Hallo, junges Kleinohr.
Ja, du.
Ich möchte dir eine kleine Geschichte erzählen...
Setze dich und höre mir aufmerksam zu.
Es geht um die Vorgeschichte der HasenGruppen, wie wir sie heute kennen...
Doch genug um den heißen Brei geredet, lass mich beginnen.
Vor langer Zeit - das muss unzählbar viele Baumringe vor unserer Zeit gewesen sein - brachen 5 junge Hauskaninchen zu einer Reise ins Unbekannte auf. Ihr Kleinohre hatten ihnen allen einen Namen gegeben: Stern, Himmel, Sonne, Mond und Wolke. Die Kaninchen ließen sich in einem tiefen, dunklen Wald nieder und passten sich an das Leben im Wald an. Sie begannen, Salatlinge als Nahrung zu fangen, mittels Kräuter ihre Wunden zu heilen und in dunklen Höhlen zu schlafen. Doch schon bald gefielen ihnen die Namen nicht mehr, die ihnen die Kleinohre gegeben hatten und sie beschlossen, sich umzubenennen. Stern benannte sich zu "Juweda" um, was auf Althasisch "Stern" bedeutete - die anderen machten es ihr nach. Mond wurde zu "Dirama", Sonne zu "Furena" und Wolke zu "Fortuna". Nur Himmel machte es anders - sie benannte sich zu "Dosta" um, was auf Althasisch "Leben" bedeutete.
Wie es das Schicksal wollte, trafen die fünf Kaninchen bereits nach wenigen Monden auf vier Wildhasen - alle bis auf Dosta verliebten sich in einen der Hasen.
Dosta, wild entschlossen, einen Gefährten für sich zu finden, machte sich auf eine Reise durch die Unbekannten Orte des Waldes, und ertrank in einem Fluss, den man von da an Wildstrom nannte.
In Gedenken an Dosta beschlossen die acht anderen, dass alle verstorbenen Hasen zur "HimmelGruppe" gehen würden und da ihren Frieden hätten.
Das wiederum brachte sie auf die Idee, den Wald unter sich aufzuteilen und jedem Kaninchenpaar ein Territorium zuzuschreiben. Die 4 HasenGruppen waren entstanden!
Die JuwedaGruppe, die DiramaGruppe, die FurenaGruppe und die FortunaGruppe wurden immer größer und vermehrten sich dauerhaft.
Nachdem sie genug groß war, begann die JuwedaGruppe, ihre Gruppe in Ränge aufzuteilen und Voraussetzungen für die Namensgebung zu machen. So mussten die Jungen, die gerade zur Welt gekommen waren, zum Beispiel mit "-junges" aufhören, die Schüler, also Hasen, die genug alt waren um ihr Training zu beginnen, mussten mit "-pfote" aufhören und Kämpfer, in dem Fall die Hasen, die das Territorium bewachten und kämpften, konnten mit einer beliebigen Endung aufhören.
Als Juweda, Dirama, Furena und Fortuna schließlich verstarben, bekamen alle Gruppen einen neuen Anführer. Die neuen Anführer legten fest, dass jeder Anführerhase mit "-löffel" aufhören müsse - das wurde in die Tat umgesetzt.
Sturmlöffel, der 7. Anführer der DiramaGruppe, gab irgendwann den Vorschlag preis, die Gruppen umzubenennen. So wurde die JuwedaGruppe zur TauGruppe, die DiramaGruppe zur BlattGruppe, die FurenaGruppe zur FeuerGruppe und die FortunaGruppe zur WaldGruppe.
Die HasenGruppen der Neuzeit waren da!
Tja, das war's dann auch schon wieder meinerseits...
Ich hoffe, ich habe dich mit der Geschichte meiner Vergangenheit nicht gelangweilt.
Blätterte nun eine Seite weiter!
Liebe Grüße aus der Frühzeit,
Juweda
TAUGRUPPE
Anführer:
Wolkenlöffel; Weiblich
Fellfarbe: Schneeweiss, Augenfarbe: Himmelblau
Hilfe-Anführer:
Kleinzunge; Männlich
Fellfarbe: Grau, Augenfarbe: Schwarz
Heiler:
Seetraum; Weiblich (Mentor von Moospfote)
Fellfarbe: Grau bis Bläulich, Augenfarbe: Zyan
Heilerschüler:
Moostatze; Weiblich
Fellfarbe: Dunkelbraun, Augenfarbe: Blau
Kämpfer
Bronzezahn; Männlich (Mentor von Diamanttatze)
Fellfarbe: Dunkelbraun, Augenfarbe: Grau
Vanilleflecke; Weiblich (Mentor von Kleetatze)
Fellfarbe: Grau mit einem vanillefarbenen Fleck auf der Stirn, Augenfarbe: Blau
Maiglöckchenkralle; Weiblich (Mentor von Ahorntatze)
Fellfarbe: Weiß, Augenfarbe: Grün bis gelblich
Haselohr; Männlich
Fellfarbe: Schwarz mit einem weißen Streifen, Augenfarbe: Blau
Hellhoppel; Männlich (Mentor von Dschungeltatze, Morgentatze)
Fellfarbe: Hellbraun, Augenfarbe: Blau
Schüler
Dschungeltatze; Männlich
Fellfarbe: Grau bis grünlich, Augenfarbe: Hellgrün
Morgentatze; Weiblich
Fellfarbe: Braun, Augenfarbe: Blau
Kleetatze; Weiblich
Fellfarbe: Braun mit goldenen Flecken, Augenfarbe: Blau
Diamanttatze; Weiblich
Fellfarbe: Grau bis bläulich, Augenfarbe: Eisblau
Ahorntatze; Weiblich
Fellfarbe: Hellbraun bis grünlich, Augenfarbe: Grau
Junge
Flockenjunges; Männlich
Fellfarbe: Weiß mit klaren blauen Streifen, Augenfarbe: Schwarz
Mütter / Werdende Mütter
Tannzapfzunge; Weiblich (Mutter von Flockenjunges)(Gefährtin von Hellhoppel)
Fellfarbe: Braun, Augenfarbe: Bernsteinfarben
BLATTGRUPPE
Anführer:
Federlöffel; Männlich
Fellfarbe: braun bis grau, Augenfarbe blau:
Hilfe-Anführer:
Blaubeerzunge; Männlich
Fellfarbe: rötlich, Augenfarbe: gelb
Heiler:
Sonnenschein; Weiblich (Mentor von Nasspfote)
Fellfarbe: gelblich, Augenfarbe: schwarz
Heilerschüler:
Nasstatze; Weiblich
Fellfarbe: hellgrau, Augenfarbe: violett
Kämpfer
Honigduft; Weiblich
Fellfarbe: schwarz, Augenfarbe: grün
Erdbeerpelz; Männlich (Mentor von Edeltatze)
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: dunkelblau
Lotusherz; Weiblich (Mentor von Schweiftatze)
Fellfarbe: hellbraun, Augenfarbe: hellblau
Blattsegen; Weiblich (Mentor von Nusstatze)
Fellfarbe: dunkelgrau, Augenfarbe: orange
Mondfisch; Männlich (Mentor von Fuchstatze)
Fellfarbe: dunkelbraun, Augenfarbe: violett
Traumtanz; Weiblich
Fellfarbe: Hellrot, Augenfarbe: Grün
Schüler:
Nusstatze; Männlich
Fellfarbe: braun bis grau, Augenfarbe: blau
Edeltatze; Weiblich
Fellfarbe: weiss, Augenfarbe: blau
Fuchstatze; Männlich
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: gelb
Schweiftatze; Männlich
Fellfarbe: grau, Augenfarbe: schildpattfarben
Junge
Stockjunges; Männlich
Fellfarbe: bernsteinfarben, Augenfarbe: orange
Seltinjunges; Weiblich
Fellfarbe: bläulich, Augenfarbe: violett
Schlammjunges; Weiblich
Fellfarbe: braun, Augenfarbe: blau
Fliederjunges; Weiblich
Fellfarbe: hellgrau mit grünen Tupfern, Augenfarbe: rot
Mütter / Werdende Mütter
