Typisch Freitagabend
von Peter Suska-Zerbes
„Ich weiß, dass ich versprochen habe, rechtzeitig daheim zu sein“, sagte Bernd in den Hörer. „Du weißt selbst, Konferenz wie jeden Freitagabend...“
Er hielt den Hörer etwas weg, zwinkerte seiner Sekretärin bedeutungsvoll zu, während er laut ins Leere sagte: „Gleich, Herr Doktor Müller. Bin soweit.“
Die 29-Jährige Frau kicherte leise hinter der Hand.
Rasch sagte Bernd wieder in den Hörer:„Hörst ja selbst, was hier wieder los ist ... Was? … Die Zwillinge geben wieder keine Ruhe? Hast du es mit Vorlesen versucht?“
Inzwischen war er auf Fußspitzen zur Tür geschlichen, drückte aber umso geräuschvoller die Klinke herab, öffnete dann gut hörbar die Tür.
„Oh je, der alte Singer. Sieht aus, als wenn es Ärger gäbe“, flüsterte Bernd in den Hörer, verdrehte dabei theatralisch die Augen zur Decke. „Was? Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr… Birgit?... Sie muss Protokoll… Ja, immer dasselbe… Muss Schluss machen. Tschüs Mama, hab dich lieb und pass auf die Zwillinge auf.“
Mit einem schweren Seufzen legte Bernd auf, ging dann mit stolzgefüllter Brust hinüber zu seiner Frau, die bei ihm als Sekretärin arbeiten konnte, weil seine Mutter auf die Kinder aufpasste.
„Du solltest mal was anderes ausprobieren“, hauchte sie ihm zärtlich verliebt ins Ohr.
„Nein, nein. Mama weiß, dass Freitagsabends die Konferenzen hier Tradition sind. Das war schon so, als Papa noch hier arbeitete. Komm, gehen wir ins Kino! Oder willst du lieber…?“ Er zwinkerte.
Sonntagsgeheimnis
von Lilo Menke
Sonntagmorgen.
Maria Gruber räkelte sich wohlig in ihrem Bett und betrachtete mit versonnenem Blick den Mann neben sich.
Das Klingeln des Telefons störte sie in ihren Gedanken.
Wer ruft denn an einem Sonntag um diese Morgenstunden an ?
„Maria Gruber.“
...
„Annette, was ist denn los? Ich bin noch gar nicht aufgestanden.“
...
„Du weinst doch nicht etwa? Nun beruhige dich erst einmal und sag mir was los ist.“
...
„Was?! Dein Erwin? Das glaube ich nicht.“
...
„Ja, ja schon gut, entschuldige. Aber bist du denn sicher?“
...
„Klar kannst du vorbei kommen, aber lass mir noch eine Stunde, damit ich mich etwas sammeln kann. Bis gleich dann und halt die Ohren steif.“
Nachdenklich legte Maria das Telefon auf den Nachttisch.
Sie rüttelte den Mann neben sich endgültig aus seinem Schlaf.
„Erwin!!! Erwin! Raus aus den Federn und mach dass du hier raus kommst. Deine Frau ist gleich hier und will sich bei mir ausheulen. Sie glaubt doch tatsächlich, du hast eine andere. Ich muss unbedingt herausfinden, wie viel sie wirklich weiß.“
Wichtige Haushaltspflichten
von Peter-Suska-Zerbes
„Guisella, es geht nicht! Wir brauchen diesen Auf-trag, und wenn der Kostenvoranschlag…“
„… und wenn keiner kocht, dann fällt das Mittagessen und … die Fiesta danach flach.“
Mit dunklen Rändern unter den Augen stierte Antonio seine Frau entgeistert an. „Signore Tozzi kommt gegen vier.“ Er sagte es in einem Ton, als wenn Gott selbst zum ewigen Gericht käme. „Bis dahin…“
„Bis dahin hast du gekocht, gegessen und deine Fiesta gemacht.“ Sie zwinkerte ihm vielversprechend zu.
