Wie gehabt gehören Tokio Hotel, ihre Songs, Universal music und alles was um sie herum auftaucht und bekannt ist nicht mir. Meine Geschichte ist vermutlich reine Fiktion und sollte auch als solche verstanden werden.
Die Geschichte endet übrigens noch nicht. Wie viele Kapitel noch folgen werden, weiß ich zum jetztigen Zeitpubkt noch nicht zu sagen.
Viel Spaß beim Lesen!
Spin the Bottle
1.Die Spielidee
„Iiiieeeh...! Jetzt lass das endlich!!
Reicht es nicht, dass du solchen Mist schon vor laufenden Kameras gemacht hast? Hört bloß auf zu lachen!
Das ist ja nicht zum Aushalten mit euch...“
Bill drehte sich recht unelegant und beinahe stolpernd um die eigene Achse.
Dabei streifte er Gustav unsanft mit dem Ellenbogen, der mit vor der Brust verschränkten Armen und anscheinend leicht schadenfroh grinsend an einer Wand des Fahrstuhls lehnte.
Der Drummer zeigte keine Reaktion und beobachtete weiter, die sich ihm bietende Szene.
Georg hatte sichtlich seinen Spaß daran den Bandjüngsten zu ärgern.
Nachdem er diesem spielerisch ein paar Ohrfeigen verpasst hatte, drängelte er sich in die Kabine des Lifts und lehnte sich gegen Bill, womit er ihm zwischen sich und der Fahrstuhlwand einquetschte.
Tom giggelte.
„Meinst du nicht, dass mein Brüderchen schon schmal genug ist?“
„Du Vollhonk zerquetschst mich noch, wenn du so weitermachst!“, protestierte eben dieser gegen die momentane Behandlung.
Nun lachte selbst Gustav leise auf.
Er lehnte sich nach vorne, packte Georgs Handgelenk und zog den Bassisten von Bill weg.
„Du willst doch noch ein paar Jahre ordentlich was verdienen, dass du dich danach getrost zur Ruhe setzen kannst, oder?“
Bill schnaubte:
„Wie konnte ich auch nur für einen Moment denken, dass du mir vielleicht uneingennütziger Weise geholfen haben könntest...?“
Er zupfte sein Shirt zurecht, strich sich mit den Fingern durchs Haar und setzte ein „Danke trotzdem“ nach, während er aus dem Fahrstuhl stieg, der im dritten Stock angekommen war
Gustav lachte und folgte dem Sänger.
„Ach Bill, du weißt, doch, dass wir dich alle... furchtbar gern haben.
Wir würden dich nie~mals auf deine Funktion als gut florierende Einnahmequelle reduzieren.“
„Pff, das hab ich gemerkt.“
Tom funkte wieder dazwischen:
„Das können wir gar nicht. Schließlich bist du ja auch noch die größte Nervensäge, die wir kennen.“
„Jetzt wollt ihr's mir so richtig geben, oder? Sogar mein Bruder verschwört sich gegen mich. Tomi, dir ist klar, dass du eigentlich auf meiner Seite stehen müsstest, oder?“
„Ha ha, tu mal nicht so, also wäre das andersrum immer der Fall.“
Tom grinste frech.
Gustav meldete sich erneut:
„Was hast du eigentlich, Bill? Das war absolut ernst gemeint!“
Der Drummer versuchte sein Grinsen bestmöglich zu unterdrücken.
„Schleimer!“
„Man kann es dir gerade wieder mit nichts recht machen, oder?“
Bill verdrehte die Augen.
Die vier tappten über den Flur in Richtung ihrer Zimmer.
„Was haltet ihr davon, wenn wir uns alle noch ein wenig zu Georg aufs Bett flätzen?
Ich hab keinen Bock mich schon alleine in mein Zimmer zu verkriechen.“
„Könnt ihr euch dann ein neues Opfer suchen? Wenn nicht bin ich gegen das Treffen bei Georg.“
Der Sänger zog eine Augenbraue nach oben.
Gustav gluckste.
„Du interpretierst das definitiv was falsch... zumindest ich hab dir noch gar nichts getan...“
„Hat eigentlich irgendjemand Interesse daran, zu hören, was ich von einem Treffen bei mir halte?“, fragte Georg lachend und bekam direkt ein kollektives 'Nein!' zur Antwort.
„Okay, okay, die Frage war auch eher rhetorisch gemeint...
Aber wehe ihr verwüstet mein Hotelzimmer“, setzte er nach und entriegelte die Tür von eben diesem.
Tom boxte dem Älteren in die Seite und raunte:
„Keine Angst, dem Zimmer wird nichts passieren...“
Nach diesen Worten drängelte er sich an seinem Freund vorbei und steuerte direkt dessen Bett an.
Bill brach in schallendes Gelächter aus.
„Das klingt gerade so, als wolltest du Georg verführen... diese raue Stimme, herrlich Tom!
Wisst ihr was? Ich glaub' wir sollten endlich mal wieder Wahrheit oder Pflicht spielen.“
Der Gitarrist zog die Augenbrauen zusammen.
„Du hast echt 'nen Vogel Bruderherz! Mir ist natürlich klar, dass ich unsere Bandjungfrau innerhalb von zwei Minute um den kleinen Finger wickeln könnte, wenn ich es drauf anlegen würde, aber... ey nee, echt nicht...“
Gustav folgte Tom in den Raum.
„Das kannst du dann ja bei unserem kleinen Spiel unter Beweis stellen.“
Angesprochener drehte sich um 180° und ließ sich auf die Matratze fallen.
„Sag mal, hast du irgendwie grad' 'nen Teil akustisch nicht mitbekommen?“
Bill schob Georg ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
„Also ich find' den Gedanken super. Zeig uns doch allen mal, was du drauf hast, statt immer nur zu prahlen!“
Georg äffte Bill nach:
„Ja, genau, zeig uns doch allen mal,was du drauf hast, statt immer nur zu prahlen“ und fügte an:
„Du und mich um den Finger wickeln, wirklich guter Witz!“
Tom durchquerte den Raum, griff nach einer fast leeren Colaflasche auf Georgs Schreibtisch und trank die letzten Schlucke.
Anschließend machte er wieder kehrt und ließ sich vor dem Bett auf dem Boden nieder.
„Dann spielen wir eben Wahrheit oder Pflicht! Kneifen gibt’s nicht, derjenige der die Flasche dreht, entscheidet über die Aufgabe oder Frage und die Richtung, die das Spiel wohl einschlagen wird gilt für alle, das ist euch wohl klar...“
Er blickte herausfordernd in die Runde.
Nach und nach setzten sich seine Bandkollegen neben ihn, nicht, ohne den einen oder anderen dummen Spruch von sich zu geben.
Der Gitarrist grinste nur breit und fragte:
„Und ihr traut euch echt, das durchzuziehen?“
Sein Zwilling zog die rechte Augenbraue in die Höhe:
„Traust du es dich denn? Du, weißt, dass ich gnadenlos zu dir sein werde.
Noch kannst du das Ganze aufgeben...“
„Kommt gar nicht in Frage! Außerdem werde ich mich revanchieren, keine Angst!“
Georg rückte ein Stück weit von den Brüdern ab und wandte sich an Gustav:
„Wer hat noch gleich dafür gesorgt, dass das die erste homoerotisch angehauchte Runde Flaschendrehen unseres Lebens wird?“
Gustav lachte:
„Das haben wir wohl gemeinschaftlich verbockt. Kaum zu glauben, dass wir alle schon über zwanzig und nicht etwa 14 oder 15 sind...
Muss wohl dran liegen, dass keiner von uns seine Pubertät 'normal' verbringen konnte.
Irgendwann musste sich das einfach rächen...“
Georg seufzte:
„Wie recht du hast.“
Bill gluckste und griff nach der Flasche:
„Was dagegen, wenn ich anfange?“
„Ehe du noch anfängst zu weinen...“, setzte Georg an und erntete dafür einen Klaps auf den Hinterkopf, sowie schallendes Gelächter von Gustav und Tom.
Letzteres wurde von Bill ignoriert.
2.Das Spiel – Part 1
Der legte die Flasche mittig zwischen sich und seine Freunde und drehte sie an.
Sie wirbelte mehrfach schnell um die eigene Achse und verlor dann nach und nach an Tempo, bis ihre Öffnung schließlich direkt vor Tom stehen blieb.
Dessen Bruder lachte.
„Perfekt! Da kannst du ja gleich mit dem Umgarnen loslegen. Georg, was stört dich an Toms Aussehen am meisten?“
Angesprochener zog die Brauen nach oben und öffnete den Mund.
Nach einigen Momenten stieg er aber in das Spiel ein und musterte den Gitarristen kritisch von oben bis unten.
„Ganz klar: die Zelte, die er trägt!“
Georg grinste Tom an.
„Sorry Tom, aber das geht einfach nicht. Du behauptest immer, du hättest einen perfekten Körper. Wenn das stimmt, warum solltest du ihn verstecken?“
Promt kam auch schon von Bill das Kommando:
„Du hast es gehört. So kriegst du ihn nicht. Aber vielleicht hast du bessere Karten, wenn du du das hier ausziehst.“
Bill streckte den Arm zur Seite weg und zupfte am Shirt seines Zwillings.
Dieser zog grinsend das T-Shirt aus.
„Wenn ich euch damit glücklich mache, dass ich euch was zum Gaffen gebe... bitte sehr.
So was Wundervolles bekommt ihr so schnell wohl nicht mehr zu bestaunen.“
Sein jüngerer Bruder schoss dagegen:
„Du sollst nicht uns 'glücklich machen', sondern Georg um deinen Finger wickeln und dazu hätte das eben auch gerne verführerischer sein können. Deine Nummer sah aus, als würdest du einen Kartoffelsack ausziehen und neben dich werfen, was natürlich gar nicht so falsch ist, aber...“
Tom zuckte mit den Schultern, schob sein ausgezogenes Kleidungsstück hinter sich und drehte die Flasche.
Sie hielt vor Bill an.
„Ich hab nicht wirklich verstanden, was du von mir wolltest, Billy. Zeig mir doch mal, wie ich es hätte besser machen können...“
Der Sänger lächelte betont freundlich.
„Aber natürlich, Tomi. Ich geb' dir gerne noch ein paar Tipps. Sonst wird das ja nie was mit Georg.“
Bill kam auf die Knie und griff mit beiden Händen nach dem Saum seines T-Shirts.
Anschließend streifte Stück für Stück sein Shirt nach oben, legte den Kopf leicht nach hinten und zog das Oberteil schließlich aus.
„Na ja... und wo war das jetzt besser? Deine Figur ist nicht halb so gut wie meine, also gleicht sich das mit dem Tempo wieder aus. Oder was sagt ihr, Georg, Gustav?“
Gustav grinste:
„Unsere Meinung interessiert euch doch nicht wirklich, aber falls doch: Es war zwar nicht perfekt, trotzdem geht mein Punkt eindeutig an Bill.“
„Meiner auch“, schloss sich Georg dem Jüngeren an. „Er hat sich wenigstens Mühe gegeben...“
Tom protestierte:
„Hey, das war nicht mal Teil der Aufgabenstellung, pff...!“
„Ist okay, Bruderherz. Nächstes Mal werde ich deutlicher, aber ich dachte du wüsstest, was du tun müsstest, um zu bekommen, was du angekündigt hast.“
Der Gitarrist verdrehte genervt die Augen.
„Ich hab's ja kapiert. Jetzt mach schon weiter, dass die anderen Beiden sich auch bald ausziehen.“
„Also wirklich Tom, ich wusste gar nicht, dass du da so scharf drauf bist...“, gluckste Georg. „Fandest du das damals auf unserer ersten Tour auch schon so heiß? Ich meine, immerhin haben Gustav und ich da ja praktisch immer irgendwann oben ohne auf der Bühne gestanden. Na ja, das ist ja nun wirklich egal. Du wirst schon noch auf deine Kosten kommen. Ich könnte natürlich auch direkt...“
Georg lupfte sein Shirt, strich sich mit Mittel- und Zeigefinger über den Bauch und grinste frech in Toms Richtung.
Bill hatte inzwischen wieder die Flasche gedreht, die erneut vor seinem älteren Bruder zum Stillstand kam,
„Stopp, Georg! Tom wird das selbst machen. Er wird dir das T-Shirt ausziehen! Aber wenn es geht dieses Mal etwas langsamer.“
Gustav zückte sein Handy.
„Meine Digicam wäre mir jetzt zwar lieber, aber das Handy muss vorerst wohl reichen, außer, ihr gebt mir zwei Minuten.“
Georg und Tom widersprachen dieser irrwitzen Idee zeitgleich.
„Damit würden die Bilder so viel besser werden, aber okay, ganz wie ihr wollt... Auf meiner Karte im Handy ist zum Glück wenigstens noch genug Platz.“
Der Gitarrist rutschte auf Knien über den Boden, bis er Georgs Schienbeine fast berührte.
Er schüttelte grinsend den Kopf, langte nach dem Shirt des Älteren und schob es aufwärts.
Dabei strichen seine Daumen über Georgs Haut.
Es kostete ihn einige Mühe, langsam vorzugehen.
Wann zog man schon seinen Kumpel das Shirt aus, wenn er nicht gerade beide Arme gebrochen hatte?
Und dann auch noch langsam?
Tom drehte das Gesicht ein wenig zur Seite, bis ihm auffiel, dass das den Eindruck erwecken könnte, dass ihm seine Aufgabe unangenehm war, also machte er die letzte Bewegung schnell rückgängig und grinste den Bassisten erneut an.
„Hilf mal bitte mit und heb die Arme.“
Georg nickte stumm und tat wie ihm geheißen.
Bill kicherte leise, während er den beiden zusah.
Gustav schoss das dritte Bild von dieser Szene, während Tom sich gerade leicht nach vorne beugte, um dem Älteren das Shirt leichter über den Kopf ziehen zu können.
Das Stück Stoff fiel nur wenige Sekunden darauf zu Boden.
„Zufrieden?“
„Ja, das war viel besser als vorhin bei deinem eigenen. Und jetzt dreh die Flasche.“
Die Jungs warteten darauf, dass diese wieder langsamer wurde.
„Ha, endlich kommt auch der Letzte ins Spiel.Okay, Gustav, wie viel älter als duwar die älteste Frau, mit der du je in die Kiste gestiegen bist?“
Gustav prustete los.
„Das ist also eins der Dinge, die dich am brennendsten aus meinem Privatleben interessieren...
Na ja, ich hab mir in der Regel von meinen One-Night-Stands keinen Perso zeigen lassen, aber ich hatte mal eine, die behauptete, schon 29 zu sein.“
„Wann? Als du 13 warst.“
„Vor zwei Jahren glaube ich.“
Georg hakte ein:
„Leute, ich will die Details dieser Story nicht nochmal hören müssen, also fragt nicht weiter.“
Gustav boxte dem Bandältesten in die Seite:
„Du hast interessante Träume...“
Er drehte die Flasche.
„Also Georg, irgendwie musst du einfach nicht aktiv werden, aber dann wollen wir dich doch wenigstens Passiv weiter an unserem Spielchen beteiligen.“
Gustav grinste.
„Gib Georg deinen besten Flirtspruch.“
Tom saß dank der T-Shirt-Aktion noch relativ dicht neben Georg.
Er beugte sich zu ihm hinüber, strich ihm eine Haarsträhne zurück und flüsterte etwas in sein Ohr.
Der Brünette lachte kurz auf.
„Der ist wirklich gut. Wie oft hast du den schon benutzt?“
Der Gitarrist wackelte mit den Augenbrauen.
„Gar nicht, Süßer, den hab ich mir gerade eben für dich überlegt.“
„So so“, kicherte Bill. „Und was genau hast du ihm jetzt zugeflüstert?“
Angesprochener zuckte mit den Schultern und setzte stattdessen die Flasche wieder in Bewegung.
„Oh, Georg.“
Tom legte den Kopf leicht schief und lächelte zuckersüß.
„Wann, mein lieber Freund, hattest du zu letzten Mal richtig geilen Sex? Und damit meine ich solchen, bei dem du das Gefühl hattest, dir auch den letzten Rest Hirn weggevögelt zu haben.“
Der Gefragte dachte offensichtlich über die Frage nach.
Bill ermunterte Georg dazu, über die Frage laut zu grübeln, bzw. er versuchte ihn zumindest dazu zu überreden.
„Hmm... die Frage ist gar nicht schlecht. Also du redest von absolut überirdisch guten Sex?“
„Ganz genau!“
„Ich glaube als Teenie hält man manches für gut, was einige Monate oder Jahre später zur Mittelmäßigkeit degradiert wird.
Aus der Sicht betrachtet hatte ich wohl noch nie richtig, richtig 'geilen' Sex, auch wenn natürlich ein paar gute Erlebnisse dabei waren, allerdings definitiv nie auf Tour.
Das letzte muss schon ziemlich lange her sein.“
Gustav nickte anerkennend ob der Ehrlichkeit seines Freundes.
„Alles andere wäre gelogen. Du hättest mir noch tagelang von der Sache vorgeschwärmt, wenn da was gewesen wäre, so wie du es damals manchmal gemacht hast.“
Der Schlagzeuger grinste frech.
„Jetzt tu mal nicht so, als wärst du mit sowas nicht auch zu mir gekommen, als du grade am Erfahrungen sammeln warst.
Von wegen 'Ein Gentleman genießt und schweigt'... Vielleicht trifft das ja inzwischen zu, aber damals ganz sicher nicht.“
„Okay, okay, ist gut. Jetzt mach schon weiter.“
Georg tat seinem Freund den Gefallen und die Flasche zeigte prompt auf den Jüngeren.
„Wo würdest du es gerne mal tun? Raus mit einer deiner Phantasien!“
„Unter freiem Himmel wär' nicht schlecht. Aber das kann sich wohl keiner von uns erlauben.“
Bill gluckste.
„Du noch am ehesten. Innovativ ist die Idee ja nicht, aber reizvoll, irgendwie...“
Gustav drehte.
„So, so. Wo fändest du es denn unter freiem Himmel am reizvollsten, Bill?“
Gefragter strich sich durchs Haar und schwieg einige Momente.
„Hmm... auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt gleich wieder ausgelacht werde hätte 'ne Hochsommernacht mit klarem Sternenhimmel was schönes. Aber bitte nicht im Gras oder so. Ich kann's echt nicht gebrauchen, dass irgendwelches Viehzeug auf mir rumkrabbelt.“
„bisschen kitschig, aber hätte wohl tatsächlich was. Damit kriegt man doch fast jede rum.“
Tom knuffte seinen Bruder.
„Nur jede? Oder auch jeden, Tomi? Immerhin arbeitest du doch an der Sache mit Georg. Du darfst das Szenario gerne benutzen, wenn du möchtest.“
„Zu liebenswürdig, wirklich.“
„Ich weiß.“
Einige Momente später lachte Bill auf.
„Ach Georg, dass Tom eigentlich schüchterner ist, als er immer tut, weißt du ja selbst. Drum darfst du dich mit ihm für den tollen Flirt mit einem kleinen Kuss bedanken. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Direkt auf den Mund, bitte.“
3.)Das Spiel – Part 2
Aufgrund dieser Aufforderung ging ein doppeltes Stöhnen durch den Raum.
Bill bot zuvorkommend an, dass sich beide vorher auch ein wenig Mut antrinken dürften, wenn es denn sein müsste.
Kollektives Augenrollen.
„Du hast es aber auch wirklich auf Tom und mich, abgesehen, oder?“
„Klar. Bedank dich bei Tom.“
Gustav hielt schon wieder sein Handy bereit.
„Gebt euch Mühe.“
Georg drehte sich um 90° und zog Tom am Kragen von dessen Shirt näher.
„Wehe, du hast dir heute morgen keine Zähne geputzt...“
„Keine Sorge, wenn das dein größtes Problem ist, darfst du jetzt beruhigt sein.“
Der Bassist überwand den Abstand zwischen seinen und den Lippen seines Freundes, während Bill und Gustav beide darum bemüht waren, nicht zu lachen, weil letzterer die Szene gerade filmte.
Als sich die Küssenden Augenblicke später wieder trennten, setzte der Gitarrist ein schiefes Lächeln auf.
„Und das ist der Dank für den tollsten Flirtspruch, den ich auf Lager hatte? Enttäuschend, wirklich.“
Georg murmelte:
„Du weißt, dass du uns beide ganz tief in die Scheiße reitest,mit so einem Spruch, oder?“
Er bekam ein Nicken zur Antwort.
„Gut.“
„Mhm, aber ich kenne mein Brüderchen gut genug, um zu wissen, dass er das auch ohne mein Zutun schaffen würde, insofern ist es am Besten das ganze mit Humor zu sehen und uns außerdem an ihm zu rächen.“
Nun, war es am Bandältesten zu nicken, ehe er die Flasche drehte und kurz darauf triumphierend jubelte.
„Bill, Bill, Bill... du hast gar nicht gefragt, wie es denn war. Wahrscheinlich wusstest du, dass du es gleich selbst herausfinden darfst. Aber bitte nicht mit mir. Du darfst es an Gustav ausprobieren.“
Georg lächelte.
„Du darfst dir natürlich gerne vorher Mut antrinken.“
Tom nahm Gustav das Handy aus der Hand.
Dann überlegte er es sich anders und legte das Gerät auf den Boden.
Er zog sein eigenes aus der Tasche und stellte die Kamerafunktion ein.
„Ich nehme doch lieber das hier. Am Ende löscht deins noch versehentlich deinen Kuss mit Bill. Das wäre doch wirklich schade.“
Bill krabbelte auf den Drummer zu und wisperte:
„Sorry wegen der doofen Idee Flaschendrehen zu spielen.“
Der Sänger küsste den Blonden und schloss dabei die Augen.
Gustav tat es Bill gleich und verharrte wenige Sekunden in seiner Position, ehe er den Kopf ein wenig zurück zog.
Der Jüngere blinzelte und leckte sich flüchtig über die Lippen.
Er robbte zurück zu seinem Platz und nahm die Flasche.
„Na, kleiner Bruder, wie war dein erster Kuss seit Ewigkeiten?“, feixte Tom.
Bill setzte sein schönstes Photographenlächeln auf.
„Danke der Nachfrage. Ich wurde schon deutlich schlechter geküsst.“
Wie um seine Aussage zu untermauern lächelte er Gustav zu und strich ihm mit der freien Hand kurz durchs Haar.
Anschließend läutete er die nächste Spielrunde ein.
Wie bereits einige Male zuvor erwischte das Schicksal seinen älteren Bruder.
„Du kannst einem ja fast leidtun... Am Ende ist Georg vielleicht gar nicht der Richtige für dich und ich nötige dich die ganze Zeit ihm nahe zu sein...
Aber weißt du? Du hast es nicht anders gewollt.“
Der Sänger stand auf, ging gemächlich auf Georgs Nachttisch zu und griff sich die dort liegende Packung M&Ms.
„Trotzdem mache ich es dir etwas einfacher. Du darfst Georg füttern. Drei Nüsse müssen auf unterschiedlichem Wege in seinem Mund landen.“
Tom schnappte sich die Tüte und angelte nach drei der farbigen Schokonüsse.
„Sag 'Ahh'!“
„Hast du 'n Schaden?“
„Mach den Mund auf, Georg... bitte.“
„Besser.“
Der Bassist folgte der Aufforderung und bekam eine der Süßigkeiten zwischen die Lippen geschoben.
Er kaute grinsend und schluckte kurz darauf unter.
„Ich bin bereit für Nummer zwei!“
„Ha ha,okay, dann mach mal wieder den Mund auf.“
Georg gehorchte direkt und Tom warf spontan die zweite Nuss nach ihm.
Sie traf die Wange des Bandältesten und fiel zu Boden.
„Ups. Vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen.
Der Gitarrist kicherte und angelte einige weitere M&Ms aus der Tüte.
Er aß selbst etwas davon und meinte dann.
„Die nächste muss treffen, sonst verlieren wir unseren Ruf als besteingespieltes Team in dieser Disziplin.“
„Wohl wahr, also mach, ich bin bereit.“
Wenige Momente später kaute Georg bereits wieder.
Bill brummte:
„Romantisch ist anders, aber andererseits merkt man, dass ihr die Bewegungen des Anderen genau kennt.
Da seid ihr wohl schon über den ersten Flirt hinaus.“
Gustav schnappte sich die Süßigkeiten.
„Und was genau habt ihr mit der dritten Nuss vor?“
Tom kam auf dir Füße.
„Kopf in den Nacken, dann haben wir's hinter uns, Georg.“
Er ließ die grüne Kugel aus geringer Höhe fallen, als sein Freund sich in Position gebracht hatte.
„Ich hätte die Zahl der M&Ms auf fünf erhöhen sollen, dann wärst du um die Variante, auf die ich hinauswollte nicht mehr herumgekommen“, murrte der Sänger.
Sein älterer Bruder lachte.
„Wahrscheinlich hätte ich notfalls, nur um die zu ärgern noch fünf Möglichkeiten gefunden. Außerdem hast du eben gelitten, wenn du mir freie Auswahl lässt.Ich kann kreativ sein, wenn ich will, auch wenn du mir das manchmal nicht zutraust, Billy.“
Der ältere Zwilling gab dem Flaschenhals durch ein Schnippen neuen Schwung.
„Gusta~v! Wie schön. Weißt du was? Du strippst jetzt! Nicht, dass ich das wirklich sehen müsste, aber da du als einziger noch alles anhast, lohnt es sich bei dir am meisten. Ach ja: Lass bitte deine Shorts an. Es gibt Dinge, die jetzt keiner in diesem Raum sehen will.“
Nun war es an Bill das Handy zu zücken.
„Da du nüchtern bist, filme ich nicht, das würde ein langweiliges Video, aber ich sorge für Musik.“
Der Sänger grinste und suchte eine Weile in seinem Liedrepertoire.
Schließlich ertönten die ersten Takte von 'You can leave your hat on'.
„Du hast das echt auf'm Handy?“
„Na klar, kann ja nie schaden, wie du siehst.“
„Aha...“
„Bereit, Gustav?“
Der Angesprochene rappelte sich langsam auf und trat einige kleine Schritte zurück.
„Hmm...“
„Oh wow, das nenne ich Begeisterung!“, feixte Tom.
Der Rest der Band positionierte sich so, dass keinem etwas entgehen konnte, dann startete Bill den Song erneut.
Der Schlagzeuger drehte seinem Publikum noch etwas widerwillig den Rücken zu.
Er stellte sich in einen leichten Grätschschritt, fuhr mit beiden Händen an den Seiten seines Shirts nach unten und schob es, am Saum angekommen bis zur Brust nach oben.
