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Housesitter






Wie jeden Abend nach meiner Schicht im Fast-Food-Restaurant schloss ich die Türe auf, warf meine Tasche und meinen Laptop im Wohnzimmer auf das Sofa und schnaufte tief durch. Seit vier Tagen sah mein Feierabend ein klein wenig anders aus. So ein richtiger Feierabend war es eigentlich nicht, denn nachdem ich die Türe ins Schloss geworfen hatte, begann mein eigentlicher Arbeitstag, oder viel mehr gesagt - Arbeitsnacht hier in diesem Haus. Es war ein weiterer Job, um mir mein Studium zu finanzieren. Drei Wochen Housesitting, in einer komfortablen, mit allen Vorzügen ausgerüsteten Villa am Stadtrand, mit Wasserbett, Pool, Sauna, Wellnessoase, riesengroßem 3D-Flat-Fernseher, extra für mich vollgefülltem Kühlschrank und unbeschränktem Internetzugang mit no-Limit-Flat-Rate. Es war bereits das zweite Mal, dass ich von der Familie Rottgen angefordert worden war. Sie vertrauten mir, was sich auch durchaus auf die Bezahlung auswirkte, ein weiterer Grund, warum ich diese drei Wochen Non-Stop-Bewachung so sehr liebte. Ein Traumjob, den ich auch dieses Jahr mit Handkuss annahm – im wahrsten Sinne des Wortes.
Allerdings – die Dame des Hauses besaß durchaus ihre Reize, jedoch war sie nicht mein Typ. Ihr halb erwachsener Sohn schon eher, doch da er noch minderjährig war und offenbar dem eigenen Geschlecht so gar nicht zugeneigt, kam er gar nicht erst in Betracht.
Ich – ich bin Sebastian Brugg, zweiundzwanzig Jahre, studiere im dritten Semester Architektur und bin schwul. Mein Outing hatte ich mit siebzehn, als ich feststellte, dass mir der Bruder des Mädchens, das mir ständig hinterher lief, besser gefiel, als sie selbst. Ich war total verknallt in ihn. Drei Monate hielt unsere Beziehung, bis er merkte, dass Jungs doch nicht so das Wahre für ihn waren und ich den niedlichen Kerl entdeckte, der in die Wohnung unter uns gezogen war.
Ich machte meine Runde durch das Haus, riss alle Fenster auf, um Frischluft hereinzulassen und schloss sie bei meiner zweiten Runde durch das Haus alle sorgsam wieder. Ich war in diesen Dingen gewissenhaft und kontrollierte lieber noch ein zweites Mal nach, ehe ich Zweifel aufkommen ließ. Immerhin vertrauten mir die Rottgens und ich würde diesen Job das nächste Jahr nochmal machen wollen. Anschließend genoss ich eine Wellness-Dusche mit Regenschauerberieselung, schwamm ein paar Runden in dem wohl größten Pool, den ich je gesehen hatte und setzte mich dann aus gewohnter Bequemlichkeit nur mit einem Handtuch um die Hüften und mit einem Teller voller kulinarischer Köstlichkeiten ins Wohnzimmer, um mich weiter auf meine Klausuren vorzubereiten und noch ein paar Recherchen zu meinem Referat zu machen. Das Haus gehörte mir allein, wer sollte sich demnach über meinen ziemlich freizügigen Aufzug stören. Selbst die reichhaltige Ansammlung von Familienbildern auf der Kommode neben dem Fernseher, konnte mich daran hindern, nur mit einem Handtuch bekleidet durch das Haus zu laufen.
Oft sah ich mir die Bilder an und stellte mir vor, wie voll das riesige Haus bei großen Familientreffen sein würde. Mein Vater war Einzelkind, genau wie ich. Und meine Mutter hatte nur eine Schwester, so dass sich die Größe unserer Familienfeste in Grenzen hielt. Ich hob ein Bild hoch, das Volker Rottgen mit seinem siebenjährigen Patensohn bei einem Angelausflug vor einigen Jahren zeigte, wie er mir bei der ersten Begehung letztes Jahr berichtet hatte, und betrachtete es kurz. Der Junge besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rottgens Sprössling, dieselben wirren schwarzen Zottel, dieselben dunklen Augen und dasselbe freche Grinsen. Ein Grinsen, in das ich mich verliebt hatte, mir jedoch Tag für Tag aus dem Kopf schlug. Piet Rottgen war erst fünfzehn.
Kurz vor Mitternacht machte ich die dritte und letzte Runde für diesen Tag, bevor ich die Alarmanlage anschaltete und mich in mein Wasserbett verkroch. Ich war eben im oberen Stockwerk unterwegs, als ich glaubte, unten ein Geräusch ausgemacht zu haben. Ich blieb unversehens in dem breiten Korridor stehen, hielt einen Moment den Atem an und lauschte angespannt in die beinahe gespenstische Stille des Hauses.
Nichts mehr.
Stille.
Das Haus war riesig. Ich war mir nicht sicher, was ich gehört zu haben glaubte. Es klang wie das Schließen einer Türe, konnte aber auch etwas anderes gewesen sein, denn ich hatte mich auf andere Dinge konzentriert. Manchmal knarzte die breite hölzerne Treppe, ohne dass sich jemand darauf bewegte. Holz war ein lebendiges Material und selbst wenn es schon Jahre zuvor gefällt, getrocknet oder verarbeitet war, konnte es noch arbeiten, so dass es hin und wieder knackste und knarzte. Während meiner ersten Sitting-Zeit in diesem Haus war ich des öfteren erschrocken zusammengezuckt, weil die Holztreppe oder einer der Dielen im Wohnzimmer oder die Mahagoniholz-Täfelung im Esszimmer knarzte. So war Holz eben.