Weichfell; Weiblich (Mutter von Seltinjunges, Schlammjunges)(Gefährtin von Erdbeerpelz)
Fellfarbe: hellbraun, Augenfarbe: blau bis grünlich
Antarktispelz; Weiblich (Mutter von Fliederjunges, Stockjunges)(Gefährtin von Mondfisch)
Fellfarbe: blau, Augenfarbe: grau
Weise
Alpinauge; Männlich
Fellfarbe: weiss, Augenfarbe: zyan
Blumenkreuz; Weiblich
Fellfarbe: grünlich, Augenfarbe: violett
FEUERGRUPPE
Anführer:
Magmalöffel; Männlich
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: gelb
Hilfe-Anführer:
Tigerzunge; Männlich
Fellfarbe: schildpattfarben, Augenfarbe: grau
Heiler:
Funkenfell; Weiblich (Mentor von Lichtpfote)
Fellfarbe: grau, Augenfarbe: hellblau
Heilerschüler:
Lichttatze; Männlich
Fellfarbe: schwarz mit gelben Streifen, Augenfarbe: leicht gräulich
Kämpfer
Züngelflamme; Männlich (Mentor von Grüntatze)
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: grün
Rotkralle; Männlich
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: bernsteinfarben
Düsternebel; Männlich (Mentor von Leopardentatze)
Fellfarbe: grau mit schwarzem, getigerten Muster, Augenfarbe: blau
Mammutlicht; Männlich (Mentor von Luchstatze)
Fellfarbe: braun, Augenfarbe: blau
Sternchenlilie; Weiblich
Fellfarbe: gelblich, Augenfarbe: grün
Flammenfell; Weiblich (Mentor von Himbeertatze)
Fellfarbe: orange, Augenfarbe: violett
Hitzezahn; Männlich
Fellfarbe: dunkelgrau, Augenfarbe: zyan
Schüler:
Leopardentatze; Männlich
Fellfarbe: Violett mit hellbraun, Augenfarbe: grün
Luchstatze; Weiblich
Fellfarbe: schwarz, Augenfarbe: grau
Grüntatze; Weiblich
Fellfarbe: grün, Augenfarbe: grün
Himbeertatze; Weiblich
Fellfarbe: rötlich, Augenfarbe: gelb
Junge
Adlerjunges; Männlich
Fellfarbe: dunkelbraun, Augenfarbe: blau
Fichtenjunges; Weiblich
Fellfarbe: hellbraun, Augenfarbe: weiss
Mütter / Werdende Mütter
Lampenlicht; Weiblich (Mutter von Adlerjunges, Fichtenjunges)(Gefährtin von Hitzefell)
Fellfarbe: orange, Augenfarbe: gelb
Frackfeuer; Weiblich (Wird Mutter)(Gefährtin von Züngelflamme)
Fellfarbe: rot, Augenfarbe: bläulich
Weise
Märchenschnauze; Weiblich
Fellfarbe: schildpattfarben, Augenfarbe: bernsteinfarben
WALDGRUPPE
Anführer:
Silberlöffel; Männlich
Fellfarbe: hellgrau, Augenfarbe: schwarz
Hilfe-Anführer:
Weidenpelz; Männlich
Fellfarbe: hellbraun, Augenfarbe: grün
Heiler:
Scheinlicht; Weiblich (Mentor von Stangenpfote)
Fellfarbe: grau, Augenfarbe: blau
Heilerschüler:
Stangentatze; Weiblich
Fellfarbe: grünlich, Augenfarbe: zyan
Kämpfer
Blutohr; Männlich
Fellfarbe: blau, Augenfarbe: rot
Strahlauge; Männlich
Fellfarbe: hellbraun, Augenfarbe: gelb
Mitternachtskralle; Weiblich (Mentor von Erdtatze)
Fellfarbe: schwarz getigert, Augenfarbe: dunkelblau
Dunkelpelz; Männlich
Fellfarbe: dunkelgrau, Augenfarbe: schwarz
Wurfstern; Weiblich (Mentor von Himmeltatze)
Fellfarbe: rötlich, Augenfarbe: grau
Baumstammkralle; Weiblich
Fellfarbe: dunkelbraun, Augenfarbe: blau
Adlerauge; Männlich (Mentor von Schmetterlingstatze)
Fellfarbe: schwarz, Augenfarbe: weiss
Schüler
Erdtatze; Weiblich
Fellfarbe: braun, Augenfarbe: blau
Himmeltatze; Männlich
Fellfarbe: bläulich, Augenfarbe: gelblich
Schmetterlingstatze; Weiblich
Fellfarbe: schildpattfarben, Augenfarbe: bernsteinfarben
Junge
Sternenjunges; Weiblich
Fellfarbe: gelb, Augenfarbe: blau
Funkeljunges; Männlich
Fellfarbe: hellgrau, Augenfarbe: hellorange
Mütter / Werdende Mütter
Blattkralle; Weiblich (Mutter von Sternenjunges, Funkeljunges)(Gefährtin von Blutohr)
Fellfarbe: grüngräulich, Augenfarbe: gelb
Übersetzungen von Kleinohrisch zu Hasisch:
TAGESZEITEN
Sonnenaufgang – Sonnenaufgang
Mittag – Sonnenblüte
Nachmittag – Sonnenwelke
Abend – Sonnenuntergang
Mondaufgang – Mondaufgang
Mitternacht – Mondblüte
Früher Morgen – Mondwelke
JAHRESZEITEN
Frühling – Zeit des strömenden Flusses
Sommer – Zeit der strahlenden Sonne
Herbst – Zeit der fallenden Blätter
Winter – Zeit des schlafenden Sees
ANDERE ZEITEN
Tag – 1 Sonnenaufgang
Woche – 1 Viertelmond
Monat – 1 Mond
Jahr – 1 Baumring
Kräuter und deren Wirkung
Margeten-Blumen – Kleinere Wunden (und Desinfektion)
Spinnweben – Größere Wunden
Thymian – Ohnmacht
Territorien und deren Namen
Juweda
– TauGruppen-Territorium
Dirama
– BlattGruppen-Territorium
Furena
– FeuerGruppen-Territorium
Fortuna
– WaldGruppen-Territorium
Mensch - Kleinohr
Der kalte Vollmond schimmerte hell und war als weisser Kreis hinter den schwarzen Wolken, die am Himmel hingen, auszumachen. Weit in der Ferne hörte man ununterbrochen das Gurgeln des Wildstroms. Die dunkelblauen Augen eines roten Hasen leuchteten schwach, als er sich erhebte und sich unter einem anderen Baum hinlegte. Der Baum war eine Esche, deren Blätter selbst jetzt noch grün in die Nacht strahlten. Der Hase quetschte sich in eine Mulde am unteren Stamm des Baums und drehte sich so lange, bis er sich in einer angenehmen Schlafposition befand. Endlich schloss er die Augen und hoppelte in das Land der Träume.
Ein Knacken ertönte und hallte als lautes Echo durch das schlafende Gebiet der BlattGruppe. Der fuchsbarbene Hase erwachte ruckartig und stellte seine Ohren kerzengerade auf, damit ihm auch kein weiteres Geräusch entging. Er schaute an den Himmel und betete zur HimmelGruppe, dass sich keine böse Gestalt in ihrem Territorium herumtrieb. Als er so die schimmernde Kugel am Himmel betrachtete, wurde ihm bewusst, dass Federlöffel ihm die Verantwortung für das Lager der BlattGruppe überlassen hatte. Deshalb schlief der Hase auch nicht im Kämpferbau - er musste sein Lager bewachen. Mehr als die Hälfte der BlattGruppen-Hasen waren in dieser Nacht zur Zentralen Versammlung gezogen, um sich mit den anderen vier Gruppen über Neuigkeiten auszutauschen. Da sie aber das Lager nicht komplett unbewacht hatten lassen können, konnten wie gesagt nicht alle Mitglieder der BlattGruppe mitkommen. Der rote Hase fand Versammlungen eigentlich ganz cool, aber er blieb auch gerne mal zuhause. Und das beste dabei war: Weichfell, seine Gafährtin, war ebenfalls im Lager geblieben, obwohl sie eigentlich als Teilnehmerin der Versammlung ausgewählt wurde.
