Dass es ein hartes Stück Arbeit werden würde, dessen war ich mir bewusst, als ich mich dazu entschloss, eine Woche meines Jahresurlaubs damit zu verbringen, meine Küche komplett zu renovieren.
Bei meinem Einzug vor drei Jahren übernahm ich einen Teil der Einrichtung, wie die Küche und auch einige Einbauschränke. Die Küche mit ihrem rotorange farbenen Türfronten entsprach zwar nicht ganz meinem Geschmack, da ich aber nicht genug Geld besaß, um Umzug, Renovierung und neuer Küche zu finanzieren, blieb sie erst mal drin.
Nach drei Jahren war es schließlich soweit. Ich konnte das Rotorange nicht mehr sehen. Nach dem Motto, selbst ist der Mann, riss ich in einem Gewaltakt von einem Tag sämtliche Schränke, Regale und Elektrogeräte heraus und stopfte sie in den gemieteten Sperrmüllcontainer draußen im Hof. Der Nachteil daran war, dass ich abends kaputt war und ohne Möglichkeit in meiner Wohnung saß, mir ein Abendessen zu machen. Daher brütete ich nun vor einer dieser bunten Broschüren eines Lieferdienstes und überlegte mir, auf welches dieser Köstlichkeiten mein knurrender Magen Appetit hätte. Als die Entscheidung gefallen war, schnappte ich mir mein Telefon und wählte die groß auf der Vorderseite aufgedruckte Nummer.
Nach dem dritten Klingeln ging jemand ran.
„Pizzaexpress Ost, Guten Abend. Was darf es denn sein?“
Überraschung Nummer Eins: Eine angenehme, freundliche männliche Stimme, deren offenkundige gute Laune nahezu durch das Telefon zu mir rüber sprang. Unwillkürlich musste ich selbst lächeln.
Überraschung Nummer zwei: Eine angenehme, freundliche und verständliche männliche Stimme. Die meisten Lieferservice wurden von ausländischen Leuten betrieben, Inder, Pakistani, Italiener, Türken oder Asiaten, die zumindest ich nicht sonderlich gut am Telefon verstehen konnte.
„Äh... hallo, Guten Abend“, brachte ich hastig hervor, als mir klar wurde, dass ich etwas sagen musste, bevor ich für einen Perversen gehalten wurde, der nur ins Telefon hechelte. „Ich hab eine Bestellung, zum Liefern“, fügte ich schnell hinzu. Wieso begann mein Herz plötzlich so zu klopfen?
„Gerne“, antwortete der Kerl am anderen Ende. Seine Stimme klang etwas jünger, nicht ganz so jung, vielleicht zwanzig oder Ende Dreißig. „Was dürften wir ihnen denn bringen? Haben sie unsere Speisekarte?“
„Ja, hab ich. Pizza Nummer 14, bitte.“
„Pizza Nummer 14 ist mit Peperoni. Wollen sie es mild oder scharf?“
Ich überlegte kurz. Hin und wieder mochte ich scharfes Essen. Ich blickte mich kurz um und entdeckte zwei Flaschen Mineralwasser, die auf dem Boden neben der Türe zur Küche standen. „Scharf“, gab ich unwillkürlich von mir.
„In normal, groß oder Family?“
Abermals musste ich kurz nachdenken. Mein Magen knurrte zur Antwort. „Groß.“
„Okay. Einmal große Pizza 14 scharfe Peperoni. Sonst noch was? Vielleicht einen Salat, oder ein Getränk?“
Die Stimme gefiel mir. Sie hatte was vertrauenswürdiges an sich. Sicherlich saß er deswegen am Telefon des Pizzadienstes. Weil er so nett klang, dass man ihm alles abkaufte.
„Nein, danke“, sagte ich trotzdem. Ich mochte kein Grünfutter und zu trinken hatte ich selbst genug.
„Wo dürfen wir es hinbringen?“, erkundigte sich die Stimme am anderen Ende der Leitung freundlich.
Schade, dass sich das Videotelefon noch nicht so verbreiten konnte. Ich hätte was darum gegeben, den Typen persönlich zu sehen. Ich war neugierig geworden.
„Königsstraße 7, zweiter Stock“, antwortete ich.
„Und der Name?“, hakte der Kerl nach.
„Buchholz“, antwortete ich. „Torsten Buchholz.“
„In Ordnung, Herr Buchholz. Ihr Abendessen wird in circa zwanzig Minuten bei ihnen sein.“
Irgendwie fand ich den Kerl witzig. Selten wurde man so freundlich und frohgelaunt bedient. Diese gute Laune steckte an und ich grinste inzwischen.
„Danke schön“, flötete ich. „Ich warte.“
„Einen schönen guten Abend“, verabschiedete sich der Pizzalieferant. Wenig später klickte es und der Besetztton kündigte an, dass das Gespräch beendet war.
