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Kapitel 1

Da saß er nun und war mehr als genervt. Abermals entzog er der Frau neben sich seine Hand. Irgendetwas war bei der Buchung des Escort Services schiefgelaufen, er hatte ganz sicher nicht mit Extras gebucht. Frauen waren ihm zuwider, wollten Aufmerksamkeit, teure Geschenke und vor allem waren sie falsch. Jede, die er bisher kennengelernt hatte, war so und keine konnte sich im Entferntesten vorstellen, dass er nicht an ihr interessiert war. Seit seiner Jugendzeit stand fest, dass er auf die männlichen Vertreter seiner Spezies ein Auge geworfen hatte.

Der Saal wurde verdunkelt, einzig ein Lichtstrahl erhellte einen Punkt auf der Bühne, in den ein junger Mann trat. Die Geige führte er zwischen Schulter und Kinn und zog mit dem ersten Ton alle in seinen Bann. Duncan wusste nicht, ob es wirklich des Geigers Welt war, in die dieser die Zuhörer entführte, doch hoffte er es. So melodisch, so einfühlsam und verzaubernd. Nicht mal die Hand, die sich wieder auf seine legte, konnte seine Aufmerksamkeit erregen.

Diese Melodie, dazu dieser Mann … Es war, als wäre er in einem Traum gefangen, aus dem er nicht mehr erwachen wollte. Drahtig erschien der junge Mann auf der Bühne, und doch so imposant. Magisch zog er Blicke an, wie Duncan nur ungern feststellte, und doch war es das, was er brauchte. Er war ein Geschäftsmann und suchte dringend eine Attraktion für ein Event seiner Firma. Chinesische Geschäftspartner wollten kommen, dazu sollte eine erstklassige Aufführung stattfinden. Duncan sah gerade seine Eintrittskarte in den chinesischen Markt.

Er strich sich durch sein hellbraunes, kurzes Haar, als auch schon die letzten Klänge verstummten und der Applaus für den jungen Geiger den Saal erfüllte. Duncan musste erst seine zweite Hand zurückerobern, um zu applaudieren, was ihm einen bösen Seitenblick einbrachte. Für was hielt sich die Frau, fragte er sich, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder der Bühne zu. Nach einem Pianisten, einer hervorragenden Sängerin und einer Harfenspielerin leerte sich langsam der Saal. Auch Duncans Begleitung stand auf, klimperte mit ihren künstlichen Wimpern und sah ihn auffordernd an. „Können wir?“

Er zückte seinen Geldbeutel. „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt und bitte merken Sie sich: Sie sind lediglich eine Begleitung, die nett auszusehen hat.“ Mit diesen Worten drückte er ihr ein paar Scheine in die Hand, wandte sich von ihr ab und ging zum Garderobeneingang. Ihr erbostes und gleichzeitig errötendes Gesicht blieb ihm somit erspart. „Mister Stone, es freut uns, Sie zu sehen!“, begrüßte man ihn, und ließ ihn ohne weitere Überprüfungen durch.

Zufrieden lächelnd lehnte Jerad an der kühlen Backsteinmauer, hatte die Augen geschlossen und nahm seine Umgebung mit den restlichen Sinnen wahr. Es war ein toller Auftritt gewesen, die Symbiose der Instrumente mit der Akustik des Saals war geradezu perfekt. Immer noch hörte er seine Geigenklänge von den Wänden widerhallen, gedämpft, jedoch auch abgeschwächt ergab es ein wundervolles Klangbild. Selten hatte er solch eine Atmosphäre erlebt, die Menschen, die mitgezogen wurden, der Applaus, der ihn in seinem Tun bestätigte.

Ein Schatten traf ihn, herb wehte ein Geruch um seine Nase. „Guten Tag, mein Name ist Duncan Stone, ich möchte Sie gerne buchen!“

Instinktiv streckte Jerad seine Hand aus und erfasste die erahnte vor ihm. „Guten Tag, Mister Stone, ich bin Jerad Moore. Für Buchungen ist meine Mutter zuständig!“ Tief sog Jerad den Geruch des Mannes ein, der sich vor ihm aufgebaut hatte. Moschus, eine leichte Nuance Tabak und ein Hauch von einem alten, teuren Whisky konnte er wahrnehmen.

Interessant, befand Jerad und lächelte sein Gegenüber an. „Sehen Sie mal hier …“, dabei zog Duncan einen Prospekt aus seiner Tasche. „Sie würden in einem alten Opernhaus auftreten. Der Klang darin ist äußerst ansprechend. Diese alten Stuckarbeiten wurden ausgearbeitet. Sie hätten eine riesige Bühne, und dieses altertümliche Ambiente ist hervorragend geeignet, um ihren Klängen noch mehr Flair zu verleihen.“ Gewinnend lächelnd zwinkerte Duncan seinem Gegenüber zu, der jedoch ziemlich unbeeindruckt schien und nicht auf den Prospekt achtete.

Verwundert runzelte der Geschäftsmann die Stirn, denn gerade damit hatte er schon manchen Künstler gelockt, das Ambiente versprach Geld, einflussreiche Leute und Presse. „Nun, sehen Sie es sich doch einmal an! Es ist wundervoll und für Sie sicherlich ein Sprungbrett, es werden ausländische Geschäftsmänner da sein. Zudem diese Kulisse. Sehen Sie die Malereien und die Ausstattung?“ Immer wieder tippte Duncan auf den Prospekt und hielt ihn Jerad unter die Nase.

„Was tun Sie da?“, unterbrach ihn eine Frau mittleren Alters. Blonde Locken flossen über ihre Schultern, ihre grünen Augen funkelten ihn regelrecht an.

„Hallo Mum, dieser Mann will mich gerade von dem Ambiente überzeugen, er möchte mich buchen. Mister Stone, das ist meine Mutter“, sagte Jerad immer noch lächelnd und sah geradewegs durch die beiden vor ihm stehenden hindurch.

„Sie sollten meinen Sohn eher was hören lassen, als ihm was zeigen zu wollen. Er muss den Klang wahrnehmen und entscheidet dann, ob er auftreten möchte.“

Verwirrt und leicht verärgert über diese Forderung fischte Duncan sein Handy aus der Jacke und suchte ein Klangbeispiel von dem alten Opernhaus.

Endlich hatte er ein angemessenes gefunden und spielte es ab, den Bildschirm netterweise Jerad zugewandt, der jedoch die Augen schloss und den Klängen lauschte. „Leicht verzerrt, was allerdings auch am Handy liegen kann. Der Widerhall scheint sehr gut zu sein, dämpft nicht zu viel. Gefällt mir wirklich gut.“

„Und die Kulisse?“, forderte Duncan endlich ein Wort des Lobes. Nicht umsonst hatte er das Opernhaus gekauft und restaurieren lassen. Es hatte ihn fast eine halbe Million gekostet.

Jerads Mutter räusperte sich und lächelte sanft. „Mister Stone, ich möchte Ihnen nicht zu nahetreten, doch mein Sohn ist fast blind. Er sieht lediglich schemenhafte Umrisse.“

Duncans Mund war auf einmal staubtrocken, selten war er sich so unterbelichtet vorgekommen. Wieso hatte er das nicht bemerkt? Erst jetzt sah er Jerad in die Augen, die einen leichten, weißen Schleier vorwiesen und doch dem Grün in keiner Weise an Intensität nahm. Sie ähnelten einem Smaragd, intensiv und dunkel. „Es tut mir leid, dessen war ich mir nicht bewusst“, entkam es ihm mit leicht irritierter Stimme.

Jerad lachte in sich hinein, dieser eben noch so überzeugte Mann knickte ein wie eine Blume, die unter einen Fuß geraten war.

Amüsant und doch eine gewohnte Situation für ihn. Selten bemerkte es jemand. Immer wieder hielt man ihm Dinge vor die Nase, die er sich ansehen sollte, und so gern er es getan hätte, es war nicht möglich. Manchmal schätzte er es, nicht sehen zu können, denn er hatte andere Möglichkeiten Dinge wahrzunehmen. Nicht oberflächlich wie manch anderer, er sah tiefer, intensiver.

„Nach dieser Klangprobe würde ich das Opernhaus gerne einmal besuchen, wenn es möglich ist.“ Er sah zu der großen Schattierung, die Duncan Stone darstellte.

Dieser lächelte, unbemerkt von seinem Gegenüber, erleichtert. „Das ist schön, herzlichen Dank. Wann darf ich Sie abholen lassen?“

Während Jerads Mutter alles Weitere besprach, versuchte ihr Sohn den Mann besser sehen zu können. Er hatte ihn gerochen, alle Nuancen, und doch würde er zu gerne das Gesicht sehen, dessen Augen, das Erscheinungsbild. Duncan schien von sich überzeugt und sehr selbstbewusst. Irgendetwas schien an ihm zu sein, dass er sich was auf sein Aussehen einbilden konnte, und genau das hätte Jerad gern gesehen. Doch so musste er warten, bis seine Mutter mit ihm allein war.

 

Duncan ließ sich erschöpft in seinen Wagen sinken, fuhr mit seiner Hand über das lederbezogene Lenkrad und schloss die Augen. Zum ersten Mal ertastete er das Leder, versuchte, es zu fühlen, doch schon bald war es ihm zu dumm, denn wieso hatte er Augen, wenn nicht zum Sehen?

 

Jerad dagegen lehnte sich in seinem Sitz zurück, während seine Mutter das Auto lenkte. „Wie sah dieser Mister Stone aus?“

Das Schmunzeln hörte er sofort aus ihrer Stimme heraus. „Recht attraktiv und sehr geschäftsmäßig. Teure Uhr, teurer Anzug, sehr imposant.“

„Seine Augen?“ Das interessierte Jerad mehr.

„Ein wunderschönes Braun, wie Bernstein. Es klingt wie ein sanfter Bass, geht in den Körper und verankert sich dort.“ Das liebte er an seiner Mutter, sie konnte ihm erklären, wie etwas aussah. Als Kind hatte er noch mehr gesehen, doch das war lange her. Farben verband er nur noch mit Klängen. „Er gefällt dir?“, erkundigte sich Linda Moore bei ihrem Sohn.

Sein Blick ging aus dem Seitenfenster, eine komische Angewohnheit, die er noch aus seiner Kindheit hatte. „Er hat etwas Interessantes an sich. Bevorzugt edlen Whisky und Tabak, aber eher gelegentlich als regelmäßig, der Geruch war nicht sehr ausgeprägt. Sein Selbstbewusstsein ist sehr präsent und doch, ein Hauch von Unsicherheit liegt in seiner Stimme.“

Lächelnd konzentrierte Linda sich auf die Straße, sie hatte die Blicke von Duncan Stone gesehen, die mehr Interesse an ihrem Sohn zeigten als nur an seinem Talent.

Auch wenn sie es immer noch befremdlich fand, dass ihr Sohn auf das gleiche Geschlecht stand wie sie, seine Sinne daran schärfte, so war es auch interessant. Er hatte ein feines Gespür für Menschen, doch meist nur für andere. So hatte Linda seit drei Jahren wieder einen Mann an ihrer Seite – nachdem Jerads Vater früh gestorben war –,dank ihres Sohnes. Sein feines Gespür hatte ihr den richtigen Mann gezeigt.

Selbst schaffte er es allerdings nicht, den richtigen Partner zu finden. Durch seine Behinderung, die er ungern so bezeichnete, war es nicht gerade leicht für ihn. Jerad liebte Discobesuche, Spaziergänge, las gerne, liebte es, im Internet zu surfen, was dank eines Sprachcomputers möglich war. Auch malte er oder hörte Geschichten und Musik. Doch damit konnten viele nichts anfangen, meinten Rücksicht nehmen zu müssen oder wollten mit ihm Dinge machen, die sie mit jedem anderen tun konnten. Kino, Fernsehen, einer hatte ihn sogar mal zu einer Sightseeingtour eingeladen.

Nicht wirklich Dinge, die er genoss, denn dafür sollte man sehen können.

Lindas Gedanken schweiften zu Duncan Stone. War er ein Kandidat für ihren Sohn? Mit Sicherheit nicht. Ein Geschäftsmann, scheinbar sehr gut in seinem Metier, und so offen, wie die Welt mittlerweile auch war, outet sich selten und steht zu seiner männlichen Liebe. So schwieg sie lieber über die Blicke des Mannes, der ihren Sohn fasziniert beobachtet hatte.

 

Duncan verteilte sein Gleichgewicht unruhig mal auf das linke Bein, dann auf das rechte. Immer wieder gingen seine Blicke zur Uhr und dann die Straße entlang. Sein Fahrer war vor drei Stunden losgefahren, um Jerad Moore abzuholen.

Dessen Mutter hatte am Morgen absagen wollen, da sie selbst erkrankt war. Mit seinem ganzen Verhandlungsgeschick hatte Duncan sie überzeugt, ihren Sohn allein zu ihm fahren zu lassen. Immerhin war Jerad kein kleiner Junge, er war ein 26-jähriger Mann, der schon selbst entscheiden konnte, was er wollte.

Endlich fuhr der schwarze Jeep vor. Zögernd stieg Jerad mit dem Geigenkoffer in der linken Hand aus, blieb stehen und lauschte, während sich seine Nasenflügel weiteten. Tief durchatmend ging Duncan auf ihn zu: „Mister Moore, ich freue mich, dass Sie hier sind.“ Dabei ergriff er die Hand seines Gegenübers.

„Jerad reicht vollkommen, Mister Stone. Es wird gleich regnen, vielleicht sollten wir unser Gespräch nach drinnen verlegen?“

Verwundert blickte sich Duncan um und dann sah er es: Dicke, fast schwarze Wolken sammelten sich am Himmel. „Sie haben recht, dann folgen Sie mir, bitte“, sagte er und sah dabei Jerad unsicher an. „Ihre Mutter deutete an, ich möchte Ihnen bitte behilflich sein. Also, wie kann ich Ihnen helfen?“

Der junge Mann gab keine Antwort, lächelte leicht, legte eine Hand auf die Schulter des recht großen Mannes. Selbst war Jerad knapp einen Meter achtzig, doch Duncan überragte ihn um zehn Zentimeter.

Viele Menschen rannten durch den Saal, als die beiden eintraten, sodass Jerad es selbst dann bemerkt hätte, wenn er taub wäre. „Vorbereitungen?“, fragte er interessiert.

„Ja, für das Event, es findet in einer Woche statt. Jerad, ich bin mir bewusst, dass es kurzfristig ist, und doch würde ich mich über Ihren Auftritt freuen.“

Nickend nahm dieser die Aussage zur Kenntnis und blickte sich um. Schemenhaft zu sehen war wenigstens etwas, wie er fand, so konnte er sich ein grobes Bild von dem Raum machen, in dem er sich befand. Doch hier waren einfach zu viele Menschen, die ihm wie Vorhänge die Sicht versperrten. „Wie soll man so was wahrnehmen?“, grummelte er.