Und auch diesmal schien sich einer der hölzernen Einrichtungsgegenstände wieder in Erinnerung gerufen zu haben, denn es blieb still.
Ich atmete tief durch und fuhr mit meiner Runde fort. Die Zimmer der kleinen Mädchen kamen als nächstes dran. Fenster zu, die Verriegelungen kontrollieren, sonst sprang die Alarmanlage an, nachdem ich sie aktivierte – war mir beim ersten Mal ein paar Mal passiert. Ich kontrolliere auch sorgsam, ob alle Lichter und Elektrogeräte ausgeschaltet waren. Ich hatte mit den Besitzern vereinbart, dass ich in unregelmäßigen Abständen in den einzelnen Zimmern Licht zu machen hatte, damit es den Eindruck erweckte, es sei jemand zu Hause. Die Lichter, die ich zuvor angeknipst hatte, machte ich jetzt aus und schaltete andere an, bis ich schließlich zu Bett ging und diese ebenfalls löschte. Ein Ritual, das mir nun zur Gewohnheit geworden war. Ich dachte nicht mehr länger darüber nach, sondern schaltete Lichter an und aus und manchmal sogar die Stereoanlage der Kinder – wobei mir der Musikgeschmack des halbwüchsigen Jungen besser gefiel, als die zuckersüßen Pop-Diven der Mädchen.
Ich hatte eben das Gekreische aus den Lautsprechern der Mädchen abgeschaltet, als ich glaubte ein weiteres Mal ein Geräusch im Haus zu hören. Ich blieb stehen und lauschte.
Falls jemand im Haus war, hätte er durch den Lärm, den ich mit den Musik-Anlagen produzierte, bereits auf mich aufmerksam werden müssen.
Es durfte jedoch niemand im Haus sein. Der Gärtner kam erst in zwei Tagen, die Putzfrau erst wieder am Montag und die Köchin hatte ebenfalls drei Wochen Urlaub. Deswegen war ich ja hier – allein.
Mit angehaltenem Atem löschte ich das Licht im Zimmer der Mädchen und schlich mich in den Korridor, um abermals zu horchen.
Wieder Stille.
Die Treppe konnte es nicht sein. Wenn sie einmal knarzte, würde sie für mindestens vier Tage den Mund halten, wusste ich und hoffte, dass sich Treppe und Esszimmer-Holztäfelung lediglich gegen mich verschworen hatten. Langsam ging ich zur Treppe, blieb am oberen Absatz stehen und lauschte nach unten. Wenn sich jemand im Haus aufhielt, konnte ich mich nicht auf leisen Sohlen ins Erdgeschoss schleichen. Die Holztreppe würde mich verraten. Abgesehen davon hatte ich mich eh schon mit der Musik bemerkbar gemacht, also konnte ich auch über die knarzende Treppe nach unten gehen und nachsehen.
Bislang hatte es noch niemand gewagt, ins Haus einzusteigen. Das letzte Mal, als ich das Haus hütete, war überhaupt nichts vorgefallen, außer den drei oder vier Malen, wo ich den Alarm selbst ausgelöst hatte, weil ich vergessen hatte, die Fensterverriegelungen zu schließen. Ich glaubte auch nicht, dass es jemand wagen würde. Dieses Viertel hier war einer der betuchteren von München. Eine Villa nach der anderen säumte die breiten Straßen, mit üppigen Gärten, hohen Mauern, unüberwindlichen Zäunen, Alarmanlagen und Videoüberwachung an allen Ecken und Enden. Ich hatte auch nicht gehört, dass in der Umgebung irgendwo eingebrochen worden wäre. So war ich mir sicher, dass sich lediglich eine Maus oder vielleicht auch wieder der gefräßige Kater vom Nachbarhaus hier eingeschlichen hatte.
So leise es die Treppe möglich machte, schlich ich über die Holzstufen nach unten und blickte ins Wohnzimmer. Niemand.
Der Fernseher lief auf Stummschaltung. Mein Laptop auf dem Tisch sirrte leise vor sich hin. Meine Unterlagen und Bücher lagen noch immer so verstreut herum, wie ich sie hinterlassen hatte. Ich ging in das Esszimmer und weiter in die Küche. Doch auch dort war niemand. Nicht einmal der Kater, der die Hundeklappe der Hintertür dafür nutzte, hier Extraportionen abzustauben. Ich war mir jedoch sicher, die Hundeklappe verriegelt zu haben, sah aber sicherheitshalber nochmal nach. Sie war verriegelt, kein noch so verfressener Kater würde durch sie hindurch kommen. Und der Hundenapf sah noch genauso blank und sauber aus, wie ihn die Putzfrau am Montag dort unten in der Ecke zwischen Kühlschrank und Anrichte hingestellt hatte.
Vielleicht hatte ich mich nur getäuscht?
