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Ein Schuss in der Nacht

 

Kaum einen Büchsenschuß vom Waldsaum stand das Haus meiner Eltern – das Forsthaus. Oh, ihr allzu nahen Bäume! Wie manche Portion wohlgesalzener Hiebe habt ihr mir eingetragen! Wenn ich da, ein achtjähriges Bürschlein, nach Hause kehrte, in zerkratzten Händen das ausgenommene ›Eichkatzl‹, die junge Nebelkrähe oder den flatternden, kaum flüggen Kuckuck schwingend, so galt der erste Blick meiner guten Mutter durchaus nicht dem erbeuteten Getier; forschend überflog vielmehr ihr Auge die Ellbogen meines Jöppchens und die Knie- und Sitzgegend meiner Unaussprechlichen. Weh mir, wenn da zutage kam, daß die allzu spitzen Aststümpchen oder die Pechnarben der erkletterten Tanne dem teueren Buckskin ein Leids getan. Heute noch seh ich sie vor mir, die gefürchtete, langriemige Peitsche mit dem Rehfußgriff, die zu unbenutzten Zeiten im Hausflur zwischen Gewehren und Rucksäcken am Zapfenbrett hing. Wurde sie dann, was glücklicherweise nicht allzu häufig geschah, durch die Hand ihres gestrengen Herrn vom Haken gelöst, so verkrochen wir uns in alle Winkel, ich, Hektor, der hochstämmige Schweißhund, und Bursch, der krummbeinige Teckel.

Jenen allzunahen Bäumen bin ich aber deshalb doch niemals gram geworden. Und heut noch gedenk ich ihrer in dankbarer Liebe. Strömte doch das geheimnisvolle Leben, das zwischen ihren weitgespannten Ästen und in ihrem moosigen Schatten webte und wirkte, jene unendliche Fülle grüner Poesie über die Zeit meiner frühesten Jugend aus! Wenn der Lenzwind leise durch die Wipfel plauderte und mit zischelndem Rauschen vom Waldsaum niederstrich über die rohrdurchwachsenen Teiche, wenn hoch in sonnigen Lüften der Weih seine stillen Kreise spannte, wenn aus den abenddunklen Buchen und Eichen das Gurren und Liebeslocken der Wildtauben klang, wenn im tauigen Wiesengrunde das schlanke braune Reh im Dämmerlicht zur Asung zog und der graue Reiher mit ruhigem Flügelzuge zu Horste strich – wenn dann erst die Nacht herniedersank über die weite Flur, wenn ich pochenden Herzens am offenen Fenster saß, dem eintönigen Lied der Unken lauschte und dem schauerlichen Huhn des ›Holimanns‹, der draußen im schwarzen Wald seine Kinder, die Käuzlein, zum Nachtgejaide rief, da trieb meine jugendliche Phantasie ihre Blüten, so seltsam und zahlreich, wie der Waldgrund seine Pilze treibt nach einer lauen Regennacht.

Und welch ein lautes, lustiges Jägerleben umgab mich im eigenen Hause! Da war der kiesige Hof mit den munteren, schmucken Hunden, da war der Wiesengarten mit dem Scheibenstand, an dem die Büchsen eingeschossen wurden, da war die Zwirchkammer, darin die erlegten Böcke, Füchse und Hasen an den schweißfleckigen Eisenhaken hingen, da sah man in allen Gängen und Gemächern Jagdgeräte und Jagdtrophäen – und wenn der Abend kam, dann saßen im traulichen Wohnzimmer rings um den Eichentisch die Jäger, hinter dem Bierkrug ihre Pfeifen schmauchend, und da gab es Jagdgeschichten, deutsch und lateinisch.

Was Wunder, daß in solcher Umgebung die Liebe zum waldfrohen Weidwerk in meinem Herzen bald eine dauernde Wohnstätte fand! Schon als kleiner Junge schlich ich mich, die hölzerne Armbrust – vulgo Balester – auf dem Rücken, hinaus in den Wald und schnellte meinen Lindenbolz nach dem kreischenden Häher in das Buchenlaub. Und welch ein Vergnügen, da ich das erstemal als Treiber zum Fuchsriegeln mitgenommen wurde oder auf den Anstand und zur Hühnerjagd! Mit welcher Inbrunst drückte ich das kleine Zimmergewehr an die Wange, mit dem ich überrascht wurde, als ich nach dem ersten Lateinschuljahr auf Ferien kam! Und als ich gar acht Jahre später mit dem roten Käpplein und einer guten Note heimzog, wurde ich vor Freude halb verrückt, als ich auf dem Tisch meines Ferienstübchens eine vollständige Jagdausrüstung, eine zierliche Büchsflinte und eine wahrhaftige Jagdkarte vorfand.

Nun ging's aber an ein ›Jagern‹!

Tag und Nacht gönnte ich mir keine Ruh. Und als ich nur erst einen Rehbock mit der Kugel geschossen hatte, legte ich mich ›unter uns Jägern‹ breit in den Tisch und lateinerte mit den graubärtigen Hubertusjüngern um die Wette. Meine Phantasie hatte damals, um mich eines beliebten Ausdrucks zu bedienen, alle Hände voll zu tun, damit es meinem Jägerlatein nur niemals an Stoff gebrach. Aber dann ist mir ein ganz seltsames Abenteuer wirklich und wahrhaftig widerfahren – ja, ja, ein recht seltsames Abenteuer!

Ein starkes Gewitter hatte mir die Frühpirsch verregnet. Als es aber neun Uhr vormittags wurde, ließ das Unwetter nach, die Sonne brach sich Bahn durch die treibenden Wolken, und in ihrer milden Wärme kräuselten sich blau und luftig die Wasserdünste aus den dunklen Wäldern. Da hatt' ich jetzt ein Pirschwetter, wie es ein Weidmann sich nur wünschen mag.

Rasch nahm ich einen Imbiß zu mir, der mich das Mittagessen verschmerzen lassen konnte. Dann ging's hinaus unter die regennassen Bäume, von denen der leichte Wind die schillernden Tropfen auf mich niederstäubte.

Lautlos gleitet zu solcher Zeit der Fuß des Jägers über den feuchten Waldgrund; da raschelt kein Laub, und unhörbar schmiegt sich das nasse Reisig unter dem Tritt ins weiche Moos.

Und welch ein reiches Leben umgibt zu solcher Stunde den unter triefenden Ästen spähend von Stamm zu Stamm sich schleichenden Jäger! Tausende von Käfern und flinkfüßigen Würmchen kribbeln und huschen zwischen den glitzernden Moosfasern und tropfenschweren Farnblättern hin und her; in gesteigertem Eifer reisen die fleißigen Ameisen durch die Rindenklunsen aller Bäume vom Grunde zu den Wipfeln und wieder niederwärts zur Erde; die Vögel, die sich während des Regens stumm und ängstlich unter die dichtesten Zweige duckten, recken und spreizen pispernd die nassen Flügel und schwingen sich zwitschernd von einem sonnigen Plätzchen zum anderen; unter Kreischen und Krächzen beginnen die Häher, diese Gassenbuben des Waldes, von neuem ihr lärmendes Flatterspiel. Da bockelt auch schon ein junges Häslein mit sorglosem Gleichmut, als gäb es weder Hund noch Jäger, über die vielverschlungenen Wurzeln dem Felde zu, manchmal sich verhaltend, um von dem winzigen Moosklee zu naschen; und die Rehe, die nun in dem nassen Buschwerk ein gar unbehagliches Weilen haben, recken windend die zierlich schönen Köpfe aus den Stauden und ziehen äsend nach den grasigen Waldwegen und Lichtungen, um sich in der Sonne zu trocknen.

Solche Lichtungen und Wege suchte ich schleichenden Fußes auf; und es währte auch nicht lange, da hatt' ich schon einen Rehbock, der mir auf zwanzig Gänge über den Weg getreten war, in der unverzeihlichsten Weise gefehlt.

Durch dieses Mißgeschick – wir Jäger sagen ›Pech‹ – war ich unmutig, ungeduldig und unvorsichtig geworden, so daß ich, als ich nachmittags vier Uhr an der weitentlegenen Jagdgrenze aus dem Wald auf die Wiesen trat, einen völlig erfolglosen Pirschgang hinter mir hatte.

Zu meinen Füßen im Tal, kaum zwanzig Minuten von der Stelle, an der ich stand, lag eine kleine Ortschaft, in der ich schon manchmal auf meinen Streifzügen ein paar Stunden hinter einem Kruge kühlen Sommerbieres gerastet hatte.

Im aufziehenden Winde hörte ich von der Kegelbahn des Wirtshauses her das Rollen der Kugel, das Poltern der fallenden Kegel und ab und zu ein lautes, mehrstimmiges Gelächter. Ich traf also jedenfalls da drunten eine lustige Gesellschaft, die mir recht willkommen schien, um mir den Unmut über mein Weidmannspech aus den Gedanken zu treiben.

Ich hatte Zeit bis sechs Uhr. Anderthalb Stunden brauchte ich dann für den Heimweg – und inmitten dieses Weges lag an der stillen Waldstraße eine vor wenigen Jahren erst neubebaute Windbruchfläche, die kreuz und quer von Wildwechseln durchzogen war. Da konnte ich vor Einbruch der Dämmerung noch eine Stunde ansitzen und, wenn Hubertus mir gnädig war, durch einen glücklichen Schuß das Mißgeschick des Morgens wieder gutmachen.

In solcher Hoffnung schritt ich über den Hügel hinunter und dem lockenden Wirtshaus entgegen. Auf der Kegelbahn traf ich außer zwei rundlichen Geistlichen und einem mageren Alumnus den Förster und Jagdaufseher der nahegelegenen Wartei, sowie den Doktor und Schullehrer des Ortes, zwei große Jäger vor dem Herrn.

Da war denn auch neben Sommerbier und Kegelspiel die Jagd das unversiegbare Gesprächsthema, bei dem uns die Zeit wie im Fluge verfloß, so daß erst die sinkende Dämmerung mich gemahnte, nach der Uhr zu sehen. Die dem ›Anstand‹ zugedachte Stunde war versäumt. Ich brauchte mich also mit dem Fortgehen nicht übermäßig zu beeilen und setzte mich behaglich wieder an den Tisch.

Als aber um neun Uhr, nach dem Gebetläuten, die beiden Geistlichen mit ihrem zukünftigen Berufsgenossen sich verabschiedeten, wollte ich nach Büchse und Rucksack greifen; doch ich ließ mich vom Förster leicht überreden, für meinen Heimweg den Mond abzuwarten, der längstens in einer Stunde über die nachtschwarzen Baumwipfel emportauchen mußte.

Nun waren wir Jäger unter uns. Und da kam nach mancherlei wunderlichen Geschichten auch jenes nur für Jägerohren ganz gerechte Gesprächskapitel an die Reihe: das Kapitel der Wildschützen. Die Einleitung bildete eine vom Förster an mich gerichtete Frage, wie es dem ›Deberjackl‹ ginge. Der ›Deberjackl‹, ein Bursche meines heimatlichen Dorfes, war ein Wilderer, der seit Jahren in den umliegenden Jagdgebieten großen Schaden angerichtet hatte, ohne daß man ihn jemals auf der Tat hätte ertappen können. Schließlich aber war ihm doch einmal ein nächtlicher Pirschgang übel geraten, denn er hatte statt der erhofften Rehgeiß ein paar Dutzend Schrotkörner im eigenen Fleische mit nach Hause gebracht.

Von diesem Vorfall kamen wir auf Ähnliches zu sprechen; jeder meiner Gesellschafter wußte langes und breites über ein Zusammentreffen mit Wilddieben zu berichten; und besonders der Förster brachte Geschichten aufs Tapet, daß mir achtzehnjährigem Burschen ein wohliges Schaudern über den Rücken rieselte.

Als ich gegen halb elf Uhr in die mondhelle Nacht hinaustrat, um heimwärts zu wandern, war mir nach allem Gehörten sonderbar zumut. Während ich auf schmalem Fußpfad über die feuchten Wiesen dem Wald zuschritt, sann ich immer wieder diesen gruseligen Geschichten nach, in denen es mit Schuß und Schuß um Tod und Leben gegangen war. Und als ich zwischen finsteren Tannen auf das schmale Sträßchen einlenkte, das sich in der Länge einer Wegstunde durch den Wald dahinzog, spannte ich unwillkürlich die linke Hand mit festerem Druck um meine Büchse.

In raschem Gange schritt ich vorwärts. Eng flochten sich über mir die Äste der Bäume ineinander und gewährten dem Mondlicht nur in spärlichen Lücken einen Durchweg, so daß sich die Straße gerade noch in erkennbarem Dämmerschein von dem Moosgrund abhob. Ihr lehmiger Boden war von dem ausgiebigen Regen des Morgens her noch sehr erweicht, so daß mein Fuß lautlos darüber hinschritt. Kein Windhauch regte die Wipfel der dunklen Bäume.

Ich schalt mich selbst um der leichten Beklommenheit willen, die inmitten dieser atemlosen Stille mein Herz beschlich. Dann dachte ich an hundert lustige Dinge, um nur meine Gedanken von jenen blutigen Schauergeschichten loszureißen. Aber was half's? Bald vermeinte ich im Wald einen knisternden Fußtritt zu vernehmen, bald glaubte ich den Hall eines fernen Schusses zu hören, bald sah ich einen vom Mondlicht gestreiften Fichtenast für einen blinkenden Gewehrlauf an.

Was würde ich tun, so fragte ich mich unter dem Zwange meiner aufgeregten Phantasie, wenn ich plötzlich an einer lichteren Stelle unter den Bäumen so einen Kerl gewahrte, der vor dem nächtlich erlegten Wild auf der Erde kniete? Sollt' ich ihn anrufen? Oder gleich – – ?

Ein um das andere Mal nahm ich die Büchse von der Schulter und versuchte durch die Dunkelheit nach einem Baumstamme zu zielen; oder ich blieb minutenlang stehen und lauschte in den nachtstillen Wald hinein, worauf ich mit raschen Schritten wieder meinem Weg folgte.

Erleichtert atmete ich auf, als die Straße heller und heller wurde. Eine Strecke von kaum hundert Schritten trennte mich noch von jener offenen Windbruchfläche, und wenn ich diese passiert hatte, war ich in einem halben Stündchen zu Hause. Schon traten linker Hand die hohen Bäume vom Wege zurück, und das grasüberwachsene Moos senkte sich in einen mannstiefen Graben, der die Straße bis zu den Wiesen hinaus geleitete.

Nun trat ich unter dem Schatten der letzten Bäume hervor auf die mondbeschienene Lichtung, mein Auge schweifte mit raschem Blick über den rechts ansteigenden, buschigen Hang – und ich vermeinte, das Blut müsse mir jählings zu Eis gerinnen. Denn mitten im Tannengestrüpp stand auf etwa sechzig Schritte vor mir ein langer, hagerer Kerl mit berußtem Gesicht, das Gewehr im Anschlag gegen meine Brust gerichtet.

Doch nur für die Dauer einiger Sekunden hielt meine Erstarrung an. Dann riß ich die Büchse an die Wange. Mein Schuß krachte. Gleichzeitig hörte ich den Aufschlag der treffenden Kugel. Und ehe der Pulverrauch sich verzogen hatte, war ich von der Straße in den Moosgraben hinuntergesprungen, in dessen Schutz ich hastigen Laufes den Wiesen zustürzte.

Unter welchen Empfindungen und in welcher Zeit ich damals den Hofraum meines Elternhauses erreichte, vermag ich nicht zu sagen. Es blieb nur die Erinnerung an den grauenvollen Gedanken: ›Du hast einen Menschen getötet!‹

Die Haustür fand ich versperrt. Aber die Kanzlei meines Vaters sah ich noch erleuchtet. Ich pochte an das Fenster. Und als mir eine Minute später mein Vater, die Lampe in der Hand, das Haus öffnete, erschrak er nicht wenig über mein blasses Gesicht und über mein verstörtes Aussehen. Auf seine besorgten Fragen brachte ich keine Antwort heraus. Unter keuchenden Atemzügen sank ich auf die Stufen der Treppe nieder. Und es währte geraume Zeit, bis ich imstande war, mich wieder zu erheben und Büchse und Rucksack abzulegen. Nun erst gewahrte ich, daß ich meinen Hut verloren hatte. Mit bleischweren Knien schritt ich meinem Vater voraus in die Kanzlei.

»Papa! Ich hab einen erschossen!«

So leitete ich den Bericht des bösen Abenteuers ein, das mir vor kaum einer halben Stunde widerfahren war.

Schweigend hörte mein Vater die Geschichte an. Als ich schwieg, durchmaß er eine Weile mit langen Schritten das Zimmer. Dann trat er auf mich zu, sah mir mit einem guten Blick in die Augen und sagte:

»Leg dich jetzt schlafen! Morgen früh um fünf Uhr werde ich dich wecken. Und dann wollen wir ihn miteinander suchen ... den Toten.«

Als ich die Treppe zu meinem Stübchen hinaufstieg, lagen mir Müdigkeit und Erregung wie Blei in den Gelenken. Kaum hatte ich mich in die Kissen fallen lassen, da hörte ich die Turmuhr mit dumpfen Schlägen Mitternacht verkünden. Ein kalter Schauer rüttelte mich.

›Mörder! Mörder!‹ rief eine Stimme in meinem Gewissen.

Heiliger Herrgott! Was hatte ich getan! Ich hörte ein Elternpaar, dem ich den einzigen Sohn getötet, um seine verlorene Lebensfreude jammern. Ich hörte ein Weib klagen, dem ich den Gatten, ich hörte Kinder weinen, denen ich den Vater gemordet hatte. Und war's denn auch wirklich ein Wildschütz, auf den ich geschossen hatte? Oder war es der Förster, der bei Mondschein im Walde Schutzdienst machte? Oder von den Forstgehilfen einer, der mich für einen Wilddieb nahm und mich anrufen wollte, als ich ihn mit sinnloser Übereilung niederschoß?

Ob ich solche Dinge bei wachen Sinnen dachte oder ob ich sie nur träumte, nachdem der Schlaf meines übermüdeten Körpers sich erbarmt hatte – das weiß ich nimmer.

Als ich geweckt wurde, fuhr ich mit schwerem und dumpfem Kopf aus dem Kissen.

Drunten im Flur fand ich meinen Vater schon wegbereit.

»Wollen wir ohne Begleitung gehen?« fragte ich.

Ein leichtes Kopfnicken war meines Vaters ganze Antwort. Und er sah mich fragend an, als ich nach meiner bei Jagdausflügen sonst so verachteten Studentenmütze und nach meinem Stocke griff. Nicht um alles in der Welt hätt' ich es vermocht, meine Büchse zu berühren.

Schweigend durchschritten wir das erwachende Dorf. Und als wir uns nach kurzer Wanderung über die Wiesen dem Walde näherten, gewahrten wir von ferne schon im taunassen Gras den dunklen Streif, der den Weg bezeichnete, den ich in der Nacht aus dem Moosgraben quer durch die Wiesen genommen hatte.

Am Saum der Windbruchfläche, während wir dem Waldsträßchen folgten, untersuchten wir die Gräser und Kräuter des Raines. Sie waren weiß und naß vom Tau. Kein Fuß hatte also während der Nacht den Rain überschritten. Wohl aber fanden wir die Stelle, an der ich in den Moosgraben hinabgesprungen war; da drunten lag auch mein Hut.

»Bevor wir die Lichtung durchsuchen«, sagte mein Vater, »müssen wir genau die Schußlinie feststellen. Geh also einige zwanzig Schritte ins tiefere Gehölz, kehre dann zurück, und wenn du unter den Bäumen hervortrittst, blicke genau nach der Richtung, in die du geschossen hast.«

Schweigend tat ich, was der Vater haben wollte. Und als ich aus dem Schatten der hohen Bäume ins Freie trat und über die Böschung hinaufspähte, fuhr aus meiner Kehle ein halblauter Schrei – der Verlegenheit.

Da stand er wieder, der lange, hagere, rußgesichtige Wilddieb von heute nacht! Statt im fahlen Mondschein jetzt im lauteren Lichte der aufgehenden Sonne betrachtet, entpuppte er sich als der dunkle, halbvermoderte Strunk einer Föhre, die der Sturm vor Jahren gebrochen hatte. Ungefähr in der Armhöhe eines Mannes ragte aus dem Baumstumpf ein gebrochener, morscher Ast gegen die Ausmündung des Waldweges.

Das Blut stieg mir vor Scham ins Gesicht. Mein Vater lachte. Und lachend winkte er mir, während er durch das junge Fichtengestrüpp dem verhängnisvollen Föhrenstrunke zuschnitt.

Dicht über dem aussagenden Aste fanden wir das mürbe Holz von meiner Kugel durchbohrt.

 

Die Seeleitnersleut

 

»Hat ihn schon!« rief der Jagdgehilfe, als mein Schuß im Bergwald verhallte und der Hirsch in rasender Flucht über den steinigen Hang hinaufstürmte.

Pochenden Herzens sah ich dem flüchtigen Tiere nach, sah es stürzen, wieder aufspringen und weiterfliehen – nun brach es nieder; und sich überschlagend, kollerte es die Höhe hinunter, daß die Steine rasselten und die Aste flogen, die es im Sturz mit seinem mächtigen Geweih zerschlug.

Seit drei Tagen war ich unter der Führung Anderls, des Jachenauer Jagdgehilfen, diesem Hirsch vergebens nachgestiegen. Nun hatte mich ganz unerwartet ein glücklicher Zufall zu Schuß gebracht. Während ich in Gedanken die Überraschung noch einmal nachfühlte, die ich empfunden hatte, als ich, von Anderl aus einem unweidmännischen Mittagsschläfchen geweckt, den Hirsch auf achtzig Schritt vor mir im Jungholz gewahrte, sah ich durch den schattigen Bergwald hinunter. Zwischen den Asten schimmerte ein helles Blaugrün.

»Was glänzt da drunten durch die Bäume?« fragte ich den Jäger.

Er hob den Kopf. »Dös is der Walchensee.«

»Was? Sind wir so nah beim See?«

»No freilich, kaum a Viertelstündl den Berg abi und über a schmale Wiesen, so sind S' am Wasser. ja, wir sind gut dritthalb Stund von der Jachenau. Sö sind halt noch net lang in der Gegend. Da können S' Ihnen net recht verorientieren.«

Immer wieder mußte ich zu dem lockenden Schimmer hinunterblicken. Das wäre ein Hochgenuß, bei dieser drückenden Sommerhitz da drunten hineinzuspringen ins kühle Bergwasser.

»Anderl? Möchtest du ein Stündel auf mich warten?«

»Gern. Warum denn?«

»Ich möchte baden.«

Anderl lachte. »Wann S' dös wollen, kann ich Ihnen an andern Fürschlag machen. Den Hirsch können wir net liegen lassen bei so einer Hitz. Da richt ich an Schlitten zamm.

Nacher ziehen wir den Hirsch abi bis zum Straßl am See. Drunt schick ich an Buben in d' Jachenau um an Wagen. Und Sö können baden derweil. Grad gnug. Is Ihnen dös recht?«

»Großartig! Fein!«

Als Anderl mit seiner roten Jägerarbeit zu Ende war, schnitt er starke, lange Aste von den Bäumen und flocht sie durcheinander, daß sie ein festes und doch elastisches Kissen bildeten. Auf diesen grünen Schlitten hoben wir den Hirsch und schleiften ihn über den Berghang hinunter.