Diesen Lieferanten musste ich mir merken, sagte ich mir im Stillen. Wenn die ganze Crew so nett und freundlich war, wie war dann erst die Pizza?
Zwanzig Minuten, erinnerte ich mich. So lange musste ich auf diese scharfe gute Laune Pizza warten. Eigentlich noch genug Zeit, um schon schnell unter die Dusche zu springen. Gesagt, getan. Ich riss mir die verstaubten und verschwitzten Klamotten vom Leib und wenig später rieselte bereits heißes, wohltuendes Wasser über mich. Gute zehn Minuten später war ich fertig, trocknete mich rasch ab, wickelte das feuchte Handtuch um meine Hüfte und föhnte mir rasch die Haare. Dafür brauchte ich für gewöhnlich nicht länger als fünf Minuten. Sie waren praktisch kurz geschnitten und saßen auch ohne lange Heißluftsession, Haargel oder sonstige Hilfsmittel. Abgesehen davon, wollte ich keinen Männermodellwettbewerb gewinnen, sondern nur entspannt und sauber eine Peperonipizza genießen.
Ich schaltete den Föhn aus, als ich glaubte, die Türglocke zu hören und lauschte.
Tatsächlich klingelte es abermals. Ich sah auf die kleine Uhr im Badezimmer, die mich am Morgen immer wieder aufs Neue daran erinnerte, dass ich stets fünf Minuten zu spät dran war. Der Pizza-Anruf war noch nicht einmal fünfzehn Minuten her. Wenn das der Pizzadienst war, waren sie echt schnell. Meist wurden die am Telefon versprochenen Zeiten weit überschritten.
Ich legte den Föhn auf den Klodeckel und ging an die Türe, um die Sprechanlage zu betätigen.
„Ja?“, fragte ich.
„Pizza!“, rief eine gut gelaunte Stimme. Dieselbe Stimme, mit der ich vor nicht weniger als fünfzehn Minuten gesprochen hatte.
Ich drückte auf den Türöffner. Die waren in der Tat schnell. Als ich das letzte Mal dort bestellt hatte, musste ich über eine halbe Stunde warten und bekam dann eine fast kalte Pizza, die ich mir im Ofen erst noch einmal aufwärmen musste, ehe ich sie genießen konnte. Das war … ich musste kurz überlegen … vor ungefähr einem dreiviertel Jahr gewesen. So lange hatte ich schon keine Pizza mehr bei diesem Dienst bestellt. Vielleicht genau deswegen. Ich hatte es nur vergessen.
Wenig später hörte ich Geräusche hinter der Türe und ich spähte neugierig durch den Spion. Es stand niemand davor. Entweder war er gerade zur Seite getreten, so dass ich ihn durch den Türspion nicht sehen konnte, oder einer der Nachbarsjungen war wieder auf Streichetour. Da ich jedoch auf den Pizzamann wartete, vermutete ich eher ersteres. Die Klingel neben meiner Haustüre war so dumm angebracht, dass ich den Besucher nicht sehen konnte, wenn er auf den Knopf drückte. Erst dann, wenn er einen Schritt zur Seite machte und sich direkt vor die Türe stellte, konnte ihn der Spion erfassen. Als es auch schon klingelte, zuckte ich erschrocken zusammen.
Meine Finger zitterten merkwürdigerweise, als ich sie auf die Türklinke legte und die Wohnungstüre öffnete. Den freundlichen Klang der Stimme im Ohr, begann es in meinem Bauch seltsam zu kribbeln. Ich schluckte hart und schwang die Türe auf.
„Guten Abend, Herr Buch...“, rief der Pizzamann sogleich und stockte augenblicklich, als er mich erblickte. Vor der Türe stand ein hoch gewachsener Kerl, in lässigen, weiten graugemusterten Shorts, einem weiten leuchtend roten T-Shirt mit dem Emblem des Pizzalieferanten und einer lustigen hellblonden Rastamähne, die er mittels eines Knotens am Hinterkopf in Ressort hielt. Wie ich bereits am Telefon vermutete, Zwanzig, Mitte Dreißig, keinesfalls älter. Auf dem Boden neben seinen weißen Nike-Sneakers eine geöffnete grüne Warmhaltebox. Seine bernsteinfarbenen Augen wurden groß und wanderten von meinem Gesicht sogleich tiefer in die Region, in der Mitte meines Körpers.
Ich folgte seinem Blick und sah an mir herunter.
Scheiße!
Ich trug ja nur das Handtuch um meine Hüften. An sich nichts tragisches.
Doch etwas, das sich darunter unbemerkt selbständig gemacht hatte, bildete nun eine kleine aber sichtbare Beule.
Mein Kopf füllte sich augenblicklich mit heißem, kochendem Blut und ich flüchtete förmlich mit meiner Frontseite hinter die Haustüre.