„Wie meinen Sie das?“. Duncan runzelte die Stirn und sah sich um. Alles war klar zu sehen, wenn man nur genau guckte. „Entschuldigung, wie viel sehen Sie denn?“

„Ich sehe Schatten, unterschiedliche graue, weiße und schwarze Töne. Meiner Mutter malte ich mal ein Bild, sie meinte es sah aus wie Geister“, lächelte Jerad. Ein Lächeln, das Duncan noch nie geschenkt bekommen hatte, es ließ sein Herz einige Takte schneller schlagen.

„Hier sind zu viele Menschen, richtig?“. Das Nicken war ihm Antwort genug, und schon schrillte ein Pfiff durch den Saal. „PAUSE!“, verkündete Duncan. Irritierte Blicke trafen ihn, und doch verließen die Leute den Saal. „Mal sehen, ob es Ihnen nun leichter fällt.“

Der Saal leerte sich schnell und Jerad konnte mehr erkennen. Er durchquerte den Saal und berührte die Wände. Als er an der Bühne ankam, stieg er hinauf, packte seine Geige aus und stimmte ein paar Töne an.

Die Akustik war faszinierend. Rein und klar, sanft und doch mit einer Härte versehen, die zu den Klängen gehörte. Wollte er eigentlich nur ein paar Töne spielen, wurde jetzt ein ganzes Stück daraus. So sehr zog ihn der Klang in seinen Bann, verzauberte ihn selbst. Auch Duncan stand dort, den Mund leicht geöffnet, lauschte dem Spiel, doch noch mehr faszinierte ihn der Mann, der solche verzaubernden Klänge erschaffen konnte.

In seiner blauen Jeans und dem schwarzen T-Shirt sah Jerad wie ein Student aus, allerdings war seine Ausstrahlung das eines meisterlichen Geigenspielers. Er sah so abgehoben aus, als wäre an ihn kein Rankommen, so weit entfernt und doch so nah. Duncans Blick heftete sich auf die Lippen des Geigers, die sanft und entspannt schienen und geradezu einluden, auf ihnen zu verweilen. Wie gerne hätte er sie gekostet, liebkost.

„Mister Stone!“ Erschrocken fuhr er herum und blickte in die Augen seiner Assistentin. „Mister Chi ist am Telefon, er ist soeben mit seinen Kollegen gelandet und erwartet ein Treffen mit Ihnen. Er wird in einer halben Stunde hier ankommen.“

„Die sollten doch erst in drei Tagen kommen.“ Duncans Gedanken flogen umher, das passte gerade gar nicht. Es war nichts vorbereitet, noch geplant. Eilig rief er die Arbeiter zurück, befahl ihnen, im Eiltempo die Dekoration fertigzustellen, erst dann wandte er sich Jerad zu. Der saß mit gerunzelter Stirn, am Rand der Bühne, hielt den Geigenkoffer auf seinem Schoß und schien ihn zu fixieren. Einbildung, schalt Duncan sich selbst, wie sollte der Mann ihn auch sehen? Langsam ging er auf Jerad zu, unwillkürlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und abermals blieb sein Blick an dessen Lippen hängen, die ihn magisch anzogen.

„Die potenziellen Geschäftspartner aus China sind bereits eingetroffen und werden gleich hierherkommen.“

„Dann sollte ich wohl gehen.“ Jerad hüpfte von der Bühne.

„Wie wäre es, wenn Sie noch etwas hierbleiben? Wollen Sie sich vielleicht die Umgebung … also …“ Duncan stockte, ansehen war wohl nicht gerade das perfekte Wort, um einen fast Blinden zu überzeugen. Doch was sollte er vorschlagen? Ein einvernehmliches Schweigen entstand zwischen ihnen, was lediglich von den umherwuselnden Menschen unterbrochen wurde. Es war jedoch kein unangenehmes Gefühl was sich zwischen ihnen ausbreitete, eher vertraut und angenehm.

„Mister Stone, es ist uns eine Freude, Sie besuchen zu dürfen!“, durchbrach eine Stimme mit unverkennbaren fernöstlichem Akzent die Stille.

Duncan wandte sich dieser zu und erkannte seinen hoffentlich baldigen Geschäftspartner. „Mister Chi, die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ So begrüßte man sich, während Jerad analysierte. Mister Chi roch nach Jasmin und nach sexuellen Hormonen, die scheinbar explodierten, als dieser näher an Duncan trat.

Es war ein herber Geruch, der Jerad unangenehm in der Nase biss. Die Stimme bestätigte ihn in seiner Annahme, dass Mister Chi mehr Interesse an Duncan hegte als nur das Geschäftliche. Leicht nervös angehaucht schwankte sie zwischen Höhen und Tiefen, die allgemein als verführerische Stimmlage bekannt waren. Doch dann wechselte diese Stimme zu Interesse, und zwar an Jerad. „Wer ist dieser junge Mann?“, erkundigte sich Mister Chi, und musterte den Geiger.

Duncan lächelte. „Das ist Mister Moore, ein Geiger, der Sie am Festtag in eine andere Welt geleiten wird.“ Irritiert bemerkte er, wie Jerad Abstand zu seinem Geschäftspartner suchte. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser schnellstens verschwinden wollte, doch wieso? „Setzen Sie sich doch, ich werde mit Mister Moore einige Getränke besorgen, dann können wir weiterreden!“, kam es gediegen freundlich von Duncan, dann fasste er Jerad am Ellenbogen und zog ihn bestimmend in Richtung der aufgebauten Bar. „Was ist los?“

„Dieser Mann … er ist interessiert an Ihnen, und zwar nicht geschäftlich. Sein Interesse ist geradezu penetrant wahrzunehmen.“ Ungläubig sah Duncan den Mann vor sich an: „Sekunde, du ... Sie.“

„Du ist in Ordnung!“

„Danke, ebenfalls. Du willst mir sagen, Mister Chi ist homosexuell?“

„Korrekt, genau wie du und ich!“, schmunzelte Jerad und konnte sich die Entgleisung des Gesichtes vor ihm fast bildlich vorstellen.

„Wie? Woher?“

„Nenn es ein Gespür für Blicke. Auch wenn ich sie nicht sehen kann, bemerke ich sie. So begeistert, wie du von meinen Fähigkeiten bist, umso mehr haben es dir meine Lippen angetan!“

Von Verlegenheit keine Spur, wie Duncan staunend bemerkte.

„Nun bist du verlegen, deine Schweißproduktion nimmt zu.“

„Ist ja gut, mehr musst du mir nicht über mein Befinden erzählen, es ist mir durchaus bewusst“, seufzte Duncan schwer und griff nach zwei Flaschen Wasser. „Du magst Mister Chi nicht?“

Ein heftiges Kopfschütteln kam von Jerad. „Er ist unsympathisch, seine Stimme hat einen merkwürdigen Klang, und ihn umgibt kein guter Geruch. Ich mag ihm nicht zu nahe sein. Er bekommt was er will, wie scheint ihm egal zu sein. Die Leute in seiner Nähe sind alle sehr angespannt und nervös.“

Duncan nickte, er hatte es sich also nicht eingebildet. Auch wenn die Herrschaften alle lächelten, hatte er ein bedrückendes Gefühl verspürt, doch dieses schnell verdrängt. Schweigend gingen sie zum Tisch, wo die vier Personen, inklusive Mister Chi, Platz genommen hatten. Duncan zog den Stuhl für Jerad näher an seinen und wies ihm sanft den Weg. Dieser lächelte erleichtert und setzte sich beruhigt.

Dagegen war es Mister Chi sichtlich nicht recht, er rückte auffällig nah neben den Geigenspieler und versuchte, diesen mit Blicken auszuziehen. „Sie sind also Geiger und werden uns in drei Tagen beglücken?“ Dieser Ton in der Stimme ließ es Jerad eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Wo war seine Mutter, wenn er sie brauchte? Sie wusste immer, was zu tun war, und half ihm aus solchen Situationen raus.

Doch nun saß er hier, ganz auf sich allein gestellt, und ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn. Diese Blicke des Mannes neben ihm ließen das ungute Gefühl immer intensiver werden.

„Ja, werde ich wohl, obwohl die Verhandlungen noch nicht beendet sind. Allerdings ist die Akustik des Saals geradezu atemberaubend!“, versuchte er es fachlich und distanziert.

 

Duncan saß da, beobachtete die Situation, alles in ihm schrie danach, Jerad vor Mister Chi zu retten, und doch konnte er es nicht. Die Geschäfte, die dadurch zustande kommen sollten, wenn dieser Mann einwilligte, würden eine nette Summe hervorbringen und dazu noch einige Arbeitsplätze sichern.

„Wie wäre es, wenn Sie mich heute Abend zu einem Besuch des Museums begleiten würden? Dort soll es wunderschöne Gemälde geben.“

Langsam und provokant ließ Jerad die Zunge über seine Lippen gleiten, lächelte leicht abwertend. „Eigentlich gerne, wenn Sie sich die Mühe machen wollen, mir jedes Bild zu erklären, sodass ich es auch sehe?“

Stirnrunzelnd sah ihn Mister Chi an. „Bitte?“

„Mister Chi, es mag Ihnen nicht aufgefallen sein, doch Mister Moore ist blind.“ Duncan zog die Augenbrauen hoch. Das ließ den chinesischen Geschäftsmann erschrocken zurückweichen, selbst der Stuhl rückte mit ihm mit.

 

Jerad bemerkte die Ablehnung und war recht glücklich darüber, nun lag der Fokus von Mister Chi wieder auf Duncan. Doch dieser war auch nicht begeistert und heilfroh, als die vier Geschäftsmänner der Hightech Firma aus China gingen. Erleichtert nahm er wieder neben dem Geiger Platz. „Ich tue ja viel, aber das geht eindeutig zu weit“, brummte er vor sich hin.

„Wie sieht dieser Mister Chi aus?“, fragte Jerad interessiert .

Duncan sah ihn an: „Er ist recht klein, vielleicht einen Meter siebzig, schwarze Haare, braune Augen, nicht wirklich sympathisch, auch wenn er recht attraktiv ist.“

„Sein inneres Aussehen lässt nicht wirklich ein gutes Haar an ihm. Wie er von mir wegrückte, als sei ich ansteckend“, schmunzelte der Blondschopf und wirkte kurzweilig wie ein kleiner Junge, der sich einen Spaß daraus machte, andere zu ärgern. Wie gerne wäre Duncan darauf eingegangen, hätte auch gerne seinem inneren Kind freien Lauf gelassen, doch er musste sich über das Geschäft Gedanken machen. Chi hatte ihm unmissverständlich klargemacht, was er erwartete, als sie sich verabschiedet hatten, doch war er für solch einen Schritt bereit?

Sich selbst zu verkaufen, hingeben an einen schmierigen Geschäftsmann, der nicht sympathisch war, und noch dazu ahnen ließ, nicht gerade normale, sexuelle Praktiken zu bevorzugen? All diese Gedanken schossen sekündlich durch Duncans Kopf, er wusste keine Antwort. Er war sicherlich kein Kostverächter, eine feste Beziehung war nicht nach seinem Sinn, diese verlangte Aufmerksamkeit und die meisten waren sowieso nur hinter seinem Geld her oder wollten ihn als Accessoire. Charme, gutes Aussehen und dazu noch Geld, er war eine gute Wahl, in jeder Hinsicht, auch wenn es ihm eindeutig an Zeit fehlte. Doch sich für Geld hinzugeben, war er dazu bereit? Eigentlich bezahlte er immer seine Begleitung, nicht umgekehrt.

Sein Blick wanderte zu Jerad, der lächelnd auf seinem Stuhl saß und dessen Nasenflügel sich mal wieder blähten. „Was riechst du?“

 

„Rosen, Flieder und deine Verzweiflung … Nein, Quatsch, das Letztere ist klar zu bemerken, du tippst mit deinem Fuß auf den Boden, sehr ungleichmäßig!“ Jerad hatte innerlich ein breites Grinsen auf den Lippen, was seiner Freude geschuldet war, unbewusst schien Duncan es akzeptiert und realisiert zu haben, dass er blind war.

Nur so war die Frage zu erklären, und das erfüllte ihn mit Begeisterung. Ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihm breit, weshalb er sich verlegen auf die Unterlippe biss.

„Hast du Lust noch mit mir auszugehen? Ich kenne einen tollen Club mit guten Drinks“, schmunzelte Duncan, dem die Nervosität seines Gegenübers auffiel.

„Eigentlich gerne, aber es ist schon spät. Ich muss auch wieder nach Hause und die Fahrt ist nicht gerade kurz.“ Bedauernd sah Jerad ihn an und innerlich sackte er zusammen. Er hätte gerne erfahren, wie es mit Duncan war.

„Du kannst gerne bei mir schlafen, wenn du möchtest, dann könnten wir morgen über die Bedingungen reden, was deinen Auftritt anbelangt.“ Ein zu verführerisches Angebot, was Jerad nicht abschlagen konnte und so griff er zu seinem Handy, sprach den Namen seiner Mutter hinein und wurde mit ihr verbunden. Linda war nicht wirklich begeistert von der Tatsache, die ihr Sohn ihr berichtete, und doch konnte sie nichts erwidern. Schließlich war er schon 26 Jahre alt und somit erwachsen. Darum ließ sich Jerad führen, verließ sich komplett auf Duncan und hoffte, dass er nicht enttäuscht wurde.

 

Harte Beats umfingen ihn, umschlossen ihn wie eine Hülle. Sich im Takt bewegend folgte er dem Mann vor ihm. Duncan drängte sich durch die Masse, versuchte, Stolperfallen aus dem Weg zu gehen und führte seinen Gast an seinen Stammtisch. Zwei Bier wurden vor sie gestellt und beide nahmen einen kräftigen Schluck. Dann beugte sich Jerad an Duncans Ohr, inhalierte dessen Duft:

„Was ist das hier für ein Club? Ich nehme kaum weibliche Parfums wahr.“

„Kaum? Das gibt mir zu denken, wir sind in einem speziellen Laden, nur für Männer.“ Duncan lehnte sich ebenso nah an ihn.

„Oh, in so einem Laden war ich noch nie. Gibt es hier eine Tanzfläche?“

„Wir sind eben darüber gelaufen! Du gehst gerne in Clubs?“

Jerad nickte begeistert. „Natürlich, obwohl ich auch die Ruhe eines Waldspazierganges mag oder Konzerte.“

„Gibt es etwas, was du schon immer wolltest?“

„Sehen können, das wäre sicher interessant, aber sonst? Ich hab es nicht so mit materiellen Dingen!“ Er zwinkerte und nahm abermals einen Schluck von seinem Bier.