„Guisella, kannst du nicht...?“
„No! Du bist dran!“
Bevor Antonio etwas sagen konnte, war sie bereits durch die Bürotür verschwunden, allerdings nicht ohne die beiden vollen Einkaufstaschen auf seinem Schreibtisch demonstrativ stehen zu lassen. Für einen Augenblick erwog Antonio, ob er das Kochen nicht einfach „vergessen“ sollte. Dann winkte er mit einem Seufzen ab. Der Ärger mit Signore Tozzi war nichts gegen den Zorn seiner Frau, wenn er nicht seinen häuslichen Pflichten nachkam.
Wie jeder wahre Italiener vergass Antonio beim Kochen und hinterher beim Essen mit seiner Gattin alle geschäftlichen Verpflichtungen.
Guisella hielt nicht mit dem gebührenden Lob zurück: „Bravo Antonio! Wir sollten noch eine kleine Fiesta machen.“ Sie zeigte mit dem Kopf hinüber zum Schlafzimmer. „Du wirst danach … erholt sein.“
Als Antonio alle Pflichten erfüllt hatte, und er wieder frisch zu seinem Büro zurück kam, musste er zugeben, er hatte diese Pause gebraucht.
Guisella hatte recht gehabt! Wie immer!
Das Pusteblumenkräuterkuchenfest
von Raimund Hills
Traditionell laden wir unsere Pferde mindestens einmal im Jahr zum Pusteblumenkräuterkuchenessen ein. Huissa, ist das immer ein Fest! Vor allem, wenn die Kerzen ausgeblasen werden und die Sahne mit den Pusteblumenfallschirmchen um die Wette fliegt. Meistens findet das Festessen im Freien statt, die Wände unserer Wohnung sind dankbar dafür. Die Pferdchen lachen sich vor Freude fast die Seele aus dem Leib und ich muss sagen, es ist immer ein wunderschönes Fest. Eben - eine liebgewonnene Tradition. Das jüngste Pferd darf immer mit dem Kerzenausblasen beginnen, danach geht es entsprechend dem aufsteigenden Alter reihum. Hinterher wird der riesige Kuchen aufgeschnitten und jeder erhält ein Stück. Die Pferdchen ganz große, die Menschen ganz kleine. Wer besonders brav war, bekommt auch schon mal ein zweites Stück. Und wenn der Pusteblumenkräuterkuchen alle ist, streichen sich alle zufrieden über den Mund, die Menschen mit den Fingern, die Pferdchen mit den Hufen und alle freuen sich auf das Pusteblumenkräuterkuchenessen im nächsten Jahr.
Trauer
von Lilo Menke
Heute wurde meine Mutter beerdigt.
Außer meiner Tochter und mir standen nur noch einige Nachbarn von früher am Grab.
Mir war kalt und meine Gedanken schweiften ab. Ich nahm die leiernde Stimme des Pfarrers wie ein leises Rauschen wahr.
Hatte ich Mama im Heim oft genug besucht?
In den letzten Monaten erkannte sie mich nicht mehr. Konnte sich nicht an meinen Namen erinnern.
Manchmal hielt sie mich für ihre Freundin aus der Grundschule.
Wir plauderten über Hausaufgaben und
Schulstreiche.
Da blühte sie richtig auf.
Meine Tochter war nur einmal dort gewesen.
„Da riecht es so komisch. Und Oma hat Lisa zu mir gesagt, das bist doch du.“
Meine Gedanken glitten weiter in die Vergangenheit. Wir hatten immer zusammen gelebt.
Mein Vater starb früh und Mama konzentrierte ihre ganze Energie und Sorge auf mich.
„Es ist windig, setz eine Mütze auf.“
Dieser Satz verfolgte mich fast meine gesamte Schulzeit.
Später, ich war bereits berufstätig und hatte selber eine Tochter, war sie immer noch mit besorgter Mine um mein Wohlergehen bemüht.
„Nimm einen Schirm mit, es könnte regnen.“
Ich konnte es nicht ausstehen, aber ich nahm es hin.
Mama half mir ohne Vorwürfe, als ich schwanger aus dem Urlaub zurück kam.
Das rechnete ich ihr immer hoch an.
Ich schreckte aus meinen Gedanken auf.
Der Pfarrer sprach einen letzten Segen.
Meine Tochter und ich gingen zum Auto zurück.
