Mein erster Oneshot hier. Tokio Hotel gehören sich selbst und meine Story entspringt mit großer Wahrscheinlichkeit lediglich meiner Phantasie.
Viel Spaß beim Lesen!
Hobbypsychologie
„Ich liebe dich...“
Der Drummer räusperte sich und fuhr sich mit einer Hand nervös durch die Haare.
Aus seinem Mund drang ein unverständliches Gemurmel.
Kurz darauf drehte er sich mit bemüht gefasster und gen Boden gerichteter Mine zum Gehen.
Bill stieß sich lautlos vom Türrahmen ab und überlegte einen Moment lang, ob er schnell verschwinden sollte.
Aber er war viel zu neugierig, um sich aus dem Staub zu machen.
Zu gerne würde Bill wissen, an wen diese Liebeserklärung adressiert war.
Sie hing noch spürbar in der Luft, allerdings ohne jemanden in Gustavs Nähe, der sie hätte hören können.
Abgesehen von ihm natürlich.
Also ging der Sänger einige Schritte auf die Terrasse hinaus und blieb dann stehen.
Er zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche, angelte sich einen der Glimmstängel und zündete ihn an.
Beim klickenden Geräusch, das das Feuerzeug verursachte sah Gustav abrupt auf.
Er setzte ein Grinsen auf und murmelte den Namen des Sängers, offensichtlich darum bemüht, seine Überraschung bestmöglich zu überspielen.
„Auch eine?“
Bill hielt dem Blonden die Zigaretten entgegen.
Dieser nickte, ging auf seinen Freund zu, nahm sich eine Kippe und ließ sie sich anzünden.
„Danke.“
Der Sänger grinste leicht und steckte die Packung, sowie das Feuerzeug wieder ein.
„Was machst du hier?“, fragte Bill.
Gustav nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
„Im Gegensatz zu dir hab ich manchmal das Bedürfnis nach frischer Luft.“
Bill nickte und sie rauchten eine Weile schweigend, bis er unvermittelt wieder ansetzte:
„Hat sie beim Nachdenken geholfen?“
Der Drummer hob seine Brauen leicht in die Höhe.
„Ja, Sauerstoff hilft in der Regel, dass man sich besser konzentrieren kann.“
Der Dunkelhaarige schnippte etwas Asche auf die Fliesen.
„In der Regel ja? Und heute?“
Gustav wanderte über die Terrasse und entsorgte seine Kippe im nächsten Aschenbecher.
Bill folgte ihm und tat es ihm gleich.
„Worauf willst, du hinaus, Bill?“
Der Angesprochene wand sich etwas unter dem nun direktem Blick seines Freundes.
Er holte tief Luft.
„Ich hab dich gehört... also eben...“
Gustav stöhnte merklich entnervt auf.
„Okay, ist nicht zu ändern und weiter?“
Bill ließ sich auf der Kante des Gartentischs nieder und sah den Schlagzeuger erwartungsvoll an.
„Und weiter? Und weiter?! Gustav!! Wann? Wie? Wo? Wer?? Ich will alles wissen! Vielleicht kann ich dir ja helfen...!
Ob der Frageflut musste Gustav unweigerlich leicht grinsen.
Er schüttelte den Kopf.
„Dir ist aber schon klar, dass dich das einen feuchten Dreck angeht, oder?“
Bill schnappte nach Luft.
Es war ihm nur allzu deutlich anzusehen, dass er versuchte sich eine möglichst stichhaltige Widerrede zurechtzulegen, um doch an die gewünschten Informationen zu kommen.
„Sobald du dich da jetzt in was verrennst und es auf die Band abfärbt, geht es mich sehr wohl etwas an... spätestens dann. Außerdem bist du mein Freund. Wehe du fängst jetzt an, irgendwas in dich reinzufressen. Ich kenn' dich sehr gut, mein Lieber. Erst Liebeserklärungen proben, dann aber doch nicht die Zähne auseinander kriegen. Garantiert. Du stellst dich in der Beziehung doch jedes Mal dran wie der letzte Vollidiot und...“
Gustav verschränkte die Arme vor der Brust.