Kopfschüttelnd ging ich ins Wohnzimmer zurück und begann, meine Utensilien zusammenzuraffen, um sie in meine Tasche zu stecken. Ich nahm eben die Fernbedienung des Fernsehers in die Hand, als mich ein weiteres Geräusch aufschrecken ließ. Diesmal kam es aus dem Arbeitszimmer des Hausherrn, das am Ende des Korridors lag. Es hörte sich an, als sei etwas umgefallen, ein Buch oder ähnliches. Ich legte die Fernbedienung lautlos auf den Tisch und schlich mich in den Flur, um kurz stehen zu bleiben und zu lauschen.
Rufen wäre wohl die schlechteste Idee gewesen, sagte ich mir, als ich mit diesem Gedanken liebäugelte. Damit machte ich einen eventuellen Einbrecher nur auf mich aufmerksam. Es könnte ja auch sein, dass all die Lichter, Anlagen und Fernseher per Computersteuerung an und aus geschaltet wurden. Das gab es. Einer der Nachbarhäuser wurde so betrieben. Die Familie Rottgen setzte lieber auf einen lebendigen Housesitter.
Auf leisen Sohlen, barfuß, pirschte ich mich den Korridor entlang und blieb kurz vor der Türe zum Arbeitszimmer stehen, um abermals zu lauschen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Falls sich wirklich ein Einbrecher im Haus befand, sollte ich vielleicht lieber die Polizei rufen, sagte ich mir, wusste aber, dass ich mich erst davon überzeugen musste, dass es auch tatsächlich so war. Ich konnte mich noch gut an die sarkastischen und sogar erbosten Kommentare der Polizisten erinnern, die aufgelaufen waren, als ich beim ersten Mal die Alarme ausgelöst hatte. Wenn ich also die Polizei rief, musste ich mir sicher sein, dass jemand im Haus war.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und öffnete leise die Türe zum Arbeitszimmer, spähte vorsichtig hinein und schob sie schließlich gänzlich auf.
Im Zimmer war niemand. Ich trat ein, ging um den Schreibtisch herum, blickte sogar hinter die Gardinen, doch niemand war hier.
Etwas verwirrt sah ich mich im Zimmer um, auf der Suche nach dem Gegenstand, der umgefallen sein könnte – aus welchen Gründen auch immer. Tatsächlich entdeckte ich eines der alten Atlanten, in dem Regal gegenüber dem Schreibtisch. Er lag umgekippt auf dem flachen Stapel Papier, der daneben gelegen hatte. Ich war mir sicher, dass er bei meinem ersten Durchgang noch senkrecht gestanden hatte. Kopfschüttelnd stellte ich den Wälzer wieder auf und suchte nach einem Hinweis, warum er umgefallen sein könnte. Der alte Atlas war ein sehr dickes Buch und stand äußerst stabil auf seinen breiten Kanten. So stand er bereits viele Jahre, ohne dass er sich zur Seite neigte. Ich machte auch einen kurzen Wackeltest. Das Buch stand stabil. Von alleine umgefallen sein könnte er demnach nicht.
In Folge dessen – musste noch jemand im Haus sein.
Mit dieser Erkenntnis schoss pures Adrenalin durch meine Adern und mein Herzschlag beschleunigte sich abrupt. Ich leckte mir nervös über die Lippen, verließ leise das Arbeitszimmer und schlich zum Wohnzimmer, wo das Telefon lag. Da ich mir nun sicher war, dass sich ein Einbrecher im Haus befand, konnte ich nun getrost die Polizei anrufen. Ich könnte zwar auch einfach den Alarm auslösen, in dem ich auf den roten Knopf neben der Eingangstüre drückte, doch dies und die schrille Sirene, die daraufhin die gesamte Nachbarschaft aufweckte, würde den Einbrecher verscheuchen, noch ehe die Polizei eintraf. Besser war die andere Möglichkeit: die Polizei mittels des Codes zu alarmieren, das Haus schnell zu verlassen und dann den Sperrcode per Handyübermittlung zu aktivieren, damit der Einbrecher im Haus eingeschlossen war. Eine Neuerung, die es seit diesem Jahr gab, wie mir der Hausbesitzer mitgeteilt hatte. Und ich schien nun der Glückliche zu sein, der die Funktion ausprobieren durfte.
Ich eilte also ins Wohnzimmer und suchte nach dem entsprechenden Telefon, in das diese Codes einprogrammiert waren. Doch kaum hatte ich es gefunden und in die Hand genommen, erhielt ich von hinten einen heftigen Rempler, so dass ich vorwärts stolperte, gegen das Sofa stieß und das Gleichgewicht verlor. Das Handy rutschte mir aus der Hand, als ich versuchte, meinen Sturz mit den Händen abzufangen. Es schlitterte über den glatten Boden und verschwand unter einem der wuchtigen Wohnzimmerschränke.
Mit einem derben Fluch, sah ich ihm hinterher. Meine Chance, die Polizei zu rufen, oder gar den Alarm auszulösen, lag beinahe unwiederbringlich verborgen unter einem dieser massiven, dicken Schränken.
Ich fuhr herum, als ich über mir eine Bewegung ausmachte und prallte gegen das Bein der Gestalt, die sich über mir aufgebaut hatte.
Ich konnte nur dunkle Beine und dicke Stiefel erkennen – der Einbrecher, schoss es mir mit einem gewaltigen Schuss Adrenalin und Angst durch den Kopf.