„Du willst lieber zu Fuß gehen?“ ich sah sie erstaunt an und sagte ermahnend:
„Nimm einen Schirm mit es könnte regnen.“
Die schwarze Witwe
von Peter Suska-Zerbes
Pauline Hörmann unterschied sich kaum von den anderen Seniorinnen des Heims, die das 80igste bereits eine Weile überschritten hatten. Trotzdem erinnerte sie auf ihrem üblichen Platz in der Cafeteria viele an eine schwarze Witwe, die nur darauf wartete, dass sich ein Opfer in ihrem Netz verfing.
„Wieder auf Verbrecherjagd?“, scherzte der Direk-tor der Einrichtung gönnerhaft im Vorbeigehen.
„Ihnen wird das Lachen noch vergehen, Siebert.“
„Nicht schuldig, Eurer Ehren“, grinste er herablassend.
„Siebert, ich habe Ihnen schon ein paar Mal gesagt, es ist unklug, das Auto vor der Tür zu parken.“
Etwas verunsichert starrte der Heimleiter die alte Frau an: „Wie… meinen Sie?“
„Jemand hat es aufgebrochen und ist wegge-fahren.“
Herr Siebert verlor alle Farbe aus dem Gesicht, stier-te rüber zu dem leeren Platz, wo sein Auto gestan-den hatte. „Aber… warum in aller Welt haben Sie nicht Alarm gegeben, Frau Hörmann?“
„Weil ich Sie bei Ihrem wichtigen Gespräch nicht stören wollte.“
An ihren funkelnden Augen konnte er genau sehen,
dass sie mehr wusste, als sie sagte. „Wa… was wissen Sie von unserem Gespräch, Frau Hörmann?“
„Mann Siebert, wenn der Bauunternehmer Gruber,
Bürgermeister Schleyer und Sie sich vor acht in der Früh treffen, dann kann ich doch davon ausgehen, dass sie nach einem solchen Treffen den Verlust Ihres Autos leicht verschmerzen können. „
„Was wollen Sie, Frau Hörmann?“
„Wie üblich. Zehn Prozent und ich halte den Mund.“
Verlässlich
von Peter Suksa-Zerbes
„Und sind die verlässlich?“ Der Alte wies skeptisch mit seinem Kopf auf die Würmer, die der junge Verkäufer im Angelladen in einer silber-glänzenden Dose vor ihn hingestellt hatte.
„Wie meinen?“, fragte der Verkäufer verunsichert. Dann beeilte er sich sein typisches Verkaufsargument einzuschieben. „Diese werden gern genommen.“
Ungeduldig stieß der Alte die Luft aus, maulte: „Die Letzten haben sich kein bisschen vermehrt.“
Hilflos zuckte der Verkäufer seine Schultern.
„Ist der Chef selbst nicht da?“, fragte der Alte, als er sah, dass mit dem Neuen nichts anzufangen war.
Der Gefragte trippelte nervös von einem Fuss auf den andern. „Äh, glaube … ist im Lager.“
Bevor näher geklärt werden konnte, welch wichtigen Aufgaben der Besitzer dort haben mochte, kam er mit einer jungen Verkäuferin zum Hintereingang herein. Als das Mädchen den Alten sah, wischte sie sich verlegen Rock und Bluse zurecht. „Du Opa?“
„Wir haben nur nach der neuen Lieferung von Würmern geschaut“, beeilte sich der Chef zu erklären. „Ich muss mich ja um alles selbst kümmern.“
Der Alte nickte verständnisvoll: „Du scheinst immer noch viel Zeit mit diesen Viehchern zu verbringen. Schon zu den Zeiten als meine Frau, und meine Tochter noch hier arbeiteten, hast du die meiste Zeit im Lager verbracht.“
Während die Enkelin sich mit hochrotem Kopf abwandte, meinte der Chef: „In der Zeit, wo du beim Angeln sitzt, muss ich mich um die Vermehrung kümmern. Da hat sich wenig geändert.“
Texte: Einen recht herzlichen Dank für das Titelbild an den
Kaufbeurer Fotografen
Peter Ernszt
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
von
Lilo Menke
Raimund Hils
Peter Suska-Zerbes