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Schneeflocke

Vor Zorn liefen Noah die Tränen über die Wangen. Das Leben schien ihm unfair und brutal, doch nicht so wie es viele Menschen pflegten zu sagen.

Seine Familie hatte sich gegen ihn verschworen und noch nicht einmal Florian hielt mehr zu ihm. Dabei hatten gerade sie beide, immer ein gutes Verhältnis gehabt, vielleicht der Tatsache zuzuschreiben, weil sie nicht miteinander aufwuchsen, zumindest nicht mehr, seit sich ihre Eltern getrennt hatten. Doch nun?
Wieso dachten alle er sei schwul, nur weil er noch keine Freundin hatte. Es gab so viele Männer die eben Zeit brauchten, andere warteten auf die richtige Frau, einzigartig und für ein Leben gedacht.

Bei ihnen akzeptierte man das wenigstens, doch bei ihm? Natürlich nicht, er musste schwul sein, auf Männer stehen. Wenn es nach seinem Vater ginge, würde er wohl jedem Hintern hinterher laufen und bespringen. Sauer trat Noah einen Stein vor sich her und fluchte ungeniert.

Schon am nächsten Tag fing sein Praktikum in der Druckerei Stone an und nun hatte er nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf. Alles lief schief, in seinem sonst so geordneten Leben. Er war der jüngste Sohn in der Kennedy-Familie, hatte das Privileg seine Brüder und seinen Vater beanspruchen zu können und tat das auch immer wieder. Doch nun? Noah wollte auf eigenen Beinen stehen und versank in seinem Leid, zumindest fühlte es sich für ihn so an. „Du bist echt zu dramatisch!“, rügte er sich selbst und fand sich schon bald in einem angrenzenden Park wieder. Seine Flüche prallten gegen die Bäume, die ihr herbstliches Kleid schon lange verloren hatten. Ende November und Noah saß auf der Straße. Der recht kühle Wind ließ ihn erschaudern. Er hatte alles bei Florian gelassen, seine kompletten Klamotten und selbst die Jacke. Ergeben setzte er sich auf eine Parkbank und schloss die Augen, den Kopf in den Nacken gelegt, atmete er tief durch und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

 

Plötzlich landete etwas auf seinem Augenlid, schmolz und verwandelte sich zu einer Träne, die er nicht weinen wollte. Irritiert öffnete Noah die Augen und blickte zum blauen Himmel, von dem kleine kristallisierte Flocken auf ihn nieder fielen. „Was zum Teufel …“

Irritiert erblickte er eine dunkle Gestalt die über ihm erschien, dessen langen schwarze Haare seine Wange streifte und kristallblaue Augen, die in seine sahen. „Der Park ist gesperrt!“, funkelte der Fremde ihn an.

„Hab ich nicht gesehen, entschuldige, aber…“

„Schnee. Kristallisiertes Wasser, falls dir das was sagt und nun verschwinde!“, mit diesen Worten verschwand der Mann und Noah konnte ihm nur sprachlos hinterher sehen. Was war das gewesen und wieso schneite es? Sicherlich die globale Erwärmung vermochte schon einiges zustanden zu bringen, aber Schnee, hier? Das würde Schlagzeilen bringen und … Dann sah er den Unbekannten an einer Maschine stehen, aus der künstlich erzeugte Flocken auf die Erde niederrieselten.

„Das muss mehr werden, so bekomme ich hier keine Winterlandschaft hin! Wo sind die verdammten Models? Wie soll man so seine Arbeit machen?“ Genervt fuhr sich der Mann durch sein schulterblattlanges, schwarzes Haar und band es zu einem Zopf zusammen. Scheinbar hatte dieser Noah immer noch im Blick, denn er drehte sich abrupt um. „Habe ich mich eben missverständlich ausgedrückt? Du hast hier zu verschwinden! Der Park ist gesperrt, also verpiss dich!“

 

Schluckend stand Noah auf und wagte sich nicht einen Ton zu sagen, als hinter dem Fremden zwei Männer auftauchten. „Hey Gabriel, alles in Ordnung?“

„Nein Christian! Kein Mensch kann mehr Schilder lesen, die Welt verdummt!“

Stirnrunzelnd wurde Noah von einem Mann gemustert, der ein kleines Kind auf dem Arm trug. „Noah Kennedy?“

„Ähm … woher kennen Sie meinen Namen?“

„Du siehst Flo wirklich verflixt ähnlich. John hat nicht übertrieben. Hallo ich bin Stephan Black Mitbegründer der Werbeagentur Black & White und das ist Christian White mein Partner, wir sind Freunde von John und Luc Stone und …“

„Die Chefs meines Bruders. Guten Tag, es ist mir eine Freude!“

„Das will ich hoffen, denn ab morgen wirst du wohl mit uns zusammenarbeiten, damit unsere Farbvorstellungen umsetzbar sind. Luc sprach von einem virtuellen Auge; was haben wir darunter zu verstehen?“

War Noah gerade noch verschreckt, fühlte er sich jetzt wohl. Das Thema brachte ihm Selbstsicherheit und einen klaren Verstand. „Eigentlich ist es ein Defekt, wie es Ärzte nennen. Ich sehe Pixel und somit die kleinsten Farbfehler, ohne ein fotografiertes, digitalisiertes Bild. Wenn ich euch ansehe, sehe ich Pixel, kein klares Bild. Für mich ist das normal, für die Wissenschaft nicht.“

Gabriel runzelte die Stirn, ging einige Schritte auf Noah zu, der damit zu kämpfen hatte, stehen zu bleiben. Der Mann mit den langen, schwarzen Haaren und extrem blauen Augen, ließ in seinem Körper einen uralten Fluchtinstinkt erwachen. „Du hast also den perfekten Blick?“

„Es ist alles andere als perfekt aber ich kann Farbunterschiede wahrnehmen. Wenn Sie ihre Tagescreme mit einer Spur Make-up besser verteilt hättest, wären auf ihrem Gesicht, zum Beispiel, keine Flecken zu erkennen.“ Innerlich duckte sich Noah schon, denn er erwartete nichts anderes als einen verbalen Schlag wenn nicht sogar einen nonverbalen. Schon zu oft hatte ihn sein großes Mundwerk blaue Flecke beschert.

„Das ist eine haltlose Unterstellung, ich benutze sicher kein Make-up“, erboste sich Gabriel, doch wurde durch ein Lachen unterbrochen.

Stephan schlug dem Fotografen auf die Schulter. „Der Kleine hat recht. Also ist es wahr was Luc sagt, du könntest ein Glücksgriff für sie und uns sein.“

„Meinen Sie das ernst? Bisher war es eher umgekehrt. Meine Noten sind nicht sonderlich, bis zur letzten Klasse, weil ich die Ankreuzfragen nie wirklich beantworten konnte. Mir verschwimmt bei solchen Dingen gerne das Bild.“

„Dafür kannst du allerdings genau das sehen, was in unserer Branche wichtig ist. Ja ich denke, du bist ein Glücksgriff. Bist du verplant, oder könnten wir deine Fähigkeiten schon beanspruchen?“

Noah rieb sich über seine immer kälter werdenden Arme und sah unsicher zu den Männern. Eigentlich stand ihm nach allem den Sinn, nur nicht in diesem kalten Park zu bleiben, ohne Jacke, oder etwas dergleichen Wärmendes. Das blieb wohl Stephan nicht verborgen, der sich abwandte und kurze Zeit später mit einer Fleece Weste wieder kam. „Ich hoffe das wärmt ein wenig. Ist etwas kalt um ohne Jacke rumzulaufen.“ Interessiert erhob Noahs Gegenüber seine Augenbrauen.

„Ich weiß, meine Sachen liegen bei Florian, wir haben gestritten.“

„Man kann mit Florian streiten? Wie das?“, interessierte sich Christian und sie folgten nebeneinander herlaufend Gabriel, dessen verzogene Miene nicht gerade von Begeisterung zeugte.

Noah grinste das kleine Mädchen an, welches fasziniert zum Himmel sah wo immer noch kristallisierte Flocken hinabfielen. „Das geht schnell, wenn man der kleine Bruder ist und nicht ganz versteht, wieso Männer als Paar zusammenleben müssen.“

Die Gesichter der zwei Männer neben ihm versteinerten, wechselten einen kurzen Blick bevor Christian tief durchatmete. „Du hast was gegen gleichgeschlechtliche Paare?“

„Es geht mich nichts an, was wer in seinem Bett treibt, jedoch wünsche ich mir davon verschont zu bleiben. Es betrifft mich nicht!“

„Dir ist bewusst, dass du gerade mit zwei dieser Männer sprichst und auch deine zukünftigen Chefs alles andere als Brüder sind? Ich denke wir verzichten heute auf eine Zusammenarbeit!“

„So war das doch nicht …“, Noahs Worte wurden nicht weiter beachtet, stattdessen verabschiedet man ihn mit einem abwertenden Blick. Seufzend wandte er sich ab, fand sich schon bald vor der Haustür seines Bruders wieder. Doch statt zu klingeln, blieb er davor sitzen, zog die Fleece-Jacke fester um seinen Körper und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Mit dem Kopf an der kalten Mauer sah er zum Himmel, der sich langsam zuzog und Regen ankündigte. Damit hatte sich das Shooting wahrscheinlich erledigt und es war nicht mal so tragisch, dass er … „Schönrederei!“, fluchte er leise. „Ich bin so ein Idiot! Ein homophober Idiot!“ Krampfhaft verdrängte er ein weiteres Mal die Tränen. Wie konnte er sich nur so vergessen und wieso hatte er nicht einfach seinen Mund gehalten? Schwer seufzend schloss Noah die Augen und rutschte näher an die Haustüre, denn der eben erahnte Regen, kam auf der Erde an.

Die Augen geschlossen, spürte er das Wasser welches sich in seine Schuhe schlich, die Kälte die sich durch die Jacke drängte und die Müdigkeit, welche seine Gedanken zum Erlahmen brachte. Eindeutig, dieser Tag war dazu gedacht, vergessen zu werden. Nicht existent zu sein, vor allem weil Noah nicht wusste, wo er hin sollte. Natürlich war ihm bewusst, das Florian ihn niemals vor der Tür stehen lassen würde und doch, schämte er sich abgrundtief vor seinem Bruder. Eine Entschuldigung war fällig, jedoch im Augenblick undenkbar. In  Noahs Innerem sträubte sich alles dagegen, beharrte auf sein Recht.

Immer gleichmäßiger wurden die Atemzüge, immer schwerer die schon geschlossenen Lider.

 

Das Rütteln an seiner Schulter, ließ Noah erschrocken nach Luft schnappen, was ein brennendes Gefühl in seinen Lungen auslöste. Mit einem schmerzverzerrten Gesicht öffnete er die Augen und sah in die von Seth.

„Verdammt, wie lange sitzt du schon hier?“

Mühsam versuchte Noah auf die Beine zu kommen, was jedoch misslang. Das Krächzen was aus seinem Mund drang, hörte sich fremd an und war selbst für seine Ohren nicht zu verstehen.

Eindeutig hatte er zu lange draußen gesessen. Sein Körper war steif vor Kälte und diese war bis in jedes Organ vorgedrungen, wie es sich für Noah anfühlte. Nur mit Hilfe von Seth, schaffte er den Weg bis zu Florians Wohnung.

Sein Bruder ließ eine Schimpftirade los und verfrachtete ihn erst einmal mit Wärmflasche und heißem Tee ins Bett.

Es war Noah egal, alles schien ihm plötzlich gleichgültig, war er doch zu keinem Gedanken mehr fähig. Hauptsache er konnte seine Augen schließen. Davon brachte ihn nicht mal, die Schmerzen ab, die sich durch die Wärme in seinem Körper ausbreiteten.

 

„Homophob ... Der Blick … Bist du sicher, dass ihr Brüder seid?“

Bruchstücke eines lautstarken Gespräches drangen an Noahs Ohr. Er konnte die Stimmen nicht zuordnen, aber eine, so tippt er, war von seinem Bruder und zwar diese, die ihn vehement verteidigte.

„Ich bitte euch, so ist er wirklich nicht. Mag sein, dass er ein paar Probleme damit hat, aber sicher nicht weil er homophob ist!“

„Ach nein? Sein Blick sagte alles. John und Luc werden nicht begeistert sein und wir sind es auch nicht. Ich soll eng mit ihm zusammenarbeiten und dann jedes Mal sein Abneigung spüren?“

„Stephan du bist Geschäftsmann, ist doch nicht das erste Mal, dass jemand was gegen deine sexuelle Orientierung hat. Auch Luc und John werden damit klar kommen müssen, sie haben einen mündlichen Vertrag mit Noah. Und er … dich kenn ich nicht, aber erzähl du mir nicht, du wirst überall kommentar- und blicklos angenommen.“ Florian war hörbar in Rage. So kannte ihn Noah, das war sein großer Bruder, der alles für ihn tat und ihn verteidigte wo es nur ging.

Die folgende Stimme ließ ihn aufschrecken, denn er kannte sie bereits.

„Ich bin Gabriel und ja du hast recht, jedoch hat noch keiner derart vor mir solche Worte gewählt.“

„Ihr macht geradeso als hätte er euch beschimpft. Gott jeder von uns kennt Worte wie Schwuchtel, oder gar noch unterirdischere, also stellt euch jetzt mal nicht an wie die sprichwörtliche Jungfrau.“

Noah konnte sich vorstellen, wie sein Bruder sich durch die Haare fuhr, nachdem er eine theatralische Geste mit seinen Händen getätigt hatte. Doch das Lachen, welches seinen Mund verlassen wollte, blieb darin stecken stattdessen hustet er los. Ehe einer im Schlafzimmer auftauchen konnte, wankte er umhüllt mit der Decke hinaus und verschwand direkt ins Bad. Nachdem er dort seinen Hustenanfall hinter sich gebracht hatte, fühlte er sich wieder kraftlos und müde.

Taumelnd trat er ins Wohnzimmer und nahm auf dem großen Sofa platz. Neben wen er sich da gerade gesetzt hatte, bemerkte er nicht einmal. Stattdessen war Noah froh etwas im Rücken zur Verfügung zu haben, gegen das er sich lehnen konnte und irgendwoher kam sogar eine Kopfstütze. Seine leicht schräge Sitzhaltung ermöglichte es ihm, seinen Bruder und Christian mit Stephan durch seine verschwommenen Augen zu sehen. „Es tut mir leid!“, brachte Noah mit krächzender Stimme heraus. Den Blicken die ihn trafen, konnte und wollte er nicht standhalten, zu sehr trieb ihn das schlechte Gewissen gegenüber seinem Bruder. Sein von Erkältung geschwächter Wille, ließ dieses unwohle Gefühl in seinem Inneren sich ausbreiten, ohne dass er sich wehren konnte. Florian hatte so einen Bruder wie ihn nicht verdient. Wie gerne hätte Noah die aufkommenden Tränen einfach hinabschluckt, doch ein Hustenanfall hindert ihn daran. Wie ein nicht enden wollender Fluss bahnte sich die salzige Flüssigkeit seinen Weg. Er wusste sich nicht anders zu helfen und versteckte sein Gesicht im Stoff der Rückenlehne.