Eine Hand ließ er wieder sinken und klemmte deren Daumen in eine der hinteren Gürtelschlaufen.
Die Hüfte leicht hin und her bewegend drehte er sich um 180°.
Allgemeines Glucksen.
Gustav hatte inzwischen beschlossen, sich nicht irritieren zu lassen.
Er zog seinen Daumen wieder aus der Schlaufe, schon die Hand über seinen Bauch nach vorne und wieder aufwärts.
Daraufhin zog er sich langsam sein T-Shirt über den Kopf, verharrte Momente mit angespannter Bauchmuskulatur und nach oben gestreckten Arme, ehe er das Shirt dazu brachte, an einem seine Handgelenke zu baumeln und es schließlich lässig neben sich fallen ließ.
Bill kam nicht umhin, beim Zusehen anerkennend zu nicken, woraufhin er sich einen recht festen Seitenhieb seines Bruders einfing.
Georg sowie Gustav bemerkten diesen Schlagabtausch und grinsten, wobei der Schlagzeuger Bill zusätzlich zuzwinkerte.
Danach öffnete er flink mit einer Hand seinen Gürtel und unmittelbar darauf noch den Knopf seiner Jeans.
Mit dem rechten Daumen fuhr er leicht unter den Bund seiner Boxershorts.
Der Drummer hob seine Brauen und zog den Finger zurück.
Stattdessen schob er die Jeans beidhändig ein Stück weit nach unten, hielt kurz inne und fuhr dann in der Bewegung fort, diese Prozedur stets im Rhythmus der Musik.
Dabei machte er kein schlechtes Bild.
Lediglich der Kick, mit dem er die Hose letztendlich vom Bein schüttelte, misslang.
Trotzdem erntete Gustav Applaus und einiges an Lachern.
„Wirklich tapfer, wie du durchgehalten hast. Außerdem sah es gar nicht mal so schlecht aus“, meinte Georg.
„Veranstaltest du sowas öfter?“, fragte der Bassist, während Bill die Musik abstellte und das Mobiltelefon neben sich auf den Boden legte.
„Klar, ich mache nichts anderes, wenn mir alleine im Hotelzimmer langweilig ist, hab ich dir das nie erzählt? Jetzt sind wir schon so lange befreundet...“
Der Drummer setzte sich wieder zu den Anderen.
„Aber wisst ihr was? Wenn wir jetzt weiterspielen, dreht sich die Kiste hier entweder im Kreis, oder geht gewaltig unter die Gürtellinie, hab ich das Gefühl.“
„Hast du Angst?“, kam es von Tom. „Du bist doch eh kaum dran.“
„Nein, aber ich kenne uns inzwischen lange genug...“
„Da könnte er Recht haben“, schaltete sich Georg ins Gespräch ein.
„Wirfst du uns raus?“, fragte Bill.
„Hmm... nein, wenn ihr noch auf 'nen Film bleiben wollt, oder so, dann dürft ihr gerne.“
Da die Band den Abend trotz oder gerade wegen der bisherigen Feixereien durchaus genossen hatte,nahmen sie die Einladung gerne an.
Etwa zwei Stunden später verabschiedeten sich alle lachend vom Bandältesten und steuerten ihre eigenen Zimmer an.
Erneut fielen Abschiedsgrüße, als Tom und Gustav ihre Schlafunterkünfte erreichten.
Bill überwand die letzten Schritte und kramte grinsend nach der Zimmerkarte.
Er schüttelte leicht den Kopf und murmelte vor sich hin.
„Wir sind so irre...“
„Ja, das stimmt.“
Der Sänger fuhr zusammen und ließ vor Schreck die gerade gefundene Karte fallen.
4.) Nachwirkungen
Gustav bückte sich und hob sie für den Freund auf.
Als er sie zurückgab, wurde er von Bill fragend angesehen.
Der Schlagzeuger zuckte etwas hilflos mit den Schultern.
„Ich weiß nicht, warum ich dir gefolgt bin. Zumindest nicht 100 pro.“
Der Frontmann hob eine Braue leicht an, drehte sich und schloss die Tür auf.
Dann betrat er sein Zimmer und drehte sich erneut.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in den Türrahmen.
„Wir sind verrückt, definitiv, aber es hat trotzdem Spaß gemacht.“
„Ja, irgendwie...“
„Du hast nüchtern gestrippt.“
„Erinnere mich bloß nicht dran.“
„Du hättest es doch einfach schnell hinter dich bringen können, wenn du es so schrecklich fandest.“
„Weiß ich.
Keine Ahnung warum ich es nicht gemacht habe. Keine wirkliche... mal wieder.
Vielleicht, um nicht als Spielverderber dazustehen...“
„Kann sein. Willst du nicht reinkommen? Am Ende ziehen wir vielleicht noch Neugierige an.“
Gustav schüttelte den Kopf.
„Ich will eigentlich nicht lange bleiben.“
Der Drummer räusperte sich, grinste etwas zurückhaltend und senkte die Stimme etwas.
„Also... ich wollte nur loswerden, dass ich auch schon deutlich schlechtere Küsse erlebt habe.“
„Erm... okay, danke“, antwortete Bill etwas verdutzt.
Gustav nickte.
„Hm. Trotzdem hätten wir das eigentlich vor sieben Jahren oder so veranstalten sollen und nicht... na ja, heute eben.“
Der Sänger lächelte schief.
„Zu spät.“
„Genau. Na dann, schlaf gut, Bill.“
„Danke, du auch.“
Der Jüngere hob kurz eine Hand und ging dann in sein Zimmer.
Auch der Ältere drehte sich um und machte sich auf den Weg durch den Flur.
Dieses Mal war es an ihm, den Kopf über sich selbst zu schütteln.
Er wusste immer noch nicht wirklich, warum dieser Bandabend überhaupt zustande gekommen war und vor allem hatte er nicht den blassesten Schimmer, warum er vor einigen Minuten plötzlich das Bedürfnis hatte, das Kompliment, das Bill ihm im Verlauf des Spiels gemacht hatte, um gegen Tom anzukommen, an ihn zurückzugeben.
Er öffnete seine Zimmertür, ging durch den Raum, dunkelte diesen ab und zog sich zum zweiten Mal innerhalb der letzten drei Stunden bis auf die Boxershorts aus.
Dann schlug der Blonde die Decke zurück und ließ sich auf die Matratze sinken.
Während er noch eine Weile über den vergangenen Abend nachgrübelte, schlief er ein.
Ähnlich ging es Bill, der in seinem Hotelbett lag und an die Decke starrte, nur dass sich sein Kopf um die nur wenige Minuten zurückliegende Begegnung mit Gustav im Flur drehte.
Was sollte das gerade eben?
Waren Gustavs Worte einfach direkte Nachwirkungen des Spiels?
So musste es sein.
Denn die Tatsache, dass ausgerechnet Gustav ihm wegen eines im Scherz dahergesagten Kompliments bis zu seiner Zimmertür folgte, war normalerweise genauso unwahrscheinlich wie die, dass Tom sich dazu hatte bringen lassen, sich im nüchternen Zustand von einem Kerl küssen zu lassen...
Tom selbst und Georg schliefen im Gegensatz zu den anderen Beiden bereits wenige Momente, nachdem sie in die Laken gefallen waren.
***
Am nächsten Morgen trafen sich die Jungs gegen elf zu einem ausgiebigen Frühstück.
Sie hatten lediglich nachmittags noch einige Termine, ehe für sie zwei schon länger herbeigesehnte Urlaubswochen ins Haus standen.
Zumindest eine davon wollten alle vier zur Abwechslung, so wie zu Beginn ihrer Karriere, gemeinsam verbringen.
Auch diesen Vormittag wollten sie in aller Ruhe angehen, so bestellten sie sich nach einer trotz allem noch recht müden Begrüßung eine riesige Frühstücksplatte, mit kalten, sowie warmen Leckereien, in einen gemütlichen Nebenraum des Speisesaals, den das Management zusammen mit ihren Zimmern gebucht hatte.
Nach je einer Tasse Kaffee und den ersten Bissen ihres Frühstücks wurden alle langsam etwas munterer, alle abgesehen von Gustav, der war dies bereits seit etwa eineinhalb Stunden.
Im Verhältnis zu den Anderen war er eben immer noch ein richtiger Frühaufsteher.
Eigentlich wunderte sich der Schlagzeuger sogar, dass der Rest sich zum Ausgedehnten Frühstücken um elf bereiterklärt hatten und dann auch tatsächlich alle mehr oder minder pünktlich eintrudelten.
Gustav schenkte sich Kaffee nach, biss in sein Brötchen und ließ den Blick über seine Bandkollegen schweifen.
Auf halben Weg wurde dieser von Bill eingefangen.
Der Sänger lächelte noch etwas müde, aber dennoch herzlich.
Zu seiner eigenen Überraschung verwirrte ihn diese durchaus nicht ungewöhnliche Geste vollends...
***
Bill bemerkte die Veränderung im Blick seines Freundes, legte den Kopf für einen Moment minimal schief, wandte seine Augen dann aber von Gustav ab und widmete sich vorerst seinem Croissant zu, das er umgehend in die Marmelade im Schälchen dippte, das hinter seinem Teller stand.
Im Laufe des Frühstücks begann er nun seinerseits den Älteren regelmäßig zu mustern.
Seine Blicke wanderten kurz über dessen Gesicht oder streiften Gustavs Hände.
Dabei schlichen sich auch hin und wieder einzelne Bilder in seine Gedanken, die den Blonden bei seiner Showeinlage vom gestrigen Abend zeigten.
Als sich bei den ersten Erinnerungen kurz eine Gänsehaut auf Bills Unterarmen bildete und sich ausgerechnet auch noch in diesem Moment sein und Gustavs Blick erneut trafen, versuchte sich der Bandjüngste direkt abzulenken, indem er mit dem rechten Arm quer über den Tisch langte, um sich einen der frisch zubereiteten Pfannkuchen zu greifen.
Trotzdem wurde er das seltsame Kribbeln in seiner Magengegend nicht los, das sich seit dem letzten Blickkontakt mit den Schlagzeuger dort ausbreitete.
Eigentlich fühlte es sich ja gar nicht mal wirklich schlecht an, aber was um alles in der Welt sollte das?
Wollte ihn sein eigener Körper nun schon auf den Arm nehmen?
Bill strich sich eine seiner langen Haarsträhnen hinters Ohr und tauchte sein Messer großzügig in das vor ihm stehende Nutellaglas ein, die Gedanken, die nach wie vor in seinem Kopf umher schwirrten und nach seiner Aufmerksamkeit verlangten, beiseite schiebend.
***
Tom schob Teller und Tasse von sich.
Mit der Gabel allerdings trennte er sich ein Stück vom Pfannkuchen seines Bruders ab und zog es zu sich heran.
„Wie lange willst du da eigentlich noch dran rumstochern?“
Bill blickte auf, sah seinen Bruder kurz etwas irritiert an und legte dann an Tempo zu.
„Wir haben doch noch ewig Zeit, Tom...“
„Gib es zu, du hast geträumt.“
Der Jüngere schüttelte entschieden den Kopf und zeigte seinem Zwilling einen Vogel.
„Was für ein Blödsinn!“
Tom verschränkte die Arme vor der Brust und grinste.
„Ich hab dich erwischt!“
„Hmpf...“
„Damit gibst du es zu!“
„Du hältst ja vorher doch nicht den Mund und du weißt ja: 'Der Klügere...' und so...“
Während die Zwillinge sich noch den ein oder anderen Spruch an den Kopf warfen, zogen es Georg und Gustav vor, den Mund zu halten, auch im Hinblick auf die anstehenden Termine...
5.) Urlaub – Die Ankunft
„Endlich Urlaub! Kam euch der Flug auch so ewig vor?“
„Nö, ich hab bestens geschlafen. Das machst du doch normalerweise auch bei jeder Gelegenheit. Was war denn los?“, fragte Georg den Bandjüngsten.
Bill verdrehte entnervt die Augen.
„Tom hat mir, statt selbst zu schlafen, die ganze Zeit ein Ohr abgekaut.“
Der Sänger funkelte seinen Bruder an.
„Das zahl' ich dir heute Nacht heim!“
„Da glaubst du ja wohl selbst nicht dran... als ob du das durchstehen würdest, nachdem du heute tatsächlich früh aufgestanden bist und wir uns bis eben auch noch blendend unterhalten haben.“
Der ältere Zwilling lachte und legte für einige Momente im Laufen den Kopf in den Nacken, um die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht zu genießen.
„Wenn nicht heute, dann irgendwann in den nächsten Tagen.“
Nun war es an Bill, zu lachen.
„Genau, das mache ich dann, wenn du es am wenigsten erwartest...“
„Schon vergessen, Kleiner? Zwillingsband. Ich weiß immer, wenn du in der Nähe bist.“
Der Sänger brummte.
„Und ich krieg' dich doch dran“, setzte er leicht trotzig an.
Tom strubbelte ihm durchs Haar.
„Genieße lieber die Zeit hier.“
„Das werde ich trotzdem, keine Angst.“
Bill grinste.
„Immerhin hab' ich dich dazu bekommen, dass du einen Kerl küsst.“
Tom holte empört Luft.
„Ich hatte ja gar keine Wahl, außerdem... außerdem stimmt das so noch nicht einmal!!“
Der Sänger kicherte.
„Ach ja, entschuldige die Ungenauigkeit! Ich habe dafür gesorgt, dass du von einem Kerl geküsst wirst.“
Die vier Musiker erreichten die Einfahrt ihres Urlaubsdomizils.
Georg stapfte diese nach oben und entriegelte die Tür des Bungalows.
Sie schwang praktisch lautlos nach innen.
Gustav bemerkte anerkennend:
„Da hatten wir schon ganz andere Sachen, sogar in guten Hotels. Wenn das Teil innen genauso top ist, haben wir 'nen echt guten Fang mit dem Teil hier gemacht.“
Bill drängte sich an den Anderen vorbei, dicht gefolgt von seinem Bruder.
Kurz darauf stritten sie bereits darum, wer das Zimmer bekommen sollte, auf das sie es beide direkt abgesehen hatten.
Gustav und Georg begingen in der Zwischenzeit die anderen Räume und einigten sich friedlich auf ihre jeweiligen Schlafzimmer.
Sie schleppten ihre Koffer in diese und begannen direkt mit dem Auspacken, sodass sie ein Argument gegenüber den Zwillingen hätten, falls die sich plötzlich doch die von ihnen beschlagnahmten Zimmer aussuchten.
Bei den Beiden konnte man das nie so genau wissen.
Noch diskutierten sie lautstark aus derselben Richtung wie bisher.
„Vielleicht wird dieser Urlaub gar nicht so entspannend wie geplant...“, murmelte Gustav.
„Doch, doch, hier ist genug Platz, um ihnen notfalls aus dem Weg zu gehen.“
Georg trat ins Zimmer seines Freundes.
„Ich hab mir eben mal den Rest der Hütte angesehen. Gut ausgestattet, kann ich dir sagen.“
„Hast du auch schon das Außengelände ausgekundschaftet?“
„Nein, ich dachte mir, dass wir das gemeinsam machen könnten, sobald unsere Streithähne da drüben fertig sind. Am Besten ziehen wir unsere Schwimmsachen gleich drunter.“
Der Drummer nickte.
„Klingt gut. Aber bevor wir rausgehen, organisieren wir uns über den nächsten Pizzaservice noch was zum Mampfen.“
„Das versteht sich ja wohl von selbst.“
Georg schob seinen leeren Koffer mit dem Fuß beiseite.
***
Nach etwa 30 Minuten traten sie alle gemeinsam, durch eine gläserne Tür im Wohnraum, nach draußen.
Sie befanden sich nun auf einer Terrasse, die mit wertvoll anmutenden, aber nicht kitschig bunten, Mosaiken gefliest war.
Sie entdeckten einen großen Esstisch, auf dem sie die Pizzen und ihre Getränke abstellen konnten.
Gut fünf Meter von der Tür entfernt, war ein riesiger Pool in den Boden eingelassen.
Dieser war sogar mit einem Sprungbrett ausgestattet.
Zudem befanden sich in einer Wand Düsen und auf Sitzhöhe darunter eine Art Sockel, auf der sie alle genügend Platz finden würden, wie Tom beim Erkunden des Beckens von Außen feststellte.
„Das ist ja echt geil! Dass der Pool sogar 'ne Whirlpool-Funktion hat, hat uns bis jetzt keiner gesagt! Wir haben uns wohl den besten Bungalow weit und breit ausgesucht.“
„Sieht ganz so aus“, stimmte Georg Tom grinsend zu.
Auf diese Bemerkung hin trat er schnell einen Schritt näher an den Jüngeren heran und gab ihm einen Schubs, so dass Tom, circa einem Meter links von der Sitzgelegenheit, im Wasser landete, selbstverständlich noch vollständig bekleidet.
Aufgrund seiner Kleidung und der Tatsache, dass diese zudem ziemlich schwer war, wurde Tom ordentlich nach unten gezogen und es dauerte einen Moment, bis er die Wasseroberfläche wieder durchbrach.
Er spuckte eine Ladung Wasser aus und strich sich weiteres aus dem Gesicht.
„Boah, du Wichser, Georg!!“
Tom schwamm mit zwei kurzen Bewegungen zum Beckenrand.
Er stemmte sich halb aus dem Wasser, während Georg und auch die anderen Beiden sich königlich über ihn amüsierten.
Dann packte er die Vorderseite des Shirts des Bassisten und stieß sich kräftig mit den Füßen vom Beckenrand ab.
Nur Augenblicke später leistete ihm der Ältere im wohltemperierten Chlorwasser Gesellschaft.
Gustav und Bill retteten sich schnell einige Schritte vom Pool weg, um nicht ebenfalls samt ihren Klamotten baden zu gehen, ehe sie sich vor Lachen die Bäuche hielten.
Inzwischen war auch Georg wieder aufgetaucht und strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht.
„Der Punkt geht an dich, Tomi.“
„Danke, Georgy, das war mir klar.“
Gustav beruhigte sich zuerst wieder und setzte seinen Erkundungsgang fort.
Bill heftete ihm sich Sekunden später an die Fersen.
Sie entdeckten einen kleinen Kühlschrank, sowie hohe Gläser in einem Schränkchen darüber.
Anschließend fiel ihnen der Grill auf, der am anderen Ende der Terrasse aufgebaut war, inklusive allen Materialien, die nötig waren, um ihn in Gang zu bringen und zu halten.
Sie schlenderten an Liegestühlen vorbei und kehrten dann wieder um, um in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, damit sie dem Wasser bloß nicht zu nahe kamen.
Bill drehte sich einmal um die eigene Achse und begutachtete die Bepflanzung des Geländes.
„Wirklich schön gemacht und vor allem blickdicht.“
„Hm ja, die Aussicht aufs Meer hast du dann eben nur von den Fenstern aus.“
„Egal. So können wir hier aber wirklich machen, was wir wollen. Da reicht es mir, das Meer von hier aus zu hören.“
„Stimmt.“
Der Sänger schlenderte zusammen mit Gustav zum Tisch, wo sie ihre Sachen abgestellt hatten, öffnete einen der Kartons und beide griffen sich je ein Stück Pizza.
Hinterher machten sie es sich auf Stühlen gemütlich und drehten diese so, dass sie Georg und Tom beobachten konnten.
Die waren nämlich immer noch im Wasser, nach wie vor samt ihren Kleidern. Sie hatten ein Geplänkel angefangen, bei dem das Wasser nur so spritzte.
Tom drückte Georgs Kopf gerade unter die Oberfläche und lachte dabei ausgelassen.
Für den Bassisten war dies kaum mehr überraschend. Er ließ es zu, umklammerte Toms Taille mit den Händen und warf sich im Wasser so herum, dass er den Gitarristen nach unten zog.
Der strampelte wild mit den Beinen, um sich aus dem Griff des kleineren, dafür aber stärkeren Freundes zu befreien.
Zudem lösten sich seine Hände aus Georgs Haaren und suchten stattdessen die Schultern des Bassisten.
An der Wasseroberfläche platzten immer wieder kleinere und größere Luftblasen, aber erst nach circa zwanzig Sekunden tauchten die beiden platschnassen Musiker völlig außer Atem wieder auf.
Sie japsten nach Luft, konnten aber dennoch ihr Lachen nicht zurückhalten, sodass es eine ganze Weile dauerte, bis sie wieder halbwegs zu Atem gekommen waren.
Endlich bemerkte Tom seine munter futternden Bandkollegen und empörte sich lautstark.
„Schau dir das mal an, Georg! Die fressen uns die ganze Pizza weg!“
„Woah, das können wir uns ja wohl echt nicht bieten lassen“, antwortete der Ältere lachend.
Beide schwammen sie zum Beckenrand und stemmten sich aus dem Wasser.
Wieder festen Boden unter den Füßen, streifte Tom erst einmal sein Shirt aus und ließ es achtlos auf die Fliesen klatschen.
Schließlich schüttelte er seinen Kopf, als sie bereits in Reichweite der Anderen waren und ließ sich Momenten Später auf einen der Stühle fallen, die nassen Baggys immer noch auf den Hüften.
Auch Georg entledigte sich noch schnell seines Shirts und setzte sich dann neben den Gitarristen, schon in der letzten Bewegung ein Stück Pizza greifend.
„Das tat wirklich gut.“
„Oh ja, eindeutig... und später seid ihr an der Reihe!“, rief Tom freudig und grinste Bill und Gustav an, ehe er sich ein halbes Stück Pizza auf einmal in den Mund stopfte.
***
6.)Schlaflos
Gustav und Bill ließen sich nur allzu freiwillig auf eine kleine Wasserschlacht ein, wobei sie es vorzogen, vorher ihre Kleider auszuziehen.
In Badehosen tobte es sich gleich doppelt so gut, selbstverständlich nach einer kurzen Verdauungspause.
Die zweite Schlacht war deutlich ausgiebiger als die erste zwischen Tom und Georg.
Nachdem alle genug hatten, trockneten sie sich mit Handtüchern, die sie mit ins Freie genommen hatten, ausgiebig ab und verabschiedeten sich etwas später in ihre Zimmer.
Wie schon zwei Nächte zuvor konnte Bill nicht direkt einschlafen.
Er stand auf und ließ sich kurzerhand auf seiner Fensterbank nieder, um noch ein wenig den Sternenhimmel zu betrachten.
Der Sänger lehnte den Kopf leicht gegen die Glasscheibe.
Zwischendurch ließ er den Blick auch über die Terrasse oder in Richtung Meer schweifen.
Länger als auf letzterem blieb er allerdings am Pool hängen.
Da saß doch noch jemand.
Hatten nicht alle gesagt, dass sie direkt schlafen gehen würden?
Jemand Fremdes konnte es aber nicht sein.
Das Gelände war so abgeschieden und bestens umzäunt.
Er kniff die Augen leicht zusammen.
Die Person saß zwar im Schatten, aber dennoch war sie eindeutig da.
Er bildete sie sich nicht ein.
Außerdem war Bill sich sehr sicher, dass es sich nicht um seinen Bruder handelte.
Er rutschte leise von der Fensterbank und bückte sich nach seinem T-Shirt, das neben seinem Bett auf dem Boden lag.
Nachdem er es übergestreift hatte, schlich sich Bill durch den Flur, das Wohnzimmer und zur tatsächlich nur angelehnten Tür hinaus.
Der Sänger tapste barfuß über die Fliesen aufs Wasser zu.
Bereits bevor er den Pool erreicht hatte, war es ihm möglich, eindeutig Gustavs Silhouette zu identifizieren.
Der Jüngere umrundete das Becken und setzte sich stumm neben den Drummer, der die Beine ins Wasser baumeln ließ.
Er tat es seinem Freund kurzerhand gleich.
„Wolltest du nicht schlafen?“,fragte er leiser.
„Doch, eigentlich schon“, kam die ebenfalls fast geflüsterte Antwort.
Bill nickte verständnisvoll.
„Ich kann auch nicht einschlafen.“
„Ich weiß. Ich hab dich am Fenster gesehen...“
Der Puls des Sängers beschleunigte sich und sein Mund wurde trocken.
Kurz suchte er Gustavs Blick, dann fixierte er die Wasseroberfläche.
Wie bereits am gestrigen Morgen, bildete sich auf seinen Armen eine Gänsehaut.
Der Sänger erschauderte kaum merklich.
Es dauerte einige Momente, bis er sich wieder gefasst hatte.
„Du hast zu meinem Zimmer hochgesehen?“
Gustav zuckte mit den Schultern.
„Mhm, ich hab mir unseren ganzen Bungalow betrachtet. Sieht bei Nacht mit dem ganzen Drumherum ziemlich cool aus.“
Bill seufzte lautlos, hob dann aber selbst den Blick in Richtung der Hausfront und ließ ihn ein wenig wandern.
Er nickte.
„Hast eigentlich Recht.“
Der Sänger bewegte seine Füße im Wasser leicht hin und her.
Er drehte den Kopf zur Seite, sodass sein und Gustavs Blick sich trafen.
Der Jüngere schluckte, unfähig, einen Ton herauszubringen.
Dieser Mal war es der Schlagzeuger, der das Wasser fixierte und somit dem Blick unterbrach.
„Auch wenn ich dich ein klein wenig länger angesehen habe, als zum Beispiel die Fenster der Nachbarzimmer... ich war neugierig und wollte wissen, warum du nicht schlafen kannst.“
Bill errötete kaum merklich und musterte das Profil des Älteren.
Wollte er ihn etwa auf den Arm nehmen?
Aber nein, es konnte ja durchaus sein, dass er wissen wollte, warum sie beide nicht schlafen konnten, gerade jetzt, wo sie doch im Urlaub waren, ganz ohne Terminstress, der einem manchmal den Schlaf rauben konnte.
Doch, selbst wenn dem so war, was sollte er denn jetzt antworten?
Er wusste doch selbst nicht genau, warum er einfach nicht zur Ruhe kam.
Der Sänger musterte das Profil seines Freundes und sein Herz schlug bis zum Hals.
Vielleicht lag es daran, dass er sich ein und die selbe Frage in den letzten zwei Tagen immer wieder stellen musste.
Und doch traute er sich nicht recht.
Immerhin drehten sich seine Gedanken die ganze Zeit um ein albernes Spiel, auf das sie sich übermütigerweise alle eingelassen hatten.
Gustav wandte sich ihm zu.
„Was ist?“
Sollte er ihn anschwindeln?
Er war noch nie der beste Lügner gewesen.
Außerdem würde es die Sache nur dramatischer machen, als sie wahrscheinlich war.