Der Pizzakerl räusperte sich dezent. „Herr Buchholz“, beendete er seinen Satz. Mehr als deutlich schwang Belustigung in seiner Stimme mit. Auf dieses Weise hatte ich dazu beigetragen, dass seine gute Laune noch größer wurde. „Macht Neun fünfzig“, sprach er weiter und hielt die weiße Pappschachtel mit dem großen roten Punkt des Pizzaexpress Ost auf der Oberseite durch die Türe. Mein kleiner Flur hatte sich bereits mit dem scharfen Geruch der Peperoni angereichert.
„Moment“, murrte ich. Mein Geld lag im Wohnzimmer auf dem Tisch. Ich hätte auch gleich daran denken können, es mitzunehmen. Nun musste ich halb nackt, vor den Augen eines Fremden durch den Flur gehen und es holen. Ich schob die Türe etwas weiter zu, aber nicht so weit, dass er den Eindruck bekam, ich würde ihm die Türe vor die Nase knallen. Ich wollte mir damit lediglich einen toten Winkel erschaffen, einen uneinsichtigen Bereich, in welchem ich ins Wohnzimmer flüchten konnte. Leider lagen da keine Klamotten, in die ich auch noch schnell hätte schlüpfen können. Doch dann winkte ich meine Bedenken zur Seite. Es war schon zu spät. Er hatte mich bereits so gesehen. Und bestimmt war ich nicht der einzige Kunde, der so an die Türe ging. Sicherlich hatte er schon die dollsten Dinger erlebt, so schnell wie er sich wieder gefasst hatte.
Ich kam mit einem Zehner zurück und hielt es ihm hin, während ich mit der anderen Hand die Pizzaschachtel nahm. „Passt schon“, krächzte ich verlegen. Unsere Finger streiften sich zufällig, als er seine Hand ausstreckte und nach dem Geldschein griff.
Ich zuckte leicht zusammen, als ein gewaltiger Schub Adrenalin durch meine Adern schoss und mein Herz plötzlich rasend schnell zu pochen begann. Meine Knie begannen zu zittern. Ich sah hoch und begegnete direkt den sanften hellbraunen Augen, die mich interessiert musterten, während er den Schein an sich nahm und einfach in die Vordertasche seiner Skater-Shorts steckte. Dabei musste er das T-Shirt ein wenig anheben. Für einen kurzen Moment gab er den Blick auf einen winzigen Fleck nackter Haut seines Bauches frei. Ein mildes Lächeln huschte um seine Mundwinkel. Seine Lippen öffneten sich leicht. Mir wurde entsetzlich heiß.
„Einen guten Appetit, Herr Buchholz“, raunte er mit ungewohnt rauer Stimme. Sein Kehlkopf hüpfte einmal auf und ab, als er offenbar schlucken musste. Dann riss er sich abrupt los, wirbelte herum und schlenderte schnellen Schrittes durch das Treppenhaus davon. Ich sah ihm bewegungslos hinterher, brachte nicht einmal ein „Danke!“ heraus.
Erst als ich unten die Haustüre ins Schloss scheppern hörte, konnte ich mich aus meiner Starre lösen.
Was zur Hölle war gerade passiert?
Eine einfache Pizza, ein einfacher Pizzabote...
Und ich stand da wie der letzte Trottel, mit Beule unter dem Handtuch und knallroter Birne.
Wo zum Henker kam diese Beule her? Es gab doch keinerlei Anlass dazu.
Gut, die Stimme hatte mir gefallen, war mir auf Anhieb sympathisch gewesen. Als ich sie dann an der Türsprechanlage wiedererkannt hatte, war so etwas wie eine freudige Erwartung durch mich hindurch gegangen, keineswegs Geilheit oder etwas dieser Art. Ich hatte den Typ noch nie vorher gesehen. Wie kam dann mein vermaledeiter Schwanz darauf, sich zu erheben und den Kerl freudig zu begrüßen? Dass er nicht auch noch gewedelt hatte, wie ein kleines Hündchen war aber auch alles.
Das war mehr als peinlich gewesen.
Ich stand noch immer an der offenen Türe, die heiße Pizza in der Hand. Schnell schloss ich die Wohnungstüre und schlurfte ins Wohnzimmer.
Echt peinlich.
Der lachte sich jetzt vermutlich einen Ast, vielleicht auch einen ganzen Wald. Ich war die Lachnummer schlechthin. Der ganze Pizzaexpress Ost wusste nun, welcher geile Trottel in der Königsstraße 7, 2. Stock wohnte und gerne scharfe Peperoni-Pizza aß.
Verflucht nochmal. Ich konnte da nie wieder anrufen.
Irgendwie war mir auch der Hunger vergangen, obwohl mein Magen erwartungsvoll knurrte, als sich nun auch meine Wohnung mit dem Duft der scharfen Peperoni füllte. Ich aß sie trotzdem und musste feststellen, dass sie gar nicht so schlecht war. Nicht nur dieser Pizzabote war lecker, auch dessen Pizza.
Am nächsten Abend stand ich vor demselben Problem.
