Cover

Die Stunde der Virologen

 

Oder die Greta Verschwörung

 

Vorwort


Bei diesem Buch handelt es sich um einen Roman, eher eine Satire. Ich bin mir dessen nicht so ganz klar, die handelnden Personen und Orte sind jedenfalls frei erfunden und jede Übereinstimmung mit tatsächlichem Geschehen ist natürlich rein zufällig und in keiner Weise gewollt – claro.

Und allen, die finden, es ist alles so schrecklich und die tausenden Toten, da kann man doch nicht so einen Roman schreiben, sei ins Stammbuch geschrieben: Lebewesen sterben und das ist eigentlich nicht schrecklich, sondern gut und richtig, denn ohne Tote wäre jede Evolution und jeder Fortschritt unmöglich.

Damit ihr eine Vorstellung habt:

In Österreich sterben rund 80.000 Menschen im Jahr

In Deutschland sterben mehr als 900.00 Menschen im Jahr

In Europa sterben mehr als 5.000.000 Menschen im Jahr

Wenn die Annahme einer Mortalität von 0,37% bei Covid19 stimmt und man eine Herdenimmunität bei 70% annimmt, sind das rund 1.800.000 Tote bis in Europa eine Herdenimmunität erreicht ist. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Altersdurchschnitt der Toten bei ca. 80 Jahren liegt, bedeutet das, dass die Corona Toten in den Sterbestatistiken gar nicht sichtbar sind.

1 Kapitel

 

Sie kannten sich schon lange, einige waren auch befreundet, aber wirklich viel wussten sie nicht voneinander, mehr oder weniger hatte sie der Zufall hier in dieser kleinen Bar in dem noblen Skiort Daschaust im Käsleland zusammengebracht. Es war halt wieder einmal Weltwirtschaftsgipfel und alles was Rang und Namen hatte, oder zumindest glaubte, es zu haben, kam hier zusammen. So saßen sie beisammen, die führenden Virologen Europas und plauderten über dies und das, schlürften ihre Getränke vom Whisky bis zum Kaffee und erzählten sich kleine Anekdoten, scherzten über wichtigtuerische Politiker und ihre geistige Kapazität, kurz und gut, sie taten alles, was Naturwissenschaftler halt so tun, wenn sie sich gemeinsam entspannen.

Das Gespräch plätscherte dahin und sicherlich weiß heute niemand mehr, wie das Gespräch auf Greta, die wackere junge Kriegerin aus Vikilandia, die dem Weltkapitalismus die Zähne gezeigt hatte, kam. Sagen wir mal, es war Schicksal und so ergab ein Wort das andere und alles nahm seinen Lauf. Die sechs führenden Virologen aus allen Ecken Europas saßen also beisammen, Sonya aus Ostarrichi eine ca. 40 jährige wohlproportionierte charmante Dame, der großgewachsene massige Michl aus neu Germanien mit der polternden Stimme, der aber eher das Aussehen und Verhalten eines gutmütige Bernhardiners hatte, Pablo aus Taraconensis, ein immer korrekt gekleideter dunkelhaariger Mann mit Schnurrbart, bei dessen Auftreten man den Eindruck hatte, dass die faschistische Diktatur in seinem Land nicht schon Jahrzehnte zurücklag, Aileen aus Caledonia, eine gepflegte mit 50erin, die nicht sehr gesprächig war, aber wenn sie etwas sagte, meistens ins Schwarze traf, Sven ein riesiger blonder Wikinger um die 40 aus Vikilandia, Trudili aus Käsleland ebenfalls um die vierzig und durch und durch Gesundheit ausstrahlend, das Bild einer Bergbäuerin, wie aus dem Märchenbuch hinterlassend und last bat not least Lorenzo und Pierre der eine aus dem Süden von Turististrand, klein mit schnellen Bewegungen und immer zu einem Flirt bereit, der andere ein fast schlanker mittelgroßem Gallier, der mit Lorenzo dick befreundet war und ebenso wie dieser, immer zu einem Abenteuer oder einem Späßchen aufgelegt.

„Schon mutig“, meinte Sonya, „wie eine kleine Wikingergöre jenseits des großen Teiches den Regierenden der ganzen Welt die Zähne gezeigt und ihnen trotzig ihren, sicherlich nicht ganz unbegründeten Vorwurf, hingeschleudert hat.“

Pablo meinte: „Ich kann mich eigentlich nicht damit abfinden, dass man einem jungen Mädchen aus nirgendwo so eine Bühne bietet und sie die Mächtigen dieser Welt am Nasenring vorführt.“

Lorenzo fügte hinzu: „Schaden tut es ihnen aber auch nicht, ganz im Gegenteil, die gehören viel öfter am Nasenring durch den Saal gezogen.“

Sonya wunderte sich sehr, denn sie kannte Lorenzo eigentlich nur als charmanten, liebeswerten, lustigen Schwerenöter, der eigentlich nur Röcke im Kopf hatte, mehr ein Strandgigolo als ein Wissenschaftler, allerdings, wenn das Gespräch auf ihr Fachgebiet kam, war er immer äußerst kompetent, sie sagte aber nichts.

Aileen antwortete: „Was nützt es, in längstens 3 Monaten ist alles vergessen und es geht weiter wie bisher, die Bonzen spucken große Worte, dem Volk wird Sand in die Augen gestreut und das Spiel geht ungebremst weiter, bis der Planet endgültig verloren ist.“ Für Aileen ein ungewöhnlich langes Statement, man merkte, dass ihr die Sache ans Herz ging.

Lorenzo antwortete: „Es wäre schön, wenn man diesen überhitzten Wirtschaftsmotor mit seinem Hecheln nach Wachstum und immer noch mehr Wachstum einmal anhalten könnte.“

„Das wäre wirklich zu schön,“ meinte Trudili, „aber hört mal auf zu träumen, wir sind Gott sei Dank Wissenschaftler und keine Politiker.“

Alle grinsten ein wenig und nickten leicht. Damit war das Thema auch schon vom Tisch und niemand vermutete, dass es in zwei Tagen zu schwerwiegenden Entscheidungen führen würde, die ganz Europa umkrempeln würden. Sie plauderten noch ein Stündchen über Nebensächlichkeiten und trennten sich dann, um sich in ihre Hotels zurück zu ziehen. Als verantwortliche Menschen und erfahrene Wissenschaftler schliefen sie diese Nacht alle schlecht, denn dieser Nebensatz in ihrem abendlichen Meinungsaustausch hatte sie doch beunruhigt und sie mussten an die Gefahr denken, in der die Welt in den Klauen der Geschäftemacher schwebte und an die Unmöglichkeit das zu ändern.

 

Der nächste Morgen brachte herrlichen Sonnenschein und traumhaftes Wetter, Sonya wurde von einem Sonnenstrahl, der ihr direkt ins Gesicht schien, geweckt. Sie rieb sich die Augen, richtete sich im Bett auf und griff nach der Zeitung, die sie sich am Vorabend auf den Nachttisch gelegt hatte. Es war eine namhafte Fachzeitschrift über Virologie, sie begann darin zu blättern, bis ihr ein Artikel über eine neue Seuche ins Auge viel, die im Land des goldenen Drachen weit im Osten in einer Millionenstadt Namens Hungwan auf einem Wildtiermarkt ausgebrochen war.

Sie dachte sich; ‚Wieder einmal typisch, wirklich nicht das erste Virus, das auf einem Wildtiermarkt im Drachenland ausbricht, na ja, der Witz, wenn Adam und Eva Chinesen gewesen wären, würden wir heute noch im Paradies leben, denn sie hätten die Schlange und nicht den Apfel gegessen, hat schon einiges für sich. Aber im Ernst, es ist eigentlich nur traurig, was sich auf diesen Märkten abspielt und wie die Chinesen mit den Tieren umgehen.‘

Während sie so las, meldete sich ganz weit hinten im Unterbewusstsein erstmals ein Gedanke, er war noch diffus und nicht fassbar, aber irgendwie doch schon vorhanden. Genauso flüchtig wie er gekommen war, verschwand er auch wieder, sie las also mit rechtem Interesse den Artikel mit ersten Zahlen aus dem Land des goldenen Drachen und Hinweisen darauf, dass lange Zeit versucht wurde, die Epidemie zu verschleiern, bis sie sich nicht mehr verheimlichen ließ. Interessant war, dass das Virus zunächst in Fledermäusen entstanden war und dann auf ein Schuppentier übersprang, ein hoch interessantes und wunderschönes Lebewesen und von diesem vermutlich auf den Menschen übertragen wurde. Nebenbei ist dieses Schuppentier noch eine höchst gefährdete Art, die unter strengem Artenschutz steht. Auch deutete einiges darauf hin, dass das Virus höchst ansteckend, aber relativ harmlos sein dürfte. Und wieder tauchte im Hintergrund ein Gedanke auf, der sich aber gleich wieder verflüchtigte. Wie auch immer, Sonya beschloss, das herrliche Wetter zum Skifahren zu nutzen, wie oft bot sich ihr schon die Möglichkeit und außerdem wollte sie sich den interessanten Vortrag über die weltweite Umweltverschmutzung nicht entgehen lassen, der heute am Abend angesetzt war, außerdem gab es danach noch ein Festbankett im besten Hotel des Ortes, dass schon legender war. Also schnell fertig gemacht, natürlich nicht ohne dem erstklassigem Frühstücksbüffet zu zusprechen.

Der Tag war ein wirkliches Erlebnis und rechtzeitig um 17 Uhr saß sie im Vortragssaal des Hotels Protzenstein. Mit einem Seitenblick auf den vollen Saal merkte sie, dass auch ihre Kollegen von den anderen Ländern alle da waren. Der Vortrag, es war eigentlich mehr eine Multimediashow, war mehr als deprimierend, es gab die schrecklichen Bilder von gequälten Tieren in Massentierhaltung, den riesigen Müllhalden auf der ganzen Welt und Bilder von Plastik im Meer und dadurch geschädigten oder daran gestorbenen Lebewesen, aber natürlich auch jede Menge Statistiken über die Gefährlichkeit von CO2 und anderen emittierten Gasen, sogar die Worte von Greta vor der Uno waren eingeblendet. Der Vortrag war wirklich gut gemacht, Sonya kannte das alles und hatte auch die meisten Bilder schon gesehen, aber nicht in solcher Dichte und Dynamik, das Ganze war zutiefst deprimierend, aber noch viel deprimierender war, das sich herausstellte, dass es sich um eine Werbeveranstaltung von einem der namhaften Pharmakonzerne handelte, der den Markt für ein neues, natürlich total umweltverträgliches Pflanzenschutzmittel aufbereiten wollte.

Nach dem Vortrag gab es, wie bei solchen Events üblich, ein wirklich sensationelles Buffet. Bei dem Buffet traf Sonya auch ihre Kollegen aus den anderen Ländern wieder und plauderte mit ihnen, alle waren von den Bildern, die sie in den letzten zwei Stunden gesehen hatten, erschüttert und so wie sie empört, sogar Pablo aus Taraconensis, der so rigide wie immer auftrat, wirkte irgendwie verstört, am schlimmsten empfanden alle aber, dass sich das Ganze als Werbeveranstaltung eines Pharmakonzerns herausgestellt hatte, obwohl es eigentlich klar war, wer außer ein Pharma- oder Waffenkonzern konnte sich schon eine derart aufwendige zweistündige Multimediaschau mit anschließend wirklich traumhaften Luxusbuffet im besten Hotel von Daschaust leisten. Sonya liebte Luxusbuffets und kam richtig ins Träumen über die angebotenen Köstlichkeiten, aber nach kurzer Zeit drängte wieder ihr Ärger, über das gerade Erlebte in den Vordergrund und da stand plötzlich die Idee glasklar in ihrem Kopf, wir – die Wissenschaftler, müssen etwas tun, die Wirtschaft ist dazu sicherlich nicht in der Lage und wird der Gier und dem Mammon immer alles opfern, und sei es die ganze Menschheit. Der Satz, die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen werden, kam ja, wie viele Binsenweisheiten, nicht von ungefähr. Aber sie wusste auch, dass gut gemeint und gut gemacht, nicht unbedingt dasselbe ist. Trotzdem es musste etwas geschehen, man musste diesen Molch Wirtschaft einbremsen, und zwar gründlich.

Irgendwie gelöst kehrte Sonya in ihr Hotel zurück, sie hatte noch nicht wirklich eine Idee im Kopf, aber sie wusste endlich was sie wollte, nicht mehr und nicht weniger als die Welt retten, koste es was es wolle. Als sie sich zum Schlafen niederlegte, kreisten die wildesten Gedanken in ihrem Kopf, trotzdem schlief sie bald ein.

Die Nacht füllte sie mit wilden und teilweise auch wirren Träumen, doch als sie am Morgen durch einen, sanft ihre Wange küssenden, Sonnenstrahl geweckt wurde, hatte sich der gestern vor dem Frühstück gelesene Artikel und der abendliche Vortrag zu einer Idee verbunden. Mit dem neuen Virus aus Hungwan wird es gelingen dem Wahnsinn zu stoppen und diesem immer schneller den Berg hinabrennenden Laufrad einen Stock zwischen die Speichen zu treiben und wer weiß, vielleicht ist das effektiver, als man sich vorstellen mag. Sie war sich durchaus bewusst, worauf sie sich einlassen wollte und auch der Gefahr, der sie sich damit aussetzen konnte, trotzdem fühlte sie sich so beschwingt und glücklich wie noch nie, endlich konnte sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen und gegen den Wahnsinn etwas tun.