Bill wollte lediglich die Gewissheit, dass er sich das alles nur einbildete.
Es war sicher alles nur ein verwirrender Moment.
Etwas Ungewohntes, Verrücktes, das ihn schlichtweg verwirrt hatte.
Der Jüngere musterte den Schlagzeuger.
Er strich mit den Augen über dessen Gesicht und hatte plötzlich das Bedürfnis dieses zu berühren.
Ihm entrutschte ein leises Seufzen und hob wie automatisch eine Hand.
„Darf ich...“
Gustav legte den Kopf leicht schief.
„Hm?“
Bill brachte seine Finger auf die Höhe vom Gesicht des Freundes.
Der zog die Brauen etwas zusammen, nickte aber.
Der Sänger legte die Fingerkuppen an Gustavs Wange und zuckte direkt wieder zurück, weil seine Haut wie wild zu kribbeln begann.
Er holte tief Luft.
„Wir müssen das aus der Welt schaffen, sonst dreh ich bald durch.“
Gustav hielt den Atem an und fixierte seinen Freund mit den Augen.
„Es tut mir leid, aber... lass es uns bitte nochmal versuchen...
Ich muss das einfach wissen.“
Bill fühlte sich unter dem Blick des Älteren zunehmend unwohl.und musste sich zusammenreißen diesem nicht auszuweichen.
Der Schlagzeuger schien über die Bitte nachzudenken.
Er sagte nichts, wirkte äußerlich völlig ruhig.
Schließlich zog er ein Bein aus dem Wasser, dreht sich um 90° und schob es angewinkelt unter das andere.
Bill drehte den Oberkörper in Gustavs Richtung und lehnte sich etwas zu seinem Freund hinüber.
Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, überwand er die kurze Distanz zwischen ihnen legte seine Lippen auf die des Schlagzeugers und schloss die Augen.
Bei der Berührung durchfuhr ihn ein wohliges Schaudern, das sein Herz höher schlagen ließ.
Er bewegte seine Lippen kurz zögerlich gegen die des Anderen, ehe er den Kuss wieder beendete.
Nun war der Sänger vollends durcheinander.
Damit hatte er nicht gerechnet, wollte er sich doch eigentlich beweisen, dass die gestrige Verwirrung aus der Euphorie des Spiels, gepaart mit der unbekannten Situation entstanden war.
Ein Bauchgefühl, dass sich wieder legen würde, sobald die Situation ausreichend überdacht und abgehakt war.
Bill schluckte.
Okay, es handelte sich auch eben noch um eine ungewohnte Situation und der Haken konnte erst gesetzt werden, wenn er auch den gerade vergangenen Kuss verarbeitet hatte.
Wahrscheinlich wollte er einfach nur wieder viel zu schnell eine Antwort auf alle seine Fragen.
Außerdem neigte er doch generell dazu, zu überschwänglich auf viele Dinge zu reagieren.
Der Sänger rang um seine Fassung und nickte Gustav zu.
„Danke, jetzt wo das geklärt ist, werde ich bestimmt wieder besser schlafen.“
Er hoffte, dass man ihm seine Unsicherheit nicht anmerkte.
Gustav legte Bill seine Hand in den Nacken.
„Du vielleicht, ich wahrscheinlich nicht...“
Der Schlagzeuger hauchte dem Jüngeren noch einen zweiten Kuss auf den Mund.
In diesem Moment fiel die aufgesetzte Gelassenheit von Bill ab...
7.) Fluchtversuch
Bill war nun wieder so aufgeregt, dass er zuerst keinen Ton herausbrachte.
Er legte zwei Finger gegen die eigenen Lippen.
Ansonsten saß er einfach nur still da, musterte Gustavs Gesicht und suchte darin nach Anzeichen dafür, dass der Schlagzeuger ihn verkohlte.
Der allerdings sah ihm mit festem Blick in die Augen, darin keinerlei Hinweise auf Schelm oder Amüsement.
Der Sänger blinzelte.
Über das Gesicht des Schlagzeugers hingegen zog sich plötzlich ein Grinsen.
„Du solltest jetzt schlafen gehen, wo du es wieder kannst.
Gute Nacht!“
Bill biss sich auf die Unterlippe, während er nach einer passenden Erwiderung suchte.
Da ihm keine einfiel, zog er die Beine aus dem Wasser und erhob er sich.
„Schlaf später gut!“
Gustav sah den Tropfen zu, die an Bills Beinen hinabrannen.
Er schüttelte den Kopf und kam anschließend ebenfalls auf die Füße.
Der Schlagzeuger langte nach dem Handgelenk seines Freundes.
„Das ist ein Witz, oder?“
Bills zweite Hand nahm er in seine eigene.
„Du willst mir nicht erzählen, dass du jetzt wirklich schlafen gehst.
Ich weiß ja, dass es besser wäre, wenn wir so täten, als ob das alles hier nie passiert wäre...“
Der Sänger nickte.
„Hmm...“
„Das funktioniert so aber nicht. Für dich ist die Sache genauso wenig aus der Welt, wie für mich, oder?“
Bill schwieg.
„Sonst wärst du entweder gar nicht erst auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob wir das hier nochmal machen...“
Der Sänger öffnete den Mund, um zu widersprechen.
„Schon klar, dass du gesagt hast, mit dem zweiten Kuss wäre die Sache für dich geklärt, aber wenn das stimmen würde, hättest du nicht so reagiert, wie du nun mal reagiert hast...“
Er hob Bills Hand ein wenig an.
„Hast du Angst?“
Der Jüngere nickte.
„Du nicht?“
Die Hände des Dunkelhaarigen zitterten jetzt leicht.
„Doch.“
Gustav strich über Bills Finger.
„Setz dich doch bitte wieder...“
Wieder blieb Bill nichts anderes übrig, als zu nicken, weil ihm plötzlich die Knie weich zu werden schienen.
Gustav ließ sich wieder am Wasser nieder und zog Bill mit sich nach unten, nachdem er dessen Handgelenk wieder freigegeben hatte.
Dessen Hände zitterten immer noch, als er wieder saß.
Der Schlagzeuger drückte die Finger des Jüngeren leicht und legte ihre Hände auf seinem Oberschenkel ab.
Er strich immer wieder beruhigend über Bills Haut, sagte aber ansonsten nichts.
Der Sänger tauchte seine Beine erneut ins Wasser.
Sein Blick ruhte auf ihrer beider Hände und durch Gustavs andauernden, gleichmäßigen Berührungen verlor sich seine Aufregung langsam.
Inzwischen wurde er sogar leicht schläfrig.
Nachdem das Zittern völlig aufgehört und sein Puls sich normalisiert hatte, lehnte Bill seine Wange leicht gegen Gustavs Schulter.
Der hingegen strich weiterhin nur über Bills Finger.
***
Wenig später döste der Sänger sogar ein.
Gustav blieb still sitzen und betrachtete den Jüngeren.
Es ließ den Blick über dessen Beine schweifen, betrachtete das Wasser, das sie umschloss und überlegte, ob er Bill direkt wieder wecken sollte, damit er sich nicht vielleicht noch erkältete.
Andererseits hätten sie wohl auch ansonsten noch eine Weile hier gesessen und ob der Sänger dabei nun schlief oder nicht, machte nun wirklich keinen Unterschied diesbezüglich.
Wie sie in diese Situation überhaupt kommen konnten, entzog sich Gustavs Verstand auch immer noch.
Da saßen sie nun, zwei Jungen, die sich schon seit einem Jahrzehnt kannten, Seite an Seite, einer die Hand des anderen haltend.
Sogar geküsst hatten sie sich, auch außerhalb des Spiels, das sie zuerst in die Verlegenheit brachte, einander näherkommen zu müssen.
Und das alles fühlte sich verwirrend gut an, obwohl genau diese Tatsache eigentlich an ein Ding der Unmöglichkeit grenzte.
Nie hatte Gustav auch nur im Entferntesten das Bedürfnis, in irgendeiner Art und Weise sexuell mit dem anderen Geschlecht zu experimentieren, was gerade vor einigen Jahren ja nicht einmal allzu ungewöhnlich gewesen wäre.
Stattdessen hatten sie das jetzt nachgeholt.
Der Schlagzeuger rechnete immer noch mit einem Schock, der bisher einfach nicht kam.
An ihm lehnte ein Freund, den er viel zu lange und gut kannte.
Er hätte ihn nicht einmal von sich weisen können, wenn er es gewollt hätte, was trotz Bill seltsamem Anliegen nicht der Fall gewesen war.
Gustav selbst hatte die letzten Tag ebenfalls immer wieder diesen Gedanken, weil ihm die Berührung ihrer Lippen nicht aus dem Kopf ging.
Er wollte genau das noch einmal spüren, wollte sich ebenfalls beweisen, dass da nichts als ein aufregendes Prickeln war, nichts, als der Reiz des Unbekannten.
Genau so fühlten sich die Küsse von heute Abend aber nicht an, weder der geplante,noch der, den er Bill spontan gegeben hatte.
Darum hatte er Bill nicht gehen lassen.
Er spürte, dass es dem Jüngeren ebenso ging und wollte ihn nicht gehen lassen, sondern bei sich wissen.
Der Blonde wollte gerade jetzt mit seinem Gedankenchaos nicht alleine sein.
Er kannte sich selbst zu gut und wusste, dass er versuchen würde, alle unliebsamen, verwirrenden Ideen von sich zu schieben,sobald er das Kribbeln nicht mehr spürte, das Bills Nähe bei ihm verursachte.
Er würde der Konfrontation aus dem Weg gehen und hoffen, dass sich die Situation von alleine wieder normalisierte, hätte genau das getan, was Bill vorhin versuchte.
Gustav kannte aber auch den Jüngeren sehr genau und war sich sicher, dass diese Variante auf Dauer nicht für sie beide funktionieren würde.
Er betrachtete den Schlafenden, so gut es seine aktuelle Sitzposition zuließ, ohne sich großartig zu bewegen.
Warum also nicht einfach das Kribbeln zulassen und abwarten, was weiter passierte?
Vielleicht löste es sich in den nächsten Tagen ja auch doch in Luft auf und dann wäre auch das in Ordnung.
Der Ältere blieb noch einige Minuten still sitzen.
So lange, bis es ihn leicht fröstelte.
Er strich über Bills Finger und rief leise dessen Namen.
„Bill wach auf.“
Angesprochener drehte den Kopf ein wenig, verharrte so etwas und hob dann langsam den Kopf von Gustavs Schulter.
„Hm?“
„Wir sollten langsam reingehen, du erkältest dich sonst noch.“
Der Sänger rieb sich mit seiner freien Hand über die Augen und nickte.
Gustav kam auf die Füße, Bills Finger nicht loslassend.
Aus der Hocke heraus richtete er sich langsam auf, sodass der Jüngere seine Beine aus dem Wasser nehmen konnte, ohne grob nach oben gezogen zu werden.
Sie schlenderten nebeneinander her in Richtung Terrassentür.
Davor bleiben sie stehen und sahen sich an.
Gustav lächelte seinen Freund an.
„Jetzt schlaf aber wirklich gut.“
Bill nickte.
„Werde ich. Du aber auch.“
„Danke.“
Der Sänger lehnte sich gegen seinen Freund und schloss für einige Momente die Augen.
Bill atmete tief durch und löste sich dann wieder von ihm.
Es war also tatsächlich kein verrückter Traum...
8.)Frühstück
Tom saß am späten Vormittag, nach der für seinen Bruder sehr ereignisreichen Nacht, mit einer Tasse Kaffee im Freien und wunderte sich darüber, dass er anscheinend noch vor Gustav munter war.
Das kam nun wirklich äußerst selten vor.
Wenn er es sich recht überlegte,kam es allerdings auch äußerst selten vor, dass er im Urlaub vor zwölf Uhr ausgeschlafen war.
Wobei 'ausgeschlafen' eigentlich nicht einmal das richtige Wort war.
Sein Schlaf war unruhig und er meinte sich zu erinnern, dass er letzte Nacht mindestens zweimal wach gewesen war.
Er hatte lediglich nicht auf die Uhr gesehen und war schnell wieder eingedöst.
Der Gitarrist trank etwas von seinem Kaffee und blinzelte in die Sonne.
Nachdem er die Tasse zur Hälfte geleert hatte, entschied er sich spontan einige Bahnen zu schwimmen.
Das bot sich ja geradezu an, jetzt, wo er noch absolut alleine war und niemand in der Nähe war, der ihn wieder in eine Wasserschlacht hätte verwickeln können.
Also ging er zum Becken hinüber und sprang samt seinen Boxershorts ins Wasser.
Diese jetzt gegen eine Badehose zu tauschen war ihm viel zu umständlich.
Durch die Bewegung wurde er auch gleich etwas wacher.
Seine Urlaubsstimmung stieg zudem zunehmend.
Nachdem er die morgendliche Fitness als ausreichend empfand, schwamm er wieder zum Beckenrand.
Dort legte er die Unterarme auf und bettete auf diesen seinen Kopf.
Er ließ sich mit geschlossenen Augen im Wasser treiben, bis er Schritte hörte, die näherkamen.
„Ich hätte jetzt mit Gustav gerechnet.“
Der Gitarrist stemmte sich aus dem Wasser.
„Ich auch, aber der ist bis jetzt nicht hier aufgetaucht.“
„Wow, wir sollten den Tag rot im Kalender markieren.“
Tom gluckste.
„Ja, aber bitte erst, wenn wir sicher sein können, dass er nicht gleich von einem kleinen Strandspaziergang zurückkommt.
Der Gitarrist drehte seine Haare aus und tapste zu einem der Liegestühle hinüber.
„Dem würd' ich so viel Bewegungsdrang am frühen Morgen sogar zutrauen...“
„Sagt mir jemand, der gerade im Pool seine Bahnen gezogen hat, wie ich wetten möchte“, kicherte Georg.
„Das musst du mir erst mal beweisen!“
Tom grinste frech.
„Ich hänge hier gerade am Beckenrand rum,falls dir das nicht aufgefallen ist.“
„Du siehst zu fit aus, um das schon seit längerem zu tun.“
„Na danke. Damit willst du mir also sagen, dass ich sonst nicht so aussehe?“
Der Gitarrist spritzte eine Ladung Wasser in Richtung des Anderen.
Der machte einen Hopser nach hinten und lachte.
„Morgens nicht. Du hattest auch schon Kaffee,oder?“
„Schön, du hast die Kaffeetasse gesehen.“
„Stimmt.“
Georg brachte sich noch etwas weiter in Sicherheit.
„Aber ich kenne dich inzwischen auch so gut genug, um das zu merken, Tasse hin oder her..“
Tom tauchte für einige Sekunden unter und stemmte sich danach aus dem Wasser.
„So so... da ist der Kaffee aber so ziemlich das Einzige, was dir auffällt, so oft, wie du mir auf dem Leim gehst.“
Er schlenderte auf dem Bassisten zu.
Der Jüngere streifte Georg, als er an ihm vorbei in Richtung seines Platzes ging.
„Hey, du hast mich gestern schon nass genug gemacht.“
„Ohhh... das tut mir wirklich, wirklich leid. Daran hab ich gerade nicht gedacht.“
„Darum sag ich's dir ja.“
Georg ließ sich auf einen Stuhl neben Tom fallen und langte nach dessen Kaffeetasse, um einen Schluck daraus zu trinken.
„Wirklich sehr nett, dass du mir was übriggelassen hast...“
Der Bassist leerte die Tasse seines Freundes bis auf einen kleinen Rest und reichte sie ihm anschließend.
„Der war aber schon ziemlich kalt.“
„Pff... einfach meinen Kaffee trinken. Geh Frühstück machen. Das hast du nun davon...“
***
Pünktlich zum fertig gedeckten Tisch stieß Gustav zu ihnen.
Der Schlagzeuger grüßte die Anderen, überlegte dann, ob er mit dem Essen nicht lieber auf Bill warten sollte.
Aufgrund der Schlafgewohnheiten des Jüngeren entschied er sich schließlich, zwar zu frühstücken, aber nicht allzu ausgiebig, sodass ein weiteres Brötchen durchaus klarginge, wenn der Sänger später zu ihnen stoßen würde.
Auch dachte er darüber nach, wie er sich Bill gegenüber verhalten sollte, sobald er auftauchte.
Es wäre wohl nicht das Klügste, den Jüngeren direkt zu überfallen, wenn er auftauchte.Vielleicht hatte er sich ja doch alles noch einmal anders überlegt und selbst wenn nicht, so würden doch auf jeden Fall Tom und Georg bei ihnen sein.
Über die Anderen hatten sie gestern Abend nicht gesprochen, hatten sie doch nixht einmal ihre eigene Situation richtig begriffen.
Dennoch hielt sich Gustav an seine Idee, etwas sparsamer zu frühstücken und durfte sich dafür den ein oder anderen Spruch seiner beiden anwesenden Bandkollegen anhören.
„Biste auf Diät, Juschtl? Täte dir ja ganz gut, aber ich denke, dann ist diese Sache mit dem Marmeladenbrötchen keine gute Variante“, feixte Tom.
„Na ja, wenn er danach 'ne Stunde lang im Pool seine Bahnen zieht...“, fügte Georg an.
„Oder zwei“, ergänzte nun wiederum der Gitarrist.
Sein brünetter Freund gluckste.
„Jetzt sei doch nicht so gemein... das ist alles nur Muskelmasse.“
Gustav schmunzelte über die Kommentare nur und ließ sich ansonsten nicht weiter stören.
„Soll ich dir noch etwas mehr Obst organisieren, Gustav? Ich kann bestimmt irgendwo ein paar Erdbeeren auftreiben, auch wenn man hier,wo sie nicht wachsen, sicher ein Vermögen dafür bezahlt...“
„Danke, sehr freundlich, aber ich verzichte. Besorg sie doch für deinen Bruder. Er mag die doch so gerne.“
Im Anschluss an diese Bemerkung schob Gustav seinen Teller von sich und legte mit geschlossenen Augen den Kopf auf die Lehne seines Stuhls.
„Aha, er tut wieder so, als ließe ihn das alles kalt.“
Gustav schaltete ab und genoss die Sonne.
Das tat er genau so lange, bis sich eine kalte Hand auf seine Stirn legte.
Der Schlagzeuger zuckte zusammen und öffnete erschrocken die Augen.
Er hörte Toms und Georgs albernes Kichern, sah aber in die Augen ihres Sängers, der ihn leicht angrinste.
„Erschreck mich doch nicht so.“
Bill lachte.
„Es macht aber Spaß!“
Der Bandjüngste suchte sich einen Platz am Tisch.
„Habt ihr etwa schon ohne mich gefrühstückt? Wann um alles in der Welt seid ihr aufgestanden?“
„Also Georg und ich sind schon seit weit über einer Stunde wach, Gustav hat keinen so großen Vorsprung, Brüderchen.“
Bill grinste nach wie vor.
„Wenn ihr sogar vor Gustav munter wart, dann habt ihr definitiv was falsch gemacht...“
„Wir haben die Zeit ohne die Dauerbeschallung durch dich genossen“, konterte Tom.
Der Sänger zog die letzte unbenutzte Tasse zu sich heran und schenkte sich etwas aus der Kanne ein.
„Na wenigstens habt ihr mir genug übrig gelassen.“
Bill füllte den für ihn bestimmten Teller.
„Du wirst das nicht alles alleine essen können. Ich hab erst mein halbes Frühstück verdrückt“, lenkte Gustav ein und griff ebenfalls noch einmal in die Brötchentüte.
„Wo bleiben die Erdbeeren, Tom?“
„Ohne Diät keine Erdbeeren, Gustav.“
Der Drummer zuckte mit den Schultern.
„Du hättest nur deinem Bruder einen Gefallen getan.“
Bill sah Gustav zu, wie er sein Brötchen aufschnitt.
„Und du hast wirklich auf mich gewartet, statt zu essen, bis du satt bist?“
Der Sänger lächelte unwillkürlich.
„Hört sich das so unwahrscheinlich an?“
Gustav grinste.
Eine Antwort auf seine Frage bekam er nicht nur von Bill.
Das 'ja' von Georg und Tom erreichte ihn sogar noch vor dem 'eigentlich schon' seines Freundes.
Während er und Bill nun beide aßen, erntete der Schlagzeuger immer wieder prüfende Blicke von Tom.
Dem Gitarristen schien die Situation gar nicht geheuer.
Ahnte er vielleicht schon etwas von den Geschehnissen der letzten Nacht?
Bei allen Sprüchen, mit denen er in den nächsten Minuten um sich warf, ließ er Gustav doch nie aus den Augen, außer, wenn er gerade dabei war Bill mit vor der Brust verschränkten Armen einen Blick zuzuwerfen...
„Ist was?“, brachte Bill einmal mit vollem Mund heraus.
Tom blitzte seinen Bruder an und der Sänger interpretierte die stumme Antwort völlig problemlos:
'Genau das könnte ich dich auch fragen!'
***
Nicht nur der Schlagzeuger überlegte, ob er Tom direkt in die neusten Ereignisse einweihen sollte.
Zwar musste er selbst noch ein wenig darüber nachgrübeln, was jetzt weiter zu tun wäre, aber vor seinem Zwilling würde er den gestrigen Abend nicht lange geheimhalten können.
Tom sah ihn jetzt schon so skeptisch an.
Er kannte diesen Blick sehr genau, den bekam er von seinem Bruder immer dann zu spüren, wenn er ihm irgendeine Kleinigkeit nicht direkt unterbreitete.
Gerade wenn es um seine Gefühle ging, konnte Bill dem Gitarristen einfach nichts vormachen.
Es würde den Jüngeren auch nicht wundern, wenn Tom gestern ähnlich schlaflos wie er gewesen wäre.
9.) Gedanken über Gedanken
Um seine Gedankenkrämerei halbwegs zu verbergen, schob sich Bill seine Sonnenbrille auf die Nase und suchte sich einen Liegestuhl in Poolnähe, mit einem gekühlten Getränk in der Hand.
Er wusste aber, dass sich seine Bandkollegen schnell zu ihm gesellen würden.
Das taten sie auch nach einigen Minuten.
Er blinzelte kurz und drehte den Kopf leicht nach links und rechts.
Rechts von ihm hatte Tom es sich gemütlich gemacht, daneben lag Georg mit aufgestellten Beinen.
Der Liegestuhl links von ihm war noch leer.
Bill stützte sich auf die Ellenbögen und sah sich um.
Weder Tom noch Georg bemerkten die Bewegung, da sie ihre Gesichter mit geschlossenen Augen in Richtung Sonne wandten und dabei über belanglose Themen plauderten.
Der Sänger winkelte ein Bein an, ließ sich aber ansonsten wieder nach hinten sinken.
Sein Liegestuhl knarzte.
Gleich darauf spürte er Finger langsam durch seine Haare gleiten.
Der Dunkelhaarige blickte auf.
„Ich war nur schnell meinen MP3-Player holen“, sagte Gustav leise und streichelte Bill noch einmal über den Kopf.
Bill lächelte und nickte.
Der Schlagzeuger sah sich nach den Anderen um, hauchte dem Sänger einen kurzen Kuss auf die Stirn, stand auf und ließ sich direkt darauf auf der Nachbarliege nieder.
„Gut geschlafen?“
„Mhm, danke.“
Nun drehte Bill das Gesicht in Richtung Gustav.
Er betrachtete ihn gedankenverloren.
Schon bald war das Bauchkribbeln so ausgeprägt, dass er am Liebsten die Liege gewechselt hätte.
Es fiel ihm immer schwerer, ruhig liegen zu bleiben.
Die Gefühle vom vergangenen Abend waren in keinster Weise verschwunden.
Bill war aufgeregt.
Er hatte weiche Knie und einen trockenen Hals, langte mit zittrigen Fingern nach seinem Glas.
Der Sänger umklammerte es, als könnte es ihm Halt geben.
Sein Gesicht nahm irgendwann einen geradezu flehenden Ausdruck an.
Er musste schlucken, als Gustavs Blick den seinen einfing.
Der Schlagzeuger lächelte den Jüngeren an und streckte seine Hand zu ihm hinüber.
Unter der leichten Berührung erschauderte Bill.
Er rang mit sich, ob er seine Finger wegziehen, oder Gustavs umklammern und so schnell nicht mehr loslassen sollte.
Bill seufzte lautlos, strich mit seinen Fingern über die des Älteren, zog seine Hand dann aber zurück.
Er wandte seinen Kopf in Toms Richtung, der eingeschlafen zu sein schien und sah Gustav daraufhin wieder an.
Der Sänger setzte sich auf, schob die Beine über den Rand seines Liegestuhls und hob fragend die Brauen.
Er stand auf und schlenderte in Richtung Terrassentür.
„Ich glaube, ich gehe mir mal den Strand ein wenig anschauen...“
Zu seiner Überraschung hob Georg den Kopf.
„Ich könnte dich ja begleiten...“
Bill hielt die Luft an.
Hatte der Bassist ihnen schon länger zugehört, oder gar zugesehen?
So wirkte er jedoch nicht.
Andererseits bekam der Bandälteste manchmal mehr mit, als man ihm generell zutraute.
Falls ja, wie sollte er reagieren?
Seine Gedanken drehten sich wieder im Kreis.
Tom dürfte auf keinen Fall von Georg erfahren, dass die Beziehung zwischen Gustav und ihm dabei war sich zu verändern...
„...wenn ich nicht viel zu faul zum Aufstehen wäre.“
Der Brünette gähnte ausgiebig.
„Aber vielleicht solltest du Gustav mitnehmen.“
Bill stutzte und hob erstaunt die Augenbrauen.
Zudem stieß er möglichst leise die angehaltene Luft wieder aus.
„Als Bodyguard quasi.“
Georg grinste.
„Wenn du losgehst, kann man ja nie wissen, wer dir alles über den Weg läuft und selbst, wenn du mal alleine bleibst, ob du jemals wieder alleine zurückfindest.“
Der Sänger setzte sein bestes Fotografenlächeln auf.
„Das ist eine tolle Idee, Georg.“
Er schob die Unterlippe vor und wendete sich dann an ihren Drummer.
„Würdest du mitkommen und auf mich aufpassen? Bi~tte!“
Innerlich war Bill Georg zutiefst dankbar.
Der Ältere hätte ihm gar keine bessere Vorlage liefern können.
Jetzt musste nur Gustav noch auf den Zug aufspringen und sie hätten endlich ein wenig Zeit für sich.
Gustav stöhnte gekünstelt auf.
„Eigentlich wollte ich ja einen ruhigen Tag verbringen...“
Er seufzte.
„Aber ehe du noch entführt wirst, oder am Strand verhungerst...“
„Zu freundlich von dir.“
„Ich weiß.“
Der Drummer stand auf und streckte sich.