Das diese jedoch kein weiches Polster hatte, nach Aftershave roch und sich auch noch gleichmäßig bewegte, kam selbst in Noahs vernebelten Gehirn an. Stirnrunzelnd, versuchte er seinen Kopf anzuheben und sah hinter sich. Mit hochgezogenen Augenbrauen, blickten ihn kristallblaue Iriden an.

Scheiß drauf! , dachte Noah, lehnte sich wieder zurück und versuchte zu verdrängen, dass er gerade irgendwen als Lehne missbrauchte. „Eben waren Typen wie ich dir noch zu wider und nun meinst du, ich stütze dich?“

Die Stimme ging Noah durch Mark und Bein, sammelte ich im Bauch und ließ seinen Magen rebellieren. Er wollte sich aufrichten, versuchte es mit aller Gewalt, doch seine Glieder waren zu schwach. Statt sich aufzurichten, rutschte er an Gabriel hinab und landete mit dem Kopf auf dessen Schoß.

„Er glüht!“, riss dieser die Augen auf, als er Noahs Gesicht in seine Hände nahm. Sicherlich hatte er nicht vorgehabt, dessen Temperatur zu fühlen, doch jetzt schien echte Besorgnis in der Stimme mitzuschwingen.

Noah grinste, oder versuchte etwas dergleichen zu sage, wie:. „Mich derart verachten und sich dann Sorgen machen?“ Er wusste nicht wem die Stimme gehörte, die die Worte ausgesprochen hatte, doch seine war es mit Sicherheit nicht. Krächzend, kaum zu verstehen und vor allem rau wie Reibeisen. Der nächste Hustenwall ließ seine Lungen brennen.

Ehe er sich versah, spürte er Arme die sich unter ihn schoben und wie man ihn anhob. Gabriel trug ihn zurück ins Schlafzimmer.

Noah hätte gerne reagiert, auch wenn er nicht wusste wie … Gabriel schlagen, oder die Nähe genießen? Körperliche Nähe zu einem Fremden war für ihn nicht normal. Vor allem nicht bei einem Mann.

Wie viele Frauen er schon im Arm gehalten hatte, konnte er bei leibe nicht zählen, dagegen schon wie oft er geküsst wurde.

Nicht ein einziges Mal. Niemals waren seine Lippen von einem nicht verwandten berührt wurden, noch hatten sie sich dazu berufen gefühlt. Somit konnte man zu Recht behaupten, dass er mit seinen 21 Jahren ungeküsst war, eine Jungfrau … wenn man ihn selbst nicht mitzählte. Doch diesen Gedanken verdrängte er lieber.

Somit konnte er die Theorie seines ältesten Bruders Tom getrost beiseiteschieben, dass er A-Sexuell war. Denn Noahs Interesse an körperlicher Nähe war genau so ausgeprägt wie das von anderen. Jedoch hatte er sich nie getraut, das offen zu zeigen, oder auszusprechen. Es gab niemanden, der bei ihm dieses Verlangen ausgelöste und wie Tom zu sein, der sich mehr als eine Freundin gehalten hatte, oder Florian, der … Noah wollte nicht an einen zweitältesten Bruder denken. Sie teilten sich so viel, beileibe nicht nur das Aussehen, was selbst die gefärbten schwarzen Haare mit einschloss.

Wie ähnlich sich die Brüder waren, erkannte man sicher an diesen, denn sie hatten die gleiche Farbe gewählt, ohne den anderen zu sehen, ohne es zu wissen. Passend zu den braunen Augen, die sie von ihrem Vater vererbt bekommen hatten.

 

Ein Ruck ging durch Noahs Körper, als Gabriel am Bett ankam und dagegen stieß. Automatisch verfingen sich seine Finger in dem Oberteil des Fotografen und wollten nicht loslassen, suchten Halt, insgeheim sogar Nähe. Der unfreundliche, fast rüde Mann vom Park, hatte Eindruck bei Noah hinterlassen, ob dieser nun gut, oder schlecht war, vermochte er nicht zu sagen.

Zumindest ließ der ihn auf dem Bett nieder, doch Noah dachte nicht daran loszulassen, stattdessen hielt er sich noch stärker am Pullover fest.

Sanft berührten Finger die seine und versuchten sie zu lösen. „Glaub mir Kleiner, so nah willst du mir gar nicht sein!“, flüsterte Gabriel rau und viel zu dicht an Noahs Ohr. Dessen Körper erschauderte Langsam öffnete er seine Augen und sah den Mann über ihn, fragend an. „Nun guck nicht so. Du hast kein Interesse an Männern, ich schon und die Nähe die du hier suchst, kostet dich zu viel, als dass du sie halten möchtest.“ Noah öffnete den Mund, um ihn dann wieder zu schließen, was antwortete man auch auf eine solche Äußerung und was würde es kosten? Es schien als hätte Gabriel seine Gedanken gelesen, denn dessen Gesicht näherte sich, der Atem streifte Noahs Lippen. „Du kennst die Antwort, auf deine Frage“, zwinkert zog er sich zurück und löste endgültig die Finger aus seine Pullover.

 

Ergeben schloss Noah abermals die Augen, ließ das Vibrieren in seinem Körper sich ausbreiten und genoss den Geruch von Gabriel in seiner Nase. Das war nicht gut und er wusste genau, dass er dagegen ankämpfen musste, doch schaffte es einfach nicht.

Schwarze lange Haare die durch seine Finger glitten, sanfte Lippen die sich auf seine legten, Hände die seinen Körper erkundeten … Noah schreckte hoch, brach in einen Hustenanfall aus und blickte in das Gesicht eines ihm fremden Mannes. Eindeutig nicht Gabriel und doch steckten dessen Hände unter seinem T-Shirt.

„Mister Kennedy, atmen sie tief ein und aus. Ich bin Phil Herold, der Arzt ihres Bruders.“

Tief durchatmen? Der Mann war lustig, Noah war froh überhaupt Luft in seine Lungen zu bekommen. Trotzdem hörte er auf den Arzt und legte sich zurück. Dieser horchte seine Brust ab, dann den Rücken. „Seit wann hat er diesen Husten?“, sah der Mann hinter sich. Erst da bemerkte Noah seinen Bruder.

„Heute Mittag, er war etwas zu lange in der Kälte!“

Noah kniff die Augen zusammen und verkniff sich zu sagen, dass er seit einer Woche immer wieder Fieberschübe gehabt hatte. Es war nur keine Zeit geblieben um krank zu machen und so hatte er sich dem Widersetzt und weiter gemacht. Das war nun die Rechnung für seine Missachtung dessen, wundervoll. Noah trat sich geistig in den Hintern.

Scheinbar brauchte er sich auch nicht erklären, denn der Arzt sah ihn kritisch an. „Das ist nichts Neues für sie, wie mir scheint, dann werden sie die Prozedur kennen.“ Dabei zog er ein Fläschchen und eine Spritze aus dem Koffer.

Heftig schüttelte Noah den Kopf und versuchte Abstand zwischen sich und den Arzt zu bekommen. „Nein!“, krächzte er verzweifelt. Spritzen waren für Noah die schlimmste Strafe, seit der Kindheit fürchtete er sich davor und selbst seine Familie konnte dem nicht entgegenwirken. Ein Arzt im Krankenhaus, hatte ihn deshalb schon einmal anbinden lassen, was seine Angst nur noch geschürt hatte.

Noah vernahm seinen Bruder, der nach Gabriel und Stephan rief, die ihn kurzdarauf neben das Bett traten. Hecktisch schüttelte Noah mit dem Kopf, suchte einen Weg wegzukommen, doch die Männer versperrten jeglichen. „Bitte nicht!“, ging sein Blick zu Gabriel, der ihn mit versteinerter Miene ansah. Langsam glitt dieser jedoch neben ihn aufs Bett und runzelte die Stirn. „Solche Angst?“ Ein eifriges Nicken war die Antwort. „Wovor?“

„Der Spritze, das tut weh und … ich will das nicht!“, dass Noah überhaupt einen Ton rausbekam, empfand er als ein Wunder, doch noch mehr verwunderte ihn Gabriels Nähe und dessen Blick.

Es war als würde die Zeit einfach aussetzen, vergessen weiter zu laufen, blieb stehen und ließ Noah die Zeit den Mann zu betrachten. Eisblaue Augen, in einem kantigen Gesicht. Schwarze lange Haare, geschickt zu einem Zopf gebunden. Kein Bart, nur einen leichten Schatten.

Plötzlich stach etwas und Noah fuhr herum, blickte in die grinsenden Gesichter seines Bruders und des Arztes, der gerade die Spritze hinaus zog. „Sehen Sie Mister Kennedy, alles halb so schlimm. Jetzt lassen sie sich noch etwas von ihrem Freund trösten und dann schlafen sie richtig aus, ich werde morgen wieder nach ihnen sehen. Alles Weitere kläre ich mit ihrem Bruder!“ Damit entfernte sich der Doktor samt grinsenden Florian und Stephan.

 

Noah sank zurück in sein Kissen und schloss verzweifelt die Augen, das durfte keiner gesehen haben, das war auch nicht wirklich geschehen. Er war im Fieberwarn, eindeutig, nicht anders war das zu erklären. Wie sehr wünschte er sich, dass sich ein Loch auftat, welches ihn verschluckte. Stattdessen strömte weiter Gabriels Duft und Wärme zu ihm.

„Ich dachte du hast was gegen Schwule!“, durchbrach Gabriel nach Kurzem die Stille, erhielt nur ein Kopfschütteln zur Antwort. „So? Kleiner, du solltest dir bewusst werden, was du willst, sonst spielst du mit dem Feuer und glaub mir eins, ohne Verbrennungen kommst du nicht davon!“

„Hab ich irgendwas gesagt?“, wie gerne hätte Noah auch so angriffslustig geklungen wie es sich in seinem Kopf ausmalte, doch stattdessen hörte es sich nach einem Schuldeingeständnis an. Leise, wispernd und mit rot glühenden Wangen.

„Du hast Schonfrist, aber glaub mir, so schnell vergesse ich das hier nicht“, mit den geflüsterten Worten, die Noahs Lippen getroffen hatten, verschwand Gabriel und ließ ihn alleine.

 

Verstört blickte Noah an die Decke und fragte sich ob er das alles nur geträumt hatte. Mittlerweile war es draußen dunkel, die Blase drückte und seine Kehle schien in der Wüste unterwegs gewesen zu sein. Trotzdem bekam er sich nicht aufgerafft, dachte unentwegt an Gabriel und dessen Versprechen. Egal was Noah tat, er bekam den Gedanken nicht aus seinem Kopf, spürte den Atem des anderen auf seinen Lippen. Gabriel hatte sich fast seinen ersten Kuss gestohlen und irgendwas in ihm sagte, dass dieser es auch noch schaffen würde.

„Nein!“, entkam es ihm hustend. Das musste er verhindern, er würde nicht wie Florian werden, das war unmöglich, die Kraft besaß Noah nicht. Er war nicht so stark wie sein zweitältester Bruder.

Auf wackelnden Beinen richtete er sich auf und stützte sich an der Wand ab um ins Bad zu kommen. Jeder Atemzug stach in seine Lungenflügel, dass er dachte sie sich rausreißen zu müssen.

Wortlos stand plötzlich Seth neben ihm und half Noah. Er wartete auf ihn und geleitete den Bruder seines Freundes zurück ins Zimmer, wo bereits eine Tasse mit heißem Tee stand, welche sich Noah aneignete. Er lehnte sich gegen das Rückengestell des Bettes und ließ ich von Seth zudecken, der sich dann neben ihn setzte.

„Wie geht es dir?“ Noah wankte mit dem Kopf, was seinem Gegenüber wohl genug Antwort war. „Wenn man dem Arzt glauben mag, wird es dir schnell besser gehen. Was war das eben mit Gabriel? Stephan und Florian haben sich kaum ein bekommen.“ Noah schloss ergeben die Augen und spürte die Hitze, die sich in seinem Gesicht ausbreitete. „Na was denn nun? Hast du Interesse an Frauen oder Männern?“

„Ich weiß es nicht, aber ganz sicher nicht … es darf kein Mann sein!“

„Es darf nicht und wieso? Noah was hast du für ein Problem damit?“

Er lehnte seinen Kopf zurück und seufzte, wie sollte er es auch erklären. „Nur wegen Flo ist Mum weg, weil er … und davor, es hat alle belastet, ich will keine Belastung sein!“

Seth seufzte und Noah konnte durch einen Spalt seiner Augen ein Lächeln erkennen. „Deine Mum ist nicht wegen Flo weg. Du warst damals noch sehr jung, hast es vielleicht falsch verstanden? Sie hatte sich neu verliebt, in einen Geschäftspartner. Ich weiß noch wie Tom deshalb ausgeflippt ist. Euer Vater dagegen hat gelächelt und seinen Sohn beruhigt. Es stand wohl schon lange klar, dass ihre Ehe zu Ende war.“

„Woher?“ Noahs Hals fühlte sich wie eine offene Wunde an, in der jemand herumkratzte.

„Hey ich bin bei euch ein und ausgegangen. War der beste Freund von Tom, meinst du ehrlich ich hätte das nicht mitbekommen? Wir waren älter, an sich schon erwachsen. Dein Vater hat mit uns ein Bier getrunken und uns erzählt was ist.“

„Aber Flo ist mit Mum!“

„Weil es für mich hier leichter war, ein neues Leben, ein Neuanfang. Ich will nicht bestreiten, dass meine Homosexualität auch für eine Belastung daheim gesorgt hat, aber wenn du dir bei einer Sache sicher sein kannst, dann das, dass unsere Eltern uns lieben wie wir sind. Sie haben mir nie Vorhaltungen gemacht, oder Sprüche gerissen, von wegen Phase … sie sind tolle Eltern.“ Florian nahm neben seinem Bruder Platz und zog ihn an sich. „Mum hatte diesen Mann kennen gelernt, daraus wurde nichts, aber ihre Beziehung zu Dad war dahin. Sie sind Freunde, das weißt du selbst und das ist doch schöner, als wenn sie unglücklich wären.“ Noah nickte ergeben und lehnte sich bei seinem Bruder an. „Du warst damals um einiges jünger und Dad wollte dich damit nicht belasten. Sie sind den Weg gegangen, weil es der beste für sie beide war. Und genau das wollen sie auch für dich!“

„Ich bin nicht schwul!“, seufzte Noah und schloss die Augen.

Florian nahm ihm die Tasse aus der Hand. „Wegen mir, solange du glücklich bist mit dem was du bist, ist alles in Ordnung. Keiner erwartet von dir, dass du dir den nächst besten Kerl, oder die nächste Frau schnappst, nur dass du glücklich bist und so siehst du momentan nicht aus.“

„Bin krank!“

„Das auch, aber vor allem bist du einsam. Noah. Hast du je jemanden geküsst, der nicht zu unserer Familie gehörte?“ Sanft streifte Florians Hand über seine Wange, als Noah den Kopf kaum merklich schüttelte. „Und doch hast du es dir eben gewünscht, bei Gabriel!“

Wie gern hätte Noah sich nun erbost erhoben, seinen Bruder zur Seite gestoßen und widersprochen, doch das konnte er nicht. Sein Körper war zu schwach und Florian hatte recht. „Seine Haare sind faszinierend und die Augen vereinnahmend!“ Ob man ihn verstand oder auch nicht, darüber wollte er sich keine Gedanken machen, zählte stattdessen auf, was ihn an dem Mann mit den schwarzen, langen Haaren so faszinierte, während er in einen ruhigen Schlaf glitt.