Duncan genoss die Anwesenheit des Geigers, der anders schien als die Männer, die er bisher kennengelernt hatte. Immerzu am Lächeln, gut gelaunt und lebensfroh. Dennoch ehrlich und direkt, wenn auch diskret. Immer noch war Duncan von den Lippen begeistert, die gerade von der dazugehörigen Zunge befeuchtet wurden.

Er wollte sie einfangen, zu sich lenken und sie teilen. Doch riss er sich zusammen, lehnte sich scheinbar relaxt zurück und beobachtete die tanzende Menge.

Jerad dagegen hielt sich an seinem Bier fest, er durfte sich nicht allzu viel von dem Getränk gönnen, brauchte seine Sinne noch. Normal trank er gar nicht, aber er wollte es nicht ausschlagen. Inwiefern er es vertrug, war die Frage. Doch umso mehr das Bier seine Kehle befeuchtete, der Alkohol sich in seiner Blutbahn verteilte, schob er jegliche Gedanken in den Hintergrund.

Nur dieser eine schien sehr dominant zu sein, und der Auslöser saß neben ihm. Die Aufmerksamkeit von Duncan abzulenken war schier unmöglich, zu präsent war er. „Darf ich dein Gesicht ertasten?“, kam es leichthin aus Jerads Mund.

Duncan sah ihn verdutzt an. „Du willst … Wieso?“

„Ich kann nicht sehen, aber ertasten kann ich. Darf ich?“

„Ja“, bekam Jerad als Antwort und schon hob er seine Hände. Zärtlich tasteten sich seine Finger über das Gesicht von Duncan. Ertasteten das leicht raue, ausgeprägte Kinn, die hohen Wangenknochen, die gerade Nase.

Sein Gesicht fühlte sich ergonomisch perfekt an. Doch dann kam er zu seinem persönlichen Highlight. Die Lippen seines Gegenübers. Weich und doch fest pressten sie sich aufeinander. Nicht zu wulstig, doch auch nicht zu schmal, luden sie ein, von ihnen zu kosten. Immer wieder ertastete er sie und spürte dann ein sanftes Erzittern des Körpers, den er berührte. Einmal nur wollte er die sanften, festen Lippen mit den seinen berühren, doch hielt ihn etwas ab. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit, was er nicht zuordnen konnte.

Zwischen mulmig und wohlig schwankend, konnte Jerad Duncan trauen? Jerad war kein Typ, der auf einmalige Nächte aus war und er ahnte, dass es bei Duncan anders aussah.

 

Dass dieser die gleichen Gedanken in sich trug, das blieb Jerad verborgen. Duncan wollte es so gerne, die Nähe, den Geschmack seines Gegenübers, doch irgendwas sagte ihm, dass Jerad dafür zu schade war. Noch nie hatte er sich gewünscht, irgendwelche Lippen zu spüren, außer auf einer bestimmten erogenen Stelle seines Körpers.

Dieses Gefühl, Jerad näher kommen zu wollen, ihn in den Armen haltend einzuschlafen, war neu und ungewohnt. Da hielt Duncan es doch wie die meisten heterosexuellen Männer: rauf, rein, runter und raus. Wieso sich mit unnötigem Schnörkel aufhalten, wenn man seinen Trieben auf schnelle Art nachgeben konnte?!

„Wirst du es tun?“, durchbrach die Stimme von Jerad seine Gedanken. Irritiert runzelte er die Stirn, eine dumme Angewohnheit, wie er fand. „Was meinst du?“

Mittlerweile ruhten die Hände des jungen Mannes auf den Wangen seines Gegenübers. „Dich verkaufen, an Mister Chi.“

„Alles in mir schreit nein, aber wenn ich ans Geschäft denke, sind mir solche Entscheidungen meist leichter gefallen“, gab er wahrheitsgemäß zu. Einmal war er bisher in eine solche Lage gekommen und hatte sofort zugeschlagen. Der Mann sah gut aus, ganz sein Geschmack, und diesen zu beglücken war ein Genuss gewesen.

Jetzt war alles anders, er bekam den Geiger nicht mehr aus dem Kopf, fühlte dessen Nähe und die tat ihm gut. Wünschte sich, weder einen Muskel um sein Glied zu spüren noch seinen geweitet zu bekommen, alles war gut, so wie es war.

„Was hindert dich jetzt bei einer Entscheidung?“ Jerad ließ seine Hände sinken, mit der Rechten nahm er sein Bier hoch, mit der Linken erfühlte er Duncans Hand.

„Viele Gedanken.“ Er erwiderte die Berührung, bemerkte die Stromstöße, die seinen Körper durchjagten, und genoss dieses Gefühl.

Es war Jahre her, dass er so was gespürt hatte, und es hatte in einem Desaster geendet. Gerade achtzehn war er geworden, als die vermeintlich große Liebe auftauchte. In Form eines blonden Adonis, mit grasgrünen Augen.

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Schnell verscheuchte er die Gedanken an früher, sie waren es nicht wert, wieder aufgefrischt zu werden.

„Über was denkst du nach?“ Jerad sah ihn an, was Duncan ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Dieser Blick ließ einen fast vergessen, dass sein Gegenüber nichts sehen konnte.

„Über mein Leben. Jerad, wärst du sehr enttäuscht, wenn wir heimfahren?“ Ein einfaches Kopfschütteln war die Antwort, und schon erhoben sie sich. Weder der eine, noch der andere befanden es für notwendig, die Hände voneinander zu lösen.

Es war ein ungewohntes und doch sehr angenehmes Gefühl, was sich in ihrem Magen breitmachte. Ein wenig Hoffnung machte sich Duncan, vielleicht musste er die Nacht nicht allein verbringen. Er hasste die Einsamkeit seiner Wohnung und seines Bettes, auch wenn er es seit damals nicht mehr gewagt hatte, jemanden in sein Herz zu lassen. Die Gefahr, die von Jerad ausging, war ihm durchaus bewusst, nur allzu gegenwärtig und präsent, denn dieser hatte immer noch keinen Anlass gesehen, seine Hand von Duncans zu trennen.

 Im Gegenteil, er hatte sogar damit begonnen, mit dem Daumen in Duncans Handfläche Zeichen zu malen.

 

Jerad lächelte in sich hinein, die Müdigkeit trübte seine Sinne, und sicherlich war das Bier auch nicht unschuldig daran. Er wusste, wieso Alkohol ein Tabu war, und doch genoss er dieses unbeschwerte Gefühl. Tief durchatmend stiegen beide aus dem Auto, sogen die frische Luft ein und Duncan begann, mit Jerad auf die Tür zuzusteuern.

Es kribbelte in seinen Lenden, Vorfreude, und doch versuchte Duncan sich zu beherrschen. Was, wenn Jerad kein Interesse hatte? Innerlich war ihm mehr als bewusst, dass dieser sicherlich kein Kandidat für einen One-Night-Stand war. Doch der Ausblick auf dessen Kehrseite ließ seinen Verstand verstummen. Etwas flach, leider, und doch, dieses Hinterteil würde genau in seinen Händen Platz finden.

Schmunzelnd ging Jerad voran, konnte sich nur zu gut ausmalen, wie sein Gastgeber hinter ihm herging.

Auch ihn ließ die ganze Situation nicht kalt. Die Hitze in seinem Körper nahm ungeahnte Grade zu und die Alarmglocken schrillten in ihm. Er würde sich nicht benutzen lassen, nicht für eine Nacht, und nicht mit dem Wissen, dass Duncan und Mister Chi noch etwas vor sich hatten. Unethisch und niveaulos befand er die Forderung. War das so in der Geschäftswelt? Hatte sich seine Mutter … Schnell verdrängte er den Gedanken, das war sicher nicht der Fall.

Die Berührung an seiner Kehrseite ließ ihn zusammenzucken, einen neuen Schwall Hitze durch ihn hindurchjagen. Seine Muskulatur stand augenblicklich unter Hochspannung, wollte mehr von diesen Berührungen, intensiver und tiefgehender. Jerad ließ Duncan für einen Augenblick gewähren, bis er merkte, dass es keine weiteren Stufen mehr gab, dann entfernte er sich und trat zur Seite.

Duncan stockte, betrachtete das leicht gerötete Gesicht seines Gegenübers, das leichte Zittern und fühlte sich schwer. Es war nicht gut, was er vorhatte, auf keinen Fall. Jerad war zu gefährlich für ihn.

Schweigend traten sie in die Wohnung, und während Duncan das Licht betätigte, blieb Jerad an der Tür stehen. Seine Knie waren weich, sein Herz raste, und die Hitze schien von Sekunde zu Sekunde mehr zu werden.

Es war zu lange her, als er sich an jemanden geschmiegt hatte, sich einfach fallen lassen konnte. „Es ist nicht richtig“, hauchte Jerad, als er schon näher an Duncan herantrat. „Ein Fehler! Und doch will ich es“, wisperte er an dessen Lippen, und bedeckte sie dann mit seinen.

Duncan erstarrte, spürte die zarten Lippen, die an seinen bebten. Die Nervosität war leicht zu erkennen, das Zittern des Körpers vor ihm drang zu ihm durch. Sanft schob Duncan Jerad von sich. „Wieso denkst du, dass es ein Fehler ist?“

„Weil es für dich etwas Einmaliges ist und du dich noch diese Woche Mister Chi hingibst. Ich will nicht daran denken, aber diesen Augenblick genießen!“

Abermals legten sich Jerads auf seine Lippen, und dieses Mal unterbrach Duncan den Kuss nicht. Gab sich ihm hin und bemerkte ein komisches Gefühl in sich. Langsam, aber stetig arbeitete es sich durch seinen Körper. Hemmungen machten sich ebenso in ihm breit; das durfte nicht sein, und das wurde ihm immer mehr bewusst. „Ich muss es regeln, und dann gehörst du mir“, flüsterte er an Jerads Lippen.

Dieser lächelte sanft, schloss erleichtert die Augen, während sein Innerstes geradezu vor Freude schrie. So nah, wie sie sich im Club gewesen waren, so fern lag es ihnen, sich zu berühren. Sie genossen die Anwesenheit des anderen und fielen nebeneinander in einen tiefen Schlaf.

 

Die Stirn an die kalte Fensterscheibe des Autos gelehnt, war Jerad bereits wieder auf dem Heimweg. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er an den Morgen dachte.

War es gerade eine Stunde her, dass sie sich verabschiedet hatten, kam es ihm doch viel länger vor. Duncan war so unkompliziert mit ihm umgegangen. Kam bei den ersten Geräuschen, als Jerad aufgewacht war, hatte ihm das Bad gewiesen und alles bereitgelegt, dass sich dieser allein weiterhelfen konnte. Auch beim Frühstück kam es Jerad bald selbstverständlich vor, dass Duncan ihm das Brötchen wortlos schmierte und hinlegte. Der Kaffee war auf Wunsch gesüßt worden, bald zu perfekt, um wahr zu sein.

So etwas hatte Jerad noch nie erlebt, normal behandelten ihn die Menschen wie eine Porzellanpuppe Dabei wusste er sich zu helfen, auch das Frühstück richtete er zu Hause selbst, jedoch war es ihm unangenehm, bei Fremden mit den Fingern zu tasten, und genau das hatte Duncan ihm elegant abgenommen.

„Mister Moore, wir sind angekommen!“

Erschrocken setzte sich Jerad gerade hin, hatte die Ankunft nicht wahrgenommen. „Herzlichen Dank, Antony“, lächelte er den Fahrer an und tastete nach dem Türgriff.

Die Tür wurde aufgerissen, und schon vernahm er den Geruch seiner Mutter. „Da bist du ja, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie stürmisch und tastete das Gesicht ihres Sohnes ab.

„Es ist alles super.“ Er wand sich aus der Berührung.

 

Duncan saß in seinem Büro, atmete tief ein und lehnte sich lächelnd in seinem Stuhl zurück. Zu perfekt, um wahr zu sein, wunderte er sich immer noch über Jerad. Dieser hatte jegliche Eigenart von Duncan wortlos hingenommen.

Er liebte es, anderen alles zu richten, sie zu verwöhnen, doch selten ließ sich das einer gefallen. Während er in der Berufswelt immer alles abgenommen bekam beziehungsweise gebracht, wollte er es privat gerne umgekehrt.

Mit Schwung ließ er seinen Stuhl einmal im Kreis drehen und lachte befreit, doch sogleich holten ihn seine Gedanken ein. Mister Chi hatte sich in diesen eingenistet, mit seinem falschen Lächeln und der klaren Anweisung. Es musste eine Lösung her, unbedingt.

„Einen Kaffee für den Chef!“ Eine dunkelhaarige Schönheit betrat Duncans Büro.

„Annabella, Sie sind ein Engel“, erwiderte er und nahm das aufputschende Getränk entgegen.

Sie schmunzelte. „Hört Frau doch gerne, zudem steht Mister Bennet vor der Tür.“

Mit einem Nicken nahm Duncan das Gesprochene wahr, und Annabella ließ den blonden Mann in einem perfekt sitzenden Anzug rein. Kaum war die Tür hinter der Sekretärin geschlossen, nahm Mister Bennet Platz.

„Was kann ich für dich tun?“ Duncan blickte weiter in seine Akten.

„Ein Mittagessen wäre sehr angenehm, und danach vielleicht ein orales Vergnügen?“

Duncan blickte auf. „Das Erste ist sehr verlockend, auf das Zweite verzichte ich dann doch. Du sollst mir solche Angebote nicht machen, es würde Jonathan nicht gefallen!“, entgegnete er und lehnte sich zurück.

„Wohl wahr, er gönnt dir nichts. Allerdings … seit wann betonst du das so? Und dieses Lächeln, sag mal …“ Martin Bennet sah seinen Kindergartenfreund skeptisch an. „Name, Alter, Beruf, Ernsthaftigkeit?“

„Jerad Moore, 26 Jahre, Geiger, ich habe keine Ahnung. So lange kenne ich ihn ja noch nicht!“

„So lange kennst du ihn noch nicht? Sag mir nicht, Duncan Stone überlegt sich, eine Beziehung einzugehen? Wahnsinn!“ Ungläubig lachend lehnte sich Martin in seinem Stuhl zurück.