„Aber nicht, dass du nach 100 Metern schon anfängst zu jammern.“
„Ganz bestimmt nicht.“
Bill lächelte.
„Versprochen.“
„Wenn ihr in zwei Stunden nicht zurück seid, gebe ich 'ne Vermisstenanzeige auf. Vorsichtshalber.“
„Tu, was du nicht lassen kannst...“
***
Bill streifte sich Schuhe und Socken von den Füßen und näherte sich, diese tragend, dem Wasser.
„Schön, dass du mitgekommen bist.“
Er lächelte strahlend.
Gustav schloss zu dem Jüngeren auf, ebenfalls lächelnd.
„Ich hatte nicht wirklich eine Wahl, oder?“
Der Sänger schob schmollend die Unterlippe nach vorne.
„Doch, natürlich...“
„Dann wärst du aber tödlich enttäuscht gewesen, stimmt's?“
„Hmm...“
„Ich wusste es.“
Der Sänger brummte.
Er musterte Gustav einmal von oben nach unten und seufzte leise.
„Was ist?“
Der Schlagzeuger drehte sich einmal im Kreis.
„Wir sind hier völlig alleine und das obwohl wir schon Mittag haben.“
Er streckte sich noch einmal und atmete tief ein.
Bill warf seine Schuhe in entgegengesetzter Richtung zum Wasser in den Sand, um beide Hände frei zu haben.
Kurz darauf sprang er vorwärts und schlang beide Arme um Gustavs Hals.
Der Ältere verlor ob der Größe seines Gegenübers fast das Gleichgewicht und fing sich gerade noch rechtzeitig.
Er legte seine Hände an Bills Taille und auf seinen Rücken.
„Ich dachte schon du traust dich gar nicht mehr.“
Der Dunkelhaarige lachte und drückte sich an den Freund.
„Was gibt es da zu lachen?“
Bill lachte nur noch lauter.
„Ich weiß es nicht, ich kann einfach nicht anders!“
Gustav strich dem Jüngeren durchs Haar.
„Dann geht es dir wohl einfach nur gut.“
Der Sänger drückte seinen Kopf Gustavs Hand entgegen.
Dann drehte er ihn zur Seite und küsste den Blonden auf die Wange.
„Das ist untertrieben...“
„Also geht es dir sogar noch besser als gut?“
Der Drummer grinste zufrieden.
Zur Antwort bekam er ein Nicken.
„Ich glaube, es könnte mir gerade jetzt fast nicht besser gehen.“
„Nur fast nicht?“
Gustav strich dem Jüngeren über den Rücken.
„Was fehlt dir denn noch?“
„Ein Kuss.“
Der Kleinere lächelte.
„Und warum hast du dir den noch nicht geholt?“
„Weil...“
Bill zuckte mit den Schultern.
„Es ist noch so... die Anderen wissen gar nichts davon und wir sind hier...“
„Alleine.“
Gustav nahm seine Hand von Bills Taille und drückte mit deren Finger stattdessen das Kinn des Sängers nach oben.
„Und was Tom und Georg betrifft: Willst du es ihnen sagen?“
Er küsste Bill und sah ihm dann mit festem Blick in die Augen.
Bills Puls beschleunigte sich und er klammerte sich haltsuchend an den Freund.
10.) Am Strand
Da war sie wieder, diese überaus wichtige Frage, die er sich langsam beantworten sollte.
Schließlich nickte Bill erneut, dieses Mal etwas zaghafter und erwiderte den Blick des Anderen.
„Ich weiß nicht wie, aber geheimhalten können wir es nicht lange...“
Er suchte erneut die Lippen Gustavs.
„Damit hast du wahrscheinlich Recht.“
„Ganz bestimmt sogar. Ich kenne Tom zu gut, um mir etwas anderes einzureden.“
„Okay,okay, streich das wahrscheinlich.“
Natürlich wusste auch Gustav, dass der Gitarrist, wenn es um seinen Bruder ging einfachnicht hinters Licht zu führen war.
Ebenso war es auch umgekehrt, das hatte er schon oft genug selbst miterleben dürfen, in all den Jahren, in denen sie sich jetzt kannten.
„Schauen wir uns jetzt wirklich noch ein wenig um?“
Bill löste sich widerwillig von Gustav.
Er wollte sich die Umgebung ihrer Ferienwohnung ansehen, aber er wollte dafür nicht schon wieder auf Abstand gehen müssen.
Er genoss die Nähe zu Gustav.
Zwar fühlte es sich immer noch nicht völlig real an, aber dennoch gut.
Sehr gut sogar.
Bill schob seine Hand in die des Drummers.
Diese kleinen Berührungen riefen wieder ein wildes, aufregendes Kribbeln auf seiner Haut hervor.
„Komm.“
Sie gingen gemeinsam los, teilweise bis zu den Knöcheln im Sand einsinkend.
Gustav drückte die Hand seines Freundes kurz.
Auch wenn er nach außen hin ruhiger wirkte, so wühlte ihn die Situation, in der sie nun gemeinsam steckten dennoch auf, aber im positiven Sinne.
Er fühlte sich lebendiger als zuvor.
Außerdem war es toll Bills Lippen auf seinen zu spüren.
Er dachte an den Flaschendrehen-Abend zurück und daran, wie aufgewühlt er wegen dieser kurzen Berührung ihrer Lippen war.
Ohne diesen Moment wäre jetzt noch alles wie bisher.
Das war schon eine seltsame Feststellung.
Hatte er es doch nie für möglich gehalten, dass ihm etwas Ähnliches einmal passieren könnte.
Und jetzt wäre er sogar bereit sich nicht nur auf so eine für ihn fremdartige Beziehung einzulassen, sondern auch noch, Georg und Tom einzuweihen.
Ja, natürlich, er kannte sie beide schon seit Ewigkeiten, aber sobald die zwei es wüssten, könnte er nie mehr so tun, als wäre alles nie geschehen.
Nichts würde mehr so werden wie bisher.
Er könnte nicht mehr zurück.
Die beiden jungen Männer gingen eine Weile schweigend, jeder in seine Gedanken versunken, nebeneinander her.
Dabei ließen sie den Blick über die Umgebung schweifen.
„Es ist schön hier.“
„Hmm, und ruhiger als die Insel, auf der wir sonst meistens Urlaub machen.“
„Es weiß auch ausnahmsweise keiner, dass wir hier sind.“
Bill drückte Gustavs Hand und strich mit dem Daumen über deren Rücken.
„Falls doch, hätten wir ein Problem...“
„Mhm...“
„Trotzdem sollten wir eigentlich vorsichtiger sein...“
Der Sänger sah sich um und zog Gustav kurz darauf in Richtung einer Felsengruppe, die sie größtenteils vor unerwünschten Blicken schützen würde.
„Pefekt.“
Bill ließ sich in den Sand zwischen einigen der großen Steine plumpsen.
„Perfekt? Du setzt dich freiwillig in den Sand?“
Gustav nahm neben seinem Freund Platz.
„Jetzt sind wir doch nicht wirklich weit gekommen, aber man hat von hier aus einen tollen Blick aufs Meer.“
Bill kletterte auf den Schoß seines Freundes.
„Ja, aber eigentlich interessiert der mich gerade gar nicht wirklich.“
Der Jüngere schob seine Finger von beiden Seiten in Gustavs Haare.
Er ließ seine Finger über die Kopfhaut des Älteren.
Dabei brummte er wohlig vor sich hin.
„Was ist denn in dich gefahren? Mutierst du zu einem Kater?“
Der Sänger legte seine Stirn gegen die Wange des Blonden und drückte den Kopf aufwärts.
„Vielleicht ein kleines Bisschen...“
Er lächelte.
„Aber bestimmt nicht komplett.“
Gustav schob dem Jüngeren eine Hand in den Nacken.
„Gut, mit gelegentlichem Schnurren kann ich leben, viel mehr wäre irgendwie seltsam...“
Der Schlagzeuger zog das Gesicht seines Freundes zu sich heran und küsste ihn.
Bill bewegte seine Lippen noch etwas zaghaft gegen Gustavs.
Er senkte die Lider und fuhr dem Älteren mit seinen Fingern durchs Haar.
Währenddessen spürte er Gustavs Hand, die an der Wirbelsäule entlang über seinen Rücken strich.
Beide blendeten völlig aus, dass sie nach wie vor entdeckt werden könnten.
Ihr Kuss verlor zunehmend an Zurückhaltung.
Der Sänger ließ eine seiner Hände aus Gustavs Haaren, über seinen Hals und bis zu dessen Brustkorb gleiten.
Dort grub er seine Finger in den Stoff des Shirts seines Freundes.
Auch der Ältere weitete die Erkundungstour seiner Hände auf Bills Taille und Arme aus.
Sie genossen jede Berührung des Anderen.
Irgendwann stellten sie größere Bewegungen der Hände ein und beendeten auch ihren Kuss.
Stattdessen hielten sie einander einfach nur fest.
Bill lehnte seine Schläfe gegen Gustavs Schulter und murmelte:
„Sag Bescheid, wenn ich dir zu schwer werde...“
„Machst du Witze? Du bist nur groß, nicht schwer.“
Der Drummer gluckste leise.
Er strich dem Jüngeren über den Kopf.
„Ist schon in Ordnung.“
„Hm, okay...“
Der Sänger rutschte etwas auf Gustavs Schoß hin und her, um es bequemer zu haben.
„Autsch, aber spitze Knochen hast du...“
Der Ältere schmunzelte.
„Oh...“
Bill blieb jetzt ganz still sitzen.
„Sag mal, müssen wir nicht bald wieder zurück?“
„Wieso?“
„Na, weil Georg sonst 'ne Vermisstenanzeige aufgibt. Tom ist bestimmt auch wieder wach.“
Gustav lachte.
„Glaubst du, er würde das wirklich machen?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht schon. Lange Märsche am Strand entlang passen nicht zu mir...“
Bill kaute leicht auf seiner Unterlippe.
„Die nicht, aber dass du dich hinsetzt und im Sand einschläfst schon.“
„Vorhin hast du gesagt...-“
„Ich weiß, vergiss den Sand. Ersetz ihn durch einen Stein...“
„Der wäre viel zu unbequem!“
Der Jüngere hoffte, dass sein Freund die Diskussion gleich aufgeben würde.
„Du und Tom, ihr behauptet aber immer, überall schlafen zu können. Stell dir einen großen flachen Stein mit einer bequemen Mulde vor, perfekt, um sich dort einzuigeln...“
„Nein, kein Stein. Dort schlafe ich nicht, Mulde hin oder her.“
Gustav lachte.
„Okay, okay... dann hat irgendwo in der Sonne eben jemand seinen Liegestuhl vergessen.“
„In Ordnung. Aber meinst du, dass Georg mir das abkaufen würde?“
Bill grinste Gustav herausfordernd an.
Dessen Augen funkelten frech.
„Dir nicht, aber mir. Du kannst nicht gut genug lügen.“
Der Sänger boxte seinen blonden Freund beherzt in die Seite.
„Kein Anlass, um stolz drauf zu sein, Gustav.“
Er mochte es nicht,in Diskussionen zu verlieren und dieser Punkt ging leider ganz klar an den Älteren.
„Sei nicht beleidigt...“
Gustav streichelte Bill noch einmal durchs Haar.
„Lass uns langsam gehen.“
„Hmm, müssen wir?“
„Willst du die Geschichte mit dem vergessenen Liegestuhl erzählen?“
Bill gab gedehnt seufzend auf.
„Okay, wir gehen...“
„Kluge Wahl.“
„Hast du etwas anderes von mir erwartet?“
Bill zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
Sein Freund schmunzelte und schwieg.
Er packte den Sänger an der Taille.
„Du musst aufstehen...“
Der Dunkelhaarige blitzte Gustav an.
„Hey! Erst will ich eine Antwort auf meine Frage!“
11.) Zurück
„Willst du wirklich...? Ich würde mir das gut überlegen...“
„Meintest du nicht vorhin, dass ich zum Kater mutieren würde? Meine Krallen sind gut gewetzt.“
Bill fuhr mit seinen Fingernägeln so über Gustavs Hals, dass er die Haut dort kaum berührte.
Zusätzlich ließ er kurz seine Zähne aufblitzen.
„Du drohst mir? Das stützt die Vermutung, dass seine Wahl auch weniger klug hätte ausfallen können.“
Gustav sah seinem Freund fest in die Augen.
Der schnappte nach Luft und stieß sie Momente später zischend durch die Zähne wieder aus.
„Verstehe...“
Der Drummer lachte.
„Dann bist du tatsächlich ein schlaues Kerlchen.“
Er grinste.
„Trotzdem traue ich es dir zu, dass du aus Lust am Fabulieren versuchen würdest, deinem Bruder und Georg einen Bären aufzubinden.“
Bill schnaubte.
„Seit wann bist du ein wandelndes Fremdwörterbuch?“
„Willst du mir damit sagen, dass du doch irgendetwas nicht verstehst? Nur raus damit, ich erkläre dir alles sehr gerne.“
Der Ältere gluckste.
Der Jüngere schüttelte den Kopf und lächelte zuckersüß.
„Danke, ich kann dir folgen“, sagte er und drückte seine Fingernägel leicht gegen Gustavs Hals.
Daraufhin griff der Schlagzeuger das Handgelenk der Hand, deren Finger sich momentan in seine Haut bohrten.
„Hey, vorsichtig... damit könntest du versehentlich jemanden verletzen...“
„Gut, dass du mich darauf hinweist.“
Bill grinste frech und zog seine Finger wieder zu sich.
„Stehst du jetzt auf? Du hattest deine Antwort.“
Der Ältere hielt das Handgelenk seines Freundes weiterhin fest.
„Hmm, du hast mir aber die falsche Antwort gegeben.“
Der Sänger wog seinen Kopf skeptisch von einer Seite zur anderen.
„Ich habe dich vorgewarnt.“
„Trotzdem war es nicht gerade nett von dir..:“
Gustav neigte den Kopf zur Seite und hauchte Bill einen Kuss auf.
„Du zahlst mir das doch sowieso irgendwann heim.“
Jetzt lachte Bill.
„Aber hallo.“
Der Sänger kam auf die Füße und streckte sich.
Unmittelbar darauf stand auch Gustav wieder.
„Also können wir?“
Bill warf einen Blick in Richtung Meer.
„Ja.“
Er setzte sich gut gelaunt in Bewegung.
Sand quoll zwischen seinen Zehen hindurch.
„Ah, wir dürfen nicht vergessen, vorne meiner Schuhe wieder mitzunehmen. Hoffentlich sind die noch da..:“
„Da keiner weiß, dass es deine sind...“
Der Sänger beschleunigte seine Schritte.
„Ich hab überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass ich sie ausgezogen habe.“
Gustav gluckste.
„Jetzt tu nicht so, als wäre das das einzige Paar Schuhe, das du dabei hast...“
Der Schlagzeuger gab dem Größeren einen Schubs in den Rücken, sodass dieser nach vorne taumelte.
„Und wenn es so wäre und die Schuhe wären jetzt verschwunden?“
„Dann müsstest du dir eben ein Paar von Tom leihen.“
Gustav erhielt ein entschiedenes Kopfschütteln zur Antwort.
„Auf keinen Fall!“
„Wäre dir eins von meinen lieber?“
Der Drummer zog beide Augenbrauen nach oben.
Sein dunkelhaariger Freund überlegte einige Momente.
„Nein.“
„Wieso nicht?“
„Du hast einfach keinen Stil.“
„Na vielen Dank auch... aber ich bin nicht nett zu dir?“
„Stimmt doch, das warst du nicht...“
Bill grinste.
Gustav schüttelte amüsiert den Kopf.
„Du bist sowas von unmöglich.“
„Immer doch.“
Der Sänger blieb vor seinen Schuhen stehen.
Er überlegte erst, ob er ein wenig zetern sollte, entschied sich dann aber doch dafür, sich direkt zu bücken.
Kurz vor der Einfahrt ihrer Ferienwohnung blieben Bill und Gustav stehen und wappneten sich für den Rest des Tages.
Sie holten einige Male tief Luft und sahen einander an.
„Direkt?“
Gustav wog den Kopf hin und her.
„Abwarten, was sich ergibt.“
Er strich über Bills Unterarm.
„Aber sehr bald. Es zu verschieben bringt gar nichts.“
Der Sänger nickte.
Sein Blick schien in die Ferne zu schweifen, obwohl er immer noch auf dem Blonden ruhte.
Der Jüngere lächelte etwas verklärt.
Nur Augenblicke später schien er jedoch wieder im Hier und Jetzt angekommen zu sein.
Bill brachte sich hinter Gustav und schob ihn einige Schritte vorwärts, bis dieser sein Gewicht etwas nach hinten verlagerte und sich gegen seine Hände drückte.
Der Dunkelhaarige trat einen Schritt zurück, womit der Ältere natürlich gerechnet hatte.
„Bist du jetzt soweit?“
„Schon seit einer Ewigkeit.“
Bill schlenderte los.
Sein Freund gluckste.
„Entweder rast die Zeit gerade oder du hast eine seltsame Vorstellung von der Ewigkeit.“
Ausnahmsweise wurde Gustav ob seiner Bemerkung völlig ignoriert.
Er kramte nach seinem Schlüssel und öffnete wenig später die Tür der Wohnung, die sie sich mit Georg und Tom teilten.
Sie lauschten beide einige Momente, hörten aber zumindest von ihrem Standpunkt aus keine Stimmen, um auf Anhieb sagen zu können, wo sich ihre Bandkollegen gerade aufhielten..
„Die sind garantiert noch draußen.“
Bill kicherte.
„Ja, die einzige Alternative wäre ihr Bett.“
Der Sänger ging schnurstracks aufs Wohnzimmer zu und stellte völlig unüberrascht fest, dass die Terrassentür nach wie vor ein Stück weit offen war.
Er rief eine gut gelaunte Begrüßung, während er den Raum durchquerte.
„Und was, wenn du sie jetzt geweckt hast, unsere Schlafmützen?“
Gustav grinste und folgte dem Jüngeren.
Der lachte.
„Dann haben sie eben Pech gehabt. Es ist schließlich Nachmittag und nicht früher Morgen.“
Toms Stimme schallte ihnen entgegen.
„Das merk' ich mir, wenn du mal wieder meinst, bis drei Uhr schlafen zu müssen, Bruderherz!“
„Tu das nur. Du weißt, wie ich unausgeschlafen drauf bin. Wenn du diese Laune ertragen willst, dann weck mich demnächst ruhig auf.
Bill legte seine Schuhe ab und zog noch im Gehen sein Shirt über den Kopf.
Auf der Terrasse entdeckte er seinen Bruder und ihren Bassisten, beide nur in Badehosen, immer noch auf Liegestühlen, inzwischen allerdings näher am Pool als vor Gustavs und Bills kleinem Spaziergang.
„Ihr habt euch ja tatsächlich irgendwann in den letzten Stunden mindestens einmal vom Fleck bewegt. Aber ins Wasser traut ihr euch wohl nicht, was? War ja gestern schon eher eine unfreiwillige Sache bei euch?“
Tom grinste.
„Also ich war heute morgen schon schwimmen.“
„Ich wusste es“, murmelte Georg.
Der Gitarrist präsentierte dem älteren Freund seine Zungenspitze, ehe er sich wieder an seinen Bruder wandte:
„Und du bist wahrscheinlich 200 Meter weit spaziert und hast dich dann irgendwo in den Sand gesetzt, weil dir die Füße wehgetan haben...“
„Meine Füße beklagen sich bis jetzt noch nicht und das, obwohl wir weiter gegangen sind.“
Bill grinste.
„Trotzdem saßen wir irgendwann im Sand, weil wir 'ne versteckte Stelle mit einer super Sicht aufs Meer entdeckt haben.“
Tom gab Bill dessen eigene Spitze zurück.
„Ins Wasser habt ihr euch wohl nicht getraut, euch reichte schon der Ausblick.“
„Wir waren nur dort, um uns umzusehen.“
Bill schob sich die Jeans von der Hüfte und näherte sich dem Wasserbecken.
Dabei wurde er von seinem Freund beobachtet.
Gustav mischte sich ein:
„Fast nur.“
Georg kicherte.
„Klar, ein minimaler Anteil Faulenzen war von Anfang an geplant.“
Tom feixte:
„Ach nee, Georg, das hätten sie auch hier gekonnt.
Wahrscheinlich wollten die Beiden endlich mal etwas Zeit für sich...“
Dabei beobachtete der ältere Zwilling seinen Bruder jedoch ganz genau.
Er fand das Verhalten Bills schon seit einigen Tagen zeitweise äußerst seltsam.
Irgendwas verheimlichte der Jüngere.
Hatte er Probleme und vertraute sie seit Neustem Gustav statt ihm an?
Das tat Bill normalerweise nie, nicht einmal wenn diese Probleme ihn betrafen.
Stattdessen knallte sein Zwilling ihm dann einige Beleidigungen vor den Latz, anschließend sprachen sie sich ernsthaft aus und die Sache war aus der Welt.
Er wüsste aber auch nicht, was er in den letzten Tagen verbockt haben sollte.
Also musste es doch etwas anderes sein, was Bill beschäftigte.
Der Dunkelhaarige grinste ob Toms Bemerkung und wackelte mit den Augenbrauen.
„Du bist besser als ich dachte, Bruderherz.“
Gustav trat an den Sänger heran und legte ihm einen Arm um die Taille.
Dabei grinste auch der Drummer.
„Ist klar. Habt euch wohl beim Flaschendrehen ineinander verguckt, was?“
Tom setzte sich auf, um Bills Mimik besser im Blick zu haben.
Der errötete leicht.
Moment mal!
Er errötete?
Der Dunkelhaarige nickte.
„Ja, irgendwie schon. Ich zumindest.“
12.) Offenbarung und Verwirrung
Gustav nickte bestätigend.
„Dito.“
Tatsächlich.
Der jüngere Zwilling sah nicht so aus, als wollte er ihn gerade veralbern.
Trotzdem wollte er hundert prozentig sicher sein, dass das hier nicht doch ein schlechter Witz war.
„Ihr wollt damit also sagen, dass ihr jetzt sowas wie ein Paar seid?“
Gustav und Bill tauschten einen Blick aus und nickten schließlich gleichzeitig.
„Wenn das ein besonders gelungener Scherz sein soll, dann finde ich ihn nicht lustig.“
Tom sah die Beiden durchdringend an.
Sein Bruder erwiderte den Blick ebenso, ehe er sich seinem Freund zuwendete und einen Arm um dessen Hals schlang.
Gustav drehte Bill mit einem Ruck um 90° und legte ihm auch seinen zweiten Arm um die Taille.
Er murmelte leise:
„Ganz schön misstrauisch, dein großer Bruder.“
Der Sänger grinste.
„Du an seiner Stelle würdest uns doch genauso wenig glauben.“
Der Jüngere legte seine Hand gegen Gustavs Brust, neigte den Kopf zur Seite und küsste den Schlagzeuger.
Nach einigen sehr innigen Momenten trennte er ihre Lippen wieder voneinander.
„Vielleicht glaubt er uns ja jetzt.“
Gustav leckte sich genüsslich über die Oberlippe.
„Lass uns lieber auf Nummer sicher gehen.“
Der Ältere zog seinen Freund noch enger an sich heran und küsste ihn nun seinerseits.
Sein Gegenüber ließ sich darauf nur allzu gerne ein und hakte seine Finger in Gustavs Shirt.
Tom beobachtete das Bild vor sich halbwegs fassungslos.
Kurzzeitig drehte er den Kopf zur Seite und sah, dass Georg die Szene, ebenfalls inzwischen kerzengerade sitzend, stumm mitverfolgte.
Er bildete sich das alles also definitiv nicht ein.
Eine Gänsehaut überzog seine Arme, als er realisierte, dass sein Bruder keineswegs ein Spiel mit ihm trieb.
Der Ältere Zwilling rieb sich mit der Hand über den Unterarm.
Wie sollte er jetzt reagieren?
Er spürte, dass sich diese 'Sache' nicht in wenigen Tagen wieder erledigt haben würde.
Tom war sich dessen so sicher, als teilte er mit seinem Zwilling den Körper.
Der Gitarrist ließ seinen Blick erneut kurz zu Georg wandern und zuckte zusammen, als der Bandälteste ebenfalls den Kopf drehte und seinen Blick für Sekunden einfing.
Verwirrt wandte er sich nun wieder dem Paar zu, das gerade den zweiten Kuss beendete.
Er krächzte.
„Ich hab's kapiert, dass ihr mich nicht verkohlen wollt...“
Tom trank einen Schluck, um den Kloß, der sich in seinem Hals bildete zu vertreiben und fügte an:
„Könnt ihr das jetzt vorerst bitte wieder bleiben lassen?“
Bill lachte und ließ seine Hand über Gustavs Oberkörper streichen.
„Hörst du das? Da haben wir jemanden aber fast völlig sprachlos gemacht.“
Gustav nickte.
„Er scheint uns jetzt wirklich zu glauben.“
Der Schlagzeuger ließ seine Finger lächelnd über Bills Seite gleiten und löste sie dann halb widerwillig von seinem Freund.
„Vielleicht sollten wir ihm jetzt die Chance geben, das erst mal sacken zu lassen.“
Bill gluckste.
„Ich glaube, du hast Recht.“
Der Sänger tat einen halben Schritt nach hinten und fixierte dann ihren Bassisten.
„Du bist so still, Georg. Kein kluger Kommentar von dir?“
Angesprochener holte tief Luft und zuckte dann betont lässig mit den Schultern.
„Was soll ich da groß sagen?“
Er grinste etwas schief.
„Wenn du dir was in den Kopf setzt und sei es noch so unglaublich... anscheinend schaffst du es ja sogar, Gustav völlig in deinen Bann zu ziehen.“
Der Sänger protestierte lachend.
„Hey~! Er hat damit angefangen! Ist mir hinterher geschlichen und meinte...-“
Bill unterbrach sich selbst, weil er sah, dass seinem blonden Freund die Röte ins Gesicht schoss.
Gustav krächzte:
„Du bist ein unverbesserliches Plappermaul, weißt du das?“
Der Bandjüngste biss sich auf die Unterlippe, während Tom und Georg in Gelächter ausbrachen.
„Na, wenn das mal gut geht...“
Georg machte es sich auf seinem Liegestuhl wieder bequem.
„Ich an deiner Stelle würde bei einigen Details darüber nachdenken, sie totzuschweigen, statt sie gleich jedem auf die Nase zu binden.“
Für diese Bemerkung erntete der Bassist einen Schlag auf den Oberarm, von Tom, der neben ihm immer noch aufrecht saß.
