies. Zu lange hatten wir im Streit gelebt, zu lange hatten wir nur Gift und Galle füreinander übrig. Eine Zeit, die nun hoffentlich ein Ende besaß.
„Ich will dich auch nicht verlieren, Thomas Richter“, sagte Henning leise und streckte nun endlich eine Hand nach mir aus.
Ich verkrampfte mich, als sie sich auf meine Brust legte. Eine Berührung, auf die ich bereits viel zu lange verzichten musste. Meine Augen schlossen sich wie von selbst, genossen diese kleine Geste, diese Fingerspitzen, die sich sogleich wie brennende Spitzen in meine Haut bohrten und mein Innerstes zum Brodeln brachte.
„Ich liebe dich, Tom!“, hörte ich seine Stimme, nahe an meinem Gesicht. „Ich wünschte, wir könnten einfach wieder von vorn beginnen.“
„Lass es uns doch einfach tun“, schlug ich vor und öffnete meine Augen.
Hennings Gesicht lag so nahe vor meinem. Seine sinnlichen, weichen Lippen berührten mich beinahe. Ich blickte direkt in seine hellen Augen, in das erwartungsvolle Glitzern. Seine Hand lag noch immer auf meiner Brust. Meine Hände machten sich selbständig, legten sich auf seinen Rücken und drückten ihn an mich.
Sein Körper wieder so nahe an mir zu wissen, ihn zu fühlen, ihn zu spüren, jede Rundung, jede Ecke, jede Kante seines Körpers auf dem meinen zu spüren, ließ mein Herz vor Freude stolpern. Durch meine Adern rann eine wohlige Wärme, die mich aufkeuchen ließ, während die leicht kühle Meeresbrise Schauer über meinen Rücken jagte. Ich spürte das Zittern seines Körpers, die Angst, die ihn in seinem Bann hielt, die Sorge, die ihn stockend atmen ließ. Meine Hand wanderte tiefer zu seinem Hintern und drückte seine Hüfte gegen mich.
In quälender Langsamkeit näherten sich seine Lippen. Fast automatisch schloss ich meine Augen wieder, als sie sich auf die meinen legten. Ich sog den Moment gierig in mich ein, öffnete meinen Mund und fing die Lippen ein, die ich so liebte, deren Geschmack mich so betörte und auf die ich so lange verzichten musste. Henning erwiderte das süße Knabbern an meinen Lippen, kostete an ihnen, wie ich an seinen, während seine Finger meinen Nacken fest umklammert hielten, als befürchtete er, dass ich es mir doch noch anders überlegte und davon eilen wollte.
Ich drückte diesen harten, festen Körper an mich, presste meinen Unterleib gegen seine Hüfte und zeigte ihm, wie sehr ich mich nach ihm sehnte. Meine Finger stahlen sich keck unter den Bund der Hose, eroberten Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter die pralle Rundung seines Hinterns. Ein kehliges Stöhnen bewies mir, dass es Henning ebenso in vollen Stücken genoss.
Zu lange hatte uns der Streit, von dem wir nicht einmal mehr wussten, was ihn ausgelöst hatte, voneinander getrennt.
Hennings Liebe, die durch den Kuss in mich floss, das ungeduldige Zittern seiner Glieder und das flackernde Licht der hunderten von herzförmig angeordneten Kerzen machte mir mehr als deutlich, dass all der Gram, all die Sorge und all der Hass der letzten Wochen überflüssig gewesen war. Und dass er sich nun auflöste, mit jedem Kuss mehr und mehr. Mit jeder sanften und liebevollen Berührung verblasste es mehr. Mit jedem lustvollen Stöhnen und Keuchen löste es sich mehr und mehr in Luft auf.
Ich sank langsam in die Knie und zog Henning zu mir auf den warmen, weichen Sandboden, der uns aufnahm wie ein bequemes Bett, ohne von dem Kuss zu lassen, der uns seit einigen Minuten untrennbar miteinander verband. Unsere Hände hatten längst begonnen, jeden Quadratzentimeter Haut zurück zu fordern und sie unnachgiebig in Besitz zu nehmen. Ich schmeckte den Schweiß von Hennings Lippen und stöhnte lustvoll.
Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas derartig gutes auf der Zunge zergehen lassen können. Der Geschmack unserer Liebe, am Strand von Ibiza, in einem Urlaub, der nun endlich ein gemeinsamer Urlaub wurde, als Beweis unserer Liebe, den wir nun endlich genießen konnten, nur wir beide, weitab von Alltagssorgen und dem Stress der letzten Wochen.
Nur wir beide – Henning und ich.

Impressum

Texte: Ashan Delon (C) 2011
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011

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