Ein lautes Knacken unterbrach die Stille erneut und riss den roten Kämpfer aus seinen Gedanken. Ein Schauder rann ihm den Rücken hinunter. In geduckter Haltung schlich er zu Weichfell hinüber und stupste sie mit der Schnauze an.
"Was ist denn?", fragte sie verschlafen. Dann erst öffnete sie die Augen und sah die ihres Gefährten. "Erdbeerpelz? Was machst du denn um diese Zeit hier?"
"Ich hab da so ein Geräusch gehört... Ich glaube, etwas furchtbares kommt näher...", meinte Erdbeerpelz kleinlaut und mit vor Angst leiser Stimme.
Weichfell schaute den grossen Hasen erschrocken an und begann zu zittern.
Und dann, ohne Ankündigung, hörten sie es:
Der gequälte Schrei von Federlöffel durchschnitt die Nacht und malmte sich in das Gehör aller Hasen, die sich auf Dirama befanden.
Eine Zehntelsekunde später stand ein muskelbepackter, überdimensionaler Hase mit blutverschmierter Schnauze vor Erdbeerpelz und Weichfell. Nun schrie nicht mehr nur Federlöffel -das ganze Lager geriet in Panik.
Der grosse Hase schoss mit der Schnauze voran auf die beiden Gefährten zu. Das letzte, was Erdbeerpelz spürte, bevor er ohnmächtig wurde, waren spitze Krallen und Zähne, die sich mit aller Gewalt in sein Fell bohrten. Dann war um ihn herum nur noch Dunkelheit.
Morgentatze bahnte sich mühsam einen Weg über das steinige Gebiet der FeuerGruppe. Dschungeltatze trottete neben ihr her, den Blick auf das Ziel, das Grosse Plateau, gerichtet. Die TauGruppe befand sich auf halbem Weg zur Zentralen Versammlung. Der graue Hase, der zusammen mit Morgentatze die Nachhut bildete, freute sich zutiefst, dass Wolkenlöffel ihn zum zweiten Mal in zwei Monden ausgewählt hatte. Sie beide waren, abgesehen von Diamanttatze, die einzigen Schüler, die mitkommen durften. Haselohr war von der weissen Anführerin ebenfalls im Lager zurückgelassen worden, obwohl Dschungeltatze den Verdacht hatte, dass sie dies nicht getan hatte, weil sie dem schwarzen Hasen, der ihn und die Häsin neben ihm mehrmals umzubringen versucht hatte, nicht vertraute, sondern eher, weil sie das Lager in "sicheren" Pfoten hatte wissen wollen. Das war, wie der grünliche Hase betrübt dachte, nun aber trotzdem nicht der Fall.
"Komm. Wir sollten uns beeilen, wenn wir nicht den Aufschluss verlieren wollen", meinte Morgentatze. Dschungeltatze blickte der dunkelbraunen Häsin in die blauen Augen und wusste sofort, dass sie Recht hatte. Er nickte und hoppelte schneller als zuvor hinter seinen Gruppen-Kameraden her.
"Kommen die endlich?"
"Keine Ahnung."
"Von wem redet ihr denn?"
"BlattGruppe."
"Aber die TauGruppe ist ja auch noch nicht da."
"Stimmt... Moment, da kommen sie ja. Endlich", seufzte ein Hase, der neben dem Sandfleck des Grossen Plateaus lag und mit zwei seiner Kumpels redete.
Überall um Dschungeltatze herum redeten Hasen aus total unterschiedlichen Gruppen miteinander, und man konnte nicht ausmachen, welche Stimme zu wem gehörte. Morgentatze zog ihn weiter und riss ihn damit aus seinen Gedanken. "Der Hase da hat Recht, die BlattGruppe ist nicht da. Wir können nicht anfangen, wenn die nicht anwesend sind", meinte sie und trottete gähnend zu dem Baum, unter dem sich die TauGruppe niedergelassen hatte. Wolkenlöffel hoppelte schnell nach vorne über das Plateau zum Anführerbaum, kletterte die Felswand dahinter hoch und sprang auf einen der höheren Äste. Das helle Licht den vollen Mondes spiegelte sich im kleinen See, der in der Mitte des felsigen, trotzdem grasgepolsterten Plateaus lag. Dschungeltatze setzte sich hin und blickte sich um. Es sah genau gleich aus wie vor einem Mond, als er das letzte Mal auf einer Versammlung hier gewesen war. Trotzdem fröstelte es ihn, wenn er daran dachte, was passiert war, als er das letzte Mal hier gewesen war. Haselohr hatte ihn und Morgentatze an einen Baum gefesselt und ihnen gedroht, sie beide umzubringen. Wolkenlöffel hatte ihm unterdessen die Aufgabe erteilt, den Ausbruch des Vulkans zu verhindern, auf dessen Rücken sie sich soeben befanden. Dafür hätte er den Testorimestein in die Lava werfen müssen, was aber Morgentatze für ihn getan hatte, als er bewusstlos auf dem Boden lag. Der graugrüne Hase verdankte Morgentatze mehrfach sein Leben, was er sehr zu schätzen wusste.
Gedankenverloren starrte er zur Spitze des Vulkans, als er die Vergangenheit noch einmal vor seinem Inneren Auge abspielen liess.
Eine dunkelbraune Häsin riss ihn aus seinen Gedanken. "Komm, wir schauen uns ein bisschen um, bevor die Versammlung beginnt", schlug sie vor. Dschungeltatze nickte zustimmend und gemeinsam hoppelten sie durch die Menge, deren Hasen wild durcheinandergemischt waren und mit allen möglichen anderen Gruppenhasen redeten. Bei einer kleineren Gruppe, bestehend aus fünf Hasen der FeuerGruppe blieben sie stehen. Dschungeltatze kamen sie nicht bekannt vor, aber er wusste nicht, ob sie ihm gegenüber friedlich gesinnt waren, nachdem er damal unangemeldet in ihr Territorium eingedrungen war. Auf gut Glück trat er zu ihnen. Zwei schauten ihn schief an und kniffen die Augen zusammen, die anderen begrüssten ihn. "Hallo, Dschungeltatze", meinte einer. Der graue Hase fragte sich, woher dieser eine seinen Namen kannte, dachte aber, dass ihn vielleicht einfach alle Hasen der FeuerGruppe kannten, nachdem Magmalöffel ihn nicht sonderlich mochte.
"Hallo!" Morgentatze neben ihm hoppelte mitten in das kleine Grüppchen hinein. "Wie heisst ihr denn?", fragte einer der FeuerGruppen-Hasen. Wahrscheinlich wollte der dunkelgraue Hase lieber reden als streiten.
"Ich bin Morgentatze, und das hier", sie deutete mit den Ohren zu ihrem Freund hinüber, "ist Dschungeltatze."
"Ich bin Hitzezahn", stellte sich der graue Hase mit einem freundlichen Lächeln vor. "Die anderen sind Züngelflamme, Rotkralle, Sternchenlilie und Düsternebel."
"Tolle Namen", sagte Morgentatze grinsend.
In dem Moment jaulte Wolkenlöffel auf; die Versammlung begann.
"Wie ihr vielleicht bereits mitbekommen habt, ist die BlattGruppe heute nicht anwesend. Wir allerdings sind nicht dafür verantwortlich, dass sie nicht erschienen, und gehen davon aus, dass sie nächstes Mal wieder anwesend sind. Trotzdem muss morgen früh eine Patrouille ins Territorium der BlattGruppe überwechseln, um zu schauen, was mit ihnen los ist. Meldet sich jemand freiwillig?"