Gut gelaunt ging sie in den Frühstückssaal und genehmigte sich ein ausgezeichnetes Frühstück, sie bediente sich bei den wunderschönen Früchten die angeboten wurden, wirklich erlesene Ware, ein Stück schöner als das andere, aber sie war ja auch in Daschaust bei den Reichen und Schönen, oder wie man auf Wienerisch sagt, Gstopften. Nachdem sie noch einen guten Kaffee getrunken und einen köstlichen Zitronenkuchen gegessen hatte, gings hinaus auf die Skipiste, wo sie auch diesen herrlichen Sonnentag verbrachte.

Am Abend traf sie sich wieder mit ihren Kollegen in der gemütlichen kleinen Bar, die eine ganz eigene Atmosphäre ausstrahlte, sie wirkte wie eine Kreuzung zwischen einem englischen Club, mit riesigen unwahrscheinlich bequemen lederbezogenen Sofas und schweren Glastischen, die auf rustikalen Wurzelstöcken als Füße standen und auf gelungene Weise die Brücke zu dem übrigem Interior des Raumes herstellte, dass an eine sehr noble Skihütte erinnerte und obwohl alles sehr ungewöhnlich war, wirkte es unwahrscheinlich stimmig, man erkannte die Hand eines erstklassigen Architekten und Könners. Sonya hatte sich schon sehr auf den heutigen Abend gefreut, obwohl sie natürlich wusste, dass viel davon abhing, was ihre Kollegen sagen würden und vor allem, ob sie überhaupt bereit waren mitzumachen. Weil sie so nervös war, war sie schon früher da, und die Erste, was ihr normalerweise nie passiert. Sie bestellte sich ihren Lieblingscocktail, einen Pina Colada, nicht sehr originell, aber sie mochte den wunderbaren Geschmack von Kokos, Ananas, Rohzucker und erstklassigen Rum.

Kaum hatte sie den ersten Schluck gemacht, da trafen auch schon die nächsten Gäste ein. Pablo, wie immer erstklassig gekleidet und stramm wie ein Zinnsoldat, mit Trudili an der Hand, doch als sie Sonya sahen, ließ Pablo schnell die Hand von Trudili los und Trudili wurde rot wie ein Schulmädchen.

Sonya dachte: ‚Schau, schau, hätte ich mir auch nicht gedacht, aber erstens geht es mich nichts an und zweitens, wo die Liebe hinfällt‘,

Sie sagte aber nichts und tat so als ob sie nichts bemerkt hätte, was ihr die zwei mit Erleichterung und einem dankbaren Blick honorierten. Während sie ihre Getränke bestellten, einen erstklassigen alte Rioja für Pablo und ein Glas warme Milch für Trudili, Sonya glaubte es nicht und musste zweimal hinsehen, aber es war tatsächlich Milch, erschien der Nächste. Michl, wie ein riesiger Teddybär füllte er mit seinem Körper den Türrahmen und den Raum mit seiner tiefen Stimme, als er ihnen schon von der Türe zurief: „Hallo Leute!“

Wie immer, wenn er wo eintrat, wandten sich alle Blicke ihm zu und kurz erstarben die Gespräche in dem Raum. Er ließ sich in einen der riesigen Fauteuils fallen, der ein ächzendes Geräusch abgab und bestellte sich ein großes Bier. Die Besucher der Bar, die sich bei seinem Eintreten alle ihm zugewandt hatten, verloren wieder das Interesse und wandten sich ihren eigenen Gesprächen zu und auch der normale Hintergrundgeräuschpegel war wiederhergestellt. Die nächste, die kam, war Aileen, introvertiert und ein wenig mundfaul und wie Sonya aus Gesprächen wusste, durch und durch ein Familienmensch, aber auch eine wirklich erstklassige Virologin und sie wirkte heute irgendwie unglücklich, was Sonya, die schon viele Jahre mit ihr befreundet war, sofort erkannte, Aileen setzte sich neben sie auf die Couch, bestellte sich einen Whisky Soda und hauchte einen kaum merkbaren Gruß in die Runde, worauf ihr alle freundlich zunickten.

Sonya fragte: „Was hast du denn, du wirkst heute so unglücklich, du bist zwar oft ein wenig schwermütig, aber so kenn ich dich ja gar nicht.“

Aber Aileen winkte ab: „Es ist nichts, ich bin nur ein wenig erschöpft.“

Sonya glaubte ihr zwar kein Wort, aber in dem Moment kam Sven herein, das Bild eines Wikingers, groß blond, mit herrlich breiten Schultern, großen Händen und einem klaren offenen Blick, der mehr als nur ihr heimlicher Schwarm war, aber über alles müssen wir hier ja nicht erzählen. Sven ließ sich auf der anderen Seite von Sonya nieder, bestellte sich einen Aquavit und ein Glas Orangensaft, er hatte die Angewohnheit, immer und zu allem Orangensaft zu trinken und sie dachte mit Schrecken daran, als er einmal zu Sachertorte mit Schlagsahne Orangensaft getrunken hatte. Bei der Erinnerung schüttelte sie sich kurz, in dem Moment berührten sie Svens Schulter und sie empfand das als so angenehm, dass sie seine seltsamen Trinkgewohnheiten sofort wieder vergessen hatte. Jetzt fehlten nur noch die letzten zwei der Runde und gerade als sie das dachte, kamen die beiden bei der Tür herein, wie immer lachend und zusammen, wie siamesische Zwillinge. Sie blödelten noch ein wenig mit der Kellnerin und flüsterten ihr etwas ins Ohr, was diese zu einem hellen Kichern veranlasste, bevor sich Pierre und Lorenzo ihren Freunden zuwandten und das letzte noch freie Sofa an dem Glastisch besetzten. Sie bestellten noch jeder ein Getränk, Pierre ebenfalls ein Glas von dem herrlich duftenden Rioja und Lorenzo, was man nie vermuten würde, ein Glas Cola, aber er trank, warum auch immer, fast nie Alkohol, einmal hatte Sonya zu ihm gesagt, du bist auch der einzige aus Turististrand der keinen Wein trinkt, und er hatte, sehr zu ihrer Verwunderung, nicht geantwortet, sondern nur grinsend genickt. Die zwei bekamen ihre Getränke, wobei es Pierre wieder gelang der Kellnerin einen ihrer hellen Kicherlaute zu entlocken, dann räkelten sie sich bequem in ihrem Sofa zurecht und machten, synchron als wären sie ferngesteuert, jeder einen Schluck von ihren Getränken. Sonya holte gerade tief Luft, um ihre Idee auszubreiten, als ihr Aileen zuvor kam und an Sonya gewandt, aber eigentlich in die Runde, damit es alle hören konnten, sagte: „Du willst wirklich wissen, warum ich heute so verstört bin“, dabei zog sie ein mehrseitiges Dokument mit einem riesigen offiziell wirkendem Stempel und einem noch größerem aufgestempelten top secret aus ihrer Handtasche und knallte es auf den Tisch und begann mit nassen Augen die ganze Geschichte zu erzählen: „Gestern nach dem herrlichen Buffet im Hotel Protzenstein traf ich einen alten Schulfreund, der bei unserem Geheimdienst arbeitet, ein total abgebrühter und zynischer Bursche, der selbst mit dem Teufel pokern und dabei vermutlich auch noch gewinnen würde, ich unterhielt mich mit ihm ein wenig und meinte, dass das alles so schrecklich sei, wie wir die Welt verdrecken und zugrunde richten, aber er meinte nur völlig ungerührt, ist doch eh schon egal, die Welt ist schon kaputt, viele wollen es nur noch nicht wahrhaben, aber wahrscheinlich hat die Menschheit eh nichts Besseres verdient und für den Planeten ist es sicherlich eine Befreiung, die Seuche Homo Sapiens los zu werden. Dann erzählte er mir auch noch den alten abgeschmackten Witz von den zwei Planeten, die sich im All begegnen: ‚Sagt der eine zum anderen, was hast du denn, du siehst aber gar nicht gut aus‘ ‚Homo Sapiens‘ darauf der Erste: ‚Ach so, spielt keine Rolle, hatte ich auch schon, dass geht vorbei und zwar schneller als man es für möglich hält.‘ Ich kannte ihn und seine Sprüche zwar schon sehr lange, aber es gelang ihm immer wieder, mich aus der Reserve zu locken, so schimpfte ich los: ‚Was bist du doch für ein zynischer Arsch, aber das muss man wahrscheinlich sein, wenn man den Job machst, den du hast,‘ er ging auf meine Worte überhaupt nicht ein, sondern antwortete: ‚Du warst schon in der Schule immer eine Träumerin, es wird Zeit, dass du langsam die Augen öffnest,‘ dann zog er dieses Dokument aus der Tasche und drückte es mir in die Hand, er lächelte mich nochmals an und drückte mir eine Schmatz auf die Wange mit der Bemerkung: ‚Ich habe diese Welt nicht gemacht und auch nicht die Menschlein, die auf ihr herumrennen‘, dann drehte er sich um und verschwand mit den Worten: ‚Ich habe leider heute noch einen Termin.‘ Ich zitterte vor Wut, sowohl auf ihn, weil es ihm wieder einmal gelungen war, mich völlig aus der Reserve zu locken und dann auch auf mich, weil ich mich selbst nach der langen Zeit noch immer nicht der Faszination seiner Person entziehen konnte und bemerkte, dass ich in den Kerl nach all den Jahren noch immer verliebt war, wie in der Schulzeit. Was ich da in der Hand hielt, merkte ich gar nicht, ich stapfte wütend zurück in mein Hotel und warf mich auf mein Bett, erst nachdem meine Wut langsam zu verrauchen begann, schaute ich, was ich da in den Händen hielt und begann zu lesen, mir blieb vor Schreck das Herz stehen, als ich die Zahlen las und die dahinter stehenden weltbekannten Forschungsinstitute. Für diese Nacht war an Schlaf für mich nicht mehr zu denken und ich kann mich nicht erinnern, jemals so eine schreckliche Nacht erlebt zu haben.“

Alle sahen Aileen gespannt an und fragten wie mit einer Stimme: „Nun, was steht in dem Bericht?“

Aileen lächelte müde und fragte: „Die Kurzform oder eine Langversion?“ aber alle waren jetzt so gespannt und aufmerksam und für eine Langversion viel zu neugierig, das sich Aileen für die Kurzform entschied: „Nun die Menschheit ist wirklich verloren und das viel schneller, als wir alle angenommen haben, dieses Dokument beweist das einwandfrei und ohne jedes Wenn und Aber.“

Pedro war der erste, der das Dokument in die Hand nahm, er überflog es und wurde blass.

„Das ist ja schrecklich!“, meinte er.

Nach und nach nahm jeder das Dokument an sich, überblätterte es und war gleichermaßen erschüttert, die Daten waren derartig einleuchtend und auch so hoffnungslos, dass jeder fühlende Mensch einfach erschüttert sein musste. In nicht einmal 20 Jahren würde, bei gleichbleibendem oder ansteigendem Schadstoffausstoß und weiterer Bevölkerungsvermehrung, das Weltklima kippen und die Existenzbasis für höheres Leben nicht mehr gegeben sein.

Das war Sonyas Moment, schnell sagte sie: „Wir müssen etwas unternehmen und ich weiß auch schon was.“

Alle schauten sie erstaunt an und Pedro sagte: „Wir sind Wissenschaftler und keine Politiker, was können wir schon tun.“

Darauf Sonya: „Gerade wir, wenn nicht wir, wer sonst?“ und dann breitete sie ihren Plan aus: „Ich habe gestern von der neuen Seuche im Drachenland gelesen, es handelt sich um ein Corona Virus mit der Bezeichnung Covid 19, das vermutlich von einem Schuppentier auf den Menschen übergesprungen ist, das Virus ist relativ harmlos, allerdings bei sehr alten und gesundheitlich vorbelasteten Personen kann die Infektion tödlich verlaufen, ersten Einschätzungen nach bei ca. 1 % der Infektionen, an sich vernachlässigbar, aber es gibt gegen den Virus keinerlei Abwehrkräfte in der Bevölkerung und dadurch dürfte die Infektion sehr schnell um sich greifen und in so einem Fall kann selbst eine Mortalitätsrate von 1% die Gesundheitssysteme der Länder überlasten und die plötzlich anfallende Menge Toter gewaltig einschüchternd wirken.“

Sven meinte: „Schon richtig, die Daten, die ich gelesen habe, deuten darauf hin, dass die Infektionsrate 1: 6 sein soll, aber wie willst du damit die Welt retten?“

„Nun, wir müssen die Toten verwenden, um die Politiker zu einem Stopp der Wirtschaft zu bewegen und dazu braucht man eigentlich nur Angst erzeugen.“

Lorenzo warf ein: „Da müssen wir nicht viel tun, ich habe Daten bekommen, dass sich bei uns gerade eine kleine Katastrophe zusammenbraut, wir haben in unserem nördlichen Industriegebiet eine Menge illegaler Arbeiter aus Drachenland und in diesem Gebiet gibt es auch viele alte Leute, die mit ihren Kindern im gemeinsamen Haushalt leben. Außerdem ist unser Gesundheitssystem chronisch unterfinanziert und denkbar schlecht organisiert, erste Infizierte gibt es auch schon und zu allem Überfluss ist die Luft in diesem Gebiet auch extrem belastet, was für eine die Lunge angreifende Erkrankung sicherlich auch nicht als Entlastungsfaktor gesehen werden kann.“

Pablo fügte hinzu: „Bei uns gibt es ähnliche Probleme, in unserer Hauptstadt dürfte es zu einer massiven Epidemie mit vielen Toten kommen.“

Die anderen hatte nicht viel dazu zu sagen, also ergriff wieder Sonya das Wort: „Wir müssen nur zum richtigen Zeitpunkt durch geschickt platzierte Interviews und entsprechend präparierte Wissenschaftskollegen und Politiker die Politik zum Anhalten der Wirtschaft und das Volk zum Einhalten diverser weit sichtbarer angstvermittelnder Maßnahmen bringen, dann greift eins ins andere und das ganze wird zum Selbstläufer.“

Pierre meinte: „Ich bin dabei, deine Idee klingt vernünftig und durchführbar, jetzt brauchen wir nur noch einen klangvollen Namen für die Maßnahmen“, er überlegte kurz, „ich bin zwar Franzose und habe wenig für Anglismen übrig, aber bei einer weltweiten Pandemie, die mit einer ebenso weltweiten Maßnahme bekämpft werden soll, ist wohl ein Anglismus angebracht, ich schlage shutdown und social distancing vor, shutdown für das Anhalten der Wirtschaft und social distancing für die Quarantänemaßnahmen.“

Alle waren überzeugt und nahmen die Begriffe in ihr Repertoire auf.