 

Eine Woche später stand Noah in der Druckerei Stone und wartete darauf, dass er den Chefs gegenübertreten konnte. Wie er mittlerweile wusste, handelte es sich auch bei diesen um ein homosexuelles Paar, das sogar den Bund der Ehe geschlossen hatte. Ob es in dieser Stadt auch heterosexuelle Menschen gab? Noah war sich da nicht ganz so sicher, wie Seth, der ihn für diese Frage ausgelacht hatte. Dieses Lachen dröhnte noch in seinen Ohren und hinterließ bei ihm ein Kopfschütteln und ein schweres Seufzen. Jeden den er bis dahin kennen gelernt hatte, war nun mal schwul, selbst die eine Frau in der Apotheke hatte kein Geheimnis daraus gemacht, auf die Kundin hinter ihm ein Auge geworfen zu haben. Was war das nur für eine verdrehte Stadt? Vielleicht lag es am Trinkwasser, oder ein Experiment irgendwelcher Wissenschaftler war schief gelaufen und nun war die Luft geschwängert von homosexuellen Stoffen.

Gut vielleicht übertrieb er im Gedanken, das musste er einsehen und doch war es merkwürdig.

Zudem beschäftigte ihn eine Frage, seitdem sein Bruder ihn immer wieder mit Gabriel konfrontiert hatte, ein Glück nur mit Worten. Wer war in einer schwulen Beziehung welcher Part? Bei Seth und Florian war er bis jetzt nicht dahinter gekommen, ebenso wenig bei Christian und Stephan, irgendwie war das bei den Paaren nie eindeutig. Einer musste doch unten liegen, oder etwa nicht? Ob sie abwechselten?

„Guten Tag, Sie müssen Noah Kennedy sein, mein Name ist Luc Stone!“, betrat ein blonder Mann das Büro und reichte ihm die Hand.

„Das ist richtig Mister Stone. Es freut mich Sie kennen zu lernen und ich danke für die Chance hier ein Praktikum machen zu können.“

„Wir freuen uns, dass Sie unser Angebot angenommen haben. Bitte setzen Sie sich, dann werden wir die Formalitäten klären.“

Schnell musste Noah feststellen, dass es kein normaler Praktikumsplatz war, den er angeboten bekam. Der Vertrag belief sich auf ein Jahr, Probezeit sechs Monate und einem Gehalt von dem er nicht zu träumen gewagt hätte. Ein kleiner Absatz ließ sein Herz schneller schlagen, denn dieser besagte, dass es zu einer Übernahme kommen würde, mit Weiterbildungen und schulischen Kursen, wenn beide Seiten mit der Arbeit zufrieden wären. Das war eindeutig mehr als er je erwartet hatte.

„Sind Sie mit den Konditionen zufrieden?“, sah Luc Stone ihn fragend an. Noah konnte nur nicken und unterschrieb den Vertag mit einem Lächeln im Gesicht. „Das freut mich zu hören. Wir halten es intern im Haus gerne beim Du, wäre Ihnen das recht?“

„Klar, gerne!“, ergriff er die Hand. „Noah!“

„Luc! Auf gute Zusammenarbeit. Wo mein Mann bleibt frage ich mich allerdings schon, er wollte dich unbedingt kennenlernen, seitdem er hörte, dass du Florians kleiner Bruder bist.“

„Ihr wisst … was noch?“

„Alles, aber keine Bange, auch wenn sich die anderen darüber erbost haben, sind wir ziemlich offen und lassen jedem sein Leben“, lachte ein Mann, der sich sogleich als John Stone vorstellte. „Herzlich Willkommen ins unserem Unternehmen. Ich hoffe auch du bist so offen, wie wir es sind?“

„Ja, so war das ja auch nicht gemeint, wirklich nicht. Ich hab nur etwas die Nerven verloren und … ich bin nicht homophob!“, gerade kam sich Noah wie ein Kleinkind vor, was von den Eltern gerügt wurde und sich verteidigen musste.

„Das ist natürlich noch besser, es wäre doch sehr hinderlich in unserer Firma. Ich würde sagen, ich bringe dich an deinen Arbeitsplatz.“ Mit einem Wink ging John voran und so hatte Noah auch die Möglichkeit diesen zu begutachten. Ebenso ein Mann wie Luc, breite Schultern, dunkles Haare, einen Bartschatten, der ihn leicht verwegen aussehen ließ. Doch auch Luc stand dem nicht nach, es mussten wenige Zentimeter sein, die das Paar trennte und die blonden Haare, das recht junge Aussehen, bewirkten bei diesem dem Eindruck eines … Sunnyboys. Noah erinnerte sich wage an diesen Ausdruck für die Männer am Strand, welches Frauen gerne nutzten. Auch wenn das Wort einen Jungen betitelte, machte Luc nicht gerade den Eindruck eines solchen. Ob Noah es wagen konnte zu fragen? Eilig verdrängte er diesen Gedanken und konzentrierte sich auf John, der sich zu ihm drehte und erklärte welche Arbeitsschritte in der Druckerei vonstattengingen.

 

Müde, mit brennenden Füßen ließ sich Noah am Abend neben Florian auf die Couch fallen, während Seth in der Küche stand, aus der ein köstlicher Duft die Wohnung einhüllte. „Was kocht er?“

„Ich glaube einen Auflauf. Er hat ein Rezept gefunden, frag mich bitte nicht. Wie war dein erster Tag?“

„Fantastisch, es ist so toll und sie sind angetan von meiner speziellen Sehschwäche.“

Florian grinste schief. „Sehschwäche, ich sagte dir schon immer, es ist eine Gabe, für die sich nur der richtige Job finden musste. Freut mich ehrlich für dich, dass es dir gefällt.“

Noah lehnte sich an seinem Bruder, wie er es als kleiner Junge immer getan hatte, bis Florian fortgegangen war. „Danke!“

„Wofür?“

„Dass ich hier sein darf, dass du für mich ein gutes Wort bei John und Luc eingelegt hast, dass du mein Bruder bist und mich so magst wie ich bin!“

„Werde mir ja nicht rührselig. Ich lieb dich sogar, trotz deiner ignoranten, manchmal recht bescheuerten Art. Das habe ich immer, egal wie weit wir getrennt waren.“ Sanft legte Florian einen Arm um ihn und zog ihn dichter. Noah genoss die Zweisamkeit zu seinem zweitältesten Bruder, die er sich viel zu lange verwehrt hatte. Seit Florian sich outete, verhielt er sich ihm gegenüber anders, das war dem damals elfjährigen bewusst. Wieso konnte und wollte er sich nie eingestehen, denn das hätte bedeutet die Augen zu öffnen und sich selbst zu erkennen. Du wolltest nie werden wie er! schoss es Noah durch den Kopf und sein Körper verspannte sich bei dem Gedanken. Geschockt sprang er auf und entfernte ich von Florian, der ihn entgeistert ansah. „Was ist los?“

Kein Ton verließ seine Lippen, stattdessen drehte er sich um, schlüpfte in die eben abgetretenen Schuhe und schnappte sich seine Jacke und den Schlüssel, als er auch schon aus der Wohnung verschwand.

Raus, weg, fort von seinen Gedanken die seinen Kopf zu fluten versuchten, rannte Noah die Straße hinunter. Leider brachte das nicht den gewünschten Erfolg, denn sein Kopf gab keine Ruhe, wollte gehört werden. Er hatte seinen Gedanken die Möglichkeit gegeben aus den dunklen Ecken zu kriechen und nun waren sie präsenter als je zuvor.

 

Das Nächste was er wahrnahm war der Park, in dem er am Tag seiner Ankunft gelandet war. Diesmal schien kein Shooting stattzufinden, stattdessen fanden sich Spaziergänger in ihm und Hundebesitzer. Noah verlangsamte seinen Gang und atmete tief durch. Es gab keinen Ausweg, er musste sich dem stellen, was er seit der Pubertät verdrängte und nie gewillt war herauszufinden. Lieber galt er als A-sexuell, als sich darüber Gedanken zu machen, ob er eventuell Männer den Vorzug gab. Das alles war eindeutig Gabriels Schuld, der in seine Intimzone eingedrungen war… sagte man das so? Noah war sich nicht sicher, denn eingedrungen war der definitiv nicht in ihn, obwohl die Bilder in seinem Kopf … Eiligst schloss Noah die Augen und versuchte die Szenen, welche eher als Wunsch betitelt werden konnte, zu verdrängen.

Plötzlich riss etwas ihn um und sorgte dafür dass Noah hart auf dem Schotterboden des Parks aufschlug. „Was?“, entkam es ihm schockiert als ein schwarzer Hund in seinem Blickfeld erschien und ihm ungeniert durchs Gesicht leckte.

„Devil aus! Verdammt du kleiner Teufel jetzt hör damit auf!“, ertönte eine Stimme, die Noah in seinen Abwehrversuchen gegenüber dem Hund, Einheit gebot. Schon bald sah er in die eisblauen Augen von Gabriel der in seinem Sichtfeld erschien. Dieser umfasst das Hundegeschirr und befreite Noah von der nassen Zunge.

„Du?“

„Die Welt ist ein Dorf, wie man immer wieder merkt!“, erwiderte Gabriel mit einem Grinsen. „Entschuldige, der Kleine ist noch etwas ungestüm.“

Noahs Blick wechselte von dem mit schwarzen Haaren eingerahmten Gesicht von Gabriel zu dem des Hundes. Ebenso schwarz glänzte dessen Fell des kniehohen Tieres. Klein war der gewiss nicht und wenn Noah dessen Herrchen richtig verstand, war Devil noch jung, somit zeigte sich hier wohl nicht die endgültige Größe. Der Name schien allerdings wie die Faust aufs Auge zu passen. Fluchend rappelte sich Noah auf, wischte sich mit dem Jackenärmel über sein Gesicht. „Irgendwie hab ich mir meinen ersten Kuss anders vorgestellt!“ Das seine Gedanken auch über seine Lippen kam, hatte Noah nicht erwartet, bemerkte es erst, als er Gabriel ansah, der überrascht den Blick erwiderte.

„Dein Bruder hat nicht übertrieben, oder? Du bist echt noch unberührt.“

„Willst du in meiner Gegenwart einen dummen Spruch darüber ablassen, oder soll ich gehen, damit du dich ungeniert amüsieren kannst? Aber keine falschen Hoffnungen, ich kenne jede Reaktion darauf, also wenn ich nicht gelangweilt sein soll, lass dir was einfallen!“, so gelassen seine Stimme klang, umso mehr brannten bereits Tränen in seinen Augen. Er würde Florian erschlagen, dass er ihn verraten hatte, eindeutig eiskalt und gnadenlos.

Gabriels Mundwinkel zuckte zu einem zarten Lächeln, als er sich vorbeugte, seine Lippen sanft auf die von Noah treffen ließ. Geschockt riss dieser die Augen auf. „Was …“ Weiter kam er nicht, da zog Gabriel ihn näher an sich ran und raubte ihm das, was er schon geahnt hatte. Ohne zu fragen, ohne sein Einverständnis, küsste ihn der Mann und stahl sich seinen ersten Kuss. Ein zittern erfasste Noahs Körper, halt suchend, hielt er sich an Gabriels Jacke fest und versuchte den Schauer zu ignorieren, der seinen Körper erfasste. Gabriels Hand an seinem Rücken verteilte eine Hitze in seinem Körper die ihn machtlos zum Seufzen brachte. Das fühlte sich alles viel zu gut an und das durfte es definitiv nicht. In Noah schrillten alle Alarmglocken los, als Gabriel ihn näher zog. Mit aller Kraft stieß er ihn zurück und taumelte rückwärts. Er musste weg, fort von dem Mann, der sein Verstand lahmlegte, wie ein kaputtes Gleis den Zug.

„Noah es tut mir leid, das …“ Gabriel schien selbst irritiert, sah ihn betroffen an, doch er wollte es nicht hören, hob die Hand um sein Gegenüber zum Schweigen zu bringen und drehte sich weg.

 

Weglaufen brachte nichts und doch war es Noahs einzige Möglichkeit nicht dem ins Auge zu sehen, was unweigerlich auf ihn zukam. Die Wahrheit über sich selbst zu akzeptieren war schwer, vor allem wenn man sich solange dagegen gesträubt hatte. Dreimal war er bisher gestürzt, sodass seine Hose zwei Löcher aufwies und sein Körper einige blaue Flecke davon trug, bis er endlich bei Florian in der Wohnung ankam. Ohne ein Wort an seinen sorgenvollaussehenden Bruder, verschwand Noah ins Bad, riss sich die Kleider vom Leib, schnappte sich seine Zahnbürste und trat unter die Dusche. Er musste den Geschmack weg bekommen, die Wärme auf seinem Rücken vertreiben, die sich immer noch anfühlte, als läge Gabriels Hand dort. Doch zuerst den Geschmack, der Verlangen in ihm schürte, Sehnsüchte auslöste, Körper und Geist in Einklang brachte. So berauschend sich das anfühlte, musste der Geschmack verschwinden, denn er war nicht gut, durfte das alles nicht auslösen. Noah wollte normal sein, auch wenn er sich nicht ganz sicher war was das bedeutete. Zumindest war ihm eins bewusst, das hieß nicht, er selbst zu sein.

 

Das kalte Wasser hatte seinen Körper zu einem Eisklotz verwaltet, der sich mit Zittern versuchte wieder zu erwärmen. Seth stand im Flur und sah Noah skeptisch an.

„Was ist passiert?“

„Nichts!“, erwiderte er rau und drückte sich am Freund seines Bruders vorbei.

„Noah, das ist nicht wahr. Hat dir jemand was getan?“

Automatisch zuckte der Angesprochene zusammen, sah man es ihm an? Konnte man sehen, dass er nicht mehr ungeküsst war? Noah fuhr sich nervös durch sein Haar. „Nicht wirklich, es ist nichts was ich besprechen will. Um ehrlich zu sein, möchte ich einfach meine Ruhe.“

„Nono verdrängen nützt nichts, wenn dich was belastet, solltest du darüber reden!“

Seit Jahren hatte Noah den Kosenamen nicht mehr gehört. Einzig Florian benutzte diesen damals und in sehr ernsten Situationen. So war es ihm unmöglich abermals die Flucht zu ergreifen, stattdessen ging er ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa fallen. „Er hat mich einfach geküsst, ohne Vorwarnung, ohne Erlaubnis!“ So leise wie Noah sprach, dachte er schon, keiner hätte ihn verstanden, doch dann sah er die überraschten Blicke.

„Wer hat dich einfach geküsst?“ Seths Stirn wies eine steile Falte auf.

„Gabriel. Das war ein regelrechter, hinterhältiger Überfall. Erst hetzt er mir seinen Hund auf den Leib, der mich umwirft und ableckt und dann kam er und raubt sich meinen ersten Kuss!“ Tränen stiegen ihm in die Augen, doch nicht des verlorenen Kusses wegen, sondern der Erinnerungen an diesen. So sehr er Gabriel verfluchen wollte, sträubte sich alles in seinem Inneren dagegen. Der Kuss war atemberaubend, die Berührungen eindringlich und die Sehnsucht nach einer Wiederholung erdrückend.