„Darüber will ich mir jetzt keine Gedanken machen. Bring ihn bloß nicht auf dumme Ideen!“
Der Gitarrist zog seine Hand fast panisch wieder zu sich, als ihn bei der Berührung von Georgs Haut ein elektrischer Schlag zu durchfahren schien.
Diese hektische Bewegung fiel glücklicherweise keinem der anderen drei Musiker verdächtig auf.
Tom atmete mehrmals tief durch.
Das war mal wieder typisch:
Bill stürzte sich Hals über Kopf in etwas hinein und zog seinen Bruder gnadenlos mit.
Und Tom konnte sich nicht einmal dagegen wehren.
Hoffentlich legte sich dieser Irrsinn bald wieder, sodass er seinen Urlaub in Ruhe genießen konnte, ohne hautnah miterleben zu müssen, wie sich sein Zwilling gerade fühlte.
Im Moment konnte er sich wirklich Prickelnderes vorstellen, so sehr er seinen Zwilling auch liebte und ihm nur das Beste wünschte...
13.) Fatale Langeweile
Tom beobachtete seinen Bruder trotz der Tatsache, dass ihm Berührungen, die dieser mit Gustav austauschte, einen Schauer über den Rücken jagten, beständig.
Bill hatte ununterbrochen ein Lächeln im Gesicht.
Allerdings war ihm zur Genüge bekannt, dass sein Zwilling sich nur auf Dinge einließ, von denen er überzeugt war, mit wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigten vielleicht.
Doch fanden sich diese mit Sicherheit nicht in Liebesangelegenheiten.
Er schluckte trocken.
Der Gedanke ließ sich nur mit einem Anflug von Skepsis formulieren, obwohl der Jüngere ihm keinerlei Anlass dazu gab.
***
Nach zwei Tagen fing Tom an, sich daran zu gewöhnen, dass Bill und Gustav immer wieder flüchtige Berührungen austauschten, daran, dass sein kleiner Bruder stets darauf bestand, neben seinem Freund zu sitzen und auch die Blicke, die die Beiden einander zuwarfen, gehörten schon nach so kurzer Zeit irgendwie dazu.
Georg schien es ähnlich zu gehen.
Auch er beobachtete seine beiden jüngeren Freunde zwar noch regelmäßig scheinbar fasziniert, aber bei weitem nicht mehr so häufig, wie am Tag von deren plötzlichem Outing.
Jetzt gerade saßen sie bei einem guten Film gemeinsam im Wohnzimmer.
Ihre Terrassentür war wie eigentlich immer, wenn sie nicht ausnahmsweise einmal unterwegs waren, ein Stück weit offen.
Draußen war es inzwischen dunkel.
Die Luft war um einige Grad abgekühlt und es wehte hin und wieder etwas Wind, der die Raumtemperatur ihrer Ferienwohnung regulierte.
Ihr Bandjüngster lehnte während des Fernsehens behaglich an Gustav, der ihn ganz beiläufig, aber beständig im Nacken kraulte.
Tom lümmelte in einer Ecke des Sofas und angelte sich nur hin und wieder die Chipstüte, die zwischen ihm und Georg lag.
Der Gitarrist vermied seit zwei Tagen jede direkte Berührung mit dem Bassisten.
Jetzt, wo sich sein Alltag zu normalisieren begann und er ihren Urlaub genießen konnte, hatte er keinerlei Bedarf nach zusätzlichem Chaos.
Es genügte völlig, dass er sich ab und an dabei ertappte, wie sein Blick an Georgs Lippen hängen blieb.
Dann dachte er daran, wie die Sache zwischen Gustav und Bill laut deren Aussage angefangen hatte und wurde fast panisch.
Sobald er diese Augenblicke überstanden hatte und sich immer wieder sagte, dass er schließlich nicht Bill war und ihm etwas Ähnliches definitiv nicht passieren würde, beruhigte er sich wieder.
Heute hatte er erst einen dieser Anfälle hinter sich.
Das war ein gutes Zeichen.
Es hatte sicher zu bedeuten, dass alle potentiellen Wahnvorstellungen bald ausgestanden sein würden.
Der Gitarrist schob sich einige Chips in den Mund und konzentrierte sich auf den laufenden Film.
Diesem folgte noch ein weiterer, der sich allerdings als nur halb so spannend herausstellte.
Trotzdem war keiner dazu bereit aufzustehen und die DVD gegen eine andere zu tauschen.
Tom wurde bald zusehends schläfriger und nickte schließlich ganz weg.
Als er wieder aufwachte, lief immer noch der gleiche langweilige Film, aber er schien einiges davon verpasst zu haben, worüber er nicht wirklich bestürzt war.
Er gähnte herzhaft und fuhr sich mit der Hand durch den Nacken.
Dann richtete er sich etwas auf, war er doch deutlich tiefer in die Polster gesunken, und warf jedem seiner Bandkollegen einen kurzen Blick zu.
Georg grinste ihn an.
„Du hast die wahrscheinlich einzige spannende Stelle des ganzen Films verpasst.“
Tom gluckste und griff in die Chipstüte.
„Jetzt bin ich zu Tode betrübt. Könnt ihr nicht nochmal zurückspulen? Bi~tte!“
Der Gitarrist erhielt ein sehr entschiedenes dreistimmiges 'nein', was ihn richtig zum Lachen brachte.
„Ihr seid so gemein zu mir.“
Bill kicherte.
„Das wird Georg aber nicht gerne hören, wo er sogar am Überlegen war, ob er dich ins Bett tragen soll.“
„Er hat was überlegt?!“
Toms Puls beschleunigte sich.
Der Gitarrist sah seinen jüngeren Bruder entgeistert an.
Wenn Georg das getan hätte, dann... dann wäre vielleicht alles wieder von vorne losgegangen... die Witzeleien der Anderen, das Kribbeln, Gedanken, die definitiv nichts in seinem Kopf verloren hatten...
Tom setzte sich aufrecht hin und drückte sich mit auf die Couch gestellten Beinen in die hinterste Ecke des Sofas.
Gustav und Bill lachten sich fast zu Tode und auch der Bassist kicherte.
Was gab es da zu lachen?!
Das war absolut nicht komisch!
„Okay, anscheinend macht es Georg doch weniger aus, als gedacht.“
„Könnte daran liegen, dass er nie vorhatte, Tom ins Bett zu tragen“, klinkte Gustav sich in die Unterhaltung ein.
Tom schoss die Röte ins Gesicht.
Wie hatte er nur so gnadenlos dämlich sein können, zu glauben, dass Georg so etwas ernsthaft in Erwägung gezogen hatte.
Immerhin hätte es sicher ungemütlichere Schlafplätze gegeben, als das gigantische Sofa ihrer Ferienwohnung.
Die drei Anderen wären natürlich einfach gegangen, wenn ihnen danach gewesen wäre, oder sie hätten ihn auf irgendeine biestige Art und Weise geweckt.
Der Brünette ihn ins Bett tragen, pff... das war eigentlich so was von eindeutig unwahrscheinlich, dass er es sofort hätte merken müssen...
„Armer kleiner, großer Bruder...
Du hast das eben wirklich geglaubt, oder?“
Bill gluckste vergnügt.
„Du warst ja richtig in Panik.“
Georg verschränkte die Arme vor der Brust.
„Den Eindruck könnte man gewinnen, das stimmt.“
Der Bassist zog seine Brauen in die Höhe.
„Wenn ich auf die Idee gekommen wäre, hätte ich dich weder fallen lassen, noch mich auf dem Weg in dein Schlafzimmer verlaufen und ansteckende Krankheiten habe ich zurzeit auch nicht.“
„Ich...äh... nein...“
Tom guckte ziemlich verwirrt aus der Wäsche.
„Zumindest für das Problem mit dem Verlaufen hätte ich die perfekte Lösung: Die Betten hier sind groß genug, dass ihr notfalls auch Georgs Bett hättet teilen können“, feixte Bill.
Ihm, machte es sichtlich Spaß seinen völlig aus der Fassung geratenen Zwilling noch etwas aufzuziehen.
Der Gitarrist stöhnte auf.
Je mehr er sich jetzt gegen Bills Bemerkungen auflehnen würde, desto bunter würde es sein Bruder treiben.
Also wäre es am Besten, einfach den Mund zu halten.
Allerdings wollte er den Jüngeren auch nicht bestätigen, oder den letzten Satz einfach im Raum stehen lassen.
Er hätte definitiv nicht mit Georg in einem Bett schlafen können, nicht in seiner momentanen Verfassung.
Das durfte jetzt aber auch nicht sein Ernst sein...
Er sollte damit kein Problem haben.
Er und Georg waren seit Ewigkeiten befreundet.
Es wäre schließlich nur darum gegangen nebeneinander zu liegen und zu schlafen.
Um mehr nicht.
Das hatten sie schon mehr als einmal getan.
Bill brachte alles durcheinander!
Was musste der auch mit Anfang zwanzig urplötzlich auf die Idee kommen, was mit einem Kerl anzufangen?
Und dann noch nicht mal mit irgendeinem Kerl, sondern mit Gustav.
Der Blonde und sein Bruder kannten sich seit mehr als zehn Jahren!
Das wäre ja, also würde er selbst plötzlich mit Georg...-
Es ergab alles keinen Sinn.
Tom drehte sich im Kreis.
Er war wieder am Ausgangspunkt seiner Überlegungen angekommen.
Und setzte Bill auch noch einen drauf, indem er seine Panik durch albernes Geplapper noch befeuerte.
Der Gitarrist schob alle zweideutigen Gedanken beiseite und antwortete auf den letzten Kommentar seines Bruders etwas verspätet:
„Wäre ja nicht das erste Mal!“
Bruchteile von Sekunden später hätte er seine Stirn gerne der nächsten Wand vorgestellt...
14.) Spekulation
Bill schnappte heftig nach Luft, um nicht direkt wieder loszuprusten.
„So? Das wird ja immer besser... Jetzt wir mir so einiges klar, lieber Georg.
Dieses 'Einschlafen' eben war garantiert abgesprochen!“
Georg schüttelte amüsiert den Kopf.
„Na klar, wir haben es seit Wochen nicht geschafft, uns in das Zimmer des Anderen zu schleichen, da mussten wir schon in die Trickkiste greifen...“
Alle außer Tom schienen Gefallen an diesem Spiel zu finden.
Dieser wiederum rang um seine Fassung.
Solche Feixereien zwischen ihnen waren schließlich normal.
„Dann hatte Tom dich also längst um den Finger gewickelt und ihr habt beim Flaschendrehen nur einen ersten, harmlosen Kuss fingiert? Ihr seid bessere Schauspieler, als ich dachte.“
Gustav gluckste.
Georg grinste seinen kleineren Freund an.
„Das ausgerechnet du das nicht gemerkt hast, wo du mich doch am längsten von allen hier kennst...“
Bill empörte sich künstlich.
„Wenn wir das gewusst hätten, was zwischen euch läuft, dann hätten wir uns das Gespräch darüber, ob wir uns nun outen sollen oder nicht auch sparen können...“
Tom fing sich mit Mühe und Not und beschloss, dass er sich langsam ins Gespräch einmischen musste.
Alles im grünen Bereich.
Momentan war so ziemlich alles erlaubt.
Vielleicht half es ihm ja, alles weniger panisch zu sehen, wenn er einfach darüber lachte.
„Ein Gentleman genießt und schweigt, Brüderchen.“
Der Gitarrist setzte ein freches Grinsen auf.
„Aber keine Angst, wir hätten dich schon noch eingeweiht, solltest du dich jetzt aufspielen und mit unserer besonderen Zwillingsbeziehung kommen.“
Georg lachte.
„Schön, dass ich das auch mal erfahre...
Wann hätten wir es ihm denn gesagt?“
Der Bassist hob seine Stimme an.
„Darüber haben wir nicht ein einziges Mal geredet. Typisch.“
Tom lief ein kalter Schauer über den Rücken und eine Gänsehaut überzog seinen Nacken, als er den Älteren so reden hörte.
Er lachte nervös.
„Du weißt doch, dass ich keine Chance habe, etwas vor der kleinen Nervensäge geheim zu halten.
Tom deutete auf seinen kleinen Bruder.
Der Dunkelhaarige hob eine Augenbraue.
„Ja Georg, dein Schatz hat Recht. Früher oder später wäre es ihm rausgerutscht.“
Gustav lachte und strich Bill über den Rücken.
„Du denkst daran, dass das hier ein Spiel ist, oder?“
Der Jüngere gluckste.
„Natürlich.“
Er schmiegte sich enger an den Drummer.
Tom atmete tief durch.
Er war Gustav direkt dankbar, dass er diese Tatsache ansprach.
„Es ist nicht böse gemeint, Bruderherz, aber weißt du, Georg und ich waren eben nicht so schnell von dieser 'Sache' mit uns überzeugt, wie du und Gustav. Sie geht auch noch nicht so lange. Also länger als eure, aber... - Ach, du weißt, was ich meine.“
Der Sänger wackelte mit den Augenbrauen.
„Dafür seid ihr in der kurzen Zeit aber schon ganz schön weit miteinander gekommen, was?“
Tom schluckte.
Georg hingegen gluckste.
„Was du dir gleich wieder zusammenreimst...
Wir haben nur zusammen in einem Bett geschlafen, das hast du verstanden, oder?“
„Aber natürlich hab ich das.“
Bill grinste frech.
„Eng aneinander gekuschelt versteht sich, damit ihr euch auf einer anderen Ebene kennenlernt.“
Tom konterte:
„Na,damit hast du ja jetzt auch deine Erfahrungen gesammelt.“
Auch diese Aussage bereute der ältere Zwilling direkt wieder, als Bill ihm antwortete.
„Hm, also bis jetzt seid ihr uns da voraus...“
Tom wollte gar nicht wissen, was sein Bruder mit ihrem Schlagzeuger schon alles angestellt hatte und was nicht, auch, wenn er nicht davon ausging, dass Gustav und Bill in nur wenigen Tagen, intimere Situationen als diverse Küsse miteinander erlebt hatten.
Zumindest bei Gustav lag das zwar durchaus im Bereich des Möglichen, aber nicht in diesem Fall, immerhin war es ein Kerl...-
Der Gitarrist unterbrach seine eigenen Gedanken.
Eben dieser Kerl versuchte seinem Freund noch näher zu kommen, klimperte mit den Wimpern und sah Gustav von unten herauf an.
„Gusta~v? Magst du heute bei mir übernachten?“
Tom stellte fest, dass es für ihn mindestens genauso ratsam wäre, ab und an die Klappe zu halten, statt alles zu sagen, was er dachte, wie er es seinem Bruder regelmäßig empfahl.
Jetzt hatte er dem Jüngeren Flausen in den Kopf gesetzt.
Alleine wäre er jetzt womöglich noch nicht auf die Idee gekommen, diese Frage zu stellen.
Stur wie sie beide waren, würde Bill nun tatsächlich darauf pochen, seine Nacht mit dem Blonden zu verbringen.
Und wieder so eine zweideutige Formulierung...
Er würde bei Gustav übernachten, oder umgekehrt, vorausgesetzt, der hatte nichts dagegen.
Besser.
Das klang zumindest weniger verfänglich.
„Klar mag ich.“
Der Ältere hatte natürlich nichts dagegen.
Vielleicht hatte er sogar nur auf die Initiative Bills gewartet, um nicht als der böse ältere Freund dazustehen, der Tom Kaulitz jüngeren Zwillingsbruder verführte...
Aber einen Vorteil hatte der Aufmerksamkeitswechsel für den älteren Zwilling:
Er wurde mit den Thema 'Georg – Tom' verschont.
Der Gitarrist atmete erleichtert auf.
Es war unglaublich, was ein einziger Satz alles lostreten konnte.
Zwar war das alles ein einziger Scherz, zumindest, was seine Person betraf, aber trotzdem hätte die Situation auch völlig aus dem Ruder laufen können.
Das hätte dann 'Flaschendrehen die Zweite' bedeutet, oder irgendetwas Anderes, das in diese Richtung ging.
Dergleichen schien ihm zum Glück erspart zu bleiben.
Bill rutschte nun auf dem Sofa herum und freute sich augenscheinlich riesig.
Am liebsten würde er jetzt wahrscheinlich direkt schlafen gehen, auch, wenn er garantiert noch stundenlang wachliegen und damit auch Gustav den Schlaf rauben würde.
Wenn er es sich recht überlegte, wäre das Ergebnis in zwei Stunden allerdings das gleiche.
Tom musste leicht grinsen.
Da musste ihr Schlagzeuger jetzt wohl durch, außer er machte kurzfristig einen Rückzieher.
Diesen Gedanken hatte sein Bruder wohl auch schon gehabt.
Er fragte noch einmal nach, um sich seiner Sache sicher sein zu können.
„Du schläfst wirklich bei mir?“
Der Bandjüngste setzte seinen besten Dackelblick auf.
Gustav lächelte.
„Hab ich doch gerade eben gesagt. Glaubst du mir nicht?“
Bill seufzte erleichtert.
„Doch, natürlich glaube ich dir.“
Der Sänger knetete unruhig eine Ecke von Gustavs Shirt zwischen seinen Fingern.
Tom verkniff sich ein Kichern.
Sein Bruder war ein unmöglicher Kerl, was manche Dinge betraf.
„Du hast aber noch Zweifel, ob du es mit mir aushältst.“
Der Gitarrist hatte die wahrscheinlich viel eher als Gustav.
Und Bill ging es offenbar genauso.
Der Schlagzeuger verdrehte kurz die Augen, grinste dann aber schon wieder.
„Ach Bill...“
Er sah ihm fest in die Augen.
„Willst du direkt ins Bett, ehe ich es mir nochmal anders überlegen kann?“
Angesprochener wurde leicht rot um die Nase.
Er nickte und sprang sofort auf die Füße.
Tom musste schmunzeln.
Da hatte der Jüngere also wieder seinen Willen.
Der Gitarrist warf einen kurzen Blick zu Georg, dem sein Amüsement ebenfalls deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
Tom mochte den aktuellen Gesichtsausdruck des Bandältesten, aber diesen Gedanken wischte er schnell wieder beiseite, wenn auch nicht ganz so schnell, wie er es den Rest des Abends über getan hatte.
Es war nur logisch, dass er seinen Kumpel lieber vergnügt als mit schlechter Laune sah...
15.) Ausreden und Zweisamkeit
Mit dieser Ausrede, mit der Tom sich zurzeit noch halbwegs glaubwürdig selbst überzeugte, schlief er etwa eine Stunde später ein.
Eigentlich lag er schon seit einer halben Stunde im Bett, kam aber nicht umhin noch für eine Weile auf Geräusche aus Bills Zimmer zu lauschen.
Er wusste, dass es ihn nichts anging, was sein Bruder tat und ließ, aber er konnte nicht anders.
Zum einen fühlte er sich als älterer Zwilling immer irgendwie verantwortlich für den jüngeren, zum Anderen war er schlicht neugierig, auch wenn er, sobald er Details geliefert bekam, eigentlich darauf verzichten konnte.
So lag er wach, bis ihm die Lider zu schwer wurden.
***
Bereits zwanzig Minuten, bevor Tom sich in sein Bett verzog, nachdem er Georg eine gute Nacht gewünscht hatte, schloss Bill die Tür seines Zimmers hinter sich.
Gustav hatte den Raum noch vor ihm betreten und war gerade dabei sich sein Shirt über den Kopf zu ziehen.
Der Sänger beobachtete ihn dabei.
Im Gegensatz zu ihm hatte der Schlagzeuger zwar einige Kilo zu viel auf den Rippen, war aber ansonsten muskulös gebaut, weshalb den Dunkelhaarigen Ersteres nicht störte.
Für ihn sah Gustav gerade unglaublich sexy aus...
Er ließ seinen Blick vom Nacken des Drummers, über dessen Schultern, den Rücken hinab, bis zum Hosenbund und ein kleines Stückchen darüber hinaus, abwärts gleiten.
Sein Mund wurde trocken.
So genau hatte er den Blonden noch nie betrachtet.
Sein Herzschlag beschleunigte sich.
Gustav spürte den Blick seines Freundes im Rücken.
Er ließ ihn unwillkürlich leicht grinsen, machte ihn aber auch nervös.
Er würde mit Bill in einem Bett schlafen.
Sollte er sein T-Shirt nicht doch lieber wieder anziehen?
Der Ältere wunderte sich über seine eigenen Gedanken.
Er hatte keinerlei Grund, sich vor seinem jüngeren Freund zu schämen.
Erst vor wenigen Stunden lagen sie noch in ihren Badehosen am Pool.
Bill wusste, wie der Schlagzeuger aussah.
Trotzdem war die Situation hier eine andere.
Sie war ungewohnt.
Es war neu für ihn, von einem anderen Mann so genau angesehen zu werden.
Nach kurzem Zögern entschied Gustav sich, das Shirt ausgezogen zu lassen, öffnete seinen Gürtel und schob sich die Jeans von der Hüfte.
Er sammelte seine Kleider auf und legte sie auf den Stuhl in Bills Zimmer.
Der Blonde drehte sich zu seinem Freund um, der nach wie vor unbewegt im Raum stand und ihn musterte.
Als Gustav sich ihm zuwendete, senkte der Dunkelhaarige seinen Blick schnell gen Boden.
Gustav lächelte.
„Willst du so schlafen?“
Er musterte seinen Freund kurz mit prüfendem Blick einmal von oben bis unten.
Bill hob den Kopf und schüttelte ihn dann leicht.
Mit etwas zittrigen Händen zog er schnell seine Hose und Strümpfe aus.
Er ließ seine Sachen an Ort und Stelle liegen und tappte aufs Bett zu.
Dann setzte er sich auf dessen Kante.
Gustav ging langsam auf ihn zu und setzte sich neben ihn.
Er zupfte am Shirt des Jüngeren.
„Ziehst du das auch noch aus oder frierst du?“
Bill schluckte.
Er zuckte mit den Schultern, weil er das Gefühl hatte, keinen Ton herauszubringen.
„Ich kann dich gleich warmhalten, wenn du magst.“
Der Schlagzeuger lächelte seinen Freund zaghaft an.
Er schob die Bettdecke, soweit es denn ging, ohne aufstehen zu müssen, nach unten.
Der Sänger murmelte seine Zustimmung und zog sich daraufhin das T-Shirt aus.
Gustav bemühte sich währenddessen, seinen Freund nicht anzustarren, weil er diesen nicht noch mehr aufwühlen wollte, als er es anscheinend sowieso schon war.
Der Jüngere kroch unter die Decke und rutschte hinterher so weit zur Seite, dass der Ältere genug Platz hätte, sich neben ihn zu legen.
Er drehte sich auf die Seite und sah Gustav an.
Der stand auf, ging zum Nachttisch, schaltete die kleine Lampe dort an und löschte anschließend noch schnell das Deckenlicht.
Danach suchte er sich ebenfalls einen Platz auf der Matratze.
Dabei hielt er zunächst etwas Abstand zu Bill.
Der Sänger kommentierte das Handeln des Blonden leise:
„Du wolltest mich doch wärmen. So wird das aber nicht funktionieren...“
Bill rutschte näher an seinen Freund heran.
„Da hast du wohl recht.“
Gustav näherte sich ebenfalls der Bettmitte,legte einen Arm um den Sänger und zog ihn weiter zu sich.
Bill schob einen Arm unter Gustavs Körper hindurch und schlang diesen und seinen anderen um den Schlagzeuger.
Nebenbei schaltete er außerdem schnell die Nachttischlampe aus und zog die Bettdecke etwas höher.
Seine Nervosität verflog und wurde durch das angenehme Gefühl ersetzt, das Gustavs Nähe in ihm auslöste.
Der Sänger schmiegte sich an den Älteren und schob sein Kinn nach vorne, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter trennten.
Er spürte den Atem seines Freundes auf der Haut.
„Bist du sehr müde?“
Gustav hob seine noch freie Hand und strich mit ihr die Konturen von Bills Kinn nach.
„Ich bin nur direkt mit dir hier her, weil du sowieso vorher keine Ruhe mehr gegeben hättest.“
Der Drummer fuhr mit dem Daumen über die Lippen seines Freundes.
Bill öffnete seinen Mund ein wenig, sagte aber nichts.
Er konzentrierte sich voll und ganz auf Gustavs Berührung und drückte die Fingerkuppen in dessen Haut.
Er versuchte bewusst ruhig zu atmen und schloss die Augen.
Der Sänger fing an, seine Hände über Gustavs Rücken wandern zu lassen.
Gustav zog seine Hand ein Stück nach unten und ersetzte den Daumen durch seine Lippen.
Seine Finger schob er stattdessen aufwärts in Bills Haare.
Er strich mit ihnen immer wieder durch die lange Mähne des Jüngeren.
Der Sänger bewegte seine Lippen gegen Gustavs und legte ihm eine seiner Hände in den Nacken des Drummers, während die andere weiter ihre Bahnen zog.
Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie sehr er schon seit Stunden innerlich nach diesem Kuss verlangt hatte.
In Gegenwart der Anderen hielten sie sich momentan noch sehr zurück, was den Austausch von dieser Art Intimität betraf.
Nicht, weil es ihnen selbst unangenehm wäre, sondern tatsächlich aus Rücksicht.
Jetzt schob der Dunkelhaarige eins seiner Beine zwischen Gustavs.
Dabei hegte er keinerlei Gedanken außer den, so noch ein wenig näher an Gustav heranrücken zu können.
Der intensivierte den Kuss daraufhin und strich mit seiner Zunge über Bills Lippen, die der Jüngere bereitwillig öffnete.
Zudem schob er die Hand, die er stetig übe r den Rücken des Sängers hatte wandern lassen etwas weiter nach unten und strich zaghaft über dessen Po.
Bill hakte seine Finger leise seufzend in Gustavs Haare und drückte sich ihm entgegen, die Finger der anderen Hand auf die gleiche Höhe führend, auf der sich die des Schlagzeugers gerade befand.
An dieser Intimitätsgrenze entlang bewegten sich die Beiden in stummem Einvernehmen.
Sie mussten es schließlich nicht direkt in der ersten Nacht, die sie gemeinsam in ein und demselben Bett verbrachten, übertreiben.
Sie kosteten jede Berührung aus, bis ihre Müdigkeit nach und nach die Oberhand gewann.
Der Sänger unterbrach ihren Kuss und drehte den Kopf zur Seite, um Gustav nicht mitten ins Gesicht zu gähnen.
Gustav gluckste kaum vernehmbar.
„Sind meine Küsse so einschläfernd?“
Er strich dem Jüngeren eine Haarsträhne hinters Ohr.