Diamanttatze starrte mit glitzernden Augen zu Wolkenlöffel auf den Baum. Langsam erhob sie sich von ihrem Platz neben ihrem Mentor Bronzezahn und hoppelte nach vorne. Jeder Blick richtete sich auf sie.
"Ich würde das gerne machen." Ihre Stimme klang klar und deutlich.
"In Ordnung. Sonst noch jemand?", fragte Wolkenlöffel.
Ein bläulicher, junger Hase mit durchdringenden gelben Augen stand auf und hoppelte neben Diamanttatze. "Ich will auch mitgehen", saerklärte er erfreut.
"Himmeltatze? Okay." Diese Stimme gehörte erneut Wolkenlöffel.
Danach folgten Berichte darüber, wie viel Beute sie doch im vegangenen Mond erlegt hätten, und von da an war es nicht anders als normalerweise.
Sonnenschein erhellte das Tal und Wärme verdrängte die kalte Nachtluft. Schwarze Vögel zwitscherten am Himmel und zogen ihre Kreise.
Ein einzelner Sonnenstrahl schien dem schlafenden Dschungeltatze auf die Nase und weckte ihn auf. Verschlafen drehte er sich um und rollte direkt in Morgentatze hinein.
"Was ist denn schon wieder los?", fragte sie schlaftrunken.
"Ich glaube... wir sollten aufstehen...", gähnte Dschungeltatze nicht weniger verschlafen. Langsam erhob er sich und trottete aus dem Bau der Schüler, der aus einer Felsspalte bestand. Kleetatze hoppelte draussen herum und folgte Diamanttatze. Sie gingen auf die Jagd, vermutete Dschungeltatze, und schaute ihnen nach. Morgentatze folgte ihm nach draussen und fragte: "Was machen wir denn heute?"
"Keine Ahnung... Ich gehe mal Hellhoppel suchen", meinte er.
"Ich komme mit!", schlug Morgentatze vor und hoppelte inter ihm her. Erfreut hoppelte der graue Hase zum Kämpferbau und trat ein. "Hellhoppel?", fragte er.
"Chrnchrn..."
Hellhoppel schlief noch.
Na Super, dachte Dschungeltatze.
"Hellhoppel, aufwachen!", rief er in den Bau hinein. Erschrocken furh der hellbraune Hase hoch und schlug sich den Kopf an der Decke an. "Was ist denn? Brennt es? Sind die BlattGruppen-Hasen wieder hier? Was ist los?"
"Nein, nichts dergleichen, aber wir wollen trainieren", meinte Morgentatze kleinlaut.
Hellhoppel starrte sie durch die Dunkelheit hindurch an. "Wegen dem hast du mich geweckt?", fragte er sie verdutzt.
"Öhm, ja... War das eine...-"
"Dann gehen wir." Und Hellhoppel rannte aus dem Bau.
"Aua...", stöhnte der grüne Hase, als er wieder aufstand. Er hatte Hellhoppel zum Kampf herausgefordert, nachdem sie bereits den halben Tag lang durchtrainiert hatten, und hatte sich dabei auch recht gut angestellt. Doch am Ende hatte er trotzdem verloren.
"Das reicht für heute", meinte sein Mentor und tätschelte ihm mit den Ohren den Kopf. Dschungeltatze seufzte erleichtert auf und setzte sich hin. "Jetzt greif mal Morgentatze an!", forderte er seinen Mentor mit einem Grinsen auf. Hellhoppel konnte sich ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen und fragte Morgentatze, ob sie Lust hätte, mit ihm zu trainieren. Selbstverständlich stimmte sie zu und die beiden trainierten bis spät in die Sonnenwelke, während Dschungeltatze daneben sass und zusah.
Schwarze Fäden, bestehend auf Wolken, drehten sich am Himmel. Moostatze lag neben einem kleinen Teich und starrte in das Wasser. Sie befand sich wenige Fuchslängen neben der Grosen Lichtung und fühlte sich ziemlich wohl. Es war ihre Aufgabe als Heilerschülerin, jeden dritten Abend hierher zu kommen und nachzuschauen, ob eine neue Weissagung oder Botschaft der HimmelGruppe auf sie wartete. Seetraum lag wahrscheinlich in dem Augenblick in ihrem warmen Nest aus dickem Moos und schlummerte vor sich her. Wie gerne würde die junge Heilerschülerin dies auch tun. Aber ihre Pflichten hatten Vorrang. Seetraum hatte Recht: Man musste im Leben eben auch Prioritäten setzen.
Die Augen hatte Moostatze starr auf das Wasser gerichtet und sie liess sich, wie immer, auch durch nichts und niemanden ablenken.
Im Wasser formte sich eine dunkle Gestalt. Erschrocken zuckte Moostatze zusammen - Und die Erscheinung verschwand. Irritiert starrte sie erneut in den Teich, konnte aber wieder nichts erkennen.
Plötzlich krachte ein Blitz direkt vor ihrer Schnauze in den Teich. Das Wasser verdunstete augenblicklich und war nicht mehr sichtbar. Markerschütternder Donner folgte und zerbrach Moostatze beinahe die Ohren.
Geblendet blickte sie nach oben, wo sich mittlerweile schwarze Wolken gebildet hatten. Sie bewegten sich rasend schnell und blieben nie länger als den Bruchteil einer Sekunde am selben Ort.
In dem Moment vernahm Moostatze eine Stimme, die klang, als ob sie von mehreren Hasen gleichzeitig ausgesprochen würde.
"Eure Zukunft wird dunkel sein. Ihr werdet viele Hasen verlieren, von Jungen bis hin zu Kämpfern. Doch gebt nicht auf, denn es gibt immer Hoffnung. Selbst wer viel verliert, hat auch gewonnen."
Mosstatzes Nackenfell sträubte sich reflexartig. Ein paar Sekunden nach diesem seltsamen Schauspiel öffnete sich der Himmel so schnell wieder, wie er sich geschlossen hatte, und der Mond und die Sterne waren alle wieder sichtbar.
Dschungeltatze wurde durch ein Zittern geweckt.
"Dschungeltatze! Wach auf, es ist sehr wichtig!"
Vom Klang dieser Stimme, die er nun wirklich gut kannte, endgültig geweckt, stand der graue Hase auf. Vor sich sah er, wie erwartet, Morgentatze.
"Was ist denn los?", fragte er und leckte sich erst einmal die Müdigkeit aus den Augen. Als er aus dem Bau der Schüler blickte, erkannte er stöhnend, dass es noch mitten in der Nacht war. Wenigstens konnte man, mit ein bisschen Fantasie, schon etwas mehr oder weniger rötliches am Horizont erkennen.
"Moostatze ist vor etwa einer Stunde zurückgekehrt und sofort zu Seetraum gerannt. Und gerade vorher ist Seetraum zitternd heraus gekommen und hat die ganze Gruppe zusammen gerufen. Komm schnell!"
Dschungeltatze stolperte unbeholfen aus dem Bau und setzte sich neben seinen braunen Mentor. Wolkenlöffel begann gerade zu sprechen.
"Und gerade eben hat mir Tannzapfzunge gemaldet, dass ihr Junges nicht mehr im Nest ist."
Hellhoppel sprang erschrocken auf. "Was? Mein... mein geliebtes Junges..."
Ohne ein weiteres Wort hoppelte er in den Bau der Jüngsten, wahrscheinlich, um seine Gefährtin zu trösten. Er tat Dschungeltatze Leid.
Beunruhigtes Gemurmel brach aus und Wolkenlöffel liess ihren traurigen Blick in der Menge umherschweifen. Maiglöckchenkralles Frage erhob sich aus dem Lärm.
"Was werden wir nun tun, Wolkenlöffel?"