Stählerne Finger vergriffen sich in meinem Haar und zerrte mich auf die Beine, aber nur, um mich abermals hart von sich zu stoßen. Ich stolperte wieder, fiel auf die Knie und wäre zur Seite gekippt, wenn da nicht das andere Sofa gewesen wäre. Wieder verkrallten sich Finger wie Roboterhaken in meinen Haaren, die zu meinem Leidwesen lang genug waren, um sich richtig darin festhalten zu können.
Er zerrte mich ein weiteres Mal auf die Beine.
Endlich überwand ich meinen anfänglichen Schock und ging in Gegenangriff über. Ich warf mich dem Kerl entgegen, versuchte, ihn mit dem Schwung und meinem Gewicht von den Beinen zu hebeln und ihn dadurch zu zwingen, seinen Griff zu lösen. Er löste ihn zwar, bekam jedoch meinen Arm zu fassen. Roboterzangen, so unbarmherzig und gnadenlos und schmerzhaft schlossen sich um mein Handgelenk und wirbelten mich herum. Er drehte meinen Arm auf den Rücken und bog ihn so hoch, dass meine Schulter augenblicklich mit Schmerz überflutet wurde. Mit einem Schrei gab ich meinen Angriff auf. Der heftige Schmerz in meiner überdehnten Schulter, sorgte dafür, dass ich mich beinahe willenlos gegen den massiven Schrank drücken ließ, unter welchem das Telefon verschwunden war.
Erst als ich gegen die Holztüre knallte und sich die kunstvollen Schnitzereien in meine Wange drückten, schien er den Druck auf meine Schulter zu vermindern, denn der Schmerz wurde etwas weniger.
„Wer bist du?“, zischte es in meinem Nacken. Er verstärkte den Druck auf meinen Arm wieder, als ich nicht sofort antwortete. Seine Finger in meinen Haaren verkrampften sich, so dass meine Haarwurzeln protestierend knirschten. Mit festem Druck presste er mein Gesicht gegen den Schrank. Die Holzverzierungen drückten sich noch tiefer in meine Wange, worauf ich einen schmerzerfüllten Laut von mir gab.
„Brugg“, presste ich mit einem Keuchen hervor. „Sebastian Brugg. Ich bin der Housesitter, solange die Rottgens im Urlaub sind.“ Ich sah keine Veranlassung, ihn anzulügen; würde mir sicherlich ohnehin nicht viel helfen. Vielleicht nur insoweit, dass für mich kein Lösegeld zu bekommen war. Außerdem fiel mir unter der Pein der Schmerzen keine einzige plausible Lüge ein.
„Scheiße, Mann“, keuchte ich, als er schwieg und offenbar immer noch nicht gewillt war, mich loszulassen. Solange mich der Schmerz gepeinigt hatte, konnte ich nichts anderen tun, als zu jammern. „Lass mich los, du verdammter Dieb!“, zischte ich und versuchte eine Gegenwehr. Doch sofort verstärkte der Kerl wieder den Druck auf meine Schulter und ich zischte vor Schmerz abermals auf.
Es war nur eine Warnung, erkannte ich, als er bald darauf, den Arm wieder etwas senkte und der Schmerz in meiner Schulter nachließ.
„Die Bullen sind unterwegs“, keuchte ich wütend. „Du hast keine Chance.“
Der Kerl in meinem Rücken lachte nur. Ein überhebliches Lachen, selbstsicher und wissend, dass ich log.
„Der Alarm ist noch aus“, raunte er amüsiert in mein Ohr und presste mich mit seinem Körper gegen den Schrank. Der heiße Atem des Einbrechers strich dabei an meinem Hals vorbei.
Ein Prickeln rann durch mich hindurch – heiß und elektrisierend. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht erschrocken vor mir selbst, aufzukeuchen.
„Niemand wird uns stören.“
Genau dies machte mir solche Sorgen. Ich war allein mit diesem Kerl, einem Einbrecher, der offenbar nicht davor zurückschreckte, Gewalt anzuwenden. Weder die Polizei, noch die Hausbesitzer, noch sonst wer, wusste, dass ich in Nöte geraten war. Ich hoffte nur, dass er sich mit den Wertgegenständen im Haus zufrieden gab und mich am Leben ließ.
„Was hast du nun vor?“, keuchte ich und kämpfte gegen die aufkeimende Angst in mir an. Ich hatte bislang kaum Kontakt zu irgendwelchen Kriminellen. Ein paar Kumpels von mir hatten einmal ein paar Flaschen Hochprozentiges mitgehen lassen und damit auf einer Party geprahlt. Ich hatte mich geweigert, von dem Alkohol zu trinken und ihnen die Freundschaft gekündigt. Es war ja nicht so gewesen, dass sie kein Geld dafür besessen hätten oder zu jung für Alkohol gewesen wären. Es ging ihnen allein um den Kick. Damit wollte ich nichts mehr zu tun haben. Ein paar Monate später erfuhr ich, dass einer von ihnen beim Ladendiebstahl erwischt worden war. Eine gerechte Strafe, entschied ich. Das war nicht meine Welt.
Von meiner Frage angeregt, schien mich der Kerl noch fester an den Schrank pressen zu wollen. Meine Schulter knirschte verdächtig und ich zischte schmerzerfüllt auf.
„Ich bin ein Dieb“, raunte er leise. „Was sollte ich schon vorhaben?“
Die Hausbesitzer hatten mir eingeschärft, dass ich im Falle eines Falles kein Risiko eingehen sollte. Die Wertsachen im Haus seien versichert und daher ersetzbar.