Duncan tat dessen Frage mit einem Schulterzucken ab. „Martin, ich habe jetzt erstmal ein anderes Problem, das es zu lösen gilt. Mister Chi ist hier, eigentlich wollte ich eine Zusammenarbeit anstreben, aber …“

Das Lachen seines Gegenübers verstummte, stattdessen wurde Martin ernst und sein Gesicht verhärtete sich. „Chi? Das kann nicht dein Ernst sein. Er ist nicht sauber.“

„Ich weiß, aber was soll ich tun? Wenn ich die Einnahmen nicht um drei Prozent steigern kann, werde ich Leute entlassen müssen, so will es mein Vater. Meine Abteilung hat ein Minus und ich kann es nur durch Chi ausgleichen.“ Resigniert ließ Duncan seine Hände über sein Gesicht fahren. „Gurt wäre noch möglich, aber da werde ich nicht mehr als zwei Prozent machen, das reicht nicht.“

Martin stand auf, legte seine Hände auf den Schreibtisch. „Rede mit deinem Vater, er wird Verständnis haben. Du kannst dich Chi nicht verkaufen.“

„Das denkst du. Damals bei McKenzie hat er doch schon gesagt, es sei egal, wem ich meinen …“

 

Jerad hatte sich zurückgezogen, wollte seiner Mutter nicht Rede und Antwort stehen, wofür auch, er war erwachsen. Im Erdgeschoss besaß er seine eigene kleine Wohnung, in der er sich bestens zurechtfand, wenn alles an seinem Platz war. So ließ er den Computer hochfahren, schaltete die Lautsprecher an, damit er alles hören konnte, was sein Hightechwunder ihm preisgab.

„Sie haben fünf neue Nachrichten. Nachricht eins: Betreff: Jetzt Vorteile sichern …“ Er verdrehte die Augen, Werbung. Auch die weiteren Nachrichten teilten ihm nicht mehr mit, als dass er seine Potenz steigern konnte, einen Kredit angeboten bekam oder durch bestimmte Präparate seiner Figur zu Leibe rücken konnte. „Löschen!“, sprach er in das Mikrofon, was die Anweisungen sofort an den Computer weitergab. „Informationen zu Duncan Stone suchen!“, war seine nächste Anweisung.

Es gab nicht wirklich viel, gerade das Geburtsdatum, dass Duncan noch einen Bruder hatte, der aber im Ausland lebte, und er der Juniorchef des Unternehmens seines Vaters war. Nichts wirklich Neues, was Jerad seufzen ließ. Er schmiss sich auf sein Bett, gab dem Computer den Befehl für Musik und schloss die Augen. Es war, als würde er Duncan spüren, die Küsse, seine Hände, den Atem auf der Haut. Ein wohliger Schauer überfiel ihn und ließ seinen Körper erzittern. Das Feuer der Nacht hatte sich wieder entfacht, keuchend setzte er sich auf. Eine Dusche war sicher das Sinnvollste, was er jetzt tun konnte.

Stöhnend stand er schon bald unter der warmen Brause und genoss das Gefühl in sich.

 

Duncan schlug mit der Faust gegen die Wand. Natürlich war es seinem Vater egal gewesen. Der wollte ihn einfach nicht verstehen, wieso auch? „Ist es nicht egal, wer sich an dir vergnügt? Ich dachte immer, Homosexuelle seien nicht wählerisch!“ Er fühlte immer noch den abwertenden Blick seines Erzeugers auf sich ruhen. Er war selbst schuld, dass sein Vater sich ihm gegenüber so verhielt und doch, er hoffte immer noch, dass der sich ändern würde.

Es war doch schließlich nur einmal passiert, dass er mit einem Geschäftspartner intim wurde. Gut fürs Geschäft war es allemal gewesen und ihm hatte es mehr als nur gut gefallen. Doch als sein Vater es erfuhr, verurteilte dieser Duncan aufs Schärfste. Was jetzt? Diese Frage blieb in seinem Kopf eingebrannt, seine Schläfen pochten und sein Magen krampfte. Das war alles nicht gut, überhaupt nicht in Ordnung.

Drei Leute sollte er kündigen, aber wie? Wen? Die Computerdatei zeigte ihm einen Mitarbeiter nach dem anderen, doch er konnte sich nicht entscheiden. Verheiratet, Kinder, zu gute Mitarbeiter. Jerads Lächeln schob sich in seine Gedanken, was ihn schwer atmen ließ. Ergeben schloss Duncan die Augen, atmete einmal tief durch und nahm sein Handy zur Hand. Eine Nachricht später stand es fest, sein Vater hatte recht, es war egal, wem er seinen Hintern anbot.

Duncan verbot sich jeglichen Gedanken an Jerad, ließ seine Sekretärin die Vertragsangelegenheiten wegen des Auftritts regeln und stürzte sich auf die Arbeit. In wenigen Tagen würde es so weit sein.

 

Jerad verstand die Welt nicht mehr. Seufzend drehte er sein Handy in der Hand, doch dieses gab keinen Ton von sich, dabei hatte er Duncan vor einer Stunde eine Nachricht hinterlassen.

Er wollte doch nur seine Stimme hören, sehnte sich nach dem Lächeln und der Unsicherheit in der Stimme dieses Mannes. Sicherlich war es naiv, schließlich kannten sie sich gerade ein paar Tage, oder wohl eher Stunden. Eine Träne wegwischend ließ er sich auf sein Bett fallen und steckte sich die Kopfhörer seines Multimediagerätes in die Ohren. Einfach nichts hören oder wahrnehmen. So versank Jerad in der Welt der harten Punkmusik und versuchte, die Realität zu verdrängen.

Die Tage vergingen für Duncan viel zu schnell. Chi hatte sich entschieden, den Vertrag auf dem Event zu unterschreiben, und zwar nach ihrem Date, wie er es nannte. Mit der Übelkeit kämpfend stand Duncan unter der Dusche. Viel zu heiß war das Wasser, was seinen Körper erröten ließ. Doch er spürte den Schmerz nicht, nahm nichts wahr, außer dem Gefühl des Ekels, das durch das geistige Bild seines baldigen Dates ausgelöst wurde. Was würde er von ihm erwarten? Wie tief musste er sich wohl bücken?

Fragen über Fragen beherrschten seinen Verstand, und die Übelkeit versetzte seinen Magen in Aufruhr. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden, wie er dachte, versuchte sich Duncan auf andere Gedanken zu bringen und trat aus der Dusche. Es nützte alles nichts, da musste er nun durch. Ein teurer Anzug lag bereit, das Hemd war akkurat gebügelt. Es kam ihm falsch vor, und doch musste er da nun durch. So zu tun, als wäre alles normal, fiel Duncan sehr schwer. Freundlich begrüßte er die Gäste und vermied es, mit den Augen den Saal nach Jerad abzusuchen. Jeglicher Gedanke war verboten, sonst würde er den Tag nicht überstehen.

Sein Herz pochte jedes Mal hart in seiner Brust, wenn er eine Geige erkannte, selbst das Radio schien ihn damit quälen zu wollen. Irgendetwas in ihm sagte, dass es noch schlimmer werden würde.

 

Jerad schlich samt seiner Mutter durch den Hintereingang in den Opernsaal. Auch er vermied es, an Duncan zu denken, wollte diesen Auftritt hinter sich bringen und zwar mit der vollen Leistung. Doch das dumpfe Gefühl in seiner Brust wollte einfach nicht verschwinden.

Wie gerne hätte er Duncan gesehen, nach ihm Ausschau gehalten, doch war es einfach nicht möglich. Selbst wenn er seine Mutter darum bitten würde, hätte es ihm nichts gebracht. So verhielt er sich ruhig, lehnte sich gegen eine Wand und versuchte, sein Innerstes zu beruhigen. Plötzlich verdeckte ihm jemand das Licht, zwinkernd öffnete er die gerade geschlossenen Augen und runzelte die Stirn. „Guten Tag, Mister Moore, mein Name ist Martin Bennet, es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!“ Der beste Freund von Duncan ergriff dabei die Hand seines Gegenübers mit einer Normalität, die Jerad noch mehr die Stirn runzeln ließ.

„Ich darf Ihnen meine Schwester Ann-Marie vorstellen, sie ist eine Liebhaberin Ihrer Kunst“, dabei übergab Martin die Hand.

„Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen!“, sagte Jerad und hoffte zu der Frau zu sehen, deren zarte Hand er in seiner hielt.

„Die Freude liegt auf meiner Seite. Ihre Musik zeigt mir Bilder der Vergangenheit, doch so real, als wären sie gerade passiert. Sie bringen mir das Licht zurück!“

Es machte klick bei Jerad. Die Frau ihm gegenüber war ebenfalls blind. Sein Lächeln wurde ehrlicher, er mochte es, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein, vor allem, wenn sie seine Kunst zu schätzen wussten.

„Herzlichen Dank, das freut mich zu hören. Es ist schön, wenn man noch mal Bilder sieht, das geht mir genauso.“

So unterhielten sich Ann-Marie und Jerad über das Wahrnehmen der Klänge, und Martin stand überlegend da. Wie gerne hätte er dem Mann vor ihm gesagt, was Duncan vorhatte. Doch wie? Würde es Jerad überhaupt interessieren? Schließlich wusste Martin, dass Duncan sich verschlossen hatte.

 

Es war nicht anders als schmierig zu bezeichnen, wie sich Mister Chi an Duncan heranschlich. „Mister Stone, wie wäre es, wenn Sie alles vorbereiten gehen“, grinste er, dass es Duncan einen Schauer des Ekels einbrachte. Vorbereiten, sich selbst, der Gedanke ließ ihn würgen. Erst an der Tür zu einem eingerichteten Büro bemerkte er den Mann hinter sich.

Irritiert blickte Duncan ihn an. „Ich werde Ihnen behilflich sein!“, kam es kurz und knapp, und schon wurde er durch die Tür geschoben, die gleich darauf ins Schloss fiel. Gerade hatte Duncan die Vertragsunterlagen aus einer Schublade gefischt, als der Mann ihn an der Hüfte durch den Raum dirigierte, direkt vor das Waschbecken, was noch ein Überbleibsel aus früheren Zeiten war. Duncan nutzte es gerne, weshalb es nicht entfernt wurde. Schnell die Hände waschen, sich frisch machen, die Frisur kontrollieren, doch was sollte er jetzt da?

Sein Kopf wurde fast ins Waschbecken gedrückt, so dass er gebückt davorstand. Sofort machte sich der Mann hinter ihm an seiner Hose zu schaffen. „Verkrampfen Sie sich besser nicht, umso schmerzvoller wird es für Sie. Mister Chi möchte sich im Spiegel sehen, und Ihnen gebe ich den Rat, verkneifen Sie sich jeden Laut, dann ist es schneller vorbei.“ Schon hörte Duncan das Öffnen einer Tube und spürte die kühle Nässe sein Gesäß hinablaufen. Mit zusammengekniffenen Augen ließ er geschehen, was geschehen sollte, und versuchte, sich geistig in eine andere Situation zu transferieren.

Er wollte nicht hier sein, wollte sich nicht verkaufen, und doch, was blieb ihm übrig? Keiner hatte es verdient seine Arbeit zu verlieren, und dafür war sein Opfer geradezu eine Kleinigkeit. Nicht nur er wurde von dem recht kräftigen Mann vorbereitet. Mister Chi ließ sich auch eine Behandlung zukommen, was Duncan kurz sah. Den Würgereiz versuchte er zu verdrängen und schloss angewidert die Augen. Er blendete alles aus; selbst den Schmerz, als man in ihn eindrang, verdrängte er, flüchtete sich in eine andere Welt.

Bis die zarten Klänge an sein Ohr drangen. Jerad war auf die Bühne getreten. Schlimmer hätte es nicht für Duncan sein können. Hinter ihm keuchte und stöhnte Mister Chi, und an sein Ohr drang Jerads einfühlsames Geigenstück. Es klang so schmerzvoll, voller Sehnsucht und Verlangen. Am liebsten wäre er der Situation entsprungen, hätte sich die Ohren zugehalten und gefleht, dass man ihn von der Qual befreite.

Das Gefühl des auf ihm haftenden Schmutzes, der Verlust seiner Selbstachtung ließen ihn nur schwerlich die Tränen zurückhalten. Doch stattdessen atmete er tief durch und ließ alles geschehen. Die Standhaftigkeit hätte er dem Mann hinter ihm nicht zugetraut. Die Schläge auf sein Gesäß wurden immer fester, was Duncan dazu veranlasste, die Zähne zusammenzubeißen und zu hoffen, dass es bald ein Ende gab.

 

Jerad stand auf der Bühne, seine ganzen Emotionen legte er in dieses Stück, das gerade am vorigen Tag beendet worden war. Die Sehnsucht nach Duncan in einer Komposition verarbeitet, das Gefühl der Naivität mit eingebracht und der Schmerz der eigenen, unerfüllten Träume einfließend, ließ er die Saiten erklingen.

In seine eigene Welt versunken fühlte er Duncan nah bei sich. So merkte er nicht einmal, wie die Klänge einen neuen Ton bekamen, liebevoll und romantisch wurden. Bewundernd standen die Leute vor der Bühne, waren gefangen von dem Spiel der Geige. Gebannt von dem jungen Geiger, der mit geschlossenen Augen eine Welt besuchte und sie alle mit sich zog. Die Frauen lehnten sich an die Männer, und diese sahen einfach gebannt in die Ferne. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und ließ sich von den Klängen wiegen.

 

Auch Duncan bekam den Umschwung mit, fühlte sich Jerad mit einem Mal sehr nahe. Vergaß für einen Augenblick, was hinter ihm geschah. Bis ein Schlag sein Gesäß traf, was seine Muskeln dazu brachte sich anzuspannen und den Mann hinter sich versteifen ließ. Es hatte ein Ende, schwer und doch leise seufzte Duncan auf. „Bleib so!“, hauchte der bärige Mann ihm ins Ohr, reinigte seinen Chef und half ihm beim Anziehen.

Mister Chi begab sich befriedigt zum Schreibtisch und setzte seine Unterschrift unter den Vertrag. „Mit Ihnen werde ich gerne wieder Geschäfte machen!“, grinste er süffisant und verließ den Raum.

Duncan sackte in sich zusammen, doch er wurde von kräftigen Armen aufgefangen. „Geht es, Mister Stone?“

„Ja, alles in Ordnung“, lächelte er halbherzig, befreite sich aus den Armen und zog sich an. Er wollte nur noch weg. Allerdings konnte er nicht vor dem wegrennen, was er wirklich wollte.

Vor sich selbst, seinem Ekel, seiner Scham. Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn sogleich fand er sich vor Jerad wieder, der mit Martin und Ann-Marie zusammenstand. Dieser blähte seine Nasenflügel auf, schloss die Augen und wandte sich ab. Duncan verschwand in die andere Richtung, er wollte seinem Vater schnellstmöglich den Vertrag geben.

Ein Zittern schlich sich durch Jerads Körper, er wollte es nicht glauben und doch, es war nicht zu leugnen. Duncan hatte es getan, der Geruch von Jasmin und Sex haftete an ihm, dass es Jerad schlecht wurde.

Naiv, er war ja so naiv. Immer wieder landete sein Hinterkopf an der Mauer, während er an dieser hinab rutschte. Eine zarte Hand umschloss seine, eine andere legte sich auf seinen Hinterkopf. „Es nützt nichts, was passiert ist, ist passiert!“, sprach Ann-Marie. „Du magst ihn gern, nicht wahr?“ Sachte streichelte die Hand seinen lädierten Hinterkopf.