Jetzt war Sonya wieder dran: „Jetzt brauchen wir nur noch einen Schlachtplan aufstellen und alles läuft.“

Doch da unterbrach sie Sven: „Nicht so schnell, ich bin bei dem Komplott ganz sicherlich nicht dabei, obwohl ich die Notwendigkeit einsehe, ist so ein Vorgehen gegen alles woran ich glaube und ich will meine Vorstellungen von persönlicher Freiheit und Demokratie nicht über Bord werfen, ihr werdet euch noch alle wundern, was dabei herauskommt, wenn die diversen Politiker und sonstigen Möchtegern Cesaren bemerken, wie leicht es ist das Volk in Angst zu versetzen und dann, wie der Rattenfänger von Hameln, mit der Flöte durch die Krise zu führen. Ich kann mir vorstellen, was unser wackerer Hunne, der schon die längste Zeit von einer illiberalen Demokratie träumt, mit so einer Chance macht. Tut mir leid, ich werde euch ganz sicher nicht hinhängen, aber ich will mit dem Ganzen nichts zu tun haben und will auch nichts mehr hören, außerdem bin ich schon müde und muss schlafen gehen“, damit stand er auf und verließ die Bar.

Sonya war sehr enttäuscht, gerade Sven, aber sie kannte ihn als durch und durch aufrechten Menschen und akzeptierte seine Entscheidung.

Nachdem Sven gegangen war ergriff Pablo das Wort: „Demokratie, als ob ein toter Demokrat irgendjemandem nützt“, schnaubte er und dabei betonte er das Wort Demokrat, als ob es ein Schimpfwort wäre, „also los Sonya, wir hören.“

Sonya lächelte: „Als erstes sollten wir die Boulevardpresse in unseren Ländern auf das Problem aufmerksam machen und auf die tausenden Toten, die auf uns zukommen, hinweisen, das sollte nicht allzu schwierig sein und stimmt ja auch mit den Tatsachen ziemlich überein. Überhaupt sollten wir immer bei den Tatsachen bleiben, nur, auch Tatsachen kann man so oder so verkaufen, ich kann darauf hinweisen, dass jedes Jahr einige Tausend Menschen an Grippe sterben und der Tod eben ein Teil des Lebens ist und auch immer bleiben wird, oder ich kann darauf hinweisen, wie schrecklich es ist, dass gerade die Alten, die diese Gesellschaft aufgebaut haben, überproportional betroffen sind und sie jedes Recht haben, unsere Liebe, Achtung und Solidarität zu bekommen und kein Opfer zu groß ist, um ihr Leben nicht zu gefährden. Wenn diese Linie fest in den Köpfen eingebrannt ist und die Todeszahlen dann noch steigen, haben wir die Angst, die wir brauchen und dann ist es Zeit den Shutdown zu beginnen.“

Trudili fragte: „Wie willst du das Anstellen, ich kenne keinen Politiker, den ich für so etwas einspannen könnte.“

Sonya lachte kurz auf: „Als Chef Virologin der Universität von Vindobonensis kenne ich den gerade regierenden Kanzler Schlau recht gut, er ist für einen Politiker außergewöhnlich intelligent und natürlich wie alle Politiker extrem machtgeil und machtbewusst, außerdem ist er Weltmeister im salbungsvoll reden, fast wie ein Pfarrer. Er ist ziemlich gerissen und skrupellos, die eigene Partei die Kerzlschlicker hat er im Handstreich übernommen, eine Mitte Rechts Partei mit einer starken Historischen Verbindung zum Katholizismus, auch den damals regierenden Bobo Sozialisten, einen gewissen Glaskinn, hat er geschickt an die Wand gespielt und damit die Stärke Verhältnisse in Ostarrichi völlig umgekehrt. Als Kanzler regiert er zur Zeit mit einer kleinen Ökopartei, den Autofressern in Koalition, nachdem er vor kurzem erst die Koalition mit einer faschistoiden Partei, den Altgermanen bei erster Gelegenheit hat platzen lassen, weil er richtig erkannt hatte, dass diese Koalition seine Chance auf höhere Weihen, vor allem in Europa, stark beeinträchtigt hätte. Also eben ein richtiger Politiker mit allen typischen Eigenschaften und Schwächen eines Politikers und einem Hals, der so beweglich ist, dass jeder Uhu vor Neid blass wird. Wenn ich ihn und die Situation richtig einschätze, ist er der richtige Mann am richtigen Platz, um unseren Shutdown zu starten.“

Fast gleichzeitig, wie wenn es einstudiert wäre, es hätte nicht synchroner sein können, sagte alle: „Sehr gut, diesen Part übernimmst also du“, und es klang sehr erleichtert.

Nachdem das geschafft war, waren doch alle ziemlich erschöpft und so verabschiedeten sie sich voneinander und gingen in dem Wissen, dass sie sich morgens nochmals sehen würden, um die Details näher zu besprechen, in ihre Hotels.

Sonya klopfte noch bei Sven an, der sie lächelnd in ihr Zimmer ließ und sagte: „Das ist unser vorletzter Tag in Daschaust“, und küsste sie zärtlich.

Sie meinte: „Erstens ist es nur der Vorletzte und zweitens freue ich mich eigentlich schon aufs Heimkommen und meine Kinder“, sie hatte zwei von der Sorte, Jungs, und auch Sven hatte eine ganz reizende Familie und eine wunderhübsche Tochter zu Hause, aber Ausnahmezustand ist eben Ausnahmezustand und ein bisschen Ablenkung brauchte doch jeder, um den Alltag zu bewältigen. Sie taten, was man in einem Ausnahmezustand ebenso tut und verabschiedeten sich dann glücklich und entspannt voneinander, nicht ohne dass ihr Sven noch die beiden wunderschönen Geschenke zeigte, die er für seine Frau und seine Tochter besorgt hatte, er vergötterte beide und brachte ihnen immer wunderschöne Geschenke mit. Sonya war fast ein bisschen neidisch, denn sie bekam nie so schöne Geschenke, aber ihr Mann, der ein wirklich toller und verlässlicher Partner war und auf den sie nie etwas kommen lassen würde, weil sie wusste, sie und ihre Söhne konnten sich immer blind auf ihn verlassen, war eigentlich mehr ein Roboter, als ein Mensch aus Fleisch und Blut, logisch bis zum Abwinken, aber so romantisch wie ein Stück Holz, allerdings auch so leistungsfähig wie ein Roboter. Nun man kann eben nicht alles haben.

Sonya ging in ihr Hotelzimmer, fiel todmüde in ihr Bett, ließ den Tag nochmals Revue passieren und schlief zufrieden mit sich selbst und der Welt ein.


Am nächsten Morgen war das Wetter bescheiden, Sonya stand auf und begab sich nach ihrer Morgentoilette und einem kurzen Blick auf die Nachrichten zum Frühstück. Die Krankheit, die offensichtlich in Hungwan grassierte, wurde jetzt schon als schwere Epidemie bezeichnet, recht günstig, dachte Sonya, das Ganze kommt langsam ins Laufen. Sie ging in den Frühstückssaal und dachte mit Schrecken an den heutigen Tag, der letzte Tag von solchen Veranstaltungen war immer besonders schlimm, an den Abschlussveranstaltungen musste man mehr oder weniger teilnehmen und da schwangen alle Wichtigtuer des Planeten, die eigentlich nichts zu sagen hatten, aber glaubten, sie seien wichtig, große Reden voller Trivialitäten und Plattitüden, aber so war das eben und da musste man durch, wenn man eine gewisse Position hatte und auch behalten wollte. Als erfreuliche Abwechslung traf sie Sven im Frühstückssaal und sie frühstückten gemeinsam, ein recht angenehmer Tagesbeginn. Dann ließ sie den höchst lästigen Tag, mit dem ganzen sinnlosen Blah Blah geduldig vorübergehen, wenigstens gab es eine ganz erstklassiges Mittagessen und im Geist war sie eigentlich ganz wo anders, weil sie überlegte, was sie mit ihren Mitverschwörern noch besprechen wollte und wie sie weiter vorgehen sollte. Aber wie alles, war auch dieser Tag einmal vorbei und sie saß endlich mit ihren Freunden, nur Sven war leider nicht dabei, noch vor ein paar Tagen waren es einfach nur Fachkollegen gewesen, in der bewussten Bar zusammen. Sie sprachen noch einmal alles durch und beschlossen dann noch ein abhörsicheres Kommunikationssystem über das Darknet zu etablieren, um sich verständigen zu können. Bald danach verabschiedeten sie sich voneinander und gingen ihrer Wege. Sonya war das sehr recht, denn sie konnte so noch bei Sven vorbeischauen.

Gesagt getan, klopfte sie bei Sven, er hatte schon auf sie gewartet, sogar ihr Lieblingsdrink, ein Pina Colada stand schon bereit.

Er fragte sie: „Na läuft alles nach Plan?“

„Ja wunderbar.“

„Weißt du eigentlich, auf was du dich da einlässt und hast du dir das auch gut überlegt?“

„Ja, ich habe lange darüber nachgedacht, ich wollte schon die längste Zeit etwas unternehmen und habe mir schon die verrücktesten Dinge einfallen lassen, aber jetzt habe ich erstmals eine Chance wirklich etwas zu bewirken. Willst du nicht doch mitmachen?“

Sven lächelte: „Nein, bei aller Liebe, ich denke nicht einmal im Traum daran, eure Linie zu unterstützen, obwohl ich euch, so wie ich die Menschen kenne, wirklich gute Chancen einräume, aber ich bin nicht nur Virologe, ich bin Chefvirologe von Vikilandia und laut unserer Verfassung für alle Maßnahmen persönlich verantwortlich. Ich könnte so eine Handlungsweise vor mir niemals rechtfertigen und ich habe auch schon eine Vorstellung wie ich handeln werde, ich werde durch neutrale und ehrliche Aufklärung versuchen, die Menschen dazu zu bringen, sich vernünftig zu verhalten, um die Todeszahlen beherrschbar zu halten und eine möglichst rasche Durchseuchung zu erreichen und dabei sinnlose Angst weitgehend von meinem Volk fernhalten. Wie ich meine Landsleute kenne, wird das auch gut funktionieren.“

„Da kannst du sogar recht haben, aber bei uns geht es um etwas Größeres, wir wollen nicht weniger als die Welt retten“, versuchte Sonya, ihn zu überreden.

Noch einmal sagte Sven etwas zu dem Thema: „Da seid ihr zwar nicht die Ersten, die das versuchen und die bisherigen Versuche waren eher nicht überzeugend, aber ich wünsch dir trotzdem alles Glück der Welt. Jetzt ist es aber genug und wir sollten uns angenehmeren Dingen zuwenden“.

Später, sehr viel später, verließ Sonya wie immer glücklich und entspannt sein Zimmer. Sie packte noch schnell ihre Koffer und ging dann zu Bett, denn sie musste morgen früh aufstehen, damit sie ihr Flugzeug nicht verpasste. Am nächsten Tag stand sie wie erforderlich zeitig auf und hetzte zum Flughafen, dort traf sie zufällig Sven nochmals und es ging sich sogar noch ein schneller Kaffee aus, bevor sich ihre Wege endgültig trennten und jeder zu seinem Gate hetzte, um nach Hause zu fliegen.

 

2 Kapitel



Der Flug war kurz und problemlos und zu Hause wurde sie von ihrem Mann und ihren Kindern abgeholt, worüber sie sich sehr freute. Am Heimweg fuhren sie über den Ring und machten beim Burggarten halt, wo sie eine nette Konditorei kannte, in der sie sich an Kaffee und Kuchen erfreuten, sie dachte daran, wie lange das wohl noch möglich sein würde, bevor wir ganz Europa lahmlegen. Dann ging es nach Hause.

