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Wieder(sehen/Ab)schied

Das sind nicht die Menschen, mit denen ich Kunst betrachten, erleben, sezieren möchte. Ich behaupte sogar, dass sich all jene, die ringsum auf ihren Hartplastikstühlen kleben, nicht einmal bewusst sind, dass wir in Kürze etwas verfolgen werden, das Kunst ist – und eben nicht Zeitvertreib und blanke Gelegenheit. Nein, das sind mit Sicherheit nicht die Menschen; und doch haben wir dasselbe Anliegen; bloß andere Perspektiven.

Links von mir, zwei Stühle weiter, sitzt ein dicklicher Mann in den Vierzigern. Nicht, dass ich etwas gegen füllige Menschen hätte; natürlich nicht. Aber darum geht es auch nicht. Es geht um seinen schwarzen Anzug, der kosmopolitisch wirken und Weltoffenheit suggerieren soll, dabei dem Träger aber alles Elegante, alles Saloppe raubt, nur … um ihn in diese Kleidungsschablone zu pressen, die alles um mich herum zu einem uniformen Einerlei aus Alltagsfressen macht. Hier promeniert keine Kunst, keine Haute Couture … hier hat das allabendliche Trauerensemble den Fernseher gegen die Lesebühne getauscht.

»Wer zum Teufel hat euch bloß zusammengefickt?«, schreie ich in Gedanken und kotze all diese Bitterkeit hinaus; in Wirklichkeit schenke ich der Frau zu meiner Rechten ein nettes, nein, ein höfliches Lächeln. Sie erwidert es, dann schaut sie nach vorne zur kleinen Lesebühne, auf der bislang nichts

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Finlay Weber
Bildmaterialien: Two enamoured under an umbrella © dred2010 - Fotolia.com
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2015
ISBN: 978-3-7396-2968-1

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