„Naiv, ich bin einfach zu naiv.“

„Nein, sag das nicht, doch die Welt des Geschäftes, sie ist hart und unnachgiebig. Rede mit ihm, lass ihn dir alles erklären.“

Ein sarkastisches Lachen entwischte ihm. „Dass er sich verkauft hat, für Geld? Das muss er mir nicht erklären.“

„Nicht für Geld, für drei Existenzen. Für seine Mitarbeiter, und glaub mir, selbst einem Duncan Stone fällt das nicht leicht.“ Mit diesen Worten erhob sich Ann-Marie und ging. Leise klackten ihre Schuhe auf dem Steinboden und ließen Jerad wissen, dass er allein war.

Unter all den Menschen allein. Erschöpft schloss er die Augen und wollte schlafen. Versinken in seine Welt und diese als Traum hinterlassen.

 

Duncan kippte einen Whisky nach dem anderen in seine Kehle, nachdem er den Vertrag seinem Vater in die Hand gedrückt hatte. Dieser war mehr als irritiert und erhielt einen abfälligen Blick von Martin. „Das hast du zu verantworten!“, hatte er gehaucht und sich zu seinem besten Freund gesellt, während sein Blick Jonathan suchte. Sie waren seit einem Jahr liiert und schätzten ihr Bündnis miteinander.

Umso mehr schätzte es Martin, dass sein Freund wusste, wann er sich zurückhalten musste. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, nahm Duncan an der Theke Platz. Sein Gesäß brannte, und jede Sekunde auf dem eigentlich weichen Sitzpolster schien ihm wie ein weiterer Schlag.

„Soll ich dir ein Kissen bringen?“, fragte Martin leise.

„Wird nichts nützen, ich habe es nicht anders verdient.“ Duncan verzog sein Gesicht, während der nächste Whisky seine Kehle hinunterlief.

„Sag das nicht. Fang nicht an wie Jonathan damals. Ihr habt es beide für einen guten Zweck getan.“

Es fiel Martin schwer es zu sagen, allein der Gedanke, dass sein Geliebter sich dem hingegeben hatte, ließ sein Herz schmerzvoll krampfen. Duncan erwiderte nichts weiter, ließ einfach einen Whisky nach dem anderen den Weg seinen Rachen hinabfinden. Die wohlige Wärme in seinem Inneren empfand er als erholsam, und doch blieb der Schraubstock um sein Herz bis zum Zerbersten gespannt. Immer wieder schlugen ihm Leute auf die Schulter, gratulierten zu der perfekten Veranstaltung und vor allem zu dem hervorragenden Geiger.

Wie gerne wäre er aufgesprungen, hätte alle von sich gestoßen und wäre in seinem Elend ertrunken, doch ließ ihn sein Anstand nett lächeln und brav antworten.

Als Duncan um Mitternacht im Bett lag, umschlang er das Kissen, das in seiner Einbildung nach Jerad roch. Schmiegte sich an dieses und wünschte sich nichts sehnlicher, als den Schmutz aus seinem Körper zu bekommen. Die Zeit zurückdrehen und neu beginnen. In eine Welt zu gelangen, wo die Realität nur einem Traum glich.

 

 

 

Kapitel 3

 

Seufzend wand sich Jerad aus dem Bett, sein ganzer Körper schien zu schmerzen. Er hätte sich eindeutig entkleiden sollen, diese Anzüge waren nicht sonderlich bequem. Der Duft von Ann-Marie stieg ihm in die Nase und damit die Erinnerungen an den gestrigen Abend. Eilig befreite er sich aus der Kleidung, schmiss sie in den Flur, verschwand unter die heiße Dusche und versuchte alles von sich zu waschen. Vor allem die Gedanken, das dumpfe Gefühl in sich. Es war lächerlich, er wusste es. Liebe auf den ersten Blick, hatte seine Mutter immer gesagt … Doch wie sollte das gehen, bei ihm doch sicher nicht, und trotzdem schien sein Herz zerreißen zu wollen.

Die Nähe zu Duncan hatte sich so richtig angefühlt, seine Küsse waren so intensiv und berührten mehr als nur seinen Intimbereich. Sein Herz war gefangen von dem Rausch, der Intensität und dem liebevollen Umschmeicheln. Die Gedanken der Nacht, der ersten gemeinsamen, beherrschten ihn. Wie sich Duncan in seine Arme geschmiegt hatte. Ihre Hände ineinander verflochten und die sanften Lippen auf seiner Handfläche. Immer wieder hatte Duncan ihm Küsse auf diese gehaucht, rückte dichter an ihn und die Verbundenheit war unbeschreiblich.

Solche Nähe war Jerad nicht gewohnt, genoss sie umso mehr. Nie wieder sollte es anders sein, so hatte er es sich ausgemalt. Und nun? Verschwand er in seiner Traumwelt, wollte die Realität nicht sehen, die sein Herz zu zerquetschen drohte. Langsam sank er an der Duschwand hinab, das Wasser floss auf seinen Körper, wollte oder konnte ihm nicht helfen.

Die Gefühle blieben, Schmerz, Zuneigung, Wut, Verzweiflung, Geborgenheit und so viele mehr, die nicht zu benennen waren. Kein Gefühl wurde klarer, keins verschwand, zerrissen vom eigenen Körper, vom eigenen Verstand.

Den Kopf an den kalten Fliesen und die Augen geöffnet, etwas in der verschwommenen Welt suchend, so fand Linda ihren Sohn vor. Ihre Lippen waren versiegelt, wortlos nahm sie ein Handtuch, ergriff seine Hand und half ihm aus der Dusche. Sanft streiften ihre Finger seine Wange. „Rede mit ihm!“, durchbrach sie die Stille.

„Was soll es bringen? Er hat es getan, es ist nicht mehr rückgängig zu machen“, kam es leise, kaum hörbar. Den Schmerz seines Herzens trug seine Zunge nach außen.

Ein Lächeln erschien auf Lindas Gesicht, freudig wie gequält. Ihren Sohn das erste Mal so verliebt zu sehen, war ein Wunsch und doch ein Fluch, denn es schien nicht glücklich zu enden. Das wollte und konnte sie nicht akzeptieren. Mit gestrafften Schultern ließ sie von Jerad ab.

Kopfschüttelnd und die Stirn in Falten gelegt blieb er zurück, doch auch er straffte seine Schultern und fing an sich abzutrocknen.

Er war ein Mann, als solcher hatte man keiner nichtexistierenden Liebe hinterher zu trauern. Trauern war sowieso nur für Frauen gedacht. Seine Gedanken wurden von seinem Herzen gestraft, denn es schmerzte weiter und zeigte ihm nur überdeutlich, dass es egal war, welchem Geschlecht man angehörte.

 

Kaum war das Wochenende vorüber, der Montag eingetroffen, stand Duncan vor dem Bürogebäude seiner Firma.

Die Finger zitterten, während er versuchte, die Zigaretten aus ihrer Hülle zu befreien. Sein ganzer Körper bebte, überall sah er den Hohn und Spott der Leute. Scheinbar stand es auf seiner Stirn geschrieben, er hatte sich verkauft. Eilig verdrängte er den Gedanken daran, riss ungeduldig am Plastik und entfernte es endlich. Normal rauchte er nie, selten eine Zigarre, was aber eher dem Genuss galt als dem Nikotin. Doch heute war es nötig, er brauchte es wie die Luft zum Atmen.

Kaum war der Klimmstängel zwischen seinen Lippen am Glühen, drückte er ihn schon wieder aus. Ein widerlicher Geschmack machte sich in seinem Mund breit. Whisky wäre besser, ein Blick auf seine Uhr zeigte allerdings acht und es war somit viel zu früh. Die Welt um ihn schien stillzustehen und sich doch rasant zu drehen. Es war Montag, das Event lag zwei Tage zurück, zwei der schlimmsten Tage seines Lebens. Wollte Duncan doch im Bett bleiben, sich seinem Selbstmitleid hingeben, hatte es Martin nicht eingesehen.

Unfreundlich klingelte dieser seinen besten Freund raus und zwang ihn zum Reden. Duncan war überzeugt, seine besten Freunde waren in Wirklichkeit seine schlimmsten Feinde. Getarnt, und er hatte es nie bemerkt.

„Duncan!“, wurde sein Name gebrüllt, dass sein Körper automatisch zusammenzuckte und gepresst an der Wand stand. Er wusste, wer da nach ihm rief, wollte seinem Vater aber nicht unter die Augen treten. Eiligst rannte er zu seinem Wagen, es hatte einfach keinen Sinn, so konnte Duncan nicht arbeiten, wie denn auch?

Seine Gedanken gefangen in einer Welt, die es nicht gab, sein Herz nicht mehr bei sich tragend, und der Schmerz in seinem Körper. Sicherlich waren das genügend Gründe sich krankschreiben zu lassen. Eine ganze Woche, genau sieben Tage, 168 Stunden, oder auch 10080 Minuten, war es her. Duncan hatte es mitgezählt und wahrscheinlich hätte er auch die Sekunden benennen können, wenn man ihn gefragt hätte, doch das hatte Martin nicht. Lediglich wie lange es her war. Irritiert sah er seinen besten Freund an. „Sehr konkret.“

„10081 Minuten … Martin, ich vergesse ihn einfach nicht!“ Duncan saß da wie ein Häufchen Elend. Obwohl frisch rasiert, perfekt gekleidet, konnte man seinen Augen den Schmerz ansehen. Das färbte auf sein ganzes Auftreten ab, seine Schultern hingen, sein Kopf war gesenkt.

„Eventuell, weil du ihn magst? Duncan, hast du ihn mal kontaktiert?“

Irritiert sah Duncan auf. „Nein!“ Entsetzt sah er seinen Freund an. „Was hätte ich denn sagen sollen, er wird sicherlich nicht mit mir sprechen wollen.“

Martin seufzte schwer. Sie kannten sich nun über zwanzig Jahre, doch mit diesem Verhalten, hatte er nun nicht mehr gerechnet. Vor ihm saß die sechzehnjährige Version von Duncan, verzweifelt und niedergeschlagen. Er hätte es sich denken können, nie im Leben würde Duncan Stone sich wohl auf die Knie begeben, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Lieber leiden, als um Verzeihung bitten. Nun gut, dann eben anders, wofür hatte er eine wunderschöne und intelligente Schwester, die sogleich einen Notfallplan ausgeheckt hatte?! Einen erfundenen Auftritt, wo sich Duncan und Jerad gegenüberstehen würden, allein, im Dunkeln.

 

Die Hoffnung war groß, dass sie sich aussprechen würden. Melancholie beherrschte Jerads Spiel, zog die Menschen in eine recht schmerzliche Welt, voller Trauer. Auch wenn sie sich ihm nicht verweigern konnten, hatte er recht schnell bemerkt, dass man ihm aus dem Weg ging. Es war sicher zu deprimierend, in seine Welt abzutauchen, da gab er jedem recht. Doch was sollte er tun? Als Ann-Marie anrief und fragte, ob er auf einem Dunkelball auftreten würde, war er erst skeptisch, doch sie hatte ihn schnell überzeugt.

Es waren hauptsächlich Menschen mit einer eingeschränkten Sehfähigkeit dort, was ihm gefiel. Jeder war dort gleich, auch wenn Jerad manches Mal ein Problem damit hatte, wenn er gar nichts sah.

 

Duncan dagegen musste sich mit seinem Vater vergnügen, was ihm gar nicht gefiel. Ein wichtiges Geschäftstreffen stand bevor, wovor selbst die Krankmeldung ihn nicht retten konnte. Zusammen saßen sie im Auto. Duncan, mit gesenktem Kopf, versuchte ein Gespräch mit seinem Vater zu vermeiden.

Die Wut auf diesen hatte sich schnell gelegt, schließlich war Duncan selbst es, der sich verkauft hatte. Im Nachhinein war er sich nicht mal sicher, ob sein Vater wirklich auf die Kündigungen bestanden hätte. Immer noch haftete der Schmutz an ihm, die Scham hatte sich eingebrannt und die Demütigung gab ihm den Rest.

Das entging selbst seinem Vater nicht, der immer wieder zu seinem Sohn sah. Noch nie war dieser so wortkarg gewesen. Schuldbewusst wandte er seinen Blick ab, sah hinaus an den vorbeifahrenden Häusern. Der Vorteil eines Fahrers, wie er fand, man konnte sich mit Gedanken beschäftigen oder mit Unterlagen, die noch durchgegangen werden mussten.

Was normal der Fall war, bei ihm und Duncan, doch nicht heute. Nicht einmal eine Begrüßung hatte sein Sohn ihm geschenkt, der Kopf hing, die Schultern schienen eingefallen und sein Auftreten würde wohl jeden Geschäftspartner verschrecken.

 

Merkwürdig still empfand Jerad den Saal, kaum Gerüche drangen an seine Nase, irgendwas stimmte hier nicht. Ann-Marie hatte ihn vorgehen lassen und nun stand er in einem stockdunklen Saal und wusste nicht, was kommen sollte.

Durch Markierungen in den Wänden konnte er zumindest den Weg zur Bühne finden. Wieso ausgerechnet heute seine Mutter nicht mit zur Bühne kam, war ihm schleierhaft. Nie oder wenn, sehr ungern ließ sie ihr einziges Kind allein, stand immer an seiner Seite, und nun blieb sie draußen? Vielleicht waren sie ihn aber auch alle überdrüssig, wie er sich selbst. Seine schlechte Laune war noch nie so ausgeprägt, obwohl er alles versuchte, ihr nicht die Oberhand zu überlassen.

So tastete er sich an Stühlen vorbei, die am Rand der Bühne standen, Notenständern und verschiedenen Instrumenten. Gut, es waren also noch mehr Künstler hier, aber wo? Rufen fiel wohl aus, wie würde er sich da vorkommen, so tastete er mit dem Fuß nach seiner Markierung und warte einfach ab. Ann-Marie sagte, er sei gleich dran, sobald die Gäste kämen.

„Gehst du vor, ich muss noch schnell telefonieren!“ Diese Worte von seinem Vater ließen Duncan nicken. Was auch sonst, wann hatte er sich seinem Vater mal widersetzt? Irgendwie fühlte er sich eingeschnürt, als wären Tonnen von Seilen um seinen Körper gewickelt und würden bei jedem Schritt, den er tat, fester gezogen.

Der Saal war stockfinster, verzweifelt tastete er nach einem Lichtschalter, was sollte das? Seufzend stand Stephan Stone vor der Tür und hoffte, Ann-Maries Plan funktionierte. Eher wohl, dass sein Sohn keinen Rückzug antrat. Wie gern wäre er selbst hineingegangen und hätte dem jungen Mann, der keineswegs wie 26 Jahre aussah, den Kopf gewaschen. Doch wenn er ehrlich war, hätte er lieber sich selbst in den Hintern getreten. Wie hatte er seinen Sohn so weit bringen können? Nach Martins Ansprache bei ihm, war ihm zum ersten Mal die Sprache abhandengekommen.

