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Eine einsame Straße, nur das flackernde Licht der Straßenlaterne erhellt sporadisch den Weg, doch noch immer lauern Hirngespinste jeglicher Art in dunklen Ecken und finsteren Nischen. Kein Mensch weit und breit, nur ich, eine einsame Gestalt, die sich die Ewigkeit des Momentes bis zum anbrechenden Tag vertreibt.
Es ist windstill, in dieser lauen Sommernacht. Kein Wölkchen bedeckt den Himmel und die Sterne funkeln scherzhaft, fast verhöhnend, von ihrem fernen Platz weit oben am Firmament auf mich herab. Lacht nur, denke ich, mich kann längst nichts mehr erschüttern, meine Seele ist seit langem Tod und ihr, ihr frechen Biester werdet auch irgendwann sterben, nichts ist ewig, nicht einmal die Sterne.
Noch ein paar Stunden bis zum Sonnenaufgang, noch nie ersehnte ich mir den Morgen so sehr, wie heute in dieser schicksalhaften Nacht. Es ist soweit, das wurde mir mit Beginn dieses Tages klar. Weiter hinauszuzögern hatte keinen Sinn, schon lange nicht mehr. Mein Leben, wenn man es so nennen wollte, war schon vor langer Zeit aus, doch ich gab die Hoffnung nicht auf, ich glaubte, dass die Welt, das Schicksal nicht so grausam sein konnten, dass es nur, ein Irrtum war. So wartete ich, wartete vergebens auf die Rückkehr meines Glückes.
Ich hasse sie, sie alle, die Menschen. Bis zu jenem Tag wusste ich nicht, wie tief ein Mensch zu sinken vermochte. Elende Heuchler! Wollt uns klar machen, dass alles in Ordnung war und dann... dann rammt ihr uns, während ihr uns mit Komplimenten überschüttet, uns kost und umarmt, denn Dolch in den Rücken. Ich dachte, dass die Menschheit bereits so weit gewesen wäre, ihrer Ansicht nach, abnormale Dinge zu akzeptieren, doch mein Irrtum war falsch, tödlich.
Unzählige Fallen habt ihr uns gestellte, uns zu vernichten. Stets flohen weiter, von Ort zu Ort, bis es keinen Kontinent mehr gab, an dem wir uns hätten verstecken können. Ward ihr dann zufrieden? Nein, ihr jagtet uns weiter, als wären wir Vieh, obwohl wir doch über euch standen, euch überlegen waren, zumindest früher. Ja früher hätte es dies nicht gegeben, ihr hattet panische Angst vor uns, kein Wunder, denn wir waren viele, sehr viele. Wie konnten wir dann nur so dumm sein und uns gegenseitig schlachten? In unzähligen Kriegen, von denen jene naive Mensche nie etwas erfuhren. Jahrhunderte lang tobten sie, wogegen eure Weltkriege wie kleine Lappalien wirken und dann, dann war die Wende. Die Schlachten wurden beendet, als wir sahen, dass wir uns beinahe gegenseitig ausgerottet hätten. Wir merkten plötzlich, dass wir in unserer Zerstörungswut nicht besser als die Menschen selbst waren und schauderten. Ab sofort wurde ein Pakt geschlossen, ein Friedensabkommen und jene spärlichen Reste von uns verstreuten sich über die ganze Welt, da wart ihr Menschen gerade daran euch zu zivilisieren..