Das Klingeln an der Tür ignorierend, zog Florian ihn mit in die Küche und kochte frischen Kakao. „War der Kuss so schlimm, dass du nun so aufgelöst sein musst?“ Noah wagte es nicht zu seinem Bruder zu gucken, zu sehr befürchteter er sich zu verraten. „Nono, guck mich an.“ Florians Hand legte sich unter sein Kinn und drückte es sanft nach oben. „Kann es sein, dass du dir gerade verwehrst es schön zu finden? Dass du es nicht wahrhaben willst?“

„Nein?“, vergebliche Liebesmühe, das hatte Noah schon geahnt, als er den Mund für die Antwort geöffnet hatte. Sein Nein war ein Eingeständnis, das musste er selbst zugeben.

„Nono, mag ja sein, dass es für dich ungewöhnlich ist und wahrscheinlich sogar ungewollt, jedoch kannst du doch nicht im Ernst gegen etwas ankämpfen, was deine Augen derart zum Leuchten bringt.“

„Ich will doch nur normal sein Flo, kannst du das nicht verstehen?“

„Schon und auch wieder nicht. Du machst dich unglücklich damit. Weglaufen nützt dir da auch nichts, irgendwann musst du dich dem stellen!“, dabei tippte Florian auf Noahs Brust, genau auf die Stelle wo das Herz schlug.

 

„Du hast sie doch nicht mehr alle, nach der Sache wagst du dich noch hier aufzutauchen?“

Erschrocken vom Gebrüll, das eindeutig von Seth stammte, eilten Florian und Noah in den Flur. Doch das Einzige was sie sahen war das Türblatt, welches Seth in der Hand hielt und dessen wutverzerrtes Gesicht.

„Mach dass du hier verschwindest, bevor ich mich vergesse!“, brüllte er abermals.

„Spinn nicht rum Seth, lass es mich ihm erklären, das geht dich nichts an“, drang Gabriels Stimme zu Noah, der die Augen aufriss.

„Nichts? Du redest von dem Bruder meines Freundes und nur weil du ab und an was mit Flo unternommen hast, hast du hier keine Sonderkonditionen. Also guck das du Land gewinnst!“

Florian riss sich aus seiner Starre, schnappte sich Seth‘ und seine Schuhe, sowie ihre Jacken und drückte seinen Freund aus der Wohnung. „Geh rein Gabriel, wir werden mal einen kleinen Verdauungsspaziergang machen.“

„Wir haben vor zwei Stunden gegessen!“, raunte Seth wurde jedoch gegen seinen Willen in den Flur des Mehrfamilienhauses gedrängt. „Dann gehst du eben dein heißes Temperament abkühlen, such es dir aus, aber zieh deine Schuhe an und dann raus!“ Florians Blick ließ keine Widerrede zu, als er Gabriel auch schon zuzwinkerte und eine einladende Handbewegung in die Wohnung machte. „Ihr schafft das sicher besser ohne uns.“

 

Noah stand wie versteinert da und wusste nicht so recht, ob er seinen Bruder nun danken, oder doch besser schlagen sollte. Die zufallende Haustür hallte im Flur der noch offenen Wohnung, wo sich nun Gabriel und er gegenüber standen. Immer wieder öffnete Noah seinen Mund, um ihn kurz darauf zu schließen, er wusste einfach nicht was er sagen sollte. „Kakao?“ Innerlich trat er sich in den Hinter. Wer fragte einen erwachsenen Mann ob dieser Kakao wollte? Natürlich er! Spürbar kroch die Hitze in seinen Kopf.

„Danke, aber nein. Noah ich wollte mich entschuldigen. Das im Park war nicht in Ordnung und sicherlich nicht geplant. Ich hoffe du kannst es mir irgendwie verzeihen.“

„Kaffee, Sprudel, Bier, Cola?“ Angesträngt überlegte Noah was sie noch im Haus hatten. Leider keinen Orangensaft, den er so liebte. Wieso eigentlich nicht? Ach ja Florian war dagegen allergisch. Vielleicht sollte er sich doch nach einer eigenen Wohnung umsehen? Jetzt wo er so genau darüber nachdachte, war Seth Wohnung frei, der verbrachte seit einer Woche seine Zeit bei Florian.

„Noah, hörst du mir zu?“ Holte Gabriel ihn aus seinen Gedanken und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Ehrlich gesagt nein, was wolltest du trinken?“ „Ich glaube ich nehme doch einen Kakao.“

Überrascht huschte ein Grinsen über Noahs Lippen und er wandte sich ab Richtung Küche. Gabriel fühlte sich wohl dazu berufen ihm zu folgen und lehnte sich dann auch schon neben dem Herd an die Arbeitsplatte um Noah zu beobachten, der mit zittrigen Fingern das Pulver in den Topf streute.

„Ignorierst du das was ich sage, absichtlich, oder ist es nicht bei dir angekommen?“

Nervös biss sich Noah auf die Lippe und wusste nicht ob er Gabriel antworten sollte, oder doch lieber ignorieren.

„Ich glaube du hast mich sehr wohl verstanden, aber möchtest nicht darüber reden, kann das sein?“ Ein Nicken bekam Gabriel zur Antwort, während Noah den Kakao fertig machte und in zwei Tassen füllte. „Gibt es einen Grund wieso du es lieber totschweigen würdest? Zumindest könntest du meine Entschuldigung annehmen.“

„Klar, schon okay, war ja nichts!“, versuchte es Noah abzutun, doch es funktionierte nicht. Wieder einmal hörte er selbst in seiner Stimme, dass er log. Seufzend landeten die Tassen wieder auf der Arbeitsplatte, er wandte sich zu Gabriel und sah in dessen eisblaue Augen. „Du hast mir meinen ersten Kuss genommen, ohne mich zu fragen. Das war nicht in Ordnung!“ Es mochte kindisch klingen, doch für Noah war es mehr, als nur sein erster Kuss, den viele schon nach wenigen Jahren vergaßen. Wieso es so war, konnte er zwar nicht sagen, doch tief in ihm drin, verborgen unter einer Schicht Ziegelsteinen war der Grund vergraben.

„Es tut mir wirklich leid. Umso mehr wo ich sehe, dass er dir wichtig war“, betreten senkte Gabriel seinen Blick.

„Ich will ihn wieder!“

Ruckartig hob Noahs Gegenüber den Kopf und sah ihn irritiert an. „Wie du willst ihn wieder?“

Mit einem Schritt stand Noah dicht vor Gabriel, stellte sich auf die Zehnspitzen und umfasste dessen Gesicht. „Ich will ihn wieder und zwar jetzt!“, damit legten sich seine Lippen auf die von Gabriel. Sanft, nicht wirklich wissend wie er vorgehen sollte, streifte er sie und wünschte sich, der Geküsste würde ihm helfen. Der befand sich aber scheinbar noch in einer Art Schockstarre und hatte lediglich die Augen weit aufgerissen.

Doch gerade als sich Noah zurückziehen wollte, spürte er Hände die sich um seine Hüfte legten und ihn hielten. Erst da wurde ihm bewusst wie unkontrolliert sein Körper zitterte.

Gabriels Lippen fingen an sich zu bewegen, schnappten nach denen von Noah und forderten ihn zu einem Spiel auf. Neugierig verdrängte alle seine Gedanken und Noah tat das, was sein Instinkt ihm riet, mitmachen! War das Lippenspiel zu Beginn noch recht stürmisch, wechselte es schnell zu einem sanften, innigen Umschmeicheln. Gabriel zog ihn näher an sich ran, das Noah ein Aufkeuchen nicht verhindern konnte. Dieser Kuss war intensiver als der vom Mittag. Die Chance nahm Gabriel wahr und drang in Noahs Mund ein. Erschrocken wollte dieser zurückweichen, doch wurde festgehalten. Vereinnahmte seinen Mund und küsste Noah um den Verstand.

 

Das war mehr als sein Kuss, eindeutig viel mehr als er zurück haben wollte und verlangt hatte. Noah schluckte hart, sah aufs Türblatt hinter dem Gabriel vor einer Minute verschwunden war. Dessen Handy hatte sie aus dem Kuss gerissen, irgendetwas war passiert, was Gabriel dazu veranlasst hatte mit einem bedauernden Blick, einem keuchen Kuss auf Noahs Lippen zu hauchen und sich zu verabschieden.

Noah war sich noch nicht sicher, ob er es bedauern sollte und wäre er nicht vorher schon kalt duschen gewesen, … so zog er sich in sein Zimmer zurück, schmiss sich aufs Bett und unterdrückte den Drang seine Hose von den Beinen zu reißen.

Dieser Kuss war zum Vergessen des ersten gedacht und kam einer Dampfwalze gleich die alles andere unter sich begrub. Niemals hatte sich Noah so gefühlt, mit klopfendem Herzen setzte er sich auf zog die Beine an seinen Körper und schlang seine Arme darum. Mit geschlossene Augen rief er sich den Moment zurück, der so nah in der Vergangenheit lag und doch so weit entfernt schien.

Als die Tür leise geöffnet wurde, Seth und Florian sich hörbar die Schuhe auszogen und die Räume absuchten, sah er keine Bewandtnis sich bemerkbar zu machen. Lieber noch etwas in seinen Träumen schwelgend, die keinen Platz für unangenehme Gedanken gaben.

Leise wurde die Zimmertür geöffnet und schon ertönte ein zischender Laut. „Wenn er ihm was angetan hat, bring ich ihn um!“

„Seth ich bitte dich, bleib ruhig, oder sieht Noah so aus, als ob es ihm schlecht geht?“

Davon wollte Seth sich wohl selbst überzeugen, ging auf ihn zu und hob seinen Kopf an. Noah hatte es versucht mit eisernem Willen und doch stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen, die wundgeküsst pochten.

„Nein er sieht nicht aus, als würde es ihm nicht gut gehen. Na Kleiner, haben wir was verpasst?“

„Kann ich deine Wohnung haben? Du bist doch eh immer hier!“, schoss es aus Noah herraus und er sah Seth fragend an. „Vorausgesetzt ich kann sie mir leisten, selbstverständlich.“

„Bitte, du willst … wieso? Da wohne ich und wir beide in einer Wohngemeinschaft … also …“

„Ich dachte eher du ziehst hier ein und ich übernehme deine Wohnung. So habt ihr zwei Ruhe vor mir und ich meine eigenen vier Wände.“

Überrumpelt sah Seth zu Florian, der sich ein Lachen verkniff und auf seinen Bruder sah. „Wozu brauchst du denn eine eigene Wohnung? Ich dachte du wolltest bei mir wohnen“, schmunzelte er.

„Ähm … also … ich dachte es sei eine ganz gute Idee. Dir hat es von Beginn an nicht gepasst, dass ich hier eingezogen bin und da mein Vertrag auf ein Jahr läuft, ich mehr Geld verdiene, wie erwartet …“

„Dachtest du, um dir die schwere Wohnungssuche hier zu erleichtern, einfach Seth bei mir einzuquartieren und dir seine vier Wände anzueignen?“

„Genau das dachte ich, also?“

 

Unsicherheit machte sich zwischen dem Paar breit. Sie tauschten Blicke, doch schwiegen.

Noah schüttelte lachend mit dem Kopf. „Ihr seid doch eh nicht mehr zu trennen und Seth fährt nur zu sich um neue Wäsche zu holen, die du dann in deinen Schrank räumst, warum seid ihr euch dann jetzt so unsicher?“

Eine Antwort blieben sie ihm an diesem Abend schuldig, jedoch hatte Noah das erreicht was er wollte, sie fragten nicht weiter nach. Wie hätte er ihnen es auch erklären sollen? Noah bemerkte die Unsicherheit, die sich durch seinen Körper schlich, seine Gedanken die ihn

einholten und analysierten was zwischen Gabriel und ihm passiert war. Die Tränen liefen aus seinen Augen, der Schmerz setzte ein, genau wie er es bereits erahnt hatte und war dankbar, dass es niemand mitbekam.

Noah wollte nicht so sein, niemals. Hielt sich von jederart Menschen fern, denn sie verletzten, gaben sich in einem Moment noch das Gefühl alles auf Erden zu sein, doch dann war man nichts mehr wert. Selbst der Dreck unter den Schuhen bekam dann mehr Aufmerksamkeit. Doch innerhalb von einer Woche hatte es Gabriel geschafft, wenn man es korrekt sah, innerhalb von zwei Tagen, eine Mauer einzureißen. Noah hatte so lange gebraucht sie aufzubauen. Als Florian mit ihrer Mutter fort ging, als Tom auszog, als sich ihr Vater neu verliebte. Es hatte Spuren hinterlassen, ohne Abdrücke zu zeigen. Tief in seinem Inneren. Seine Bemühungen diese zu verschütten, sie nie wieder spüren zu müssen, waren vergebens. Sein Herz schrie, sein Verstand sendete Erinnerungen und sein Körper war überfordert. Ließ die Tränen laufen, viel zu langsam um die innerliche Spannung abzubauen, doch zu viel zum Zerreißen. So sehr er nie wieder die Wärme von Gabriel spüren wollte, so sehr sehnte er sich nach ihr. Die Arme die ihn hielten und nicht loslassen wollten. Geborgenheit, eine Schulter zum Anlehnen, genommen zu werden, wie man ist … Es war eine Seltenheit und trotz, dass sein Verstand alles versuchte ihm vom Gegenteil zu überzeugen, ihn zu schützen, musste Noah einsehen, dass er es genossen hatte und vor allem brauchte. Jedoch hoffte er, dass es nicht Gabriel sein musste, vielleicht war er nur der Stein des Anstoßes? Sein Herz setzte aus, schlug dann langsam aber kräftig weiter und ließ es ihn spüren. Diese Gefühle, über das Millionen von Liedern handelten und doch so ungreifbar schienen, dass er es nie verstanden hatte. Nun saß er auf dem Bett, hatte abermals seine Knie umschlossen und sah nur noch eisblaue Augen und schwarzes langes Haar.

 

Überrascht sah sich Noah in die Augen, hatte er erwartet grausam auszusehen, sah ihm nun ein lächelnder Typ entgegen, dessen schwarze Haare perfekt zum Liegen kamen. Manchmal war es schon merkwürdig. Wenn er sich sonst die halbe Nacht um die Ohren schlug, sah er aus wie der wandelnde Tot. Doch heute erinnerte nichts an die schmerzhafte Nacht, mit Eingeständnissen und Verdrängungen.

Seine Entscheidung war gefallen, er würde in der Druckerei sein Praktikumsplatz kündigen und dann zurück zu seinem Vater gehen. Weit fort von der Wahrheit, die er nie wissen wollte. Weg von Gefühlen, die er lieber nie kennen gelernt hätte. Sein Herz ruckte in seiner Brust, protestierte und doch war sein Verstand stärker. Mit gestraften Schultern, packte er seine Sachen aus dem Bad in die Tasche und verstaute diese dann in seinem Koffer.

Lächelnd ging Noah in die Küche, wo Seth und Florian in Ruhe ihren Kaffee genossen und in der Zeitung blätterten. „Guten Morgen!“, entkam ihm gut gelaunt, auch wenn sein Herz immer noch schwer schlug.

„Guten Morgen, du hast ja gute Laune!“, grinste Florian und faltete die Zeitung zusammen.