„Aha? Und wann ist bitte jedes Mal? Weißt du mehr als ich? Ich persönlich kann mich kaum daran erinnern, wann ich zuletzt auch nur in einer ähnlichen Situation gesteckt hätte.“
„Na ja... jaaa... das ist schon länger her, aber vielleicht gerade, weil du dich so...“
Die Augenbrauen des Drummers zogen sich weiter in die Höhe.
„Ach vergiss es...“
Bill setzte vorsichtig erneut an:
„Aber vielleicht... kann ich dir ja wirklich helfen, wenn du mir alles erzählst...?“
Der Jüngere legte seinen Kopf schief und blinzelte in Gustavs Richtung.
Dieser lachte hohl auf.
„Tipps vom 'Profi', oder wie? Wenn ich die wollte, sollte ich vielleicht eher Tom, oder auch Georg fragen, statt dich.“
Bill schnaubte.
„Natürlich, wo ausgerechnet Tom auch so viele Erfahrungen in Sachen Liebe gemacht hat.“
Einige Momente später fügte er keck an:
„Du behauptest doch immer, dass ich mich manchmal wie ein Mädchen aufführen und denken würde, also bin ich wohl tatsächlich der perfekte Ansprechpartner für dich.“
Gustav wollte widersprechen und öffnete bereits den Mund, allerdings konnte er nicht abstreiten, dass er dergleichen tatsächlich schon in manch entnervender Situation gesagt hatte, also zog er es vor den Mund zu halten.
Der Sänger grinste triumphierend, ließ sich von der Tischkante rutschen und zog stattdessen einen Stuhl vom Tisch weg, auf den er sich niederließ.
Er winkte Gustav zu sich und deutete auf den Nachbarstuhl.
„Setz dich.“
Mit den Augen rollend kam der Blonde Bills Aufforderung nach. Je länger er Widerstand leisten würde, desto aufdringlicher würde sein Gesprächspartner werden, ganz zweifellos...
„So... dann wollen wir nochmal ganz von vorne anfangen: Wann und wo hat's dich 'umgehauen'?“
Gustav brummte unwillig:
„Wozu soll das bitte gut sein?“
Bill lächelte sanft.
„Ich muss die Situation erst einschätzen können. Und?“
„Hier... 'or ein paar Monat'n“, murmelte der Drummer.
Zur Antwort erhielt er ein leichtes Nicken.
„Na immerhin, zumindest in deiner momentanen Heimatstadt. Das ist nicht unpraktisch, zumindest, wenn wir mal längere Zeit nicht unterwegs sind. Ein paar wenige, oder schon eher viele Monate?“
„Hmm... kommt drauf an...“
Bill unterdrückte ein Aufseufzen.
„Wie viele, Gustav?“
Ebenso fragend kam die Antwort zurück:
„Sieben... vielleicht acht?“
Wieder ein Nicken.
„Geht doch. 'Liebe auf den ersten Blick' oder kanntet ihr euch schon, bevor es bei dir 'klick' machte?“
Gustav fühlte sich nach wie vor nicht wohl in seiner Haut, aber er fügte sich in sein Schicksal. Zugegebenermaßen schaffte Bill gerade mit seinen gezielt gewählten Fragen das, was der Ältere seit Wochen versuchte: Er brachte etwas Ordnung in sein Gedankenchaos...
„Letzteres.“
„Versteht ihr euch gut miteinander?“
„Eigentlich schon...“
„Das ist gut, das ist sehr gut. Dann ist da immerhin schon 'ne Basis, auf der sich was aufbauen ließe...“
Er schwieg für einen Moment. Anschließend blickte er auf und fixierte seinen Freund.
„Ganz frei heraus. Wie schätzt du deine Chancen ein, auf einer Skala von eins bis zehn?“
Der Schlagzeuger verzog gequält sein Gesicht:
„Auf der Skala fehlt eindeutig der Minusbereich!“
Bill zog seine Augenbrauen weit zusammen.
„Das würde bedeuten, dass ihr nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hättet. Warum also ausgerechnet diese eine Person?“
Gustav zuckte hilflos mit den Schultern.
„Frag mich was leichteres...“
„Beschreib sie mir einfach, dann seh'n wir weiter. Woran denkst du zuerst? Aussehen, Charaktereigenschaften...“
Der Angesprochene kaute einige Momente lang auf seiner Unterlippe herum, ehe er antwortete.