Sonya wohnte unter sehr angenehmen Umständen, sie hatte ein wunderschönes Haus am Stadtrand von Vindobonensis, eigentlich eine Gründerzeitvilla mit einem wunderschönen kleinen Park, mit herrlichen alten Bäumen, sie liebte ihr kleines Königreich über alles, sie hatte es von ihrer Großmutter geerbt, und die wieder von ihrer Mutter, es war also schon sehr lange in Familienbesitz und wenn das Haus reden könnte, würde es vermutlich eine Geschichte erzählen, die mindesten ebenso interessant wäre wie diese hier.

Kaum war das Auto in der Garage stehen geblieben, stürmten schon die Kinder hinaus in den Garten, auf ihren Spielplatz. Sie konnte sich wirklich nicht beschweren, dachte Sonya, das Schicksal hatte es mit ihr immer gut gemeint, sie war, wie man so sagt, bei grünen Jalousien aufgewachsen und kannte Leid und Armut nur vom Hörensagen, ganz anders ihr Mann Peter, der zwar auch nicht unter Leid und Armut zu leiden hatte, aber doch unter weit ärmlicheren Bedingungen zu leben gezwungen war. Er war im Gemeindebau aufgewachsen und musste sich sein Studium als Werkstudent schwer verdienen und nicht nur das, er musste sich auch noch gegen seine Familie durchsetzen, die ihn gerne als Arbeiter und engagierten Sozialisten, der sich in Jungschar und Partei stark macht, gesehen. Und dann noch Mathematik, wenn er wenigstens Politikwissenschaften oder Psychologie oder irgendetwas, das in das Weltbild der Eltern gepasst hätte, studiert hätte, aber ausgerechnet Mathematik! Heute, wo er ein anerkannter Mathematiker an der Universität von Vindobonensis war, war das natürlich alles anders und seine Eltern, waren auf ihn natürlich sehr stolz und stritten alles, wie nicht anders zu erwarten, ab.


Sonya und Peter gingen in ihr Bibliothekszimmer und ließen sich von ihrem Hausmädchen je einen Drink bringen, für Sonya einen Pina Colada und für Peter einen Bitere Orange, eine Art alkoholfreier Campari mit Orangensaft, Peter trank fast nie Alkohol, er schaute sie an und fragte, wobei ihm der Schalk in den Augen stand: „Nun, wie ist es dir in Daschaust gegangen, hattest du wie immer deinen Spaß?“

Sonya nickte und lächelte leicht, wobei sie sich wieder einmal fragte, wie es ihr Mann machte, einfach immer alles zu wissen, was sie so trieb, es war als ob er Gedanken lesen könnte, und da kam es auch schon: „Was hast du denn diesmal angestellt? Ich sehe dir an der Nasenspitze an, dass du schon wieder an den Schrauben dieser Welt gedreht hast, oder bist du schon wieder einmal auf Weltrettungsmission?“

Es war ihr völlig unklar, wie dieser kühle Rechner und Statistik Weltmeister, was sich beim Vermehren ihres Aktienbesitzes, den sie von ihren Eltern geerbt hatte, oft und oft bewährt hatte, so tief in sie hineinsah und alles wusste.

„Du wirst mir langsam unheimlich, jetzt glaube ich bald wirklich, dass du Gedanken lesen kannst, aber du hast recht ich habe nicht weniger vor als die Welt zu retten“, dabei holte sie ihre Kopie des Geheimdienstberichtes von Aileen heraus und knallte sie auf den Tisch.

„Was hast du denn da?“ fragte Peter ganz erstaunt und griff nach dem Bericht mit dem großen Stempel Geheim auf dem Titelblatt.

Nachdem er ihn durchgeblättert hatte und bemerkte: „Sieht ja wirklich schlimm aus“, vertiefte er sich in den Bericht.

Anschließend erzählte Sonya ihm die ganze Geschichte von dem Vortrag, der sie so erschüttert hatte und ihrem Entschluss, diesen extrem überhitzten Wirtschaftsmotor, der das alles seit 200 Jahren hindurch befeuert hatte und gerade dabei war, die Welt in den Abgrund zu befördern, anzuhalten. Und auch wie sie geplant hatte, die gerade aufziehende Pandemie dazu zu verwenden.

Er meinte lächelnd: „Das bist typisch du, immer bereit einen Kreuzzug zu beginnen, aber gerade deshalb mag ich dich über alles. Also gut, es ist zwar verrückt, aber ich werde dir nach Kräften helfen.“

Am meisten faszinierte ihn aber, dass sie das Dokument, das er in Händen hielt, erst erhalten hatte, nachdem sie ihren Entschluss schon gefasst hatte.

„Wenn das nicht Schicksal ist, dann gibt es wirklich kein Schicksal“, gluckste er und grinste dabei, dann wurde er aber sofort wieder ernst, „und du bist dir absolut sicher, dass der Bericht echt ist?“

Sonya antwortete aus voller Überzeugung: „Das hat meine Freundin Aileen aus Caledonia von einem Freund, der beim Geheimdienst arbeitet, bekommen und ich habe ein paar Daten stichprobenartig überprüft, sie hatten alle gestimmt.“

Peter glaubte ihr zwar, nahm sich aber vor, das Ganze mit ihr zusammen nochmals gründlich zu überprüfen. Sie war einverstanden und sie beschlossen, gleich am nächsten Morgen mit der Überprüfung zu beginnen. Dann sagte sie ihm noch, dass sie gerne eine sichere Verbindung über das Darknet zu ihren Kollegen in den anderen Ländern hätte, für solche Dinge war nämlich Peter, der ein begeisterter Computerfuzzi war, zuständig.

Er nickte: „Das ist das kleinste Problem, das richte ich dir gleich morgen auf deinem Laptop ein, aber wollen wir’s heute nicht sein lassen? Was hältst du davon, wenn wir unsere Jungs fragen, ob sie mit uns in dein Lieblingsrestaurant, dem Spargelfeldhof, essen gehen wollen?“

Aber die Jungs hatten keine Lust und zogen es vor, mit ihrem Kindermädchen einen Mac Dagobert aufzusuchen, also machten sie sich alleine auf den Weg in die Umgebung von Vindobonensis, es war zwar nicht sehr nah und sie mussten eine gute dreiviertel Stunde mit dem Auto in die flache Ebene nördlich der Donau fahren, aber es war den Aufwand wert, das Lokal hatte nicht nur eine erstklassige, klassische Küche zu bieten, weit entfernt von den exaltierten modernen Küchen mit halbrohem Gemüse und ganz rohem Fisch und überall schaumigen Saucen, deren Aussehen in Peter immer unappetitliche Assoziationen auslöste. Diese Art Essen bekam man heute leider in den meisten sogenannten Spitzenrestaurants, schweineteuer und mit viel zu kleinen Portionen. Außerdem bot das Restaurant eine einmalige Atmosphäre, mit den, mit allen möglichen und unmöglichen Dingen dekorierten verwinkelten Räumen und den herumwandernden Musikern, die alle Augenblicke einen andern Gast hoch Leben ließen, der gerade Geburtstag feierte. Eben das, was Sonya und Peter als Erlebnis empfanden. Peter bestellte sich sein Lieblingsessen, eine halbe Ente mit Rotkraut und Kartoffelknödel und Sonya nach den ganzen Spezialitäten und spitzfindigen Leckereien in Daschaust, ein richtiges Kalbsschnitzel mit Gurkensalat und Bratkartoffeln. Das Essen in dieser leicht schummrigen Atmosphäre war wie immer köstlich und sie genossen es sehr.

Dann ging es wieder nach Hause und da es ziemlich spät geworden war, schliefen ihre Kinder schon. Sonya schlich sich leise in die Kinderzimmer und drückte jedem ihrer Jungs ein Küsschen auf die Stirn. Dann gings ab ins Schlafzimmer und Wiedersehen feiern, was sie auch ausgiebig taten und wie auch beim Essen waren ihre Bedürfnisse handfest und bodenständig, ohne ausgefallenen Hilfsmittel und Doppelsalto am Kronleuchter. Sie schlief glücklich in seinen Armen ein, wobei ihr letzter Gedanke war: ‚Schon ein angenehmes Gefühl den besten Hengst im eigenen Stall zu haben‘.


Mit einem durch und durch wohligen Gefühl wachte Sonya am nächsten Morgen langsam auf und sie dachte: ‚Wie gut geht es mir doch, dass ich mir meine Zeit selbst einteilen kann und mich von keinem Wecker wecken lassen muss. Von wegen Wecker, wo ist eigentlich Peter?‘,

Aber da hörte sie ihn schon im Haus herumkramen. Sie machte sich rasch fertig und ging hinunter ins Arbeitszimmer, wo Peter an seinem Computer, vor seinen drei riesigen Bildschirmen saß und herunterlaufende Zahlenreihen betrachtete.

„Na du bist aber schon sehr fleißig“, begrüßte Sonya ihn mit einem Kuss.

„Ja ich war schon sehr früh munter, was du mir gestern erzählt hast, hat mich schon sehr bewegt. Die Internet Verbindung zu deinen Freunden habe ich übrigens auch schon auf deinem Notebook eingerichtet, mit dem kannst du jetzt sogar direkt aus der Geheimdienstzentrale von Drachenland kommunizieren, ohne dass sie es entschlüsseln könnten“, lachte er.

„Super, danke, ich weiß doch, was ich an dir habe, aber denk dir nichts, auch ich habe in der ersten Nacht, nachdem ich das Geheimdienstdokument erhalten habe, nicht gut geschlafen. Hast du schon gefrühstückt?“

Peter verneinte, und so ließen sie sich von ihrem Dienstmädchen ein paar Sandwichs und für jeden ein großes Glas kalter Ovomaltine bringen. Sie setzte sich zu ihm und sie nahmen sich die Daten aus dem Geheimdienstdokument Datensatz für Datensatz her und überprüften sie. Es war eine unwahrscheinliche Arbeit und außer einer kurzen Pause, in der sie eine Kleinigkeit aßen und einen Kaffee tranken, arbeiteten sie, sehr zum Missfallen ihrer Kinder, denen sie versprechen mussten, am nächsten Tag mit ihnen in den Zoo zu gehen, bis in den späten Abend, aber irgendwann hatten sie alles durch und es war tatsächlich so, dass alle Daten stimmten. Sie waren so erschöpft, dass sie nur mehr tot ins Bett fielen und schon schliefen, bevor sie noch das Leintuch berührten.


Am nächsten Tag stand Sonya zeitig auf, denn erstens hatten sie den Kindern einen gemeinsamen Tag im Zoo versprochen und außerdem wollte sie mit ein paar bekannten Journalisten sprechen, um ihnen die heraufdämmernde Pandemie als Thema schmackhaft zu machen. Sie klemmte sich also hinters Telefon und telefonierte ihre Liste durch, da sie sehr charmant und auch sehr überzeugend sein konnte, war sie recht erfolgreich und erhielt vielen Dank und viele Zusagen, nebenbei erfuhr sie auch, dass eine Reihe recht beunruhigender Meldungen aus China und auch schon die ersten, allerdings noch harmlosen, aus Oberitalien über die Presseagenturen herein gekommen waren.

Nachdem sie, was sie sich für heute vorgenommen hatte, erledigt hatte, sammelte sie ihren Mann und ihre Kinder ein und fuhr mit ihnen in den weltberühmten Zoo von Vindobonensis, sie hatte diesen herrlichen Zoo schon als Kind geliebt und daher in ihrem bisherigen Leben auch schon unzählige Male besucht. Heute hatten sie besonderes Glück, nachdem gestern das Wetter noch recht bescheiden war, war heute ein sonniger und für die Jahreszeit erstaunlich warmer Tag. Jedenfalls verbrachten sie einen wunderschönen Tag im Zoo, gingen in einem alten Bauernhof, der sich am Zoogelände befindet, essen, dabei konnten sie noch in der Schau Brüterei ein Küken schlüpfen sehen und ihre Jungs, denen sie immer Tierliebe und Achtung vor der Natur gelehrt hatte, waren ganz begeistert. Nachdem sie alles, was es zu sehen gab, reichlich betrachtet hatten, endete der Zoobesuch wie immer auf dem großen und spektakulären Spielplatz des Zoos, sie und Peter machten es sich in dem kleinen Kaffeehaus neben dem Spielplatz bequem, denn sie wussten, dass sie ihre Jungs hier lange nicht mehr wegbringen würden und sie hatte recht. Erst knapp vor Schließen des Zoos gelang es, ihre Kinder endlich zum Gehen zu bewegen und das auch nur, weil ihr eigentlich sehr gutmütiger Mann, der immer alle Familienaktivitäten und Feste geduldig über sich ergehen ließ, schon recht ruppig und brummig war. Am Abend fielen sie mit ihren Kindern noch in einer Pizzeria ein und kamen dann mit zwei durch und durch glücklichen Kindern nach Hause.


Am folgenden Tag musste Sonya an die Uni, erstens hatte sie Vorlesungen und zweitens hatte sie auch einige Forschungsaufträge am Laufen, um die sie sich kümmern musste, was sie in den letzten 2 Wochen ein wenig vernachlässigt hatte. Peter wollte noch ein paar Berechnungen auf Basis der Daten in dem geheimen Dokument anstellen und setzte sich, als sie das Haus verließ, gerade an seinen Computer. Als sie nach einem arbeitsreichen und anstrengenden Tag nach Hause kam, sah sie gerade noch, wie er den Computer abstellte, auch er wirkte nicht gerade, als ob er den ganzen Tag in der Sonne gelegen hätte.