„Ja … ich muss euch etwas mitteilen!“

Seth atmete hörbar aus. „Wurde ja auch Zeit, dass du es einsiehst!“

„Das dachte ich auch. Ich werde noch heute zu Dad zurückfahren.“

Florian ließ die Tasse in seiner Hand sinken, Seth glitt die Zeitung aus den Fingern. „Nono was redest du da? Du hast gestern erst deinen Vertrag unterschrieben wolltest Seth‘ Wohnung haben.“

„Ich weiß, ich war etwas durch den Wind, doch die Nacht hat mir Klarheit verschafft. Danke für alles ihr zwei und entschuldigt, dass ich euch so viel Unruhe reingebracht habe!“ Mit diesen Worten wandte ich Noah ab und trat in den Flur.

„Du läufst weg! Nono du läufst schon wieder weg. Doch dieses Mal nicht vor Dad, sondern dir selbst, deinen Gefühlen und ich tippe stark, vor Gabriel!“

Noah blieb abrupt stehen, ein Schauer durchfuhr seinen Körper und er spürte regelrecht Augenringe entstehen, wie sich seine Haare in alle Richtungen stellten und seine Schultern nach vorne sackten. Es war lediglich ein Gefühl, denn der Spiegel im Flur zeigte ihn immer noch wie zuvor.

„Ich wusste es. Deine Lippen wurden gestern mehrfach geküsst. Dein Lächeln hat gezeigt wie glücklich du für einen kurzen Augenblick warst. Wenn du nicht so stur wärst, deine Gefühle rauslassen würdest, könntest du es jetzt noch sein. Nono ich bitte dich, das kann du nicht ernst meinen. Du hast einen tollen Job und einen verdammt netten Kerl der an dir interessiert ist, willst du das wirklich zurück lassen?“

„Ich bin nicht wie du, ich kann das nicht.“

„Natürlich bist du nicht wie ich. Du bist Noah, du bist ein eigenständiger Mensch. Was meinst du nicht zu können? Du selbst sein, zu dir zu stehen? Dazu dass du Interesse an Gabriel hast?“

„Er hat mir nur gerade das gegeben was ich brauchte, nicht mehr und nicht weniger. Das hätte jeder sein können!“

Seth und Florian tauschten einen Blick, nickten sich zu und ehe Noah sich versah, war Seth bei ihm, zog ihn nah an sich ran, um seine Arme um ihn zu schließen. Noah wehrte sich, versuchte sich zu lösen. Das wollte er nicht, fühlte sich nicht leicht, noch unbefangen, oder geborgen. Hatte nicht das Bedürfnis zu küssen, er wollte weg, fort von Seth, den er zwar mochte, doch nicht solche Intimitäten teilen wollte. Endlich schaffte er es, Seth von sich zu drücken. „Geht es dir noch gut?“

„Ja und dir? Es kann dich also jeder halten, aber doch willst du nicht jeden. Wir kennen uns schon so lange Noah, ich habe dir mal die Pampas gewechselt und doch darf ich dich nicht mal umarmen. Allerdings ein Mann, den du gerade eine Woche kennst, darf deine Lippen wundküssen? Denk nach was du da eben gesagt hast, dass es hätte jeder sein können, denn das war gelogen!“ Mit diesen Worten zog sich Seth seine Jacke über, schlüpfte in seine Schuhe und verabschiedete sich von Florian.

Irritiert sah Noah ihm nach und dann zu seinem Bruder, denn normal fuhren sie zusammen zu ihrer Arbeitsstelle. „Ich fang erst in einer Stunde an, hab noch einen Termin beim Zahnarzt. Noah, Seth hat recht, du machst ein Fehler wenn du gehst, denn dann tust du das, was du all die Jahre getan hast. Dich in dir selbst zu verstecken, dir nicht zuzuhören. Du betrügst dich damit selbst. Ja es ist nicht leicht in dieser Gesellschaft mit einem Mann an seiner Seite anerkannt zu werden, doch schwerer ist es, sich zu verleugnen, sich anpassen zu wollen, denn dann ist man unglücklich!“ Damit zog sich auch Florian an, steckte seine Brieftasche ein und wandte sich noch einmal an Noah. „Ich hab dich lieb Kleiner, vergess das nie. Du bist nicht so allein wie du denkst.“

 

Noah sah zu seiner Tasche, ließ sie stehen und ging durch die Haustür. Sein Kopf war wie leergefegt, sein Herz tat das, wozu es da war. Das Blut durch seinen Körper pumpen. Kein Anhaltspunkt was er nun tun sollte.

Langsamen Schrittes ging Noah zur Druckerei, hoffte auf ein Zeichen, was der richtige Weg war, ob sein Bruder recht hatte, oder nur das sagte, was sich gehörte, als der Ältere. Fragen über Fragen und doch war sein Kopf so leer wie noch nie in seinem Leben.

Kaum war er ins Gebäude getreten, wurde Noah auch schon von John abgefangen, der ihn eilig mit sich zog. „Wir haben ein Problem, schau dir die Probedrucke an, irgendwas stimmt nicht.“

Aus den nicht gedachten Gedanken gerissen, stolperte Noah ihm hinterher und versuchte nicht hinzufallen, bis sie vor einem hell erleuchteten Tisch hielten. Er musste sich nicht mal wirklich auf das Bild konzentrieren, sah direkt den Fehler und tippte schnaufend mit den Fingern auf eine Stelle, die für jeden anderen wie das rote Kleid an einer schönen Frau aussah. „Zu viel Orange, die anderen Farben verschluckt es, zudem ist immer wieder Pixelweise Weiß drin. Da stimmt was mit dem Drucker nicht!“ Noah streckte sich, hielt sich am Tisch fest, um seine Beine wieder zu ordnen, die ihm das Gefühl gaben, noch an der Tür zu stehen.

„Verdammt. STOPPT DEN DRUCKER!“, schrie John und war verschwunden.

Kopfschüttelnd sah Noah ihm hinterher und ließ dann seinen Blick auf das Bild gleiten. Eine Frau mit blonden Locken, in einem roten Abendkleid, im Park, bei untergehender Sonne. Leider war das Rot zu sehr der Farbe angeglichen, welches der Sonnenuntergang hatte und dadurch verschwammen die Konturen. Aber das Bild hatte etwas, was er nicht in Worte fassen konnte. Mit der Lupe suchte er jeden Zentimeter des Druckes ab, doch fand nicht das, was ihn faszinierte. Dann trat er zurück, betrachtete sich das Gesamtwerk und erkannte es. Schneeflocken fielen vom Himmel, der Park war der, indem er Gabriel getroffen hatte.

„Hey.“

Noah brauchte nicht hinzusehen um die Stimme zu erkennen. „Dein Bild?“

„Ja, allerdings sollte es nicht so aussehen, was ist passiert?“

„Falsche Farbmischung, John ist schon dran. Du hast ein Blick für den Moment.“

„Jeder hat so seine Talente, nicht wahr? Du wegen gestern Abend …“

„Ich muss an die Arbeit!“, unterbrach Noah und wollte sich vom Tisch entfernen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Leicht schwankend, hielt er sich abermals fest, doch nicht am Tisch, wie ihm viel zu spät bewusst wurde. Sein Blick endete in dem von Gabriel, dessen Augen besorgt auf ihm ruhten.

„Welchen Entschluss hast du getroffen?“

„Dass ich heimgehe, ich kann das hier alles nicht und was dich betrifft ...“

„Sag nichts, was du irgendwann bereuen würdest.“ Gabriel wandte sich ab, ließ Noah mit wackligen Beinen allein und ging.

 

Das Leben war ungerecht und vor allem ein hinterhältiges Miststück! Noah fluchte mit Tränen in den Augen, schimpfte sich selbst unmännlich und rügte sich für jedes Wort zu seinem Spiegelbild. Gabriel hatte ihn eiskalt erwischt, dass er den Tag nur noch hinter sich bringen wollte. Kein Wort einer Kündigung war über seine Lippen gekommen und als er bei Florian ankam, hatte dieser ihm die Schlüssel zu Seth‘ Wohnung in die Hand gedrückt. „Finde dich, aber geh nicht weg!“ Da saß Noah nun, in einer kahlen Wohnung auf dem Fußboden, mit vier Flaschen O-Saft und noch mehr Schokolade. Es war wie ein Besäufnis nur ohne Alkohol, welcher er absolut verweigerte. Stattdessen stopfte er sich riegelweise das braune glückshormonausschüttende Zeug in den Mund und spülte es mit den gepressten Orangen hinunter. Seit einer Stunde wiederholte er diese Handlung und ließ sich nicht mal von der Übelkeit aufhalten. Irgendwie musste es zu schaffen sein, das dumpfe Gefühl in ihm zu beseitigen, sein Leben wieder da zu beginnen, wo es vor einer Woche geendet hatte. Dramatisierte er? Sicherlich und doch fühlte es sich so an. Noah hatte jedem vor den Kopf gestoßen, ohne Rücksicht auf Verluste und fühlte sich, als hätte er alles verloren.

Wie sollte er sich finden, wenn er sich nicht verloren hatte? Oder hatte er es und sah es nicht? Die Welt war kompliziert und unberechenbar. Wie sollte da ein einundzwanzig jähriger Mann, ohne Lebenserfahrung noch durchblicken, vor allem wenn Gefühle im Weg waren?

Ergeben, kurz vorm Erbrechen, ließ sich Noah auf den Rücken sinken und sah zur Decke. Für ihn stellte es sich sein Bruder zu leicht vor. Natürlich war er nicht allein und sicherlich konnte es man schwerer treffen, als sich zu ver … nein das Wort war er noch nicht bereit auszusprechen. Es konnte also schwerer sein, als sich zu einem Mann hingezogen zu fühlen und die dadurch resultierenden Probleme in der Arbeitswelt würden ihn nicht mal betreffen, schließlich hatte es Noah da sehr gut getroffen, oder war ein Fluch? Wie man es sah. Doch wie sollte er je seinem Vater unter die Augen treten und erklären, dass dieser Jahre lang recht hatte? Noah hatte sich nur selbst belog und davon geträumt, heimlich und vor sich selbst nicht zugebend, in den Armen eines Mannes einzuschlafen und aufzuwachen? All das was er bestritten hatte, war plötzlich so nah und doch fern, dass Noah es nicht zu greifen bekam. Das Leben war nun mal hinterhältig und ein Miststück, eindeutig, nichts anders.

Die Frage war also, wie konnte man das Leben handhaben, ohne zu stolpern und sich zu verletzen? Die Antwort war klar, es ging nicht. Eine deprimierende Feststellung, die nur durch mehr Schokolade und Orangensaft erträglicher wurde.

 

Der Morgen kam viel zu schnell und mit höllischen Kopfschmerzen. Müde rappelte sich Noah vom Boden auf, was seinen Magen zum Rebellieren brachte. Eindeutig zu viele Gedanken, niemals hatte das an der Schokolade, oder dem O-Saft gelegen. Das bestritt er vehement, während er vor der Toilette hing und das hinaus ließ, was er die Nacht mühsam in sich rein geschaufelt hatte. Dass sein Handy in der Hosentasche dann auch noch klingelte, war sicherlich die Strafe von wem auch immer, an seinem Exzess. Gerade als ein Magen etwas Ruhe gab, fischte er es aus seiner Tasche und seufzte ungehalten. John Stone hatte ihm nun wirklich gefehlt! „Kennedy!“, bekam er gerade so heraus, da krampfte sein Magen schon wieder und er beugte sich über die Toilettenschüssel.

„Verdammt Noah, alles in Ordnung bei dir?“

Wie gerne hätte dieser geantwortet, doch sah sich außerstande, sobald er den Mund öffnete presste auch sein Magen zusammen und schwemmte den Unrat der Nacht nach außen. „Bleib wo du bist, ich schick dir jemanden vorbei!“

Noah schoss ein „Sehr witzig!“ durch den Kopf, genau wie Galle, die sein Magen nach oben schickte. Er wollte sich ja aufrichten, doch schaffte es einfach nicht, dabei war er so müde und wäre am liebsten in seinem Bett verschwunden.

 

„Oh Mann, hast du getrunken?“, raunte eine leise Stimme an Noahs Ohr. Er hätte gerne gesehen was da um ihn herum passierte, doch erkannte lediglich Seth‘ Stimme. Die irgendwas in den Raum raunte und sich dann entfernte, als man ihm aufhalf, ans Waschbecken stellte und wusch. Okay wer war das? Florian? Noah zwang sich die Augen zu öffnen.

„Er lebt noch Seth!“

„Verdammt!“, hauchte Noah beim Anblick von Gabriel.“

„Dass du noch lebst? Könnte man drüber diskutieren. Was hast du getrunken?“

„O-Saft!“

Gerade als Gabriel was erwidern wollte, trat Seth ins Bad. „Mensch Noah du verträgst das nicht. Dein Magen ist überreizt, wie kann man nur so unvernünftig sein?“ Dabei hielt der Freund seines Bruders drei leere Flaschen Saft hoch.

„Er hat echt nur Saft getrunken?“

„Ja und das reicht durchaus. Das haben sie von ihrem Vater, sie vertragen die Säure nicht und liegen dann Tage lag flach.“

„Ich nicht!“, protestierte Noah.

„Klar du nicht, deshalb hängst du in den Seilen. Wie kann man nur so stur sein. Mit einer Flasche Schnaps wäre dir jetzt nicht so übel.“

„Bla bla bla!“, streckte Noah im die Zunge raus und lehnte sich an Gabriel. Nicht mal sein Kopf hatte mehr was dagegen, er brauchte Halt und bei dem Mann hinter ihm wusste er diesen zu bekommen.

„Ich geb dir gleich bla bla bla, du sturer Hund. Guck, dass du ins Bett kommst und bete, dass ich dich nicht bei deinen Chefs verpfeife.“

„Dann bin ich weg und es ist deine schuld!“

„Den Schuh würdest du mir gerne anziehen, aber das kannst du vergessen. Du bist schlimmer als deine Brüder, Kennedys sagt doch alles!“ Die Haustür schlug ins Schloss und Noah zuckte zusammen.

Verlegen biss er sich auf die Unterlippe und sah zu Gabriel der tief die Luft holte. „Er regt sich wieder ab, aber in einem hat er recht, du solltest echt ins Bett. Hast du die Nacht durch gemacht?“

„Nein, auf dem Boden geschlafen. Gabriel ich bin ein Arschloch!“

„Darüber reden wir ein anderes Mal, jetzt legst du dich hin und schläfst deinen Rausch, oder was das auch immer ist, aus.“

„Und du kommst mit?“

„Ich bleibe hier, ja. Florian fragte mich, da sonst keiner Zeit hat.“

„Dann kannst du auch mitkommen!“

„Damit du mir wieder klarmachst, dass es nichts zwischen uns geben kann. Mein lieber Noah, für solche Spiele bin ich mit meinen 28 Jahren eindeutig zu alt.“ Gabriel verließ das Bad und Noah konnte einen Blick auf seinen verletzten Gesichtsausdruck erhaschen. Ein fader Geschmack bildete sich in seinem Mund, dass selbst Zähneputzen daran nichts änderte.