„Als erstes denke ich an verführerische Lippen, sanfte Augen, die aber so durchdringend sein können, dass man das Gefühl bekommt, dass man nichts vor ihnen verstecken kann, schöne Hände, langes Haar. Außerdem kommen mir Begriffe wie Neugierde, Sturheit und Impulsivität in den Kopf. Das kann ganz schön nervig sein... aber genauso... sehr amüsant... wenn sich das alles mischt, ist der Mund eben manchmal einfach schneller als der Kopf...“
Bei seiner letzten Bemerkung musste Gustav unweigerlich grinsen. Er fuhr fort, wobei er seinen Blick auf die eigenen Zehenspitzen richtete .
„Ich denke aber auch an gnadenlose Ehrlichkeit im Privaten und an Gefühlsausbrüche... furchteinflößende Gefühlsausbrüche. Da bekommt man glatt Angst um die eigene Haut... oder weiß wahlweise einfach nur partout nicht, was man darauf antworten soll, ohne die Situation noch schlimmer zu machen, als sie ist. Da ist aber auch eine sehr romantische Ader... eine, die fast ansteckend ist...“
Gustav unterbrach seinen Redefluss. So viel gab er fast nie am Stück von sich. Zudem drohten seine Gefühle gerade, ihn zu übermannen.
Bill fing rasch wieder an zu reden, um Gustav keine Zeit zu geben, in unnötige Grübeleien zu verfallen.
„So so, jetzt weiß ich immerhin, worüber du phantasierst, wenn du dich mal wieder mit Kopfhörern auf den Ohren in irgendeine Ecke verkriechst. Klingt ja ganz schön anstrengend. Dass du dir ausgerechnet so jemanden aussuchst hätt' ich nicht gedacht...“
Der Drummer brummte nur missmutig.
„Und wo bleiben jetzt deine Tipps, du Frauenversteher?“
Gustav stand auf, er hatte langsam genug. So viele private Details gab er in der Regel niemandem preis. Bill hatte ihn, auf ihm unerklärliche Weise dazu gebracht munter drauf los zu plappern.
Sein Bandkollege erhob sich ebenfalls vom Stuhl.
„Gustav Klaus Wolfgang Schäfer, du bleibst jetzt gefälligst noch zwei Minuten hier!“
Etwas leiser ergänzte er:
„Es tut mir leid, ich will mich doch nicht lustig über dich machen. Ich war nur etwas überrascht.“
Wieder einmal bestand die Antwort nur aus einem Brummen.
Bill ging einen Schritt auf seinen Freund zu.
„Ich war nur wirklich überrascht. Dass du so hin und weg von einer Person bist, die so... speziell zu sein scheint...“
Ein Grinsen zog sich über sein Gesicht.
„Vielleicht solltest du den Überraschungseffekt ja für dich nutzen?“
Ein Grinsen zog sich über das Gesicht des Sängers.
Gustav stöhnte auf.
„Klar ich posaune meine Liebe frei heraus und küsse mein armes Opfer halb besinnungslos...“
Bill musste lachen.
„Vielleicht nicht 'besinnungslos', aber so was in der Art... Würde irgendwie zu dem passen, was du mir eben noch beschrieben... -“
Der Dunkelhaarige kam nicht dazu, seine Ausführungen zu beenden, weil er zuvor Gustavs Lippen auf seinen spürte.
Nach einigen Momenten unterbrach der Schlagzeuger den Kuss mit leicht geröteten Wangen.
Bill nuschelte vor sich hin.
„Ja, genau so in etwa, fehlt nur noch, dass...“
„Ich liebe dich.“
Der Sänger nickte.
„Genau. Dann wäre die Überraschung komplett.“
„Ich liebe dich, Bill.“
Gustav küsste seinen Gegenüber erneut. Sanfter dieses Mal. Dann suchte er dessen Blick.
Dieser veränderte sich, je mehr der zuvor erfragten Informationen sackten.
Bill strich sich mit den Fingerkuppen langsam über die Lippen, dann musterte er seine eigenen Hände.
Er blinzelte und erwiderte schließlich den auf ihm ruhenden Blick.
„Das... ist wirklich überraschend...“, murmelte Bill und mit diesen Worten schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht.
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2011
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