„Nun?“, fragte sie, während sie sich in einen der bequemen Fauteuils in Peters Arbeitszimmer fallen ließ, Peter setzte sich zu ihr und ihr fantastisches Dienstmädchen, dass fast so gut Gedanken lesen konnte wie Peter, brachte ihnen zwei Drinks.

„Ich habe den ganzen Tag gerechnet und auch einige Parameter ein wenig geändert, aber erst nach langem hin und her, konnte ich einen Fehler in den Schlüsseln finden. Wer diese Statistiken gestaltet hat, ich möchte nicht einmal gefälscht sagen, weil das geht weit an der Sache vorbei, ist wirklich genial, es ist tatsächlich so, dass alle Daten stimmen, nur die Schlussfolgerung ist manipuliert, aber so perfekt, dass es vermutlich niemand bemerkt. Nochmal, die Daten in diesem Bericht stimmen, aber sei dir bitte bewusst, dass man in einer Prognose dieser Art nur einen einzigen Wert anders korrelieren muss und das ganze Kartenhaus bricht zusammen, aber was solls, nehmen wir also an, wir haben es mit der Wahrheit zu tun.“

„Gut“, meinte Sonya, „damit gehe ich davon aus, dass dieser Geheimdienstbericht echt ist, oder zumindest so gut wie echt.“

Sie lächelte und Peter unterbrach sie ebenfalls lächelnd: „Eingeschränkte Bestätigung.“

„Auch gut, also 99,99% einverstanden“, und als Peter grinsend nickte, fuhr Sonya fort, „jedenfalls nehme ich jetzt den nächsten Schritt in Angriff und werde versuchen, unseren Kanzler zu kontaktieren.“

Die letzten Daten beunruhigten sie etwas, das Virus schien noch harmloser zu sein als ursprünglich angenommen, die Mortalitätsrate dürfte nach neuesten Erkenntnissen deutlich unter 1 % liegen und die gefährdete Gruppe reduzierte sich auf sehr alte Menschen und wenige jüngere, alle mit vielen einschlägigen Vorerkrankungen. Wenn sie mit ihrer Idee überhaupt durchkommen wollte, musste sie das Gewicht auf Solidarität zu den Alten, denen der Lebensstandard und die wohlhabende Gesellschaft zu verdanken war, stark ins Spiel bringen. Auch die Überlastung des Gesundheitssystems, was ungeheure Kollateralschäden verursacht, weil wichtige Operationen nicht stattfinden, Herzinfarkte und Schlaganfälle nicht adäquat versorgt werden können und sonst noch allerlei unvorhersehbares Chaos entstehen kann, war ein gutes Argument.

Sie straffte ihre Schultern, streckte ihr Kinn vor und dachte: ‚Ich muss es einfach schaffen, die Existenz der ganzen Menschheit hängt davon ab.‘


3 Kapitel



Am nächsten Tag versuchte sie einen Termin für ein Gespräch mit dem Kanzler zu organisieren, das war, trotz ihrer Stellung gar nicht so leicht, aber da sie gute Verbindungen hatte, gelang es ihr doch recht schnell, einen Termin für nächste Woche zu einem vertraulichem Gespräch zu bekommen. In der nächsten Woche hatte sie genug zu tun, sie musste ihren normalen Geschäften nachgehen und außerdem noch ihre Sache am Kochen halten, so traf sie sich mit Journalisten, hielt Vorträge und ließ Zahlen von riesigen Bergen von Toten durchsickern. Letzen Endes war 1% von 8 Millionen auch immer noch 80.000 Menschen und man musste ja nicht im gleichen Atemzug dazu sagen, dass das ziemlich genau der Sterberate von Ostarrichi im Vorjahr entsprach, die bei ca. 82.000 Personen lag. Auch Peter war extrem rührig und tat sein Möglichstes, möglichst viele Leute für ihre Sache vorzubereiten. Sie waren zwar nach dieser Woche ehrlich erschöpft, aber auch ihre Sache war gut gediehen und das Land für einschneidende Maßnahmen auf Kurs.

In der letzten Woche hatte sie natürlich auch mit ihren Kollegen Kontakt gehalten und so war sie nicht nur am neuesten Stand, sondern wusste auch, dass in ganz Europa ihre Sache gut im Laufen war. In Neu Germanien hatte Michl das Roberto Ess Institut auf Linie gebracht und optimal gebrieft, in Turististrand entwickelten sich die Zahlen auch genauso wie es Lorenzo vorausgesagt hatte und auch jene Staaten Europas, deren leitende Virologen nicht in Daschaust gewesen waren, wurden inzwischen auf die eine oder andere Weise in das Komplott eingebunden, die Meisten allerdings nicht als Wissende. Leider kam aus Caledonia keine so gute Meldung, Aileen war es nicht gelungen, Britannia auf Linie zu bringen, deren Kanzler dürfte es darauf ankommen lassen, eine Durchseuchung zuzulassen, ob er es tatsächlich durchhalten konnte, wagte Sonya zwar zu bezweifeln, vor allem nachdem sie die Zahlen aus Turististrand kannte, die toten Alten, die in den ersten Tagen der explosionsartigen Verbreitung des Viruses anfielen, waren schon spektakulär. Außerdem hatte sie von einem Freund eine sehr einleuchtende Theorie gehört, die möglicherweise ihrem Vorhaben, einen Shutdown zu provozieren, sehr in die Hand spielen würde. So hatte er, für sie sehr einleuchtend, behauptet, dass die Europäer, bedingt durch die schweren Epidemien, wie Pest, Pocken und Cholera, epigenetisch bedingt, die Angst vor Epidemien in ihren Genen verankert haben und diese Angst, wenn man sie mit den richtigen Daten fütterte, schnell anspringen würde. Wobei Angst bekanntlich zum Aussetzen der Vernunft führt, alles in allem stand also ihre Sache eigentlich schon verdammt gut.

Morgen war also der Schlüsseltag, an dem es sich entscheiden sollte, ob sie Erfolg hatte oder nicht. Sonya war an sich ein nervenstarker und kontrollierter Typ, aber jetzt machte sie sich doch ein wenig Sorgen, aber sie wäre nicht Sonya gewesen, wenn sie sich nicht gedacht hätte: ‚Nun wer A sagt muss auch B sagen, da muss ich jetzt durch‘

Mit diesem Gedanken beendete sie den Tag und ging ins Bett. Ich weiß schon, was ihr jetzt gerne lesen würdet, aber Sonya und Peter waren nach diese Woche viel zu erschöpft und schliefen sofort ein.


Am nächsten Tag hatte sie um 17h ihrem Termin mit dem Kanzler von Ostarichi, sie bereitete sich gründlich darauf vor, und wählte ihre Kleidung geschickt, um Mondänität und gleichermaßen Seriosität auszudrücken, sie hatte sich für ein graues Kostüm mit einem eleganten Schnitt entschieden, der ihren Körper dezent betonte, ohne aufdringlich zu wirken, ansonsten begnügte sie sich mit einer dezenten wunderschön schillernden Perlenkette, auch wenn Perlen gerade nicht modern waren, liebte sie sie über alles und einer modern wirkenden wunderschöne Brosche, die eigentlich uralt war und schon sehr lange in Familienbesitz und außer zwei Perlen noch einen großen und drei kleine altschliff Diamanten in einer Platinfassung zeigte. Als sie sich in den Spiegel schaute, war sie mit dem, was sie sah, sehr zufrieden. Sie rief sich ein Taxi und fuhr in die Stadt, sie hatte noch reichlich Zeit und eine junge Kollegin asiatischer Herkunft zum Mittagessen eingeladen, Thimi, eine Chemikerin, die nebenbei einen Wissenschaftspost betrieb und die ihr sicherlich sehr nützlich sein könnte. Sie trafen sich also in einem gemütlichen Stadtrestaurant zum Mittagessen und es gelang Sonya relativ einfach, sie von der Notwendigkeit drastischer Maßnahmen gegen die heraufdämmernde Pandemie zu überzeugen, ohne das Geheimdokument überhaupt erwähnen zu müssen, aber zwischen den Zeilen sagte Thimi auch ziemlich deutlich, dass sie einen Shutdown, der die Industrie lahmlegen, die Flugzeuge vom Himmel und die Autos von den Straßen holen würde, für eine gute Sache hielt.

Sehr gut und wieder eine engagierte Mitstreiterin gewonnen‘ ‚ dachte sich Sonya. Dann verabschiedete sie sich von Thimi. Die war für ihr Vorhaben, geradezu ideal, eine junge engagierte Person, die alles so schrecklich fand und die Welt böse, kaum notwendig zu erwähnen, dass sie Vegetarierin war.

Sonya bestellte sich ein Taxi und ließ sich zum Kanzleramt führen, pünktlich 10 Minuten vor dem vereinbarten Termin war sie im Kanzleramt. Sehr zu ihrer Verwunderung musste sie gar nicht warten, sondern wurde gleich zum Kanzler vorgelassen.

Schlau, wie immer korrekt gekleidet, empfing sie ausgesprochen liebenswürdig und charmant: „Küss die Hand Frau Doktor, ich freue mich, Sie zu sehen, gestern erst habe ich gedacht, ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen, weil die Zahlen, die mich da aus Transpadania, der nördlichen Provinz von Turististrand erreichen, sind ja wirklich schrecklich.“

Sonya war eigentlich zunächst auf ein wenig Smalltalk eingestellt und wunderte sich, dass Schlau gleich mit der Tür ins Haus viel. Sie sah ihn sich von der Seite an und dachte: Mit seinem ebenmäßigen Gesicht, den großen Ohren und der lüsternen Unterlippe eigentlich ein interessanter Mann. Na gut, wenn er gleich zur Sache kommen will, soll es mir recht sein.‘

„Herr Kanzler, genau das ist der Grund, warum ich hier bin, ich möchte erreichen, dass Österreich einschneidende Maßnahmen ergreift um bei uns Zustände wie in Transpadania zu vermeiden.“

„Woran denken Sie?“

„An eine strenge Quarantäne, die nur durch einen völligen Shutdown der Wirtschaft zu erreichen ist.“

Schlau lachte kurz auf.

„Sie wissen aber schon, dass ich Kanzler einer Wirtschaftspartei bin!“

„Das ist mir durchaus klar, aber auf uns kommt eine totale Überlastung des Gesundheitssystems zu, mit tausenden Toten und überlasteten Spitälern, die zusammen mit Altersheimen zu Virenbrutstätten werden, die tausende Tote kosten.“

„Und Sie sehen wirklich keine andere Möglichkeit, das ihrer Meinung nach Unvermeidbare abzuwenden?“

„Wäre ich sonst hier?“

„Dann versuchen Sie einmal, mich von der Notwendigkeit zu überzeugen.“

Jetzt war Sonya froh, dass sie sich erstklassig auf dieses Gespräch vorbereitet hatte. Sie holte ihre Daten heraus und begann die voraussichtliche Verbreitung der Pandemie zu erklären. Auch die zu erwartenden Toten, sowie die Toten, die durch Kollateralschäden im dann überlasteten Gesundheitssystem anfallen, weil nicht genug Intensivbetten mehr frei sein würden, schilderte sie in den buntesten Farben und natürlich auch den Druck, den er und seine Regierung ausgesetzt sein würde, wenn plötzlich massenhaft Tote zu bewältigen sind.

Schlau sah sich alles genau an und verstand offensichtlich auch, was sie ihm zeigte und erklärte. Sylvia dachte: ‚Für einen Politiker ist der Kerl, wirklich erstaunlich intelligent.‘

In dem Moment sagte er: „Ihre Daten sind wirklich überzeugend, aber einen totalen Shutdown rechtfertigen sie trotzdem nicht, da müssen wir eben andere Maßnahmen ergreifen und notfalls Notspitäler und Leichenhallen für die anfallenden Toten des ersten Aufflammens der Epidemie einrichten.“

Sonya dachte: Da hat der Kerl aus den Zahlen tatsächlich erkannt, dass die Epidemie nach einem ersten rapiden Aufwallen in kürzester Zeit wieder verpuffen würde, unglaublich.‘

Sie erkannte, dass sie verloren hatte, überlegte kurz und beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Sie zog das Geheimdokument aus der Tasche und legte es auf den Tisch.

Schlau fragte: „Was ist das?“

Doch sie antwortete nicht, sondern deutete nur auf das Dokument.

Schlau nahm es zur Hand, drehte es um und fragte: „Wo haben Sie das her?“

„Eine Kollegin aus Caledonia hat es mir gegeben und alle Daten sind echt und 100% stichhaltig.“

Zunächst war eine halbe Stunde absolute Funkstille, in der Schlau sich intensiv in das Dokument vertiefte.