Als wir den Waldsaum erreichten, blieb ich stehen und betrachtete das wundervolle Bild, das der See mit seiner schillernden Wasserfläche und seinem dunkeln, bergigen Hintergrunde bot.

»Was ist das für ein Haus da drunten?« fragte ich und deutete auf einen kleinen Bauernhof am Rand der hügeligen Wiese, die sich vom Waldsaum gegen den See hinuntersenkte.

»›Beim Seeleitner‹ heißt man's. Der Alte is verstorben, und jetzt hausen da seine drei Kinder, zwei Buben und a Madl, die Mali. Dös is die beste Sängerin weit umundum in der ganzen Gegend. Da haben d' Jachenauer d' Ohren gspitzt, wann d'Mali am Sonntag im Hochamt gsungen hat. Schad, jetzt geht s' schon lang nimmer eini in d' Jachenau und singt nimmer in der Kirch, seit ihr d' Singerei zu einer unglücklichen Liebesgschicht verholfen hat.« Anderl griff wieder nach den Asten des Schlittens. »jetzt machen wir aber, daß wir abi kommen!«

Einige Minuten noch, und wir standen im Schatten des Hauses. Anderl zog den Hirsch ins Gras, riß die verflochtenen Aste auseinander und deckte sie zum Schutz gegen die Fliegen über das tote Tier.

Da klang ein Schritt im gepflasterten Hofraum. Um die Hausecke bog ein schlank aufgeschossener Bursch von etwa achtundzwanzig Jahren. Ein grobes Hemd, eine abgewetzte Tuchhose und plumpe Lederpantoffeln, das war seine Kleidung. In der Hand trug er einen Hammer, und zwischen den Lippen hielt er ein paar lange Bretternägel. Sein Haar war kurzgeschoren. Unter der Stirn, auf der sich Falte an Falte reihte, blickten finstere, unruhige Augen hervor. Das Gesicht hatte einen galligen Ausdruck.

»Grüß Gott, Lipp!«

Mit kaum merklichem Nicken dankte der Bursch für den Gruß des Jägers, ging auf den Hirsch zu und hob mit dem Fuß die Zweige, die das Tier bedeckten.

»Du, Lipp, magst net so gut sein, natürlich gegen a richtigs Trinkgeld, und in d' Jachenau einispringen und dem Herrn Oberförster ausrichten, daß er an Wagen für'n Hirsch aussischickt? Da kannst mit'm Wagen zruckfahren.«

»Ja, schon!« brummte Lipp. »Aber so pressieren wird's net, daß man grad so springen muß? Ich bin allein im Haus. Der Bruder is draußen am See, und d' Mali is in Urfeld drüben. Sie muß jeden Augenblick heimkommen. Ich kann mir sowieso net denken, warum s' so lang ausbleibt, dö greinige Hatschen!«

»Heut hast aber wieder an schiechen Tag!« lachte Anderl, während wir dem Burschen in den Hofraum folgten.

Lipp überhörte diese Worte. Ohne sich umzusehen, rief er: »Geht's nur derweil in d' Stuben eini!« Er trat auf den Zaun des kleinen Gemüsegartens zu, dessen neue Staketen vermuten ließen, daß unser Kommen den Burschen in der Ausbesserung des Zaunes unterbrochen hatte.

Wir gingen in die Stube. Ein niedriger Raum mit vier kleinen Fenstern; in der Lichtecke der gescheuerte Tisch vor den beiden in die Mauer eingelassenen Bänken, darüber im Wandwinkel das Kruzifix mit den unvermeidlichen Palmzweigen; in der gegenüberliegenden Ecke der grüne Kachelofen mit den durch Schnüre an die Decke gehefteten Trockenstangen; daneben ein altes Ledersofa und neben der Tür ein Geschirrkasten – eine Bauernstube wie hundert andere. Der einzige Schmuck dieser Stube war eine schöne, mit Perlmutter eingelegte Gitarre, die zwischen zwei Fenstern an der Wand hing.

Wir stellten unsere Gewehre hinter den Ofen. Während Anderl sich auf das Ledersofa streckte, verließ ich die Stube wieder, um drunten am See eine Stelle für das erwünschte Bad zu suchen.

Unweit vom Hause floß ein breiter, seichter Bach aus dem See, die Jachen. Es führte wohl ein Steg hinüber, aber das Seeufer da drüben schien sumpfig oder versandet. Ich folgte also dem schmalen Sträßchen, das am diesseitigen Ufer hinlief.

Eine weite Strecke war ich schon den See entlang gewandert, ohne einen guten Badeplatz gefunden zu haben. Das Ufer war entweder dicht mit Gesträuch bewachsen oder so steil, daß das Aussteigen aus dem Wasser eine unangenehme Sache gewesen wäre.

Schon wollte ich wieder umkehren, als ich nahe vor mir ein Geräusch hörte wie von einem Stein, der ins Wasser fällt. Bei einer Biegung des Weges gewahrte ich ein kleines Felsplateau, das vom Sträßchen in den See hineinsprang. Auf einer niederen Holzbank saß ein Mädel in einem dunklen, halb städtisch geschnittenen Kleid. Das weiße Tuch, das sie um den Kopf gebunden hatte, war in den Nacken zurückgefallen, so daß sich das feine Profil des Gesichtes und die wohlgestaltete Form des Kopfes scharf vom schimmernden Seespiegel abhoben. Regungslos ruhte ihr Blick auf dem Wasser, während sie den einen Arm um ein kleines, rot bemaltes Kreuz geschlungen hielt.

Nun mußte sie meinen Schritt vernommen haben. Sie wandte das Gesicht, erhob sich rasch, und während sie noch einen Blick auf die verlassene Stelle warf, bekreuzte sie die Stirne, den Mund und die Brust, als hätte sie gebetet.

Während sie auf die Straße trat, hob sie die Arme und zog mit beiden Händen das weiße Tuch über den Kopf bis tief in die Stirne. Ich staunte bei dieser Bewegung über die schöne Regelmäßigkeit ihrer Gestalt.

Nun war sie mir so nahe, daß ich das Gesicht trotz des Schattens, den das vorgezogene Tuch darüber warf, deutlich unterscheiden konnte. Das mußte die Mali sein! Die Ähnlichkeit mit Lipp war unverkennbar. Freilich war das eine Ähnlichkeit wie die Ähnlichkeit von Tag und Nacht, die beide doch auch Geschwister, Kinder der gleichen Mutter Sonne sind. Was in Lipps Zügen gallige Verbissenheit, das war hier das Erbe überwundener Schmerzen; was in Lipps Augen finstere Unruh, das war in diesen großen, dunklen Sternen eine tiefe Schwermut.

»Grüß Gott, Herr!« sagte sie leise.

»Grüß Gott auch!« dankte ich und blieb stehen, um ihr nachzuschauen. Mich hatte diese weiche, klangvolle Altstimme eigentümlich berührt. Es war, als hätte sie den Gruß nicht gesprochen, sondern gesungen.

Als sie an der Wegbiegung verschwand, ging ich der Stelle zu, wo sie geruht hatte. Schon beim Nähertreten erkannte ich das kleine Holzkreuz als ein ›Marterl‹. Auf dem Blechschilde, das auf das Kreuz genagelt war, sah ich den See in Farben abgebildet. Meine Phantasie redete mir ein, daß diese weißen, blauen und grünen Sicheln den See und seine Wellen, diese braunen und grauen Dreiecke darüber die Berge des Hintergrundes vorstellen möchten. Aus dem gemalten Wasser ragten zwei bleiche Hände mit gespreizten Fingern. Und darunter stand in schwarzen, klecksigen Buchstaben auf weißem Grunde:

Wanderer, ein Vaterunser!

Hier an dieser Stelle im Wasser starb in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober des Jahres 1875 der ehr- und tugendsame Jüngling Dominicus Haselwanter, Schulgehilfe in der Jachenau, in der Blüte seines Lebens eines unglücklichen Todes infolge von Ertrinkens, als er gerade von einer Kirchweih in Urfeld nach Hause ging.

Wanderer, ein Vaterunser!

 

Der See ist weit, der See ist breit,
Der See ist tief wie d' Ewigkeit.
Gott lohn der Erde Not und Leid
Dem Toten mit der Seligkeit.
Herr, gib ihm die ewige Ruh!
R.I.P.

Nach einer Stunde – ich hatte noch gefunden, was ich suchte – kehrte ich zu dem Bauernhause zurück. Als ich in die Stube trat, rief mir Anderl aus dem Herrgottswinkel über den Tisch entgegen: »Jetzt kriegen wir ebbes Guts zum Essen!« Er deutete mit dem Daumen nach einem etwa fünfunddreißigjährigen Burschen, der neben ihm am Tische saß: »Der Christl hat a paar Pfund von die schönsten Forellen mit heimgebracht. Ich hab mir denkt, Sie werden aufs Bad auffi an rechten Hunger kriegen. Drum hab ich ihm d' Forellen abgehandelt, und d' Mali steht schon am Herd.«

»Wer ist denn der da?« wandte sich Christl, unbekümmert um meine Gegenwart, an den Jäger.

Ich hatte mir einen dreibeinigen Stuhl an den Tisch gezogen, und während Anderl die Neugier des Bauern befriedigte, konnte ich den Christl mit Muße betrachten. Auch an ihm war die Ähnlichkeit mit den Geschwistern auf den ersten Blick ersichtlich. Was diese Ähnlichkeit an den dreien ausmachte, war die tiefe Senkung der Nasenwurzel, das scharfe Hervortreten der Augenbogen mit den gradlinigen, fast schwarzen Brauen und besonders die eigenartige Zeichnung der schmalen Lippen.

Trotz der auffallenden Ähnlichkeit war der Ausdruck in Christls Gesicht von dem der anderen wieder ganz verschieden. Eine gedankenlose Trägheit sprach aus den schlaffen Wangen und aus der Art, wie er beim Zuhören die Zunge zwischen den Zähnen hielt, so daß sie die Unterlippe bedeckte. Sah er einem ins Gesicht, so kniff er das linke Auge ein, daß es fast geschlossen erschien. In diesem halben Blick lag es wie furchtsames Mißtrauen.

Auf meine Fragen über den See, über die Fischgattungen und die Art ihres Fanges gab er kurze, ungenügende Antworten; doch schien mir das weniger einem Mangel an gutem Willen zu entspringen als der trägen Unfähigkeit, auf eine sachliche Frage mit überdachten Worten zu erwidern.

Nicht lange war ich so am Tisch gesessen, als sich die Stubentür öffnete und Anderl mir zurief: »Da is die Mali! jetzt schauen Sie s' an!«

Ich gewahrte, wie dem Mädel ein flüchtiges Rot über die Wangen huschte. Wir haben schon halb und halb Bekanntschaft gemacht. »Gelt, Mali?« Ich bot ihr die Hand, in die sie wortlos einschlug.

»Bekanntschaft? Wo denn?« fragte Anderl neugierig.

»Drunten am See, wo das Marterl steht.« Ich sah die Mali an, die aus der Tischlade zwei Eßbestecke hervornahm. »Hast du für die arme Seele ein Vaterunser gebetet?«

Unwillig erhob sich Christl. »Dö verruckte Narretei kunnt schon bald amal an End haben!« schnauzte er die Schwester an, verließ die Stube und schlug die Tür zu, daß die Fensterscheiben klirrten.

»Was ist denn?« fragte ich verdutzt. Da spürte ich unter dem Tisch einen recht ungelinden Fußtritt, und als ich den Jäger verwundert ansah, blinzelte er und machte heimliche Zeichen. Unwillkürlich suchte mein Blick das Gesicht der Mali, die vor uns ein blaues, verwaschenes Tischtuch ausbreitete. Ihre Züge waren starr und hart. Ober die gesenkten Lider ging ein leichtes Zittern wie ein Anzeichen naher Tränen. Nun wandte sie sich hastig ab und ging auf den Geschirrkasten zu; als sie wiederkam und zwei weißglasierte irdene Teller auf den Tisch setzte, gewahrte ich einen glänzenden Schimmer an ihren Wimpern.

Ich faßte ihre Hand. »Mali! Es wäre mir leid, wenn ich etwas gesagt hätte, was dir nicht lieb war?«

Sie schüttelte stumm den Kopf und ging aus der Stube.

»Anderl! Was hab ich denn angestellt?«

»Gar net so viel! Sö hätten halt vor'm Christl net sagen sollen, daß d' Mali beim Marterl war. Dö zwei Buben haben's net gern, daß d' Schwester noch allweil an dem Platzl hängt. Wann der Lipp von der Jachenau heimkommt und der ander sagt's ihm, so kriegt d' Mali an groben Putzer. Aber Sö haben ja net wissen können –« Anderl schwieg, weil Mali in die Stube trat.

Auf einer flachen zinnernen Schüssel brachte sie die Forellen, die, wie ich zu meinem Schreck bemerkte, mit Semmelbröseln gebacken waren. Dennoch mundeten sie mir. Die Morgenpirsch und das kalte Bad hatten mich hungrig gemacht.

Meiner Einladung folgend, holte Mali für sich einen Teller und setzte sich zu uns an den Tisch. Sie stocherte an dem kleinen Stück Fisch herum, das sie genommen hatte, hob einen sorgsam gesäuberten Bissen auf die Zungenspitze, legte die Gabel wieder fort und schob den Teller von sich.

»Ich weiß riet«, sagte sie, »jetzt haben wir bei uns fast Tag für Tag Fisch in der Schüssel, und noch allweil hab ich mich net dran gwöhnen können. Fisch hab ich nie net mögen. Und jetzt schon gar nimmer!«

»Ja! Ich begreif's!« sagte der Jäger. Er deutete auf die letzte Forelle, sah mich an und fragte: »Mögen Sie's noch?« Als ich den Kopf schüttelte, packte er den Fisch bei der starren Schwanzflosse, und während er ihn auf seinen Teller niederklatschen ließ, sagte er zu Mali: »Da is dein Bruder, der Christl, an andrer Fischesser wie du! Den hab ich neulich in Urfeld vier oder fünf Pfund zammraumen sehen – dös is bloß so a Hui gwesen. Aber gelt, jetzt hast dich ärgern müssen wegen seiner unguten Red?«

»Ah na!« erwiderte Mali ruhig. »Da hätt ich viel z' tun den ganzen Tag, wann ich mich jedesmal ärgern wollt. Von dene zwei bin ich d' Roheiten gwöhnt. So ebbes lauft an mir ab wie 's Wasser am Stein.« Sie erhob sich, um den Tisch zu räumen.

»Wart a bißl, nacher hilf ich dir!« brummte Anderl, während er den letzten Bissen in den Mund schob. Er stellte die Teller übereinander, legte sie mit dem Besteck in die Schüssel und trug sie in die Küche.

»Schau, solltest bald heiraten!« rief ihm Mali scherzend nach, während sie den Brotlaib und das Salzbüchsl in die Tischlade schob. »Du gäbst an guten Mann ab, der seiner Frau manchen Gang verspart.«

»Kannst net wissen, ob's net bald amal kracht!« klang von draußen die heitere Stimme des Jägers.

Mali lächelte. »Ich glaub gar, du Schlaucherl, du hast ebbes im Sinn?«

»Kann schon sein!« entgegnete Anderl, der wieder in die Stube trat, während Mali vor dem Fenster die Brosamen vom Tischtuch schüttelte.

Ich war aufgestanden, hatte die Gitarre von der Wand gehoben und schraubte die Saiten, um eine passable Stimmung herauszubringen. Das wollte nicht recht gelingen. Mali, die lächelnd zugesehen hatte, nahm mir das Instrument aus der Hand. Sie griff ein paar Akkorde, drehte die Schrauben, und als die Töne richtig klangen, reichte sie mir das Instrument mit den Worten: »So, Herr, jetzt müssen S' ebbes aufspielen!«

»Können vor Lachen!« erwiderte ich, die Fingerstellung eines Akkordes zusammensuchend.

Anderl puffte das Mädel mit dem Ellbogen an – »Gib lieber selber was zum besten! Ich hab dem Herrn schon verzählt, was für a Zeiserl du bist! Und daß dich im weiten Walchental und in der ganzen Jachenau kein Madl net hinsingt. Geh, sing uns eins von deine hundert Liedln.«

Ein Schatten von Trauer legte sich über Malis Gesicht. »Du weißt, ich sing nimmer gern. Und der Herr wird schon ebbes Bessers ghört haben, als wie 's a Bauernmadl kann.«

Ich hielt dem Mädel die Gitarre hin. »Wenn ich auch schon manche gute Sängerin ghört habe, deswegen kann mir auch ein Liedl von dir gefallen. Vielleicht noch besser!«

Mali schüttelte den Kopf. »Es geht net! Und wann ich auch selber möcht – was tät der Bruder sagen, wann er mich am Werktag singen höret? Und ich hab schon lang nimmer gsungen. Mein' schier, es fallt mir gar kein Liedl nimmer ein!«

»Ah bah! Da brauchst bloß dein Singbuch aus der Kammer holen.« Anderl wandte sich zu mir: »Wissen S', d'Mali hat a dicks Buch, da stehen die Gstanzln und Gsangln nach'm Hundert drin.«

Ein Liederbuch, jedenfalls ein geschriebenes! Das war für mich, wie der Bayer sagt, ein gemähtes ›Wieserl‹. Um eines neuen Volksliedes willen wär' ich stundenweit gegangen. Nun trat für mich der Gesang des Mädels in den Hintergrund, das Buch war mir die Hauptsache. Ich sagte: »Wenn du nicht singen willst, so zeig mir dein Liederbuch!«

Mali zögerte. Mein Wunsch kam ihr nicht gelegen. Dann nickte sie und verließ die Stube.

Als sie wiederkam, trug sie auf dem Arm ein großes, hübsch gebundenes Buch. Sie wischte mit der Schürze über den Tisch und legte das Buch vor mich hin. »Müssen S' aber recht Obacht geben, daß kein Fleck net einikommt!« Mit mißtrauischem Blick verfolgte sie meine Hand, die den Deckel des Buches aufschlug.

Da stand auf dem ersten Blatt in kunstvoller Rundschrift:

Lieder und Gesänge
für ein und zwei Stimmen, mit Gitarrebegleiten
(von Verschiedenen)
für
Fräulein Amalie Leitner
zu deren dreiundzwanzigstem Geburtstage
zusammengestellt und aufgeschrieben
von Dominicus Haselwanter,
Schulgehilfe in der Jachenau.

Dominicus Haselwanter! Als ich diesen Namen las, mußte ich aufblicken. Es war der Name, der draußen am See auf dem Marterl angeschrieben stand.

Eine Weile noch blieb Mali vor mir stehen, um sich von der Achtsamkeit zu überzeugen, mit der ich das Buch behandelte. Dann verließ sie die Stube, um ihrer Arbeit nachzugehen.

Anderl hatte sich auf das Sofa gestreckt und schmauchte sein Pfeifchen. So konnte ich ungestört das Buch durchblättern. Die Lieder, die ich fand, waren meistens alte, gute Bekannte – einfache, gemütvolle, sinnige Volksweisen, wie sie zwischen Königssee und Mittenwald allerorten von Burschen und Mädchen gesungen werden. Bei den meisten dieser Lieder war nur vor jeder Strophe die Tonart der Begleitung durch lateinische Buchstaben angegeben, andere waren unter sauber gezogene Notenlinien geschrieben, Melodie und Begleitung wie gestochen. Zwischen dieser heimischen Gesellschaft fanden sich auch Liedergäste, die sich in solcher Umgebung seltsam ausnahmen: ›Gute Nacht, du mein herzigs Kind‹, Schuberts Ständchen, das Mozartsche Kirchenlied ›Ich will dich lieben, meine Stärke‹ und Beethovens ›Adelaide‹ auf dem gleichen Blatt mit dem Wiener Couplet: ›Ja so zwa, wie mir zwa, dös findt ma net leicht!‹

Wenn ich unter den Dialektliedern eines fand, das ich noch nicht kannte, schrieb ich es in mein Notizbuch ein. Unter anderem fiel mir auch ein Lied auf, dessen Inhalt in eigentümlichem Kontrast zu dem hochklingenden Titel stand, den es trug, und das mich doppelt interessierte, weil unter der letzten Strophe ›Dominicus Haselwanter‹ als Dichter verzeichnet war. Das Lied war überschrieben: ›Abschied an Amalie!‹ und lautete:

Und i kon halt net bleibn,
Und i mueß wieder fort –
Drum pfüet di Gott, Deanerl!
Gelt, dös is a Wort!

Es druckt oam schier's Herz ab
Und sagt si so schwaar –
Woaß Gott, i gang leichter,
Wann's net a so waar!

Mei Load, dös gheart mei,
Und dös trag i mit mir,
Mei Herzerl gheart dei,
Und drum bleibt's aa bei dir!

So pfüet di Gott, Deanerl,
jatz geht's halt dahi –
Hast grad amal Zeit,
Nacha denkst halt an mi!

Noch war ich mit der Abschrift dieses Liedes nicht zu Ende gekommen, als Mali wieder in die Stube trat. Sie setzte sich zu mir auf die Bank und sah mir eine Zeitlang schweigend zu. »Warum schreiben S' denn dös Gsangl ab?« fragte sie mich endlich mit halblauter Stimme.

»Weil's mir gefällt.«

»Ja, es is eins von die schönsten im ganzen Buch. Aber weiter hinten kommt noch a schöners!«

Sie hatte zugegriffen, um dieses schönere Lied aufzuschlagen. Ich zog ihr das Buch unter den Händen weg. »Nur langsam! Wir werden es schon erwischen. Alles der Reihe nach!« Dann blätterte ich weiter, und Mali sah mir über die Schulter, an das eine und andere Lied kleine Bemerkungen knüpfend – daß sie es gern oder ungern gesungen hätte, daß es leicht oder schwer zu begleiten wäre.

So schlug ich wieder einmal ein Blatt um. »Dös da!« rief Mali erregt, während sie auf ein Lied deutete, das überschrieben war: ›Der Jäger am Walchensee.‹

»Dös hat er allweil am liebsten gsungen, fast jedsmal, sooft er bei mir heraußen war!« sagte sie mit gepreßter Stimme.

»Ist das Lied von ihm selbst?«

»So halb und halb. Wissen S', die jagerischen Sachen sind aus ei'm alten Lied, aber den Anfang und 's End hat er selm verfaßt.«

Schweigend sah sie mir zu, während ich das Lied abschrieb. Als ich damit zu Ende war, fragte ich: »Wie geht das Lied?«

Sie griff nach der Gitarre und begann mit halber Stimme zu singen, die Weise mit leisen Akkorden begleitend. Ich vermutete, daß sie nach der ersten Strophe wieder abbrechen würde, täuschte mich aber. Von Wort zu Wort hob sich ihre Stimme und verstärkte sich der Klang der Saiten.

Anderl richtete sich auf und lauschte gleich mir dem Gesang des Mädels. Es war eine Altstimme, weich und schmiegsam. So kunstlos die Art des Gesanges war, so ergreifend war dieser Ton. Die Weise des Liedes war einförmig und bewegte sich, von eigentümlich schwermütigen Jodelläufen unterbrochen, innerhalb des Umfanges einer Quint; dazu der getragene Klang der von schmerzlicher Empfindung bewegten Stimme, so daß der Gesang wunderlich kontrastierte mit dem fröhlichen Sinn der gesungenen Worte:

A See, der is blau, der liegt tief in ei'm Tol –
Da woaß i a Deandl, dös gfallt m'r so wohl.