„Nimm dir, was du willst und verzieh dich wieder“, zischte ich ungehalten und voller Schmerz. Meine Schulter brannte inzwischen lichterloh. Wenn er meinen Arm noch weiter nach oben drückte, würde er ihn aus dem Gelenk kugeln.
Wieder lachte der Einbrecher. Ein tiefes, kehliges Lachen, so voller Hohn und Verachtung. Ich würde ihm am liebsten ins Gesicht spucken, wenn es nicht gegen die Schnitzereien gepresst wäre. Ich wünschte auch, ich hätte ihn irgendwie näher ansehen können, als ich versucht hatte, mich umzudrehen. Ich konnte nur etwas Dunkles sehen, eine schwarze Mütze vielleicht, oder auch eine Maske. Ich war mir da nicht so sicher. Auf jeden Fall nicht ausreichend für eine Täterbeschreibung.
„Meinst du das Ernst?“, fragte er. In seiner Stimme lag etwas, was mir irgendwie Unbehagen bereitete. Ein merkwürdiger Klang schwang in ihr mit, etwas was sich tief in mir ansiedelte und ätzend und giftig zu brodeln begann. Für einen Moment keimte ein wager Gedanke in mir auf. Meinte er womöglich gar nicht die Wertsachen des Hauses?
„Ich kann mir alles aussuchen, was ich will?“
Mein Gedanke begann wilder und verheerender aufzukeimen. Plötzlich wurde mir auch wieder bewusst, dass ich recht spärlich gekleidet war. Ich trug nur ein Handtuch am Leib, das bei dem Gerangel dem Himmel sei Dank nicht verloren gegangen war. Dennoch war ich extrem leichte Beute.
„Verpiss dich!“, zischte ich und wagte einen erneuten Versuch, mich aus seinem Griff zu winden – mit dem Ergebnis, dass er den Druck wieder verstärkte und ich vor Schmerz aufschrie und meine Gegenwehr natürlich sofort wieder einstellte. Ich besaß auch einen ungünstigen Stand, brachte meine Beine nicht zusammen, da er sich zwischen meine Füße gestellt hatte und dort stehen blieb wie zwei Betonklötze. Meine Knie bohrten sich in das Holz, schmerzten inzwischen ebenso wie meine Wange, auf die sicherlich ein bleibender Abdruck der Schnitzereien zurückblieb. „Lass mich los!“, zischte ich und versuchte, ihn von mir zu schieben, indem ich meinen Körper vom Schrank weg drückte. Doch dadurch drückte ich mich noch näher an ihn. Mein Hintern presste sich direkt auf seinen Unterleib, worauf ihm ein leises Stöhnen entkam.
„Ach, so einer bist du...“, raunte er, ganz nahe an meinem Ohr. Heißer Atem strich über meinen Nacken und meinen Hals, als er sich weiter vorbeugte und die pulsierende Schlagader an meinem Hals mit einem Kuss bedeckte.
Ich erschauderte. „Nein, nicht...“, keuchte ich und versuchte, seinen Lippen zu entkommen. Ein weiteres Mal schoss pures Adrenalin durch meine Adern. „Lass mich los, du verdammter Dieb!“, zischte ich und wagte einen weiteren Versuch. Ich stemmte mich gegen einen Körper, drückte mich von der Schranktüre weg, versuchte, mit der freien Hand nach hinten zu greifen, um ihn zu packen oder so fest zu kneifen, dass er mich losließ, doch er wich mir geschickt aus, ohne seinen Körper allzu weit von meinem zu nehmen. Ich blieb nach wie vor dort an dem Schrank festgenagelt. Schließlich versuchte ich eine andere Strategie, schob mich zur Seite, doch er presste mich so fest an die Schnitzereien, dass ich mir dadurch fast den Bauch aufschlitzte. Dann trat ich ihm auf die Füße, so gut es eben ging. Er trug Stiefel, ich war barfuß. Für diese Idee hatte er nur ein amüsiertes Kichern übrig.
„Du bist richtig süß, wenn du so wütend bist“, säuselte er, als ich resigniert aufschnaufte.
Scheiße Mann, ich besaß wirklich schlechte Karten. Ansich hatte ich nichts gegen einen Gelegenheitsfick, doch das was dieses Arschloch offensichtlich mit mir beabsichtigte, entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen von Vergnügen. Der Kerl war um einiges stärker als ich, würde mich vermutlich mit einem einzigen Schlag seiner Faust niederstrecken können. Und dann war ich ihm ausgeliefert.
„Lass mich los. Bitte!“, änderte ich schließlich abermals meine Strategie. „Hier gibt es genug Zeug, das sich auf dem Schwarzmarkt lohnt. Nimm es und verschwinde.“
Er lachte nur und nahm die Hand von meinem Kopf. Dies gab mir zwar die Gelegenheit, meine schmerzende Wange etwas zu entspannen, jedoch bot es mir keine Möglichkeit, mich von ihm zu befreien. Die Hand legte sich auf meine Hüfte und stahl sich tiefer, bis zum Saum des Handtuches und zog es dann langsam und genießerisch hoch, um meine nackten Schenkel zu berühren. Ich zuckte zusammen, als sich die Fingerspitzen auf meine vor Angst schweißnasse Haut legten und versuchte, ihnen zu entkommen, indem ich mich zur Seite drängte. Doch sein harter Körper lag auf mir, hielt mich unbarmherzig und fest auf die scharfkantigen Schnitzereien gepresst. Ich war gefangen.