Dann sah er auf und meinte: „Auch ich glaube, dass das Dokument echt ist und damit habe ich keine andere Möglichkeit mehr, als ihren Shutdown durchzuführen, zumindest nicht, wenn ich weiterleben und meinen Kindern eine Welt zurücklassen will, in der sie leben können.“

Jetzt zeigte sich, was für ein genialer Machtmensch Schlau war, er skizzierte wenige Minuten nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte, mit wenigen Worten einen Schlachtplan für ihr weiteres Vorgehen und damit hatte er Sonya überzeugt, der richtige Mann am richtigen Platz zu sein. Jetzt wusste sie ihre Sache bei ihm in den besten Händen. Sie unterhielten sich noch ungefähr eine halbe Stunde, dann war die Audienz vorbei. Schlau verabschiedete sie ebenso liebenswürdig, wie er sie empfangen hatte und ein außenstehender hätte glauben können, sie hätten nur einen langen Smalltalk hinter sich, dabei hatte sie sich symbolisch gesprochen gerade einen riesigen Rucksack mit Arbeit aufgehalst. Aber Arbeit war für Sonja noch nie ein Problem gewesen, wenn sie etwas konnte, dann war es, konzentriert und zielgerichtet zu arbeiten. Am nach Hause Weg, war sie ausgesprochen guter Dinge, sie hatte hoch gepokert und gewonnen. Sie konnte es noch immer nicht glauben, aber ja, verdammt noch einmal ja, sie hatte gewonnen. Am Heimweg fuhr sie noch in einem erstklassigen Spirituosengeschäft vorbei und besorgte eine Flasche Champagner doux, sie liebte wie ihr Mann Peter süße Sekte und Champagner und hatte sich für eine 1,5l Flasche Veuve Clicquet entschieden.

Als Peter sie mit der Flasche Champagner in der Hand, bei der Tür hereinkommen sah, grinste er von einem Ohr zum anderen.

„Ich wusste du schaffst es, wer, wenn nicht du, musstest du das Dokument herzeigen?“

Sie nickte: „Ja, es kostete mich meinen ganzen Mut, zunächst bedauerte ich es, aber jetzt rückblickend muss ich sagen, es war absolut richtig wie ich gehandelt habe.“ Damit beendeten sie das Gespräch und wandten sich dem angenehmen Teil des Abend zu, der mit dem Knallen eines Sektkorkens begann.


Schlau las das Geheimdokument noch mehrmals und war mehr als beunruhigt, in dieser Nacht schlief er ausgesprochen schlecht. Als er am nächste Tag aufwachte, war er sich voll bewusst, was er entschieden hatte und dass er erstmals seit er als junger Student begriffen hatte, wie Menschen funktionieren und wie man in dieser Welt erfolgreich ist, sich derartig exponiert hatte, aber was sollte er machen, bei allen Eigeninteressen, eine ganze Welt wollte er nicht auf dem Gewissen haben. Er war sich aber im Klaren, dass er alle Sinne zusammenhalten und schlau wie niemals zuvor agieren musste, um bei der ganzen Sache nicht unter die Räder zu kommen. Er überlegte kurz, seinen Koalitionspartner oder seine Vertrauten einzuweihen, verwarf es aber sofort wieder, ein Eingeweihter mehr war auf alle Fälle einer zu viel und sein Koalitionspartner würde jede Maßnahme, die Flugzeuge von Himmel und Autos von der Straße holt, auf alle Fälle begrüßen, ganz egal unter welchem Vorwand man es ihnen verkaufen musste. Seinen Schlachtplan hatte er schon gestern mit der Virologin besprochen und er dachte sich: ‚Übrigens eine sehr interessante und eloquente Person, mit ihr als Unterstützung wird das ganze Unterfangen wohl funktionieren. Als erstes muss ich den ORT (Ostarrichi Radio und Television) und die größte Zeitung des Landes, die Sesterze auf Linie bringen, aber so wie die Strukturen im ORT verteilt sind und die Zeitung von Subventionen abhängig ist, sollte das nicht wirklich schwer sein.‘

Schon viel besser gelaunt machte er sich ans Werk. Der erste Schritt, die Medien auf Regierungslinie zu bringen, war der Leichteste, es waren nur ein paar Gespräche mit den richtigen Leuten erforderlich und alles war auf Kurs.


Sonya wachte am nächsten Tag gut gelaunt auf, sie war mit sich immer noch sehr zufrieden. Sie machte sich schnell fertig, frühstückte eine Kleinigkeit und begann dann ihren Arbeitstag. Zunächst verband sie sich mit ihren Mitverschwörern und informierte sie davon, dass Österreich den Shutdown verkünden würde. Alle waren sehr erleichtert und dann berichteten sie, dass in ihren Ländern das ganz genau so lief, wie sie es vermutet hatten und sie es sich in der Zwischenzeit auch von Mathematikern bestätigen hatten lassen. Die schrecklichsten Zahlen kamen, wie schon in den letzten Tagen aus Transpadania, wo sich aus einem verrotteten Gesundheitssystem und Fehleinschätzungen der Politik eine Situation zusammenbraute, die für die Betroffenen mehr als schrecklich war und viele, viele Tote kosten würde. Der arme Lorenzo war ganz unglücklich, dass er so recht gehabt hatte und seine Voraussagen so schnell und präzise zutrafen. Sonya tat Lorenzo und die armen Menschen in Transpadania zwar sehr leid, aber sie hatte viel zu tun und sie würde ja mit ihrem Tun auch viele Menschenleben retten, also ging sie an ihr Tagwerk. Zunächst setzte sie sich mit ihren Kontakten von der Presse in Verbindung, ließ ein paar Informationen durchsickern und wies sie auf den einen oder anderen internationalen Artikel hin, natürlich waren die Informationen alle wohl überlegt ausgesucht, denn sie mussten das Volk in Angst versetzen und dann auch in Angst halten, um den Druck aufrecht zu erhalten, damit der Shutdown auch durchhaltbar blieb.

Die nächsten Tage ging Sonya ihren normalen Geschäften nach, allerdings nicht ohne ihre Ziele bezüglich des Shutdowns zielstrebig weiter zu verfolgen, und wenn sie sich so die Presse ansah, lief es wirklich gut.

Auch Schlau war in der Zwischenzeit äußerst rührig gewesen und hatte den Shutdown erstklassig vorbereitet, der ORT war auf dem Shutdown eingestimmt und auch die wichtigste Zeitung des Landes lieferte eine entsprechende Unterstützung ab, nach menschlichem Ermessen sollte alles klappen. Jetzt kam noch eine schwieriger Part auf ihn zu, er musste seinen Regierungspartner in den Shutdown einbeziehen und er nahm sich fest vor, von dem Geheimdokument nichts zu sagen, denn er wollte sich nicht so weit in die Hand seines Junior Partners geben. Das Leben war schon so schwer genug und täglich ein Eiertanz, aber immerhin hatte er alle seine Parteigänger überzeugen können. Nur bei dem Repräsentanten der Wirtschaft musste er Farbe bekennen, das Geheimdokument offenlegen und selbst dann bedurfte es noch Engelszungen, bis der Mann endlich einwilligte und wenn er nicht zufällig eine kleine Enkelin hätte, die ein gewichtiges Argument für eine Rettung der Welt war, hätte er wahrscheinlich nie nachgegeben.

Als Letztes organisierte Schlau noch für den nächsten Morgen ein vier Augen Gespräch mit seinem Vizekanzler in seinem Büro. Er begrüßte Bergler in seinem Büro, Bergler war ein gemütlicher, jovialer, eher hemdsärmeliger, leicht untersetzter Typ aus Noricum Mediterraneum, der Südprovinz von Ostarrichi und obwohl er genau wusste, was er wollte, war er seinem Wesen nach ein aufrechter direkter Kerl ohne Winkelzüge und Hintergedanken, eigentlich alles andere als ein Politiker. Schlau begrüßte ihm mit Handschlag und den Worten: „Hallo Bruno“, sie hatten ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt und verstanden sich, obwohl sie ideologisch doch deutliche Unterschiede aufwiesen, sehr gut.

Bergler antwortete mit: „Hallo Wastl, was gibt so Dringendes, dass wir unbedingt sofort besprechen müssen?“

Schlau: „Du hast die Situation in unserem Land und rund herum in den letzten Tagen beobachtet?“

Bergler: „Ja, es ist wirklich schrecklich, vor allem die armen Menschen in Transpadania tun mir von Herzen leid.“

Schlau: „Ja mir auch und das schlimmste ist, dass, wenn wir nichts unternehmen, auch bei uns die Spitäler in kurzer Zeit überlastet sein werden und es Berge von

Toten geben wird und das hauptsächlich alte und gebrechliche Menschen, mir käme es wie ein Verrat vor, wenn wir nichts unternehmen würden.“

Bergler: „Das darf bei uns auf keinem Fall passieren! Hast du Zahlen, mir ist nicht entgangen, dass du in letzter Zeit ständig mit den Fachleuten von unserer Universität konferiert hast und sogar Frau Dr. Puchroller auf ein langes Gespräch bei dir war.“ Schlau wunderte sich: „Du bist ja erstaunlich gut informiert, aber du hast recht, ich beschäftige mich mit dem Problem, dass da auf uns zukommt, schon sehr lange und die Erkenntnisse sind wirklich deprimierend.“

Und dann legte er seine Zahlen, Statistiken und was er sonst noch hatte, ein beeindruckendes Konvolut von durch und durch überzeugenden Daten, auf den Tisch, wobei er dachte: ‚Eigentlich schon erstaunlich, wie man mit Daten aus einer Mücke einen Elefanten oder aus einem Elefanten eine Mücke machen kann‘, Er wusste das zwar schon lange, aber es faszinierte ihn immer wieder.

Bergler: „Das müssen wir unter allen Umständen verhindern, man muss sofort Spitalskapazitäten freimachen, die Grenzen schließen und die Infektionskette unterbrechen“

Schlau: „Das stellst du dir so einfach vor, aber wir können doch nicht unsere Wirtschaft einfach zusperren, wir gehören zu den reichsten Ländern dieser Welt und du willst du uns zu einem Drittweltland machen!“

Bergler: „Du wirst doch nicht wirklich Wirtschaft gegen Menschenleben aufrechnen, das kann doch nicht dein Ernst sein, es gibt einfach Situationen, da muss man als Politiker handeln, das erwarten die Leute ja auch von uns.“

Schlau: „Alles schon klar, aber wir können trotzdem nicht einfach zusperren, wie ein Eissalon im Herbst.“

Bergler: „Wie ein Eissalon im Herbst nicht, aber wie ein Staat, dem das Leben seiner Bürger das höchste Gut ist“

Bruno steigerte sich in einer Mischung aus Sendungsbewusstsein und Mitleid immer mehr hinein und Schlau leistete hinhaltenden, aber schwächer werdenden Wiederstand, dabei dachte er: ‚Das läuft ja wirklich prima, besser könnte es ja gar nicht gehen.‘

Nach einigem Geplänkel gab er den Wiederstand ganz auf und sie beschlossen gemeinsam, ein gut abgestimmtes Maßnahmenpaket um den Shutdown in die Wege zu leiten. Nach mehreren Stunden hatten sie beschlossen, den Shutdown in einer großen Pressekonferenz in drei Tagen anzukündigen und am 16.3 um Mitternacht in Kraft treten zu lassen. Um dann nach und nach die Maßnahmen zu verschärfen, damit das Volk sich langsam darauf einstellen konnte.

Schlau dachte: ‚Und vor allem systematisch Angst zu erzeugen und dann zu steigern, damit die Maßnahmen von der Bevölkerung auch angenommen werden und es keinen massiven Wiederstand gibt‘ aber das sagte er natürlich nicht laut, wenn er gewusst hätte, wie leicht es war die Bevölkerung in Panik zu versetzen und so die Herde zusammenzutreiben, hätte er sich viel weniger Sorgen gemacht.

In den nächsten Tagen hatten alle viel zu tun, um sich die Meinungshoheit zu sichern und den Startpunkt für die Maßnahmen optimal vorzubereiten.

Sonya und ihr Mann hatten auch alles Menschenmögliche getan, um in ihren Fachbereichen die Wissenschaftler auf ihre Linie einzustimmen und sie hatte auch schon reichlich Datenmaterial an die Medien durchsickern lassen. Sie konferierte nochmals mit ihren Kollegen in den anderen Ländern und holte sich die neuesten Informationen, es lief alles so wie es zu erwarten war, sie sah also recht zuversichtig der Zukunft entgegen.

Heute am 15.3 war es so weit, die Situation in Transpadania war völlig unhaltbar geworden, in der Zwischenzeit war das Spitalswesen dort so weit zusammengebrochen, dass bereits viele Kranke nicht mehr künstlich beatmet, sondern nur mehr mit Opium ruhiggestellt werden konnten, seit gestern existierten auch erste Quarantänevorschriften in Turististrand und die gesamte Presse von Ostarrichi war natürlich voll in Fahrt, denn bekanntlich sind ja nur bad news good news.

Am Nachmittag war es dann so weit, Bundeskanzler und Vizekanzler verkündeten vor versammelter Regierung, für Mitternacht den Beginn des Shutdowns, es war wirklich sehr beeindruckend, alle Regierungsmitglieder hatten das notwendige dramatische Gesicht aufgesetzt und erst Kanzler und dann Vizekanzler machten in salbungsvollen Worten und mit dem nötigen Ernst der Bevölkerung klar, wie dramatisch die Situation sei und dass sie sich daher entschlossen hatten, zum Schutz vor allem der Alten und Kranken die Wirtschaft auf null herunterzufahren und nur die absolut notwendige Grundversorgung aufrecht zu erhalten. In dieser Rede wurden die Menschen auch erstmals mit den Begriffen Shutdown und social Distancing vertraut gemacht. Und vor allem fiel erstmals der denkwürdige Werbeslogan, mit dem die Bevölkerung ab sofort bis zum Abwinken traktiert werden sollte.