Dös Deandl, dös is grad wie Milch und wie Bluet,
Wie a Rehcherl so sanft, wie a Lamperl so guet.

Dös Deandl kon singen wie 's Zeiserl am Baam,
Und Ziedern kon's schlagn wie a himmlischer Traam.

Und juchezt mei Deandl, so ziedert da See,
Und die Berg alle wackeln bis auffa in d' Höh.

Um di, du mei Deandl, draht si alls, was i bin,
Dei ghear i, dei bleib i mit Herz und mit Sinn.

Und schieß i an Garnsbock, a schwarzer muß 's sein,
Der Gamsbart, liebs Deandl, der gheart nacha dein.

Und wann i am Berg wo an Edelweiß find,
Paß auf, was i für a schöns Sträußerl dir bind.

Und is wo a Schießn, so geh i dazua,
Dös schönst seiden Tüchel daschießt dr dei Bua.

Du bist amal mei, und di geb i net auf,
Mei Seligkeit, Schatzerl, vaschwör i dadrauf.

Und müeßt i bald sterbn und graben s' mi ein,
Mei Grab dös mueß nacher am Walchensee sein!

Mali schwieg. Regungslos, den Kopf gesenkt, starrte sie nieder auf die Gitarre, in deren Saiten noch ihre Finger lagen, während schimmernde Tränen über ihre Wangen rollten und niedertropften auf ihre Brust.

»Wie er mir zum erstenmal dös Lied gsungen hat«, sprach sie mit versagender Stimme vor sich hin, »da hätt er sich wohl riet denkt, daß sein Lied so traurig zur Wahrheit werden müßt. jetzt is der Walchensee sein Grab – a Grab, so tief, daß man kein' drin findt vor'm jüngsten Tag.«

Die Tür wurde aufgerissen, und Lipp trat in die Stube. Heißer Zorn lag auf seinem Gesicht. Mit schriller Stimme schrie er die Schwester an: »Du hast wohl kei' Arbet riet, daß d' umanandhocken kannst und dene zwei was fürplärren!« Er riß ihr die Gitarre aus den Händen und warf sie in eine Fensternische, daß es krachte und klirrte. »Mach, daß d' aussi kommst in' Stall! Unsere Küh haben an deiner Dudlerei net gfressen.«

Mali warf einen stummen Blick auf ihren Bruder, ging zum Fenster, nahm die Gitarre und hängte sie an die Wand. Dann zog sie das Liederbuch vom Tisch und verließ die Stube.

Lipp hatte Hut und Joppe hinter den Ofen geschleudert. Während er die Nagelschuhe herunterstreifte, rief er dem Jäger zu: »Der Wagen steht draußen! Im übrigen will ich dir ebbes sagen: Wann du bei uns kein anders Gschäft riet hast, als daß d' mir d' Schwester zum Faulenzen anhaltst, nacher därfst daheim bleiben!«

Anderl war dicht vor den Burschen hingetreten. »Lipp! Wegen deiner Flegelei gegen 's Madl kann ich dir nix sagen. Da hab ich kein Recht dazu. Aber gegen mich, dös därfst dir merken, mußt deine Wörtl a bißl sanfter zammklauben. Sonst zeig ich dir, für was unser Herrgott d' Haselnußstauden hat wachsen lassen. Verstehst mich?«

»Oho!« fuhr der Lümmel auf. »Dös wär mir grad noch 's Rechte! In mei'm eigenen Haus müßt ich mir –«

»Sei stad!« fiel ihm Anderl ins Wort. »Wir wissen schon, daß d' a Lackl bist! Brauchst kei' weiters Zeugnis bringen.« Während er Gewehr und Rucksack aufnahm, wandte er sich zu mir: »Geben S' ihm a Markstückl! Dös hat er verdient für 'n Gang. Und fertig!«

Ich reichte dem Lipp einen Taler, den er brummend einsteckte.

Als ich davonfuhr, wandte ich das Gesicht. Das Mädel war nicht zu sehen. Nur die Brüder sah ich. Christl hantierte drunten am See an einem alten Boot, und Lipp hämmerte am Gartenzaun wütend auf die Staketen los.

Zehn Tage waren vergangen. So lieb mir der Aufenthalt in der wiesenblühenden Jachenau geworden, endlich mußte ich ans Wandern denken. Ich hatte noch einen schönen Weg vor mir: über Urfeld und Walchensee nach der Vorderriß.

Dieser Weg führte mich wieder zu der Stelle, an der ich vor zehn Tagen den glücklichen Schuß getan hatte. Der Seespiegel schimmerte. Weshalb den weiten Umweg über Urfeld machen? Wenn ich mich von einem der Seeleitnersbuben nach Walchensee hinüberrudern ließe?

Rasch entschlossen wandte ich mich talwärts, versah mich aber in der Richtung. Als ich den Rand des Gehölzes erreichte, lag nicht die Wiese mit dem Haus der Seeleitnersleute vor mir, sondern die schmale Straße und hinter ihr der stillblaue See. Vom Ufer her vernahm ich den dumpfen Hall rasch aufeinanderfolgender Schläge – da war wohl irgendwo ein Holzknecht damit beschäftigt, Baumklötze oder Wurzelstöcke auseinanderzukeilen. Plötzlich, nahe vor mir, verstummten die Schläge; ich bog um die Waldecke und stand vor dem Marterl des verunglückten Schulgehilfen. Aber kein Mensch war da. Als ich aufhorchte, hörte ich flinke Tapper im Wald. Sprang da einer davon? Und warum?

Ich trat auf die Felsplatte hinaus, las wieder die Inschrift des Marterls und mußte der zierlichen Schrift in Malis Liederbuch gedenken. Schon wollte ich wieder auf den Weg zurück. Da machte ich eine sonderbare Entdeckung. In der ganzen Breite, in der die Felsplatte mit dem Straßenkörper zusammenhing, war sie von tiefen Rissen durchzogen und zerspaltet. Und eingetrieben in solch einen Spalt, stak ein dicker, an seinem Kopf zu Fasern zerschlagener Holzkeil.

Eine Viertelstunde später betrat ich den Hof des Seeleitnerhauses und hörte aus der Stalltür eine scheltende Männerstimme. Christl, beim Futterbarren, legte die rostige Stallkette um den Hals eines Ochsen, dem er haarige Zärtlichkeiten gegen die Hörner schrie.

»Bist du allein daheim?«

»Na! Der Lipp is draußen im Holz, aber 's Madl is da. Warum?«

»Ich möchte mit einem Boot nach Walchensee fahren.«

»So, so?« Christl preßte die Fäuste hinter die Hüften und verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen im Rücken. »Ich selber kann net furt, aber 's Madl kann ummifahren. Was zahlen S' denn?«

»Was du verlangst.«

»Zwei Mark fufzg? Dös wär net z'viel?«

»Gut! Ein Trinkgeld leg' ich auch noch zu, dann bekommt das Mädel drei Mark.«

»Ah na! Dös heißt, mit die drei Mark bin ich einverstanden. Aber mir müssen S' es zahlen, gleich vor'm Fahren!«

Ich reichte ihm das Geld, das er schmunzelnd einsteckte, während er mir voraus zur Haustür ging. Im Flur blieb er vor der Holztreppe stehen, die zum Bodenraum hinaufführte. »Höi! Mali!«

»Was is?« klang von droben die Stimme des Mädels.

»An Herrn mußt nach Walchensee ummifahren. Ich richt derweil die Zillen her. Tummel dich!«

Ich ging mit Christl zum See hinunter, wo er das Boot loskettete und die plumpen Ruder in die abgewetzten Weidenringe schob.

Mali kam. Sie trug das gleiche dunkle Kleid, in dem ich sie damals vor dem Marterl hatte sitzen sehen, doch statt des weißen Kopftuches einen breitkrempigen Hut mit den landesüblichen Goldschnüren. Ich bot ihr die Hand.

»So? Sie sind's! Grüß Gott!« sagte sie und legte ihre Hand in die meine.

Ich stieg in das Boot, Mali setzte sich auf die Ruderbank und griff nach den Stangen. »Zahlt hat er schon!« rief Christl der Schwester zu, während er mit kräftigem Stoß den Nachen ins Wasser schob.

Das Mädel rührte die Ruder mit fester Kraft. Ein Rauschen vor dem Kiel. Schweigend fuhren wir durch die friedliche Schönheit, die mich fesselte, daß ich des Redens vergaß. Die Morgensonne breitete einen blauweißen Schimmer über den regungslosen Spiegel; auch die leichten Wellenfurchen, die den Weg des Bootes bezeichneten, verschwammen bald wieder zu stiller Ruhe. Wie Gold und Perlen glänzten die Wassertropfen, die von den Rudern fielen. Zarter Duft lag über den Bergen von Walchensee und ließ sie ferner erscheinen, als sie waren. Hoch über dem See zog ein Habicht mit raschem Flug, und in der Tiefe des klaren Wassers glitt sein Spiegelbild wie ein Fisch mit Federn.

Als ich aufblickte, sah ich Malis Gesicht gegen das Urfelder Sträßchen hinübergewandt. Da drüben stand das Marterl, dessen rot bemaltes Holz in der Sonne leuchtete wie blankes Metall.

Müde Schwermut lag in Malis Zügen. Als sie die Augen wieder zum Boot zurückwandte, das aus der Richtung geraten war, schwellte ein tiefer Seufzer ihre Brust.

Ich fragte: »Wie lang ist das her? Das Unglück da drüben?«

»Sieben Vierteljahr.«

»Und du kannst es noch immer nicht verwinden?«

Wortlos schüttelte sie den Kopf.

»Hast du ihn gern gehabt?«

»Ja, Herr!« Den Kopf ein bißchen seitwärts geneigt, blickte sie immer nach dem Kielwasser. »Schön war er riet. Aber gut. jedem Viecherl am Weg is er ausgwichen. Und fromm war er und gottesgläubig. Wann er auf der Orgel 's Benediktus gsungen hat oder 's Gloria, hat man's ihm allweil anghört, daß er akrat für unsern Herrgott singt. Und brav is er gwesen. Wann's im Wirtshaus an Spitakl geben hat, war er nie dabei. Alle Leut waren ihm gut. Bloß meine zwei Brüder haben ihn nie riet mögen.«

»Warum nicht?«

»Dös hat an Grund. Der heißt: Magen und Geldbeutel. Wie der Vater selig gstorben is, hat er uns drei Gschwister den Hof hinterlassen und hat im Testament ausgmacht, daß am Hof bleiben soll, wer z'letzt heiret. Wer früher heiret, müßt aus'm Hof und krieget zwölfhundert Mark aussizahlt. Der Vater selig hat's gut gmeint und hat sich denkt, so tät er keins von uns verkürzen. Hätt er wissen können, was da für Feindschaft und Verdruß und Elend aufwachst, so hätt er's anders gmacht. Der Hof is gut im Stand. Man kann z'dritt, schaut man fleißig auf d' Arbeit, richtig drauf leben. Aber so viel bars Geld war nie net da, daß man eins von uns hätt nauszahlen können, ohne daß man aufs Haus Hypothekschulden hätt aufnehmen müssen. Lang schon, vor ich selber ans Heiraten denkt hab, war Feindschaft zwischen die Brüder. jeder hat an Schatz ghabt, jeder hat am Hof bleiben wollen, und keiner is drauf eingangen, daß der, wo aussiheiret, bloß die Zinsen kriegt, derweil 's Geld am Haus bleibt. So haben s' mitanand furtghadert Jahr um Jahr. Dem Christl sein Schatz hat a Kind kriegt, und der vom Lipp gar zwei in ei'm Jahr. Da haben die Buben wieder ihre Madln ebbes zahlen müssen, und statt, daß man gspart hätt, is 's Geld allweil weniger worden.«

»Da mußt du kein gutes Leben gehabt haben!«

»Im Anfang, solang ich allweil d' Vermittlerin hab machen können, wann s' gstritten und zugschlagen haben, war's zum derleiden. Aber arg is 's worden, wie z'letzt alle zwei gegen mich bockt haben. Da is a reicher Bauernsohn in der Jachenau gwesen. Der is mir nachgangen auf Schritt und Tritt. Selbigsmal war ich noch gut zum anschaun, aber jetzt – ich muß mich wundern, daß mich 's Elend net noch ärger runterbracht hat. Der Huber Franzl war so verschossen, daß er zu meine Brüder gsagt hat, er nimmt mich ohne Heiratsgut. Da hab ich's natürlich sagen müssen, daß ich den Domini gern hab. Und daß wir im Herbst Hochzet halten möchten. Und sie müßten mir 's Heiratsgut auszahlen, geh's wie's will. Meine Brüder sind umgsprungen mit mir, ich kann's net sagen. Der Lipp amal hätt mich in der Wut derschlagen, wann ich net zur Stuben aussigsprungen wär und hätt mich eingsperrt in der Kammer. Am andern Morgen haben s' mir gsagt, sie hätten dem Franzl a feste Zusag gmacht und ich müßt mich dreinschicken, ob ich wollt oder riet. je mehr ich bettelte und gweint hab, so gröber sind s' mit mir worden. Den ganzen Tag haben s' aufpaßt, daß ich riet in d' Jachenau ummispring oder dem Domini Botschaft sagen laß. Wie der nächste Sonntag kommen is, haben s' mich zur Kirchenzeit auf'n Heuboden gsperrt, daß ich mit'm Domini net zammtreffen sollt. Ihm selber haben s' schon lang Botschaft zutragen lassen, daß ich mit'm Huber Franzl versprochen wär. Am selben Sonntag is in Urfeld drüben Kirchweih gwesen –«

»In Urfeld steht doch gar keine Kirche?« unterbrach ich das Mädel.

»Dös macht nix. Kirchweih feiert, man deswegen doch. Also, am Nachmittag sind meine Brüder aus der Jachenau heimkommen, wo s' in der Kirch waren und beim Wirt drin gsessen haben. Da hat mich der Lipp aus'm Heuboden aussilassen und hat mir gsagt, daß der Franzl drunten wär. Ich sollt nur gleich mein Feiertagsgwand anlegen, weil ich mit ihnen nüber müßt zum Tanz nach Urfeld. Ich hab gmerkt, daß mir a Widerred nix anders eintragt als Schimpf und Schläg. So hab ich mir denkt, die Glegenheit kommt schon, wo ich's machen kann, wie ich will. In Urfeld hab ich tanzt, hab gessen und trunken. Mir war's, wie wann ich beim eigenen Leichenschmaus mithalten tät. Links von mir is der Franzl gsessen und rechts der Lipp. Mit keim andern Burschen hab ich tanzen dürfen als mit'm Franzl. Der Lipp, der in der Jachenau schon a bißl z'viel derwischt hat, hätt mich beim gringsten Muckser anpackt vor alle Leut. Grad bin ich nach'm Tanz wieder am Tisch gsessen, da schau ich auf und bin schier z' Tod erschrocken, wie der Domini dasteht, 's Hütl am Kopf und 's spanische Spazierstöckl in der Hand, mit dem er allweil an d' Waden hinklopft hat. Sein Gsicht is gwesen wie d'Wand, und angschaut hat er mich wie a Gstorbener. Und is auf an Tisch zugangen, wo fünf oder sechs Jachenauer Madln gsessen sind. Da hat er an süßen Wein kommen lassen, hat trunken und tanzt und mit die Madln Dummheiten trieben. Diemal hat er glacht, daß man's hören hat können im ganzen Saal. A Zither haben s' ihm bracht, und da hat er gsungen, ein Liedl ums ander. Z'letzt den ›Jager am Walchensee‹:

A See, der is blau, der liegt tief in ei'm Tol –

Mit Gwalt hab ich's Weinen verhalten. Und wie er gsungen ghabt hat:

Und müeßt i bald sterben und graben s' mi ein,
Mei Grab, dös mueß nacher am Walchensee sein –

da is er gahlings aufgsprungen und hat zu mir ummiglacht: ›Was is denn, Mali? Singst net eins mit mir? Weißt, dös lustige Lied vom Madl, dös an andern gnommen hat?‹ Ich hab aufstehn wollen. Der Lipp hat mich wieder hinzogen auf'n Stuhl und schreit zum Domini ummi: ›Sing du allein, mei' Schwester hat schon an Zwiegsang am Tisch!‹ Und da hat er wohl denkt, der Lipp, daß ich's nimmer lang aushalt. Drum haben die Brüder 's Gwitter fürgschützt, dös am Himmel gstanden is, und sind zum Heimweg aufbrochen. Es war noch net Abend. Wie wir zum Tanzsaal aussi sind, steht neben der Stiegen der Domini. Es muß ihm net recht gut gwesen sein – natürlich, dös ungwohnte Einischütten und dö gwaltsame Lustigkeit! Und ich spring auf ihn zu. ›Domini!‹ sag ich. ›Zu allem haben s' mich zwungen, aber dir bleib ich treu auf Schnaufen und Sterben!‹ Der Christl schiebt den Domini auf d' Seiten, der Lipp hat mich am Arm packt und hat mich abigrissen über d' Stiegen. Wie wir drunten auf der Straß waren, is der Franzl nachkommen und hat mich zum fragen angfangt. Was denn dös wär? Und daß ich mit eim andern so reden kunnt, wo er die feste Zusag hätt? Da hab ich mir 's Kurasch gnommen und hab ihm alles gsagt. Und wie der Lipp auf mich losfahren will, hat der Franzl den Arm fürgstreckt: ›Laß du 's Madl reden, wie's ihr ums Herz is!‹ Und da hab ich gredt, wie's mir ums Herz war. Und da hat er gsagt: ›Nobel, nobel! Schön sitz ich vor'm Häusl! Aber dir, Madl, mag ich 's Glück net verschustern, und für mich wär's auch kein Segen net, wann ich a Weib haben müßt, dös an andern mag.‹ Wahr is 's, Herr, da hab ich aufgschnauft, als wär der Heiland extra für mich vom Kreuz abigstiegen.«

Ich sagte: »Ein braver Bursch, der Franzl!«

Mali nickte. »So sind wir halt fort in der Nacht. Keins von uns hat mehr a Wörtl gredt. Bloß der Lipp is gahlings stehnblieben und hat gsagt, er müßt wieder umkehren.«

»Was? Der Lipp ist noch mal nach Urfeld?«

»Er hat auf'm Tisch sei silberbschlagene Pfeifen liegenlassen. Ohne die hat er net heim wollen. Is er halt wieder zruck. Und daheim, beim Haus, hat mir der Franzl d' Hand geben und hat gsagt: ›Deswegen kei' Feindschaft net! Unser Herrgott macht's halt, wie er mag.‹ Hat 's Hütl glupft und is davongangen. Im Haus hat der Christl d' Stubentür zugschlagen ohne Gutnacht. In meiner Kammer hab ich mich ans Fenster gsetzt, weil ich mir denkt hab, der Domini macht den weiten Weg am Haus vorbei und ich kunnt ihm noch a Wörtl sagen. Ganz vertraulich bin ich wieder gwesen und hab gmeint, jetzt kommt alles in Ordnung und alls is gut.«

Den Kopf senkend, schwieg das Mädel eine Weile. Ihre Stimme war anders, als sie weitersprach:

»Zwei Stund später hab ich den Lipp heimkommen hören. Und allweil hab ich gwart und gwart. Der Tag is kommen. Kein Domini. Gegen Morgen bin ich vor Müdigkeit auf'm Sessel eingschlafen. Wie ich aufwach, is d' Sonn schon überm See gstanden. Da hab ich d' Werktagsmontur anzogen. Der Lipp is schon draußen im Holz gwesen. Und der Christl hat im Garten am Zugnetz gflickt. Und wie ich beim Brunnen a Schaffl mit Wasser einlaufen laß, hör ich am Straßl wen daherspringen. An alts Weib steht im Hof, kasweiß im Gsicht, in der Hand dös spanische Spazierstöckl. Gleich hab ich's kennt. Und draußen im See, hat die Alte aussigraspelt, tät a Hütl im Wasser schwimmen. An Schrei hab ich ausgstoßen und bin aussi zum Hof, hinter mir die Alte und der Christl. Wie ich ans selbige Platzl komm und dös Hütl im Wasser sieh, hab ich gmeint, es fallt mir der Himmel auf d' Augen. Wie a Stück Holz bin ich niedergschlagen. Vier Wochen bin ich am Nervenfieber glegen. Und wie ich nach der sechsten Woch wieder vor d' Haustür kommen bin, da war schon dös Marterl am See. Dös Kreuzl war alls, was mir bliebn is.«

Mali schwieg. Ganz ruhig hatte sie gesprochen. Was in ihrem Innern war, hatte sich nur manchmal durch ein Beben der Stimme verraten, durch einen müden Zug, der sich um die Mundwinkel schnitt, und durch die Hast, mit der sie die Ruder führte.

Nun hob sie das harte Gesicht und sah mich an, fast verwundert. »Dös is seltsam: daß ich Ihnen, den ich heut zum zweitenmal sieh, so alles verzählen hab müssen? Kann sein, weil Ihnen sein Liederbuch gfallen hat. Kann sein, es war mir selber a Wohltat, daß ich amal reden hab dürfen. So a Wörtl, wann dös einer geduldig anhört, kann wie a Pflaster sein. Sonst hab ich kein Trost. Dös is der einzige – vom Domini reden. Den andern – daß man sich wieder amal finden kunnt, ich weiß net wo –, den haben s'mir ausgredt!«

»Wer? Deine Brüder?«

Sie schüttelte den Kopf. »Der Pfarr!« Eine Falte schnitt sich in ihre Stirn, während sie über die Schulter nach dem Ufer blickte, das wir in wenigen Minuten erreichen mußten. »Ja! Am Krankenbett hat er mich öfters bsucht, der geistliche Herr! Und gnau hat er mir alles sagen können. Daß der Domini von selber einigsprungen is? Ah na! Es war an Unglück. Da glaub ich dran. Aber a Rausch? Net? Dös is doch a Todsünd! Im Katechismus heißt's: Völlerei. Und wann einer im todsündigen Zustand ummifahret? Was da gschieht? Dös weiß doch der Pfarr! Oder net?« Ein wehes Lächeln umzuckte den Mund des Mädels. Jetzt müssen die Höllischen schöne Zeiten haben – wann der Domini Orgel spielt.

Knirschend fuhr der Kahn an das sandige Ufer. Mali erhob sich. Ich faßte ihre Hand.

»Mädel! An so hoffnungslose Dinge dürfen wir Menschen nicht glauben. Wie wir schnaufen müssen, so müssen wir hoffen können. Unser Herrgott ist größer im gütigen Verzeihen als im Strafen und Verdammen. Was wir Liebe nennen, ist sein Geschenk für uns. Und seine Ewigkeit da drüben ist ein Haus voll Glück und Ruhe, ein Haus des Wiederfindens für Menschen, die auf der Welt in Treu zueinander standen. Das mußt du glauben, Mädel! Und kommen Zweifel über dich, so frag nicht andere! Frag dein eigenes Herz! Dann weißt du die Wahrheit!«

Ein dankbarer Blick leuchtete in Malis Augen. »Vergelts Gott, Herr!« sagte sie leise, schob den Kahn ins Wasser, drehte ihn mit der Stange, faßte die Ruder und begann zu ziehen.

Hinter dem Boot blieb in der Sonne ein leuchtender Wasserstreif.

Drei Wochen später kehrte ich nach München zurück.

In meiner Wohnung fand ich eine Kiste, in der mir Anderl, mein Jagdführer in der Jachenau, das Geweih des von mir erlegten Hirsches übersandt hatte.