Mit gesenktem Kopf schlich sich Noah in die Küche, wo Gabriel an der Arbeitsplatte lehnte, eine Tasse Kaffee in der Hand und sah aus dem Fenster. Auf dem Tisch stand eine weitere Tasse, mit einer gelblichen Flüssigkeit, die verdächtig nach Kamillentee roch. „Danke.“

„Gerne, soll ja beruhigend wirken.“

So schwiegen sie und tranken ihre Tassen leer, ab und an spürte Noah Gabriels Blick auf sich. Defensiv sein, ob das half? Doch wie beginnen? Was tun? Gabriel würde sich nicht scheuen ihn zurück zu weisen, da war er sich sicher. Also nichts mit Defensive.

Ein Gähnen entkam ihm und langsam wurden Noahs Augen schwer.

„Geh ins Bett!“, raunte Gabriel, oder flüsterte dieser es? Noah war sich nicht sicher, dafür umso müder. „Du machst es einem nicht leicht, sich dich aus dem Kopf zu schlagen.“ Sanft hob Gabriel ihn auf seine Arme und brachte ihn ins Schlafzimmer. Noch nie in seinem Leben hatte sich Noah derart gut gefühlt. Und doch bekam er keinen Ton über seine Lippen, als Gabriel ihn ablegte und aus dem Zimmer verschwand.

„Scheiß auf Mädchen!“, fluchte Noah, vergrub sein Gesicht im Kissen und ließ das raus, was in ihm war. Träne um Träne landete im weichen Stoff.

 

Als er Stunden später aus seinem Bett kroch, schwängerte der Geruch von frisch gekochtem Essen die Wohnung. Lächelnd stand Noah wenig später im Bad, verzichtete allerdings auf einen genauen Blick in den Spiegel, stellte sich stattdessen unter die Dusche und legte sich Worte zurecht.

Diese blieben ihm im Halse stecken, als er statt Gabriel, Florian in der Küche vorfand.

„Guten Abend Nono, du siehst beschissen aus und ich glaube du bist gerade enttäuscht, oder?“ Noah nickte nur und verkniff sich seine Tränen laufen zu lassen. „Gabriel musste zu Devil, hat dir allerdings noch gekocht und hofft es schmeckt dir!“ Dabei drückte Florian ihn auf einen Stuhl, befüllte zwei Teller und setzte sich ihm gegenüber. „Schon genial wenn wenigstens unsere Auserwählten kochen können, was?“ Noah wollte schon protestieren, doch schwieg. „Oh, nicht mal ein Widerspruch, ich bin beeindruckt.“

Mit einem zarten Lächeln um seine Lippen, tunkte Noah seinen Löffel in die Tomatensoße und kostete sie. „Wow, die ist lecker!“

„Allerdings, ich war auch erstaunt. Ich kenne Gabriel eher flüchtig, genau wie die anderen. Er ist ein zurückgezogener Mann, der nie jemanden an sich ran lässt. Lebt für seine Arbeit und Devil. Zu viele Enttäuschungen und Verletzungen. Christian hat mir ein wenig was erzählt. Nono, Gabriel mag Spiele nicht, das hat sein Ex zu genüge mit ihm getan.“

Verstehen nickte Noah. „Er hat mir einen Korb verpasst, sagt man das so? Flo, es fühlt sich so beschissen an, aber ich hab auch Angst. Was wenn es nicht funktioniert? Was sag ich zu Dad und was tue ich, wenn …“

„Atme mal durch!“, Florian legte sein Besteck zur Seite. „Erst einmal musst du Dad und uns keine Rechenschaft ablegen, das geht keinen was an, außer dir. Klar dumme Sprüche kommen immer, aber hey, leb damit. Der Rest … Gabriel hat dir keinen Korb gegeben, den hätte ich dann heute Morgen zu spüren bekommen. Als ich ihm mitteilte, dass es dir beschissen geht, ich aber nicht weg komme und Seth auch nicht lange Zeit hat … Nono er hat alles stehen und liegen lassen, nur für dich! Es gibt nie eine Garantie, ob etwas funktioniert, oder nicht. Daran muss man arbeiten und sich bewusst sein, was man wirklich will.“

Noah aß seine Nudeln mit Soße und dachte nach. Was wollte er? Seit einer Woche vergaß er den Mann nicht mehr, der ihm seinen ersten Kuss gestohlen hatte, der ihm drohte und versprach was er nie wollte und nachdem er sich so sehnte. „Ich hab darauf keine Antwort Flo … ich weiß es einfach nicht, aber ich fühle mich so unheimlich wohl bei ihm und wünschte mir …“ Noah lief rot an und biss sich auf die Unterlippe.

„Du gehst morgen mit uns aus. In einen tollen Club. Christian ist schon an Gabriel dran und ich erwarte, dass du um zehn am Abend fertig bist!“

„Es ist mitten in der Woche.“

„Macht nichts, wird nicht so lang, aber es ist wirklich lustig und ich werde ein Nein nicht akzeptieren. Geh mit mir und den anderen aus und vielleicht siehst du dann, dass es nicht so schlimm ist, wie du dir vorstellst.“

 

Noah hatte nachgegeben, den nächsten Arbeitstag sogar gut gelaunt hinter sich gebracht und war abends von John und Luc mit einem Grinsen und einem „Bis gleich!“ verabschiedet worden. Doch nun stand er da, in dieser immer noch kargen Wohnung, vor seinen paar Klamotten die er von Zuhause mitgebracht hatte. Nicht wirklich etwas zum Ausgehen dabei. Daran hatte er nicht gedacht, wieso auch? Er war noch nie der Partygänger gewesen und wohin sie heute gingen, war ihm noch nicht ganz klar, auch wenn er es ahnte. Ein Club für Männer, einzig für sie, ob er sich dort wohlfühlen würde?

Seufzend blickte Noah auf das Bett, entschied sich für eine schwarze Jeans und ein ebensolches T-Shirt, um im nächsten Moment seinen Vater zu verfluchen. Eindeutig, als Noah das Oberteil gekauft hatte, war es nicht derart eng gewesen und vor allem kurz. Es ging gerade so bis zum Bund seiner Jeans und lag plan auf der Haut. Ein Blick in den Spiegel jedoch, ließ ihn stocken. „Es geht, oder?“, sprach er zu sich selbst und streckte sich die Zunge raus. Die Hose jedoch musste weichen, stattdessen wurde es eine dunkelblaue Jeans die wie eine zweite Haut wirkte. Schmunzelnd erinnerte er sich daran, wie er an sie kam.

Er war mit Tom, seinem ältesten Bruder zusammen kaufen gewesen und hatte sich nach einer neuen Jeans umgesehen. Dabei war er an dieses hautenge Exemplar geraten.

„Da passt du im Leben nicht rein, die ist viel zu eng!“

„Klar passt die!“, hatte Noah ihn angeblafft.

„Wenn das wahr ist, bezahl ich dir die Shoppingtour!“

Das war ein Wetteinsatz den sich Noah nicht hatte entgehen lassen. Zusammen mit der Hose schwand er in der Umkleidekabine. Nun gut er musste das erste Mal in seinem Leben den Bauch einziehen, doch schlussendlich hatte sie gepasst und Tobias Geldbeutel litt. Eigentlich wollte Noah die Jeans danach nicht anziehen, doch mittlerweile fühlte er sich in ihr unheimlich wohl, weshalb sie auch sein erster Griff im Schrank war, als er für sein nächtliches Verschwinden gepackt hatte.

Die Haare bekamen noch einen „out of Bed“-Look und Noah war mit sich zufrieden. Auch wenn er zugab, nicht normal gekleidet zu sein, fast schon etwas aufreizend, jedoch war es genau das, wonach ihm gerade der Sinn stand. Gabriel würde kommen, das hatte Florian ihm mitgeteilt und dessen Blicke wollte er eindeutig auf sich ziehen. Ob dies jedoch klappen würde, stand in den Sternen, denn wenn sie wirklich in einem Club gingen, wo nur Männer waren, stach er sicher nicht aus der Menge heraus, würde in ihr sogar eher verschwinden. Doch deshalb würde er sich nicht komplett verkleiden, das wäre nicht mehr er selbst und kam es nicht auch darauf an? Sich selbst zu sein?

 

„Wow, was hast du denn vor? Seit wann hast solche Klamotten?“ Florian war sichtlich von der Kleiderwahl seines Bruders angetan. „Verdammt, das gehört verboten!“, ging er um Noah herum, der an Farbe im Gesicht gewann.

„Was soll denn das heißen? Soll ich mich umziehen?“

„Nein, wenn dein Bruder nicht dein Bruder wäre, würde er es in klarere Worte fassen. Dein Arsch ist der Wahnsinn in der Hose und du siehst verdammt heiß aus, als ob du dir heute wen klar machen wolltest!“, übersetzte Seth und grinste, während er sich gegen den Türrahmen lehnte und die Zunge über seine Lippen steifen ließ.

Noah riss die Augen auf und sah zu Florian. „Ehrlich?“

„Hey du bist mein Bruder, aber ja, du siehst selbst für meine Augen gut aus!“

„Nicht zu übertrieben?“, dabei sah er an Seth hinunter, der eine einfach schwarze Jeans trug und ein, zu seinen Augen passendes, Hemd.

„Nein, absolut nicht. Aber und das sage ich dir als Freund, pass auf deinen Arsch auf!“ Seth stieß sich ab und ging die Treppen hinab.

„Der meint das nicht ernst, oder?“ Unsicherheit machte sich in Noah breit.

„Doch, aber mach dir darum keine Gedanken, das wird keiner von uns zulassen. Schuhe an, schnapp dir deine Sachen und dann lass uns fahren, die anderen warten.“

 

Es war anders, nicht verrucht, geschweige denn liefen hier halb nackte Männer herum, oder man sah kopulierende Paare. Irgendwie kam sich Noah gerade schäbig vor bei dem Gedanken, die er an einen solchen Club hatte. An einem der hinteren Tische saßen bereits Stephan, Christian, John, Luc und Gabriel. Mit schwitzenden Fingern streifte sich Noah seine Jacke ab, die ihn vor der draußen herrschenden Kälte geschützt hatte. Luc war der Erste der ihn überrascht musterte, sahen sie sich sonst lediglich im Anzug. „Ich wäre für einen neuen Dresscode auf der Arbeit, was denkst du John?“

Dieser sah nun auf und ebenso zu seinem neuesten Angestellten. „Mit Sicherheit nicht … meine Güte. Obwohl …“ Das Paar warf sich einen vielsagenden Blick zu. „Ob jedoch die Damen im Haus noch arbeiten, wäre dann fraglich!“

„Wohl wahr, dann nicht.“

Irritiert von diesem Gespräch drehten sich auch Christian und Stephan um, die Noah grinsend musterten und Gabriel anstießen. Was sie zu diesem sagten blieb Noah verborgen, da er in dem Moment von einem Kerl angerempelt wurde, dessen Hand versehentlich auf deinem Hintern landete. Noah wurde stock steif, sah mit vor Schreck geweiteten Augen zu dem fast zwei Meter großen Mann hinauf, der ihn lüstern betrachtete. Ohne ein Wort, warf Florian dem Mann einen Blick zu und schob seinem Bruder Richtung des Tisches wo die anderen saßen. „Alles klar?“

„Der hat mir an den Hintern gefasst!“ Kam Noah zu sich und sah sauer zu dem Typ.

„Ich hab dich gewarnt. Wer eine solche Hose trägt, muss damit klarkommen“, lachte Seth und orderte eine Runde Getränke für den Tisch.

 

Noah spürte noch immer die Hand die auf seiner Kehrseite gelandet war und ein brennendes Gefühl hinterließ. Vielleicht war er zu empfindlich, doch sah es nicht so locker wie Seth und Florian. Das gehörte sich nicht und erstrecht nicht zwischen zwei Männern. Sein Blick wanderte zu Gabriel, der ihn mit gerunzelter Stirn betrachtete. Er konnte die Frage in den Augen erkennen. „Geht es dir wirklich gut?“ Unmerklich nickte Noah und lächelte aufrichtig. Der Gedanke, dass es Gabriel sein könnte, der ihm derart anfasste, jagte einen wohligen Schauer über seinen Körper. Nervös bearbeitete Noah seine Lippen mit den Zähnen. Dankbar über Ablenkung nahm er das Glas von Seth entgegen und ließ die Cola seine Kehle hinabrinnen. Umso öfter er in die eisblauen Augen sehen durfte, umso mehr kribbelte sein Körper. Das Verlangen näher bei Gabriel sein zu wollen kam in ihm hoch. Doch was dann passieren sollte, war ihm schleierhaft. Sicherlich würde der sich nicht mit küssen und seichten Berührungen zufrieden geben. Sex, durchfuhr es Noah eiskalt.

Was ihn wieder zu der Sache mit dem, wer war wer in einer reinen männlichen Beziehung? Nun gut, er hatte nun schon begriffen, dass alle hier am Tisch, durchaus Männer waren und auch in der Beziehung blieben, jedoch sexuell gesehen, musste doch einer … Wieso kam er sich gerade jetzt total bescheuert vor bei der Vorstellung? Sein Blick zu den einzelnen Männern, ließ ihn in sich zusammensacken, er kam sich nicht nur bescheuert vor, er war es, wurde ihm in diesem Moment bewusst.

Denn er selbst hatte sich nie seiner Männlichkeit beraubt gefühlt, auch wenn er, … eilig verdrängte er den Gedanken und verschwand auf die Toilette. Ignorierte einige Männer, die ihn wie ein billiges Stück Fleisch in der Kühltheke ansahen, was er durchaus wahrnahm. Irgendwo in seinem Inneren kam so etwas wie Stolz hervor, dass ihn Männer anziehend fanden, doch ein anderer Teil, fand es einfach unangenehm. Seufzend stand er kurz darauf in einer Kabine und erleichterte sich. Fast wäre er vor Schreck gestolpert, als ein Mann ihm den Weg versperrte, als er sich die Hände waschen wollte. Wage kam ihm dieser bekannt vor, doch so ganz wusste er ihn nicht zuzuordnen.
„Du bist doch Noah, verdammt aus dir ist ja ein netter Twink geworden!“, grinste dieser anzüglich und streckte die Hand aus, wovor Noah zurückwisch. „Erinnerst dich nicht mehr an mich, was? Ist lange her. Ich bin Lex, Florians Ex-Freund.“

Noah riss die Augen auf und versuchte noch mehr zurückzuweichen. Zwar hatte Tom sich wage ausgedrückt, als es um Florians Verfassung ging, aber dass es mit dem schmierigen Kerl zu tun hatte, den sie alle nie leiden konnten, war ihm bewusst gewesen. Noah wollte es so genau auch nicht wissen, das gab er gerne zu, jedoch auch, dass er sich unwohl fühlte und das mulmige Gefühl in seinem Magen, nichts Gutes erahnen ließ.

Leider ging es nicht weiter zurück und Lex rückte immer näher an ihn ran. „Weißt du eigentlich, dass dein Bruder mir noch einiges schuldig ist?“

„Er … ist draußen. Flo bezahlt seine Schulden immer!“ Da war sich Noah sicher, sein Bruder war kein Typ dafür, irgendwem Geld schuldig zu bleiben.