Eben zu dieser Zeit lernte ich sie kennen, meine blasse Schönheit mit dem Gesicht eines Engels und dem schwebenden Gang einer Tänzerin. Ihr Haar hatte die außergewöhnlichste Farbe, die ich jemals gesehen hatte, es war schlohweiß, ein Gendefekt, wie sie mir einst lachend erzählte. Sie war das Beste, was mir je geschehen konnte, der Inhalt meines weiteren Lebens und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich bis jetzt nur auf sie gewartet habe. Sie warf Licht in mein finsteres Sein, erhellte selbst die düsterste Dunkelheit. Ich liebte ihre Art wie sie sich bewegte, wie sie mich aus ihren grau-blauen Augen scherzend anfunkelte und ihr glockenhelles Lachen, das mein Herz erwärmte und nur für sie zum Schlagen brachte. Oder gar der Geschmack ihrer Lippen, oh ihre weichen honigsüßen Lippen, nie wurde ich müde sie zu küssen oder mit den meinen in Besitz zu nehmen. Ihr Körper war makellos, auch wenn sie stets das Gegenteil behauptete und wenn sie für mich tanzte, nur für mich, schien die Wirklichkeit zu verschwimmen, allein ihre graziösen Bewegungen waren noch der Grund, warum sich die Welt für mich drehte. Wenn sie mich berührte, nur zufällig ganz sacht, egal wo, lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken und wenn sie vor mir ging, mit ihren wiegenden Gang, in dem sie die Hüften so aufreizend schwang, brauchte ich verdammt viel Beherrschung, um mich nicht auf sie zu stürzen und sie stürmisch hier und sofort, egal wo wir gerade waren zu nehmen. Unzählige wunderschöne Nächte verbrachten wir gemeinsam, manche wild und leidenschaftlich, geradezu unbeherrscht und andere so sanft und zärtlich. Jede innige Vereinigung mit ihr war ein Geschenk und ließ mir einen unendlich süßen Vorgeschmack auf das Paradies nehmen. Ich hatte nie geahnt, wie tief Liebe zu gehen vermochte... doch reichte diese Liebe nicht soweit, um meiner Geliebten wieder Leben einzuhauchen.
Tausend und abertausend Liebesschwüre schworen wir uns und versprachen, die Ewigkeit gemeinsam zu verbringen, wie hatten wir ahnen können, dass wir dieses Versprechen nicht einhalten können würden? Wie jung und naiv wir waren, wir dachten wirklich, wir würden niemals wieder getrennt werden...
Jede Minute, die ich mit ihr verbrachte, war voller Süße, voll unendlicher Wonne, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren und uns unschöne Dinge an den Kopf warfen. Sie war so allerliebst, wenn sie wütend war, so niedlich, wenn sie tobte und regte sich stets auf, wenn ich es zur Sprache brachte. Oh solch Temperament hatte meine Liebste, sie warf selbst im Streit mit Dingen nacht mir, glücklicherweise konnte sie nicht sonderlich gut treffen, trotzdem traf mich einst einer meiner Briefbeschwerer hart an der Schläfe, dass ich zu Boden ging und sie erschrocken über ihre Tat zu mir eilte und mein Gesicht mit küssen überschüttete und tausendfach um Entschuldigung bat, doch nur wegen des Gegenstandes, der geworfen wurde und nicht, um des Streitgrundes. Denn sie war stur, sehr stur und selbst wenn sie nach der Zeit herausfand, dass sie im Unrecht war, beharrte sie unnachgiebig auf ihre Meinung. Dann stand sie mit verschränkten Armen vor mir und schaffte es, trotz der Tatsache, dass sie doch einen Kopf kleiner war als ich, auf mich herab zu blicken. Wirklich eine süße Pose, in der ich sie am liebsten auf ihren niedlichen Schmollmund geküsst hätte, was ich auch des öfteren tat.
Viele glückliche Jahrzehnte und Jahrhunderte verbrachten wir und doch waren es zu wenig, viel zu früh ging sie von mir, obwohl es wohl immer zu früh gewesen wäre, am Besten wäre es gewesen, sie hätte mich nie verlassen, wäre niemals umgebracht worden...
Ich weiß noch genau, wie sie des öfteren auf leisen Sohlen angetrippelt kam, wenn ich in meinem Arbeitszimmer saß und meiner Arbeit nachging und sie mir eine Erfrischung oder eine Kleinigkeit zum Essen brachte, um sich dann auf meinem Schoß zu setzen und mich auf die angenehmste Weise abzulenken.
Ich frage mich noch immer wie es geschehen konnte. Wie hatten wir so unachtsam sein können? Waren wir blind gewesen, hatten wir nicht bemerkt, welch Groll auf uns und unsere Rasse sich plötzlich ohne jeden Grund sich um uns zu scharen begann? Nun gut, vielleicht nicht ganz ohne Grund, denn schließlich waren wir noch immer von ihnen, oder besser gesagt, ihren roten Lebenssaft abhängig. Doch nahmen wir niemals mehr, als wir zum Überleben brauchten... sie töteten doch genauso Tiere, um sich zu nähren oder schlachteten gar sich selbst ab. Wen kümmerte es da schon, wenn ein weiterer uns zum Opfer fiel? Aber wenn es plötzlich jemand anderes außer ihnen selbst einen der ihren töteten, schlossen sie sich zusammen, um uns Vampire zu vernichten, die große Bedrohung. Doch in Wirklichkeit waren sie selbst die größte Bedrohung für sich, aber das hatten sie noch nicht begriffen, oder wollten es nicht begreifen, was auch immer.