Der Brief, der dabei lag, lautete:

Jachenau, den 2. Settember.
Liber Herr Dogder!

Anbey überschigg ich Ihn, wie mir auftragt haben, das Hirschgeweih. Habs gut verpackt, wird hohfentlich kein End oder sonst nichs brochen sein. Ist schad, das Sie furt ham müssen, kommens nur bald widder, ich spür Ihn den schönsten Hirsch aus in Revier. Geltens mit der Leitnermali hats ein traurigs End gnommen. Sie dauert alle Leit! War ein braffs Madl, wos besser verdient hätt. Oft gets spaßig zu auf der Welt. Is eh nix wert, alls übereinand. Der Herr Oberförster läßt Ihnen grissen. Sö sollen auf die Patronhilsen nich vergessen, wos ihm bsorgen wollen. Bein Königsschießen hab ich das Best am Haupt kriegt, ein seidens Tüchl mit zehn March. Ein Rausch hab ich auch kriegt, hat sich könn segn lassen. Sind schon widder beim Teifi, die zehn March. Hochachtungsvohlst grissend Ihr liber

Andreas Horlinger,
königl. Jagdgehilf in der Jachenau.

Mali tot! Diese Nachricht erschütterte mich. Was war da geschehen? Ich schrieb an den Jäger. Drei Tage später erhielt ich seine Antwort:

Jachenau, den 9. Settember. Liber Herr Dogder!

Hab glaubt Sie wüßtens schonn, hättens in der Zeiding glesen. Die Mali is nich gesturm, is im Walchensee verunglückt, is jez mit ihm vereinicht, freilich auf anderweis als sichs friher denkt haben. Das Platzl kennens wo dem Domini sein Marterl stett. Da is die Mali Tag fir Tag zum Beten gangen. Die Felsplatten hat schonn lang ein Riß ghabt. Wie die Mali am Bankl vor den Kreizl war, is die ganze Gschicht in See abi grumpelt. Am 22. August is gwesen. Das Madl hat man nich mehr gfunden. Der Walchensee is ein Luder. Gibt nichs mer her. Ihr Brudder Lipp is menschenfeindlich seit derer Zeit. Der Christl is ganz täppet und redt dumms Zeig. Is auch bettlächrig. Wies des Madl gsucht ham, is er mitn Hackn wo hängen bliem und kopfüber in See gfahln. Seider Zeid hatr ein arg bösen Husten. Der Dogder fürcht. Für die Patronhilsen laßt Ihnen der Herr Oberförster danggen indem ich ebenfahls verbleibe Ihr liber

Andreas Horlinger,
königl. Jagdgehilf in der Jachenau.

Drei Ausschnitte aus einer Münchener Zeitung:

Jachenau, 16. September. Gestern abend gegen 9 Uhr sah man hier plötzlich über dem Gehölze gegen Walchensee eine flammende Feuerröte sich erheben, welche von Minute zu Minute an Dimension und Intensivität zunahm. Die Gemeindespritze wurde sofort abgesandt. Als man den Rand des Gehölzes erreichte, sah man sich dicht vor dem Feuerherde. Hier am See steht oder vielmehr stand ein einsames Haus, ›Beim Seeleitner‹ geheißen. Bis auf die Grundmauern war alles schon niedergebrannt. Leute aus dem näheren Urfeld umstanden jammernd die Unglücksstätte. Außer dem sämtlichen Vieh scheinen auch die zwei Brüder verbrannt zu sein, welche das Anwesen bewohnten und denen erst vor wenigen Wochen eine Schwester im See ertrank.

Tölz, 19. September. (Originalkorrespondenz.) Sie haben – so schreibt man uns – vor wenigen Tagen in Ihrem geschätzten Blatte von dem Brande des sogenannten Seeleitner-Hauses berichtet und es dabei als wahrscheinlich hingestellt, daß die Bewohner desselben, zwei Brüder, in den Flammen umgekommen wären. Diese Nachricht muß eine Berichtigung finden. Heute vormittag erschien auf dem hiesigen Landgericht ein wild aussehender Bursche in schmutzigen, abgerissenen Kleidern. Er gab an, der Philipp Leitner zu sein, der Mitbesitzer jenes abgebrannten Hauses. Daran schlossen sich Selbstanklagen, welche jenen, die sie anhörten, die Haare zu Berge stehen ließen. Philipp Leitner oder Lipp, wie er kurzweg genannt wurde, hat erstlich den Geliebten seiner Schwester, einen Jachenauer Schulgehilfen namens Dominikus Haselwanter in den See gestürzt, um seiner Schwester nicht das vom Vater testamentarisch ausgesetzte Heiratsgut bezahlen zu müssen. Im Oktober wurden es bereits zwei Jahre, daß Lipp diese Untat verübte. Weil damals alles der Meinung war, daß Haselwanter im Rausch verunglückt wäre, ließ die Jachenauer Gemeinde an jener Stelle auf einer in den See hinausspringenden Felsplatte ein sogenanntes Marterl errichten. Hier pflegte die Schwester des Mörders, die Geliebte des unglücklichen Opfers, täglich zu beten. Da sich Lipp dadurch immer wieder an seine Tat erinnert sah, kam er auf den Gedanken, die Felsplatte mit dem Marterl vom Ufer abzusprengen und in den See zu stürzen. Wochenlang unterminierte Lipp den Felsen, bis derselbe eines Tages in den See brach, unglücklicherweise zu einer Stunde, als die Schwester betend vor dem Kreuze kniete. So hat auch die Arme durch die Schuld ihres Bruders den Tod gefunden. Die Habsucht hatte den Burschen zu seinem Verbrechen verleitet, und gerade an dieser Habsucht sollte er durch die unerforschliche Gerechtigkeit des Schicksals bestraft werden. Sein älterer Bruder Christian war, als er im Wasser den Leichnam seiner Schwester suchte, aus Unvorsichtigkeit in den See gestürzt, und es hatte sich bei ihm infolgedessen eine fixe Idee ausgebildet, indem er glaubte, die tote Schwester hätte ihn zu sich in die liefe hinabziehen wollen. Er verfiel in eine schwere Krankheit. Als er merkte, daß er sterben müsse, verleitete ihn der Neid, daß dem Bruder das ganze Erbe verbliebe, zu dem entsetzlichen Entschlusse, diesem die Freude zu verderben. Als Lipp, der noch spät am Abend in einiger Entfernung vom Anwesen Holz aufschichtete, die Flammen aus dem Dache schlagen sah und entsetzt dem brennenden Hause zueilte, traf er im Flur auf seinen Bruder, der ihm in der Schadenfreude des Wahnsinns zur Erbschaft gratulierte. Schäumend vor Wut riß Lipp das Messer aus der Tasche und stieß es dem Bruder, der vor ihm in die Stube geflüchtet war, von rückwärts in den Hals. Als dieser sich schwer getroffen am Boden wand, packte den Mörder das Grauen, und er stürzte, Verzweiflung im Herzen, aus dem brennenden Hause. Drei Tage irrte er in den waldigen Bergen umher, bis er sich heute morgen in einem Aufzuge, welcher, wie bereits vermerkt, jeder Beschreibung spottete, den Gerichten stellte.

Tölz, 20. September. Der Mörder Philipp Leitner hat sich heute nacht in dem Gewahrsam, in den er verbracht wurde, mit Hilfe seiner zusammengeknöpften Rockärmel erdrosselt.

Die Hauserin

 

  Die Hauserin

Eine scheltende Männerstimme klang aus dem Hausflur. Unter dem Werkstatt-Tor, das durch zwei Fenster von der Haustür getrennt war, erschienen die beiden Wagnergesellen, im Schurzfell, der eine mit dem Hammer, der andere mit dem zweihändigen Schnitzer unter dem Arm; und während der jüngere aufmerksam der scheltenden Stimme lauschte, brummte der ältere: »Es scheint, die Alte hat wieder ebbes angstellt!«

Die Stimme im Hausflur klang immer zorniger und wurde verständlich: »So was! Dös wär doch aus der Weis! Wann d' meinst, mein Haus wär a Herberg für so a Bagasch, da hast mit'm Falschen grechnet! Und daß wir der Gschicht gleich an End machen – marsch da!«

Man vernahm einen kreischenden Schrei. über die Türschwelle stolperte ein altes Weib, fuchtelte mit den Armen und plumpste der Länge nach in den voreiligen Oktoberschnee, daß Rock und Unterrock emporflogen bis über die blaubestrumpften Kniekehlen.

Während die Haustür zugeschlagen wurde, verschwanden die Gesellen lachend in der Werkstätte, und zwei Buben, die auf der Straße schlitterten, rannten so erschrocken davon, daß die Schlipsenden flatterten und ihr Bockschlitten hohe Sprünge machte. In sicherer Entfernung hielten sie an, guckten nach der kostenfrei über die Schwelle beförderten Alten, machten lange Nasen und spotteten: »Ätsch! Ätsch! Aussigschmissen! Aussigschmissen!«

Unter Verwünschungen erhob sich die Alte, schüttelte den Schnee vom Rock und streifte mit scheuem Blick die Fenster und Türen der Nachbarhäuser; außer den Buben und den beiden Gesellen, deren lachende Gesichter aus dem Werkstattfenster grinsten, schien niemand ihre Luftreise beobachtet zu haben.

Sie humpelte auf die Haustür zu, merkte, daß drinnen der Riegel vorgeschoben war, und verzog das breite, zahnlose Maul. Ein paar Augenblicke stand sie unentschlossen auf der Schwelle; dann trat sie auf ein Fenster zu und schielte in die Stube.

Drinnen sah sie den jungen, seit einem Jahr verwitweten Wagnermeister Jörg Hohrmiller, ihren Vetter und Spediteur, sehr mißmutig auf und nieder schreiten. In Sorge streifte sein Blick die neben dem Ofen postierte Wiege, in der sein pausbäckiges Büberl lag. Den Schnuller im Munde, guckte das Kind mit großen Augen hinauf zur weißgetünchten Stubendecke.

Der Wagner oder, wie man im Dorfe sagt, der Wanger blieb vor dem Tische stehen und durchstöberte die Röcke, Mieder, Strümpfe und Halstücher, die da lagen. Das alles hatte der Wangerin gehört, die nach kurzer und nicht sehr glücklicher Ehe eines raschen Todes verstorben war, Und die Alte, die der Wanger nach dem Tod seines Weibes als Hauserin und Kindsfrau zu sich genommen, hatte diese Erbstücke in unbelauschten Stunden so sicher in ihrer Truhe versteckt, daß es ihr wie ein schreiendes Unrecht erschien, als der Wanger sie vor einer halben Stunde bei einer Vermehrung ihrer schön angewachsenen Sammlung ertappte und ihre Truhe umstülpte – ein Vorgang, der in der kostenfreien Beförderung über die Hausschwelle einen dramatischen Abschluß fand.

Die Alte vor dem Fenster begann zu frieren. Sie stand mit den Strümpfen im kalten Schnee, weil sie bei dem Widerstand, den sie der kräftigen Faust des Wangers entgegengesetzt, im Hausflur ihre beiden Pantoffeln verloren hatte.

Schüchtern klopfte sie mit dem Knöchel an die Scheibe, und als sie merkte, daß der Fensterflügel nachgab, drückte sie ihn vollends auf, faßte die eisernen Stäbe und schob den grauen Kopf durch das Gitter. »Wanger, seids doch gscheid!« klagte sie weinerlich. »Machts die Tür wieder auf! Der Schnee is so viel kalt. Mir gfriert schon die ganze Ruckseiten.«

Jörg schenkte ihren Worten nicht das geringste Gehör.

Immer eindringlicher mahnte die Alte, pochte auf ihre Verwandtschaft, auf ihre Sorge für das Kind und machte geltend, daß es für den Wanger eine gesalzene Doktor- und Apothekerrechnung absetzen könnte, wenn sie sich im Schnee einen Rheumatisi holen würde. Keine Bitte, keine Drohung wollte fruchten.

Da wurde die Alte, die bald den einen, bald den anderen Fuß unter die Röcke hinaufzog, sehr verdrießlich und kreischte: »So? Wann's schon so sein soll, daß wir ausanand kommen, so laßts mich wenigstens den Kufer holen und zahlts mir den schuldigen Lohn aus!«

»Ah ja!« sagte der Wanger. »Dös kann gschehen!« Gleich darauf klirrte der Riegel, und die Haustür öffnete sich.

Die Alte trat in den Flur. Während sie ihre Pantoffeln suchte, ließ sie, um das harte Herz ihres Vetters zu rühren, die Zähne klappern und schüttelte sich ein paarmal wie eine Ente, die aus dem kalten Wasser stieg. Dann fing sie sanft und schüchtern zu reden an: »Schauts, Vetter, dös is doch net recht –«

»Sei stad, Zenz! Mach, daß d' auffikommst, und räum deine Zwetschgen zamm!«

Seufzend kletterte Zenz über die steile Treppe hinauf, und der Wanger folgte. Als die beiden im Stübchen der Alten anlangten, blieb Jörg unter der Türe stehen, während Zenz die auf dem Boden liegende Wäsche zusammenlas und aus dem Kasten ihre Gewandstücke herbeitrug, um Stück für Stück in die blau und weiß bemalte Truhe zu packen. »Gewiß, Vetter, ös tuts an Unrecht an mir! Was wär jetzt da dranglegen, an dem bißl Gwand von der Wangerin selig? Ös könnts es ja doch net anziehn! Und eh dös Zuig im Kasten vergrabelt, müßts doch a bißl bedenken, daß ich an arme, verlassene Wittib bin?«

»Dein Madl is im Dienst, dein Bub hat sein schöns Auskommen als Schreinergsell, und du selbst hast 's Geld von deim verkauften Häusl am Zins liegen. Da wird's net so weit her sein mit der verlassenen Armut.«

»Aber Vetter?«

»Nix Vetter! Einpacken! Hättst a Wörtl gsagt, ich wär auf dös bißl Zuig net angstanden. Aber daß man eim 's Sach aus'm Kasten forttragt, dös geht doch net an. Freilich, du bist allweil so gwesen.«

»Ah na!«

»Ah ja! Und was amal a Dacherl [Dohle] is, dös wird kein Stieglitz nimmer. Ich kann kein' Menschen im Haus haben, vor dem man Kisten und Kasten versperren muß.« Der Wanger warf mit dem Fuß den Deckel der gepackten Truhe zu und rief über die Treppe hinunter: »Veit! Wastl! Tragts den Kufer in d' Werkstatt abi!«

Die zwei Gesellen kamen, und Wastl, der jüngere, sagte lachend: »Heut kauf ich mir an Extramaß, weil dö alte Bißgurn endlich aus'm Haus kommt!«

In der Stube drunten holte Jörg aus dem Wandschrank einen Lederbeutel hervor und zählte der Alten den Lohn in Markstücken auf den Tisch.

»Vetter! Überlegts es enk! Denkts an dös arme Würmerl, dös kein' Menschen hat, wann ich mich net drum annimm. Bin ich amal draußen bei der Tür, so komm ich nimmer zruck!« Warnend hob sie den Zeigefinger. »Gwiß net!«

»Gott sei Lob und Dank. Dös Versprechen mußt halten. Da schnaufen wir auf im Haus.«

»So! Is schon gut!« Ohne Gruß und Abschied klapperte die Alte in ihren Pantoffeln der Türe zu, die sie zornig hinter sich ins Schloß warf.

Der Krach schien das Kind erschreckt zu haben. Leise begann es zu weinen. Jörg sprang zur Wiege, suchte unter zärtlichen Worten den Schnuller, tauchte ihn in ein Schälchen mit Zuckerwasser, das neben der Wiege auf der Ofenbank stand, und schob ihn wieder in das Mäulchen, das begierig schnappte.

Obwohl das Kind beruhigt war, blieb Jörg bei der Wiege sitzen und schaukelte.

Das braune, von einem kurzen, gekräuselten Backenbart umrahmte Gesicht des Meisters war noch jugendlich. Jörg hatte noch nicht das dreißigste Lebensjahr überschritten; aber ein männlicher Ernst lag in den stillen Augen. Schwere, unermüdliche Arbeit hatte den jungen Wanger frühzeitig gereift.

Wenige Wochen nach Jörgs achtzehntem Geburtstag war sein Vater einer Krankheit erlegen und hatte dem einzigen Sohn ein stattliches Haus und das einträgliche Geschäft hinterlassen. Als der Schmerz überwunden war, hatte Jörg sich mit einer Rastlosigkeit, die man von dem jungen Burschen nicht erwartet hätte, in sein Geschäft hineingearbeitet. Das war vonnöten gewesen. Kurz nach dem Tod des alten Wangers hatte ein früherer Gesell im Dorf eine zweite Wagnerei aufgetan, der viele Kunden zuliefen. Alle kehrten wieder zu Jörg zurück, der besser und billiger arbeitete. Der andere mußte seine Werkstatt wieder zusperren. Vom Morgen bis in die Nacht hatte Jörg mit seinen zwei Gesellen zu tun. So verging ihm Jahr um Jahr. Am Abend nach der Arbeit saß er mit der Mutter beisammen, rechnend oder schwatzend, und am Sonntag machte ihm ein Spaziergang im Wald und über die Acker größeres Vergnügen als der Spektakel in der dunstigen Wirtsstube. Auch zu keiner richtigen Liebschaft hatte er's bringen können, obwohl im Dorf manches Mädel herumging, das den schmucken, fleißigen Burschen gerne genommen hätte.

Jörg war fünfundzwanzig Jahre alt geworden, als seine Mutter zu kränkeln begann. Es wurde immer schlimmer mit ihr. So wenig diese Erkenntnis sie betrübte, so sehr war sie von Sorge um den Sohn erfüllt, den sie gerne geborgen bei einer braven Frau gesehen hätte. Als sie das erstemal davon sprach, hatte Jörg ihr mit fröhlichem Trost die Sorge auszureden gesucht. Immer wieder, erst von Woche zu Woche, dann Tag für Tag begann sie zu drängen. Schließlich sagte er ja. Und nur der Mutter zuliebe geschah es, wenn Jörg eine Wahl traf, die übereilter war als überlegt. Da diente im Dorf bei einem Bauern ein junges Mädel, Franzi mit Namen, ein Geschwisterkind der alten Zenz, deren Mann das früh verwaiste Geschöpf aus seiner Heimat ins Dorf gebracht hatte. Man wußte, daß Franzi fleißig ihre Arbeit tat. Auch hübsch war sie, gut gewachsen. Aber aus dem wohlgeformten Gesichte blickten zwei Augen heraus, die Glanz hatten und doch ohne Sprache waren.

Rascher, als Jörg erwartete, stimmte Franzi seiner Werbung zu. Nach einem Brautstand von drei Wochen war die Hochzeit in Freude gefeiert worden, wobei den jungen Meister nur der Umstand betrübte, daß die kranke Mutter nicht an der Ehrentafel sitzen konnte.

Franzi, wie sie ging und stand, zog in das stattliche Haus. Ein paar Wochen verflossen, wenn nicht in Glück, doch in Ruhe. Den ersten Streit setzte es, als Franzi die alte Wangerin, die ihr einen auf die Wirtschaft bezüglichen Rat mit freundlichen Worten erteilt hatte, scheltend abfertigte. Jörg verwies ihr das, und Franzi spielte die Gekränkte. Als Jörg nach ein paar Tagen die Verstimmung gutmütig auszugleichen suchte, traktierte sie ihn mit Ungezogenheiten. Das Befehlen und Schelten wurde ihre Angewohnheit, der Putz ihre einzige Sorge. Ihr Hochmut brachte sie mit allen Nachbarsfrauen in Zwist, bis schließlich die alte Zenz, die immer im Wagnerhause hockte und die junge Frau mit Schmeicheleien überschüttete, Franzis einzige Freundin blieb. Ihrem Manne ging dieses Leben hart ans Herz. Am bittersten litt darunter seine Mutter, die, was sie für das Glück ihres Sohnes gehalten, in ein unkurables Elend ausarten sah. Und als sie bei ihrer Altersschwäche den Kränkungen erlag, die sie von der jungen Meisterin täglich erdulden mußte, erkaltete in Jörg der letzte Rest von Zuneigung zu seinem Weib. Von nun an ließ er Franzi tun und treiben, was sie wollte, sah nur darauf, daß ihr Geldverbrauch seinen Verdienst nicht überschritt; und selten lächelnd, lebte er ganz in seiner Arbeit.

Erst als sein Weib nach Ablauf des zweiten Jahres einen Buben gebar, wachte auch Jörg wieder aus seiner Schwermut auf und wandte zärtlich sein Herz dem Kinde zu. Und als die Franzi, die nach der Geburt in launenhaftem Eigensinn jede Schonung ihres Körpers außer acht ließ, in eine schwere Krankheit verfiel, von der sie nicht mehr aufstand, betrauerte er sie ehrlicher, als sie es um ihn verdient hatte.

Diesen vergangenen Dingen sann der junge Wanger nach, während er die Wiege des Kindes schaukelte, das eingeschlafen war. Seufzend erhob er sich und räumte die Gewandstücke vom Tische fort. Der Kuckuck in der Wanduhr rief die dritte Nachmittagsstunde. Das war die Brotzeit. Nun mußte Jörg dafür sorgen, daß die Gesellen ihr Bier und später ihr warmes Abendessen bekamen.

Er vertauschte den Hausrock gegen eine Joppe, stülpte das Filzhütl aufs Haar, entnahm der Mischlade einen Laib Brot und verließ nach einem Sorgenblick auf das schlummernde Kind die Stube. In der Werkstätte, in der noch die Truhe der verabschiedeten Alten stand, übergab er das Brot dem älteren Gesellen.

»Grad spring ich ins Wirtshäusl, daß man enk's Bier ummischickt. Und bis siebne laß ich enk drüben's Essen richten. Schau mir halt derweil fleißig nach'm Kind! Wann's aufwacht und grantig wird, bleibst a bißl sitzen dabei. Gelt ja?«

Als Jörg die Wirtsstube betrat, fand er, dem Werktag angemessen, nur wenige Gäste. Im Herrgottswinkel sah er den Wirt bei einigen Dorffaulenzern sitzen, die sich die Zeit mit Zwicken vertrieben, einem Kartenspiel, das, wie der Volksmund sagt, gleich nach dem Stehlen kommt.

Das war keine Gesellschaft, wie Jörg sie liebte. Er schritt einem Tische zu, an dem ein vereinsamter Gast saß, ein alter Mann, der sich durch blaue Mütze und Ledertasche als Briefbote des Dorfes kennzeichnete und dem jungen Meister mit freundlichem Gruß den Krug zum Willkommstrunke geboten hatte.

»Vergelt's Gott!« dankte Jörg, als er nach kräftigem Zuge den Krug auf den Tisch stellte. »Sag, Ürle [Ulrich], wie geht's denn allweil bei dir?«

»Allweil auf zwei Füß, acht Stund lang im Tag. Mir schlafen d' Waden net ein.«

Die Kellnerin brachte dem jungen Meister das Bier. Er ersuchte sie, seinen Gesellen zwei Maß hinüberzuschicken, und gab ihr den Auftrag wegen des Abendessens.

»Seit wann schickst denn du deine Gesellen zum Essen ins Wirtshaus?« fragte der alte Ürle.