Meine Küche war noch lange nicht fertig. Die Möbelteile standen kreuz und quer herum. Ich kletterte unentwegt über irgendwelche ausgepackten Teile, Verpackungsmaterialien und halb zusammengebauten Möbelstücken. Da ich mir vorgenommen hatte, dieses Projekt allein zu stemmen, und dies auch groß vor meinen Freunden herum posaunte, wagte ich es nicht, mir Hilfe zu holen.
Jedenfalls saß ich am Abend in meinem Wohnzimmer, jeder Muskel in meinem Körper spannte und schmerzte und studierte Lieferdienste. Den Pizzaexpress konnte ich wirklich nicht mehr anrufen, obwohl die Pizza echt gut war. Der Bote würde sicherlich einen Lachanfall bekommen, sobald er meinen Namen und meine Adresse hörte. Also schob ich die Broschüre mit dem großen roten Punkt auf der Vorderseite beiseite und entschied mich für etwas chinesisches. Meine Bestellung musste ich vier Mal wiederholen, ehe sie die offensichtlich nur asiatisch sprechende Bestellannahme richtig aufnehmen konnte. Der Bote war ein kleiner, dicklicher Mann und das Essen kalt, vermutlich weil er seine versprochenen zehn Minuten verdoppelt hatte.
Der dritte Abend und ich saß wieder vor den Broschüren der kulinarischen Lieferdienste. Der Pizzaexpress lag abseits und ich liebäugelte immer mehr mit der mit dem roten Punkt. Die Pizza war gut, besser als die Chop Sui vom gestrigen Tag. Und irgendwie war mir nach scharfer Peperoni.
Doch da konnte ich nicht mehr anrufen. Allein schon der Gedanke daran, trieb mir die Röte ins Gesicht. Ich mit dem Ständer an der Türe. Dass er mich nicht wegen Nötigung angezeigt hatte, war wohl nur seiner guten Laune zu verdanken.
Dennoch nahm ich die Broschüre zur Hand und öffnete sie. Mein Blick fiel unvermittelt wieder auf Nummer 14 mit Peperoni. Sie war echt lecker gewesen.
Fast so lecker wie der Bote.
Unter seinen weiten Klamotten konnte man nicht viel sehen, nur die nackten Schienbeine, die in den weißen Nike-Sneakers steckten. Und den kleinen, winzigen Einblick auf seinen Bauch, als er das T-Shirt hob, um den Schein einzustecken, nicht genug, um irgendwas zu sehen, oder auch nur zu vermuten. Seine ganze Erscheinung wirkte eher wie diese lässigen Typen, die immer qualmend und kiffend am Rathausbrunnen herumlungerten. Vermutlich gehörte er sogar zu ihnen, sagte ich mir, um meine Gedanken zu zerstreuen. Der Typ war das krasse Gegenteil von mir. Während er weithin sichtbar das Habt-Spaß-am-Leben-Image ausstrahlte, konnte ich manchmal schon ein ziemlicher Miesepeter sein. Ich hatte noch nie in meinem Leben kurze Shorts im Alltag getragen und zur Arbeit schon gleich gar nicht und diese Haare... Damit hätte mich mein Boss schon längst zum Friseur geschickt, mit einem Gutschein für Ganz-Körper-Hygiene-Behandlung gleich dazu. An dem Pizzaboten sah das alles aber irgendwie klasse aus. Es passte zu ihm und ich brachte es beim besten Willen nicht fertig, ihn mir irgendwie anders vorzustellen.
Ohne es zu merken, hatte ich das Telefon in der Hand und die Melodie der Nummer leierte rasch herunter, als es wählte. Mit klopfendem Herzen wartete ich darauf, dass jemand abnahm. Nach dem fünften Klingeln war es soweit.
„Pizzaexpress Ost.“
Diesmal war es jemand anderer. Die Stimme klang beinahe so wie der Chinese vom Vorabend, jedoch eine Spur deutlicher und irgendwie indisch, auch ein Mann, aber wesentlich älter. Ich räusperte verlegen und schluckte meine Enttäuschung herunter. Obwohl ich insgeheim darauf gehofft hatte, wieder diesen Hippie-Typ an der Strippe zu haben, hätte ich nicht gewusst, ob ich in der Lage gewesen wäre zu antworten. Zumindest konnte ich nun meine Pizza bestellen, ohne vor Scham zu stottern.
„Pizza Nummer 14, groß, scharf“, bestellte ich.
„Noch was?“, fragte der Mann nüchtern.
„Nein. Königsstraße 7, Zweiter Stock. Mein Name ist Buchholz.“
„Dauert ungefähr zwanzig Minuten.“
„Okay“, gab ich knapp zurück. Ich vermisste die gute Laune, die beim ersten Mal durch das Telefon zu mir geschwungen kam. Dieser Mann schnurrte seine Wörter nur einfach so herunter, lieblos, wenig interessiert, als ob er kaum noch Eifer für seinen Job aufbringen konnte. Vermutlich machte er das auch schon zu lange. Der andere hatte mir wesentlich besser gefallen.