Bill schüttelte den Kopf.
„Entschuldigung.“
„Schon okay.“
Der Drummer streichelte die Wange des Dunkelhaarigen.
„Sollen wir alles Weitere auf morgen verschieben?“
Der Jüngere stahl Gustav einen kurzen Kuss.
„Was hattest du denn für heute noch 'alles' geplant?“
Gustav antwortete ehrlich.
„Nichts Neues.“
„Okay, dann können wir das wirklich auf morgen verschieben...“
Bill kuschelte sich zurecht und schmiegte sich dabei eng an seinen Freund.
„Schlaf gut.“
Der Sänger murmelte:
„Hmm... 'te Nacht...“
Er entspannte sich und war entgegen Toms Vermutungen bereits nach wenigen Augenblicken eingeschlafen...
16.) Erwachen
Gustav erwachte wieder vor seinem jüngeren Freund.
Er spürte während der Aufwachphase einen warmen Körper neben und teilweise sogar auf sich.
Der Schlagzeuger schmiegte sich unwillkürlich enger an diesen.
In den ersten Momenten wusste Gustav noch nicht wirklich, wo er sich befand und an wen er sich kuschelte.
Sobald er wacher wurde, spürte er Haarsträhnen, die über seine Wange strichen, sobald er sich bewegte und roch den neben ihm Schlafenden.
In dessen Haaren hing noch ein Hauch des Geruchs von mildem Shampoo, der sich mit einem typisch morgendlichem Duft vermischte.
Inzwischen hatte begriffen, wo er war.
Er gähnte leise.
Der Blonde beschloss, noch etwas liegen zu bleiben.
Er blinzelte und sah wenig später in Bills Gesicht.
Die Züge des Jüngeren waren absolut entspannt, sein Mund leicht geöffnet.
Gustav widerstand nur mit Mühe dem Bedürfnis, seinem Freund über die Wange zu streichen.
Zwar hatte Bill in der Regel einen mehr als festen Schlaf, aber die Tatsache, dass das hier alles andere als gewohnt war, konnte ja etwas an diesem sonst üblichen Schlafverhalten geändert haben, zumindest kurzfristig.
Und der Drummer wollte beim Dunkelhaarigen gerade definitiv keine schlechte Laune provozieren.
So behielt er seine Finger bei sich und begnügte sich damit, den Jüngeren eine Weile eingehend zu mustern.
Wie schön Bill doch war...*
Gustav kannte etliche Mädchen, die allen Grund dazu hatten, vor Neid zu erblassen, wenn sie sich mit dem Sänger verglichen und eben so viele Kerle, weil Bill aufgrund seiner Androgynität, in Kombination mit seiner Bekanntheit etliche Mädchen nahezu magnetisch anzog, auch solche, die eigentlich vergeben waren.
Jetzt, wo er darüber nachdachte hatte je nicht einmal er es geschafft, sich Bills Wirkung auf Andere zu entziehen, sonst würde er jetzt nicht hier liegen...
Wie vielen Männern es wohl noch so ging?
Eigentlich wollte Gustav über diese Frage gar nicht näher nachdenken.
Trotzdem traf ihn ein Anflug von Eifersucht.
Dabei hatte er eigentlich rein gar nichts zu befürchten, oder?
Normalerweise hatte Bill kein Interesse an Kerlen, er hatte zumindest nie erwähnt und ihren Kuss wollte er sicher auch nur wiederholen, neulich Abend am Pool, weil, weil...
Gustav schluckte.
Es lag an ihm, an ihrem Spiel, ja klar, ihr Kuss beim Flaschendrehen und auch die danach waren etwas Besonderes...
Sie waren zumindest für ihn aufregend und schön.
Bill musste es ebenso gehen.
Sie wollten einander beide berühren und dem Anderen nahe sein.
Sie hatten sogar zusammen im selben Bett geschlafen.
Der Jüngere schlief immer noch und fühlte sich sichtlich wohl dabei.
Er selbst grübelte nun schon wieder, obwohl bisher alles nahezu perfekt lief.
Allerdings war nichts zwischen ihnen völlig ausgesprochen.
Sie hatten Tom und Georg gegenüber angegeben, dass sie ein paar seien.
Darüber waren sie sich stillschweigend einig geworden, nachdem Bills Zwilling die Frage bereits gestellt hatte.
Aber was genau war das zwischen ihnen?
Was empfand der Sänger für ihn?
Und umgekehrt?
Gustavs Inneres rumorte.
Waren sie in einander verknallt?
Verliebt?
Liebten sie den jeweils Anderen?
Beziehungsweise: Für den Dunkelhaarigen durfte er nicht entscheiden, aber liebte er Bill?
Wo genau machte er zwischen diesen Begriffen einen Unterschied?
Bisher hatte er dies nie ernsthaft zu differenzieren versucht.
Es war ihm in seinen vorherigen Beziehungen egal gewesen.
Hauptsache er fühlte sich gut.
Die Mädchen mit denen er zusammen war, umwarben ihn mit den unterschiedlichsten Liebesbekundungen, in verbaler Form und durch Gesten, körperlicher und materieller Art.
Er nahm sie alle entgegen, verteilte auch ein oder zweimal ein 'Ich liebe dich', jedoch ohne sich darüber im Klaren zu sein, ob er die Aussage ernst meinte, oder nur leer daherfaselte.
War die Sache mit Bill automatisch etwas Ernsteres, weil er darüber nachdachte, oder lag das einfach daran, dass er den Bandjüngsten schon so unglaublich lange kannte?
Versuchte er gerade, sich das Eingestehen tieferer Gefühle auszureden oder scheute er sich nur momentan davor, solche in sein Verhalten hinein zu interpretieren, weil die Beziehung zu Bill noch zu frisch war?
Im Moment könnte er die letzten beiden Fragen jeweils höchstens mit einem 'vielleicht' beantworten.
Gustav seufzte.
Wahrscheinlich sollte er das momentane Hochgefühl einfach noch eine Weile genießen.
Er würde jetzt sowieso zu keinem ihn überzeugenden Schluss kommen.
Zu gegebener Zeit würden ihn seine Gedanken sowieso wieder einholen, vielleicht ja sogar früher, als ihm lieb war.
Der Drummer veränderte seine Position im Bett so bewegungsarm wie möglich.
Trotzdem stieß er versehentlich mit dem Knie gegen Bills Oberschenkel.
Er hielt automatisch die Luft an.
Gustav schüttelte gedanklich über sich selbst den Kopf.
Jetzt ging das schon wieder los.
Der Jüngere würde von so einer Kleinigkeit nicht aufwachen.
Gustav machte es sich wieder etwas bequemer.
Bill räkelte sich ein wenig und drehte sich so, dass er nun dichter an Gustav geschmiegt dalag.
Das Bein des Dunkelhaarigen, das noch vom Vorabend zwischen seinen lag, rutschte ein wenig nach vorne.
Dadurch spürte der Schlagzeuger plötzlich das Becken seines Gegenübers sehr deutlich.
Bills Schritt drückte gegen sein Bein.
Der Blonde schnappte nach Luft.
Wohow... das hätte nun wirklich nicht sein müssen...
Zwar war eine Morgenlatte definitiv nichts Ungewöhnliches, aber Gustav hatte definitiv nicht darauf vorbereitet, eine zu spüren zu kommen, die nicht ihm gehörte.
Ihm wurde kurzzeitig heiß.
Gustav atmete einige Male tief durch und beruhigte sich wieder.
Der Drummer rutschte vorsichtig gerade so weit wie nötig von Bill ab.
Sein Freund brabbelte etwas im Schlaf und folgte Gustavs Bewegung.
Der Ältere stöhnte tonlos auf.
Ihm blieb wohl nichts Anderes übrig, als den Druck an seinem Bein zu ignorieren.
Es handelte sich bei dessen Ursache ja lediglich um ein ganz natürliches Phänomen.
Später, wenn der Sänger wach würde, würde Gustav einfach so tun, als hätte er nichts bemerkt... was sich schon jetzt als unglaublich schwierig erwies.
Wie sollte er dies später schaffen, wenn Bill ihn erst einmal schief ansah und versuchte in seinem Gesicht abzulesen, was nicht stimmte?
Dann würde er sich wie der letzte Idiot etwas zusammendrucksen.
Da konnte er genauso gut ehrlich sein.
Schließlich war an sich nichts dabei... wie gesagt, natürliches Phänomen und so...
Außerdem wüsste Bill so oder so, sobald er richtig wach war, was los war.
Vielleicht hatte er aber auch Glück und Bill wurde erst nach der ersten Tasse Kaffee wach und aufmerksam genug, um etwas zu merken.
Bis dahin sah man ihm sicher nichts mehr an.
Bill ließ ihm jedoch keine Zeit mehr, noch weitere Gedankengespinste zu bauen.
Der Sänger brummte leise.
Er drehte sich auf den Rücken, das Bein immer nach halb zwischen Gustavs, sodass er nach der Bewegung etwas verdreht dalag.
Bill gähnte lautstark und rieb sich die Augen.
Er streckte sich und zog seine Faust dabei nur knapp an Gustavs Gesicht vorbei.
Diesem entfuhr ein überraschter Laut und er zog seinen Kopf nach hinten, um einer weiteren Attacke Bills zu entgehen.
Der Drummer murmelte:
„Etwas vorsichtiger bitte, du bist hier nicht alleine...“
Der Sänger rollte sich auf den Bauch, stieß dabei wieder gegen den Älteren und blinzelte.
Daraufhin schloss er die Augen noch einmal, um dem direkten Licht im Zimmer zu entgehen.
Er murrte leise und brummte einen unverständlichen Gruß.
Wahrscheinlich war er gerade dabei, wieder einzuschlafen.
Bill drückte sein Gesicht ins Kissen...
*Stellt euch Bill in dieser Szene ohne Septum und allzu hohle Wangen, sowie mit längeren Haaren vor, kurzum: Nehmt in etwa die Haarlänge und das Aussehen vom Cometen 08, nur mit dem derzeitigen Alter.
Ich fand ihn damals wesentlich hübscher als heute.
17.) Jetzt fängt der auch noch damit an...
Gustav musste leicht grinsen und stupste Bill von der Seite her an.
„Du erstickst noch....“
Bill murrte gequält.
Dass Leben in seinen Freund kam, lenkte den Schlagzeuger herrlich ab.
Er strich ihm einige Haare aus dem Nacken, beugte sich zu ihm hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Haut dort.
Der Dunkelhaarige brummte wieder, dieses Mal aber schon nicht mehr ganz so missmutig wie zuvor.
Er grub seine Finger ins Laken.
Dann drehte er den Kopf gerade so weit zur Seite, dass er halbwegs anständig Luft holen konnte.
Ansonsten blieb Bill regungslos liegen.
Gustav beobachtete den Jüngeren die nächsten Minuten nur und war fasziniert davon, wie lange ein einzelner Mensch brauchen konnte, um auch nur erste Anzeichen zu zeigen, die bewiesen, dass er ernsthaft versuchte, wach zu werden.
Er wusste aus jahrelanger Freundschaft zu dem Sänger natürlich, dass dieser ein absoluter Morgenmuffel war und er hatte ihn auch beim Aufwachen schon mehr als einmal erleben 'dürfen', weil sie nach Bandabenden auch mal alle gemeinsam in einem Raum schliefen.
Dennoch hatte er irgendwie erwartet, dass seine Anwesenheit den Prozess verkürzen würde.
Er hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass Bill putzmunter aus dem Bett springen würde, aber er ging davon aus, dass der Dunkelhaarige schneller wach sein würde.
Zumindest halbwegs.
Wobei, das konnte er ja noch gar nicht ausschließen...
Abermals einige Minuten später gab Bill etwas wie ein leises Grunzen von sich und rollte sich mühsam auf die Seite, dieses Mal von Gustav weg.
Er blieb wieder liegen, als hätte er gerade etwas unglaublich Anstrengendes vollbracht und rutschte dann mehr aus dem Bett, als er kletterte.
Der Sänger murmelte nur ' 'oilette' und schlurfte dann mit halbgeschlossenen Augen aus dem Raum.
Gustav setzte sich auf und sah seinem Freund kopfschüttelnd hinterher.
In eben diesem Tempo und Zustand kam der Jüngere einige Minuten später zurück.
Er gähnte herzhaft und ließ sich zurück auf die Matratze fallen..
Der Drummer zog den Dunkelhaarigen in seine Arme, was dieser widerstandslos mit sich machen ließ.
Dabei stellte Gustav unweigerlich und deutlich erleichtert fest, dass sich das morgendliche 'Problem' erledigt hatte.
Bill murrte erneut, nun allerdings mit einem zufriedenen Unterton in der Stimme.
Er schmiegte sich an den Blonden und schloss die Augen wieder völlig.
Der Ältere kraulte seinen Freund im Nacken.
Da war diese Schlafmütze doch tatsächlich schon wieder am Eindösen.
Ob das jetzt wohl noch den halben Tag so weiterging?
Na ja, sie waren ja im Urlaub, also durfte das wohl auch mal sein.
Außerdem musste Gustav zugeben, dass er Bill, der, ähnlich wie bei ihrem Strandaufenthalt, behaglich zu schnurren begonnen hatte, ziemlich niedlich fand.
Er setzte die Bewegungen, mit denen er die Haut im Nacken des Sängers liebkoste, beharrlich fort.
Trotzdem fragte er leise:
„Hast du vor, wieder einzuschlafen?“
Gustav strich mehrmals sanft Bills Nacken auf und ab.
„Mnhhh...“
Der Sänger deutete ein Kopfschütteln an.
Bill zog die Beine an und nahm eine Körperhaltung ein, die der einer schlafenden Katze sehr ähnlich war.
„'ch 'leib scho' 'ach...“
Gustav dachte sich seinen Teil und fing wieder an, den Jüngeren zu kraulen.
Er führte die Bewegungen irgendwann fast mechanisch fort, während er seinen Gegenüber betrachtete.
Im Moment schien dieser die Unschuld in Person zu sein.
Mit ihm würde er es auch noch eine Weile hier im Bett aushalten, egal, ob Bill nun doch wieder einschlief oder nicht...
Seine sorgenschwangeren Gedanken waren inzwischen wie weggewischt.
***
Das Verhalten seiner Band war wie ausgewechselt.
Seit fast einer Woche war alles anders.
Bill und Gustav waren mal mehr und mal weniger offensichtlich miteinander beschäftigt.
Sie hielten sich netterweise in ihrer Gegenwart zurück, was Zärtlichkeiten betraf.
Sie beteiligten sich am Faulenzen, an DVD-Abenden und Wasserschlachten.
Dass sie jetzt gemeinsam in Bills Bett übernachtet hatten, war, abgesehen von ihrem Spaziergang am Strand, das einzige Mal, dass sie sich zurückgezogen hatten, um alleine zu sein.
Und selbst hierauf waren die Beiden nicht einmal alleine gekommen.
Trotzdem schien sich ihr gesamter Alltag verändert zu haben.
Es lag einfach eine neue Grundstimmung in der Luft, selbst dann, wenn entweder Gustav oder Bill gar nicht im Raum waren.
War Gustav der „Zürückbleibende“, wirkte alles normaler, als wenn Bill auf die Rückkehr Gustavs wartete.
Denn genau das war dann zu spüren:
Bill wartete.
In jeder Sekunde rechnete er mit der Rückkehr des Schlagzeugers.
Nicht, dass er unablässig zur Tür starrte oder ihnen die Ohren volljammerte, es war lediglich ein Gefühl, das dann im Raum hing...
Bill und Gustav konnte man zurzeit nur als eine Einheit betrachten.
Sie verloren nicht ihren individuellen Charakter, ergänzten die Macken des Anderen aber oft durch eine genau entgegengesetzte Charaktereigenschaft ihrer selbst.
Sie waren ein Paar, wie es unterschiedlicher kaum sein konnte.
Jetzt zum Beispiel war weder Bill noch Gustav aufgetaucht, dabei war zumindest der Schlagzeuger wahrscheinlich schon seit Stunden wach.
Es schien dem Blonden nichts auszumachen, einfach zu warten.
In anderen Momenten lieferten sie sich hitzige Wortgefechte wie eh und je, ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse des Anderen.
Zurzeit machte es wenig Sinn, sich in diese einzumischen.
Sie waren vergleichbar mit denen, die die Zwillinge sich regelmäßig lieferten.
Womit Georg gedanklich beim letzten seiner Bandkollegen und zugleich guten Freunde angekommen wäre.
Auch Tom verhielt sich anders, seit sie im Urlaub waren.
Und Georg hatte weniger den Eindruck, dass ihm die Beziehung zwischen Bill und Gustav extrem nachging.
Er ließ zwar die eine oder andere Bemerkung fallen, die deutlich zeigte, dass er sich durchaus noch seine Gedanken machte, aber nichts deutete darauf hin, dass er den ganzen Tag über nichts anderes grübelte.
Dem Bassisten kam es viel eher so vor, als ginge Tom ihm aus dem Weg.
Nicht Gustav oder seinem jüngeren Bruder, sondern ihm, Georg.
Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein, schließlich hatte Tom zu so etwas gar keinen Grund, oder?
Und wenn doch?
Das könnte er ganz einfach klären, indem er den Gitarristen geradeheraus ansprach, vorausgesetzt, er erwischte Tom mal wieder alleine.
Denn auch das schien der Jüngere geschickt zu umgehen.
Alleine waren sie zuletzt während des Strandspaziergangs der Anderen.
Zufall oder Berechnung?
Wenn er sich wirklich sicher sein wollte, brauchte er nur bei Tom vorbeizuschauen.
Er würde ihn wohl kaum vor der Tür stehen lassen.
Allerdings brauchte er die Situation ja auch nicht noch verrückter zu machen, als sie es ohnehin schon war, nur weil er vielleicht langsam paranoid wurde und 'Verschwörungen' witterte...
Also doch besser noch ein wenig abwarten.
Georgs Magen knurrte.
Ja, er würde noch abwarten.
Sein Bauch wies ihn darauf hin, dass er noch nichts gegessen hatte und das, obwohl er bereits seit geraumer Zeit wach war.
Er stand auf und schlenderte in die Küche.
Der Bassist begutachtete die Vorräte, die man ihnen zur Verfügung stellte, für den Fall, dass sich nicht ausschließlich von Bringdiensten ernähren wollten.
Vielleicht sollte er tatsächlich kochen.
Aber alleine?
Sollte er für sich etwas machen, oder den ganzen Trupp mitversorgen?
Im Moment war ihm sowieso langweilig.
Er kramte ein wenig in den Zutaten und sammelte sich alles zusammen, was er zum spontanen Kochen brauchte.
Georg organisierte sich noch Töpfe und legte los.
Er schnitt Zwiebeln, briet sie an, hantierte sich eine Soße zusammen und warf jede Menge Spaghetti in kochendes Wasser.
Was ihre kulinarischen Vorlieben anging, waren sie alle recht einfach gestrickt.
Es brauchte kein Sushi zu sein, auch wenn sie in Interviews, abgesehen von Gustav, angaben, dass sie die japanische Spezialität vorzögen, wenn man sie vor die Wahl stellte.
Der Vorteil an Sushi war, dass es auch nach der Zubereitung keine Probleme gab, falls sie zu unterschiedlichen Zeiten in der Küche auftauchten – abgesehen davon, dass sich niemand von ihnen die Mühe machte, Sushi selbst zuzubereiten – schließlich war das Essen ja von Anfang an kalt.
Wobei das auch bei den Nudeln kein Problem wäre.
Hier gab es eine Mikrowelle und wenn es nicht anders ginge, würde auch jeder von ihnen die Spaghetti kalt essen.
Wie gesagt, sie waren da alle sehr einfach gestrickt.
Also dachte Georg auch gar nicht darüber nach, den Rest der Band eventuell zu wecken.
Er suchte in den Küchenschränken nach einem großen Sieb und deckte anschließend den Tisch für vier Personen ein.
18.) Einmal wecken gefälligst?
„Soll ich dir helfen?“
Der Bassist fuhr vor lauter Schreck zusammen, er hatte nicht mitbekommen, dass jemand den Raum betreten hatte.
Er schüttelte den Kopf.
„Danke, ich bin grad' fertig geworden.“
Jetzt, wo er sich wieder gefangen hatte, war er doch ziemlich erleichtert.
Tom hielt sich also doch freiwillig mit ihm alleine in einem Raum auf.
Gut, dass er ihn nicht schon mit seinen schwachsinnigen Verdächtigungen überfallen hatte.
Das wäre sicher eine ziemlich peinliche Vorstellung geworden.
Der Gitarrist lief um den Tisch herum zum Herd.
Er hob den Deckel des Topfes mit der Soße an und spähte hinein.
„Wieso hast du überhaupt gekocht?“
Georg schüttete die Nudeln in das Sieb im Spülbecken.
„Warum wohl? Ich hatte Hunger.“
Er beförderte die Nudeln vom Sieb in eine Schüssel und trug sie zum Tisch.
Tom schlenderte Georg hinterher.
„Und warum hast du nicht einfach was bestellt?“
Der Jüngere folgte dem Bassisten zum Tisch und wieder zurück zum Herd, wo der den Soßentopf an den Henkeln packte.
Er holte schnell einen Topfuntersetzer von der Ablage daneben und bugsierte ihn auf den Tisch.
„Wir sind im Urlaub.“
Georg hob beide Augenbrauen.
Dann senkte er sie wieder und lachte.
„Tom, ob du's glaubst oder nicht, ich wollte kochen.“
Der Gitarrist grinste.
„Und das soll ich dir glauben?“
„Siehst du hier irgendwelche Foltergeräte?“
Tom sah sich suchend um.
„Geschickte Folterknechte beseitigen natürlich schnellstens wieder alle Spuren.“
Der Bassist stellte seinen Topf ab und lachte erneut auf.
„So so, du hast damit also Erfahrung, was?“
„Natürlich.“
Tom grinste.
„Ich muss mich damit auskennen. Anders könnte ich mit Bill als kleinem Bruder gar nicht überleben.“
Der Jüngere erntete von Georg einen Blick, der Interesse, Amüsement und Skepsis zugleich ausdrückte.
„A propos Bill: Ich geh ihn und Gusti-Schatzi wecken. Bis gleich.“
„Bist du lebensmüde?!“
„Ich bin nicht du. Aber wenn du glaubst, mich beschützen zu müssen... geh du sie doch wecken.“
Tom wackelte mit den Augenbrauen.
Dann drehte er sich um und marschierte zielsicher auf die Küchentür zu.
„Ich kümmere mich nicht um deine Beerdigung, dass das klar ist.“
Georg holte tief Luft.
„Und falls du überlebst, brauchst du gar nicht angerannt kommen, um dich bei mir auszuheulen!“
Der Gedanke ließ nun den Bandältesten grinsen.
Als ob Tom sich so eine Blöße jemals geben würde.
Dazu war er einfach viel zu stolz.
„Wie gesagt...-“
„Geh!“
Tom verließ kichernd den Raum.
Er gab sich anscheinend keinerlei Mühe, wenigstens so lange leise zu sein, bis er ins Zimmer seines Zwillings platzte.
Georg konnte jeden seiner Schritte mitverfolgen.
Er näherte sich selbst der Tür, hob aber vorsorglich schon einmal die Hände in Ohrenhöhe.
Ganz konnte er seine Neugierde einfach nicht zurückhalten.
Tom hatte echt vor, seinen Bruder zu wecken, oder?
Damit riskierte er einen halben Tag dicke Luft.
Okay, mindestens eine Stunde und einen ordentlichen Krach...
Ihr Sänger war schon nicht begeistert, wenn man ihn aus dem Schlaf riss und mindestens genauso unprickelnd würde er es sicher finden, in seiner Zweisamkeit mit Gustav gestört zu werden...
Der Gitarrist schob dann doch möglichst leise die Zimmertür seines Bruders auf und streckte seinen Kopf in den Raum.
Er wendete sein Gesicht dem Bett zu und musste, obwohl er gewusst, hatte, dass er Gustav und Bill dort gemeinsam liegen sehen würde, erst einmal schlucken.
Tom räusperte sich verlegen, ehe er ins Zimmer trat und prompt drehte Gustav den Kopf in seine Richtung.
Der Drummer raunte:
„Schon mal was von anklopfen gehört?“
Tom blieb abrupt stehen.
„Ähm... äh... ich dachte, ich schlaft sowieso noch und hört mich nicht.“
Gustav strich Bill zum wiederholten Mal für diesen Morgen über den Kopf.
Der drückte sich instinktiv näher an ihn.
„Dachtest du nicht wirklich, oder? Was gibt’s?“
Der Blonde wandte sich von Tom ab, weil es in seinem Nacken aufgrund der Verrenkung unangenehm zu ziehen begann.
Der Jüngere blieb unentschlossen, wo er war.
„Na ja, Georg hat gekocht und ich dachte, ich weck' euch, damit ihr mit uns essen könnt...“
Es war nicht geplant, hier jetzt unschlüssig in der Gegend rumzustehen.
Eigentlich war er doch hergekommen, um die beiden Turteltauben unsanft zu wecken und sich ein wenig über sie lustig zu machen, dachte er zumindest bis eben...
Der Ältere murmelte leise:
„Weck' ihn, wenn du's nicht lassen kannst, aber ich rette dir nicht den Hintern, falls er explodiert.“
Tom betrachtete die sich ihm bietende Szene.
Sein Bruder erinnerte ihn momentan fast an ein überdimensionales Kätzchen.
Gustav versperrte ihm die Sicht auf Bills Gesicht, aber der jüngere Zwilling schien völlig entspannt tief und fest zu schlafen.
Früher hatten er und Bill ganz ähnlich in einem ihrer Betten in Loitsche gelegen.
Als sich noch keiner darum scherte, weil sie noch nicht 'zu alt' dafür waren.
Manchmal vermisste er es, so mit Bill zusammen einzuschlafen und wieder aufzuwachen.
Jetzt zum Beispiel.
Es kam ihm ein wenig so vor, als hätte Gustav ihm seinen Platz als wichtigster Mensch im Leben seines Bruders regelrecht weggenommen.
Der Gitarrist drehte sich um 180° und tappte los.
„Na ja... wenn er dann wach ist könnt ihr ja nachkommen...“
Er verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Davor blieb Tom zunächst einmal stehen.
Diese Aktion hätte er sich wirklich sparen können.
Gustav hatte sicher nicht vor, ihm Bill 'wegzunehmen'.
Das würde der doch auch gar nicht zulassen.
Solch bescheuerte Gedanken hatte er nur, weil er plötzlich in Kindertagen schwelgen musste.