Mein Atem ging heftig. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. In meinen Ohren rauschte mein eigenes Blut laut und ohrenbetäubend.
„Bitte nicht!“, flehte ich und schloss die Augen. Mir wurde beinahe übel. Panik keimte in mir auf. Aufs Äußerste verwirrt stellte ich fest, dass dieses elektrisierende Prickeln immer noch da war und sich durch die Berührung seiner Finger an meinen nackten Schenkeln noch zu verstärken schien. Drehte mein Körper nun etwa vollkommen durch?
„Du hast doch gesagt, ich darf mir alles nehmen, was ich wünsche“, raunte er an meinem Ohr. Heiße Lippen fingen mein Ohrläppchen ein und knabberten ein wenig daran. In meinem Inneren explodierte eine Mischung aus Adrenalin, Panik und heißes Prickeln, als sich die Hand tiefer unter das Handtuch stahl und meine Hüfte in Besitz nahm. Ich versuchte, mich zu drehen, damit dem Weg seiner Hand Einhalt geboten wurde, doch er drückte mich wieder zurück, sogar noch etwas weiter, so dass seine Hand um meinem Schenkel herum, meinem Schwanz ganz nahe kam.
Dieses verdammte Ding schwoll doch tatsächlich an. Verflucht nochmal, was sollte das, schalt ich mich selbst.
„Ich habe etwas gefunden“, hauchte er süffisant und schob seine Hand tiefer. Nur noch wenige Zentimeter und er hatte sein Ziel erreicht. Dies durfte nicht geschehen. Dies konnte ich nicht zulassen.
In einem Aufgebot all meiner Kraft, meiner Wut und meiner Verzweiflung stemmte ich mich vom Schrank weg. Meine Schulter dankte mir dies mit einer Flut an grellem Schmerz. Ich schrie auf, ignorierte den Schmerz, konzentrierte mich nur auf meine Befreiung. Ich warf mich gegen seinen Körper, wusste im Grunde eigentlich nicht, was ich genau tun musste. Ich hatte noch nie Unterricht in Selbstverteidigung und war auch noch nie in irgendwelchen Prügeleien verwickelt. Ich wusste nur, dass ich dem entkommen musste. Instinktiv rammte ich ihm meinen Hintern in den Unterleib, warf mich herum als er nachgab, schlug mit meiner freien Hand nach ihm. Ich traf nicht, denn es war eine Handlung im Affekt, blind und unkontrolliert, und auch noch mit meiner linken Hand.
Er war nicht da, wo ich ihn vermutet hatte, nicht mehr hinter mir; plötzlich wie in Luft aufgelöst.
Ich stolperte rückwärts, von meinem eigenen Schwung getrieben und landete auf dem Hosenboden. Schnell wirbelte ich herum, um mich einem etwaigen erneuten Übergriff entgegen zu stellen, doch er befand sich nicht einmal mehr in meiner Nähe.
Verwirrt blinzelte ich und musste gegen meinen wilden Herzschlag, dem vor Panik aufkochendem Blut und meiner protestierenden Lunge ankämpfen. Zu allem Übel war bei dieser Aktion das Handtuch aufgegangen und ich saß nackt und repräsentativ wie Frischfleisch auf dem Holzboden vor dem Sofa. Er brauchte nun nur noch zuschlagen und ich war Geschichte.
Doch er tat es nicht. Er stand an der Kommode und grinste mich breit an. Unweit von mir lag das verlorene Handtuch. Ich wagte es jedoch nicht, es mir zu holen, geschweige denn aufzustehen. Denn so hätte ich ihm meine volle Pracht dargeboten, die ich in dieser kauernden Stellung wenigstens annähernd verbergen konnte. Beschämt zog ich die Beine an meinen Bauch.
Vielleicht wartete er ja nur darauf, dass ich aufstand, doch diesen Gefallen tat ich ihm nicht.
„Hi!“, sagte er grinsend.
Ich hob den Kopf und blickte ihn verwirrt an. Das Licht der Deckenlampen fiel von hinten auf ihn, so dass ich sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Abgesehen davon, war ich noch so aufgewühlt, dass tausend glitzernde Sternchen vor meinen Augen tanzten. Ihn umgab ein dunkler Kranz, der ihn unheimlich und bedrohlich wirken ließ. Aus seinem Gesicht starrten mich zwei dunkle Punkte an.
Der Einbrecher stand an der Kommode und machte keinerlei Anstalten, sich zu rühren, oder sich mir zu nähern. Er blieb einfach da stehen und betrachtete ausgiebig, was ihm da geboten wurde. Und offensichtlich gefiel ihm, was er da sah.
Unter seinem Blick loderte dieses elektrisierende Prickeln in mir nur noch mehr auf und ich musste die zwischen meinen Beinen wieder aufkeimende Erregung eindämmen, indem ich meine Beine noch mehr an mich zog. Was zum Henker ging hier vor sich?
