Schwer seufzend legte Seth seinen Kopf auf den Schreibtisch, der ihm zugewiesen worden war. Von draußen prasselte der Regen gegen die Fensterfront. Zugegeben, das war eins der schönsten Büros, in denen er bisher gesessen hatte und doch … Seine Arbeitskollegen hörte er immer noch freudig lachen über das, was er in der Chefetage zu sehen bekommen hatte. Seth selbst fand das überhaupt nicht in Ordnung, nicht dass er etwas dagegen hatte, dass sich seine zwei Chefs miteinander vergnügten, aber doch bitte nach der Arbeit und vor allem nicht in den Büroräumen, wo jeder ungehindert Zutritt hatte. Gab es denn keinen Anstand mehr auf dieser Welt? Er wollte sich lediglich bei Stephan Blake vorstellen, der nach Informationen der Empfangsdame das Gebäude betreten hatte. Tja, und als Seth die Chefetage betrat, sah er beide Agenturoberhäupter in einem leidenschaftlichen Austausch von Körperflüssigkeiten, welche sie auf dem Schreibtisch von Christian White zelebrierten. Im Normalfall hätte Seth diese Aussicht genossen, beide Männer waren eine Augenweide und sicherlich würde er keinen der beiden von der Bettkante stoßen, jedoch im Moment… Sein Leben war ein Scherbenhaufen, sein Freund hatte ihn abserviert wie ein benutztes Taschentuch. Davor hatte er Seth allerdings noch geoutet und somit den Zorn der Familie Bolin auf sich und ebenso den einzigen Sohn der Familie gezogen. Seth war im hohen Bogen aus dem Haus seiner Eltern geflogen, mit Vorwürfen, die absolut haltlos waren. Denn plötzlich gab man ihm die Schuld daran, dass seine Schwester sich allerhand Geschlechtskrankheiten zuzog. Denn das war ja typisch für Schwule. Nur durch sie wurde es übertragen, das hatte Seth bis zu diesem Tag zwar nicht gewusst, aber als sehr informativ erachtet. Es bewies mal wieder, dass seine Eltern nicht nur komplett bescheuert, sondern auch noch wortwörtlich dumm waren.
„Seth Bolin?“, schrie plötzlich jemand seinen Namen. Alle Büros in dieser Etage waren, wie das der Chefs mit Glasfronten versehen, es gab somit nichts, was man nicht sah. Ob das der kompletten Kontrolle diente, oder eher freundlicher wirken sollte, konnte Seth nicht sagen. Nun war auch nicht der richtige Augenblick, sich darüber Gedanken zu machen, stattdessen erhob er sich und ging in den Flur. Dort stand Stephan Black an der Sprechanlage, die jedes Büro erreichte.
„Da ist er. Herzlich willkommen bei uns in der Agentur.“
„Ich danke für die Chance bei Ihnen arbeiten zu dürfen, Mister Black.“
Der dunkelhaarige Mann mit dem Dreitagebart sah ihn nun stirnrunzelnd an, bevor er die Sprechanlage abermals betätigte. „Florian, bitte in den Flur.“
Ein schmaler Mann, mit gerauften schwarzen Haaren und einer typischen Streberbrille auf der Nase, trat aus einem Büro. Verwundert sah Seth, dass dessen Glasfront nicht durchsichtig war.
„Hallo Stephan, wie geht es Susanna?“, trat Florian, wie ihn der Layout-Chef nannte, zu ihnen.
„Besser, ich bin aber auch gleich wieder weg. Hast du ihn nicht richtig eingewiesen?“
Seth kam sich vor, als würde er gar nicht existieren, so wie Black über ihn sprach.
„Ich habe ihm ein Memo zukommen lassen, mit allen Regeln und Informationen der Firma, wie wir es bei jedem Neuen machen.“ Irritiert stupste der Kleine seine verrutschte Brille wieder auf die richtige Stelle.