Es gibt nur vier Gründe das Haus zu verlassen:

  1. Arbeiten gehen

  2. Dringend notwendige Besorgungen

  3. Anderen Menschen helfen

  4. Besondere Ausnahmefälle

Zwar war das Volk zunächst noch nicht sonderlich besorgt und vereinzelt wurden sogar Corona Partys gefeiert, aber nach und nach griff die Angst um sich und die Menschen begannen sich an die Quarantäne zu gewöhnen.

Sonya war hoch zufrieden, auch die Kollegen aus den anderen Ländern Europas hatten gute Arbeit geleistet und die Länder fielen wie die Dominosteine, nur Britannia, die Unterländer und die Averner gingen noch einen anderen Weg und setzten zunächst auf Durchseuchung, ohne aber ein sinnvolles Konzept zu haben, sie ließen es einfach laufen, was notwendigerweise so nicht lange durchhaltbar war. Lediglich Vikilandia ging konsequent einen anderen Weg und versuchte mit sinnvollen Maßnahmen, einerseits das normale Gesellschaftsleben so gut als möglich aufrecht zu erhalten und andererseits besonders gefährdete Gruppen abzuschirmen, dabei setzte das Land nicht auf Angst, Einschüchterung und Terror, sondern auf Vernunft und Freiwilligkeit. Sonya dachte, sicherlich die einzig richtige Vorgangsweise und wenn die Welt nicht so dringend eine Entlastung von unserer überzogenen, schrecklichen neoliberalen Industriegesellschaft benötigen würde, hätte ich es genauso gemacht und diesen Weg mit aller Kraft durchzusetzen versucht.

Privat war Sonya von den Maßnahmen nicht wirklich betroffen, sie hatte ein schönes großes Haus mit reichlich Platz in einem nicht zu kleinen Garten mit schönen alten Bäumen, ein erstklassiges Hausmädchen, dass bei ihr in der Villa wohnte und für ihre Kinder ein Kindermädchen, dass ebenfalls in der Villa wohnte. Zusätzlich hatte sie noch einen Lehramtsstudenten als Lehrer für ihre Kinder organisiert, den sie auch gleich in ihrem Haus einquartiert hatte. Sie gehörte zwar intellektuell der Linken an, ihr Weltbild war im Wesentlichen als linksliberal einzustufen, in solchen Situationen dachte sie aber schon, dass es eigentlich ein Geschenk des Schicksals ist, als Angehöriger der Bourgeoisie geboren zu sein und nicht als armer Schlucker. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was es bedeutet, jetzt mit 3 Kindern in einer Gemeindewohnung zu leben und selbst das war nicht das Schrecklichste, was sie sich vorstellen konnte.


4 Kapitel


1 Woche war seit der Ausrufung des Ausnahmezustands vergangen…


Die ersten Ergebnisse waren mehr als spektakulär, es zeigte sich, was für ein skrupelloser zielorientierter Machtpolitiker Schlau war und wie perfekt er es geschafft hatte, genau die Stimmung zu erzeugen, die diese Quarantäne beförderte, es war wirklich erstklassige Operetten Choreographie, Kanzler, Vizekanzler, Innenminister und Gesundheitsminister traten gemeinsam auf. Der Bundeskanzler als Oberpriester mit salbungsvollem Spruch und Aufrufe an Loyalität und Solidarität des Volkes, im Hintergrund aber immer als Angstmacher die Horrorzahlen von imaginären Toten, der Vizekanzler in seiner Funktion, einerseits als Verstärker und andererseits um sein Klientel bei der Stange zu halten, der Innenminister als Bluthund, der die Unbotmäßigen niederhielt und einschüchterte und der Gesundheitsminister, zweifellos die blasseste Figur in dieser Viererbande als Organisator der Auswirkung der Maßnahmen auf das Gesundheitssystem. Im Laufe der ganzen Krise sollte sich aber zeigen, dass es ihm einfach an Routine und Souveränität fehlte und so leistete er sich einige böse Schnitzer, weil auch er eben ein Aufrechter war, der an seine Sachen glaubte und nicht nur ein Politiker, dem es in erster Linie um Machterhalt und Herrschaft ging. Schlau gefiel sich in seiner Rolle und genoss sie richtig und er war auch wirklich erfolgreich. Bereits innerhalb von einer Woche war zu bemerken, wie perfekt es gelungen war, der Bevölkerung Angst zu machen, die durch geschickte Information gelenkten Medien hatten optimal reagiert und zumindest in dieser ersten Woche gab es in Ostarichi keinerlei andere Meinung zu hören und sogar die Opposition war wie paralysiert, es war keine einzige Kontrastimme im Parlament und Schlau konnte jede Menge Gesetze und Anordnungen durchsetzen, die er unter normalen Umständen niemals durchgebracht hätte. Nur bei den Hunnen, jenseits der Ostgrenze Ostarichis, war ein Kanzler noch besser im Ausdehnen seiner Macht, er hat es geschafft, sich mit einem Notstandsgesetz die absolute Macht anzueignen und es dürfte nur mehr eine Frage der Zeit sein, wann er sich zum Diktator auf Lebenszeit ausrufen lässt, obwohl, vielleicht überlegt er es sich möglicherweise doch noch, weil dann das Geld aus den Töpfen Europas versiegen würde, dass er und seine Oligarchie veruntreuen, andererseits erhält er dann aber vielleicht so viel Geld vom Land des roten Drachen, dass ihm auch das egal ist.

Sonya ließ die erste Woche Revue passieren und war sehr zufrieden, wie alles gelaufen war, alle Staaten hatten mehr oder weniger rigorose Quarantänemaßnahmen eingeführt, besonders Pablo aus Taraconensis war voll in seinem Element, er hatte es wirklich geschafft, seine Politiker dazu zu bewegen ihr Volk fast völlig einzusperren und noch viel strikter als anderswo zu überwachen und das unter Einsatz von Hubschrauberüberwachung und strengsten Polizeikontrollen, man bemerkte, dass in Taraconensis die faschistische Diktatur erst seit einer Generation Geschichte war und der Geist der Unterdrückung den Menschen noch in den Knochen steckte. Auch Michl war ein Meisterstück gelungen, er hatte das Roberto Fress Institut dazu gebracht, die Obduktion von Leichen, die mit Covid 19 infiziert waren, in neu Germanien weitgehendst zu unterbinden. Ein wichtiger Schritt, um die Quarantäne ein, zwei Wochen ausdehnen zu können. Ihr schönstes Erlebnis dieser Woche war aber, wie sie vor dem Bildschirm ihres Notebooks saß und sah wie wenig Flugzeuge über Europa am Himmel waren.

2. Woche nach Beginn der Quarantäne

Der Innenminister von Ostarrichi, ein Kerl der wohl wie alle Innenminister durch und durch ein Law and Order Typ ist, vermutlich war er einmal Polizist oder Militarist, oder wäre es zumindest in der Sandkiste gerne gewesen, hatte es geschafft, in kürzester Zeit seine Exekutive auf die Überwachung der eigenen Bevölkerung einzustimmen und erntete dafür auch noch Lob und Begeisterung. Eigentlich war Sonya sehr traurig wie wenig das Volk seine Freiheiten zu schätzen wusste und wie leichtfertig es Freiheit gegen Sicherheit tauschte, aber genau das hatte sie ja erreichen wollen.

3. Woche nach der Quarantäne

Vor allem in der Presse von neu Germanien, aber auch in den wenigen nicht unter Kontrolle der Regierung stehenden Medien von Ostarichi tauchten erste kritische Berichte auf, und vor allem im Internet gab es viel kritische Stimmen, es war zwar nur ein Anfang, aber man musste aufpassen, hier war Thimi eine echte Hilfe, nicht nur, dass sie einen Post betrieb, der perfekt die Regierungslinie vertrat, hatte sie es auch geschafft, bei den kritischen Posts jede Menge social bots zu installieren, die getarnt als 5G Feinde, Impfgegner oder Bill Gates Hasser diese Posts unglaubwürdig darstellten.

4. Woche nach der Quarantäne

Überall in Europa gingen die Infektionszahlen und die Toten zurück, und zwar in viel größerem Maß als vorhergesagt und ziemlich unabhängig davon welche Maßnahmen die jeweiligen Länder ergriffen, oder auch nicht ergriffen hatten. Das konnte sich eigentlich niemand so richtigerklären, aber es war Realität. Was Sonya aber am meisten irritierte, die Situation zeigte den niedrigen Charakter der Menschen, in ganz Europa griff die Denunziation in einem Maß um sich, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte, der Nachbar bespitzelte und zeigte seinen Nachbarn hemmungslos an und auch die Polizeikräfte betätigten sich willig als übereifrige Systemschergen, als ob die letzte Diktatur, in der das gefragt war, nicht schon 75 Jahre vorbei war, dass zeigte nicht nur, dass es offensichtlich ganz einfach war, Menschen Angst zu machen und sie dann als mehr oder weniger homogene Horde gegen jeden und alles einzusetzen, was als feindlich empfunden wird. Erstmals wurde ihr klar, wie der Nationalsozialismus funktioniert haben musste und dass Menschen aufgrund ihrer Instinkte offensichtlich für solches Verhalten optimal geeignet sind. Fast freute es Sonya, dass trotz allem die kritischen Stimmen immer mehr zunahmen und auch die Angst in der Bevölkerung langsam zurückging, aber das war natürlich nicht im Interesse ihrer Sache und auch die Wirtschaft leistete immer mehr Widerstand gegen die Maßnahmen, wenigstens war es gelungen mit dem social Distancing und der Aufforderung zum ständigen Händewaschen der Bevölkerung einen Verhaltenscode einzuprogrammieren, der das Außergewöhnliche der Situation bewusst machte. Doch es musste etwas geschehen, sonst war der Shutdown nicht mehr lange durchzuhalten und jede Woche länger bedeutete eine Woche mehr Erholung für Mutter Erde und die brauchte sie dringend.

Plötzlich hatte sie einen Geistesblitz, sie dachte‚ genau, dass ist es! Wir brauchen ein Symbol, um die Dramatik der Situation jedem bewusst zu machen, aber was?

Zufällig fiel ihr Blick auf eine Zeitschrift, wo auf der ersten Seite ein Bild der Bevölkerung auf den Straßen von Hungwan zu sehen war, die alle Gesichtsmasken trugen.

Ich weiß zwar, dass diese Masken rein sachlich ziemlich sinnlos sind‘, dachte sie, ‚aber darum geht es nicht, in Europa sind sie nicht üblich und daher beunruhigend, aber das ist es, wir müssen die Leute dazu bringen Masken zu tragen, das bringt uns einen ein paar Wochen längeren Shutdown!‘


Am Nächsten Tag besorgte sie sich einen Termin bei Schlau und unterbreitete ihm ihren Vorschlag, außerdem sagte sie ihm zu, den Vorschlag mit entsprechenden Daten über die Notwendigkeit zu unterfüttern, Schlau war begeistert und schon zwei Tage später hatte er es nicht nur geschafft, den Präsidenten zu einer Ermahnung der Bevölkerung zu veranlassen, sondern auch eine allgemeine Maskenpflicht einzuführen. Sonya war fast erstaunt, wie rasch das über die Bühne gegangen war und dachte: ‚Als aktionistischer Machtpolitiker ist der Kerl wirklich ganz große klasse, jedenfalls werde ich dem sicherlich nie mehr die Hand geben ohne nachher die Finger zu zählen ob sie noch alle da sind, aber das galt ja auch schon für sein großes Vorbild, das bis vor 14 Jahren regiert hatte.‘


5. Woche nach der Quarantäne


Nachdem sie sich nochmal unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Kräfte über Ostern gerettet hatten, wobei die Masken ungeheuer hilfreich waren, begann die ganze Situation sich langsam zu verändern, die Zahlen aus der Wirtschaft wurden immer schlimmer und auch die Arbeitslosenzahlen stiegen von Tag zu Tag, aus manchen Schwellenländern kamen schlimme Berichte, das Wanderarbeiter auf Grund von Quarantänemaßnahmen am Straßenrand verhungerten und auch in Ostarichi wurde der Druck aus der Wirtschaft auf die Regierung immer größer, sogar die politische Opposition wachte langsam aus ihrer Schockstarre auf. Auch die Medien wurden immer kritischer und man glaubt es nicht, der ORT wagte sich über erste kritische Beiträge. Kurz und gut, Schlau, der schon immer ein Gespür für das Machbare hatte und wusste, wann es sinnvoll war, sein Segel in einem neuen Wind auszurichten, sagte ihr, dass es Zeit ist, die ganze Chose aufzuräumen und er begann auch gleich damit. Bereits für nach Ostern verkündete er die ersten Lockerungsmaßnahmen, die er vorhatte, und diese nach und nach schrittweise bis zur Normalität fortzuführen. Es war also vorbei, noch nicht ganz und nicht gleich, aber weitgehendst, es war nur noch hinhaltender Widerstand, man konnte annehmen, dass in maximal 5 Wochen ganz Europe und wenig später der Rest der Welt auf Normalbetrieb umschalten wird.