„Wiedersehn“, kam es aus meinem Telefon.
Kein fröhliches „Einen schönen guten Abend“, sondern nur ein unpersönliches „Wiedersehn“. Also der konnte sich von seinem Kollegen noch eine gewaltige Scheibe abschneiden.
Ich hatte mich diesmal vor dem Anruf geduscht und sittsam in Jogginghose und T-Shirt gehüllt, um keine weiteren Eventualitäten aufkommen zu lassen.
Pünktlich oder besser gesagt, achtzehn Minuten, nachdem ich das Telefongespräch beendet hatte, klingelte es an der Türe.
Mein Herz begann plötzlich wieder zu klopfen und in meiner Brust wurde es auf einmal ziemlich eng. Heißes Blut schoss mir ins Gesicht und ich ertappte mich dabei, wie ich noch kurz in den Spiegel sah, bevor ich zum Rufknopf für die Sprechanlage ging.
„Pizza!“, schallte es mir frohgelaunt entgegen.
Er war es wieder, der Hippie-Typ, in gewohnter bester Laune.
Meine Finger zitterten, als ich auf die Taste für den Türöffner drückte.
Warum brachte mich dieser Kerl nur so aus der Fassung? Im Grunde war er gar nicht der Typ Mann, bei dem ich für gewohnt schwach werde. Und dennoch fühlte ich mich wie bei meiner ersten Teenagerliebe, mit flauem Gefühl im Magen, flatternden Schmetterlingen, klopfendem Herz, viel zu enger Kehle und Schweißdrüsen, die Überstunden schoben.
Ich musste zugeben, dass er nicht schlecht aussah, obwohl man unter seinen schlabbrigen Klamotten so gut wie gar nichts von ihm sehen konnte. Es war seine lustige, frohgelaunte Stimme gewesen, die mich mit seinem angenehmen Klang einfach mitriss. Und diese Augen, diese bernsteinfarbenen Augen, die mich unvermittelt an eben diese Edelsteine erinnerten, so kostbar und sagenumwoben wie Geschichten aus längst überlieferten Zeiten. Dann dieser Kontakt, als sich unsere Finger beim Überreichen des Geldscheines kurz berührten. Seine warmen Fingerspitzen ließen auf den meinen, glühend heiße Impulse zurück, die mit spitzen Nadeln durch meine Adern jagten.
Ich schluckte trocken, kämpfte den dicken Kloß in meinem Hals krampfhaft nieder. Mein Hals war viel zu eng dafür und ich musste laut räuspern, um ihn wegzuschaffen.
Endlich klopfte es an meiner Haustüre. Ich blickte kurz durch den Spion, obwohl ich genau wusste, wer sich davor befand. Als ich ihn tatsächlich sah, schoss eine weitere Welle flüssiger Lava durch meinen Blutkreislauf. Ich fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde und mein Herz noch einen Takt schneller schlug. Zum Glück war meine Jogginghose weit genug, um die Beule zu verbergen, die sich schon wieder darin aufgebaut hatte.
Meine Hand legte sich zitternd auf die Klinke. Ich musste einmal tief durchatmen, um mich wieder soweit unter Kontrolle zu bekommen, dass ich ihm mit einem freundlichen Lächeln die Türe öffnen konnte. Ob ich das auch so hinbekam, bezweifelte ich, denn mein Gesicht fühlte sich merkwürdig heiß und widerspenstig an.
„Guten Abend, Herr Buchholz!“, flötete der Pizzabote gewohnt fröhlich. Unsere Blicke trafen sich, blieben für einen Moment aneinander haften und verknoteten sich förmlich ineinander. Ich versank gänzlich in dieses bernsteinbraun, in den koketten Schwung der dunklen Wimpern, die diese Augen umrahmten, in die sanfte Linie seiner dunklen Augenbrauen, in die gerade Nase, die von den Brauen weg direkt auf die weichen Lippen zeigte, welche mich freundlich anlächelten.
„Ihre Pizza Nummer 14 mit scharfer Peperoni“, sagte er und riss mich damit aus meiner Trance.
Mechanisch nickte ich. Meine Hand fuhr in die Tasche meiner Hose und holte den Geldschein hervor, den ich vorher darin deponiert hatte und hielt es ihm hin.
Der Pizzabote setzte die grüne Wärmebox auf den Boden, öffnete den Deckel und brachte die weiße Schachtel mit dem roten Punkt hervor. Augenblicklich schwebte der Duft von scharfer Peperoni im Raum.