Die strahlend weisse Anführerin blickte fragend zu Seetraum, die etwas neben der Erhöhung, auf der sich Wolkenlöffel befand, stand. Für Dschungeltatzes Geschmack zögerte sie ein wenig zu lange, bis sie hilflos den Kopf schüttelte.
Moostatze starrte gebannt zu ihrer Mentorin. Der grau Hase sah ihr nach und merkte, dass sich Seetraum mittlerweile verlegen das Brustfell leckte.
Verschweigt sie uns etwas?
, fragte er sich schockiert.
Als Dschungeltatze wieder nach vorne schaute, beendete Wolkenlöffel gerade die Versammlung. Die anderen Hasen kockten alle in kleinen Grüppchen beieinander und diskutierten, was vermutlich passiert war. Tannzapfzunges Schluchzen hörte man durch das ganze Lager und eine zweite Welle Mitleid durchströmte Dschungeltatze.
Seufzend wandte er sich ab und knallte beinahe in Morgentatze hinein.
"Entschuldigung", murmelte Dschungeltatze.
"Ist schon gut. Komm mal schnell mit!", forderte die dunkelbraune Häsin ihn auf.
"Okay. Wohin gehts denn?", fragte er. In dem Moment rief Moostatze, die sich in einem zweiten, etwas kleineren Spalt neben dem Bau der Schüler aufhielt, zu ihnen hinüber. Ahorntatze, Kleetatze und Diamanttatze waren auch da.
"Machen wir jetzt so eine Art Schülerversammlung?", fragte Dschungeltatze verwirrt, als er hinter seiner Freundin hertrottete, die auf die Schülerversammlung zusteuerte.
"Im Prinzip schon. Okay, jetzt sind wir vollständig, Moostatze. Was gibt es?", fragte Morgentatze, als die beiden bei ihren Freunden ankamen und sich in den kleinen Riss zwängten.
"Okay, hört mal. Habt ihr vorher gesehen, wie nervös Seetraum gewesen ist, als Wolkenlöffel sie gefragt hat, ob sie etwas über das verlorene Junge gewusst hatte?" Moostatzes Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
"Ja klar, das konnte man ja nicht übersehen", erklärte Diamanttatze. Dschungeltatze hatte sich also nicht getäuscht.
"Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie uns etwas verschweigt. Aber das kann ich fast nicht glauben", meinte er.
"Ja. Und noch etwas. Ich... ich habe gestern, als ich beim See bei der grossen Lichtung war, eine Botschaft von der HimmelGruppe bekommen", redete die Heilerschülerin weiter.
"Was? Erzähl uns mehr!", forderte Kleetatze sie auf.
"Naja... Plötzlich kamen Wolken am Himmel und versperrten den Blick auf die Sterne und den Mond. Und dann hörte ich diese eine Stimme. Sie sagte, dass unsere Zukunft dunkel würde, wir aber nicht aufgeben dürfen." Moostatze schwieg.
Auch die anderen Schüler schwiegen. Für gewöhnlich redeten Heilerschüler nicht mit normalen Schülern über so wichtige Angelegenheiten, wie Botschaften der HimmelGruppe. Als erstes mussten sie das den Heilern der Gruppe sagen. Zusammen mit dem Heiler würden sie dann entscheiden, was als nächstes zu tun war.
"Und jetzt? Was sollen wir jetzt machen?", fragte Ahorntatze.
"Ich weiss es nicht", antwortete Moostatze. "Ich glaube, ich sollte es mal Seetraum erzählen gehen." Dann hoppelte sie davon.
Zögernd traten auch die anderen Schüler wieder aus der Felsspalte und liefen langsam zur Mitte des Lagers, wo der Salathaufen und auch die Erhöhung für Versammlungen war. Sie steuerten auf ersteres zu und nahmen sich einen saftigen Salatling, den sie gemeinsam verzehrten.
Maiglöckchenkralle kam aus sie zugetrottet. "Hallo", begrüsste sie die Schüler.
"Hallo", antworteten diese.
"Was gibts?", fragte Morgentatze.
"Ach, ich wollte nur fragen, was ihr da vorhin alle in der Felsspalte gemacht habt. Und mir einen Salatling vom Haufen holen", sagte sie zurückhaltend.
Nicht sie auch noch!
, flehte Dschungeltatze innerlich. Maiglöckchenkralle verschweigt uns bitte nicht auch noch etwas! HimmelGruppe, tu uns das nicht an! Ist unsere Gruppe etwa nicht mehr ehrlich?
"Ähm", hüstelte Kleetatze. "Eigentlich... naja, Moostatze hat gesagt, wir dürfen es niemandem sagen... Tut uns leid."
"Schon okay", behauptete Maiglöckchenkralle uns setzte ein Lächeln auf. Dschungeltatze war sich so gut wie sicher, dass dies ein künstliches Lächeln war, sagte aber nichts. Die weisse Häsin lief wieder davon.
Nun kam dafür Moostatze wieder zurück aus dem Heilerbau. Sie hatte scheinbar geweint, denn ihr Gesicht war rötlich und ihre Augen glitzerten.
"Was ist passiert?", fragte Diamanttatze ängstlich und rannte zu ihr.
"Seetraum hat mich beschimpft, weil ich euch von meinem Traum berichtet habe und ihr nicht", schluchzte sie traurig. "Ich hätte euch nichts erzählen dürfen. Alles ist meine Schuld!" Wieder tropften ein paar Tränen auf den Boden. "Und das schlimmste ist, ich habe sie danach noch gefragt, was mit ihr los sei, wegen dem bei der Gruppenversammlung, wisst ihr noch? Dann hat sie gesagt, es sei alles in Ordnung, ich sollte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und ihr für den Rest des Tages nicht mehr unter die Augen gehen!"
Dschungeltatzes Bauch verkrampfte sich. So hatte er die liebenswerte Heilerin noch die erlebt.
In dem Augenblick kam Hellhoppel angetrottet.
"Wie viele Hasen kommen denn noch zu uns?", ärgerte sich Morgentatze leise.
"Guten Morgen. Ich habe gerade Moostatze so verstört aus dem Heilerbau kommen sehen, dass ich mir gedacht habe, ich müsste mal nach ihr schauen", erklärte der braune Hase.
Dschungeltatze atmete erleichtert auf. Er wusste, dass es Hellhoppel immer noch wegem dem verlorenen Jungen schlecht gehen musste und bewunderte ihn dafür, trotzdem etwas für die Heilerschülerin tun zu wollen. "Du kommst wie gerufen. Hör mal, ich denke, wir sollten dir etwas erzählen", sagte er leise zu Hellhoppel. Die sechs Schüler setzten sich in einem kleinen Kreis um Hellhoppel herum und erzählten ihm in Kurzfassung, was gerade passiert ist.
"Hmm... soll ich mal mit Seetraum reden?", schlug er vor.
"Geht nicht, sie ist nämlich gerade auf Kräutersuche in den Wald hinausgegangen, weil sie mehr Thymian braucht", erwiderte Moostatze seufzend.
"Hmm, wenn das so ist, kann ich momentan leider nichts für euch tun. Aber Moostatze, eigentlich hat sie ja auch ein bisschen recht mit dem, was sie sagt. Du darfst deine Träume nicht einfach den anderen Schülern erzählen. Aber ich denke, du hast deine Lektion ja nun gelernt, deshalb will ich dich nicht auch noch traurig stimmen", erklärte Hellhoppel lächelnd. "Aber wenn ich sowieso gleich mit Morgentatze und Dschungeltatze in den Wald trainieren gehen", er blickte stolz auf seine beiden Schüler, "kann ich ja auch gleich nach Seetraum Ausschau halten. Ich verpsreche dir, wenn ich sie sehe, werde ich ihr sagen, dass es dir Leid tut."