Idiotisch.
Andererseits... warum hatten er und Bill sowas schon ewig nicht mehr gemacht?
Sie scherten sich doch auch sonst nicht darum, was andere sagten.
Aber mit 21 kuschelte man einfach nicht mehr mit seinem Bruder.
Er zumindest nicht.
Sentimentaler Scheiß.
Diesen Schwachsinn musste er sich ganz schnell wieder ausreden.
Sich gegenseitig trösten, das war ja in Ordnung, aber man konnte es auch übertreiben...
Er hieß doch nicht Bill.
Der würde das bestimmt auch heute noch machen... zumindest, wenn er dafür jetzt nicht Gustav hätte, aber das war ja irgendwie auch wieder ein bisschen was Anderes.
Pahh... er würde sich jetzt den Bauch vollschlagen gehen...!
19.) Wird das ein Verhör?!
Tom trat wieder in die Küche und schaufelte sich sofort einen Teller mit Nudeln und Soße voll.
Anschließend ließ er sich auf einen der Stühle fallen und nahm seine Gabel in die Hand.
Er sah auf.
„Oh... 'tschuldige. Guten!“
Der Gitarrist fing, ohne eine Antwort abzuwarten, an zu essen.
Georg lud sich ebenfalls eine Portion auf den Teller.
„Danke. Dir auch.“
Der Ältere drehte Nudeln auf seine Gabel.
„Und wo sind jetzt die Anderen?“
„Bedd“
Tom schluckte unter und füllte seinen Mund direkt wieder.
„Ich dachte, du wolltest sie wecken?“
Der Gitarrist zuckte mit den Schultern.
Georg schenkte ihm und sich selbst etwas zum Trinken ein.
„Alles okay?“
„Hmpf..:“
Tom kaute energisch und schluckte seinen Bissen dann unter.
„Gustav war wach, da ist mir die Lust vergangen...“
„Und deswegen bist du jetzt so mies drauf?“
„Ich bin nicht mies drauf.“
Der Jüngere beugte sich tiefer über seinen Teller, um eventuell der weiteren Unterhaltung zu entkommen.
Georg ließ seinen Freund zunächst in Ruhe, ehe er ihn noch hier sitzen ließ und lieber aufs Essen verzichtete, anstatt sich löchern zu lassen.
Allerdings war definitiv klar erkennbar, dass dem Jüngeren der Gastauftritt im Zimmer seines Bruders ziemlich auf die gute Laune geschlagen war.
Das konnte nun natürlich mehrere Gründe haben.
Ein Streit schied allerdings schon einmal aus, sonst hätte Georg definitiv etwas gehört, denn zumindest Tom für seinen Teil, stritt niemals leise.
Bald schob der Bassist seinen Teller von sich.
Sein Freund hatte in den letzten Minuten nicht einen einzigen Mucks von sich gegeben, was wirklich ungewöhnlich war.
Normalerweise redete der ältere Zwilling, egal ob er gut oder schlecht drauf war ziemlich viel – nicht so wasserfallartig wie sein Bruder, aber doch regelmäßig mehr als genug...
Der Brünette schob seinen Stuhl ein wenig zurück und streckte die Beine bequem aus, allerdings, ohne sich quasi in seinen Stuhl zu lümmeln.
So wartete er, bis auch Tom seine Nudeln aufgegessen hatte.
Der ließ nicht lange auf sich warten., obwohl er der ersten noch eine zweite Portion folgen ließ.
Er starrte noch einen Moment lang auf seinen Teller, zwang sich dann förmlich ein Grinsen auf und sah Georg an.
„Danke fürs Kochen, Mann. War echt lecker.“
Der Jüngere reckte die Arme in die Höhe.
„Vielleicht solltest du auch morgen den Job des Lieferdienstes übernehmen.“
Tom stand auf.
Georg erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl.
„Danke, aber das, lieber Tom, kannst du vergessen.“
Er folgte Tom, der die Küche verließ.
So einfach würde er den Freund nicht davonkommen lassen.
Erst würde er in Erfahrung bringen, warum der Gitarrist sich so aufführte, auch wenn der sich gerade im Moment nicht anmerken ließ, dass er immer noch an seinem 'Brocken' von eben kaute.
„Koch du doch. Kannst es ja auch.“
Tom steuerte auf sein Zimmer zu.
„Hmm... nee, eher nicht.“
Der Bassist lachte.
„Wie? Du kannst es nicht? Da behauptest du aber immer was ganz anderes.“
Der Gitarrist war gerade dabei in sein Zimmer zu flüchten.
„Moah Georg, ich hab keinen Bock zu kochen, das mein' ich.“
Der Jüngere zog die Tür auf und betrat den Raum.
Direkt darauf wollte er sie hinter sich zudrücken.
Georg hielt ihn davon ab, indem er von außen die Hand dagegen hielt.
„Was soll der Mist?“
Tom zog die Tür so abrupt wieder auf, dass der Bandälteste ins Wanken geriet und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
Er funkelte den Brünetten wütend an.
Das war doch schon mal keine schlechte Basis.
So würde der Zwilling schon mit der Sprache rausrücken.
Er konnte sich noch nie gut längere Zeit zügeln.
„Nicht hier.“
„Was soll das heißen, 'nicht hier'? Was willst du?“
Tom rollte entnervt die Augen, drehte sich um und steuerte kommentarlos sein Bett an.
Georg folgte dem Jüngeren erneut und schloss die Tür hinter sich.
Er setzte sich mit verschränkten Armen neben ihn.
„Und jetzt nochmal: Warum bist du so mies drauf?“
Der Ältere fixierte seinen Freund mit einem Blick.
„Ich zieh übrigens erst Leine, wenn du die Wahrheit ausgespuckt hast.“
Der Gitarrist zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Und wie wollen Sie das bitte überprüfen, Mister Fachabitur? Haben Sie zufällig einen Lügendetektor in Ihrer Hosentasche versteckt?“
Tom lächelte kühl und fixierte den Bassisten nun seinerseits.
Georg lief ein Schauer über den Rücken.
Dieser Blick und dieses Lächeln waren fast schon beängstigend.
Außerdem lief etwas darin, das dort sonst nicht war.
Oder bildete er sich da wieder etwas ein, genau wie mit der Vermutung, dass Tom ihm aus dem Weg ging.
Er fing sich wieder und kommentierte die Frage des Jüngeren:
„Du kannst genauso schlecht lügen wie Bill. Um dich zu entlarven braucht es keinen Lügendetektor, glaub's mir.“
Der Bassist setzte ein leichtes Grinsen auf.
„Und wenn schon. Also ob du wirklich den halben Tag hier sitzen bleiben würdest, wenn ich jetzt die Klappe halte...“
„Willst du es austesten?“
„Irgendwann musst du aufs Klo.“
Tom blitzte Georg triumphierend an.
Der lächelte nur.
„Nicht vor dir. Ich war vor den Kochen erst.“
Georg zog die Beine aufs Bett und drehte sich so, dass er Tom zugewandt dasaß.
Er machte es sich etwas bequemer.
Schließlich hatte er Zeit.
Der Ältere ging nicht davon aus, dass Bill sich so schnell aus dem Bett bequemen und selbst wenn doch.
Selbst der Bandjüngste war nur selten so dreist, einfach in ein Zimmer zu stürzen, ohne vorher anzuklopfen, erst recht nicht, wenn er Gustav, ihren persönlichen Moralapostel dabei hatte.
Und zunächst brauchte der Sänger nach dem Aufstehen erst einmal mindestens eine Tasse Kaffee, um überhaupt in der Lage zu sein, irgendwie aufnahmefähig zu werden...
Tom grummelte.
„Dabei hab ich dir schon längst gesagt, dass Gustav wach war und ich keine Lust mehr hatte, Bill zu wecken...“
„Und weiter?“
„Nichts weiter. Du weißt genau, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mir den Spaß verdirbt.“
Tom schnaubte lautstark und war offensichtlich darum bemüht, den Blickkontakt zu seinem älteren Freund nicht zu unterbrechen..
Nun war es an Georg die Brauen zu heben.
„Was?!“
„Weiter bitte.“
„Da gibt es nichts mehr zu erzählen. Das ist alles.“
Tom würde tatsächlich in nächster Zeit nicht weiter mit der Sprache rausrücken.
Nicht freiwillig.
Also musste er wohl ein wenig ins Blaue hinein raten.
„Du bist nicht echt eifersüchtig auf Gustav, oder?“
Der Jüngere knurrte fast.
„Red keinen Müll. Natürlich nicht.“
Anscheinend lag er mit seiner Vermutlich ziemlich nahe an der Wahrheit.
„Sicher? Ich meine... seit neustem kriegt Gustav Bills volle Aufmerksamkeit und das jetzt sogar nachts.“
„Na und? Soll er doch den mit seinen Fragen löchern....!“
„Das wird er wohl.“
Georg bohrte weiter.
„Und? Sahen sie niedlich aus, unsere beiden Turteltauben? Da konnten sie ja endlich mal 'ne Zeit ungestört sein, ohne drauf Rücksicht zu nehmen, dass es uns vielleicht zu viel wird, was sie treiben...“
Der Ältere wusste genau, dass er es damit ziemlich weit trieb, aber er war sich sicher, dass er damit das Problem relativ genau auf den Punkt traf.
Tom schnaubte wütend.
„Niedlich... pff, wenn du zwei Kerle, die sich im Arm liegen 'niedlich' findest... ich nicht!“
„Du und Bill haben das doch auch regelmäßig gemacht.“
Der Bassist begab sich mit seiner Feststellung auf gefährlich dünnes Eis.
Er war sich jetzt absolut sicher, dass genau das Tom mehr traf, als er jemals zugeben würde.
Zumindest nicht, wenn man ihn nicht lange genug provozierte.
Zwar war er in solch intimen Momenten nie dabei gewesen, aber er wusste, dass die Zwillinge erst aufgehört hatten, ab und an zusammen in einem Bett zu schlafen, als sie ihn und Gustav bereits kannten.
Da betraf es zwar hauptsächlich Tage, an denen einer der Beiden; meist Bill; aus irgendwelchen Gründen am Boden zerstört war, aber es kam durchaus noch vor.
Der Gitarrist spritzte auf.
„Halt die Klappe! Das war ja wohl was völlig anderes und außerdem machen wir das schon seit Jahren nicht mehr!! Wir sind schließlich keine kleinen Kinder mehr...!!!
Jackpot!
„Oh, sorry... ich wollte dir natürlich nicht unterstellen, dass du dir manchmal wünschst, in den Arm genommen zu werden, gerade von Bill, so wie früher eben...“
Georg löste die Verschränkung seiner Arme und stützte die Hände neben sich auf die Matratze.
Er stand lässig auf.
20.) Schmerzhaftes Experiment
Tom zitterte vor Wut.
„Du...-“
Er bleckte die Zähne und zischte:
„Absurd!“
Dann wich er Georgs Blick allerdings aus.
Er sprach wieder leiser weiter.
„Was bildest du dir eigentlich ein, du Vollidiot?“
Der Bassist machte einen Schritt auf seinen jüngeren Freund zu.
Er antwortete ruhig.
„Vielleicht dich zu kennen und mir Gedanken über dich zu machen?“
Georg machte noch einen halben Schritt nach vorne und streckte seine Hand nach Toms Schulter aus.
Der Jüngere schlug die Hand des Bassisten weg.
Der griff schnell nach und erwischte Toms Handgelenk.
„Jetzt dreh mal nicht völlig ab, klar?“
Tom kiekste mit unnatürlich hoher Stimme:
„Fass mich nicht an!!“
Er versuchte sich mit einem Ruck loszureißen, was Georg nur dazu veranlasste, seinen Griff zu festigen.
„Beruhige dich wieder, Mensch. Du tust ja gerade so, also würde ich dich jeden Moment umbringen wollen!“
Georg tat seinem Freund den Gefallen, ihn direkt wieder loszulassen nicht, auch wenn dadurch vielleicht das penetrante Kribbeln verschwunden wäre, das Georgs Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte.
„Man könnte grad' meinen, dass du mir die letzten beiden Tage tatsächlich absichtlich aus dem Weg gegangen bist, so wie du dich aufführst.“
Womöglich hätte es nur ein oder zwei Tage länger gedauert und dieses seltsam Gefühl wäre wieder verschwunden?
Ging es dem Gitarristen etwa so wie ihm jetzt im Moment?
„Gar nichts werde ich!! Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen, verdammt!!!“
Tom holte erneut aus, dieses Mal mit der freien Hand und hieb Georg seine Faust in die Seite.
Dieses Mal war der Bassist nicht schnell genug, um die Hand des Jüngeren abzufangen.
Der Schlag traf ihn mit voller Wucht.
Er stöhnte auf.
„Du hast sie doch nicht mehr alle! Kannst du mir mal verraten, was ich dir getan haben soll, weshalb ich dich noch nicht mal mehr anfassen darf?! Und jetzt gehst du auch noch auf mich los.“
Der Ältere gab Toms Handgelenk frei und stieß ihn mit beiden Händen von sich.
Das musste er sich nun wirklich nicht gefallen lassen!
Tom taumelte rückwärts und verlor zu allem Überfluss auch noch das Gleichgewicht.
Seine Wut steigerte sich immer mehr.
„Du Arschloch!!“
Der Jüngere sprang wieder auf die Füße, machte einen Satz nach vorne und warf sich mit aller Kraft gegen den Brünetten.
Dabei kralle er seine Hände, jeweils auf Schulterhöhe in Georgs Shirt.
Mit einem derartigen Anfall hatte der Bassist nicht gerechnet.
Eigentlich ging er davon aus, dass der kleine, versehentliche Sturz Tom wieder in die Realität zurückholen würde.
Stattdessen schien er jetzt richtig durchzudrehen.
Georg wurde von den Füßen gerissen und konnte gerade noch die Arme nach hinten nehmen, um den Fall mit seinen Ellenbögen.
Noch während der Ältere sich darum kümmerte, dass sein Hinterkopf keine nähere Bekanntschaft mit den Bodendielen machte, begann Tom mit beiden Fäusten auf seinen Oberkörper einzuschlagen.
Er kniete über seinem Freund und schrie ihm eine wüste Beschimpfung nach der anderen an den Kopf.
Wie von Sinnen prügelte er auf Georg ein, obwohl sich eigentlich jede Faser seines Körpers dagegen wehrte.
Seine Fäuste brannten.
Jeder seiner Muskeln war fast bis zum Zerreißen gespannt.
Dass Georg nach Luft japste und seinen Namen keuchte, drang gar nicht wirklich zu dem Gitarristen durch.
Das war kein spielerisches Geplänkel,wie sie es in regelmäßigen Abständen austrugen.
Der Ältere ließ sich auf den Rücken sinken und zog seine Arme nach vorne, nachdem er es nach dem Aufprall endlich geschafft hatte, seine Lungen wieder mit Sauerstoff zu füllen.
Erneut langte er nach Toms Handgelenken, verfehlte sie aber mehrmals und fing sich Fausthiebe auf den Unterarmen ein.
Dennoch schlug er nicht zurück, er wusste genau, dass er, wenn es drauf ankam, um einiges stärker war als sein Freund.
Er wollte ihn nicht unnötig verletzen, auch, wenn sein Gegenüber darauf gerade keinerlei Rücksicht nahm.
Doch irgendwas würde er tun müssen, wenn er nicht noch länger als lebendiger Boxsack dienen wollte.
Endlich bekam Georg beide Handgelenke Toms zu fassen.
Der knurrte wie ein wildes Tier und keifte den Älteren an.
Georg winkelte ein Bein an, schob es zwischen Toms, hob seinen Fuß und keilte schließlich ein Bein des Gitarristen ein, sodass er sich nun nicht mehr ganz so frei bewegen konnte.
Noch ehe der Jüngere völlig realisierte, was hier vor sich ging, warf sich Georg mit voller Wucht zur Seite und rollte sich schließlich auf Tom..
Nun kletterte der Bassist über seinen Freund und setzte sich auf dessen Oberschenkel.
Die Hände des älteren Zwillings drückte er daneben gegen die Dielen.
Er atmete schwer.
Zudem spürte er jetzt, wo er die Gelegenheit hatte, etwas zur Ruhe zu kommen, dass sein ganzer Rücken und sein Brustkorb schmerzten.
„Jetzt werd' endlich wieder normal. Ich finde, langsam hast du genug Dampf abgelassen.“
Georg sah Tom fest in die Augen.
„Du hast mir mit deinem Ausraster einiges verraten, ist dir das klar?“
Der Bassist lehnte sich ein wenig nach vorne, immer darauf bedacht, auf Toms Handgelenke und Beine weiterhin ausreichend Druck auszuüben.
Tom zappelte unter dem Bassisten, angestrengt darum bemüht, von ihm loszukommen.
Er antwortete nicht, funkelte Georg aber wieder böse an.
Dass der Ältere ihn quasi auf dem Boden festgenagelt hatte, trug nicht dazu bei, dass seine Wut schneller verpuffte.
„Trotzdem wüsste ich jetzt wirklich zu gerne, warum ich dich noch nicht mal mehr berühren darf.“
Georg zog beiden Arme Toms nach oben und drückte sie erneut auf den Boden, dieses Mal allerdings auf der Höhe von dessen Gesicht..
„Du gehst mir seit Tagen aus dem Weg... da bin ich mir jetzt absolut sicher. Das war keine Einbildung, so wie du dich aufführst...“
Toms Puls raste.
Sein ganzer Körper fühlte sich an, als würde er jeden Moment verbrennen.
Er hatte das Gefühl, dass ihm der Schweiß aus allen Poren gleichzeitig ausbrach.
Georg hatte es bemerkt.
Er hatte mitbekommen, dass er ihn mied.
Der Ältere wusste Bescheid.
Und er hatte ihn durch seinen Ausbruch eben nur bestätigt.
Was jetzt?
Tom öffnete den Mund.
Er konnte nicht antworten...
Durch die Gedankenflut hatte der Gitarrist seine Gegenwehr völlig vergessen.
Der Verdacht, den Georg hegte, schien sich von Sekunde zu Sekunde mehr zu bestätigen.
„Vielleicht hast du ja einfach Panik, dass...“
Tom stellte mit Entsetzen fest, dass der Ältere sich ihm noch weiter näherte.
Panisch versuchte er noch genügend Kraft zu mobilisieren, um Georg abzuwerfen.
Allerdings wehrte sich ein Teil seines Körpers genau dagegen.
Wäre es nicht die optimale Gelegenheit, die Sache endlich aus der Welt zu schaffen?
Andererseits...
„...es dir genauso gehen könnte wie Bill.“
Georg sprach seine Gedanken laut aus.
Hatte er genau davor Angst?
Aber wie unwahrscheinlich war es denn bitte, dass ihnen beiden...
Warum war Georg überhaupt darauf aus...-
Oh fuck.
Wenn sie beide solche Gedanken wälzten, wuchst das Risiko tatsächlich von Moment zu Moment...
Das durfte einfach nicht wahr sein.
Tom spürte, dass seine Augen zu brennen anfingen.
Nein! Das würde er nicht bringen. Er würde jetzt nicht anfangen zu flennen wie ein kleines Baby!!
Der Gitarrist kniff die Augen zu.
Wenig später spürte er Georgs Lippen auf seinen.
Zudem hatte der Bandälteste, ohne es zu merken, den Griff um Toms rechtes Handgelenk gelöst.
Der riss seine Hand los und verpasste Georg, ohne weiter darüber nachzudenken, eine schallende Ohrfeige.
Zeitgleich drehte er den Kopf ruckartig zur Seite.
„Was fällt dir eigentlich ein?! Du kannst mich doch nicht einfach küssen, wenn ich das nicht will...!!
Toms Stimme zitterte.
Der Ältere ließ nun auch die zweite Hand seines Freundes los.
Er murmelte eine Entschuldigung und richtete dann den Oberkörper auf.
„Kommt nicht wieder vor...“
Tom hatte ihn tatsächlich geohrfeigt...
21.)Zwiespalt
Was hatte er jetzt schon wieder getan?!
Langsam drehte er wirklich durch.
Er konnte doch nicht einfach einen seiner besten Freunde ohrfeigen!
Das davor hatte schon sowas von gereicht... er hatte gnadenlos übertrieben...
Und jetzt?
Rückgängig machen konnte er das alles nicht.
Außerdem hatte Georg ihn immer noch geküsst... - geküsst verdammt!
Oh nein... Georg wollte aufstehen.
Hieß das, er wollte alles einfach auf sich beruhen lassen?
Die Faustschläge, die Ohrfeige, den Kuss, das alles?!
Jetzt sagte sein Freund auch noch absolut tonlos, dass es 'nicht wieder vorkommen' würde...
Er musste etwas tun.
Irgendwas.
Schließlich hatte Georg nicht einmal zurückgeschlagen...!
Das konnte er so doch nicht stehen lassen...
Wenn der Ältere sich doch wenigstens gewehrt hätte, aber so... -
Wenn Georg jetzt ging, dann... -
Er würde ihn vielleicht verlieren.
Sie hatten sich noch nie ohne eine Klärung in irgendeiner Form getrennt, wenn sie sich gestritten hatten und wenn es sich bei dieser 'Klärung' um zwei blutende Nasen handelte...
Und eigentlich wollte Tom doch.... - also...zumindest ein kleiner Teil in ihm, wollte... -
Wieso mussten solche Dinge auch immer so verflixt kompliziert sein?
Darüber konnte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
Georg legte gerade beide Hände neben sich, um sich vom Boden hochzustemmen.
„Nein!“
Tom schlang abrupt beide Arme um den Oberkörper seines Freundes und zog ihn mit einem Ruck wieder zu sich herunter.
Er krallte seine Finger ins Shirt des Bassisten.
Zum ersten Mal, seit sie hier zusammen in seinem Zimmer waren, hatte er das Gefühl, etwas Richtiges zu tun.
„Bleib... bitte!“
Tom zog Georg dich zu sich heran und drückte sein Gesicht in dessen Halsbeuge.
„Ich wollte dich nicht schlagen... also nicht wirklich.“
Natürlich.
Das würde der Brünette ihm auch sofort abkaufen, so wie er auf ihn eingeprügelt hatte.
Georg rührte sich nicht vom Fleck.
Was er gerade erlebte, war ein Kehrtwende um 180 Grad.
Der Gitarrist klammerte sich nun richtig an den Bandältesten.
Er versuchte endlich, sich wieder zu beruhigen.
Georgs Nähe half seltsam effektiv bei diesem Vorhaben, obwohl nach wie vor immer neue Fragen durch seinen Kopf wirbelten, körperlich kam er endlich wieder etwas 'runter'.
Hatte er Georg sehr wehgetan?
Würde er ihm die Ohrfeige übelnehmen?
Wenn ja, warum war er dann noch hier? Es sollte ja kein Problem für den Älteren sein, sich aus seiner Umklammerung zu befreien.
Wieso klammerte er sich hier eigentlich an Georg wie ein Mädchen? Oder auch... wie ein Kind?
Warum war sein Freund so hartnäckig geblieben?
Hatte Georg vielleicht mit allem, was er sagte, voll ins Schwarze getroffen?
Ja, vorhin hatte er sich alte Zeiten zurückgewünscht, aber war das wirklich schon alles?
Georg war immer noch da...
Tom spürte ihn, er hörte und roch ihn... und das nach der Szene, die er ihm gemacht hatte...
Eigentlich hatte er das gar nicht verdient.
Es war völlig absurd, dass der Bassist tatsächlich freiwillig blieb...
Hatte diese Geste etwas mit den Antworten auf seine vielen Fragen zu tun?
Tom nuschelte eine Entschuldigung gegen Georgs Hals.
Himmel, noch weibischer ging es ja kaum.
Der Jüngere löste sein Gesicht von der Georgs Haut und wiederholte:
„Es tut mir leid, Georg...“
Dabei linste er vorsichtig in Richtung des Angesprochenen.
Georg nickte stumm.
Toms Blick fiel auf die Wange seines Freundes, die deutlich gerötet war.
Er konnte es immer noch nicht fassen, was er da getan hatte.
Gleichzeitig kam ihm aber auch wieder der Grund für den Schlag ins Gesicht in den Sinn.
Tom schluckte und löste eine Hand aus der Umklammerung.
Seine Finger fanden automatisch ihren Weg zu Georgs Wange.
Er strich leicht über die malträtierte Haut.
„Wirklich... sorry, ich...- Tut's sehr weh?“
Der Bassist schüttelte leicht den Kopf.
„Es geht.“
Seine Haut im Gesicht brannte immer noch, allerdings spürte er davon deutlich weniger, als von dem Aufprall, den sein Rücken mitmachen musste.
Dieses Detail behielt er allerdings für sich.
Der Jüngere atmete erleichtert auf.
Immerhin etwas.
Georg schob eine Hand in Toms Nacken und eine unter seinen Rücken.
Der ließ sich reflexartig gegen die Hände des Älteren sinken und schloss die Augen.
Er seufzte leise.
„Das geht doch alles nicht... ich bin doch kein Mädchen, Georg...“
Der Bassist gluckste.
„Das hab ich gerade merken müssen. So schlägt kein Mädchen zu.“
Er lächelte.
„Außerdem kennen wir uns schon etwas länger... glaub' mir, ich weiß, dass du definitiv kein Mädchen bist.“
Tom brummte.
„Was soll das hier dann alles?“
Er öffnete die Augen wieder und sah Georg an.
Kaum, dass sich ihre Blicke wieder trafen, war da dieses Gefühl... das, das er vorhin schon hatte. Es fühlte sich richtig an, hier zu sein.
Trotzdem konnte er das doch nicht einfach so hinnehmen.
Er war nicht Bill.
Bill...-
Tom fuhr zusammen.
Er löste die Umarmung und robbte nach hinten.
Sein Bruder musste von dem ganzen Theater aufgewacht sein.
Er und Gustav hatten bestimmt alles gehört...!
Alles, bloß das nicht!
Georg bemerkte, dass der Jüngere versuchte, von ihm wegzukommen.
Er richtete sich etwas auf.
„Alles in Ordnung?“
Tom schüttelte den Kopf.
„Zu laut... - Bill!“
Die Panik war wieder da.
„Was, wenn er...? Er hat bestimmt...-“
Er rutschte weiter nach hinten, bis er vor Georg saß.
Dabei schüttelte er wieder den Kopf.
„Ich.... versteh das eben bitte nicht falsch, das...-“
Den hatte er ganz vergessen.
Und dank 'Bill' waren sie jetzt wohl wieder ganz am Anfang.
Aber was hatte er eigentlich erwartet?
Georg nickte.
„Schon klar...“
Klang der Ältere etwa enttäuscht?