„Ich bin eigentlich vier Wochen zu früh“, begann der Einbrecher und drehte sich leicht zur Seite, dort wo die üppige Ansammlung von Familienbildern stand. Zielsicher fischte er sich ein Bild heraus und betrachtete es nachdenklich. „Ich wusste nicht, dass Volker und seine Familie im Urlaub sind, vermutlich deswegen, weil ich eigentlich noch gar nicht hier sein sollte. Doch das mit dem Trip nach Hawai hat nicht geklappt und da dachte ich mir, ich könnte statt dessen meinen Onkel – meinen Patenonkel – etwas früher besuchen.“ Er drehte das Bild um und zeigte mir Volker Rottgen und den kleinen Jungen, wie sie stolz einen großen Fisch in die Kamera hielten. „Da war ich sieben.“ Er seufzte und sah sich das Bild nochmal kurz an, bevor er es wieder an seinen Platz stellte. „Ist schon lange her.“ Er grinste mich wieder an. „Ich bin Constantin Rottgen. Tut mir leid, wenn ich dich so erschreckt habe. Ich hielt dich auch erst für einen Einbrecher. Und als ich dich dann sah ... Diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen.“ Er grinste wieder breit, stieß sich von der Kommode ab und schlenderte langsam näher. Ohne mich aus den Augen zu lassen, beugte er sich zum Handtuch nieder, hob es auf und reichte es mir.
„Wie bist du reingekommen?“, zischte ich und riss ihm das Handtuch aus den Fingern, um es mir schnell über meine Blöße zu legen. Nie wieder lief ich so freizügig in diesem Haus herum, schwor ich mir.
„Ich kenne den Code der Türschlösser“, erklärte er mit einem leichten Achselzucken. „Ich besuche meinen Onkel beinahe jedes Jahr.“ Er ging vor mir in die Hocke und lächelte mich entschuldigend an. „Hab dich ganz schön erschreckt, was?“
Ich knurrte nur missmutig. Dass mir der Arsch gehörig auf Grundeis gegangen war, musste ich ihm nicht unbedingt auf die Nase binden. Jetzt, da er mir so nahe war, konnte ich wahrlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem siebenjährigen Jungen auf dem Foto und ihm erkennen. Vor allem erkannte ich dieses freche Grinsen wieder.
Ich war noch immer reichlich aufgewühlt. In meinen Adern summte es noch vor Adrenalin und in meinen Ohren rauschte mein Blut wild und laut. Und dieses merkwürdige Prickeln war auch noch da, war sogar noch stärker geworden, als er näher kam und sich vor mir niederließ. Ein pulsierendes Pochen, dass sich in meinem Schoß sammelte und es mir unmöglich machte, meine Beine wieder auszustrecken. Nicht solange, dieser Kerl vor mir hockte und mich mit diesem frechen Grinsen ankuckte.
„Wie wäre es, wenn wir nochmal von vorne anfangen“, schlug er vor und hielt mir die Hand hin.
Ich dachte nicht einmal im Traum daran, ihm meine Hand zu reichen. Verfluchter Scheißkerl, dachte ich im Stillen. Der hatte für alle Ewigkeiten bei mir verspielt, auch wenn er mich noch so verboten frech und verführerisch angrinste.
„Ein Friedensangebot.“ Constantin legte den Kopf leicht schief, worauf eine Strähne seiner dunklen Haare in seine Stirn rutschte. Ich widerstand der Versuchung, sie ihm aus dem Gesicht zu streichen und klammerte meine Finger fest an den Stoff des Handtuches. Mein Blick hing wie gebannt an seinem Gesicht und dem Dreitagebart, der sich kokett um seinen Kiefer und seinem leicht eckigen Kinn bahnte und ein klein wenig seinen Hals hinunter reichte. Er nahm die dargebotene Hand wieder zu sich, nachdem ich sie nicht annahm. „Du kannst mir gerne eine scheuern, wenn es dir dann besser geht. Verdient habe ich es. Aber ich hätte dir nie etwas angetan, glaube mir. Ich konnte einfach nicht anders ... als ich dich da so herumspazieren sah ...“ Er schnalzte mit der Zunge und beäugte meine nackte Brust mit einem Blick, der mir durch die Haut ging. „ ... so ein süßer Hintern ...“ Er räusperte sich verlegen, ließ kurz den Kopf zu Boden sinken und hob ihn dann wieder mit einem Seufzen hoch. „Entschuldige. Da gingen meine Hormone mal wieder mit mir durch.“ Er erhob sich, wirbelte auf dem Absatz seiner Stiefel herum und begab sich zurück zur Kommode, wo er mit dem Rücken zu mir stehen blieb.
Rasch knotete ich das Handtuch um meine Hüften und hievte mich etwas umständlich ebenfalls auf meine zitternden Beine. Dieses pulsierende Prickeln in meinem Inneren schien explodieren zu wollen. Mein ganzer Körper war in Aufruhr; aber diesmal nicht aus Angst, sondern aus Erregung. Die Beule unter meinem Handtuch wurde immer aufdringlicher und ich verwünschte mich selbst. Auch wenn mir der Kerl einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte und ich ihn dafür am liebsten auf den Mond schießen würde, konnte ich nicht verleugnen, dass mir seine Nähe nicht ganz unangenehm war. Ganz im Gegenteil. Mir wurde heiß und kalt bei dem Gedanken, dass er sich im selben Raum wie ich befand. Jener frech lächelnde Junge, den ich mir oft angesehen hatte, wenn mir beim Haussitten langweilig geworden war. Dieses Lächeln war es, dass mich immer wieder magisch an dieses Bild zog.