Dschungeltatze lief voran, Morgentatze und sein Mentor folgten ihm. Zwei Salatlinge baumelten aus seiner Schnauze, Morgentatze hatte sogar drei erwischt, und Hellhoppel nur einen. Es tat ihm gut, zu wissen, dass wieder ein Tag vergangen war und sie genügend Beute für den Rest des Tages mitgebracht hatten und sich schon bald schlafen legen konnten.
Unterwegs hatten sie tatsächlich Seetraum getroffen. Selbstverständlich hatte Hellhoppel auch mit ihr geredet, und die Heilern hatte verstanden, dass sie ein wenig zu streng mit Moostatze gewesen war.
Dschungeltatze schaute über die Schultern nach hinten. Über den riesigen Lavendelstängeln, die ihm mehr oder weniger die Sicht auf das, was hinter ihm lag, versperrten, sah er bereits den Mond aufgehen. Ganz langsam und fast ohne, dass man es spürte, wurde es kälter. Der graue Schüler schwenkte seinen Kopf wieder nach vorne und sah, dass sie bereits vor dem Eingang des Lagers standen. Durch den kurzen Lavendeltunnel hoppelten sie hinein.
Moostatze sass ungeduldig vor dem Heilerbau, und als sie die Truppe erkannte, rannte sie sofort zu Hellhoppel.
"Danke!", rief sie glücklich, als sie vor ihm zum stehen kam. "Sie hat sich bei mir entschuldigt und jetzt ist alles wieder gut! Und sie hat mir auch erzählt, wieso sie sich bei der Versammlung seltsam verhalten hatte. Ich darf aber nicht sagen, weshalb", fügte sie schnell hinzu, als sie bemerkte, dass als nächstes jemand fragen würde.
"Gern geschehen", meinte Hellhoppel und leckte der Heilerschülerin die Ohren.
Die Sonne ging nun endgültig unter und frostige Dunkelheit senkte sich über den Wald. Rötliches Licht funkelte am Horinzont, aber etwas dunkler als am Morgen, als Dschungeltatze zum letzten Mal hier gewesen war. Es war ein schöner Anblick, wie immer. Vereinzelt sassen ein paar Hasen beieinander und schauten der Sonne beim untergehen zu, doch die Schönheit des Anblicks wurde getrübt von dem Verlust von Hellhoppels Jungem.
Der Schüler setzte sich hin und sah dem roten Feuerball, der am Himmel klebte, beim Verschwinden zu. Morgentatze gesellte sich zu ihm und drückte sich an ihn.
"Hellhoppels Junge wird bestimmt wieder auftauchen", versprach sie.
"Hoffentlich", stimmte Dschungeltatze zu.
Damit verschwand auch das letzte Fünkchen Licht am Horizont und alles wurde dunkel und kalt.
Nebel lag über dem Tal, durch das sich Dschungeltatze gerade schlug. In der Ferne erkannte er die schemenhaften Umrisse eines gigantischen Berges. Er konnte es nicht steuern, er lief wie automatisch darauf zu. Irgenwo tief in seinem Unterbewusstsein wusste er, dass er schlief, doch er wollte es nicht darauf anlegen, aufzuwachen - erst musste er wissen, was sich jenseits des Nebels befand.
Der Anblick wechselte überraschend und der junge Hase fand sich auf dem Berg, den er eben noch aus der Ferne gesehen hatte, wieder. Vor ihm befand sich ein Loch. Langsam und sehr vorsichtig tappte er an den Rand und spähte hinunter. Was er da sah, liess ihn auf der Stelle mit gesträubtem Fell nach hinten springen. Schwarzer, heisser Rauch schwebte aus dem Loch, auf dessen Grund sich blubbernde, heisse Lava befand.
Mit einem unguten Gefühl im Bauch sah sich der graue Hase einmal genauer in dem Loch um. Was er dadurch erkennen konnte, jagte ihm einen neuen Schauer durch den ganzen Körper: Viele Hasen waren da, und sie hatten sichtlich Angst. Grosse Angst. Vor was, wusste Dschungeltatze nicht, denn gerade da wechselte das Bild wieder und er sah - alle vier HasenGruppen, die mit der Sonne im Rücken in einen dem Hasen unbekannten Ort aufbrachen.
Die Szene wechselte erneut abrupt und Dschungeltatze befand sich nun vor einer finsteren Höhle. Langsam hatte er genug gesehen. Er schaute an den Himmel und wünschte sich, aufzuwachen.
Schon wieder veränderte sich die komplette Umgebung und er sah sich jetzt auf einer Wolke sitzen. Das heisst, er sah sich wirklich von oben.
"Hallo Dschungeltatze", sagte eine Stimme. Erschrocken drehte der Schüler sich um und sah eine ihm bekannte Häsin auf einer Wolke sitzen. "Du träumst im Traum", erklärte sie ihm.
Dschungeltatze starrte sie an.
"Juweda!", rief er glücklich, als er kapierte, wen er vor sich sah. "Aber was ist das hier?", wollte er wissen und sah sich um.
"Wie gesagt, du träumst. Du hast gerade einen Teil deiner Zukunft und der aller dir bekannten gesehen, Dschungeltatze. Gehe mit diesem Wissen gut um."
Sie verschwand wieder und der Anblick verblasste. Sein Unterbewsstsein meldete sich mit der Nachricht, dass er gleich aufwachen würde. Doch kurz bevor es soweit war, sah er etwas seltsames. Gebleckte Zähne blitzen ihm entgegen, und ein seltsames Wesen, dass mehr oder weniger die Form eines Hasen hatte, rannte ihm entegegen.
"Gefährliches erwartet euch. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt."
Dann verbrannte das Bild und Dschungeltatze erwachte.
Dschungeltatze rannte mit hoch erhobenen Ohren zurück in das TauGruppen-Lager. Aus der Schnauze baumelten zwei Salatlinge.
Noch bevor der Tag angebrochen war, war Dschungeltatze auf die Jagd gegangen.
Nasser Farn klebte an seinem Rückenfell, als er durch den kleinen Tunnel ins Lager schlüpfte, denn über Nacht hatte es geregnet. Und da der graue Hase Regen mochte, wurde es wahrscheinlich ein sehr aufregender Tag. Leise hoppelte Dschungeltatze in die Mitte des Lagers, legte den Salatling auf den Haufen und trottete wieder in den Schülerbau.
Nur zwei Hasen bewegen sich bereits.
Die eine Häsin war Diamanttatze, die sich im Schlaf um sich selbst drehte.
Und die andere war Morgentatze, die auch noch in ihrem Nest lag und sich sauber machte. Als sie Dschungeltatze hineinkommen sah, hoppelte sich leise zu ihm hin und legte sich neben ihn.
"Guten Morgen", sagte sie leise, um die anderen nicht aufzuwecken.
"Hallo", antwortete Dschungeltatze.
"Wie geht es dir?", wollte die braune Häsin wissen und schaute ihn besorgt an, als wäre er krank oder so.
Dschungeltatze schaute sie verwirrt an und beteuerte, dass es ihm gut gehe.
"Dann ist ja alles gut", antwortete Morgentatze und strahlte ihn an. "Lust, jagen zu gehen?"
Dschungeltatze starrte sie erneut verwirrt an. "Ich war aber doch gerade vorhin... Ähm, aber wenn du willst, komme ich natürlich gerne noch einmal mit", fügte er schnell hinzu, als sie ihn schon traurig anschaute. Irgendetwas war heute seltsam, stellte er fest.
Danach hoppelten sie gemeinsam wieder aus dem Lager und der graue Hase ging zum zweiten Mal an einem Morgen auf die Jagd.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als die beiden Schüler wieder zurück ins Lager kamen. Die nasse Umgebung, die Dschungeltatze am Morgen gesehen hatte, war inzwischen trocken. Alles war wieder so wie gewohnt.
Hellhoppel empfing die beiden, als sie beladen mit Salatlingen ins Lager kamen.
"Ihr wart schon jagen?", fragte er erstaunt und schaute die beiden an.
"Dschungeltatze sogar schon zwei mal", antwortete Morgentatze gelassen.