Als er sich niedergebeugt hatte, konnte ich einen Blick auf seinen gesamten Rücken sowie den Haarknoten in seinem Nacken werfen, mit dem er sich die Zotteln aus dem Gesicht hielt. Außerdem fiel mir durch ein Glitzern an seinem rechten Ohr das kleine silberne Kreuz auf, das dort an seinem Ohrläppchen baumelte. Und ich sah noch etwas. Durch diese tiefe Verbeugung, rutschte das weite knallrote T-Shirt etwas über den tief sitzenden Bund seiner heute schwarzen Skaterhose, nur ein paar Zentimeter, doch genug, um den Ansatz des Schlitzes zu erkennen, der sich dort am Ende seines Rückens befand. Er befand sich genau in der richtigen Position, so dass mein Blick direkt dort hinein sehen konnte, geradezu musste, förmlich magisch anzog, wie der tiefe Ausschnitt einer drallen Blondine, die sich über den Tisch hinweg zu ihrem Gegenüber gebeugt hatte, und dem sich beinahe kein Mann entziehen konnte.
War das Absicht gewesen?
Hatte er sich absichtlich so zu mir gebeugt, um mir diesen Einblick zu bieten?
Meine Hand hielt noch immer den Geldschein. Nur zitterte sie jetzt stärker.
Er richtete sich wieder auf, hielt mir die weiße, dampfende Pappschachtel hin und nahm mit der anderen Hand den Schein entgegen. Wieder berührten seine Finger die meinen, diesmal mehr, weniger zufällig, wie mir augenblicklich in den Sinn kam. Seine Fingerspitzen streiften die ganze Länge meiner Finger ab, von den Knöcheln bis zu den Fingernägeln, bis er endlich das Papier aus meinen zitternden Fingern zog, rasch zusammenknüllte und in die Vordertasche seiner Hose steckte. Wieder zog er dafür das Shirt ein wenig hoch. Wie beim letzten Mal bekam ich auch diesmal einen winzigen Ausschnitt seines Bauches geschenkt. Doch nun ließ er sich mehr Zeit, als wusste er genau, dass ich nahezu danach lechzte, mehr zu sehen – wie bei einer Peepshow. Der Vorhang ging hoch und viel zu schnell wieder runter.
„Guten Appetit, Herr Buchholz“, hörte ich es und musste blinzeln. Ich war irgendwo weit fort, oder auch ganz nah. Ich wusste es selbst nicht mehr so genau. Seine fröhliche Stimme drang zu mir durch, durchbrach diese neblige Hülle und holte mich zäh und widerwillig in die Wirklichkeit zurück. „Und noch einen schönen Abend“, grüßte er, klemmte sich die grüne Kunststoffbox unter den Arm und eilte davon.
Wieder blieb ich eine Weile dort stehen, unfähig, mich zu rühren, oder auch nur ein „Danke!“ oder „Auf Wiedersehen!“ über meine Lippen fließen zu lassen.
Wiedersehen, ja das wollte ich. Er machte mich verrückt. Obwohl ich nicht wusste, wie er hieß oder wer er wirklich war. Ich kannte nichts von ihm, außer seiner angenehmen, lustigen Stimme, die es auf Anhieb schaffte, meine Stimmung zu heben, und dass er beim Pizzaexpress Ost arbeitete.
Irgendwann schaffte ich es, mich von der geöffneten Wohnungstüre loszueisen und mit der Schachtel ins Wohnzimmer zu gehen, um mir mein Abendessen schmecken zu lassen. Dabei kam es mir so vor, als sei die Peperoni an diesem Abend besonders scharf. Binnen kurzer Zeit trieb mir die Schärfe die Tränen aus den Augen und ich leerte eine ganze Literflasche Wasser beinahe in einem Zug.
Am nächsten Abend stand für mich außer Frage, was ich wieder zum Essen bestellte. Die Küche war immer noch nicht fertig. Meine Finger tippten die Nummer des Pizzaexpress Ost beinahe auswendig.
„Pizzaexpress Ost, Guten Abend. Was darf es denn sein?“, schallte mir bereits nach dem zweiten Klingeln entgegen.
Er!
Mein Herz setzte einen Takt aus. Ich musste schlucken und so leise wie möglich räuspern, um annähernd einen Ton herauszubekommen.
„Buchholz hier“, krächzte ich mühsam.
Ein leises Lachen ertönte. „Guten Abend, Herr Buchholz“, grüßte er fröhlich. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass er meinen Namen betont oft benutzte. Beinahe jeder seiner Sätze beinhaltete meinen Namen. Absicht? „Pizza Nummer 14 mit scharfer Peperoni“, erinnerte er sich.
„Genau“, keuchte ich. Ich war ihm im Gedächtnis geblieben – womöglich wegen meiner Vorstellung am ersten Tag. Meine Hände wurden feucht. Ich wischte sie an meiner Jogginghose ab, die ich mir nach dem Duschen wieder angezogen hatte.
„Darf es sonst noch was sein?“, erkundigte er sich freundlich.
Ich wagte einen Schritt auf wackeliges Terrain. „Extra scharf“, antwortete ich und wartete mit klopfendem Herzen ab.