Die ganze Geschichte, inklusive der ersten Kooperation mit einem Kunden, hatte ihn doch sehr geschockt. Beschämt hatte Stephan festgestellt, seinen Sohn nicht zu kennen, es falsch verstanden zu haben. Vater, hatte er dieses Wort noch verdient? Er handelte mit Kalkül und ohne Herz, die Scham brannte sich in seine Eingeweide. Als Duncan damals geboren wurde, war Stephan so stolz und hatte sich geschworen, ihm nur das Beste zukommen zu lassen. Auch die Homosexualität seines Sohnes war für ihn nicht von Bedeutung.

Liebe den, der dir zu lieben gedacht ist, hatte seine Mutter immer gesagt und danach lebte Stephan. Doch gab er zu, die Gesellschaft vermittelte etwas anderes, falsche Eindrücke. Als er von Duncans Eskapade mit einem Geschäftspartner hörte, war für ihn klar, dass die Vorurteile stimmten.

Dabei lebten Martin und Jonathan ihm etwas anderes vor, wie gern er beide hatte, und nun stand er da, hatte seinen eigenen Sohn verkauft. Er war schuld und das war ihm bewusst. Sein Blick hoch zum Himmel, ließ ihn beten, dass alles gut gehen würde.

Vielleicht würde seine Frau eine Hand über ihren Sohn halten? Stephan war nicht sehr gläubig, doch in solchen Momenten nur zu gerne. Er war nie der strenge Part gewesen, außer wenn es ums Geschäft ging. Seit dem Tod seiner Frau musste Stephan diese Seite mit übernehmen und hatte kläglich versagt. Noch heute hörte er seinen Sohn im Zimmer wimmern, wenn dieser sich verletzt hatte. Sah Duncan, wie er sich in seine Welt flüchtete, wenn andere ihm seelisches Leid zufügten. Der perfekte und harte Geschäftsmann Duncan Stone war in Wirklichkeit ein weicher Mann mit zu viel Herz. Lebte zurückgezogen, versteckte sein Herz und seine Unsicherheit.

Stephan hatte seine eigene weiche Seite verdrängt und versucht aus seinem Sohn einen Mann zu machen. Er hatte seinen Sohn allein gelassen, nie über Probleme und Sorgen geredet, ihm vermittelt, dass nichts so schlimm sein konnte. Die Augen geradeaus und weitergehen. Hänge nicht an der Vergangenheit, sie ist zu nichts nütze. Mehr als einmal hatte Stephan eine solche Ansprache gemacht und dabei das Herz seines Sohnes vergessen. Seither redete Duncan selten über Probleme, meinte sie selbst bewältigen zu müssen oder schwieg sie tot. Es fehlte ihm an Selbstbewusstsein, gerade wenn es um seine Gefühle ging.

All das war Stephans schuld, davon war er selbst mehr als überzeugt.

 Geräusche drangen an Jerads Ohr, was ihn veranlasste, in Position zu gehen. Sanft streifte er den Bogen über die Saiten, sodass die ersten Klänge in den Saal hinaus drangen.

Stocksteif stand Duncan da, erkannte sofort, wer dort die Geige spielte. An die Tür gepresst, suchte er nach der Klinke, doch diese ließ sich lediglich runterdrücken. Das Türblatt bewegte sich nicht, blieb fest verschlossen. Keuchend glitt er hinab, schloss die Augen und sog ungewollt die die gefühlvollen Klänge der Geige ein, die in sein Innerstes vordrangen. Zu seinem Schmerz drang der von Jerad, was Duncan schwer nach Luft schnappen ließ. Wie gerne wäre er hingegangen, hätte ihn in den Arm genommen, doch alles in ihm sträubte sich dagegen. Wie sollte Jerad ihm das je verzeihen können? Nein, dieser Gedanke war unreal. So blieb Duncan sitzen, versuchte seinen Atem nicht allzu hektisch werden zu lassen.

Langsam und doch durchdringend schlich sich der Geruch in Jerads Nase. Eine Spur von Tabak, Moschus und mehr als ein Hauch von einem alten Whisky. Ganz zart legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, sein Herz pochte einen Takt schneller und der Klang seines Spiels wurde sanfter. Duncan war da! Die Gänsehaut, die Jerads Körper erfasste, zog sich vom Nacken in alle Richtungen. Ein freudiges Kribbeln befiel seinen Magen. Der Drang, die Geige fallenzulassen, wechselte mit diesem: nie wieder aufzuhören.

Seine Fantasie spielte regelrecht mit ihm. Jerad spürte Hände, die sich auf seine legten und mit ihm zusammen in die Welt der Musik, der Emotionen gleiten. Die weiche Haut an seiner, der Atem, der seinen Nacken streifte, und der Herzschlag, der sich seinem anglich. Welche berauschende Vorstellung, die sein Spiel intensiver werden ließ. Bis das Zuschlagen einer Tür die Geigenklänge zum Verstummen brachte.

Wie ein kalter Guss brach es über ihn herein: Duncan würde nicht zu ihm kommen. Kraftlos knickten seine Knie ein. Jerad landete unsanft auf dem Boden, doch was war schon ein körperlicher Schmerz, wenn der seelische umso schlimmer wog.

 

Duncans Flucht ging an Martin und Stephan vorbei. Alles ignorieren, war sein einziger Gedanke, weg zu müssen. Vor dem Schmerz fliehen, nicht in Jerads Augen zu blicken. Diese wundervollen grünen Augen, mit dem sanften Schleier davor. Wie eine andere Welt, in die nicht jeder eintreten durfte. Ein Schritt war ihm gestattet gewesen und sicherlich noch weitere, doch das hatte sich Duncan selbst verwehrt.

Plötzlich umfasste eine Hand seine Schulter und riss ihn herum. „Du machst einen Fehler!“ Braune Augen sahen in seine Seele.

Blondes Haar, vom Wind zerzaust. Jonathans Blick zeigte Verständnis sowie Mitgefühl. Duncan erinnerte sich nur ungern zurück, als er ihn kennengelernt hatte. Ein Häufchen Elend, abgemagert und voller Schmerz. Auch er hatte sich verkauft, für das Geschäft. „John, ich kann nicht …“

„Ich weiß, doch sei dir bewusst, dass Jerad auch leidet. Was euch verbindet, ist ungewöhnlich, schön und doch auch schmerzlich. Es kommt nicht oft vor, die Liebe auf den ersten Blick.“ Jonathan lächelte milde. Zwischen Martin und ihm war es das sicherlich nicht gewesen, auch wenn die magische Anziehung bestanden hatte. Allerdings war sie eher negativ zu sehen, die Erinnerung ließ ihn den Kopf schütteln.

Der falsche Moment für solche Gedanken. So sehr Duncan gerne widersprochen hätte, es ging nicht. Sein Innerstes verbat es ihm, ließ stattdessen das Blut wie einen Lavastrom durch die Adern fließen. Zäh, heiß und unnachgiebig brannte es sich seinen Weg. „Deshalb bin ich gegangen, ich möchte nicht, dass er leidet.“

„Du solltest es ihm erklären, versuche es wenigstens, dann habt ihr auch noch eine Chance. Sei kein Narr!“ Intensiv und eindringlich bohrten sich die erdbraunen Augen in die bernsteinfarbenen.

Wortlos nickte Duncan, ließ sich an der Schulter zurückführen. Die Gedanken leergefegt, sah er sich die Schmutzpartikel auf dem Boden an.

Alle waren in den Saal getreten, das Licht erhellte diesen, doch selbst das nahm Jerad nicht wahr. In sich versunken saß er auf dem Bühnenrand und meinte zu fallen. Das schwarze Loch seines Herzens übernahm die Kontrolle. Gefühle verschwanden, machten Gleichgültigkeit Platz.

Linda betrachtete ihren Sohn, wie schwer war es ihr gefallen, ihn allein hineingehen zu lassen, und doch hatte sie gehofft … Das Klingeln ihres Mobilfunkgerätes ließ ihren Blick von Jerad gleiten. „Moore“, meldete sich die blonde Frau mit einem seufzenden Lächeln. Dieses schwand schneller, wie es gekommen war.

„Jerad soll für Mister Chi spielen? Also, mein guter Herr …“ Linda kam nicht weiter, wollte ihre Verzweiflung und Wut gerade rauslassen, als ihr Sohn das Handy ergriff. Geschockt nahm sie davon Notiz, konnte es allerdings nicht begreifen, was war nun los? Ebenso erging es Martin und Ann-Marie, die ihre Contenance verloren, starrten und lauschten. „Es wird mir ein Vergnügen sein, bitte schicken Sie mir die Verträge und die Reisedaten!“, sprach Jerad währenddessen und verschlug damit jedem die Sprache.

„Das kann nicht dein Ernst sein, bitte Jerad!“ Martins Stimme hatte sich erhoben und versuchte den naiven Mann vor sich zur Vernunft zu bringen. Mit verengten Augenbrauen drehte sich der Angesprochene um. „Mutter, ich möchte fahren. Dieses Arrangement scheint beendet, auf die Gage verzichte ich, meine Leistung war nicht dementsprechend.“

Diese Worte waren kalt. Wehten wie der eisige Polarwind um die Anwesenden und ließ das Innere jedes Einzelnen erzittern. So sehr auch einer was sagen wollte, konnte es niemand. Ihnen war die Sprache abhandengekommen, die Irritation und der Schock stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Hinter einer Maske der Gefühllosigkeit versteckt, versuchte Jerad weiterzumachen. Die Kälte, die er ausstrahlte, hatte in sein Innerstes Einzug gehalten. Was war schon Liebe? Schmerz und Leid, nicht mehr, aber vor allem nicht weniger.

 

Die Unterlippe blutverschmiert saß Duncan in seiner Wohnung, immer wieder biss er auf die gleiche Stelle und versuchte den brennenden Schmerz in sich zu verdrängen. Gerade als er wieder in den Saal gekommen war, ging Jerad an ihm vorbei. Keine Reaktion, nicht mal ein Zucken konnte er vernehmen und ein Kloß in seinem Hals verhinderte jedes Wort. Die Eiseskälte, die die Augen vermittelten, kam Schlägen gleich und Duncan wusste, er hatte sie verdient. Gerade als er seiner Stimme mächtig wurde, sah er die ganzen Leute um sich, biss sich auf die Unterlippe und ließ den Kopf hängen.

Nie und nimmer würde er seine Gefühle hier ausbreiten, er war hart und unnachgiebig, auf niemanden angewiesen.

Sich einen Idioten nennend sprang er auf und durchquerte das Wohnzimmer. Ein Ton hätte vielleicht alles geändert. Was war Idiot doch für ein liebenswürdiges Wort für einen Narren wie ihn. Sicherlich gab es noch kein Wort, unter welches seine Naivität fiel. Doch eins war er sich bewusst, er musste Jerad vor diesem Fehler bewahren. Seit Stunden versuchte Jonathan über seine Kontakte das Event herauszufinden, welches Mister Chi arrangiert hatte.

So viel schien schon festzustehen, es war nichts Offizielles. Duncans Magen schien sich immer mehr zusammenzuschnüren, sodass er jegliche Aufnahme von Nahrungsmitteln oder Getränken verweigerte. Nicht mal der Whisky schien sich dort heimisch zu fühlen.

Was nun? Diese Frage stellte sich jeder und wusste doch keine Antwort. Linda tat ihr Bestes, ihren Sohn vor dieser Dummheit zu bewahren, allerdings waren die Mühen umsonst. Führten lediglich zu einem Ausschluss von den Vereinbarungen. So kannte sie Jerad nicht, niemals hatte er sich so ihr gegenüber verhalten.

Späte Pubertät, sinnierte sie, und doch war das Bewusstsein da, dass es Dinge im Leben ihres Sohnes gab, die er allein bewältigen musste. Allerdings bezweifelte Linda stark, dass eine solche Sache dazu zählen sollte und hoffte, dass ihn jemand beschützen würde.

Jonathan traute seinen Ohren nicht, endlich bekam er die gewünschten Informationen. Ob er diese dann wirklich so genau wissen wollte, war er sich nicht mehr sicher und vor allem, wie er es Duncan erklären sollte. Eine Privatparty in den Bergen von Kanada war das Ziel, mit einer Klientel, dass ihm den Magen zusammenschnürte.

Ein Club der extravaganten Art, die ihre Bedürfnisse auf einem hohen Niveau stillte. Allgemein wurden solche Events als Sex-Partys benannt, mit einer leicht masochistischen Veranlagung. Allein die Vorstellung, worauf sich Jerad, wahrscheinlich unwissend, einließ, brachte Jonathan zum Schwanken. Müde rieb er sich über die Augen, seufzte schwer und machte sich auf den Weg zu Duncan. In drei Tagen war es soweit und seine Informanten hatten berichtet, dass Jerad bereits auf dem Weg war.

 

Wütend schlug Duncan gegen die Wand seines Flurs. Es konnte doch nicht sein, dass keine Flüge zu bekommen waren. Erst in zwei Tagen. Mühevoll riss er sich am Telefon zusammen und buchte den Flug, doch die Gedanken in seinem Kopf zeigten ihm Bilder, die er sich nicht ausmalen wollte. Keiner hatte Jerad mehr erreicht, nicht mal er selbst, und alle hofften, dass Duncan noch früh genug ankommen würde.

 

Jerad grinste in sich rein, während sein Äußeres weiter die kalte Fassade aufrechterhielt.

Dieses Erlebnis würde seine Seele heilen, davon war er überzeugt. So lehnte er sich zurück, wurde vom weichen Polster des Hotelbettes empfangen und wartete ab. Drei Tage noch und dann würde er die Geige erklingen lassen. Die kurze Zeit der Planung hatte Jerad erst schwanken lassen, doch es hatte funktioniert. Alles war vorbereitet, sein Begleiter instruiert. Wie schmerzlich war es für ihn, seiner Mutter die Mitreise zu verweigern, aber diese Sache war nicht für ihre Augen bestimmt.

Die eindeutige Aufforderung des Assistenten von Mister Chi hatte Jerad stocken und dennoch eine Chance sehen lassen, endlich sein Gleichgewicht wieder zu bekommen. Wusste er wirklich, auf was er sich da einließ?

 

 

Kapitel 4

 

Am Morgen des Events war es Jerad schlecht. Die ganze Nacht hatten ihn die Gedanken eingeholt, was er vorhatte. Was sollte es ihm nützen? Selbst wenn er die Chance bekam Chi in einem unbeobachteten Moment das Leid zuzufügen, welches er empfand, war die Verwirklichung äußerst gering. Mit Sicherheit würde es ihm danach auch nicht besser gehen. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und zum ersten Mal war Jerad froh, sich nicht im Spiegel sehen zu können. Wenn er nur im Geringsten so aussah, wie er sich fühlte, dann war er ein Fall für einen Maskenbildner.