»Seit heut. D' Hauserin is mir ausgstanden.«

»Was? Dein Basl? Warum denn?«

Jörg zuckte die Achseln. »Sie is an alts Leut. Da wird ihr halt d' Arbeit z'viel worden sein! Und jetzt sitz ich da mit'm Kind und wär froh, wann ich wieder a verlässige Hauserin hätt.«

»Kreuzsaxen!« Der Alte schlug mit der Faust auf den Tisch. »Allweil bin ich beim Glück um an Zipfel z' kurz kommen. jetzt paßt mir amal ebbes auf der Welt! Mein Madl, d' Vroni – die kennst ja, sie is um drei, vier Jahrln jünger als du –«

Jörg nickte. »Sie is ja mit mir in d' Feiertagsschul gangen.«

»No also! Und die Zeit her war 's Madl beim Einödbauer am Dings droben im Dienst, zwei Jahr lang. A paar Wochen nach deiner Hochzet hat sie sich eindingt. Und gestern auf d' Nacht, was sagst, kommt 's Madl daher, is droben auf und davon gangen, weil ihr der Bauernsohn kei' Ruh mehr lassen hat. So a bravs Madl! Arbeiten tut s' wie a Roß. Und zu die Kinder hat s' a damische Freud. Magst es net haben als Hauserin?« Ürle streckte die Hand über den Tisch hinüber. »Schlag ein! Mir nimmst a Sorg von der Seel. Daß 's Madl bei dir gut ghalten is, dös weiß ich. Und du hast a brauchbare Hilf im Haus.«

Einen Augenblick besann sich Jörg, dann schlug er in die Hand des Alten ein. »Meinetwegen! Sie kriegt, was ihr der Einödbauer zahlt hat. Und daß dö Sach a Sicherheit hat –« Er zog den Lederbeutel und schob dem Alten ein Talerstück zu. »Da nimm! Kannst ihr als Vater 's Drangeld geben.«

»Jessas, dö Freud, dö mei' Alte haben wird!« lachte Ürle. »Die ganz Nacht hat s' gflennt vor lauter Kümmernis. ja, Mensch, da muß ich machen, daß ich heim komm!«

»Grüß mir d' Vroni derweil. Morgen in der Fruh kann s' einstehn.«

»Wohl! Pfüet dich, Jörg! Und Vergelt's Gott!«

»Braucht's net. Ich zahl, und 's Madl schafft.«

Als Jörg nach Hause kam, fand er sein Kind noch schlafend. Während seiner Abwesenheit war die Zenz dagewesen, um ihre Truhe auf dem Schubkarren zur Schmiedin hinüberzuradeln. Sie hätte da ein Stübl gemietet, ließ sie dem Wanger sagen, und wäre jederzeit zu finden.

»Da kann ihr's Warten lang werden!« meinte Jörg. »Der wachst a Hühneraug auf der Geduld.«

Als es Feierabend wurde, zündete er in der Stube die von der Decke auf den Tisch herunterhängende Petroleumlampe an, schob ein paar buchene Holzklötze in den Ofen und stellte für den Fall, daß das Kind in der Nacht hungrig erwachen könnte, ein mit Milch gefülltes Blechschüsselchen in das Bratrohr. Dann setzte er sich an den Tisch und überließ sich den sanften Aufregungen des Bezirkstageblattes für die christliche Landbevölkerung.

Nach gründlicher Beendigung der Lektüre ging er in den Flur hinaus, um nachzusehen, ob Schloß und Riegel in Ordnung wären. Aufs Kochen für sich selber verzichtete er, tauchte die Finger in das Weihwasserkesselchen und besprengte zuerst das schlummernde Kind, dann das eigene Gesicht. Achtsam trug er die Wiege in seine Schlafkammer.

Viel Ruhe fand er nicht. Ein dutzendmal erwachte er und lauschte zur Wiege hinüber. Sooft er einduselte, hatte er einen flinken, dummen Traum. Einmal träumte er, daß er um Wagendeichseln in den Birkenwald gegangen wäre. Und da hörte er, über eine halbe Stunde weit, sein Bübl schreien, rannte heim wie verrückt und öffnete die Stubentür. Überrascht blieb er stehen, die Klinke in der Hand. Auf der Ofenbank, neben der Wege, saß die Vroni, genau so, wie er sie vor zwei Jahren gekannt hatte, mit dem schmächtigen Figürl, mit den großen Augen und den schmalen Wangen, deren Blässe durch das tiefe Braun der Haare noch gehoben wurde. Mißmutig nickte sie ihm zu, ganz wie die alte Zenz, und wollte augenscheinlich etwas sehr Feindseliges sagen, wandte sich aber zur Wiege zurück, weil das Bübl zu Weinen anfing.

Das letztere war nimmer Traum, schon Wirklichkeit. Jörg sprang aus dem Bett, fuhr in die Hose und machte Licht. Tröstend hob er den Kleinen aus der Wiege und suchte ihn durch Schaukeln auf den Armen zu beruhigen. Als dieses Mittel nicht fruchten wollte, nahm er den Leuchter und ging in die Stube hinaus, die besser durchwärmt war als die Schlafkammer. Eben verkündete der Kuckuck die sechste Morgenstunde. Der etwas hilflose Vater holte das Milchschüsselchen aus dem Bratrohr, versuchte den kleinen Schreihals durch ein ausgiebiges Frühstück zu besänftigen und war herzlich froh, als er die schwierige Arbeit vom besten Erfolge belohnt sah. Dabei überhörte er, daß jemand ans Fenster pochte. Erst als er die Wiege aus der Schlafkammer herausgezogen und seinen friedlich gewordenen Sprößling zu neuem Schlafe gebettet hatte, hörte er das Klopfen. Er trat ans Fenster und öffnete. »Wis is denn?«

»Ich bin's, der Ürle!«

»Was willst denn schon in aller Fruh?«

»Bei der Hausmutterei hab ich dir a bißl zugschaut. A sorgsamers Kindsmadl, als d' selber bist, kannst net kriegen!«

Jörg lachte. »Wann d' Wiegen pumpert, lernt einer viel. Aber was willst denn?«

»Sagen hab ich dir wollen, daß d' Vroni kommt, wie's Tag wird. Und was ich fragen will – hast du 's Madl amal betrübt?«

»Ich? Na! Warum denn?« fragte Jörg erstaunt.

»Sie hat mir's schier verübelt, daß ich 's Drangeld gnommen hab. Und es is mir fürkommen, als ob s' dir wegen ebbes bös wär.«

»Ich kunnt mir net denken, warum. Wir waren allweil gut Freund mitanand. Aber halt, ja – in der Feiertagsschul, da hab ich ihr amal im Spaß a Bussel geben. Da hat s' a bißl trutzt mit mir.«

»No, dös wär noch lang net's Gfahrlichste!« lachte Orle. »Und ich hab mir schon fürgstellt, Gott weiß was! Daß aber d' Weibsbilder allweil übertreiben müssen mit söllene Sachen. A bißl Spaß muß der Mensch verstehn. Sonst lauft der allweil umanand wie 's wehleidige Katzl.« Der Alte wanderte durch die weiße Morgenfrühe davon.

Jörg schloß das Fenster, heizte den Ofen, trat in den Flur hinaus und rief über die Treppe: »Veit! Wastl! Siebne hat's gschlagen! Heut müssen wir uns selber d' Suppen kochen!« Er machte Feuer auf dem offenen Küchenherd, setzte in einer Pfanne das Wasser für die Suppe zu und kam dabei zu der Einsicht, wieviel schwierige Arbeit eine Hauserin zu leisten hatte. Er schätzte deshalb die alte Zenz nicht höher ein, beschloß aber in gerechter Erwägung, die neue Hauserin gut und freundlich zu behandeln.

Wastl bot sich als Koch an, und während er auf einem kleinen Brett eine dicke Zwiebel in dünne Scheiben schnitt, standen Jörg und Veit daneben und guckten zu. Auf den Gesichtern der drei Männer lag der rote Schein der Herdflamme, und durch das kleine Fenster stahl sich schon das Zwielicht des werdenden Tages.

Als Wastls Kochkunst ihr Meisterstück zur Vollendung brachte, gingen die zwei andern in die Stube, wo Veit den Tisch zu decken begann und die Weisheit aussprach: »Es ist schon wahr, ohne Weiberleut schaut 's Leben a bißl zahnlucket aus.«

Jörg verschwand in seiner Schlafkammer, um sich vollends anzukleiden. Als er wieder in die Stube trat, trug Wastl die Schüssel mit der dampfenden Suppe auf, und Veit holte den Knecht, der in der Scheune für die drei Milchkühe und die zwei Rosse das Frühfutter schnitt. Als die beiden kamen, sprachen alle vier zusammen den Morgensegen und rutschten in die Bänke.

Wastl teilte die Suppe aus und begann unter Zeichen höchster Befriedigung zu essen. Die andern, als sie den ersten Löffel gekostet hatten, schoben schleunigst den Teller fort. Die Suppe war bis zur Ungenießbarkeit verpfeffert. Wastl wollte das nicht glauben und aß immer zu, bis auch ihm ein Hustenreiz das Wasser aus den Augen trieb, daß er ärgerlich den Löffel in die Schüssel werfen mußte.

Während er von seinen Tischgenossen ausgelacht wurde, öffnete sich die Tür, und in die Stube trat ein hochgewachsenes Mädel mit einem von Gesundheit blühenden Gesicht. »Grüß Gott, Wanger. Da bin ich!«

Jörg erhob sich und betrachtete mit zweifelndem Verwundern das Mädel, das in dem braunen Rock, in dem knappen Mieder mit dem Seidentuch und in dem grünen, mit einem kleinen Buchszweig gezierten Hütl eine so wohlgefällige wie stattliche Erscheinung bildete.

»Kennst mich am End gar nimmer?« fragte das Mädel in einem Ton, dem man eine leichte Verstimmung anmerkte.

»Wann ich net wüßt, du mußt d' Vroni sein, möcht ich fast denken, du bist es net.«

Sie zuckte die Achseln. »D' Leut wachsen sich aus mit die Jahr.«

Jörg, ein bißchen befangen, trat auf Vroni zu, um ihr die Hand zu reichen. »Sag ich dir halt Grüßgott im Haus. Unser Herrgott soll dein' Einstand segnen. Mich kennst. Dö zwei sind meine Gesellen, der Veit und der Wastl. Und dös is der Knecht. Da hast alle beinand, mit denen du hausen mußt.«

»Alle? Da hast dich verrechnet, Wanger!« Vroni ging zur Wiege und strich mit sanfter Hand über das Köpfl des schlafenden Kindes.

Ein Strahl der Freude leuchtete in Jörgs Augen. »Madl, jetzt hast es gwonnen bei mir. Daß wir gut auskommen mitanand, an mir soll's net fehlen.«

Vroni hob das Gesicht. »Mußt mich halt einweisen ins Haus und in d' Arbeit.« Lächelnd sah sie die Suppenschüssel an. »Mir scheint, es pressiert a bißl.«

»Magst net a Schlückl kosten?« fragte Veit und hielt dem Mädel den gefüllten Löffel hin.

»Na, ich dank schön, ich hab schon vom Anschaun gnug.«

»Mußt mich halt bei der Kocherei in d' Schul nehmen«, lachte Wastl; »du schaust so aus, als ob einer ebbes lernen kunnt bei dir.«

Der junge Meister mahnte etwas ärgerlich. »Es is Zeit in d' Werkstatt!« Er wandte sich an Vroni. »Komm! Ich zeig dir dein Stüberl.« Er öffnete die Tür und ließ das Mädel in den Flur treten. »Was is denn mit deim Sach?«

»Draußen im Hof steht schon der Kufer. Ich hab ihn selber herzogen auf'm Schlitten.«

Jörg führte die Hauserin über die Treppe hinauf und zeigte ihr die Kammer der alten Zenz. Es war ihm leid, daß der kleine Raum so unfreundlich aussah. »Mußt dir halt alls a bißl zammrichten. Wann ebbes haben willst dazu, brauchst es nur zu sagen.«

Er öffnete die Türen zu den Gesindekammern, die Vroni in Ordnung zu halten hatte. Über den dichtgefüllten Heuboden führte er sie zu der Leiter, die in die Scheune hinunterging, zeigte ihr das Holzrohr, durch das man Heu und Häcksel in den Stall befördern konnte, und den kleinen Bretterverschlag, in dem die Sensen, Rechen, Sicheln, Heugabeln und Grabscheite verwahrt wurden. Dabei redeten die beiden immer von der Arbeit, ernst und ruhig.

Nun stiegen sie wieder über den Flur hinunter, besichtigten die Küche und den Milchkeller, gingen durch die Wohnstube in Jörgs Schlafkammer und traten ins Freie, um das ganze Haus zu umwandern. Eine Zeitlang standen sie im Gemüsegarten, der vor der Giebelwand gelegen war. Jörg zeigte der Hauserin die mit Schnee bedeckten Beete und nannte die Gemüsesorten, die er anzubauen pflegte. Dann betraten sie durch ein Türchen des Staketenzaunes den Wiesengrund. Einige Tagwerke umfassend, zog er sich eben gegen die sanft ansteigenden Vorberge hin und war mit zahlreichen Obstbäumen durchsetzt, die ihre schneeumfrorenen Aste still emporstreckten gegen den grauen Himmel.

»Da kann's Äpfel geben!« sagte Vroni.

»Gelt, ja! Wo guter Boden is, wachst allweil ebbes.« Und wieder betrachtete der Wanger die Gestalt des Mädels, als wäre das eine ganz unbegreifliche Sache, wie in der kurzen Zeit von zwei Jahren aus solch einem schmalwangigen, schmächtigen Ding eine so kernfeste Person sich herauswachsen konnte.

Sie bemerkte diesen Blick, wurde ein bißchen rot und fragte: »Was schaust mich denn allweil so an?«

»Net gnug verwundern kann ich mich.« Er dachte an seinen Traum. »Erst heut in der Nacht –« Nun war es an Jörg, verlegen zu werden, während er sich verbesserte: »will sagen, gestern am Nachmittag, wie ich mit deim Vater gredt hab von dir, ja, da hab ich mir allweil fürgstellt, wie d' amal ausgschaut hast-« Er sprach nicht weiter.

Sie waren an der anderen Giebelseite des Hauses angelangt, und der Wanger musterte aufmerksam die schlanken, in Spiralen geschälten Birkenstämme, die zu Dutzenden an der Wand lehnten, um zu Wagendeichseln und Leiterbäumen verarbeitet zu werden. »Ja, Madl, arg hast dich vermodelt. Net bloß auswendig. Früher amal bist allweil kameradschaftlich gwesen zu mir. jetzt aber-«

»Was?« fragte sie und sah ihn ruhig an.

»Dös muß sich doch a bißl umdraht haben?« entgegnete Jörg, während er mit dem Fuß den Schnee vom Boden scharrte wie ein Dackl, der sich niederlegen möchte. »Sonst kunnt ich mir riet denken, warum dich so gwehrt hast dagegen, wie dir dein Vater gsagt hat, du sollst zu mir als Hauserin kommen?«

Dem Mädel stieg das Blut in die Stirne. »Wer sagt denn dös?«

»Dein Vater selber hat mir's gsagt, heut in der Fruh.«

»Mein Vater kunnt dein Basl sein, weil er gar so gern tratscht!« platzte Vroni heraus.

»Wär's ebba riet wahr?«

»Lügen tut der Vater net.«

»No also!«

»Dös brauchst mir net verübeln. So einfach is dös net: über Nacht an Dienst kriegen, wo man net weiß, wie man sich stellen muß, was für Arbeit verlangt wird und ob man die richtigen Händ dafür hat. Gwissenhäftigkeit is kein Unrecht net. Dös därfst mir net nachtragen.«

»Ah, na, na, na, na, Madl!« Jörg reichte ihr lächelnd die Hand. »Von nachtragen is kei' Red net. Ich hab mir halt denkt, es is besser bei so was, wenn man's beredt.«

»Freilich, ja!« nickte Vroni aufatmend und folgte dem Meister durch die Wagenremise in den Stall.

Hier schirrte eben der Knecht die beiden Rosse an, um in den Wald zu fahren. Während Jörg mit Vroni am gemauerten Futterbarren entlang ging, lobte sie die Sauberkeit und Ordnung im Stall, was der Knecht unter vergnügtem Schmunzeln mit anhörte; auch dem schönen Schlag seiner drei Milchkühe machte sie ein wohlverdientes Kompliment und faßte eine Blässin bei der Schnauze, um ihr sanft die Nüstern zu reiben. Als die beiden andern Tiere das sahen, drängten sie brüllend ihre dicken Köpfe gegen Vronis Hand.

»Da schau«, sagte Jörg, »was dös für a paar eifersüchtige Trutscheln sind.«

»Da hab ich droben beim Einödbauer mein Kreuz ghabt!« antwortete sie lachend. »Ihrer neune waren im Stall. Wann ich futtern kommen bin, hab ich grad Arbeit ghabt, daß ich jeder gschwind Grüßgott sag. Sonst hätten s' anand umbracht. Is schon wahr.«

»Ja, ja«, meinte Jörg, »die Behandlung macht's aus, beim Viech net anders als wie beim Menschen. Aber komm, jetzt schaffen wir dein' Kufer ins Stübl auffi. Bis alles in Ordnung hast, dauert's allweil a Stündl, und nacher mußt dich ums Bier für die Gsellen sorgen.«

Sie traten ins Freie und gingen zur Haustür, wo Vronis Koffer stand. Da blieb der Meister horchend stehen.

»Sauber, ja, und gut gwachsen«, klang die Stimme des älteren Gesellen durch das Fenster der Werkstatt, »da hat er den richtigen Griff gmacht.«

»Ja, ganz mein' Gusto hat er troffen!« lachte Wastl.

»Da wird dir der Schnabel trucken bleiben! Dös Madl scheint mir so stolz wie sauber.«

»Die Stolzen sind net allweil die Brävsten.«

Wastl hatte noch nicht ausgesprochen, als Jörg das Tor aufstieß. »Du! Laß dir ebbes sagen! Noch an einzigs solches Wörtl, und du warst am längsten in meim Haus!« Er wandte sich von dem Verdutzten ab und verließ die Werkstätte.

Die Hauserin hatte ein bißchen von ihrer gesunden Farbe verloren. »Vergelt's Gott, Wanger! Aber du mußt dich net alterieren!« sagte sie ruhig. »D' Welt hat allweil den gleichen Buckel. So reden s' überall. Man gwöhnt's. Und geht's eim über d' Schnur, so kann man Schluß machen und marschieren.« Sie bückte sich, um den Henkel des Koffers zu fassen.

»Laß gut sein, Madl! Den lupf ich schon allein.«

Als der Koffer droben im Stübchen stand und Vroni aus ihrer Tasche den Schlüssel hervorsuchte, sagte Jörg: »Drunt in der Stuben leg ich dir's Biergeld auf'n Tisch. Wir müssen heut a bißl früher Brotzeit halten. Vom Wastl seiner Pfeffersuppen hat keiner an Löffel voll essen können. Schaust halt nacher bald dazu!« Er nickte einen stummen Gruß.

Die Tage vergingen. Bald war es allen merklich, welch ein frischer Lebensgeist mit Vroni in das Haus des Wangers eingezogen war. In allem und überall zeigte sich ihre Hand. Und dieser Umschlag zum Freundlichen, der das ganze Hauswesen umfaßte, spiegelte sich im kleinen in der Umgestaltung, die Vronis Stübchen erfahren hatte. Als Jörg acht Tage nach ihrer Ankunft den kleinen Raum betrat, blieb er überrascht auf der Schwelle stehen. Wie nett und schmuck und wohnlich sah es hier aus! Die Fenster hatten weiße Vorhänge; die Wände waren geziert mit Photographien in gepreßten Papierrähmchen, mit Heiligenbildern und mit verholzten Schwämmen, auf denen hübsche Holzfiguren standen: die Heiligen Drei Könige und die schwarze Muttergottes von Altötting; aus der Ecke über dem Bett neigte sich ein kleines Kruzifix mit Palmzweigen und Schilfkolben; auf dem Kleiderschranke standen drei Scherben mit künstlichen Rosen, und über der Kommode erhob sich ein Hausaltar, auf dem ein wächsernes Jesuskind zwischen Spitzen und bunten Bändern schlummerte, geschützt durch einen blanken Glassturz.

Velt und Wastl, besonders der letztere, predigten im Dorf das Lob der neuen Hauserin. Wenn Vroni bei der Arbeit einer Hilfeleistung bedurfte, brauchte sie nur zu winken. Da sprangen die Gesellen und der Knecht mit langen Beinen. jeder wollte es dem andern zuvortun, und wieder war es Wastl, der sich bemühte, durch Aufmerksamkeiten aller Art seine leichtfertigen Worte bei Vroni vergessen zu machen. Bald kam es so weit, daß den dreien Vronis Wort im Hause höher galt als die Stimme des Meisters. Und fast schien es, als fände Jörg das selbstverständlich. Auch er gewöhnte sich daran, bei allem, was er begann, den Rat der Hauserin einzuholen. »Vroni, was meinst?« Oder: »Vroni, wie glaubst?« So pflegte er seine Fragen einzuleiten. Sie sagte: »Ich glaub halt –« Oder: »Ich mein' halt –« Und gab dann ihre kurze, klare Antwort.

Am meisten gewann durch Vronis Eintritt in des Wangers Haus das kleine Bürschl in der Wiege. Jörg hatte sich bei seiner vielen Arbeit wenig mit dem Kinde beschäftigen können, und die alte Zenz hatte es mit ihrer Sorge nie sehr genau genommen. Schrie das Kind, so hatte sie ihm mit einem dicken Schnuller das Mäulchen gestopft oder hatte es durch heftiges Wiegen eingeschläfert. Das Kind lag die längste Zeit des Tages in seiner Schaukelkiste und hatte sich dabei an überlanges Schlafen gewöhnt.

Nun war in kurzer Zeit aus ihm ein lustiges, munteres Kerlchen geworden. Vroni widmete ihm jede freie Minute, verrichtete jede kleinere Arbeit in der Nähe des Kindes und nahm es bei jedem Ausgang mit ins Freie. Als der voreiligen Oktoberhälfte gegen Ende des Monats eine Reihe linder Tage folgte, konnte Vroni die Wiege des Kindes während der Nacht in ihrem Stübchen haben. Keine Mutter hätte aufmerksamer und fürsorglicher sein können.

Mit Freude sah Jörg diesen freundlichen Wandel an und ärgerte sich dabei ein bißchen, weil es ihm vorkam, als würde er selbst am spärlichsten bedacht. Vroni verhielt sich ihm gegenüber wunderlich still und zurückhaltend, fast scheu. In den ersten Tagen, als sie noch nicht Bescheid wußte im ganzen Haus und sich mit häufigen Fragen an den Meister wenden mußte, war's nicht so fühlbar gewesen. Später trat es immer deutlicher hervor. Und manchmal wollte es dem jungen Meister scheinen, als möchte Vroni geflissentlich ein Alleinsein mit ihm vermeiden.

Wenn sie mit einem der Gesellen im Gespräche stand und Jörg trat unerwartet hinzu, mußte er mit Erstaunen gewahren, daß Vroni leicht erschrak, in der Rede stockte oder sich rasch entfernte. Wie es der Zufall wollte, merkte Jörg das mehrmals hintereinander, wenn die Hauserin mit dem Wastl sprach. Es stieg der Verdacht in ihm auf, daß zwischen den beiden sich was anzuspinnen begänne, und darüber erwachte in ihm eine Art von Eifersucht, die er nicht begriff. ihm konnte es doch völlig gleichgültig sein, mit wem und was seine Hauserin schwatzte. Trotzdem fing er an, die zwei jungen Leute schärfer zu beobachten. Daß Wastl bis über die Ohren in das Mädel verliebt war, schien ihm begreiflich. Aber er konnte bei aller Aufmerksamkeit keinen Beweis dafür finden, daß Vroni gegen den Burschen freundlicher wäre als gegen sonst jemanden – freilich noch immer freundlicher als gegen ihn selbst.