„Es geht nicht um Geld, oder nicht direkt. Er hat mich einfach rausgeschmissen, dabei hatte ich noch so viel mit ihm vor. Aber ich gebe mich auch gerne mit dir zufrieden, kannst mir bestimmt auch weiter helfen.“ Dabei streifte Lex über dem T-Shirt an Noahs Schlüsselbein entlang. Ein Schauer überfiel seinen Körper, es war ein angenehmes Gefühl, wenn nicht Lex der Auslöser gewesen wäre. „Ich sehe du bist wie er. Wir zwei werden schon unseren Spaß zusammen haben, nicht wahr?“

„Nein, mit Sicherheit nicht, lass deine Finger von mir!“, unsanft drückte Noah Lex zur Seite und drängte sich an diesem vorbei. Doch der nutzte die Chance, presste ihn mit dem Bauch an die Toilettenwand und rieb sich an seinem Hintern. „Hör auf, sofort!“ Es war ein flehender Ton, der Noah verließ und er betete, dass der Mann hinter ihm von ihm ablassen würde. Doch Lex schien das nicht so zu sehen, im Gegenteil. Er fing Noahs Hände ein, presste diese mit einer an die Wand, während seine andere sich auf den Weg zu Noahs Hosenknöpfen machte.

„Wie magst du es denn am liebsten? Du siehst mir nach dem romantischen Typ aus, richtig?“

„Lass mich los!“, versuchte sich Noah dem Mann zu entwinden, doch fand sich schon bald mit dem Gesicht auf der mit Kunststoff überzogenen Spanplatte wieder. Seine Wange brannte vom Aufschlag und er merkte noch die Schwingungen, die von der Toilettenabtrennung zu ihm drangen. Gerade als Lex den Knopf der Hose geöffnet hatte und sie herabschieben wollte, ließ der Druck auf Noahs Körper nach. Ruckartig drehte er sich um und sah wie Christian und Gabriel Lex in die Mangel nahmen.

„Ich habe dir bei Florian gesagt, du sollst von ihm die Finger lassen und das gleiche gilt für Noah, du verdammtes Arschloch!“, presste der Werbetexter durch zusammengepresste Zähne heraus und verpasste Lex einen Schlag in den Magen.

„Du verdammter Mistkerl!“, spie Lex und spuckte Christian vor die Füße. „Du hast mir Florian genommen, aber Noah gehört mir!“ Gabriel hielt seinen Freund von einem weiteren Schlag ab, legte stattdessen eine Hand um Lex Hals und drückte ihn an die geflieste Mauer. „Fass ihn noch einmal an und ich breche dir jeden Finger. Finde ich dich noch einmal in einer solchen Lage, mit jemanden der dir sagt, er will das nicht, werde ich mir deinen Schwanz zwischen meinen Fingern zergehen lassen.“ Demonstrativ griff Gabriel dem Mann vor ihm zwischen die Beine und presste zu. Ein Schmerzlaut verließ Lex Kehle, die Noah und Christian zusammenzucken ließ. „Haben wir uns verstanden?“ Der Blick des schwarzhaarigen Mannes war schon bald als widerlich nett zu bezeichnen.

Lex schnappte nach Luft, als ein zweites Mal der Griff um sein Geschlechtsteil verstärkt wurde, dann nickte er nur noch.

„Das freut mich und nun verschwinde!“, damit ließ Gabriel vom Hals und der Hose seines Gegenübers ab und schupste ihn in Richtung Tür. Zwei Stürze auf die kalten Fliesen später war Lex zusammen mit Christian verschwunden, der ihm argwöhnisch nachging.

„Alles okay?“, langsam kam Gabriel nun auf Noah zu, der mit einem Zittern kämpfte was seinen Körper erfasst hatte.

„Ich brauch einen Schnaps!“, brachte dieser gerade so heraus.

„Ich denke du trinkst kein Alkohol.“

„Scheiß drauf … danke!“ braune trafen kristallblaue Augen und fingen sich gegenseitig ein.

„Nicht dafür. Du warst einfach zu lange weg, als dass es normal war und plötzlich ist Christian aufgesprungen, da wusste ich, es stimmt was nicht.“ Gabriel ging einen Schritt näher an Noah heran, streichelte über dessen Wange und zog ihn an sich. „Bist du sicher, dass es geht?“

„Nein!“, schüttelte Noah den Kopf und presste sich näher an ihn. Wie gut es tat, den Geruch in sich aufzunehmen, die Wärme zu spüren und sich derart geborgen zu fühlen, dass er keinen Vergleich fand. Am liebsten wäre Noah in ihn gekrochen, hätte sich dort versteckt und sicher gefühlt.

„Ich bringe dich heim, in Ordnung?“

„Ja!“ Willigte er sofort ein, ließ zu, dass Gabriel seine Hand nahm und folgte ihm hinaus.

 

Noah rechnete Gabriel an, dass er das Sprechen übernommen hatte und sich nicht mal von Florian aus der Ruhe bringen ließ. Dieser hatte lauthals geflucht und wollte sich Lex schnappen, bis Seth ihn zu sich zog und küsste. Dieser Anblick hatte sogar Noah ein Lächeln gekostet denn es war herrlich mit anzusehen, wie sein zweitältester Bruder vollkommen abgelenkt und verdattert seinen Freund ansah und sich einen weiteren Kuss stahl.

„Außer Gefecht“, kam schmunzelnd von Gabriel. Dann hatten sie sich von den Anwesenden verabschiedet.

„Ich muss was an der Wohnung machen, sie gefällt mir nicht!“, brach es aus Noah heraus, was ihn einen verwirrten Blick vom Mann an seiner Hand einhandelte.

„Streichen, neue Möbel, so viel Arbeit ist das sicher nicht.“

„Ich glaub ich mach es am Wochenende. Lust zum Ausgehen habe ich eh nicht.“

„Verständlich, aber vielleicht hättest du Interesse mit auf den … also … am Samstagabend …“, stockte Gabriel uns sah nervös umher.

„Gerne!“ Noah war es egal was Gabriel ihn da versuchte zu fragen. Es konnte nichts sein, was ihm mit der Anwesenheit des Mannes, der sein Herz zum Stolpern brachte, unangenehm werden würde.

„Du weißt doch noch gar nicht was ich dich fragen will.“

„Egal. Wo auch immer du mit mir hin möchtest, ich bin überzeugt es wird mir gefallen und wenn nicht, werde ich es mir anstandshalber zwei Stunden antun und dann Kopfschmerzen aufführen, weshalb ich früher gehen muss.“

Gabriel sah überrascht auf Noah hinab, grinste und ehe dieser sich versah, lagen ihre Lippen aufeinander.

 

„Ich verspreche dir nichts Gabriel, das kann ich nicht, aber ich weiß, dass ich dich mehr als mag und du mir nicht mehr aus dem Kopf gehst. Ich genieße deine Anwesenheit und möchte, dass du bleibst, aber wohin es führt, ob es zu was führt, kann ich dir nicht sagen. Wenn du damit klar kommst, bitte ich dich mit hoch zu kommen, wenn nicht solltest du fahren!“ Noah war es schwer gefallen diese Worte zu sagen und ohne auf eine Reaktion zu warten, stieg er aus dem Auto und ging Richtung der Haustür. Er lauschte in die Dunkelheit, doch hörte weder Schritte hinter sich, noch eine Autotür. Abermals zitterte er, unterdrückte die Tränen die versuchten nach außen zu dringen. Zugegebenermaßen hatte er sich mehr erhofft. Nach dem Kuss vor dem Club, war es im Auto zu noch zwei weiteren gekommen und nun hatten sie fast eine halbe Stunde vor dem Haus gestanden, wo Noah in Seth Wohnung untergekommen war. Seine Lippen glühten noch von den zärtlichen Angriffen Gabriels Zähnen und sein ganzer Körper war unter Spannung geraten, als dieser eine Hand auf deinem Oberschenkel legte.

Niemals im Leben hatte Noah so etwas erwartet, doch nun schien es das gewesen zu sein. Er schloss die Haustür auf und stürmte regelrecht die Treppen in den ersten Stock hinauf, wo die Wohnungstür hastig aufschloss und hineinging. Er atmete tief durch und versuchte die Leer zu vertreiben, die sich in ihm ausbreiten wollte.

Was er nicht bemerkte war Gabriel, der ihm leise gefolgt war, nun im Flur stand und auf ihn hinab sah. Ein Lächeln umspielte dessen Lippen, als seine Hände sanft auf Noahs Hüften Platz fanden und ihn zu sich drehten. „Bist du immer so schnell, wenn du eine Entscheidung getroffen hast, oder eine erwartest?“ Irritiert sah Noah zu ihm hinauf. „Ob du es glaubst, oder nicht, ich brauche ab und an Zeit, damit bei mir durchsickert, was du von mir willst. Ob es dir ernst damit ist, was du sagst und du mir nicht wieder vor den Kopf stößt. Wie gesagt, ich stehe nicht auf Spiele, in denen ich mein Herz verliere und es einfach fallen gelassen wird.“ In Noah herrschte Stille, er starrte einfach nur Gabriel an. „Ich kann nicht bleiben, aber nicht aus den Gründen die du vielleicht annimmst. Devil ist allein zuhause und ich erreiche jetzt keinen mehr, der sich morgenfrüh um ihn kümmert. Jedoch möchte ich auch nicht einfach am Morgen abhauen und dich im Ungewissen zurücklassen. Noah ich mag dich, sehr wahrscheinlich mehr, als es zum jetzigen Zeitpunkt gut für mich ist und würde nichts lieber tun, als bei dir zu bleiben, oder dich mitzunehmen. Aber ... bring Florian nicht um, für diese Auskunft, weiß ich wieviel Erfahrung du hast und glaub mir, ich will mehr von dir. Wir sind beide Männer und ich gebe gerne zu, dass ich da nicht gerade den normalen Weg vom Date bis zum Bett einhalte, dafür fehlt mir meist die Zeit.“

 

Noah schwieg und starrte Gabriel mit leicht geöffnetem Mund an. Was sollte er auch sagen? Gerade machte der Mann seiner Träume, in den letzten Nächte, ihm einerseits eine Art Liebeserklärung und nun eröffnete er ihm, dass er Sex wollte. Hart schluckte er, suchte nach Worten, während sein Kopf Bilder vor sein geistiges Auge projetzierte.

Die traurige Wahrheit war nun mal, dass Noah sich wohl mit seinem Körper auskannte und wusste was er mochte, doch nicht mit anderen. Eine Jungfrau, wenn auch lediglich im Umgang mit einer zweiten Person.

„Wieso meine ich in deinen Augen zu sehen, dass du alles bist, nur nicht so keuch wie dein Bruder mir erzählt?“

Die Röte eroberte Noahs Gesicht und er dachte an die einsamen Momente in seinem Zimmer, die nur halb so einsam waren, wie man es unter der Bezeichnung verstand. Seine Phantasie war noch nie von schlechten Eltern gewesen, seine Finger durchaus dazu gedacht den eigenen Körper zu verwöhnen und gelenkig war Noah dank Sport auch.

„Noah an was denkst du gerade?“

Das würde er für keinen Preis der Welt dem Mann verraten, der ihn gerade überrascht musterte. Jedoch war sein Kopf auf Hochtouren, erinnerte ihn an das erste Mal im Online-Shop eines Spielzeugherstellers für Erwachsene. Er hatte sich drei Sachen bestellt und war hoch rot angelaufen, als diese zwei Tage später auf seinem Bett lagen. Keiner hatte es mitbekommen und doch hatte Noah das Gefühl, als würde es jeder sehe. Der erste Test mit dem vibrierenden, eiförmigen Teil war in Sekunden beendet. Wie in der Packungsbeilage beschrieben, hatte er sich viel von dem Gel an seinen Anus gestrichen, allein diese Berührung hatte sein Glied unaufhörlich zucken lassen. Keine Ahnung von nichts, führte er sich den, noch nichtvibrierenden, Fremdkörper ein und hätte bald geschrien, weil es wehgetan hatte. Doch der Schmerz ließ schnell nach, der Muskelring konnte sich zusammenziehen und das „Ei“ lag in seinem Darm. Ungewollte Kontraktionen, wollten es wieder hinaus befördern, doch dann war er an den Knopf der Fernbedienung gekommen, welcher die Funktion startete und ehe sich Noah versah lag er schweißnass auf seinem Bett. Beklebt mit dem eigenen Sperma und versuchte atemlos das Teil in sich zum Stillstand zu bringen.

„Noah?“

Wie aus einer Trance erwacht sah er in Gabriels Augen und grinste. „Ja?“

„Deine Gedanken sind offen zu lesen, das ist dir klar, oder?“

„So? Na dann frag nicht nach!“ Die Röte war gewichen, machte einem Grinsen Platz, dass sich als verrucht bezeichnen ließ.

„Aber ich dachte du bist …“

„An sich sagt man wohl so dazu, ich hatte weder eine Frau, noch einen Mann je in meinem Bett!“

Gabriel atmete tief durch. „Sondern?“

„Komm mit, ich zeig es dir!“ Noah nahm sich Gabriels Hand und zog ihn mit ins Schlafzimmer, ein paar Minuten später, hatte er den „geheimen“ Boden seiner Tasche enttarnt und gab den Blick auf seine Errungenschaften frei. Aus den drei ehemals bestellten Teilen, waren inzwischen acht geworden, in jeglicher Form, Größe und Material. Niemals hätte Noah sie daheim gelassen, im Hause seines Vaters, der sie sicherlich irgendwann entdeckt hätte.

„Wow!“, entkam es Gabriel. „Und wieso behauptest du so vehement nicht an Männern interessiert zu sein?“

„Weil ich es nie war und … ich habe mitbekommen wie es Florian ging. Wie schwer er es hatte und dann haben sich Mum und Dad getrennt. Mir selbst einzugestehen … Gabriel das ist nicht leicht, ich wollte doch nur normal sein!“

„Und du meinst, dass es was ändert wenn du auf Männer stehst? Du bist deshalb nicht unnormal, sogar für einige interessanter. Inwiefern hast du die Teile schon genutzt?“ Das erneute Grinsen von Noah, schien Gabriel zu reichen um schwer seufzend zu schlucken und sich durch die Haare zu fahren. „Das ist doch nicht dein Ernst? Ich sollte jetzt echt gehen, bevor ich dir beweise, wie bescheiden diese Teile zum realen Sex sind!“

„Und wieso willst du es mir nicht beweisen?“

Noah kam sich vor als würde er neben sich stehen. Hatte er die letzten Tage nicht noch gesagt er wollte keine Beziehung zu einem Mann? War fest davon überzeugt gewesen, dass es nie so weit kommen würde? Sollte ihn das Erlebte des Abends nicht noch in den Knochen stecken und zurückschrecken lassen? Stattdessen offenbarte er seine Geheimnisse vor einem Mann, denn er knapp eineinhalb Wochen kannte, dessen blaue Augen ihm im Traum verfolgen und nach dem sich sein Körper sehnte. Die Welt stand Kopf. Sein Leben war wunderbar und ein absolut liebenswertiges Geschöpf, dass es ihn mit Gabriel zusammengeführt hatte.

 

Langsam näherte sich Noah Gabriel, streichelte sanft über dessen Wange, fuhr die Konturen der Lippen mit den Fingern nach und sah ihm tief in die Augen.

„Mach mir das Angebot nicht, wo du nicht weißt was es heißt!“, es war eine heisere Bitte, der Noah nicht gewillt war nachzukommen. Sein erstes Mal sollte dem Mann gehören, der ihm auch den ersten Kuss gestohlen hatte. Der Tag war perfekt, ungeplant und doch zu perfekt um ihn verstreichen zu lassen.