"Gut gemacht! Aber dann habt ihr ja wohl kaum Lust, heute auch noch mit mir jagen zu gehen, oder?", fragte ihr Mentor.
"Nein, nicht wirklich. Vielleicht könnten wir aber weiter trainieren gehen!", schlug Dschungeltatze vor.
"Gute Idee. Aber zuerst gehen wir essen und ihr könnt euch erholen", meinte Hellhoppel.
Dschungeltatzes Magen verkrampfte sich. Er hatte eindeutig zu viel gegessen, denn der Magen schmerzte schon merklich.
In dem Augenblick, in dem er etwas hatte sagen wollen, ertönte Wolkenlöffels Stimme quer durch das ganze Lager.
"Alle Mitglieder der Gruppe, die mindestens Schüler sind, sollten sich bei der Erhebung versammeln!"
"Was ist denn da los?", fragte sich Hellhoppel verwundert und hoppelte zur Erhebung, die sich direkt neben dem Salatlingehaufen befand. Seetraum sass neben der Anführerin der TauGruppe und schaute ängstlich auf die Mitglieder hinab, dich nach und nach eintrafen.
Moostatze gesellte sich zu ihnen. "Jetzt wird sie es sagen", erklärte sie.
"Was sagen?", fragte Ahorntatze verwundert, die angehoppelt kam.
"Hört zu", schlug Moostatze vor.
"TauGruppen-Hasen, hört zu. Seetraum hat uns etwas zu sagen. Ich übergebe ihr hiermit das Wort", begann Wolkenlöffel.
Seetraum stand ewas unbehaglich da und ging im Kopf wahrscheinlich ihren Text noch einmal durch.
"Also, ich habe vor einiger Zeit eine Prophezeiung von der HimmelGruppe erhalten. Ich sah gewaltige Hasen, die andere Hasen angriffen und töteten. Rundherum war Lava, und wegen dem Dampf konnte ich nichts deutlich erkennen. Aber in einer Sache bin ich mir sicher. Die Hasen, die angegriffen wurden, waren... Das waren wir."
Stille.
Jeder einzelne Hase schwieg und verarbeitete das eben gehörte.
Haselohr stand auf und schaute in die Runde. Seit dem Angriff beim Inaktiven Vulkan, bei dem Dschungeltatze und Morgentatze fast von dem schwarzen Hasen getötet worden wären, hatte der graue Hase eigentlich nichts mehr von ihm gehört.
"Ihr... ihr glaubt doch nicht ernsthaft an diese... diese Prophezeiung, oder?", fragte er stotternd.
Obwohl es ihm selbst nicht besser ging, musste Dschungeltatze sich ein Grinsen verkneifen. Auch Morgentatze formte ihre Mundwinkel zu einem Lächeln.
Dann legte sich wieder eisige Stille über die Versammlung.
"Haselohr... Die Prophezeiung, die ich am Schicksalsteich erhalten habe, passt ganz genau darauf. Wolkenlöffel", fragte Moostatze und hoppelte auf die Erhebung. "Danke. Nun ja, als ich vor einigen Tagen beim Schicksalsteich war, habe ich folgende Worte vernommen: >Eure Zukunft wird dunkel sein. Ihr werdet viele Hasen verlieren, von Jungen bis hin zu Kämpfern. Doch gebt nicht auf, denn es gibt immer Hoffnung. Selbst wer viel verliert, hat auch gewonnen.
Ein Halbmond war verstrichen, seit die die TauGruppe beschlossen hatte, auf die Suche zu gehen. Der Frühling war vergangen, und die warme Sommersonne wärmte Dschungeltatzes Fell.
Wolkenlöffel war inzwischen ins Lager der anderen beiden HasenGruppen gegangen, selbstverständlich flankiert von Hellhoppel und Bronzezahn. Bei Anführer, Magmalöffel und Silberlöffel, waren sehr schwer zu überreden gewesen. Mit viel erklären und gutreden war es schliesslich aber doch möglich gewesen, die beiden auf ihre Seit zu ziehen. Sir wollten zwar trotz allem nicht glauben, dass der Wald ohne der BlattGruppe nicht vollständig war, weil sie das nicht interessierte, aber es war so.
Auf jeden Fall hatten sie eine Zwischenversammlung am Inaktiven Vulkan vereinbart, und zwar zum nächsten Halbmond.
Und der war heute.
Der graue Hase lag draussen vor dem Schülerbau. Weil heute so ein spezieller Tag war, mussten sie nicht trainieren. Morgentatze lag dicht neben ihm.
"Hoffentlich werden wir von dieser Reise wieder lebend zurückkommen", flüsterte Morgentatze so leise, dass Dschungeltatze sie fast nicht hörte.
"Ja", stimmte er ihr zu. "Sonst werde ich dich niemals..." Er brach ab, als ob ihm erst jetzt bewusst würde, dass Morgentatze neben ihm lag.
Sie drehte den Kopf zu ihm und grinste ihn an. "Ebenso", sagte sie leise.
Es wurde Abend. Den ganzen Tag lang hatten die Hasen der TauGruppe nichts anderes getan, als gejagt oder auch bloss im Schatten des Lagers gelegen.
Nun wurde die Luft endlich etwas kühler. Dschungeltatze hatte, wie Morgentatze, die immer neben ihm gelegen hatte, auch, zu der Gruppe Hasen gehört, die sich nur im Lager erholt hatten.
Seine Jagdlust erwachte in ihm zum Leben.
"Morgentatze? Hast du zufällig Lust, zu jagen?", fragte er die dunkelbraune Häsin neben ihm.
Diese musterte ihn nachdenklich. "Ja, eigentlich schon. Wir können vor der Reise alle noch einen Happen vertragen. Wollen wir Ahorntatze mitnehmen?"
Ahorntatze, die hellbraune Häsin, die vor einiger Zeit ins Lager der FeuerGruppe gegangen war, um ihren neuen Anführer, Magmalöffel, zu begrüssen, kam zu den beiden getappt.
"Was? Habt ihr gerade über mich gesprochen?", fragte sie verdutzt. Die sommerliche Brise, die aufkam, säuselte ihr Fell in Wellenformen.
Weit in der Ferne grollte der Donner.
"Ja, haben wir. Wir wollen jagen gehen, am besten noch, bevor wir zugeregnet und nass werden. Kommst du mit?", erklärte Dschungeltatze und schaute Ahorntatze an.
"Klar komm ich mit", bestätigte Ahorntatze.
"Dann kommt!", sagte Morgentatze, wie immer gut gelaunt, und hoppelte vorbei an der Erhebung für Gruppen-Versammlungen und aus dem Lager. Die beiden Schüler folgten ihr eilig.
Gigantische Tropfen fielen vom Himmel, klatschten auf der Erde auf, hinterliessen ein kleines, kruzes Erdbeben, bevor der nasse Grasboden sie aufsaugte.
Gemeinsam hatten die drei Schüler sechs ganze Salatlinge erlegt.
Der Halbmond stand bereits ziemlich ghoch am Himmel. Die TauGruppe würde gleich aufbrechen müssen.
Zusammen verschlingten sie die sechs Salatlinge und trotteten zur Erhebung, wo sich schon alle TauGruppen-Hasen versammelt hatten.
"Hasen der TauGruppe - die Zeit des Aufbruchs ist gekommen. Wir werden nun zum Inaktiven Vulkan gehen und von da an dann auf direktem Weg zur Suche aufbrechen, sofern nicht beide anderen Gruppen dagegen sind. Seid ihr bereit, aufzubrechen?", fragte Wolkenlöffel und musterte ihre Gruppe.
Keiner hatte irgendeinen Einwand.
Die Zeit des Aufbruchs war gekommen - Dschungeltatze hatte es eben selbst gehört. Und obwohl er von irgendwoher wusste, dass er
überleben würde, fragte er sich mit einem mulmigen Gefühl, ob er und seine Freunde jemals wieder einen Fuss in ihr Lager setzen würde.