An jener schicksalhaften Nacht war ich nicht zu Hause gewesen, ich war geschäftlich fort, als die Stadtbewohner plötzlich gekommen waren um unser Heim zu stürmen. Niemand auch ich nicht, hätte allein diese große wütende Menschenmasse aufhalten können. Sie musste verzweifelt um ihr Leben und auch um unser Heim gekämpft haben, das hatten die Spuren bewiesen, aber auf jene achtete ich nicht einmal, als ich aus meiner Kutsche ausstieg, bereits mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Feuer war das erste was ich wahrnahm, dann die Menschen und später erst die Waffen, die sie in den Händen hielten. Voll Panik und Wut, schaffte ich es mit unmenschlichen Kräften die Eindringlinge zu verjagen und auch viele von ihnen zu töten, doch es war zu spät gewesen. Ein markerschüttender Schrei war erklungen, der mein Herz zum Stillstand brachte und das Blut in meinen Adern gefrieren ließ. Als ich die Türe zu unserer Schlafstätte öffnete, lag sie da... mit einem Pflock durch die Brust, Hände und Füße gefesselt. Aus einigen Wunden troff Blut, dunkles Blut, ihr Blut. Ihre Nägel, die stets sorgfältigst pflegte, waren abgebrochen, ihr Kleid in Fetzen und ihre Haut mit roten Striemen verunstaltet. Ein paar kümmerliche Menschen wollten gerade fliehen, als ich sie packte und voller unerträglichen Schmerz aus dem Fenster durch die Glasscheiben warf.
Sogleich stürzte ich zu ihr, meiner Geliebten, sie lebte noch, ein Funke Hoffnung glomm in mir auf, zerbarst aber sogleich als ich ein zweites Mal das zugeschnitzte Stück Holz in ihrer Brust entdeckte.
„Es... es tut mir leid...“ flüsterte sie kaum vernehmbar, doch bevor sie weiter sprach unterbrach ich sie hastig und sagte, sie solle sich schonen, die Kraft sparen, es würde alles gut werden. Ein Lächeln, zumindest hätte es wohl eines sein sollen, huschte kurz über ihre Züge, wusste sie doch genau wie es um sie stand und dass sie bald nicht mehr sein würde. Mir standen die Tränen in den Augen, nur schwer konnte ich sie zügeln und nicht einfach laut darauf los schluchzen.
Mit ihrer letzten Kraft hob sie jene Hand, der den Fesseln entkommen konnte, an und strich sacht über meine Lippen.. „Ich liebe dich...“ waren ihre letzten Worte, bevor ihre Augen brachen und das letzte Fünkchen Leben aus ihr wich. Noch als ich mich verzweifelt über meine tote Geliebte beugte, kam ein seltsamer Wind auf und schneller als ich begreifen konnte, zerfiel ihre noch immer so holde Gestalt zu Staub und wurde davon geweht...

Nun stehe ich hier... 3 Jahrhunderte nach diesem verhängnisvollen Ereignis bin ich wieder da, auf den Ruinen meines einstigen Heims, in dem ich mit ihr lebte... ich selbst habe es damals angezündet, um nicht an dieses schmerzhafte Erlebnis nochmals erinnert zu werden... ich verließ damals die Stadt... reiste ab sofort, wie ein ruheloser Geist, von Stadt zu Stadt und fand doch keinen Frieden.

Der Morgen graut schon, der Horizont von mir wird bereits heller und heller, der Tag verscheucht die Nacht, die Finsternis und noch immer stehe ich still mit geschlossenen Augen, das Bild meiner Liebsten vor mir schwebend. Mit einem Male öffne ich die Arme und Augen und begrüße nach mehr als tausend Jahren wieder die ersten Strahlen der Morgensonne... im Gedanken bereits bei dir, meiner geliebten Rhiannon...

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Tag der Veröffentlichung: 15.05.2009

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