Ein Moment des Schweigens drang zu mir durch – nicht ganz, denn im Hintergrund hörte ich weitere Leute sprechen, in einer Sprache, mit mir fremd war und mit der ich ungern am Telefon kommunizierte. Dann glaubte ich ein Keuchen zu hören.
„Sind sie sicher?“, kam es leicht zögerlich aus dem kleinen Lautsprecher des Mobilteiles, das ich mir beinahe verkrampft ans Ohr klemmte.
„Ja“, gab ich nickend zurück. „Ich hab genug zum Löschen hier.“ Meine Stimme klang merkwürdig fremd, als würde sie nicht zu mir gehören.
„Wie sie wünschen, Herr Buchholz.“
Kam es mir nur so vor, als sprach er meinen Namen nun irgendwie anders aus? Sinnlicher? Beeindruckt? Oder suggerierte mir dies nur wieder mein zuckender Schwanz, der in meiner Trainingshose begonnen hatte, Freudentänze aufzuführen.
„In spätestens zwanzig Minuten bin ich bei ihnen“, eröffnete mir der Pizzabote. Seine Stimme klang wirklich anders.
In mir begann etwas zu frohlocken.
Ich legte auf, warf das Telefon auf den Wohnzimmertisch und wartete beinahe die ganzen achtzehneinhalb Minuten bewegungslos an derselben Stelle, die er brauchte, um mir meine Pizza zu bringen. Erst als es im Flur läutete und die heiß ersehnte Lieferung ankündigte, ging ein Ruck durch mich hindurch und ich setzte mich schwerfällig und mit klopfendem Herzen in Bewegung zur Wohnungstüre, um diesmal ohne nachzufragen, den Türöffner zu drücken. Ich wusste ohnehin, wer mich da besuchen kam. Mein Magen genauso wie meine Libido jubilierten in höchstem Maße.
Meine Finger waren kaum zu kontrollieren, als ich sie auf die Türe legte und sie öffnete, noch bevor er anklopfen konnte.
Mit der grünen Box vor seiner Brust sprang er unbeschwert die letzten Stufen empor und lächelte mich mit einem fröhlichen und atemlosen „Hallo, Herr Buchholz!“ an, als er mich in der offenen Türe stehen sah. Dann stellte er die Box auf den Boden neben der Türe, nahm den Deckel ab und holte die weiße Pappschachtel hervor. Wieder erhielt ich einen winzigen Einblick in den kleinen Ausschnitt unter seinem Hosenbund, der sich aufbäumte, als sich der Bote niederbeugte. Diesmal war ich mir sicher, dass er das mit Absicht machte. Ich biss die Lippen zusammen und genoss diesen Anblick, solange er mir gegönnt war. Und auch diesmal war er viel zu schnell vorbei.
Mein Blick wurde förmlich mitgerissen, als er sich wieder aufrichtete und mir die dampfende Schachtel entgegenhielt. Sein Lächeln offenbarte den Blick auf zwei Reihen nahezu makelloser Zähne. Nur einer der Eckzähne stand etwas schief, gab ihm jedoch ein leicht verwegenes Aussehen.
„Neunfünfzig“, hörte ich, noch während ich mit seinen Zähnen, den breit lächelnden Lippen und dem kleinen hellblonden Stoppelbart beschäftigt war, der sein Kinn umgab.
Meine Hand glitt in meine Tasche, wo ich vorher sorgsam Neun Euro fünfzig in Münzen hineingelegt hatte, umfasste das Geld und holte es in einer Faust wieder heraus. Langsam wanderte die Faust zu ihm. Er legte seine Hand darunter, damit ich das Geld in seine Handfläche fallen lassen konnte. Wir berührten uns abermals, diesmal noch mehr. Beinahe seine ganze Hand berührte mich bis zu meinem Handgelenk. Ich öffnete die Faust nicht, sondern verharrte bewegungslos.
Er blickte mich erwartungsvoll an. Sein Lächeln verblasste allmählich, während wir uns ansahen, unsere Blicke miteinander verschlangen und in die Augen des anderen stierten. Schließlich öffnete ich meine Faust ganz langsam, meine Fingerspitzen strichen bedächtig über seine Handfläche, ließ beinahe jede Münze einzeln in seine Hand fallen. Bei jeder glaubte ich ein leichtes Zucken seiner Hand zu spüren. Wie auch seine Mundwinkel zuckten leicht, kaum merklich.
„Trinkgeld?“, keuchte ich, als die letzte Münze in seine Hand gefallen war und wir uns noch immer nicht rührten, uns wie versteinert gegenüber standen.
„Gerne!“, gab er ebenso zurück.
Mein Herz klopfte wie wild, als ich mich vorbeugte, die halbe Armlänge Distanz verkürzte, die uns trennte. Ich musste einen kleinen Schritt vorwärts machen, um nicht umzukippen. Zu meiner grenzenlosen Überraschung kam er mir ein Stück entgegen, so dass sich unsere Begegnung eher ereignete, als ich beabsichtigte.