In wenigen Stunden musste er zu diesem Event, daran führte kein Weg vorbei. Oder gab es eine Chance sich krank zu melden? Selbst mit seinem Begleiter fühlte sich Jerad nicht sicher. Wie denn auch, wo er ihn gerade eine Woche kannte. „Du bist ein Idiot!“, sprach es Jerad aus und sah dabei unbeabsichtigt in den Spiegel. „Nie und nimmer wirst du das durchstehen und woher willst du wissen, dass sie es bei einem Geigenspiel belassen?“, gingen seine Gedanken den Weg durch seinen Mund nach außen. Diese Gedankengänge ausgesprochen, bescherten Jerad eine eisige Gänsehaut.

Erst gestern hatte man ihm mitgeteilt auf was für einem Event er spielte. Eigentlich war das Wort Event dafür zu leger, es war eine Sexparty und irgendwas sagte Jerad, dass diese nicht normal sein würde.

 

 

Als Duncan in der Nacht gelandet war, wollte er direkt zu Jerad, traute sich jedoch nicht. So viele Gedanken stürzten auf ihn ein, Erinnerungen an seine Mutter, das Gespräch mit seinem Vater. Dieser hatte seit Jahren Tränen in den Augen und sprach von Gefühlen, von Liebe und seinen zwei Söhnen, denen er das falsche vermittelt hatte. Erik war fünf Jahre älter als Duncan, hatte sich mit 18 Jahren aus dem Elternhaus verabschiedet, alle als herzlos und gefühlskalt hingestellt. Selbst Duncan, dessen Herz brach, sein einziger Anker und Vertrauter war gegangen und er war selbst schuld gewesen.

Er konnte seinen Bruder nicht zurückhalten, hatte einfach neben seinem Vater gestanden und geschwiegen. Mit jungen dreizehn Jahren hatte er es nicht mehr gewagt zu weinen, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich in eine Welt geflüchtet, wo alles heil war. Seine Mutter mit dem strengen Blick ihn mahnte und mit ihrer Umarmung seinen Gefühlen den Anstoß gab, herauszukommen. Nie hatte Duncan sie belogen, konnte es nicht.

Während sie darauf achtete, dass ihre Söhne sich nach außen hin zu wahren Männern entwickelten, war es zu Hause das Gefühl der Liebe und Geborgenheit, was alle dazu veranlasste, über Probleme und Wünsche zu reden. Stephan hatte diesen feinen Grad nicht hinbekommen, der Schmerz durch den Verlust seiner Frau hatte ihn sich entscheiden lassen; Gefühle waren nicht gut, schmerzten und brachten ihn nicht voran. Duncan sollte davor bewahrt werden.

„Es tut mir leid, hörst du? Du hast so viele Gefühle in dir, versteckst sie, statt sie zu zeigen. Fahr zu Jerad, sag es ihm, spring über deinen Schatten. Liebe kann schmerzen, aber Duncan … Liebe ist das atemberaubendste und schönste Gefühl, was dir je zuteil wird.“ Die Tränen in den Augen seines Vaters hatten auch bei ihm welche hervorgerufen. Gefühle, es war Zeit. Mit pochendem Herzen schritt Duncan durch den Hotelflur und suchte das Zimmer, hinter welchem sein Herz das Glück vermutete.

Gerade um eine Ecke biegend, presste er sich eiligst an eine Wand; die Hände vor seinem Mund, versuchte er jedes Geräusch zu unterbinden. „Wie sieht es aus?“ Schleimig und gierig klang die Stimme und war unverwechselbar. „Er schläft noch, sobald er erwacht, werde ich ihn bringen. Gestern ist ihm die Farbe aus dem Gesicht entwichen, als er hörte, was es für ein Event ist!“, sagte ein großer, breiter Mann in einem schwarzen Anzug grinsend.

Chi lachte leise auf: „Warte ab, bis er seinen Bonus bekommt. Diesen Hintern werde ich mir gestatten. Er vertraut dir?“

„Sofern es nach einer Woche geht, mit Sicherheit.“

„Gut, dann sehen wir uns gegen Mittag. Bist ein guter Mann Phil, auf dich ist Verlass! Dein Bonus ist dir sicher“, hörte man das Grinsen in Chis Stimme.

Grummelnd erwiderte der große Mann: „Meiner sollte aus Scheinen bestehen, verstanden?“

Außer einem Lachen, kam keine Erwiderung von Chi. Man hörte Schritte verhallen und Duncan wartete ab. Auch Phil schien sich auf den Weg zu machen, doch zum Glück nicht in Richtung Jerad.

Eilig und doch leise schlich Duncan zu Jerads Zimmer, klopfte zart. „Ja?“, ertönte es nach ein paar Sekunden. Duncan öffnete die Tür, schlüpfte hinein und verschloss sie sofort wieder.

„Wer ist da?“ Langsam drehte sich Jerad Richtung Tür. Oberkörperfrei, hatte er nur eine Jeans an, die seine Beine und seine Kehrseite zur Geltung brachte.

Duncan schluckte, musste sich zwingen wegzusehen. „Du musst hier weg!“ Seine Stimme war ungewöhnlich hoch und zitterte.

„Bitte?“ Schritt für Schritt näherte sich Jerad dem Eindringling, ganz langsam schlich sich ein Moschusduft in seine Nase. „Duncan?“, stockte er.

„Ja, und bitte, Jerad, du musst hier weg. Chi will dich nicht zum Geige spielen, er will … er will … er will deinen Hintern!“

Pustend lachte Jerad los. „Meinen Hintern? Davon träumt er wohl nachts. Als würde ich je jemanden da dran lassen. Was machst du hier?“

„Ich, ich will, dass du mitkommst. Bitte, Jerad. Dieser Phil soll dich zu Chi bringen, bis zum Mittag. Bitte komm mit.“ Verzweiflung schwang in seiner Stimme, was Jerad nun stocken ließ.

„Phil? Mein Sicherheitsmann? Verdammt … ich wusste es war eine blöde Idee, Mist!“ Jerad fing an im Hotelzimmer herumzulaufen, während Duncan ihn beobachtete.

Der rote Teppich schien jeden Abdruck der Füße wiedergeben zu können, passte sich farblich an das ganze Zimmer an. Es sah verrucht aus, diese roten Töne, mit dunklem Holz gemischt.

„Wieso bist du dann hier?“, traute sich Duncan nach einigen Minuten zu fragen.

„Weil ich diesem Schwein einen Denkzettel verpassen wollte. Er sollte leiden, wie du … und ich.“ Den Blick gesenkt wurde Jerads Stimme immer leiser. Duncans Herz blieb kurz stehen, um dann noch heftiger in seiner Brust zu wüten.

Wie gern hätte er was gesagt, doch alle Worte waren ihm entfallen. Seine Füße machten sich selbstständig, hinterließen nun ebenso Abdrücke auf dem roten Teppich und näherten sich Jerad. Ganz vorsichtig hob Duncan seine Hand, legte seine Finger auf die zarte Haut, die sich über Jerads Wange spannte. Jerad sah auf, seine Augen schienen die seines Gegenübers zu suchen, leicht verschleiert und doch so klar.

Ganz zart und fast unwirklich berührten sich ihre Lippen. „Komm bitte mit. Ich möchte dir alles erklären. Wieso, weshalb und warum … ich solch ein Idiot bin. Bitte, Jerad, gibt mir eine Chance, dir zu beweisen, dass ich dich mehr als nur mag.“

Jerad schnappte mit seinen nach Duncans Lippen. „Mehr als mögen? Das wäre dann?“ Seine Hände wanderten zum Nacken seines Gegenübers.

„Nun ja, eben mehr“, versuchte Duncan sich vor einer Antwort zu drücken.

„Sag es und ich komme mit.“ Wispernd ließ Jerad seine Lippen auf seine treffen. „Duncan, sag es mir!“

„Ich habe mich in dich verliebt!“ Ungewöhnlich klar und fest empfand er seine Stimme, die seine Worte unterstrich.

Jerad lächelte an seinen Lippen, umfasste Duncans Nacken und zog ihn noch dichter an sich heran. „Das ist gut, ich mich auch in dich. Aber damit eins klar ist: Keine Deals mehr!“ Wortlos nickte sein Gegenüber, was er durch seine Hände wahrnehmen konnte, dann versanken sie in einen innigen Kuss.

Langsam ertasteten sie einander, ließen ihre Hände die Haut des anderen erfühlen. Die Sehnsucht nach Verbundenheit wurde entfacht, einfache Berührungen waren nicht das, wonach sie sich sehnten. Ihre Körper pressten sich aneinander, empfanden den Stoff störend, der sich zwischen sie drängte. Bestimmt fuhr Jerad unter Duncans Hemd und zog es so aus der Hose, um sich dann den Knöpfen zu widmen.

Das harte Aufprallen einer Faust am Türblatt ließ beide erschrocken auseinanderfahren. „Jerad, sind Sie wach? Wir müssen bald los!“, erklang Phils Stimme.

Duncan bemerkte die sofortige steife Haltung von Jerad, dessen Adamsapfel sich nur schwer unter dem Schluckreflex bewegte.

„Was jetzt?“, es war ein Hauchen, was Jerads Lippen verließ.

Alles schien von Duncan abgefallen zu sein, jegliche Anspannung, Vorwürfe, Scham. Das Lächeln, das seine Lippen vereinnahmte, war das eines steinharten Geschäftsmannes, der auf Rache sann. Mit einem sanften Kuss löste er sich von Jerad und öffnete die Tür.

 

 

Mister Chi stand umringt von seinen Geschäftspartnern da und sah sich das Angebot an. Über Böcken lagen die heutigen Lustsklaven.

Die Augen verbunden, was auch der einzige Stoff an ihren Leibern war. Nur ein Bock war noch frei und dieser sollte für Jerad sein. Allein der Gedanke an den jungen Geiger, ließ in Mister Chis Hose eine Regung zu. Die Vorstellung sich in den strammen Hintern des musikalischen Genies zu versenken, trieb Schweißperlen auf seine Stirn. Es war eindeutig, wenn er Jerad auskosten wollte, musste er sich vorbereiten. So erregt wie Mister Chi im Moment war, würde er zu schnell zum Abschuss kommen. Mit dem Blick durch den Raum schweifend, suchte er sich sein erstes Opfer.

Trocken versenkte er sich in dem willigen Hintern, der sich vor ihm reckte. Willig war sicherlich nicht gleichzusetzen mit freiwillig, aber dies war Chi egal. Der Mann vor ihm war ein Geschäftsmann aus Australien, der auf seine Unterschrift angewiesen war, damit sein Geschäft keine Insolvenz anmelden musste. Dreimal war der Deal für die Unterschrift, also würde der gebückte Mann noch zwei Männer walten lassen müssen. Das angewiderte Gesicht sah Chi nicht, hätte ihn sicher nur noch fester zustoßen lassen, so war es dem Geschäftspartner nur recht.

Auch die anderen Freunde Chis begaben sich an die ersten Ausflüge ihrer sexuellen Fantasien, während durch den Hintereingang Jerad trat.

 

Der Geruch von Jasmin schwängerte die Luft, was seinen Magen in Aufruhr brachte. Neben ihm Phil, der grinsend seinen Weg ging und eine Hand fest um den Arm seines „Schützlings“ gelegt hatte. Jerads Beine drohten nachzugeben, während sein Verstand ihm den Weg zur Schlachtbank zeigte. So musste sich ein Tier fühlen.

Fest in der linken Hand hielt er den Geigenkoffer, versuchte sich an diesem festzuhalten wie ein Ertrinkender an einer Boje. Phil führte ihn unsanft auf die Bühne und forderte ihn auf zu spielen. Die Finger von Jerad hörten schlagartig mit Zittern auf, als er sein geliebtes Instrument in den Händen hielt. Sicherheit überschwemmte seinen Körper, es war sein Element, in dem ihm keiner gefährlich werden konnte. Zarte Klänge erfüllten den Raum, ließen die Leute innehalten. Umschmeichelnd, ins Innere gehend, verfolgten sie ihren Weg.

Berauschend, betörend, wie zarte Finger, die einen in einen Strudel der Leidenschaft zogen. Verführt, der Erregung in die Hände spielend, schien allein der Klang einen Orgasmus bescheren zu können. Der Schauer, der sich durch die Körper der Anwesenden bahnte, veranlasste diese, sich wieder ihren Sexualpartnern zuzuwenden. Unweigerlich drangen die Geräusche der Lust zu Jerad. Doch erkannte dieser auch die Stimmen der Gequälten, was in ihm ein Feuer entfachte. Es war an der Zeit, dessen war er sich bewusst.

Das Spiel der Geige wurde härter, kam Schlägen gleich, die einige Anwesende zusammenzucken ließ. Hart und unnachgiebig teilten die Klänge den Raum. Phil stand bei seinen Kollegen, alles Sicherheitsmänner, die ihm zuhörten und tief seufzten. Eine Entscheidung musste her, die ihnen nicht leichtfiel, bis der Erste unmerklich nickte und damit den Anstoß gab. Es war beschlossen und dieser Entschluss kam genau richtig. Gerade als Chi auf Phil zukam, wandte dieser sich ab und verschwand zum Hinterausgang.

Mister Chi war irritiert, wies einen der anderen Sicherheitsmänner an, ihm Jerad auf den Bock zu binden. Ein Nicken kam von seinem Gegenüber, der sich sofort auf den Weg machte. Jerad erzitterte, als man ihn aufforderte mitzukommen. Angst erfasste seinen Körper, die Kehle schien zugeschnürt und seine Beine weigerten sich weiterzugehen. Doch der Mann, dessen Hand um seinen Arm lag, war unnachgiebig und zog ihn weiter. Jerads Knie stießen gegen etwas Hartes und sein Oberkörper wurde nach vorne gedrückt, während sich jemand an seiner Hose zu schaffen machte.

Eiskalt fuhr es seinen Rücken hinunter, er war geliefert, sein vor Schreck gelähmter Körper glich einem willigen Stück Fleisch oder gar einer musikalischen Hure, die jeder spielen durfte. Gerade als die Hose über seine Hüfte gezogen wurde, entfernte sich die Person von ihm. Ein Schrei ertönte und Jerad wusste gleich, von wem dieser stammte.

 

Phil grinste Duncan an, der vor der Hintertür gewartet hatte. „Der Preis stimmt, die anderen machen mit, aber wollen Vergeltung. Jeder von uns musste schon herhalten.“

„Das soll euch überlassen sein; ihr wisst, was ich will.“ Mit diesen Worten ging Duncan hinter Phil her. Zwei Handzeichen später war Chi in der Gewalt seiner ehemaligen Sicherheitsmänner.