Ich starrte auf seinen Rücken und auf seinen Hintern, der in einer engen Jeans steckte. Mir wurde noch eine Spur heißer, als sich mein Blick nicht von den ansehnlichen Proportionen trennen wollte. Die dunkle Piloten-Jacke ließ seinen Oberkörper ausgeprägt und breit erscheinen, wie die eines Bodybuilders. Gerne würde ich die Arme anfassen und abtasten wollen, die so kräftig zupacken konnten. Seine langen, schlanken Beine steckten in eng anliegenden, blauen Jeans, die in dicken Army-Stiefeln mündeten. Ein verwegener Aufzug, wie ein bulliger Kerl, der zu allem bereit war. Einen kleinen Vorgeschmack davon, hatte ich bereits erhalten. Besonders der Hintern in der engen Jeans hatte es mir angetan. Wie magisch angezogen, landete mein Blick wieder auf derselben Stelle. Auf einmal wünschte ich mir, ich könnte ihm die Hose von den Hüften streifen und nachsehen, wie das darunter in Natura aussah.
Heiße Wellen pulsierten durch mich hindurch, als meine Fantasie Purzelbäume schlug und ich mich schon mit ihm auf dem Boden herum rollen sah. Ich musste ein Keuchen unterdrücken, als ich mir überlegte, wie sich wohl seine Lippen auf den meinen anfühlen mochten.
„Na, ja“, krächzte ich, überrascht über meine heißere Stimme, die sich irgendwie nicht so wie die meine anhörte. „Dein Hintern ist auch nicht zu verachten.“
Ich riss die Augen von seinem Hinterteil, als er sich umdrehte und blickte schnell zur Seite. Er musste ja nicht sehen, dass ich ihm die ganze Zeit gierig sabbernd auf den Arsch gestarrt hatte. Ebenso hob ich schnell meine Handflächen vor meine dicke Beule, in der Hoffnung, dass er das nicht bemerkte. Doch seine Augen wurden geradezu davon angezogen. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht rasch tiefer, dort wo ich verzweifelt etwas zu verbergen suchte.
Dieses strahlende Grinsen erschien allmählich wieder auf seinem Gesicht. „Hat das was mit mir zu tun?“, fragte er und deutete mit dem Kinn auf meine Hände.
Ich wand mich verlegen und wünschte mir, ich hätte irgendwas, wohinter ich verschwinden könnte, irgendeine dicke Wand aus Stahl und Beton, hinter der ich mich verkriechen konnte. Mein Gesicht lief rot an und mir wurde noch heißer. Schweiß bildete sich in meinem Nacken. Kalter Schweiß, der mich frösteln ließ und eine Gänsehaut über meinen Rücken jagte.
Als er schließlich langsam wieder näher schlenderte, kämpfte ich mit dem Drang, zurückzuweichen. Ich wollte seine Lippen kosten, wollte ihn schmecken, seinen Duft und seinen Geschmack in mir aufnehmen – und ihm danach eine scheuern, für den Schreck, den er mir verpasst hatte. Angeboten hatte er es mir ja.
Ich räusperte mich verlegen und wand mich unter seinem Blick. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt, aber wie es das Schicksal nun mal wollte, sollten wir ziemlich heftig aufeinander prallen.
So heftig, dass ich vor Angst beinahe in die Hose gemacht hätte – wenn ich nur eine angehabt hätte.
„Was tun wir nun dagegen?“, erkundigte er sich so beiläufig, als handelte es sich um die belangloseste Sache der Welt. Für mich war es eine Tragödie.
„Ich weiß nicht“, gab ich achselzuckend von mir. „Vielleicht … vielleicht fängst du erst einmal damit an, mich zu küssen.“ Ich reckte herausfordernd mein Kinn und widerstand seinem Blick.
Auch wenn es seine Scheißidee war, mich auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen … ich wollte diesen Kerl auf einmal haben. Ich wollte ihn in meinem Bett haben, unter mir oder über mich, war mir egal. Aber vielleicht erst einmal an meinen Lippen.
Constantin kam tatsächlich noch näher, so nahe, dass er seine Hände auf meine Schulter legen konnte und zog mich ganz langsam und vorsichtig an sich heran, als befürchtete er, dass er mich nochmal erschrecken könnte. Ich sträubte mich erst, doch dann gab ich nach. Seine Finger rutschten höher, vergruben sich in meinem Haar, so wie er es vorhin gemacht hatte, als er mich höchst unsanft vom Boden hoch gezerrt hatte, doch diesmal mit wesentlich mehr Gefühl, wesentlich behutsamer und vorsichtiger, als wollte er die zuvor gepeinigten Stellen nun schuldbewusst besänftigen, trösten und den Schmerz tilgen.
„Tut's noch weh?“, wollte er ganz nahe vor meinem Gesicht wissen. Seine Stimme war fast nur noch ein Hauch, so sanft und schuldbewusst, als könnte sie kein Wässerchen trüben.
Ich schüttelte langsam und vorsichtig den Kopf. Meine Schulter schmerzte noch ein wenig, aber das würde ich ihm irgendwann nochmal heimzahlen, sagte ich mir, vor allem, als sich seine Lippen endlich auf meine legten und ich ihn endlich schmecken durfte.
Und vor allem, als er seinen Bauch auf meine pralle Erregung drückte und sanft seine Hüften daran rieb.
Und dann war da noch die Sache mit dem Telefon, das ich irgendwie unter dem Schrank hervorholen musste.



Impressum

Texte: Ashan Delon (C) 2011
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011

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