Wolkenlöffel stand zusammen mit den anderen zwei Anführern auf dem grossen Baum. Beide starrten die weisse Häsin mit der gleichen unmissverständlichen Miene an: Wieso haben wir bloss zugestimmt?!
Wolkenlöffel erklärte in kruzen Worten, wieso sie hier waren und was ihnen bevorstand, bevor sie das Wort an Dschungeltatze weitergab.
Dieser erzählte in etwa, was Seetraum, Moostatze und er selbst für einen Traum gehabt hatten, und sah sich dann um. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
Von da an übernahm wieder Wolkenlöffel. "Und deshalb werden wir auf die Sucher gehen. Hellhoppels Junges ist vor einem Halbmond verschwunden, fast zeitgleich mit der BlattGruppe. Wir glauben, dass das einen Zusammenhang hat. Wenn wir also diese geheimnisvolle Gruppe, die wir von nun an HöllenGruppe nennen, finden, finden wir eventuell auch die verlorenen Hasen! Irgendwelche Entgegnungen? Oder sind wir gleicher Meinung?"
Kein einziger widersprach.
"Dann ist das also besiegelt. Wir brechen auf der Stelle auf, wenn niemand dagegen ist."
Wieder traute sich niemand, der Anführerin zu widersprechen.
"Diesenfalls ist jetzt wohl auch die Zeit gekommen, unsere beiden Schüler loszuschicken, um Dirama zu erkunden. Diamanttatze, Himmeltatze, tretet vor", befal Wolkenlöffel. Die beiden Schüler gehorchten sofort.
Die Anführerin musterte beide, dann sagte sie mit weicher Stimme: "Ihr zwei könnt gehen. Erkundet Dirama und kommt danach hierher zurück."
Die zwei schauten sich kurz an, dann nickten sie, verabschiedeten sich schnell von ihrer Gruppe und trotteten weg.
Jeder einzelne Hase schaute den beiden hinterher.
"Also... gehen wir nun wohl. Bis bald, hoffentlich, lieber Wald" Den zweiten Satz flüsterte Wolkenlöffel nur noch leise.
Und dann, wie auf ein unsichtbares Kommando, setzten sich alle drei Gruppen gleichzeitig langsam in Bewegung.
Doch hätten sie gewusst, auf was sie sich da eingelassen hatten, wären sie bestimmt nicht einmal im Traum losgezogen.
"Komm schon! Nicht schlappmachen!", forderte Dschungeltatze seine Mitschüler auf, die sich langsam hinter ihm herschleppten. Hinter ihnen spiegelte sich im Wildsee, der ausserhalb der Territorien lag und in dem der Wildstrom mündete, die untergehende Sonne. Den Vulkan hatten sie längst hinter sich gelassen.
Die kalte Luft, die die Nacht mitbrachte, senkte sich ins Tal hinab.
Dschungeltatze fröstelte.
"Können wir eine Pause machen?", hörte er Adlerjunges, ein erst dreieinhalb Monate altes Junges der FeuerGruppe, piepsen.
"In Ordnung. Wir werden die Nacht hier, an dieser Stelle verbringen!", rief Wolkenlöffel, so, dass alle sie hören konnten. Augenblicklich fielen alle um und rührten sich nicht mehr.
Dschungeltatze konnte gerade noch die Kraft aufbringen, sich zwischen Morgentatze und Kleetatze zu zwängen und sich an ihr wärmendes Fell zu drücken. Glücklich schlief er schliesslich ein.
"Wach auf!", flüsterte eine Stimme laut, aber immernoch flüsternd, in das Ohr des grauen Hasen.
"Was is' denn jetz' schon wieder...", fragte jener recht unverständlich. Dann klappten die Augen, die er mühsam geöffnet hatte, wieder zu.
"Nein! Dschungeltatze, steh auf, es ist wichtig!", rief die Stimme, nun deutlich lauter.
"Ist ja gut", sagte Dschungeltatze und öffnete widerwillig noch einmal die Augen. Und blickte in Morgentatzes dunkelbraunes Gesicht. Sie wirkte besorgt.
"Was ist denn überhaupt?", fragte er mürrisch.
"Erstens, wir wollten jetzt sowieso weiter gehen, und zweitens, komm mit, denn das musst du sehen!"
Ohne weitere Worte hoppelte Morgentatze zu einer Stelle etwa fünfundzwanzig Meter weiter östlich, dahin, wo Wolkenlöffel lag. Der grünliche Schüler folgte ihr.
Die Hasen aller drei Gruppen hatten sich schon um die weisse Anführerin versammelt.
Silberlöffel starrte sie mit versteinerter Mine an und drehte sich nur kurz um, um Dschungeltatze zur Begrüssung mit einem tödlichen Blick zu bestrafen.
"Wie ihr vielleicht bereits wisst", begann Wolkenlöffel, "ist diese Nacht ein Hase der WaldGruppe verschwunden, Blutohr, der dazu noch der beste Kämpfer der Gruppe war. Es hat den Anschein, dass der Angreifer derselben Truppe angehört, wie die Hasen, die die BlattGruppe entführt hat. Deshalb nehmen wir an, dass uns diese Gruppe auf Schritt und Tritt verfolgt.
Und dann ist da noch etwas zu bedenken", fuhr sie fort. "Wenn die Gruppe der Angreifer gross genug war, um die gesamte BlattGruppe zu entführen, dürfen wir nicht noch mehr Hasen verlieren, schon gar nicht, wenn es unsere besten Kämpfer sind. Darum werden wir von nun an jede Nacht einige Hasen brauchen, die abwechslungsweise Wache halten. Wer meldet sich?"
Dschungeltatze hielt brav seinen Mund, während fünf Hasen aus allen drei Gruppen vortraten.
"Gut. Wechselt euch ab, so, dass jeder jede Nacht zwei Mal in der Wache ist. Doch nun wollen wir erst einmal weitergehen. Jagt unterwegs einen Salatling, wenn ihr Hunger habt", riet ihnen Wolkenlöffel.
Und dann setzten sie sich wieder in Bewegung, auf dem Weg ins Verderben.
Auf was haben wir uns da bloss eingelassen...
, dachte Diamanttatze, während sie gemeinsam mit Himmeltatze den westlichen Hang des Vulkan hinutertappte. Unter ihnen erstreckte sich Dirama, so schön wie immer.
Wie sie so gedankenverloren die Landschaft musterte und nachdachte, setzte sie ihre Pfote auf einen losen Stein. Alarmiert sprang Diamanttatze einen Meter nach hinten, während der Stein in einer dunklen Staubwolke in den Abgrund fiel.
Himmeltatze stand mit gesträubtem Fell hinter ihr und musterte sie besorgt.
"Gehts dir gut?", wollte er wissen.
"Ja... Der HimmelGruppe sei Dank", antwortete Diamanttatze und versuchte angestrengt, sich zu beruhigen.
"Glück gehabt", meinte er und schaute sie noch einmal an. "Wollen wir weiter?"
"In Ordnung", stimmte Diamanttatze ihm zu.
Am Abend kamen sie dann schliesslich im Lager der BlattGruppe an, wo sie sich auch gleich niederliessen und nebeneinander einschliefen.
Als Diamanttatze so dicht neben Himmeltatze lag, kroch langsam ein neues Gefühl in ihr hoch, eines, das sie noch nie zuvor gespürt hatte. In ihrem Bauch kribbelte es und ihr Fell stand zu Berge.
Konnte das Liebe sein?
Diamanttatze erwachte am nächsten Morgen mit dem Gesicht in Himmeltatzes Fell. Sie blieb noch eine Weile so liegen, bis sie merkte, dass er endlich aufwacht.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir! Kopieren ist strafbar!
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch ganz besonders Jennifer Pöschl, die mich seit dem ersten Wort des ersten Bandes unterstürzte, meiner Familie und natürlich auch allen, die "World of Rabbits" mögen.