„Florian, einweisen heißt nicht ein Memo zu verschicken“, nachsichtig lächelnd schüttelte Stephan den Kopf. „Also Seth. Hier duzen wir uns, es gibt kein Sie. Kommst du nicht damit klar, du kennst sicherlich den Ausgang. Dein Büro kannst du mit dem „Lichtschalter“ direkt an der Wand isolieren, damit keiner hineingucken kann. Licht geht hier automatisch an oder aus, je nach Sonnenintensität. Du bist für Texte und Layouts eingestellt worden und natürlich erlauben wir uns einen Test. Für diesen Kunden wirst du bis morgen einen ersten Entwurf fertigstellen. Schaffst du das nicht oder traust es dir nicht zu, steht es dir frei zu gehen. Wo du deine Arbeit erledigst, ist uns an sich egal. Florian ist auch fürs Inventar zuständig und kann dir einen Laptop mit neuester Technik zur Verfügung stellen. Lediglich zu Meetings hast du hier zu sein. Noch Fragen?“
Seth stockte der Atem, bis er sich wieder besann. „Nicht wirklich, damit sind alle Fragen beantwortet!“ Er nahm den Zettel seines Chefs entgegen und sah sich den Kunden an. Ein Parfümhersteller, dessen neues Produkt beworben werden sollte, mit dem Namen Couple. Bis morgen einen Entwurf zu machen, war an sich nicht zu viel verlangt, wenn es sich nicht gerade um den Duft für Verliebte handeln würde. Kurz spielte Seth mit dem Gedanken, seine Sachen zu packen, doch was dann? Schließlich hatte man ihn offiziell abgeworben und sein alter Chef hatte das schmunzelnd wahrgenommen, während er ihm hämisch alles Gute wünschte. Black & White war für Perfektionismus bekannt. Wer es einmal in ihr Team schaffte, war in jeder Werbeagentur angesehen. Und doch dauerte es, bis man sich bewiesen hatte und dazu gehörte. Hart, aber herzlich, unnachgiebig, aber loyal. So die Gerüchte, die sich um die beiden Chefs rankten.
„Florian, ich erwarte, dass du ihm alles gibst was er braucht. Wenn was ist, Christian und ich sind per Handy jederzeit zu erreichen, aber bitte nur im Notfall!“
„Selbstverständlich.“
„Seth, wir sehen uns.“
Schon war Stephan Black weg. Etwas überfordert mit dessen Art sah Seth zu Florian, doch auch dieser war schon losgegangen. „Komm!“, forderte er ihn auf. Seth musste schon bald rennen, um dem Mann zu folgen, dessen Hinteransicht ein Ziehen in seiner Lende auslöste. Es wurde eindeutig Zeit, Druck abzulassen, aber sicher nicht in der Firma, auch wenn er dem Hintern nicht abgeneigt war. Klein, schmal und wenn er seine Handflächen und dessen Backen betrachtete, würden sie sicher miteinander harmonieren. „Ich kann dir gerne ein Bild machen lassen!“
„Bitte?“ Irritiert sah Seth auf, doch Florian hatte sich nicht umgedreht.
„Wenn dir mein Hintern so gut gefällt, kann ich dir ein Foto machen, dann brauchst du nicht so offensichtlich in der Öffentlichkeit zu starren.“
„Habe ich gar nicht!“
Langsam drehte sich das Objekt seiner Begierde um. „Ich bin nicht blind und dein Blick hat mich fast ausgezogen. Wenn du ein Foto brauchst, sag es, aber hör auf, mir auf den Arsch zu starren!“
Das schlug nun wirklich dem Fass den Boden aus. Was fiel diesem Kerl ein? Seth traute seinen Ohren nicht, setzte zu einer Antwort an, doch dann sah er seinem Gegenüber in die Augen. Heller Bernstein funkelte ihn an und verschlug ihm komplett die Sprache. Statt etwas zu erwidern, nahm er den Laptop in Empfang, welchen Florian aus einer Kammer nahm. Woher diese plötzlich kam, wusste Seth nicht, es war ihm auch schlichtweg egal. Gerade hatte er genug damit zu tun, diese Augen aufzunehmen, die er nicht einzuordnen wusste. Doch eins war klar, er kannte sie bereits und das sicher nicht aus irgendeinem Darkroom. Es war ein warmes Gefühl in ihm, was eher auf eine Art Freundschaft tippen ließ. „Kennen wir uns?“, fragte er nun gerade heraus.
„Du heißt Seth, ich Florian, wir haben uns schon am Telefon unterhalten, somit gehe ich davon aus, dass wir uns nicht unbekannt sind. Nun entschuldige, meine Arbeit wartet auf mich.“ Damit wandte sich Florian ab und fuhr sich durch sein schwarzes Haar. Seth konnte nur starren, kam sich irgendwie vor wie im falschen Film, doch warum verstand er nicht.
Wahrscheinlich lag es an seiner mentalen Verfassung, die momentan wirklich nicht die beste war. Das Outing, die Trennung, der Umzug, der Bruch mit seiner Familie, das alles schien ihm näher zu gehen, als er wahrhaben wollte. Im Moment konnte er nur noch einen Gedanken verfolgen und der war, aus der Agentur zu verschwinden. Eilig packte er seine Sachen und machte sich auf den Heimweg. Zumindest wenn man es so nennen wollte. Das Apartment, was man ihm besorgt hatte, war lieblos eingerichtet und gerade mit dem Nötigsten bestückt.