Aufregung ging um, eilig zogen sich die Kumpane des Chinesen an und verschwanden aus dem Haus. Einige Sicherheitsmänner befreiten die Lustsklaven aus ihrer Position, während Phil es sich nicht nehmen ließ, Chi auf einen der Böcke zu befestigen.

Kompromittierende Bilder entstanden, die Chi in einem lustvollen Akt mit einem Mann zeigte. Gestellte Fotos sicherlich und doch so echt, dass selbst das gequälte Gesicht von Chi ebenso ein erregtes sein konnte.

Duncan trat zu Jerad, der sich gerade seine Hose schloss. „Das war knapp!“, sprach dieser und sah ihn an. Es war immer wieder verwundernd, wie zielsicher Jerad die Augen seines Gegenübers fand, auch wenn Duncan inzwischen erkannte, dass es eher dem Zufall gleichkam, so zuckten die Augen des Geigers teilweise unsicher.

„Knapp, mag sein, aber es ist nichts passiert!“

„Hat dich ja auch einiges gekostet. Machen sie gerade die Bilder?“

Das Grinsen hörte man in Duncans Stimme. „Ja, und die werden ihm das Genick brechen.“

Ein Lächeln zierte jedermanns Gesicht, auch wenn die Scham gerade den Geschäftsmännern ins Gesicht stand.

„Wie wäre es mit einem netten Abendessen?“ Sanft streichelte Duncans Hand die von Jerad.

„Gerne!“, lächelte dieser und ließ sich hinausführen. Weg von dem Ort, von dem Mann, der bald alles zerstört hätte. So viel Leid und Kummer, alles sollte vergessen sein.

Der Plan von Duncan war aufgegangen, die kompromittierenden Bilder hatten genau das erreicht, was er sich vorgestellt hatte. So offen wie die Welt auch war, sexuelle Praktiken eines Geschäftsmannes mit seinem Geschlecht waren nicht gerne gesehen. Das geschäftliche Genick war gebrochen, Mister Chis Einfluss dahin.

 

Kapitel 5

 

Erschöpft kamen sie im Hotel an und Duncan fehlten die Worte. Er wollte Jerad nicht mehr allein lassen, wollte ihn bei sich wissen, doch wollte dieser das auch?

Schweigend traten sie in den Fahrstuhl, wo sich der Geiger an den Geschäftsmann lehnte: „Kommst du mit zu mir?“ Die Frage war derart leise ausgesprochen, dass Duncan an seinem Gehör zweifelte, bis sich die zarten Hände seines Gegenübers um sein Gesicht legten. Jerad schnappte nach seinen Lippen, hielt sie gefangen und sah mit offenen Augen in die von Duncan.

Wüsste er es nicht besser, hätte er geschworen, dass Jerad ihn direkt ansah, was dieser sicherlich tat, doch auf seine unvergleichliche Weise. „Gerne!“, rang Duncan sich nun eine Antwort ab, erwiderte die Liebkosung und schlang die Arme um seinen Geiger.

Ein wohliges Prickeln breitete sich in ihm aus, sein Herz voller Liebe und Sehnsucht. Sein Magen gefüllt mit Kampffliegern, die einander auswichen. Heiß fuhr sein Blut durch die Bahnen seiner Glieder, ließ Körper und Geist in Flammen aufgehen.

Diese Nacht war es soweit, sie würden sich verbinden und nie wieder trennen, da war sich Duncan mehr als sicher.

 

Jerad übernahm die Kontrolle, zog den Mann seiner Träume ins Zimmer und fing ohne Umschweife an, diesen zu entkleiden. Sicherlich wäre ein Strip ansehnlich gewesen, den er auch nachher gerne für Duncan hinlegen wollte, doch er selbst liebte es, den Körper des anderen auf seine Art zu sehen.

Knopf um Knopf öffnete sich das Hemd des Geschäftsmannes und Jerad konnte die weiche Haut erkunden. Eine leicht behaarte Brust, definierte Bauchmuskeln, stramme Arme und seidige Haut.

Langsam glitten seine Hände hinab, bis zum Gürtel, der die Hose an Ort und Stelle hielt. Kundig machten sich seine Finger daran, diesen zu öffnen, ebenso den Knopf, als sich auch schon das Beinkleid nach unten verabschiedete. Bedächtig kniete er sich hin, vernahm das schwere Atmen Duncans und ertastete, was er soeben freigelegt hatte. Durchtrainierte Oberschenkel, stramme Waden und die feinen Haare, die nun noch die Haut bedeckten. Sein Mund wurde trocken und wässrig zugleich, wollte teilhaben an dem Spiel der Sinne. Bereitwillig löste Duncan seine Füße vom Boden und ließ sich Schuhe, Socken und Hose komplett ausziehen.

Lasziv leckte sich Jerad über die Lippen, näherte sich der Mitte seines Gegenübers und verfing sich mit den Zähnen in den seidenen Shorts, die er erfühlte. Es wurde Zeit, das pochende Glied zu befreien, den Duft wahrzunehmen, zu fühlen, was Jerad angeboten wurde und sich ihm entgegenstreckte.

 

Duncan sah hinab, kämpfte um jeden Atemzug und gegen den Drang sich fallen zu lassen. Unausweichlich glänzten die Vorboten seiner Erregung auf der Eichel, während sein Glied geradewegs auf den Mann wies, der sein Herz erobert hatte. Finger glitten in seine Leiste, durchfuhren seine gestutzte Schambehaarung, umfassten seine erhitzte Mitte. Tief sog Jerad seinen Duft ein, leckte sich abermals über die Lippen und dann die Vorboten der Lust weg.

Schwer schnappte Duncan nach Luft und glaubte, ersticken zu müssen. Sein ganzer Körper stand unter Spannung, schrie nach Erlösung und doch konnte er sich nicht das nehmen, was er wollte. Jerad hatte ihn gefangen, von der ersten Minute an. Erst das verzaubernde Geigenspiel, welches unter die Haut ging, dann der Mann, der es schaffte, eine eigene Welt zu kreieren, um diese jedem zu zeigen, ohne selbst etwas zu sehen.

 

Langsam arbeitete sich Jerad wieder hinauf, stahl sich einen sinnlichen, nicht enden wollenden Kuss, wobei er Duncan zum Bett dirigierte. Dieser fiel unvorbereitet und doch spürte Jerad weiter dessen Blick auf ihn.

Die Augen geschlossen, zu den Klängen seiner Geige im Kopf fing er an, sich zu entkleiden. Langsam legte er Stück für Stück seiner Haut frei, die sich nach Berührung sehnte.

 

Duncan war gebannt, gebannt von der Schönheit seines Geigers, von der Vorstellung, die dieser ihm bot. Steil stand auch dessen Glied und wies auf das Bett, zeigte deutlich, wie erregt sein Besitzer war.  Gerade wollte er ihn anfassen, wollte sich das nehmen, wonach er sich schon so lange sehnte, als ihn Jerad, nach ihm tastend, in die Matratze presste.

Zwei erhitzte, willige Körper trafen aufeinander, ohne störenden Stoff zwischen ihnen. „Ich werde dich nehmen, dich verwöhnen und dir meine Welt der Lust zeigen!“, raunte Jerad in Duncans Ohr, dass diesem ein erregter Schauer über den Körper lief.

Welch ein Versprechen, das sich bewahrheiten sollte.

 

Fest fuhr Jerads Zunge den Körper unter sich nach, jede Kontur, jeden Muskel. Schmeckte die Erregung und die Gier nach mehr. Spürte das Zittern, das von Duncan ausging, der nach Aufmerksamkeit lechzte und sich ihm hingebungsvoll entgegenstreckte. Williges Fleisch, dass sich ihm anbot und er nicht ablehnen konnte.

Wie sehr hatte ihn dieser Mann schon in seinen Träumen heimgesucht? War der Grund für nächtliche Ausflüge ins Bad, unter die Dusche. Nun gehörte er ihm und die Inbesitznahme stand bevor. Nichts anderes war es, was Jerad tun wollte. Sein Herz gewinnen, seinen Körper vereinnahmen und der Liebe die Hand reichen.

Zarte Küsse unterhalb des Bauchnabels ließen Duncan immer wieder erzittern, was Jerad lächelnd zur Kenntnis nahm. Seine Zähne kratzten über das zarte, willige Fleisch, während seine Hände sich um die Knöchel Duncans legten und diese auseinanderschoben.

 

Bereitwillig öffnete sich Duncan, winkelte seine Beine an und hoffte sehnlichst auf Erlösung. Sein Innerstes brannte, sein Körper gehorchte ihm kaum noch. Wollte in einen anderen Kosmos gelangen, den aufgebauten Druck loswerden und sich dem Mann hingeben, der sein Herz für sich gewonnen hatte.

Ein Ruck ging durch seinen Körper, sein Muskelring zog sich zusammen und weitete sich, als Jerad mit der Zunge in ihn eindrang. Ergeben sank Duncan in die Matratze, glaubte im Himmel zu sein und hoffte, nicht in der Hölle zu landen.

Bald wurde die Zunge durch die filigranen Finger des Geigenspielers ersetzt, die zielstrebig den Punkt im Inneren fanden, damit sich sein Körper aufbäumte.

So sehr Duncan flehen wollte, blieb sein Mund geschlossen, kein Ton verließ seine Lippen, zu sehr darauf bedacht, nicht seiner Lust zu erliegen und frühzeitig abzuheben. Er wollte mehr, so viel mehr, dass sich seine Beine weiter öffneten. Das leise Klacken einer Tube und Aufreißen einer Verpackung nahm er fast nicht wahr, jedoch sein Körper, der sich vor freudiger Erwartung erhitzte.

Langsam glitt Jerad wieder aus ihm heraus, leckte die kleinen feinen Perlen von Schweiß auf seiner Haut auf und schien es zu genießen, wie einen guten Whisky.

 

Ganz sachte und doch so intensiv glitt Jerads Glied in den vorbereiteten Eingang, der sie beide beglücken sollte. Die Enge hieß ihn willkommen und umschloss ihn heiß.

Duncan stöhnte voller Erregung, gab sich der Ekstase hin und merkte, wie sie zusammen abhoben.

Jerads Welt hieß sie willkommen, umschmeichelte beide und zeigte ihnen die schönsten, jedoch unbeschreiblichsten Dinge. Sanft landeten sie in der Wirklichkeit, tauschten unzählige Küsse und mit ihnen die Sicherheit ihrer Gefühle.

 

 

Kapitel 6

 

Ein halbes Jahr später

 

Zärtlich umfuhr Jerad die Konturen seines Gegenübers, ließ keine Stelle des Körpers unter ihm aus. Wollte fühlen, riechen und schmecken. Lust hatte sich in seinen Lenden verankert und verlangte nach Erfüllung. Die Lippen befeuchtend erkundete er die Haut, inhalierte den Geruch von Moschus und eine leichte Nuance Tabak. Duncan rekelte sich unter den kundigen Fingern seines Lebensgefährten, der es immer wieder fertigbrachte, seinen Körper einem Flächenbrand nahe zu bringen.

Wohlig wand er sich unter dem Geiger, flehte mit bebender Stimme nach Erlösung. Gemächlich leckte sich Jerad nach oben, umrandete das Ohr seines Freundes. „Ich habe gerade erst angefangen!“, flüsterte er, während sich sein Glied an dem des anderen rieb. Das brodelnde Feuer in Duncan wurde zu einem Vulkan, der sofort ausbrechen wollte. Unablässig tasteten sich Jerads Hände ihren Weg, reizten die sensibelsten Stellen seines Geliebten.

Immer fester schlossen sich Jerads Lippen um das steil emporragende Glied, während sich die Finger um die Hoden legten. Kribbelnd, fast schmerzhaft, wurde zugepackt, was Impulse in Duncans Körper freigab, welche das Denken unmöglich machten. Flehendes, williges Fleisch, nichts anderes war er nun. Duncan gab jeden Versuch auf, den Geliebten seinerseits zu verführen.

 

Ergeben, zitternd, um Erlösung flehend - wie sehr Jerad das liebte. Duncan ließ sich fallen, mit Haut, Haar und Verstand. Jerads Erregung stieg rasant, als er die Lusttropfen seines Freundes aufleckte. Reines Aphrodisiakum, was seine Libido steigerte, die sich in Form eines harten, tropfenden Glieds zwischen seinen Beinen bemerkbar machte. Langsam entglitt die stramme Erektion seinem Mund, leckte er ein letztes Mal darüber, um sich dann den Innenseiten der Oberschenkel Duncans zu widmen.

Ein Hauch der Spuren von Jerads Zähnen blieb auf Duncans Haut zurück. Jeder Muskel schien zum Zerreißen gespannt, wollte erbeben und blieb doch ganz still. Zu groß war die Befürchtung, etwas zu verpassen, nicht alles auskosten zu können. Fast nur dem Hauch einer Berührung gleich wurden Duncans Beine aufgefordert, sich anzuwinkeln, was diese direkt und fast hastig taten. Die Gier nach baldiger Erfüllung der Sehnsucht ließ nun doch den Körper unter Jerad erzittern.

Diesem brachte das ein Schmunzeln ein, jedoch nur kurz, denn zu sehr zerrte die Lust an seiner Selbstbeherrschung, wollte frei sein, endlich ausgelebt werden, Erfüllung erfahren. Provokativ richtete sich Jerad auf, führte zwei seiner Finger zwischen die Lippen und umspielte sie lasziv mit der Zunge. Duncan zerging unter dem Anblick, bemerkte nicht einmal, wie sein Freund eine Tube Gel ergriff, diese öffnete und das Gleitmittel auf seinen zuckenden Muskel drückte.

Zu schnell löste der talentierte Geiger die Finger aus dem Mund und führte sie in Duncan ein. Ein Schrei der Erleichterung erfüllte den Raum, gepaart mit der Sehnsucht nach mehr. Die erregte Stimme befeuerte Jerad umso mehr, veranlasste ihn zu einem weiteren, schnellen Wechsel, und dieses Mal drangen keine zwei Finger in Duncan, sondern ein dralles Glied, was seinen Muskel bis zur Schmerzgrenze dehnte.

Was interessierte ihn in diesem Moment der Schmerz, er wollte Erfüllung. „Jerad, schneller!“, forderte er mit bebender Stimme.

 

Schmunzelnd standen sich Freunde und Bekannte von Duncan gegenüber. Sein Vater zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Es scheint eine Verspätung zu geben“, raunte er verlegen.

Linda konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Unsere Jungs werden so schnell nicht kommen, das weißt du doch, Stephan. Lasst uns feiern, irgendwann tauchen sie schon auf!“ 

So wurde ohne das Geburtstagskind angestoßen, welches sich ergeben in die Arme seines Geigers schmiegte.

 

 

Impressum

Texte: Rigor Mortis
Bildmaterialien: Rigor Mortis
Lektorat: Brigitte Melcher
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Brigitte, weil du einfach einmalig bist

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