Ich wollte es genießen, seinen Gesichtsausdruck verfolgen, während ich mich seinem Gesicht näherte. Doch als sich unsere Lippen so nahe befanden, dass man nicht einmal mehr eine Hand dazwischen schieben konnte, schlossen sich meine Augen wie von selbst und meine Sinne sprangen an. Ich traf seine Lippen, die so herrlich fröhlich lächeln konnten und irgendwie nach Cola schmeckten, nach erfrischender, süßer, berauschender Cola. Offensichtlich hatte er kurz vorher etwas davon getrunken. Ich nahm diesen Duft in mich auf, seinen herben, männlichen Geruch, der nach Schweiß, nach Käse, nach Pizza, nach extrascharfer Peperoni und noch etwas anderem roch, so dass mir unversehens die Sinne schwirrten. Ich genoss diese Lippen, diese süße Feuchte, diese Wärme, die Hitze seines keuchenden Atems, der an meiner Wange entlang strich und mir Schauer verursachten, die prickelnd meine Wirbelsäule entlang rannen. Ich sog das Gefühl ein, das seine Nähe verursachte, dieses fremde pochende Herz, das ich bis zu mir hören konnte, das Zittern seiner Glieder, die auf mich übersprangen und meinen ganzen Körper in helle Aufregung versetzten.
Meine Zunge pochte zögerlich an den Lippen an und traten ein, als sie sich bereitwillig öffneten. Hier verstärkte sich der Cola-Geschmack und Sinne tanzen unversehens Polka. Ich musste ein Stöhnen unterdrücken, dass sich in mir aufgebaut hatte und nach außen drängen wollte. Ganz vermochte ich es nicht zu verbergen, auch wenn ich es gerade noch rechtzeitig in einen kaum merklichen Laut verwandeln konnte. Dennoch grollte es in mir hoch, brachte meine Nerven zum rotieren und entkam haltlos meiner Kehle, als mich der süße Geschmack seines Mundes zu überfordern drohte. Meine Zunge kostete den süßen Nektar dieses Augenblickes, der vermutlich der einzige sein würde, die mir je gegönnt war. Meine Hoffnungen und Wünsche überschlugen sich, doch gegenwärtig wagte ich nicht daran zu denken, dass es nach diesem Kuss noch etwas anderes gab.
Kaum hatte sich dieser Gedanke in meinem Kopf zu etwas geformt, was sich irgendwie festhalten ließ, löste er sich abrupt von mir.
Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte ihn entgeistert an. Einem ersten panischen Impuls folgend wartete ich auf eine Ohrfeige, auf irgendetwas, was mir sagte, dass ich mich gerade wie ein kompletter Idiot aufgeführt hatte, dass er gar nicht auf Jungs stand und mich für diesen Frevel, den ich eben begangen hatte, bestrafte. Doch dann erschien das Lächeln wieder auf seinen Lippen. Er gewahrte Abstand zwischen uns, doch nicht so weit, dass es uns vollkommen trennte. Ich brauchte nur ein klein wenig vor zu zucken, um seine Lippen zurückzuerobern, ließ es jedoch bleiben.
„Könnte es sein...“, hauchte er heißer. Seine Stimme genauso belegt, wie es sich in meinem Inneren anfühlte. „... dass sie um elf wieder Hunger bekommen, Herr Buchholz?“ Seine sanften Bernsteinaugen sahen mich an, warteten lauernd und voller Sehnsucht auf eine Antwort.
„Könnte sein“, gab ich ebenso zurück und nahm ihm endlich die heiße Pappschachtel aus der Hand.
„Guten Appetit“, keuchte er, leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen und näherte sich mir wieder.
Feuchte heiße Lippen legten sich sanft auf meine. Ich schloss meine Augen, sog diesen weiteren Moment tief in mich ein, ließ ihn in mir wirken und agieren. Ein weiteres Mal rollte ein Stöhnen aus mir heraus, tief und kehlig. Diesmal war es nicht aufzuhalten, abzumildern oder irgendwie zu verwandeln. Ein Stöhnen, das exakt das wiedergab, was sich in meinem Inneren vor allem in meinem Schritt abspielte.
Dann trennte er sich wieder von mir und schenkte mir ein vielsagendes Lächeln. Viel zu schnell vergrößerte er die Distanz zwischen uns, beugte sich nieder, schnappte sich die Wärmebox und war verschwunden, noch ehe ich benommen blinzeln konnte.
Wie lange ich mit der dampfenden Schachtel in meiner Wohnungstüre stehen geblieben war, vermochte ich nicht zu sagen. Irgendwann ging klickend das Licht im Treppenhaus aus und ich machte endlich den entscheidenden Schritt rückwärts, um die Türe schließen zu können. Bereits beim ersten Bissen bemerkte ich, wie scharf das war, was gerade eben abgelaufen war.
Elf Uhr – eine verdammt lange Zeit bis dahin.
Texte: Ashan Delon (C) 2011
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011
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