Nun ging es seit Vronis Ankunft in die dritte Woche, auf deren Donnerstag das Fest Allerheiligen fiel. Am Vorabend war Jörg zum Friedhof gegangen, um die Erdhügel auf den Gräbern seiner Eltern und seines Weibes zu lockern und mit schwarzem, feingesiebtem Sand zu überstreuen. Bis spät in die Nacht saß er mit Vroni und den Gesellen in der Werkstatt, um für den Allerseelentag die Trauerkränze aus Immergrün zu winden, da es nach dem frühgefallenen Schnee mit den Blumen mager aussah.

Als er unter Beihilfe seiner Gesellen am Allerseelenmorgen diese Kränze zum Friedhof trug, war er nicht wenig überrascht, die Gräber schon geschmückt zu finden; auf jedem Hügel lag ein dicker Kranz von Buchszweigen, in deren dunkles Grün zierliche Papierrosen eingebunden waren, und ein kleines Kränzl hing an jedem der drei schmiedeeisernen Grabkreuze. Der Meister glaubte zu wissen, von wem diese Kränze wären – hatte er doch am vergangenen Abend die Buchsbäumchen in Ürles Garten bis zur Kahlheit geplündert gesehen.

Jörg wäre am liebsten gleich nach Hause gelaufen, um der Vroni ein Vergelt's Gott zu sagen; doch bis zum Beginn der Trauermesse wäre er nicht mehr zurückgekommen.

Eine Stunde später, als der Gottesdienst zu Ende war und die Leute durch den Friedhof wanderten, wollte auch Jörg noch für ein Gebet seine Gottseligen aufsuchen und fand da die alte Zenz. Sie kniete vor dem Grab der Franzi, zwischen den spinnigen Fingern den Rosenkranz, dessen braune Perlen sie unter Gemurmel gleiten ließ.

Jörg nickte in Mißbehagen einen Gruß, nahm den Hut herunter und sprach ein stilles Vaterunser. Als er aus dem Friedhof auf die Straße trat, haschte ihn die Alte beim Ärmel.

»Vetter! Schauts! Heut wär der richtige Tag, wo wir uns aussöhnen kunnten? Oder net?«

»Wegen was denn aussöhnen? Ich bin dir net feind. Du bist mein Basl, ich bin dein Vetter wie von eh. Und somit pfüet dich Gott!«

Die Alte humpelte ihm nach. »Wir haben ja den gleichen Weg mitanand.«

»Von mir aus, geh halt mit.«

Nun ging's los bei der Alten, klipper und klapper. Jörg hörte das eine Weile stumm mit an, bis es ihm zu dick wurde. »Jetzt hör amal auf mit deim gottssträflichen Gschnader. Du bist ja zum Fürchten! Dem gnad unser Herrgott, der bei dir zwischen die Beißzang kommt.«

»Aber Vetter! So was! Ich red doch kein Wörtl, dös ich net beeidigen kann. Ich bin überhaupts kei' Freundin vom vielen Reden. Es is bloß, daß der Vetter weiß, vor wem er sich hüten muß.«

»Fahr ab, du scheinheilige Ratschen! Meinst, ich weiß net, daß d' mich in deiner bösen Gosch umanand tragst im ganzen Ort und bei alle Leut?«

»Ah! Ah! Mar' und Josef!« klagte die Alte. »Ich? So an Ungerechtigkeit! Wo ich allweil rumlauf bei die Leut und gut red und beschwichtig, weil 's Tratschen über'n Vetter kein End nimmer nimmt!«

»Wer tratscht?« fuhr der Meister zornig auf. »Raus mit der Sprach! Wer redt was über mich?«

»Jöises, Jöises, wie kann man dann sagen: Der hat ebbes gredt oder der und der! Wo alles redt und a jeder.«

»So? Und was denn? Kann einer von mir ebbes Schlechts behaupten?«

Die Alte zwinkerte mit dem linken Auge und zeigte ein schmalziges Lächeln. »Ebbes Schlechts? Mei', wie man's halt nimmt. A bißl was Guts kunnt schon dabei sein. Jaaa, d' Leut reden halt so – wann ich's schon sagen muß: wegen der Vroni!«

Jetzt lachte der Jörg. Verdutzt blinzelte Zenz zu ihm auf und fand den Warnungsklang einer Wahrsagerin: »Vetter, Vetter! Net lachen! So ebbes zahlt sich aus. Dös hätt der Vetter bedenken sollen, daß d' Leut sich a Verslein drauf machen müssen, wann a junger Wittiber so a bildsaubers Madl ins Haus nimmt. Wer is denn da? Wer paßt denn auf, ob alls in der Ordnung bleibt? No ja, es gibt Leut, dö sagen: 's Madl is brav und rechtschaffen, aber –«

»Alte!« Jörg wurde heiter. »Jetzt hast a wahrs Wörtl derwischt. 's erstmal im Leben. Und ich dank dir schön. Recht hast! Da muß ich bald dazuschaun, daß dös Gred an End nimmt.«

»Ja, Vetter, ja!« nickte die Alte glückselig. »Brauchst net weit suchen um an andre –«

»So mein' ich's net! Ich denk mir, daß d' Leut mit'm Tratsch von selber aufhören, wann s' erfahren, daß d' Vroni mein Weib wird.«

Zenz erblaßte und schob die Augäpfel heraus, als möchten sie Schneckenhörner werden. »So, so?« Ihre Hände begannen zu zittern. »Hat s' dich schon am Zuckerstangerl? Und so eine därf schnaufen im Haus von meiner gottseligen Franzi! So eine! Dö man droben im Einödhof mit Schand und Spott davonjagen hat müssen, weil sie's mit alle Knecht ghalten hat und den Bauernsohn hätt einfädeln mögen –«

»Zenz! Die Red nimm z'ruck! Auf der Stell!«

»Ah na! Ah na!« keifte die Alte. »Da beiß ich mir lieber 's Züngl ab. Jetzt freut's mich erst, daß ich alle Nachbarsleut schon lang hab wissen lassen, was für a sündhafte Natter umanandkriecht in dem Haus, wo nach Verwandtschaft und Gottsrecht ich und meine Kinder am Tisch sitzen müßten. Ganz recht so! Nur zu! Ich wünsch dir guten Appetit zu dem, was andre überlassen haben. Pfui Teufel!« Sie spuckte aus und wollte hurtig davonzappeln.

»Wie, halt a bißl!« sagte Jörg und umklammerte ihren Arm, daß Zenz unter dem Schmerz dieses Druckes wimmernd einen Fuß unter den Rock hinaufzog. »Gwußt hab ich schon lang, was ich an dir für a Verwandtschaft hab. Aber mit deine eigenen Wort hab ich's hören wollen. Drum hab ich dir fürplantscht, was mir bis heutigentags noch nie net eingfallen is, net amal im Traum! Du bist a Saubere! Jesus Maria! Unser Herrgott muß an Widersacher haben, der ihm beim Menschenmachen allweil ins Haferl greift. Aber Vergelt's Gott sag ich dir noch allweil. Heut hast mich auf an guten Einfall bracht. jetzt will ich mir d' Vroni erst richtig anschaun. Eine, dö dir net gfallt, dö muß a Freud für alle zehntausend Jungfern im Himmel sein! Wer weiß, ob aus'm Spaß net bald a richtiger Ernst wird! Zu deiner Erbauung, weißt!«

Schritt um Schritt hatte Jörg die Alte neben sich hergezogen; nun ließ er ihren Arm fahren, und Zenz, die in sprachloser Erstarrung immer am jungen Wanger hinaufgeguckt hatte, stolperte über eine Wegschrunde und plumpste in die dicke Weißdornhecke, die den Fußweg begleitete.

Als Jörg, ein bißchen erhitzt von dem flinken Heimweg, sein Haus erreichte und in die Stube trat, deckte Vroni gerade den Tisch. »Grüß Gott, Madl! Gelt, ja? Die schönen Buchskränz auf meine Gräber sind von dir?«

Sie nickte. »Ich hab mir denkt, es is schon noch a Platzl neben die deinigen.«

Jörg faßte ihre Hand. »Ich dank dir schön. Dös hat mich gfreut.«

Vroni befreite die Hand, und während sie die Bestecke aus der Tischlade nahm, fragte sie: »Waren viel Leut am Gottsacker?«

»Grad gwimmelt hat's!« Er vertauschte den langen Kittel gegen die Hausjoppe. Dann ging er zu seinem Buben, der in der Wiege saß.

»Datti! Tau! Tau!« rief der Kleine, während er dem Vater ein abenteuerlich geformtes Spielzeug entgegenhielt.

»Schauen soll ich? Was denn schauen?« lachte Jörg und zog einen Stuhl zur Wiege. »Aaaah, aber dös is ebbes Schöns!« Den Verwunderten spielend, bestaunte er das kleine hölzerne Roß, dessen Mähne durch lange Schweinsborsten versinnbildlicht wurde und dem an Stelle des Schweifes eine Pfeife eingesetzt war. »Görgele, wo hast denn dös her?«

»Oni, Oni!« jubelte das Kind.

»So? Von der Vroni hast es?«

»Ah na!« fiel das Mädel ein. »Mei' Mutter hat's ihm bracht.«

»So, so? Da laß ich halt Vergelt's Gott sagen.« Forschend betrachtete er Vronis Gesicht, das sich klar vom hellen Fenster abzeichnete. Und ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, während sein Blick die wohlgeformte, schmiegsame Gestalt überflog. »Du, was ich sagen will – weißt, wen ich troffen hab nach der Kirchen?«

»Wie soll ich dös wissen?«

»Den Sohn vom Einödbauern.«

Verwundert hob sie das Gesicht. »Wie kommt denn der heut da runter? Der Einödhof ghört doch net in unser Pfarrei.«

Der Meister wurde ein bißchen hilflos. »Ja, ja, dös hab ich mir auch gleich denkt. Kann auch sein, daß ich mich verschaut hab. Z'reden bin ich net kommen mit ihm. Was is denn da Wahres dran? D' Leut verzählen, er hätt dich heiraten mögen?«

Vroni zuckte die Achseln. »Gsagt hat er's.«

»Und du hast riet mögen?«

»Na!«

»Warum denn net?«

»Weil zum Heiraten noch ebbes anders ghört als a Bursch und a Bauernhof.«

»Aber sag –«

»Jetzt muß ich nach der Suppen schauen.« Vroni verließ die Stube. Draußen in der Küche trat sie ans Fenster und preßte die Stirn an die sonnige Scheibe. Da hörte sie einen Schritt, wandte sich erschrocken und sah den Wastl auf der Schwelle stehen. »Du?«

Es war ein Ton willkommener Enttäuschung.

Er trat in die Küche und drückte hinter sich die Tür ins Schloß.

»Wastl? Was willst?«

»Reden mit dir!« Er stieß die leisen Worte zwischen den Zähnen hervor. »Ich halt's nimmer aus und muß an End machen, so oder so.«

Schweigend wich sie vor ihm zurück.

»Madl!« Er ging ihr nach. »Ich bin bei lebendigem Leib a gstorbener Mensch, wann mir net sagst, daß d' mir a bißl gut bist. Viel müßt's net sein. Bloß daß man denken kunnt, es wird mit der Zeit.« Mühsam atmend schwieg er und hing mit dürstendem Blick an Vronis Gesicht, dessen Blässe sich verschleierte unter dem Glanz des Herdfeuers.

»Wastl!« Vroni vermochte kaum zu reden. »Sei gscheid! Ich bin dir gut als Kamerad. Mehr därfst net verlangen von mir. Dös hat sein' Grund.«

»Versteh schon, ja!« Das Gesicht des Burschen verzerrte sich. »Und wie heißt er denn mit'm Für- und Zunam – der Grund?«

»Dös geht kein' andern was an.«

»Wahr is's! Es hat a jeder dös Seinige.« Er preßte die Faust an den Hinterkopf. »Muß ich dir halt wünschen, daß d' mit'm Glückshaferl net auch wo hinrumpelst, wo dir d' Haustür versperrt is. Wie mir. So ebbes is hart. Und Leut soll's geben, die's net vertragen.« Er wandte sich und verschwand mit schwerem Schritt im Dunkel des Flurs.

Vroni legte den Arm über die Stirn und flüsterte vor sich hin: »Schad, daß er schon lang z'spät kommt, der gute Wunsch!«

Eine Viertelstunde später saßen die fünf Hauskameraden um den Mittagstisch. Das Essen verlief stiller als gewöhnlich. Vroni, die das Kind auf dem Schoße hatte, gab sich alle Mühe, ein Gespräch in Gang zu bringen. Schließlich verstummte auch sie. Sooft sie aufblickte, sah sie Jörgs forschende Augen auf sich gerichtet. Nach der Mahlzeit reichte Vroni, um abräumen zu können, dem Wanger das Kind. Während sie die Bestecke zusammenlas, fragte sie, ob sie am Nachmittag die Eltern besuchen und den Kleinen mitnehmen dürfe.

»Gern, Madl! Warum denn net? Bei dir is 's Bübl allweil gut aufghoben.«

Als der Tisch in Ordnung war und Vroni das Geschirr in die Küche trug, zahlte Jörg dem Knecht und den zwei Gesellen den Monatslohn aus. Veit und der Knecht sackten ihr Geld ein und gingen. Wastl blieb wie ein hölzerner Stock neben dem Tische stehen.

»Willst noch ebbes?« fragte Jörg.

»Kündigen will ich!« stieß der Geselle heraus und starrte am Meister vorbei aufs Fenster.

»Wis? Kündigen? Warum denn? Taugt dir die Kost net, oder is dir d' Arbeit z'viel oder der Lohn z'gring? Oder kannst dich beklagen, daß net ghalten wirst wie a richtiger Gsell?«

Wastl schüttelte den Kopf. »Alles taugt mir. Aber fort muß ich halt.«

»Geh, mach keine Narreteien! Dös weißt, daß ich an bessern Gsellen net Zfinden weiß. Überleg dir's! Und wann ebbes zwischen uns is, was dir net recht is –«

»Ich selber bin mir nimmer recht!« murrte der Wastl. »Der Grund bleibt besser ungsagt. A Verlegenheit will ich enk net machen. Muß ich halt bleiben, bis der ander Gsell kommt.«

Jörg wurde ärgerlich. »Mit Gwalt kann ich dich net halten. Acht Tag is Kündigungszeit. Du kannst gehn, wann d' meinst, es muß sein.« Er lehnte sich in die Fensternische, wischte die Scheiben ab und sah auf die Straße hinaus.

»Seids mir jetzt bös?«

»Ah na!«

Eine Zeitlang guckte Wastl hilflos vor sich hin. Dann drehte er sich um und verließ ohne weiteres Wort die Stube.

Am Nachmittag mußte Jörg das Haus hüten. Er saß am Tisch, um die Verrechnung des letzten Monats ins reine zu bringen. Manchmal legte er die Feder nieder. Den Kopf zwischen die Hände fassend, blickte er nachdenklich umher in der stillen Stube. Ein unbehagliches Gefühl der Verlassenheit überkam ihn. Er schrieb es auf Rechnung des Allerseelentags.

Die folgende Nacht brachte einen starken Frost, und der Morgen kämpfte mit einem Himmel, der schwer von bleigrauen Wolken war. Auf den Bergen war schon in den Frühstunden Schnee gefallen. Nach Mittag, als Jörg das Haus verließ, um einen Geschäftsgang zu machen, wirbelten auch im Tal die weißen Flocken.

Jörg, den Hut ins Gesicht gedrückt, die Hände in den Joppentaschen, wanderte die menschenleere Dorfstraße hinunter. Als er beim Schreiner vorüberkam, sah er am Fenster das Gesicht der alten Zenz, die hurtig zurückfuhr, als sie seiner ansichtig wurde. Jörg schmunzelte.

Am Schreinerhaus öffnete sich die Flurtür. Vorsichtig spähte Zenz dem Wanger nach. Als er im Gewirbel der Flocken verschwand, huschte sie am Haus entlang, band ihr blaues Taschentuch über die dünnen Zöpfe und sprang in den Garten. Den Rock schürzend, tappte sie durch den Schnee, dem Haus des Wangers entgegen.

Vor der Schwelle schüttelte sie die Kleider, trat in den Flur und öffnete die Stubentür.

»Grüß Gott, Vronerl! Is der Vetter daheim?« fragte sie überfreundlich.

»Na.« Das Mädel saß mit einer Flickarbeit am Tisch, während das Kind in der Wiege mit Hobelspänen spielte. »Grad vor a paar Minuten is der Wanger furt.«

»Jöises, und so ebbes Wichtigs hätt ich z'reden mit ihm! Aber wann ich schon an Metzgergang gmacht hab, mußt mir halt verlauben, daß ich a bißl rasten tu. Wie Blei is er heut, der Schnee.«

»Ich hab da nix zum verlauben. Du hast mehr Recht im Haus als ich.« Vroni warf über die Näharbeit einen Blick nach der Alten, die schon in die Bank gerutscht war und das Kopftüchl abgenommen hatte.

»Mehr Recht als du?« Die Zenz schmunzelte essigsüß. »Wie man's halt anschaut.«

Vroni schien unangenehm berührt zu sein. »Wieso?«

»Mei', die Jungen haben allweil mehr Recht als wie die Alten. Bsonders die Jungen, dö a bißl sauber sind. ja, der Vetter schaut arg auf dich. Erst gestern«, ein Lauerblick, »ja gestern nach der Kirch haben wir gredt mitanand. Hat er nix gsagt davon? Der Vetter?«

»Daß er dich troffen hat? Na.«

»Gwiß net? Wahrhaftiger Herrgott?«

»Kein Sterbenswörtl.«

»Schau, schau!« Nachdenklich wiegte Zenz den Kopf zwischen den Schultern. »Wie bist denn z'frieden mit ihm?«

»Ich bin sein Dienstbot und muß bloß schauen drauf, daß der Meister net z'klagen hat über mich.«

»No weißt, fünf Schrittln vom Leib kann man's gut mit ihm aushalten. In der Näh hat er seine borstigen Seiten. Dös hat d' Franzi erfahren müssen, unser Herrgott hab s' selig!«

Vroni runzelte die Stirn. »Zenz! Da brauch ich kei' Aufklärung net. Aber was ich weiß, dös is 's grade Gegenteil von dem, was du da sagst.«

»Geh? So gnau hast dich umtan?« Die Alte kicherte, daß man einen Geißbock zu hören glaubte. »Da muß dich der Jörg arg verinteressiert haben.«

Vroni schwieg.

»No, der Jörg hat's auch verdient um dich!« säuselte die Alte weiter. »Ganz schauderhaft is er bsorgt um dein' guten Ruf – hat er gsagt.«

Das Mädel bekam zornfunkelnde Augen. »Erstens glaub ich gar net, daß der Wanger von so ebbes gredt hat. Und zweitens braucht sich dadrum kein Mensch net sorgen. Mei' eigene Sorg reicht aus.«

»Ui Jöises, Madl, d' Leut sind schlecht und reden, ob der Tag kurz oder lang is. Zwei junge wie der Jörg und du, beieinander unterm gleichen Dach, wo s' nix ausanand halt als d' Luft? Madl, dös is Wasser auf die Leut ihr Mühl. Der Vetter is a gscheider Mensch, der Vetter sieht's ein. Erst gestern hat er gsagt: wann's mit'm Gred net bald an End nimmt, kunnt er dich ja heireten. Ob er a Hauserin zahlt oder für a Weib aufkommt, dös is ghupft wie gsprungen. Net? Du kannst dir's ja gfallen lassen. So eim Anwesen z'lieb, da schluckt man viel.«

Vroni saß mit blassem Gesicht an die Wand gelehnt und starrte ins Leere, die Augen weit geöffnet.

»Madl, was hast denn?« fragte die Alte freundlich.

»Nix!« Vroni sprang auf. »Jetzt muß ich 's Bier für die Gsellen holen.«

»So, so, 's Bier mußt holen? Ja, geh nur!« sagte die Alte, ohne sich zu rühren. »Ich tu dir den Gfallen und bleib derweil beim Kind. Mitnehmen kannst es net bei so eim Gstöber.«

Einen Augenblick stand Vroni unschlüssig. Dann strich sie mit der Hand über die Stirn, beugte sich zur Wiege und drückte einen Kuß auf die Wange des Kindes.

»Na! Wie du an dem Kind hängst!« lachte Zenz. »Dös kriegt a gute Stiefmutter an dir.«

Vroni, ohne einen Blick auf die Alte zu werfen, ging zum Geschirrschrank, nahm einen Steinkrug und verließ die Stube.

Zenz lauschte mit funkelnden Augen. Als sie die Haustür gehen hörte, zog sie einen Schlüsselbund aus der Tasche und huschte auf den kleinen Wandschrank zu. Der Schlüssel, den sie aussuchte, paßte ins Schloß, das Türchen öffnete sich. Mit beiden Händen in die Höhlung greifend, packte die Alte den Lederbeutel und Jörgs Taschenuhr mit der silbernen Kette. Hastig schob sie die Sachen in ihre Rocktasche, versperrte das Türchen wieder und sprang aus der Stube.

Als sie nach einigen Minuten zurückkehrte, ging sie zum Ofen und warf den leeren Geldbeutel in die Glut. Da schrak sie zusammen. Draußen im Hof klangen Tritte, und knarrend öffnete sich die Haustür.

Jörg schüttelte im Flur den Schnee von seinem Hut. Dabei fiel sein Blick auf die hölzerne Treppe.

»Is da wieder einer von enk mit nasse Füß über d' Stiegen auffi?« rief er in die Werkstatt. »Da kunnt ja d' Vroni net gnug putzen und fegen.«

»Ah na, Meister«, antwortete Veit, »von uns zwei war keiner net oben.«

No, wer denn sonst?« brummte Jörg, schlug ärgerlich die Haustür zu und trat in die Stube. »Ah, da schau!« Er sah die Zenz neben der Wiege auf den Dielen knien. »Du traust dich noch eini zu mir?« Er sah in der Stube herum, ging auf den Ofen zu und öffnete das Bratrohr. »Was stinkt denn da so mordsmiserabel? Grad wie verbrennte Haar?« Wieder wandte er sich zu der Alten: »Was willst?«

»Net viel.« Sie erhob sich und wischte den Staub von ihrer Schürze. »Ich hab gwußt, daß d' net daheim bist. Und da hab ich meim kleinen Vetterl an Bsuch gmacht, nach dem's mich allweil bangt hat in die letzten Wochen.« Die Rührung preßte ihr ein paar Tränen aus den Augen. Als sie auf den Tisch zuging, um ihr Tüchl zu holen, wischte sie mit den Fingerspitzen über die Backen.

»So?« entgegnete Jörg trocken. »Von deiner starken Lieb zu meim Kind hab ich früher nix gmerkt. Aber wo is denn d' Vroni?«

»Sie muß dir begegnet sein. 's Bier für die Gsellen holt s'. Und da will ich weiter net stören. Pfüet dich Gott.«

»Wart an bißl!« Jörg vertrat der Alten den Weg. »Ich muß ebbes auskarteln mit dir.«

»Da bin ich neugierig!« sagte Zenz ein bißchen unsicher.