Seine Arme schlossen sich um Gabriels Nacken, zogen ihn mit sich, bis sich Noah an der Kante des Bettes wiederfand. Langsam setzte er sich nieder, doch nicht ohne den Mann mit den kristallblauen Augen und schwarzen Haare mitzuziehen.

Gabriel wollte etwas sagen, doch Noah verschloss ihm die Lippen, es war nicht die Zeit zum Sprechen. Scheinbar verstand Gabriel es auch, der die Initiative ergriff und Noah so küsste, dass diesem die Luft wegblieb.

Nur noch fühlen, sich darauf einlassen, was Gabriel mit ihm vorhatte. Genussvoll schloss Noah die Augen und spürte die warmen Finger die sich unter sein T-Shirt schlichen. Mit sanften Bissen wanderte Gabriel Noahs Kinn hinab, während er das Shirt höher schob und den Oberkörper freilegte. Als sich die Zähne sanft um seine Brustwarzen legten, dachte Noah keine Luft mehr zu bekommen. Sein ganzer Körper war auf der Stelle in Spannung, sein Atem stockte und sein Herz pumpte das Blut in Rekordtempo durch ihn hindurch.

„Gabriel“, verließ ein Seufzen seine Lippen und der Angesprochene sah kurz auf.

„Genieß es!“ Sanfte Küsse führten Gabriel über den Bauch hinab an Noahs Hose.

Eindeutig es war zu viel, das hielt Noah nicht aus, sein Körper zitterte und war schon jetzt von einem Film aus Schweiß überzogen. Das hatte sein „Spielzeug“ nie geschafft. Sicherlich bemerkte es auch der Mann zwischen seinen Beinen, machte dennoch unbeirrt weiter und entkleidete Noah mit einer störrischen Ruhe. Wo nahm Gabriel nur diese Gelassenheit her? Noah wollte protestieren, doch kam nicht dazu. Ein kleiner hauchzarter Kuss ließ ihn verstummen, der direkt seine Eichel traf. Grinsend sah Gabriel hoch zu ihm, bevor er seinen Mund komplett über Noahs Länge schob.

Das war zu viel, eindeutig und wahrhaftig viel zu viel. Noahs Becken ruckte hoch, sein Schwanz rutschte aus Gabriels Mund und er ergoss sich mit einem Stöhnen.

 

Verlegen kniff Noah die Augen zusammen und wagte sich nicht Gabriel anzusehen. Das war wohl das peinlichste was ihm bis zu diesem Tag passiert war.

Sanft wurde ihm der Arm weggezogen und seine Lippen mit einem Kuss verwöhnt. „Glaub nicht dass wir schon fertig sind!“, rieb sich Gabriel an ihm und küsste ihn verlangend.

Noah konnte es nicht fassen, als sich sein Glied schon wieder regte und die Lust einfach nicht abflauen wollte. Stattdessen begab er sich ein zweites Mal in Gabriels Hände, der jedoch forscher wurde. Zielsicher fuhren sie über seinen Bauch, zwischen seine Beine, streiften über seinen Damm direkt zum zuckenden Muskel, der ihn zittern erwartete. Es war ein sanftes Spiel was Gabriel veranstaltete, Noah damit aufheizte und nach mehr verlangen ließ. Immer wieder glitt ein Finger über das zarte Fleisch, drückte kurz in die Tiefe um dann weiter zu wandern.

„Noah, hast du was hier?“, biss sich Gabriel auf die Lippen.

Dem Angesprochenen fuhr es eiskalt über den Rücken und kniff die Augen zusammen. Daran hatte er nicht gedacht. Doch dann erinnerte er sich bei wem sie in der Wohnung waren und noch hatte Seth nicht alle Sachen mitgenommen. Das schien auch Gabriel durch den Kopf zu gehen, als er sich leicht Richtung Nachttisch beugte und die Schublade aufzog. Grinsend entnahm er ihr das, was sie benötigten. „Ich glaub ich mag Seth doch langsam!“, zuckten seine Augenbrauen hoch. Noah bekam das Rausgenommene nicht zu Gesicht, stattdessen lenkte Gabriel ihn abermals ab, in dem er seinen Mund eroberte. Es war nicht kühl, wie sonst wenn sich Noah selbst einrieb, auch nicht so unangenehm, was sicher an den Lippen auf seinen lag. Es fühlte sich so gut an, das er inständig hoffte, dass es auch danach so sein würde und nicht wie sonst, wenn er sich mit sich allein beschäftigte, zu eine unwohlen Gefühl wurde.

Über seine Gedanken und die sanften Küsse hatte Noah fast nicht bemerkt wie der Druck auf seinem Anus zunahm. Die Dehnung und das leichte Brennen hieß er Willkommen, schoss in seine Lenden und ließ sein Glied stehen. Verlangend drückte er sich dem Finger entgegen, der immer tiefer in ihn eindrang, schnappte nach den Lippen von Gabriel, während er nach dessen Schwanz griff und ihn massierte.

Sie keuchten sich ihre Lust in die Münder, versanken in dem Blick des anderen und verbanden ihre Körper miteinander.

Der anfängliche Dehnungsschmerz ließ schnell nach, dass sich Noah dem hingeben konnte, wonach es ihm sehnte. Verbunden sein mit Gabriel, dem Mann der seine Träume beherrschte und seinen Verstand vernebelte.

 

Schweißgebadet lagen sie dich aneinander und Noah wartete darauf, dass es einsetzte. Dieses Gefühl was ihn immer nach der Selbstbefriedigung heimsuchte. Meist sprach sein schlechtes Gewissen auf ihn ein, schellte ihn einen erbärmlichen Mann, der nicht fähig war seine Triebe in Zaun zu halten. Doch es kam nicht.

Stattdessen spürte er die Wärme unter seinen Händen, die an Gabriel lagen und hörte dessen Herzschlag unter sich. Langsam regulierte er sich und schlug im Einklang mit seinem. Noah hob den Kopf, legte stattdessen sein Kind auf der Brust von Gabriel ab und sah ihn nachdenklich an.

„Du musst zu Devil“, erinnerte er ihn, wenn auch ungern.

„Ich weiß, aber noch etwas will ich dich genießen“, brummte Gabriel, während ihm ein Lächeln über die Lippen huschte und er kleine Kreise auf Noahs Rücken malte.

„Gabriel, was war das jetzt für dich?“, diese Frage entkam dem einundzwanzigjährigen so leise, dass er bezweifelte, ob der Angesprochene es verstanden hatte.

„Der Anfang von etwas, was hoffentlich sehr lange anhält“, zärtlich umfasste er das Gesicht von Noah und zog ihn hoch. „So wenig ich mit Seth gemeinsam habe, in einer Sache sind wir ziemlich gleich.“

„So?“

„Oh ja, was wir einmal haben, wollen wir nie wieder hergeben.“

„Das hört sich gut an … also gibst du mich auch nie wieder her? Ich darf dich behalten?“

„Solange, bis du mich bittest dich gehen zu lassen!“

Ein sanfter Kuss besiegelte das Versprechen und ließ Noah das erste Mal nach einem Orgasmus lächelnd einschlafen.

 

 

„Her je, wer strahlt denn da wie das Glück auf zwei Beinen?“

Noah erschrak als er Luc Stone zu ihm sprechen hörte und drehte sich suchend um. Er war fast eine Stunde zu früh auf der Arbeit, doch nichts hatte ihn mehr zuhause gehalten und bevor er durchdrehte, oder auf dumme Ideen kam, war er zur Arbeit gefahren. Endlich sah Noah Luc, der unter einem Schreibtisch hockte. „Was machst du da?“

„Nachdenken und meinen Kuli aufheben. Geschenk von meinem Mann.“

„Okay und wieso bist du so früh hier?“

„So früh ist es gar nicht mehr, aber ich musste raus. Hummeln im Hintern, mich zerreißen die Gedanken und ich muss es irgendwem erzählen.“

„Okay, ich mach Kaffee und leih dir mein Ohr!“, es war so schnell und selbstverständlich über Noahs Lippen gekommen, dass er selbst erstaunt war. Nervös sah er zu Luc und wartete auf eine Reaktion, die er in Form eines Nickens wahrnahm.

 

Zwei Tassen Kaffee später fand Luc auch endlich die Worte, die er auszusprechen vermochte. „Wir sind jetzt eineinhalb Jahr verheiratet und ziemlich glücklich miteinander. Vor vier Monaten kam John auf die Idee wir sollten auch ein Kind bekommen. Susanna hat einiges in unserem Leben verändert. Du kennst Susanna?“

„Ich glaube schon. Die Tochter von Stephan und Christian?“

„Sozusagen, genau. Nun ja, wir haben uns nach einer Leihmutter umgesehen und alles in die Wege geleitet und plötzlich ging alles so schnell und nun … ja … also …“

„Bekommt ihr ein Kind. Herzlichen Glückwunsch!“

„Ja und nein. Nicht eins, zwei. Es ist der Wahnsinn, man hat der Frau zwei Eizellen eingepflanzt, eins von jedem von uns befruchtet. Die Chance dass es was wird stand recht gut, also das eine Eizelle sich einnistet und so hätten wir nicht gewusst wer, doch dann …“

Noah riss die Augen auf, sein Herz stockte kurz, bis er wirklich begriff was sein Gegenüber ihm da anvertraute. „Ihr bekommt Zwillinge und jeder von euch wird Vater?“

„Korrekt.“

Es war ein Impuls dem Noah nachgab, als er Luc in die Arme zog und ihm überschwänglich gratulierte. Scheinbar hatte der Ältere genau das gebraucht, umschloss ihn ebenso fest und dankte ihm mit einem sanften Kuss auf die Wange. „Ich habe nicht erwartet, dass gerade du dich so für uns freust.“.

„Es tut mir Leid, wirklich. Ich wollte doch nur …“

„Normal sein, nicht schief angeguckt werden. Aber soll ich dir was erzählen? Daran ändert sich nichts. Wer dich mag nimmt dich wie du bist und wer dich nicht leiden kann, der würde dich auch nicht als heterosexuellen Mann mögen.“

„Wahrscheinlich, es war ein doofes Denken von mir. Meinst du Stephan und Christian verzeihen mir das irgendwann?“

„Das haben wir schon, mach dir keine Gedanken.“ Erschrocken fuhren Luc und Noah auseinander und sahen Stephan sprachlos an. „Dich hätte ich fast vergessen!“, schüttelte Luc ungläubig den Kopf und verschwand in seinem Büro.

 

Noah sah betreten zum Boden, scharrte über diesen und biss sich auf die Unterlippe. „Es war wirklich nicht so gemeint, ich hoffe das wisst ihr?“

„Spätestens seitdem wir die Blicke zwischen Gabriel und dir gesehen haben. Ich hoffe er ist die Veränderung schuld, die dir gerade widerfährt!“

„Und wenn nicht?“ Noah sah den dunkelhaarigen Mann vor sich interessiert an.

„Ich glaube dann nehme ich das mit dem Verzeihen zurück. Gabriel ist ein feiner Kerl und ich mag es nicht, wenn man Freunden von mir das Herz bricht. Auch wenn ich ihn noch nicht lange kenne, schätze ich ihn durchaus.“

„Nur weil ich einen guten Freund von dir eventuell nicht derart mag, wie dir im Sinn steht, würdest du mir nicht verzeihen? Ist das nicht etwas … merkwürdig?“

„Verrat mir doch einfach, ob er dich so zum Strahlen bringst, oder ein anderer!“ Stephans Augen glänzten regelrecht vor Neugier und Noah hätte ihn sicherlich noch im Ungewissen gelassen, wenn nicht Gabriel in der Druckerei aufgetaucht wäre.

Das Lächeln auf seinen Lippen stellte sich automatisch her, ohne sein Zutun, ohne Kontrolle zu haben und auch sein Freund erwiderte den Blick.

„Okay alles verziehen!“, grinste Stephan breit, schlug Gabriel auf die Schulter und ging Richtung Büro wo Luc drin verschwunden war.

 

Gabriel zog Noah ohne Umschweife an sich, hauchte ihm zwei Küsse auf die Lippen und zwinkerte schelmisch zu Stephan, der sie ungeniert beobachtete.

„Der erste Weihnachtspunsch geht auf dich!“, grinste dieser sogleich.

„Wettschulden sind Ehrenschulden. Samstag 15 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt?“ Stephan nickte lediglich und ging dann ins Büro rein.

Interessiert sah Noah Gabriel an. „Das wollte ich dich gestern eigentlich fragen. Ob du eventuell mit mir mitgehen würdest. Luc, John, Stephan, Christian, Susanna, Seth und Florian sind auch dabei.“

„Wieso nicht? Wird sicher angenehm.“

„Aber Noah, wenn wir jetzt zusammen dahingehen, möchte ich mich nicht verstecken.“

Noah runzelte die Stirn. „Hast du Ärger?“

„Wieso sollte ich Ärger haben?“, fragte Gabriel irritiert zurück.

„Na wenn du meinst dich verstecken zu müssen, oder nicht mehr, wie auch immer.“

„Ich meinte mich mit dir verstecken.“

„Eben sagtest du noch, du willst dich nicht verstecken, also doch Ärger? Schlimm?“

Gabriel sah Noah nichts verstehend an, als neben ihnen Stephan und Luc lachten.

„Noah er meinte das zwischen euch, will er nicht verstecken. Dass ihr ein Paar seid“, brachte Luc mühevoll heraus.

„Wieso auch? Hast du nun Ärger, oder nicht?“, wandte sich Noah wieder an Gabriel.

Der schüttelte tief durchatmend den Kopf. „Ich dachte, dass es dir eventuell unangenehm sein könnte, wenn ich kein Geheimnis aus meiner Zuneigung zu dir machen möchte.“

Noah betrachtete seinen Freund kritisch. „Wo ist jetzt das Problem? Solange du mich da nicht gerade flach legen willst, sehe ich da keinen Grund uns zu verstecken. Also hast du keinen Ärger am Hals?“

„Nein, gar keinen, alles super. Ich hole dich am Samstag um halb drei ab“, resignierte Gabriel.

„Okay, ich freue mich“, diese Freude wollte sich allerdings nicht auf Noahs Gesicht zeigen, was seinen Freund stutzen ließ.

„Was ist? Ich habe wirklich keinen Ärger, das war ein Missverständnis!“

„Nun ja … gibt es einen Grund wieso du mich heute nicht mehr sehen möchtest? Wir haben immerhin erst Freitag.“

Abermals prusteten die zwei Männer am Büro los und Gabriel lachte mit, bevor er Noah küsste.

 

Das war der Anfang eines Lebens für vier unterschiedliche Paare, deren Weg sich sicherlich so schnell nicht mehr trennen würde. Davon war Noah überzeugt. Sein Herz wurde warm bei dem Gedanken, dass er es seinem Vater zu verdanken hatte nun in die kristallblauen Augen von Gabriel zu sehen. Liebe durchströmte sein Herz und zum ersten Mal in seinem Leben, war er einfach nur glücklich und sein Verstand schwieg, wiegte sich im Einklang mit seinem Herzen, wie Schneeflocken die sanft den Weg zur Erde fanden.

 

Impressum

Texte: Rigor Mortis
Bildmaterialien: Rigor Mortis
Lektorat: Brigitte Mel
Tag der Veröffentlichung: 08.12.2014

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