Das war unmöglich.
Tom stand auf und zupfte seine Klamotten zurecht.
Dabei war er still und lauschte.
Nirgends verdächtige Geräusche.
Allerdings war es völlig ausgeschlossen, dass die anderen Beiden rein gar nichts gehört hatten...
Er hatte Georg immerhin angeschrien, als er ihn geküsst hatte.
Der Gitarrist erschauderte.
Das war der entscheidende Satz gewesen... ohne ihn ginge das Ganze vielleicht sogar als normaler Streit durch...
Aber so...-
Tom musterte Georg, der sich inzwischen ebenfalls aufgerappelt hatte.
Der Ältere rieb sich mit einer Hand den Rücken und vermied offenbar den Blickkontakt zu ihm.
Anscheinend machte der Jüngere es ständig schlimmer, vor allem dadurch, dass er sich selbst in seinem Handeln und mit Worten widersprach.
Eben wollte er noch bei Georg sein und jetzt stieß er ihn wieder von sich und das nur, weil er Panik hatte, dass sein jüngerer Bruder und dessen Freund etwas gehört haben könnten.
Aber was sollte er denn machen?
Schon wieder diese Frage...
Georg räusperte sich.
„Also dann...“
Der Bassist hob die rechte Hand und drehte sich um.
„Ich bin dann mal... mein Geschirr spülen....“
22.) Bills Entschluss
Bravo.
Er hatte sich gerade total zum Deppen gemacht.
Tom zu küssen.
Das war doch absolut lebensmüde!
Vor allem, da der ihm auch noch entgegen geschrien hatte, er solle ihn nicht anfassen.
Was hatte er sich dabei nur gedacht?
Wollte er sich selbst etwas damit beweisen?
Genau das hatten Gustav und Bill anscheinend auch schon versucht, und mussten genau das Gegenteil feststellen.
Aber die wollten wenigstens beide das Gleiche herausfinden und waren leise genug, um das für sich ausprobieren zu können.
Den Punkt hatte Georg gnadenlos vermasselt.
Jetzt wussten auch noch garantiert alle über seinen Fehler Bescheid.
Aber kurzzeitig sah es wirklich so aus, als würde er für seine Waghalsigkeit tatsächlich belohnt werden.
Zwar war es ihm ein Rätsel, warum er Toms Anhänglichkeit als 'Belohnung' empfunden hatte, aber diese Tatsache gehörte nun einmal in die selbe irre Schublade wie der Kuss, von eben.
Hatte es ihn also wirklich schon genauso 'erwischt' wie Gustav und Bill...?
Der Bassist schob nachdenklich sein Geschirr im Spülwasser umher und reinigte es mit eher automatisch als gezielt.
Wenn dem aber wirklich so war, dann konnte er es doch nicht einfach so weiterlaufen lassen, oder?
Andererseits würde er genau das machen müssen, denn so wie er und Tom auseinander gegangen waren, musste einfach der Jüngere auf ihn zukommen...
***
(etwas früher bei Bill und Gustav...)
„Hmnnhh...“
Bill stöhnte auf und versuchte sich sein Kissen über den Kopf zu ziehen.
Dann fiel ihm wieder ein, wo und mit wem er sich befand.
Er lächelte, trotz der Störung und kuschelte sich an seinen Freund.
Der Sänger gähnte herzhaft und murmelte:
„Hmm... bin wohl doch nochmal eingeschlafen...“
Er strich Gustav mit den Fingerkuppen über den Hals.
„Was is' denn los? Warum mach'n die so 'nen Lärm?“
„Sie streiten...“
Bill war mit einem Mal hellwach.
„Seit wann?“
Gustav konnte nicht andes als leicht zu schmunzeln.
„Noch nicht lange... oder sagen wir so, sie sind gerade erst lauter geworden. Aber meinst du nicht, dass dich das eigentlich nichts angeht?“
Der Drummer knuffte Bill leicht gegen die Schulter.
Der Jüngere verdrehte die Augen und drängte sich näher an seinen Freund.
Er zischte aufgeregt:
„Schhht... sei still, sonst versteh' ich nichts...!“
Der Blonde fügte sich in sein Schicksal.
Er hatte sowieso keine Chance und zugegebenermaßen war er auch durchaus neugierig.
So eine hitzige Diskussion hatten sich die beiden Anderen schon seit einer Weile nicht geliefert.
~„Fass mich nicht an!!“~
Bill spitzte die Ohren und klammerte sich aufgeregt an seinen Freund.
Er atmete so flach und leise wie nur irgendwie möglich.
~„Gar nichts werde ich!! Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen, verdammt!!!“~
~„Du hast sie doch nicht mehr alle! Kannst du mir mal verraten, was ich dir getan haben soll, weshalb ich dich noch nicht mal mehr anfassen darf?! Und jetzt gehst du auch noch auf mich los.“~
Der Sänger drückte seine Fingernägel vor lauter Aufregung in Gustavs Haut.
Im Nachbarzimmer hörte es sich an, als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen.
Nur Momente später ergoss sich eine Salve Schimpftiraden, über die Sekunden andauernde Stille.
Tom schien maßlos wütend zu sein.
Er hauchte fast tonlos:
„Ich würde zu gerne wissen, was da drüben los ist...“
Bill drängte sich noch enger an Gustav, als es im Nachbarzimmer plötzlich leiser wurde.
Ihre Bandkollegen redeten zwar noch, aber zurzeit so, dass er den genauen Wortlaut nicht aufschnappen konnte.
Dann schwiegen beide offenbar völlig.
Der Sänger hielt den Atem an.
Von einer Sekunde auf die nächste wurde Tom auch schon wieder laut.
~„Was fällt dir eigentlich ein?! Du kannst mich doch nicht einfach küssen, wenn ich das nicht will...!!~
Bill quietschte aufgeregt:
„Waas?!“
Seine Finger drückten noch etwas fester zu, bis Gustav seine Handgelenke nacheinander ergriff und seine Hände ein Stück weit nach hinten zog.
Der Jüngere rutschte nun unruhig auf der Matratze herum und versuchte, Gustav noch näher zu kommen.
Er flüsterte:
„Sag mir, dass du das auch gehört hast...“
Gustav nickte.
„Es war kaum zu überhören...“
Der Sänger kiekste:
„Das ist so aufregend...!“
Sein Freund ergänzte:
„Und... lebensmüde... Tom hat Georg doch angeschrien, er solle ihn nicht anfassen.“
Bill und Gustav wurden beide wieder leise, um den Moment nicht zu verpassen, in dem einer der Beiden im Nachbarzimmer die wieder herrschende Stille brach.
Der Drummer war nun in etwa genauso gespannt auf die nächste Reaktion wie sein Freund.
~„Nein!“~
Tom pausierte kurz.
~„Bleib... bitte!“~
Der Jüngere sah Gustav ebenso verdutzt wie erfreut an.
Er schlang seine Arme um seinen Freund.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Tom so etwas sagen würde... nicht nach der Szene.“
Bill küsste den Älteren stürmisch.
„Das ist ja wundervoll!“
Gustav war skeptischer als der Sänger.
„Abwarten was noch kommt. Ich traue dem Frieden da drüben nicht...“
„Hmm...“
Bill nickte.
Sie lauschten wieder gemeinsam.
Einige Minuten später meinte der Jüngere seinen Namen zu hören.
Toms Stimme klang alles andere als gut.
Georg schien eine Antwort zu murmeln.
Kurz darauf öffnete sich Toms Zimmertür und schloss sich nur Momente später leise wieder
Bill stöhnte auf.
„Der Idiot hat ihn verjagt, oder?“
„Scheint ganz so.“
„Und was hat das bitte mit mir zu tun?“
„Darüber könnte ich jetzt nur spekulieren...“
Bill löste sich von seinem Freund, wälzte sich auf den Rücken und setzte sich schließlich auf.
Er raufte sich die Haare.
„Argh... das hätte jetzt so romantisch werden können...!“
Gustav streckte sich und setzte sich dann ebenfalls auf.
„Ach komm, du übertreibst. Tom und romantisch? Und das vor allem nach der Szene?“
Der Jüngere ballte seine Hand zur Faust und ließ sie auf die Bettdecke sausen.
Er seufzte gedehnt.
„Natürlich... gerade nach der Szene, die er Georg gemacht hat. Er hatte gerade so viel... Energie!“
Der Drummer gluckste.
„Du bist echt ein rettungsloser Romantiker...“
Er strich seinem Freund durchs Haar.
„Wir reden hier von deinem Bruder. Tom. Wenn jemand absolut unromantisch veranlagt ist, dann er.“
Bill schüttelte bestimmt den Kopf.
„Das ist nicht wahr.“
Der Sänger wandte sich dem Älteren zu.
Seine Augen funkelten geradezu vor Eifer.
„Er hatte nur noch nie einen Grund romantisch zu werden, weil ihm seine bisherigen Bekanntschaften nicht wichtig genug waren.“
Der Dunkelhaarige war von seiner Aussage anscheinend so dermaßen überzeugt, dass er fast ansteckend wirkte.
Gustav musste leicht grinsen.
„Du meinst, bei Georg wäre das etwas anderes?“
Der Jüngere nickte.
„Eindeutig. Ich meine, Georg hat ihn geküsst und er hat ihn bevor es anscheinend wieder vermasselt hat, gebeten zu bleiben.“
Bill holte tief Luft.
„Dummerweise redet er sich, seit er weiß, dass es Jungen und Mädchen gibt und die was miteinander anfangen können, sehr überzeugend ein, dass er absolut hetero ist.“
„Hast du das nicht auch gemacht?“
„Nicht so vehement wie er.“
Gustav nickte.
„Hm, okay, das glaub ich dir sogar aufs Wort...“
Bill ließ seine Stirn auf die Schulter des Blonden fallen.
Er stöhnte auf.
„Ich muss irgendwas tun... So wie Tom sich momentan anstellt, schafft er es ansonsten vielleicht noch, Georg sogar als Freund zu verlieren...“
„Ähm... Bill...“
„Pscht... sag nichts!“
23.) Ungewohnte Hilfsbereitschaft
Er hatte also beschlossen sich einzumischen, allerdings hatte er selbst noch keinen genauen Plan, wie er das anstellen wollte.
Wenn er sich allzu dumm dranstellte, würde Tom ihm vielleicht noch an die Gurgel gehen.
Außerdem wäre er seinem Bruder dann erst recht keine Hilfe.Der würde sich nur noch sturer gegen jeden Schritt sträuben, den er auf Georg zumachen könnte.
Zudem wussten weder Bill noch Gustav, aus welchem Grund heraus Georg Tom geküsst hatte.
Sie wussten nur, dass der Gitarrist zuerst ausgeflippt war, den Älteren dann aber sich bei sich haben wollte und was genauso wichtig war: Georg war geblieben, solange, bis sein jüngerer Freund wieder anfing sich gegen die Nähe zu wehren, so schlussfolgerte Bill zumindest, weil Georg erst gegangen war,nachdem sein Name fiel.
Definitiv müsste er erst einmal die Lage checken, was bedeutete, dass er sich endlich aus seinem gemütlichen Bett zu bewegen hatte.
Der Bandjüngste streckte sich und setzte sich anschließend auf.
„So, genug gefaulenzt. Ich hab jetzt Kohldampf!“
Bill kletterte aus dem Bett.
Er ging zu seinem Kleiderschrank und zog sich frische Kleider aus den Regalen.
„Ich geh mich nur fix anziehen.“
Der Sänger eilte schon fast aus dem Zimmer in Richtung Badezimmer.
Gustav stand schnell ebenfalls auf.
Zwar war er nicht ganz unfroh darüber, dass sein Freund tatsächlich langsam aktiv wurde, allerdings zweifelte er an dessen Beweggründen.
Wenn Bill sich in eine nicht wirklich vorhandene Beziehung zwischen Tom und Georg einmischte, dann konnte das in einer Katastrophe enden...
Allerdings konnte der Jüngere auch sehr überzeugend sein wenn er wollte.
Ob er wohl schon einen Plan hatte?
Die letzten Minuten war er mucksmäuschenstill gewesen und hatte anscheinend angestrengt nachgedacht.
Ehe der Schlagzeuger sein eigenes Zimmer aufsuchte, öffnete er noch das Fenster in Bills.
Keine zehn Minuten später trafen sich die Beiden wieder vorm Zimmer des Sängers, sogar beide frisch geduscht.
Bill hatte sich ausnahmsweise extrem beeilt und Gustav sehr schnell das Badezimmer überlassen.
Nun gingen sie gemeinsam in Richtung Küche.
Dort trafen sie auf Georg, der immer noch mit den Händen im Spülwasser rührte.
Dass er dies schon seit mehr als einer Viertelstunde tat,obwohl es kaum etwas zum Spülen gab, wussten der Drummer und sein Freund nicht.
Allerdings war ihm deutlich anzusehen, dass der Bandälteste seinen Gedanken nachhing, ohne dabei wirklich auf das zu achten, was er zeitgleich machte.
Ab und an legte er etwas zum Abtropfen neben das Spülbecken oder nahm sich genau von dort wieder etwas weg, was zweifelsohne völlig sinnfrei war.
Bill holte zwei saubere Teller, sowie Besteck und belud beide mit einer riesigen Portion Nudeln und Soße.
Er stellte den ersten in die Mikrowelle und startete diese.
Dann ging er hinüber zum Spülbecken, schnappte sich ein trockenes Geschirrhandtuch und warf es Gustav zu.
Anschließend schob er sich neben Georg und tauchte seine Finger ins Spülwasser, das eigentlich nur noch eine leicht getrübte Brühe was und seinen Namen keinesfalls mehr verdiente.
„Das ist eiskalt und sauber kriegst du damit auch nichts mehr.“
Der Sänger zog den Stöpsel, setzte ihn wieder auf den Abfluss, nachdem das Becken leergelaufen war und begann frisches, heißes Wasser einlaufen zu lassen.
Währenddessen gab er einen Schuss Spülmittel ins Wasser.
Er begann das Geschirr zu reinigen, während Gustav schmunzelnd abtrocknete und Georg ihn halbwegs verdutzt ansah.
„Komm, das Bisschen schaffen wir, bis beide Portionen Nudeln heiß sind.“
Der Bassist hielt damit inne, im Wasser zu plantschen.
Sein Blick verlor an Abwesenheit und er fixierte Bill.
„Seit wann bist ausgerechnet du hilfsbereit? Noch dazu im Haushalt. Hast du zufällig gerade mein Glätteisen zerschmettert, oder irgendwas anderes in der Art angestellt?“
Sekunden später veränderte sich der Blick des Brünetten.
Er sagte aber nichts mehr.
Bill lächelte.
„Ach komm, da will man dir ohne Hintergedanken helfen und du reagierst sowas von dermaßen misstrauisch... Ich könnte jetzt beleidigt sein, weißt du das?“
Die Mikrowelle piepste und der Sänger warf seinem blonden Freund einen bittenden Blick zu, woraufhin dieser rasch die Teller austauschte.
Der Sänger stellte den letzten Topf zum Abtropfen zur Seite und legte Georg dann grinsend eine seiner nassen Hände auf die Schulter.
Anschließend ging er endlich wieder ein klein wenig auf Abstand zu dem Bassisten und trocknete sich an Gustavs Handtuch, der inzwischen wieder bei der Arbeit war, die Finger.
Ehe er das Tuch wieder losließ küsste er seinen Freund.
Er strich ihm lächelnd durchs Haar und schlenderte dann durch den Raum, nicht ohne dabei aus dem Augenwinkel einen Blick auf Georg zu werfen, um die zweite Portion Nudeln zu holen.
Der Ältere fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut.
„Danke Georg, dass du uns was mitgekocht hast“, sagte er, als er die Teller einander gegenüber auf der Tischplatte abstellte.
Bill holte noch Gläser, füllte sie direkt, setzte sich und wartete auf den Drummer.
„Hm, schon okay. Wenn ich doch sowieso dabei bin...“
Dieses Mal ließ der Bassist das Wasser und trocknete sich gründlich die aufgeweichten Hände.
Anschließend steckte er sie rasch in die Hosentaschen.
Dann stand er unentschlossen im Raum und beobachtete, wie Bill seinem Freund eine Gabel voll Spaghetti vom Teller stibitzte.
Jetzt wollte er doch lieber ganz schnell weg von hier, bevor Bill vielleicht noch auf die Idee kam, Gustav damit füttern zu wollen.
Der Bandälteste drehte sich in Richtung Tür und setzte sich in Bewegung.
„Guten Appetit.“
„Danke“, antwortete Bill vergnügt und schob eine Frage nach:
„...aber willst du dich nicht zu uns setzen? Du hast doch sowieso nichts Besseres zu tun.“
Georg blieb stehen und warf Bill über die Schulter einen flüchtigen Blick zu.
„Na ja, ich wollte eigentlich eine Runde schwimmen gehen. Das Wetter ist gerade optimal und für später haben sie Regen angekündigt und weil wir doch übermorgen schon wieder abreisen...-“
„Ach, sag bloß,ich habe dir noch gar nicht gesagt,dass ich die Buchung um eine Woche verlängert habe. Tut mir echt leid.“
Bill grinste.
„Na ja,jetzt solltest du dir ja keine Sorgen mehr wegen des bisschen Wassers machen müssen.“
„Oh,also, ich hatte heute aber auch noch keine Bewegung und so langsam...-“
Er tappte wieder los.
„Geo~rg, komm, die paar Minuten.“
Der Sänger schob sich seine Nudeln in den Mund, kaute genüsslich und fragte nach dem Unterschlucken:
„Willst du uns nicht wenigstens verraten, wie du auf die Idee kamst, Tom nochmal zu küssen und das, wo ihr euch doch vorher schon ziemlich in die Haare gekriegt hattet?“
Der Bassist spannte kurzzeitig jeden Muskel seines Körpers an und sank dann von einem Moment auf den anderen fast in sich zusammen.
Er schüttelte den Kopf und antwortete leise:
„Nein, eigentlich will ich das nicht...“
Da er aber genau wusste, dass es nun kein Entkommen mehr gab, machte er kehrt und setzte sich schließlich neben Gustav.
Bill setzte seine Mahlzeit zufrieden fort.
Immerhin Georg würde also keine größeren Schwierigkeiten machen, so wie es aussah. Das war doch schon einmal ein guter Anfang.
Gustav klopfte seinem Freund aufmunternd auf den Rücken, worauf dieser zusammenzuckte und leise aufstöhnte.
„Jetzt komm, du tust ja gerade so, als wär' ich drauf und dran dich zu verprügeln. So fest hab ich nun wirklich nicht zugeschlagen...“
Georg verdrehte die Augen und antwortete nicht.
24) Angebot
Bill sah Georg fragend an. Er hob die Brauen und durchbohrte den Älteren fast mit seinem Blick, während er langsam kaute.
Der Bassist wich dem Dunkelhaarigen aus und fixierte angestrengt die Tischplatte.
„Jetzt starr mich doch nicht so an. Tom war nicht gerade zahm wie ein Lamm, als ich versucht habe herauszubekommen, warum er mir aus dem Weg geht,okay?“
Georg verschränkte die Arme vor sich auf der Tischplatte.
„Darum warst du also dort.“
Bill schob seinen Teller von sich und lehnte sich ein wenig nach vorne.
„Inwiefern war Tom 'nicht gerade zahm wie ein Lamm'?
Georg drückte sich mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht gegen die Stuhllehne, als könnte er durch die gewonnenen fünf Zentimeter Abstand vor Bills Frage fliehen.
Er senkte die Stimme zu einem missmutigen Brummen.
Der Jüngere würde sowieso nicht locker lassen. Warum machte er sich also überhaupt die Mühe irgendwelche Antworten hinauszuzögern?
„Er ist auf mich losgegangen... und zwar so, dass er mich von den Füßen geholt hat. Und ehe du weiter bohrst: Dann hat er so lange auf mich eingeschlagen, bis ich seine Hände erwischt, uns gedreht und mich auf seine Beine gesetzt habe.“
Der Sänger stand, nachdem Gustav sein Mittagessen nun ebenfalls beendet hatte, auf, trug seinen und den Teller seines Freundes zum Spülbecken und baute sich anschließend vor den beiden Sitzenden auf.
„Kommt, wir gehen raus. Dort sitzt und spricht es sich angenehmer als hier in der Küche. Außerdem landet Tom in den nächsten Stunden sicher eher vorm Fernseher als draußen auf der Terrasse.“
Bill stapfte bereits los, ohne sich mit einem weiteren Blick zu versichern, dass die Anderen ihm folgten.
Dem Bandältesten war es eigentlich egal, wo man ihn löcherte, also fügte er sich den Anweisungen des Sängers, stand auf und folgte ihm durch Küche und Wohnzimmer nach draußen, in Begleitung von Gustav, der Bill komplett das Wort zu überlassen schien.
Draußen ankommen dirigierte dieser Georg kurzerhand zu einem der Liegestühle, bedeutete ihm mit leichten Druck auf die Schulter sich zu setzen und nahm dann selbst neben ihm Platz.
Gustav beanspruchte den Liegestuhl gegenüber für sich.
„Er hat dir also ganz schön zugesetzt... Darf ich mal sehen?“
Bill setzte einen fragenden Blick auf.
„Was sehen?“
„Deinem Oberkörper.“
„Hrmm...“
Georg zögerte einen Moment und wollte die Frage zunächst verneinen. Schließlich tat das nichts zur Sache.
Dann zog er aber doch sein T-Shirt über den Kopf und legte es neben sich.
Bill musterte ihn direkt eingehend und auch Gustavs Blick haftete auf ihm, was ihm eine leichte Röte ins Gesicht trieb.
Der Sänger pfiff leise durch die Zähne.
„Das sieht tatsächlich ziemlich übel aus. Da hat Tom ganze Arbeit geleistet...“
Bill strich mit den Fingern vorsichtig über Georgs Rücken.
„Warum hast du nicht mal zurückgeschlagen? Du bist doch definitiv stärker als er?“
Georg traute seinen Ohren kaum und sah Bill verdutzt an.
„Ist ja echt niedlich, wie du jetzt dreinschaust. Lässt Tom einfach auf dich einprügeln, ohne dich zu wehren und schaust als wäre die bloße Vorstellung an das Gegenteil das Abwegigste dieser Welt.“
Der Bandjüngste zeichnete die Kontur eines besonders großen blauen Flecks mit seinem Zeigefinger nach.
Bill lächelte.
„Du konntest ihm wirklich keine reinhauen, oder? Aus Angst ihn tatsächlich zu verletzten. Oder hattest du noch andere Gründe?“
„Er... er kann doch nichts dafür, dass er im Moment durcheinander ist... geht mir doch nicht anders...“
Der Sänger legte Georg freundschaftlich einen Arm um.
Er gluckste leise.
„Dich hat's echt schon mehr erwischt, als du bis jetzt wahrscheinlich wahrhaben willst... nur weil Tom mit 'nem Gefühlschaos kämpft, musst du dich noch lange nicht von ihm verprügeln lassen.“
Bill legte seinen Kopf auf die Schulter des Bassisten und blieb einige Momente still sitzen, um dem Älteren eine Chance zu geben, seine letzte Aussage zumindest ein wenig sacken zu lassen.
Er ging nämlich nicht davon aus, dass Georg sich tatsächlich schon hundertprozentig eingestanden hatte, in Tom verliebt zu sein.
„Aber er hat dich verdammt gerne. Jeden anderen Kerl hätte er umgebracht, wenn er auch nur versucht hätte, ihm seine Lippen aufzudrücken. Bei dir hat er es gleich zweimal zugelassen...“
Georg schwieg noch immer und starrte dabei auf seine Knie.
Gustav konnte von seiner Position aus beobachten, wie sein Freund zunächst blass wurde und schließlich, als Bill wieder zu reden ansetzte, rasant an Farbe gewann.
Die körperliche Nähe zu dem Dunkelhaarigen tat sicher ihr Übriges.
Der Drummer lächelte Bill zu.
Er hätte nicht gedacht, dass der Jüngere bei seinem Vorhaben so auf Einfühlsamkeit bedacht vorgehen würde.
Zwar war er sehr direkt, aber er explodierte nicht vor spürbarem Tatendrang, was in aller Regel zu witzigen, bis zutiefst peinlichen Situationen für alle Beteiligten führte.
Bill erwiderte Gustavs Lächeln, formte seine Lippen kurz zu einem Kussmund und setzte erneut zu sprechen an.
„Du musst dir jetzt überlegen, ob du ihn haben willst. Falls du dich dagegen entscheidest, musst du ihm das klipp und klar sagen. Dann wäre es allerdings verdammt schlecht, wenn er sich schon in dich verknallt hätte, wonach es für mich übrigens aussieht...“
Dass er Georg in diesem Falle schreckliche Schmerzen bereiten müsste, weil er seinen Zwilling quälte, behielt der Sänger für sich, weil er mit ziemlicher Sicherheit wusste, dass der Brünette den anderen Weg wählen würde.
„Falls du Tom aber für dich gewinnen willst, werde ich dir helfen...“
Bill lächelte und hob seinen Kopf von Georgs Schulter.
„...weil ich weiß, dass er bei dir prinzipiell gut aufgehoben ist, wenn du nicht gerade den absoluten Tollpatsch markierst.“
Der Bandjüngste stand auf, ging zum Liegestuhl seines Freundes hinüber, setzte sich zu ihm, schlang ihm beide Arme um den Hals und brachte seine Lippen dicht an Gustavs Ohr.
„Sei so gut und massiere ihn ein wenig... aber nicht so lange, bis er vor Schmerzen heult.“
An Georg gewandt fügte er hinzu:
„Und du denkst dabei in aller Ruhe noch etwas nach.“
Gustav nickte, drehte seinen Kopf leicht zur Seite und hauchte Bill einen Kuss auf die Wange.
Der löste seine Arme von dem Blonden und ließ ihn aufstehen.
Momente später platzierte der Schlagzeuger sich hinter Georg.
Er strich ihm mit leichtem Druck einmal über die gesamte Länge des Rückens.
Leise murmelte er:
„Ausnahmsweise hat er meiner Meinung nach mal mit allem, worüber man sich streiten könnte recht...“
Bill zog eine Braue in die Höhe und sah Gustav herausfordernd an, fing aber nicht an mit ihm zu diskutieren.
Stattdessen machte er es sich so bequem wie möglich und beobachtete Gustavs Hände, die gerade begannen, ausgiebig die Schultern des Bandältesten zu bearbeiten.
Er seufzte leise.
Jetzt, wo er sich wieder etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte er Georgs Reaktion nur schwer abwarten...
Tag der Veröffentlichung: 21.06.2011
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