»Weißt, wo ich war? Beim Nagelschmied! Aha, Hast a schlechts Gwissen? Was hast denn angfangt mit die sieben Mark, die ich dir geben hab vor vier Wochen? Warum hast denn d' Rechnung beim Nagelschmied net zahlt?«

»Jöises, jetzt fallt's mir ein – da hab ich ganz vergessen drauf. Dö sieben Markln hab ich in der Wirtschaft braucht. Aber Vetter, ich hab's enk verrechnet, gwiß!«

»Da weiß ich nix davon. Aber wegen dem Bettel streit ich net lang. Ich gib dir 's Geld, dös tragst zum Nagelschmied auffi, und nacher bringst mir die quittierte Rechnung.« Der Meister ging auf den Wandschrank zu.

Zenz mußte sich an der Tischplatte festhalten, um im ersten Schreck nicht umzusinken.

»Ja, Himmel«, murrte Jörg, als er einen Blick in den Schrank geworfen, »da is ja kein Geld net da! Und d' Uhr is fort!«

»Mar und Josef! Der Vetter wird doch net ausgraubt worden sein!« jammerte Zenz. »Wer Fremder kommt da net eini! Die Gsellen und der Knecht sind rechtschaffene Leut! Und d' Vroni – no ja, dös Madl kenn ich net so gnau, daß ich sagen möcht, sie wär zu so ebbes imstand oder net –«

Der Meister drehte das dunkelrote Gesicht. »Na, du! In meim Haus is kein Spitzbub nimmer, seit du draußen bist.«

»Jöises! Aber Vetter!« kreischte die Alte. »So was muß ich mir sagen lassen!« Mit beiden Händen fuhr sie in den Rock und stülpte die leeren Taschen um. »Da suchts mich aus! Stellt's mich auf'n Kopf! Wann a Zehnerl aussifallt, soll mich gleich der Teufel holen!«

Ein paar Schritte trat Jörg zurück und maß die Gestalt der Zenz. Sein Blick huschte durch die Stube. Nun gewahrte er unter dem Tisch eine kleine Wasserlache, zu der in der Stubenwärme die Schneereste vom Schuhwerk der Alten zerschmolzen waren. Halb aufgetrocknete Trittspuren gingen vom Tisch vor den Wandschrank, von da zur Türe, von der Tür zum Ofen, von dort zur Wiege und wieder zum Tisch.

»So, so?« sagte er langsam. »Also d' Vroni meinst? Komm, Alte! Über d' Stiegen auffi! Da suchen wir in der Hauserin ihrem Stübl.«

»Vetter, ich muß furt!« stotterte Zenz und bekam ein Gesicht, als hätte sie Galläpfel verschluckt.

»Mit gehst!« schrie Jörg in ausbrechendem Zorn.

Schlotterig täppelte die Alte der Türe zu und stieg vor dem Meister die Treppe hinauf.

Der Wanger öffnete die Tür und blickte in das kleine, freundliche Stübl. Gerade noch kenntlich zeigten sich auf den Dielen die verräterischen Spuren. Vor der Kommode lag ein geschwärztes Klümpchen Schnee.

Jörg rüttelte an den Schubfächern und fand sie verschlossen. Da gewahrte er, daß der Glassturz des Hausaltärchens schief stand, mit der einen Kante eingedrückt in die Füße des wächsernen Jesuskindes. Unter den Spitzen und Bändern zog Jörg seine Uhr und einen Schlüsselbund hervor, den er kopfschüttelnd einer genaueren Betrachtung unterzog. »Lauter Schlüssel zu meine Schränk und Kästen! Aber wie is mir denn? Den Ring da sollt ich ja kennen? No freilich! Dös is ja der Schlüsselring von der Franzi selig!«

Wie ein Heuschreck hüpft, der die Sense klingen hört, machte Zenz erschrocken einen Sprung gegen die Schwelle hin, stolperte die Treppe hinunter – und kling kling, tönte es bei jedem ihrer flinken Schritte. Unter der Haustür holte der Wanger sie ein. Er sperrte das Schloß, zog den Schlüssel ab und führte die Alte am Arm in die Stube, wo er sie niederdrückte auf eine Bank. »Raus mit'm Geld!«

»Vetter! Auf Ehr und Seligkeit! Ich hab kein Geld net!« winselte Zenz.

Da holte Jörg aus der Ecke hinter dem Geschirrschrank einen Haselnußstecken hervor. »Raus mit'm Geld!«

Aschfahl wurde das Gesicht der Alten. Seufzend, als geschähe ihr schreiendes Unrecht, bückte sie sich, und als sie die Strümpfe von den dürren Waden streifte, kollerten die Silbermünzen über die Dielen.

»Weiter! Klaub s' alle zamm!«

Zenz, während Jörg die Stube verließ, rutschte nach den zerstreuten Markstücken umher. »Veit!« hörte sie draußen im Flur den Wanger rufen; dann vernahm sie den Schritt des Gesellen und ein unverständliches Flüstern.

Als Jörg in die Stube trat, lagen die Silberstücke schön geordnet auf dem Tisch. »Stimmt!« sagte er und stellte den Haselnußstecken wieder in den Winkel. »Aber wo is denn der lederne Beutel? Richtig, ja, den hast in' Ofen geworfen. Gleich hab ich's gschmeckt.«

Die Alte trat mit zerknirschtem Armesündergesicht auf ihn zu: »Vetter –«

»Brauchst kei Angst net haben, es bleibt unter uns. Aber daß d' so schlecht sein kannst und an ehrenhaftes Madl in so an Verdacht einireiten – deswegen soll dich dein Gwissen a bißl beißen. Da sorg ich dafür. Und jetzt mach, daß d' weiterkommst!«

In stummer Klage faltete Zenz die Hände und verduftete. »Vetter! D' Haustür is verschlossen!« klang draußen im Flur ihr Zitterstimmchen.

»Mußt halt durch d' Werkstatt aussi!«

Jörg hörte ihre Schuhe über die Flursteine klappern und eine Tür knarren. jetzt ein Aufkreischen, ein Poltern und ein jämmerliches Gewinsel, das von lautem Gelächter übertönt wurde. Als der Meister an das Fenster trat, sah er die Zenz mit puterrotem Gesicht über den Hofraum nach der Straße springen.

Der alte Veit trat ein. »Dö spürt's!« Er schüttelte sich vor Lachen. »Wann die Alte unter vierzehn Tag sitzen kann, will ich Hans heißen! Aber da schau!« Er streckte dem Wanger die beiden Hände hin. »Die ganzen Finger hat s' mir verkratzt.«

»Dafür hast a guts Werk tan!« Jörg nahm ein paar von den blanken Geldstücken und reichte sie dem Gesellen. »Da! Trink a paar Maß Bier auf dö Strapaz auffi!«

Veit nahm schmunzelnd das Geschenk in Empfang. »Es wär umsonst grad so gern gschehen.« Lachend verließ er die Stube.

Als Jörg den Rest des Geldes im Wandschrank verschloß, hörte er an der Haustür die Klinke schnappen. Er sprang in den Flur und sperrte auf. »Aber Vroni«, zürnte er, »schau dich nur an! über und über bist eingschneit! Hättst doch a Tuch umgschlagen!« Er nahm ihr den schweren Steinkrug aus der Hand.

Vroni schüttelte den Schnee vom Gewand und trocknete mit der Schürze das Gesicht. »ls die Zenz schon wieder fort?« fragte sie, als sie dem Wanger voraus in die Stube trat.

»Ja«, lächelte Jörg. »Die hat 's Sitzen nimmer vertragen.« jetzt erschrak er. »Madl, was is denn? Fehlt dir ebbes?«

Sie nickte. »In der Fruh hab ich's schon verspürt.«

»Ja um Gottes willen, laß nur gleich alles stehn und leg dich nieder. Ich schick den Wastl zum Doktor.«

»Aber Wanger! Söllene Gschichten machen! Übrigens dank ich dir schön für alle Sorg.« Ein müdes Lächeln zitterte um ihren Mund, als sie die Stube verließ, um den Gesellen Brot und Bier in die Werkstätte zu tragen.

Unruhig wanderte Jörg im Haus umher; was er auch angriff, keine Arbeit wollte ihm von der Hand gehen; immer wieder machte er sich in der Küche zu schaffen, und ein dutzendmal fragte er: »Wie geht's dir denn?«

»Besser, ich dank schön!« antwortete Vroni, immer im gleichen Ton.

Als es Abend wurde, hörte es zu stöbern auf. Der frühe Mond goß sein bläuliches Zwielicht über den glitzernden Schnee.

Essenszeit war vorüber. Veit und der Knecht hatten sich bereits schlafen gelegt; Wastl war ins Wirtshaus gegangen, was er sonst an Werktagen nie getan hatte; Vroni spülte in der Küche das Geschirr, und Jörg saß einsam in der Stube, deren Stille nur durch das Ticken der Wanduhr und durch die leisen Atemzüge des schlummernden Kindes unterbrochen wurde.

In den Händen hielt Jörg das Zeitungsblatt. Aber es ging ihm jetzt mit der Politik, wie es am Nachmittag mit der Arbeit gegangen war. Sooft er mit einem Artikel zu Ende kam, wußte er nach dem letzten Wort keine Silbe mehr von allem, was er gelesen hatte. Das kam so, weil er beim Lesen immer auf das Klirren des Geschirrs und das Klappern der Blechgefäße lauschte, das von der Küche hereinklang.

Eine Stunde verrann, eine zweite.

Endlich öffnete sich die Tür, und Vroni trat in die Stube, ein Kerzenlicht in der Hand.

»Ich bin fertig, Wanger.«

»Lang hast braucht!« sagte Jörg und rückte zur stummen Aufforderung, daß Vroni sich neben ihn setzen sollte, tiefer in die Bank.

Das Mädel rührte sich nicht vom Platz. »Mußt net verübeln, daß ich 's Kindl heut net mit auffi nimm. Droben im Stübl macht's a bißl kalt.«

»Aber hörst, wie möcht ich denn dös verübeln? Heut mußt in der Nacht dei' Ruh haben. Is dir denn wirklich schon besser?«

»Ah ja!« Die Stimme versagte ihr. »Und eh ich schlafen geh, muß ich dir noch ebbes sagen.«

»Was?«

»Kündigen will ich.«

Jörg erblaßte. »Vroni!« Langsam erhob er sich. »Fort willst? Und ans Kindl denkst gar net? Und net an mich?« Da lachte er und schlug sich mit der Faust vor die Stirn. »Ah ja! Gestern er, heut du! Kannst schon gehn! Gleich morgen, wann d' willst. Gut Nacht!«

Verwundert hatte Vroni aufgeblickt.

»So geh doch!« schrie er das Mädel an, in dessen Hand die Kerze zitterte.

»Gute Nacht!« sagte sie leise und verließ die Stube.

Der Meister ging zur Ofenbank, ließ sich nieder und nahm den Kopf zwischen die Fäuste.

Nur einen Augenblick saß er so. Weinend regte sich in der Wiege das vom überlauten Klang der gefallenen Worte erweckte Kind. Unter zärtlichem Geflüster hob Jörg den Kleinen aus den Kissen und trug ihn auf schaukelnden Armen in die Kammer. Ihn wurmte der Gedanke, Vroni könnte droben in ihrem Stübl das Weinen des Kindes vernehmen und den Schluß ziehen, daß er schon jetzt ihren Beistand vermisse.

Erleichtert atmete er auf, als der Kleine verstummte. Sacht legte er ihn aufs Bett, streifte die Schuhe von den Füßen, holte die Wiege und huschelte das Kind in die Kissen. Als er draußen die Lampe ausgeblasen hatte, verhängte er mit seinem Radmantel das Kammerfenster, um den Mondschein auszusperren. Dann ging auch er zur Ruhe.

Ruhe?

Seine Augen waren heiß, und eine unerträgliche Schwüle quälte ihn. Mit Gewalt verhielt er sich unbeweglich und drückte die Lider zu. Der Schlaf wollte nicht kommen. Schließlich redete er sich ein, das Ticken der Wanduhr in der Stube wäre schuld daran, sprang aus dem Bett, verließ die Kammer und stellte den Perpendickel. Da hörte er, daß ein Schlüssel, und wie es schien, mit großer Vorsicht, in das Schloß der Haustür gesteckt wurde. »Der Wastl!« Lauschend blieb Jörg in der Stube stehen. Aus dem Geräusch, das er vernahm, konnte er schließen, daß der Gesell im Flur die Schuhe auszog. Die Stufen der hölzernen Treppe knarrten ein bißchen. »Wer kommt denn?« klang von droben, gerade noch verständlich, Vronis gedämpfte Stimme. Ein paar Worte noch, eine Tür ging, und alles war still.

Jörg tastete nach der Klinke und riß die Stubentür auf. Die kalte Luft, die ihm entgegenwehte, erinnerte ihn an den Aufzug, in dem er sich befand. Er sprang in die Kammer zurück, fuhr in die Hose und zerrte eine Joppe über die Schultern. Als er wieder in die Stube trat, erschrak er vor seinem eigenen Schatten, den das Mondlicht schwarz an die weiße Mauer warf. Er blieb stehen und preßte den Arm vor die Stirne. »So was! Unter meinem rechtschaffenen Dach!« Sich aufraffend, strich er das Haar zurück und ging zur Tür. Als er mit nackten Füßen auf die eisigen Flursteine trat, schauerte ihn. In flinken Sätzen sprang er die dunkle Treppe hinauf und stand vor Vronis Tür. Aus den Fugen drang matter Lichtschimmer, und leise hörte er das Mädel wispern. Er drückte auf die Klinke. Weil er die Tür verschlossen fand, schlug er mit den Fäusten an die Bretter. »Wie, du! Mach auf!«

»Was is denn?« klang Vronis erschrockene Stimme.

»Mach auf!« keuchte Jörg und rüttelte wütend am Schloß.

Er hörte das Rucken eines Stuhles, die Tür wurde aufgerissen, und vor ihm stand das Mädel, halb entkleidet, Brust und Schultern umwunden mit einem wollenen Tuch. »Was is denn passiert? Es wird doch dem Kindl nix fehlen?«

Jörg fand keine Antwort. Verblüfft sah er an Vroni vorüber in das leere Stübl, auf das unberührte Bett, auf den Stuhl vor der Kommode und auf das Kerzenlicht, neben dem ein aufgeschlagenes Gebetbuch lag. »Vroni!« stammelte er. »Ganz verruckt war ich! Weil ich wen auffischleichen hab hören über d' Stiegen. Der Mensch is schon so, daß er allweil lieber 's Schlechte glaubt.«

Dem Mädel versagte im ersten Augenblick die Sprache. »So? Wen auffischleichen hast hören? Da is dir's gangen wie mir. Drum hab ich aussigschaut zur Tür. Der Wistl war's. Er hat gmeint, ich schlaf schon, und hat d' Schuh auszogen, daß er mich net wecken möcht. Und du – – No also, jetzt kannst ja wieder gehn! Gut Nacht!« Vroni schloß die Tür, der Riegel klirrte, und es war finster um den sprachlosen Meister her. So stand er im Dunkel, lange, ohne sich zu regen. Kein Gedanke, keine Empfindung wollte ihm zur Klarheit kommen. An seinen Schläfen hämmerte das Blut, und in Kopf und Herz schwirrten ihm Beschämung, Liebe, Eifersucht und Selbstvorwürfe wirr durcheinander. Als er langsam, vor Frost sich schüttelnd, die Treppe hinunterstieg, wußte er kaum, daß er es tat.

In der Stube wanderte er immer durch den Mondschein hin und her. Ein galliger Unwille gegen sich selber peinigte ihn. Er meinte die Nacht nicht überleben zu können, ohne von Vroni ein freundliches Wort gehört zu haben, das seine ›Hornochserei‹ wieder ausglich. In aller Ordnung kleidete er sich an, und wenige Minuten später stand er vor der Tür des Mädels.

»Vroni! Bist noch auf?« fragte er unter leisem Pochen. Nicht der geringste Laut im Stübl. »Vroni! Mach auf, ich muß dir was sagen!« flüsterte Jörg und klopfte wieder mit dem Knöchel an die Bretter. Da vernahm er einen linden Schritt, wie von nackten Füßen – aber nicht in Vronis Kammer, sondern in der Schlafstube der Gesellen. Da drüben belauschte man ihn. Wütend richtete er sich auf, schlug mit dem Rücken der Hand an Vronis Tür und rief sehr hörbar: »Madl, sei so gut und komm abi, 's Kind weint, und ich kann's riet zum Schweigen bringen!« Geräuschvoll stieg er die Treppe hinunter.

In der Stube steckte er eine Kerze in Brand und stellte sie auf den Tisch, nachdem er die Kammertür zugezogen hatte. Von Zeit zu Zeit aufhorchend, spazierte er ungeduldig zwischen Fenster und Ofen hin und her. Einmal blieb er stehen; da hörte er, daß sie kam – und der junge Meister, der sonst ein festes, unerschrockenes Mannsbild war, bekreuzigte sich wie in einem lebensgefährlichen Augenblick.

Völlig angekleidet trat Vroni in die Stube und sah an Jörg vorüber zur Kammertür. »Mir scheint, 's Kind schlaft schon wieder?«

»Dös hat allweil gschlafen«, sagte Jörg, sprang an dem Mädel vorbei, drückte die halboffene Türe zu und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bretter.

»Wanger!« fuhr Vroni auf. Langsam zurücktretend, sah sie ihm zornig ins Gesicht: »Was soll denn dös?«

»Nix! Gar nix! Als daß ich dich net zur Stuben aussi laß, eh mich net anghört hast. Da droben hat man net reden können. Ich därf mich doch net als Meister vor die Gesellen zum Kasperl machen. Da kunnt er lachen, der Wastl! Und morgen kunnt er's ausratschen im ganzen Dorf, was ich heut in der Nacht für an Unsinn gmacht hab! An Unsinn, ja, an ganz schauderhaften! D' Haar kunnt ich mir ausreißen, weil der Verstand in mir so an Purzelbaum gmacht hat. Und dös mußt mir verzeihen, Madl!«

Vroni schüttelte den Kopf. »Dös braucht's net. Du bist der Herr im Haus und kannst von deine Ehhalten glauben, was d' magst. Daß ich's grad bin, von der so ebbes glaubt hast, was liegt dir dran? Dös kann bloß mir arg sein.« Sie wandte das Gesicht, um die Tränen zu verstecken.

»Na, Vroni! Mit so eim Wörtl kann ich mich net z'frieden geben.«

»An anders kann ich dir net sagen. Zu was denn? Dö paar Stund, dö wir noch hausen mitanand –«

»A paar Stund?« Jörg streckte sich. »Wieso?«

»Von jetzt bis in der Fruh. Du wirst net glauben, daß ich nach der heutigen Nacht noch unter deim Dach bleib? Da müßt ich sein, für was du mich haltst. A Hauserin wirst bald wieder kriegen. Und wann ich dir raten därf – schau dich lieber gleich um a Bäuerin um. Ob dir a Weib zahlst oder a Hauserin, dös is doch ghupft wie gsprungen. Net?« Im Ton dieser Worte lag eine Bitterkeit, die den Meister verwundert aufblicken machte.

»Vroni? Was soll denn dös heißen? Dös Wörtl is net von dir.«

»Wahr is's, mir tät so ebbes net einfallen. ja, für so an Einfall braucht einer an Meisterverstand.«

»Ich? Was? Ich soll dös gsagt haben? Da muß ich schon fragen: zu wem?«

»Bsinn dich halt, wen gestern nach der Kirch troffen hast!« Vroni ließ sich müd auf die Holzbank hinfallen.

»Ah so?« Jörg guckte den Wandschrank an, sah zum Ofen hinüber und klatschte die flache Hand an die Stirn. »Mir scheint, ich kapier a bißl. 's liebe Frau Baserl? Ja, ja! Wo dö ihren Fuß hinsetzt, da schießen Verdruß und Hader auf wie d' Schwammerling nach eim warmen Regen.« Er trat vor das Mädel hin. »Dö Alte hat glogen. Dös von der Handelschaft, dö ghupft wie gsprungen is, dös hab ich net gsagt. An ganz andern Unsinn hab ich gredt. Wie die Alte mit ihrem Giftschnabel so losgschimpft hat über dich und dein' guten Ruf, da hab ich mir denkt: Dö Bißgurn mußt a bißl ärgern. Und wissen hab ich müssen, wie ich dran bin mit ihrem Gred. Drum hab ich der Alten dös einblasen: daß ich dich heiraten will. Im Spaß hab ich's gsagt – bleib sitzen. Vroni! Es is wahr, im Spaß hab ich's gsagt.« Seine Stimme wurde plötzlich eine völlig andere. »Und ohne daß ich's gmerkt hab, war's in mir schon lang ernster, als ich hätt denken können.«

»Jörg?« Das war ein wunderlich erloschener Laut.

»Ja, Madl, und heut am Abend, wie d' mir gsagt hast, daß d' fort willst, schau, da hat's mich packt bei der Gurgel, und da hab ich gspürt, daß ich mich nimmer verlieben brauch. Und daß ich schon häng an dir auf Leben und Sterben. Und daß d' nix willst von mir und auf an andern denkst, dös hat mir 's Hirnkastl a bißl rapplet gmacht. No ja –« Er tat einen schweren Atemzug. »Dem Wastl därfst sagen, daß er die Kündigungszeit net einhalten braucht. Und will er im Ort a Gschäftl aufmachen, so braucht er mich net fürchten. An zweiten Gsellen nimm ich nimmer. So wird jeder von uns sein Auskommen haben. Und dir, Madl«, die Stimme wollte ihm nimmer gehorchen, »dir wünsch ich a besseres Ehstandsglück, als 's meinige war.« Er bot ihr die Hand hin.

Das sah sie nicht. Immer guckte sie mit großen Augen den Wanger an und lächelte. Immer lächelte sie.

Er zog die Hand zurück und meinte, es wäre nicht schön von ihr, daß sie seinem Elend gegenüber die eigene Herzensfreude so wenig verhehlen konnte.

Da fragte sie in einer seltsam fröhlichen Verstörtheit: »Der Wastl hat kündigt?«

»Dös wirst wohl wissen. Besser als ich.«

»'s erste Wörtl, was ich hör davon.« Immer freudiger strahlten ihre Augen. »Warum er kündigt hat, dös kann ich mir ungfähr denken. Gestern hat er mich gfragt, ob ich ihm net a bißl gut sein kunnt. Ich hab ihm sagen müssen, daß ich an andern mag. Schon lang.«

»An andern?« fragte Jörg mit ersticktem Laut, und der Tisch, auf den er sich stützte, zitterte unter seiner Faust.

»An andern, ja. Dös is schon viel Jahr her. Da bin ich amal heim von der Feiertagsschul. Und a junger Bursch hat mich am Weg aufgfangt mit seine zwei Arm – bloß so im Spaß – und hat mir mit Gwalt a Bußl gstohlen – halt so im Spaß. Und da hab ich an kein' andern nimmer denken können. Wo ich gangen und gstanden bin, allweil hab ich mir gsagt: Amal, da kommt er schon, und da macht er Ernst. Jahr um Jahr, allweil hab ich dran glaubt bis zur selbigen Nacht, wo im Wirtshaus d' Musikanten blasen haben, derweil ich daheimglegen bin in meiner Kammer – eingraben ins Polster – daß ich gmeint hab, es bringt mich um.«

»Jesus Maria!« stammelte Jörg. Man sah es ihm an: Er wollte irgend etwas unternehmen. Aber eine verstörte Hilflosigkeit schien so bedenkliche Lähmungserscheinungen unter seinem Haardach anzustiften, daß er nur ein paar zwecklose Handbewegungen fertigbrachte und dabei auf eine höchst sonderbare Art zu lachen begann.