6. Woche nach der Quarantäne

Sonya war traurig und glücklich zugleich, traurig weil es weniger lange möglich war den Shutdown durchzuhalten als sie gehofft hatte. Glücklich, weil sie erstmals genauere Daten von der Wirkung des Shutdowns auf die Erde gesehen hatte und es war wirklich schön, die Grafiken der Luftqualität über den Städten und Industriegebieten, sowie die Statistiken über CO2 Emissionen und Feinstaubbelastung zu sehen. Außerdem war es wirklich berührend, wie Wildtier in die weitgehend leeren Straßen und Parks der Städte zurückkehrten und sich Teile ihres von den Menschen okkupierten Lebensraumes wieder zurückholten. In Ostarrichi und sicherlich nicht nur dort, ging jedenfalls alles langsam wieder einer gewissen Normalität entgegen und die nächsten Wochen würden zeigen, ob die Menschen einfach nach und nach zum alten Trott zurückkehren würden, oder vielleicht doch in der Lage sind, bei dem nun notwendigen Neustart, das Eine oder Andere besser zu machen. Aber das würde wohl erst die Zukunft zeigen.


In dem Moment poppte ein Anruf auf ihrem Notebook auf.

Sonya wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollt, gerade hatte Aileen sie über ihre sichere Verbindung angerufen und ihr erzählt, was ihr passiert war: „Stell dir vor, ich habe gestern Killian getroffen!“

„Kilian, wer ist Kilian?“

„Ach so, ich habe ja keinen Namen genannt, nun Kilian ist mein unmöglicher Schulkollege, von dem ich das Geheimdokument erhalten habe. Er begrüßte mich wie immer grinsend und meinte: ‚Du hast ja wirklich wie ein gut geölter Automat funktioniert‘ ich fragte ihm was er meint: ‚Nun, ich habe deine Reaktion auf mein Geheimdokument einfach richtig eingeschätzt und erreicht was ich wollte‘ ich antwortete ihm: ‚Du alter Schelm, aber so ein schlechter Kerl wie ich immer glaubte bist du ja doch nicht, sonst hättest du das Dokument nicht an mich weitergegeben.‘ Er lächelte noch immer, ‚Ich bin überhaupt kein schlechter Mensch und um die Welt steht es wirklich nicht gut, aber so schlecht auch wieder nicht, das Dokument ist eine Fälschung, zwar eine hervorragende, aber nichts desto weniger eine Fälschung, hergestellt von den Spinnern des silbernen Eisenhuts, einer Gruppe die es sich zum Ziel gesetzt hat möglichst glaubhafte Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen. Und du siehst, es funktioniert, jede einzelne Zahl stimmt, nur an der Feineinstellung wurde da und dort ein wenig geschraubt, nichts anderes als ihr auch gemacht habt.‘ ‚Aber, aber…‘ ‚Nichts aber, aber, ich fand, es wird höchste Zeit das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Welt neu zu justieren und ihr wart mein Werkzeug und wie man sieht hat es prima geklappt, sehen wir einmal was dabei herauskommt und Sorgen solltest du dir auch keine machen, denn Kollateralschäden erzeugt jedes Handeln zwingend und sogar nichts tun, erzeugt Kollateralschäden, allerdings ist es da etwas komplizierter einen vermeintlich Schuldigen zu hängen.‘ er sagte noch ‚Danke Aileen‘ Dann war aus ihm nichts als Geschäker und Geblödel heraus zu kriegen und er tat, als ob er von absolut nichts wusste. Jetzt stehe ich da, mit gewaschenen Hals und weiß nicht was ich denken soll, ich hätte mich ohne dieses Dokument niemals auf diesen Komplott eingelassen“

Sonya versuchte die arme Aileen zu trösten: „Nimm‘ s nicht so schwer, letzten Endes ist alles ziemlich perfekt gelaufen und irgendjemand musste ja einmal etwas unternehmen, oder hätten wir die Welt so weiterlaufen lassen sollen, ganz egal ob das System in 2 Monaten in 2 Jahren oder in 20 Jahren kollabiert?“

„Du hast ja recht“, Aileen klang schon viel ruhiger, „vermutlich war es eben Schicksal, dass es gelaufen ist wie es gelaufen ist, warten wir, was daraus wird“, damit verabschiedete sie sich von Sonya.

Sonya hatte nicht das Herz ihr zu sagen, dass sie schon lang wusste, dass mit dem Dokument etwas nicht stimmte, im Grunde war es aber auch egal, ob das Dokument gefälscht war oder nicht, denn sie hatte ja schon, bevor sie von dem Dokument erfahren hatte, beschlossen, den Shutdown anzuleiern. Nun dachte sie, Aileen hatte wohl recht‚ es war Schicksal, dass es kam wie es gekommen ist.‘

Plötzlich fiel ihr der Satz, so seid ihr alle drei betrogene Betrüger, aus Nathan dem Weisen ein.

Das Schicksal‘, dachte sie, ist eine eigene Sache und der Lauf der Welt wirklich für niemandem vorhersehbar, schon die alten Griechen wussten, Panta Rhee, alles fließt, schauen wir einmal wo es hinfließt, ein Anfang ist gemacht und wie jeder Anfang wird er Neues hervorbringen und mit ein wenig Glück vielleicht eine bessere Welt. Traurig macht mich nur, dass die Zeche immer die Schwächsten zahlen werden und die Mächtigen wie immer ungeschoren davon kommen, aber das wird sich vermutlich nie ändern!


Schlusswort



Noch einmal, es handelt sich um eine Fiktion. Für diese Erzählung wurde nicht recherchiert und alle Figuren sind frei erfunden, das heißt aber nicht, dass es nicht so oder so ähnlich, oder aber vielleicht auch ganz anders gewesen sein könnte.

Ich kann mir jede Menge Verschwörungstheorien vorstellen, die genauso oder noch plausibler sind, zum Beispiel, China hat das Virus ins Leben gesetzt um mit den riesigen Devisenreserven, über die es verfügt, die Eigentumsverhältnisse in der Weltwirtschaft zu seinem Gunsten zu verändern, oder Amerika hat das Virus in die Welt gesetzt, um die wirtschaftliche Vormachtstellung Chinas, die immer deutlicher wird, zu brechen, oder der Iran hat das Virus in die Welt gesetzt, um den Druck, dem er ausgesetzt ist, zu verringern, oder die Taliban haben das Virus in die Welt gesetzt, um sich für ihre Niederlage zu rächen, oder irgend ein Spinner, der zufällig mit einer Genschere umgehen kann, hat das Virus in die Welt gesetzt um die Welt zu retten, oder einer hat das Virus in die Welt gesetzt weil er eben nicht mit einer Genschere umgehen kann, oder, oder, oder………

Die Wahrheit ist vermutlich wie immer viel einfacher, bedingt durch die Umstände am Entstehungsort ist das Virus halt einfach entstanden und es ist dabei völlig nebensächlich, ob möglicherweise eine Fledermaus aus einem Labor entkommen ist, oder das Virus schon immer in der Fledermaus Population vorhanden war. Durch den hohen Vernetzungsgrad der Welt, hat sich das Virus rasch über die ganze Welt ausgebreitet. Journalisten sind was sie sind, immer auf der Suche nach spektakulären Neuigkeiten, nach dem Motto „only bad news are goog news“, also haben sie jede noch so kleine Meldung möglichst aufgebauscht. Politiker sind auch was sie sind, machtgeil und immer um ihre Pfründe besorgt, also haben sie im wilden Aktionismus reagiert, um nur ja nicht in den Verdacht zu kommen, nicht oder zu spät reagiert zu haben. Wissenschaftler sind auch was sie sind, nämlich monokausale Denker, die immer nur einen eng begrenzten Aspekt des Ganzen sehen und so zu ihren eben nur in diesem engen Bereich gültigen Schlüssen kommen, natürlich kann ich mich unter einen Glassturz stellen und werde damit eine Infektion wirkungsvoll verhindern, ich würde dann halt genau in der Reihenfolge ersticken, verdursten oder verhungern, aber das ist ja nicht Teil der Fragestellung. Und so kam alles, wie es kommen musste und aus einem Konglomerat aus Sensationsgeilheit, Existenzangst, Wichtigtuerei und Angst ist die Wirtschaft eines ganzen Planeten in kürzester Zeit kollabiert und jetzt, wo sich langsam zeigt, dass sich alles irgendwie von selbst wieder einrenkt und mit oder ohne Intervention die Infektionsrate und die Todesfälle nach einer Zeit wieder abnehmen, ist es schwer zurückzurudern. Sicherlich ist es sinnvoll, durch maßvolle Intervention die Infektionsrate zu verlangsamen und die Todesrate, angepasst an die jeweiligen Möglichkeiten der Gesundheitssysteme der einzelnen Länder nicht hochschnellen zu lassen, aber eben mit Maß und Ziel. Dass das geht ,beweist gerade Schweden als einsames Licht in einer Dunkelheit, voll sinnlosem überschießendem Aktionismus. Eben mit minimal invasiven Maßnahmen die Infektionsrate an der oberen Grenze des Sinnvollen zu halten und damit so rasch als möglich ein Ende der Pandemie herbeizuführen.

Jedenfalls sollten wir, in den letzten Wochen alle eine Menge gelernt haben, wenn schon nicht über Viren, so zumindest über uns selbst, wie dünn die Tünche ist und wie leicht es den Mächtigen fällt, das Volk am Nasenring durch die Gegend zu zerren. Viel schlimmer aber empfinde ich, wie sofort der Ungeist der Denunziation und das Abstrafen der Andersdenkenden mit völlig unverhältnismäßigen Strafen erfolgt. Vielleicht gelingt es, uns unsere Werte von Demokratie, Gerechtigkeit und persönlicher Freiheit gegen den Ungeist der kollektiven Überwachung und Gleichschaltung zu retten, aber leicht wird es sicherlich nicht sein.

Wir alt 68er haben uns den Spruch: Unter den Talaren der Mief von 1000 Jahren‘ auf die Brust geheftet und sind zu neuen Werten aufgebrochen, das in einer Zeit des beginnenden Wohlstands, wo wir erstmal die Schrecken und Zwänge der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts abstreifen konnten.

Die nächste Generation hat nach dem Spruch: ‚Gebt Gas, wir wollen Spaß, gelebt, sehr verständlich in einer Zeit des Wohlstands und verdammt, sie hatten ihren Spaß und er sei ihnen zu 100% vergönnt

Die jetzige Generation erscheint völlig spaßbefreit und manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Spaßbefreitheit einem tiefen innerem Bedürfnis entspricht, einer Mischung aus Angst, Wehleidigkeit und Dekadenz, die sich in so absurden Äußerlichkeiten, wie politischer Korrektness äußert. Als ob es etwas machen würde, ob man zu jemandem Neger oder Schwarzer sagt, solange er für einem ein Mensch wie du und ich ist. Wenn man aber zu denen gehören, die ihn für einen Affen halten, den man mit einer Banane aus dem Urwald gelockt hat, ist es auch egal, denn der wird seinen intoleranten und höchst unbegründeten Standpunkt dadurch, dass er eine anderes Wort verwendet, nicht ändern. Da wäre es wesentlich sinnvoller, ihm zu fragen, wie er den Zusammenhang zwischen Hautfarbe und intellektueller Leistung erklären will, aber das ist vermutlich auch sinnlos, weil damit der Intolerante wieder überfordert ist.

Sicherlich ist unsere Welt durch die extreme Vermehrung der menschlichen Art gefährdet und was wir anstellen ist teilweise schrecklich, aber trotzdem ist eine trotzige Göre, die der Welt „Wie könnt ihr es wagen ….“, entgegenschreit, keine Antwort, bestenfalls ein leiser Hoffnungsschimmer. Die Probleme der Zukunft kann man nur mit Wissenschaft, Vernunft und Technik lösen und da wird uns Kulturpessimismus, Verzicht und Abjammern, wie schrecklich alles doch ist, nicht weiterhelfen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die nächste Generation die Wehleidigkeit über Bord wirft und wieder die Hoffnung und den Optimismus entdeckt.

Wie auch immer, jetzt ist die Katze aus dem Sack, für die Natur war der Shutdown, egal ob gerechtfertigt oder nicht, sicherlich eine Erleichterung und was daraus wird, wird erst die Zukunft zeigen. Wir alle, die wir auf diesem Planeten leben sind die Kinder einer langen Reihe von Ahnen, die überlebt haben, weil sie zuerst hingeschlagen und dann erst gefragt haben, die Anderen gibt es nämlich leider nicht mehr und das ist der Grund, warum wir alle, die wir auf diesem Planeten Leben, hochgradig aggressiv, paranoid und xenophob sind. Und bei den starken Instinkten, mit denen uns die Natur ausgestattet hat, wage ich es zu bezweifeln, ob wir in der Lage sein werden, unsere Population einigermaßen gerecht und mit Augenmaß auf ein vernünftiges Maß, das dem Planeten zumutbar ist, zu reduzieren. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass die Natur uns die Zeit gewährt, die wir noch brauchen bis uns die Evolution wirklich zu einem Homo sapiens, sapiens macht, aber allzu viel Hoffnung habe ich nicht, denn so wie die Welt aussieht bezweifle ich manchmal, ob uns auch nur ein sapiens zusteht.

Ich kann nur raten, denkt euch euer Teil und lasst nicht denken, beobachtet gut und möglichst neutral, lasst euch nicht zu allzu wüsten Verschwörungstheorien hinreißen und handelt nach bestem Wissen und Gewissen, denn:

die Hoffnung stirbt ja, bekanntlich zuletzt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.08.2020

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