Im Januar 2018 habe ich mich auf der Schreibplattform Sweek angemeldet; eine App, um vorrangig unterwegs auf dem Smartphone zu schreiben und zu lesen. Monatlich werden dort die »Mikro Fiction«-Wettbewerbe ausgetragen. Mikro Fiction - was genau soll das sein? Am ehesten trifft es wohl das deutsche Genre der Kürzestgeschichten, also Prosatexte, die einen so geringen Umfang aufweisen, dass man sie kaum als Kurzgeschichten bezeichnen kann. Bei den Wettbewerben ist der Umfang auf ein Limit von maximal 250 Wörtern beschränkt (in der »Feuer«-Runde waren es sogar nur 200). Darüber hinaus gibt es pro Runde ein jeweils vorgegebenes Wort, das in den Text eingebunden werden muss.
Diese Vorgaben haben mich auf sehr angenehme und sympathische Weise an Deutschaufsätze aus der Grundschule erinnert. Ich hätte nicht gedacht, mich jetzt noch einmal mit einem derartigen Format zu beschäftigen. Tatsächlich aber habe ich sofort Feuer gefangen für diese Art des Schreibens. Der geringe Umfang ermöglicht es kaum, richtige Handlungen auszuarbeiten. Vielmehr bieten sie einem die Möglichkeit, Gedanken, kleinen Momentaufnahmen und skizzierten Szenarien einen passenden Rahmen zu geben. Was sonst als Idee irgendwo versickert oder unfertig in der Schublade verkümmert wäre, weil der Stoff nicht für eine längere Geschichte geeignet ist, kann sich so auf engstem Raum wunderbar entfalten.
In diesem Band sind zwanzig meiner Texte dieses Genres vertreten. Die vorgegebenen Wörter, zu denen ich sie geschrieben habe, waren »Feuer«, »Herz«, »Brief«, »Schlüssel« und »Spiel«. Ein bunter Buchstabenstrauß also.
Der Text »Strom(an/aus)fall« hat den Wettbewerb zum Thema »Feuer« gewonnen, »Wenn die Feder das Schwert besiegt«, »Der Nichtornithologeveterinärgermanist« sowie »Feuer!« haben es immerhin unter die Finalisten ihrer Runden geschafft.
Ich hoffe, Ihnen gefallen die Texte. Vielleicht konnte ich ja sogar Ihr Interesse für das Genre der Mikro Fiction wecken - dann sehen wir uns auf Sweek!
Beste Grüße
Finlay Weber
Eine Schlafanzughose mit dem Muster einer Cartoon-Ente liegt quer auf der Couch, daneben alte Socken. Paarweise getragen, paarweise muffig. Ein heilloses Durcheinander, heilvolles Stillleben. Auf der Mattscheibe ein Feuer, das nicht knistert, sondern explodiert und einen hellen Schein in den Raum wirft, der zeigt, was ungezeigt bleiben sollte. Gewitter wäre gut, Stromausfall und zwanghafte Suche nach Alternativen. Vielleicht spazieren gehen, nasse Streichelwiese, ein Heiratsantrag, Flausen oder gemeinsam unter einer Decke stecken, Pläne aushecken. Stattdessen Fernsehen, das nicht interessiert, aber Raum einnimmt. Den Raum dominiert, nicht durch Format, nur durch Gewohnheit. Zwischen der Schlafanzughose und den Socken finde ich dich. Träge, trotzdem süß. Streichelwiese wäre zu weit. Spazieren gehen auch zu nass. Eine Heirat zu komplex. Flausen Flusen zu ähnlich. Pläne – zu offline, generell nicht so dein Ding. Gerade Verfolgungsjagd in HD oder 4K, keine Ahnung. Draußen aufbrausender Wind. Erste Wolken, daraufhin Grummeln. Grummeln und Strecken auch neben mir. Bin auch auf der Couch, ebenso Gewohnheitstier. Ein lauter Knall. Dann tatsächlich ein Blitz, wahrscheinlich andersherum. Mit einem Mal alles dunkel, der Bildschirm stirbt, Leben kriecht in uns. Sehen nasse Ziegen eigentlich süß aus?, fragst du plötzlich, dich streckend. Schon, sage ich, aber das sind nur Flausen.
Er schreckte hoch. Schon wieder sangen die Grillen ihr schrilles Lied. Unbeirrt, unerschöpft. Die Sonne war bereits vor Stunden aufgegangen, auf seiner Stirn perlten Schweißtropfen. Hajime erhob sich vom Futon, der inmitten seines kleinen Zimmers ausgerollt
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Finlay Weber
Cover: Kampf mit Feder und Schwert © viz4biz - Fotolia.com
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2018
ISBN: 978-3-7438-6879-3
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