»Dös hat mich forttrieben aus'm Ort.« Das Mädel schien von dem unzurechnungsfähigen Gemütszustand des Wangers angesteckt zu werden und mußte immer lachen, während sie traurige Dinge sagte. »Narr, der ich gwesen bin! Hab gmeint, ich kunnt meiner Not davonlaufen. Schritt und Tritt hat s' ghalten mit mir. Und mein Elend is net leichter worden, wie mir d' Leut zutragen haben, daß d' in Kümmernis und Unfried graten bist – du, dem ich 's beste Glück vergunnt hätt!«

Da geschah mit dem jungen Meister etwas Unerwartetes. Ein geheimnisvoller Bosheitsteufel schien ihm plötzlich in der Wadengegend einen derben Schlag zu versetzen. Jörg plumpste auf die beiden Knie, und um nicht völlig das Gleichgewicht zu verlieren, mußte er die Vroni grob um die Hüfte fassen. »Jesus, Jesus, Madl, jetzt pack mich aber bei die Ohrwascheln und reiß mir s' aussi aus'm Verstand.«

Sie gehorchte nur zur Hälfte. Bei den Ohren nahm sie ihn. Den Versuch, sie ihm auszureißen, unterließ sie. Die brennende Wange an seine Stirn pressend, flüsterte sie: »Du Lieber, du!«

Tiefer und tiefer brannte die Kerze. Qualmend erlosch das Licht, und der neugeborene Morgen blinzelte durch die Fenster.

Draußen auf der Treppe ein schwerer Schritt. Die Tür ging auf, und Veitl wollte in die Stube treten.

»Oha!« platzte der alte Gesell in Verblüffung heraus, als er die beiden mit Armen und Köpfen so ineinander verwickelt sah. Hurtig verschwand er.

»Hö! Nur eini, Veitl!« rief der lachende Jörg. »Und wünsch mir als erster Glück zu meiner künftigen Meisterin.«

Der vergnügte Glückwunsch, den der schmunzelnde Veitl aufsagte, erfuhr eine Störung. Vroni entzog dem Gesellen plötzlich die Hand und sprang erschrocken gegen die Kammer hin: »Um Gottes willen, unser Kindl weint.«

Der Meister sah ihr mit glücklichen Augen nach. »Da sagt man allweil, die Kinder haben's gut, weil s' nix wissen von der Welt.« Er schüttelte den Kopf zu dieser unzutreffenden Weisheit. »Daß a Kindl a gute Mutter kriegt? Dös sollt's eigentlich doch merken müssen. Und sollt lachen dazu statt a Gsetzl flennen!«

Wastl kam. Viel brauchte man ihm nicht zu sagen. Gleich verstand er. »So so? Dös war der Grund? Bin ich halt bei der glückseligen Schlittenfahrt wieder um an Bauernschuh z'spät kommen. No ja – es hat net 's erstemal brennt bei mir – muß ich halt schauen, wie ich wieder mit'm Löschen auf gleich komm.«

»Da wirst dich hart tun«, meinte Veitl ein bißchen boshaft, »'s Wasser is gfroren. Oder meinst ebba, 's Löschen geht mit a paar Maß Bier?«

Jörg mußte lachen. »Was is denn nacher? Gehst oder bleibst?«

Wastl zuckte die Achseln. »Warten wir amal, bis die acht Tag rum sind. Da kann man allweil wieder reden drüber. Aber daß ich auf deiner Hochzeit tanzen müßt, bis mir d' Waden springen – dös kannst net verlangen von mir. Alles, was recht is!« Er machte kehrt und knöpfte die Joppe zu.

»Wohin denn? Bleibst denn net da beim Fruhstuck?«

»Na! Heut kunnt's a versalzene Suppen geben. Mich kratzt noch der Pfeffer von der meinigen im Hals.« Er schlug die Tür zu, daß es böllerte.

Das war der erste Freudenschuß, der für das Hausglück des Meisters und der Meisterin abgefeuert wurde.

Der Graben-Teufel

 

Jeder Weidmann ist abergläubisch. Es ist das ein Satz, den man gern belächelt. Aber es hat damit seine Richtigkeit, und sollt' es nur insoweit der Fall sein, daß jeder Weidmann sich ärgert, wenn ihm des Morgens beim Auszuge zur Jagd ein altes Weib begegnet.

Der Jäger aus Passion ist abergläubisch, weil der Aberglaube nun einmal zum richtigen Sport gehört. Der Berufsjäger des Flachlandes ist abergläubisch aus Erziehung, denn neben der Kunst des Weidwerks lernte er den Aberglauben von seinem Lehrmeister, der wieder von einem älteren diese Sprüche und Munkeleien übernahm, die in eine Zeit zurückdatieren, in welcher der Aberglaube noch Glaube war.

Ganz anders verhält sich die Sache beim Hochlandsjäger. Die Majestät der Berge wirkt einen unsichtbaren Zauber um Herz und Sinne und zwingt selbst in den klügsten Kopf Gedanken, wie sie der friedsame und aufgeklärte Stadtbewohner nur aus den Märchenbüchern seiner Jugend kennt. Solch ein Empfinden läßt sich nicht mit Worten sagen. Nur jener weiß es zu fassen, der diese stumme und doch so beredte Einsamkeit der Berge kennt, nur jener, der durch lange Stunden dem geheimnisvollen Rauschen der Hochlandsföhren lauschte und dem donnernden Liede der Regenstürze und horchend stand, wenn durch die dunklen Schluchten das Echo des Schusses hallte, dumpf und grollend, daß es sich anhört wie ein drohendes Zürnen des Alpengeistes, dem man wieder eines seiner Kinder stahl.

Der kluge und gebildete Tourist, den der Zufall in einem Bergwirtshause mit einem Jagdgehilfen zusammenführt, schüttelt wohl mit ungläubigem Lächeln den Kopf, wenn er da die eine oder die andere seltsame und ungeheuerliche Geschichte hören muß. Es ist auch wirklich nur ein Zufall, wenn er solche Dinge zu Gehör bekommt. Und er hat es dann weniger dem Zauber seiner Gesellschaft als der zungenlösenden Wirkung des Weines zuzuschreiben. Der Jäger des Hochlandes ist schweigsam; er entwöhnt sich des Redens in der wochenlangen Einsamkeit. Und dennoch ist er nicht einsam dort oben. Die ganze Natur spricht mit ihm, durch das Rauschen der Bäume, durch das mahnende Poltern der abrollenden Steine, durch den Vogelruf, durch das Pfeifen der Gemsen wie durch das Schreien der brünstigen Hirsche. Er versteht diese Sprache, wenn auch auf seine eigene Weise. Wirkt doch der Zauber der Natur auch auf das Herz des Ungebildeten, wenn er dann auch nicht imstande ist, über die eigene Empfindung zu klarem Verständnis zu kommen. Und so wird für ihn die Naturpoesie zum Aberglauben. Er personifiziert das ganze ihn umgebende stille Leben, die Tiere werden ihm zu gleichfühlenden und gleichdenkenden Wesen. Alles, was er sieht und hört, erklärt er sich nach bestem Wissen und Können. Steht er aber plötzlich vor einem gewissen Etwas, das ihm gegen alle Gewohnheit und Vernunft geht, so hilft ihm nur sein Gespenster- und Teufelsglaube zu einer befriedigenden Erklärung.

Aber nicht nur der Ungebildete erliegt diesem Banne. Ich kenne Forstleute in unseren Bergen, die in der einen Stunde von ihren Universitätsjahren plauderten, in der anderen mit Kopfschütteln und Achselzucken erzählen, wie sie an einem Freitag ein Stück im Schnall niedergeschossen, am Schußplatz aber weder Stück, noch Schweiß, noch Fährte gefunden hätten. Oder wie gruselig es wäre, wenn man einen weidwunden Bock trotz des kunstgerechtesten Knickens nicht zum Verenden bringen könnte.

Wer immer mit der Büchse hoch oben hinzieht über schwindelnde Steige auf einsamer Pirsch – sie alle, alle sind abergläubisch. Auch ich bin es geworden, wenn ich es im eigentlichen Sinn des Wortes auch nur eine einzige Sekunde war.

Die Liebe zur Jagd und zu den Bergen meiner Heimat hatte mich wieder einmal zur Sommerszeit nach dem schönen und wildreichen Oberisartal geführt. Ein paar Wegstunden hinter Lenggries in einem kleinen, von massigen Bergzügen umschränkten Talkessel dicht hinter dem Zusammenflusse der Walchen, Dürrach und Isar liegt der kleine Weiler Fall, ein herrlicher Fleck Erde, den ich mir für diesmal zum Standquartier erkoren hatte, um von hier aus meine Jagdausflüge nach den umliegenden Bergen und nach den hochstämmigen Forsten der Jachenau zu unternehmen.

Der schöne Sommer wanderte schon in den September hinein, und die Birkenblätter begannen zu vergilben. Da stieg ich eines Tages lange vor dem Morgengrauen bergauf zu einer Gemspirsche, deren Verlauf mich für die Dauer einer Sekunde zum krassesten Aberglauben verführen sollte.

Dicht und schwer lag der Nebel noch auf Wasser und Flur, als ich um vier Uhr die Dürrachbrücke überschritt. Außer dem Klappern meiner genagelten Bergschuhe störte kein Laut die tiefe Morgenstille; nur späterhin, als ich die ersten dampfenden Waldwiesen betrat, hörte ich den leichten Fußschlag des flüchtenden Wildbrets. Ich schritt bergan, empor über den Nebel des Tales, der mich aber bald wieder überholte. Zerrissen und zerteilt durch die massigen Stämme, flatterten die wandelsüchtigen Nebelgestalten vor mir die Höhe hinan, legten sich da und dort für einen Augenblick wie ein leichter duftiger Schleier über Stein und Busch und huschten empor durch die stillen Aste, um vereint über den Wipfeln aufzuschweben in den blauenden Himmel.

Durch einzelne Lücken der Bäume winkten die felsigen Bergspitzen zu mir herunter, erglühend unter dem Morgenkuß der aufgehenden Sonne. Da klang der erste Drosselschlag, dann das schüchterne Zwitschern der erwachenden Meisen.

Bedächtig, wie es einem richtigen Steiger geziemt, war ich drei Stunden emporgestiegen, als ich mich niederließ, um auszurasten, meine Büchse nachzusehen und den Tau davon zu wischen, den das hohe Berggras an Schloß und Schaftung abgestreift hatte. Es gehört zum Verständnis des Nachfolgenden, wenn ich über dieses Gewehr ein paar Worte des Lobes einflechte. Es war eine Doppelbüchse; die beiden kurzen Gußstahlläufe waren von feiner Arbeit, und bis auf zweihundert Gänge schossen sie die beiden Kugeln in gleicher Höhe auf Doppelzollweite nebeneinander. Manch schönen Schuß hatte ich mit dieser Büchse schon getan, auf eine Distanz, daß der besorgte Jagdgehilf mir während des Zielens abmahnend zuflüsterte: »Es reicht net, und es reicht net hin!« Meine Hand und mein Auge ließen mich auch nicht leicht im Stich, und so war ich mit dieser Büchse meines Schusses sicher – wenn ich nur zu Schuß kam.

Nach weiterem halbstündigen Steigen befand ich mich in Wildhöhe, an jener Stelle, wo von dem zur Bergschneide emporführenden Pfad sich der eigentliche Jagdsteig abzweigte, um in gleichbleibender Höhe den ganzen Bergstock zu umkreisen, aus- und einbiegend über Felsrücken und Klüfte.

Mit dem Betreten dieses Pfades beginnt die bestrickende Aufregung eines solchen Pirschganges. Langsam, Schritt für Schritt, mit den Augen überall, geht es dahin über den schmalen, oft gefahrvollen Steig. Mit immer gleicher Vorsicht setzt der Jäger Fuß und Bergstock an, nicht etwa um sicher zu stehen, denn des Gedankens an die Gefahr hat er sich längst entwöhnt – nein, er scheut nur ängstlich selbst das geringste Geräusch. ›So a Ludersgams hört dich ja schon, wann d' schnaufst!‹ Nähert sich der Steig einer Felskrümmung, so schärft sich Aug' und Ohr, lautlos schiebt der Jäger das halbe Gesicht über die Ecke und späht hinein in die dunkle, schattenvolle Schlucht, um dann blitzschnell die Büchse vom Rücken zu reißen oder mit mühsam unterdrücktem Unmut weiter zu steigen auf dem beschwerlichen Wege.

Das letztere schien für diesen Pirschgang mein Schicksal zu sein. Unter einem ständigen Wechsel von Enttäuschung und neuer Hoffnung war ich umhergestiegen an die fünf Stunden. Die besten Gemsbestände hatte ich aufgesucht, und wo ich früher oft ›ein' Bock schier mit dem Bergstecken hätt derschlagen können‹, sah ich jetzt nur eine Gemsgeiß, die mit ihrem Kitz gemütlich über das Steingeröll trollte und unbekümmert um meine Nähe die salzigen Felswände beleckte.

Einem vierjährigen Schwächling war ich bis auf Schußweite nahegekommen; aber ich hatte ihn wieder laufen lassen, um mir nicht die Möglichkeit eines besseren Schusses zu verderben. jetzt freilich ärgerte ich mich, daß ich dem Burschen nicht eins aufs Fell gebrannt hatte, um wenigstens nicht mit leerem Rucksack heimwandern zu müssen.

Aber mir blieb eine einzige, wenn auch sehr vage Hoffnung. Ungefähr eine halbe Stunde tiefer auf dem Berghang lag der Teufelsgraben, eine schwer wegsame, wildzerrissene Schlucht, die auf der Revierkarte unter dem Namen ›Hochgraben‹ verzeichnet steht. Aber der Förster und die drei Jagdgehilfen nannten sie den Teufelsgraben, und das aus einem ganz bestimmten Grunde.

Gleich während der ersten Zeit meiner Anwesenheit in Fall war ich eines Abends mit einem der Jagdgehilfen hinter dem Maßkruge gesessen, als ein anderer Gehilf in die Stube trat und meinem Gesellschafter schon von der Türe zurief:

»Du! Heut hab ich den Grabenteufel wieder gsehen.«

Natürlich fragte ich sofort nach dem Sinn dieser rätselhaften Mitteilung. Und so erfuhr ich, daß der ›Grabenteufel‹ ein alter Gemsbock wäre, mit dem es seine eigene Bewandtnis hätte. Seit Jahren hielte er seinen immer gleichen Stand im Teufelsgraben. Aber weder einem der Jagdgehilfen, noch dem Förster, ›der doch gwiß a richtiger Gamsjager is‹, wäre es trotz aller Mühe, List und Ausdauer gelungen, diesen Bock zu erlegen.

»A Kerl, zottlet wie a Bär!« So lautete die Schilderung des Jagdgehilfen. »Und mit a Paar Krucken wie nochmal a Teufelskrönl! Und wann auf ihn gehst: Hören tust ihn jedsmal, sehen diemal, derschießen niemal! Denn wann auch zum Schießen kommst, so fehlst ihn.«

Ein paar Tage nach diesem Vorfall ließ ich mich von dem Jagdgehilfen der Neugier halber nach dem Teufelsgraben führen. Und wirklich – lautlos waren wir schon auf stundenlanger Paß gesessen, da prasselte es plötzlich von abfallenden Steinen, und jenseits des Grabens sah ich einen dunklen Schatten durch die Latschen huschen.

»Ich sag's halt allweil«, meinte mein Führer, als er sich erhob, »mit dem Bock is was net richtig!«

Und dieser Bock war jetzt meine letzte Hoffnung. Ach, Herr Jerum! Aber probieren kostet ja nichts.

Ich hatte noch eine gute Stunde Zeit, bis ich für eine Pirsch am Teufelsgraben guten Wind bekommen mußte. Allerdings hatte ich auch noch einen kleinen Umweg zu machen, um den Wind abzufangen. Als ich am Teufelsgraben angelangt war, murmelte ich spaßeshalber ein ›Weizsprüchl‹, oder, um mich verständlich auszudrücken, einen weidmännischen Gespenstersegen, den ich von einem der Jagdgehilfen gelernt hatte:

»Was ich versündigt, büß ich!
Was ich dersieh, derschieß ich!
Ich will auch einmal selig wern –
Alle guten Geister loben Gott den Herrn!«

Nun ging es am Rande des Grabens talwärts, langsam und lautlos. Von fünfzig zu fünfzig Schritt pirschte ich mich vor an den Absturz, so daß ich immer einen Teil der Schlucht übersehen konnte. Keinen Winkel und keinen Latschenbusch ließ ich unbeschaut. Aber nicht ein Haar bekam ich zu Gesicht.

Endlich war ich in der Nähe des Platzes, wo ich bei meinem ersten Besuche den Grabenteufel mehr gehört als gesehen hatte. Etwa dreißig Fuß unter mir sprang eine grasige Platte in die Schlucht hinein, von wo aus ich ein gutes Teil der tiefen Felsrinne hinauf und hinunter übersehen konnte. In aller Vorsicht und Stille stieg ich nieder und machte mir's bequem. Ich hatte noch ein paar Stunden vor mir, denn wenn ich um sechs Uhr mich zum Heimweg richtete, konnte ich immer noch vor Einbruch der Nacht nach Hause kommen.

So paßte ich und paßte. Aber nichts regte und rührte sich.

Die Sonne war schon hinuntergezogen über den Rücken eines Berges, lang und dunkel schlichen die Schatten über die Höhen herauf, und leise begann es in den Büschen und Bäumen zu rauschen von dem immer stärker ziehenden Abendwind. Ich war müde und hungrig, und mich begann zu schläfern. Um mich munter zu erhalten, nahm ich meine Patronen aus der Tasche, sah die Kugeln nach; und um mich zu vergewissern, daß sich die Ladung nicht gelockert, rüttelte ich die Patronen vor meinem Ohr, eine nach der anderen, alle sieben, die ich bei mir trug.

Dann wieder studierte ich die Konturen der Wandrisse und Abstürze und bohrte den Blick in jeden Schattenwinkel und in alle Felslöcher und Wandnischen. Dabei summten mir die Bergschnaken mit ihrem eintönigen Lied um die Ohren und zerstachen mir Hände und Knie.

Mein Jagdeifer begann nachzulassen, und recht unweidmännische Träume gaukelten vor meinen Augen auf und nieder, Träume von Teufeln, Zwergen und Berggeistern. Manchmal klang es aus diesen Bildern wie ein geltendes Hui-hö! – und meine Phantasie sah unter Dampf und Nebel den leibhaftigen Gottseibeiuns mit einem Paar der herrlichsten Gamskrickeln auf dem pechrabenschwarzen Krauskopf emporsteigen aus der Tiefe der Schlucht.

Besonders jenes dunkle Felsloch mir schräg gegenüber hielt ich in meinen lustigen Teufelsphantasien für nicht ganz geheuer. Da drin war es schwarz wie die Nacht. Ein eigentümliches Verlangen regte sich in mir, hinüberzusteigen und dort hineinzugucken. Von meinem Platze hinunter in die Schlucht, das ging. Ob ich aber drüben wieder hinaufkam, das war zweifelhaft. Ich nahm mein Glas zur Hand und musterte das Terrain des genaueren. Nein, es war wirklich unmöglich, von unten aus da emporzusteigen. Aber vom jenseitigen Rande der Schlucht führte ein leicht erkenntlicher Gemswechsel bis zur Felsplatte, von der aus die Höhlung sich in den Berg senkte.

Heiliger Gott! Wahrhaftig! Im Dunkel der Höhle unterschied ich deutlich durch mein Glas die Umrisse eines ruhenden Tieres. Aber unmöglich vermochte ich zu erkennen, was es war. Lautlos stand ich auf, legte das Gewehr in Anschlag, ein kurzer scharfer Pfiff gellte von meinen Lippen, das Tier sprang auf, und mit der Brust gegen mich, in der Luftlinie höchstens auf sechzig Gänge, stand ein Gemsbock da, wie ich keinen zweiten mehr gesehen habe. Der Grabenteufel!

Im gleichen Augenblick krachte es auch. Und noch einmal. Der Pulverdampf verzieht sich. Und auf dem gleichen Platze steht der Bock mit gespreizten Läufen, die großen funkelnden ›Lichter‹ regungslos nach mir gewandt.

Gefehlt? Nein, das war nicht möglich! Mit diesem Gewehr und auf diese Distanz! Entladen und laden, das war ein Augenblick. Ich schoß. Und wieder. Das Tier stand unbeweglich. Mein Herz schlug wie ein Hammer, und siedheiß stürmte mir das Blut in die Schläfe. Wieder lud ich. Und schoß –, und schoß –, der Grabenteufel rührte sich nicht. Da lief ein Schauer über meinen Leib. Ich fühlte, wie mir das Blut aus Kopf und Gliedern floh und sich zusammendrängte im Herzen. Und während ich mit zitternder Hast nach der letzten Patrone suchte, glitt es von meinen Lippen: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn!« Ich lud. Mit dem letzten Aufgebot meiner Willenskraft riß ich das Gewehr an die Wange. Und schoß. Das Tier stand wie aus Stein geformt. »Der Teufel! Der leibhaftige Teufel!« Und mir graute.

Da stieß ich einen heiseren Schrei aus der Kehle – denn das Tier neigte sich vornüber, fiel nieder, fiel mit dem halben Leib hinaus über die Felsplatte, und zwei-, dreimal an Steinvorsprüngen aufschlagend, stürzte es hinunter in die Tiefe der Schlucht. Aufatmend schüttelte ich den Kopf, trocknete meine Stirn, auf welcher der Schweiß in kalten Tropfen stand, versuchte zu lächeln – und schämte mich.

Der Abstieg zu dem verendeten Gemsbock war ein schweres Stück Arbeit. Als ich ihn aufbrach, sah ich, daß alle sieben Schuß getroffen hatten. Schon der erste, sicher aber der zweite, mußte tödlich gewesen sein.

Alte Jäger erzählen, es käme zuweilen vor, daß ein Stück Wild nach einem Kernschuß in Starrkrampf verfiele. War das hier der Fall gewesen? Ich weiß nicht – vielleicht!

Als ich mit dem Bock auf dem Rücken zu Hause anlangte, wollte der Förster kaum seinen Augen trauen. Immer und immer wieder mußte ich die dunkle Geschichte berichten, die er kopfschüttelnd mit anhörte. Und am folgenden Tage erzählte ich sie auch dem Jagdgehilfen, der mich zum erstenmal nach dem Teufelsgraben geführt hatte.

»So, so! Erst mit dem siebenten Schuß?« Der Jäger zog die Brauen in die Höhe.»Ja, ja! Da glaub ich's schon. Der Siebener is für so was a heikle Zahl!«

Der Bock wog aufgebrochen vierundsiebzig Pfund, und seine Prachtkrickeln zeigten deutlich dreizehn Jahresringe.

»Ja, ja! Der Dreizehner halt!«

Impressum

Texte: Gemeinfrei
Cover: BookRix-Edition
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2017

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