Sie machte Tee und brachte die Tassen ans Bett. Sie setzte ihn soweit es ging auf und schüttelte sein Kissen aus. „Mein lieber Schatz, hast du es jetzt bequemer?“ Liebevoll strich sie ihm übers Haar. Sie konnte ihn heute Früh schon wieder besser bewegen als am gestrigen Morgen. Die letzten drei Tage hatte sie schon arge Mühe gehabt, teilweise gelang es ihr so gut wie gar nicht. Sie verscheuchte die lästige Fliege, die sich immer wieder auf seinen Mund gesetzt hatte. Aufgeschreckt schwirrte diese davon und suchte sich eine andere Stelle auf seinem Körper.
Sie trank ihren Tee, redete mit ihm, hielt seine Hand. Nachdem sie ihren morgendlichen Tee getrunken hatte, machte sie die Duftöllampe an und gab ihm einen Kuss: „Ich bin bald zurück Liebling“.
Nach einem schnellen Einkauf kochte sie sein Leibgericht. Während die Suppe auf dem Herd köchelte, und ihr herzhaftes Aroma im Haus verbreitete, ging sie zu ihm ins Schlafzimmer. „Hallo mein Liebster, wie geht es dir?“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und holte die Waschschüssel aus dem Badezimmer. Sie wusch ihn jetzt mit Lavendelseife.
Seit jener Nacht ging es ihm nicht so gut. Aber sie pflegte ihn mit all ihrer Liebe. Sie versuchte ihn ein wenig zu füttern. Er musste doch wieder zu Kräften kommen. Doch nach ein paar kleinen Löffeln von der Suppe, konnte sie nichts mehr in ihn reinbekommen, wie jeden Tag. Sie wischte ihm vorsichtig den Mund ab und versorgte seine Wunden. Die Flecken auf seiner Haut salbte sie vorsichtig ein.
Aus dem warmen September wurde ein lauer und immer kühler werdender Oktober. Sie merkte, dass die kühlere Jahreszeit besser für ihn war. Aber sie hatten immer noch diese Fliegenplage. Immer wieder musste sie Fliegen von Michael aufscheuchen, die sich auf seinem Körper und in seinem Gesicht niederließen.
Abends legte sie ihren Kopf auf seine Brust und erzählte ihm von ihrem Tag. „Weißt du, wir haben es schon gut mein Schatz. Frau Hella hat mir heute beim Einkaufen erzählt, dass von Frau Simrad der Mann verstorben ist. Übernacht, einfach eingeschlafen. Und Franziska, doch Schatz du kennst sie, Franziska, die Tochter von den Willmers von gegenüber, auf jeden Fall, die ist schwanger. Einen süßen kleinen Bauch hat sie.“ Sie zündete die Duftlampe an bevor sie sich zu ihm ins Bett legte und redete noch lange Zeit mit ihm, bis sie langsam in einen unruhigen Schlaf glitt.
Fünf Wochen nach dieser schrecklichen Nacht, bemerkte sie, dass sein Gesicht und sein Körper langsam wieder fülliger wurden. Sie wusch ihn für die Nacht und versorgte weiter seine Wunden. Auch sein Bauch wirkte aufgebläht und hatte eine ungesunde Farbe angenommen. Sie machte einen Kümmel- Tee und flößte ihm diesen Schluck für Schluck ein, immer wieder tupfte sie den Tee von seinem Kinn, der aus seinem Munde rann. „Marie rief heute an. Sie fragte ob es dir schon besser ginge. Sie wollte uns zu ihrer Halloween-Party einladen.“ Sie lachte: „Wohl Schatz, wir waren letztes Jahr doch da. Ja, ich habe ihr gesagt, dass du noch ziemlich geschwächt bist und wir dieses Jahr nicht kommen werden. Sie fühlt sich wohl vernachlässigt, weil wir uns so lange nicht haben sehen lassen.“
So blieb sie, zu jeder Zeit an seiner Seite, angekuschelt, Stunde um Stunde redete sie mit ihm, las ihm aus Büchern vor und pflückte gedankenverloren weiße Krümel von seinem Körper, die sich um seine verbundenen Wunden sammelten. Manchmal, lagen sie einfach nur nebeneinander und sie genoss seine Nähe. Und doch war sie tief in ihrer Seele entsetzlich traurig. Sie liebte ihn so sehr.
Zwei Monate ist es jetzt her, dass sie nachts von seinem heiseren Keuchen erwachte. Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. Sie schrie: „Michael, Michael.. lass mich nicht allein“ Sie schlug ihn, sie küsste ihn, sie schüttelte ihn und umarmte ihn und doch, mit seinem letzten Atemzug küsste er seine Seele in ihren Leib.
Sanft schmiegt sie sich an ihn. „Ich lasse Dich nicht gehen.“
Sie versorgt weiter seine Wunden, verscheucht Fliegen und Käfer und liest ihm weiter vor. Sein Leibgericht ist immer noch Suppe.
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2009
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