Erschöpft ließ Seth seine Sachen auf den Boden gleiten und sich selbst die Wand hinab. In Selbstmitleid versinkend schloss er die Augen und hoffte, dass alles nur ein Traum war.
Florian lehnte schwer atmend gegen seine Bürotür. So hatte er sich die Begegnung mit Seth nicht vorgestellt, vor allem nicht, dass dieser ihm … Herr Gott, Seth Bolin hatte ihm auf den Arsch gestarrt … was war das für eine verdrehte Welt? Der Frauenheld aus High-School-Tagen starrte einem Kerl auf die Kehrseite? … Irgendwas hatte Florian verpasst. Im Nachhinein fragte er sich auch, wieso er Seth nicht erzählt hatte, woher sie sich kannten. Vielleicht aus Angst, dass der andere nicht mehr wusste, wer er war? Oder eher die Befürchtung, dass Seth herausfand, wieso er die Stellung hier bekommen hatte? Florian wollte sich nicht erklären, lediglich eine alte Rechnung begleichen.
Seufzend stand er da und seine Augen wanderten durch das Büro, blieben auf einem Päckchen hängen. „Verdammt!“ Das hatte er vergessen. Eilig suchte er die Handynummer von Seth raus und schickte ihm eine Kurznachricht, dass das Paket der Parfümfirma noch im Büro lag, was ihm eventuell helfen würde bei seiner Idee. Wieso er ausgerechnet seinen Namen darunter geschrieben hatte, fragte er sich, nachdem die Nachricht fort war. Seth brachte ihn aus dem Konzept und das war gar nicht gut.
„Sag mal Flo, hattest du schon mal eine Freundin?“
„Nein!“
„Du bist fast 17 Jahre, meinst du nicht, es wird mal Zeit, oder stehst du etwa auf Kerle?“
Florian ignorierte das spöttische Grinsen seines Klassenkameraden. „Ja!“, antwortete er stattdessen ehrlich.
„Scheiße, der Kleine steht auf Kerle! Rettet eure Ärsche!“, hallte es durch die Umkleide. Ergeben senkte Florian seinen Blick. Wieso hatte er auch ehrlich auf die Frage seiner Klassenkameraden geantwortet? Gerade waren sie vom Sportunterricht gekommen und zogen sich um.
„Sicher nicht auf deinen, wenn es dich beruhigt!“ Seine Stimme klang gelangweilt und desinteressiert. Woher er diese, als Coolness bekannte, Art nahm, wusste er nicht.
„Ach, hast du auch noch Ansprüche? Ich dachte, solche Typen wie du wären um jeden Schwanz froh, den sie lutschen dürfen!“ Dabei packte der Kerl seine Schultern und versuchte ihn nieder zu drücken.
In dem Moment ging die Tür zur Umkleide auf und das Footballteam mit seinem ältesten Bruder tauchte auf. Genau dieser schien mit einem Blick die Situation zu erfassen.
Tom war schon 18, spielte seit Jahren Football und war angesehen, doch all das interessierte ihn nie, wenn einer sich an seinen Geschwistern verging. Florians Homosexualität war in der Familie bekannt und akzeptiert. „Finger weg von meinem Bruder!“
„Uhhh, soll ich Angst vor dir haben, Kennedy? Dein Bruder ist eine Schwuchtel und du?“
Statt Tom drängte sich Seth Bolin vor, riss den Klassenkameraden von Florian weg und drängte ihn an die Wand, während seine Hand den Hals umfasste. „Pass mal auf, du hast die Finger von Florian zu lassen, solltest du das nicht tun, wirst du ein schweres Leben haben. Ich mach dich fertig!“
Das war der Beginn der Freundschaft von Florian zu der Footballmannschaft. Wieso sich diese auf seine Seite gestellt hatten, wusste er nicht, auch sein Bruder hatte sich diesbezüglich nie geäußert. Doch gerade bei Seth stand er in der Schuld. Der Mädchenschwarm der Schule verbrachte jede Pause bei mit ihm, begleitete ihn selbst zu manchen Freizeitaktivitäten. Bis Florian ein Jahr später ging. Die Eltern hatten sich getrennt und seine als Lehrerin arbeitende Mutter hatte sich versetzen lassen. Florian ging mit ihr, Tom und ihr jüngster Bruder Noah hatten sich für den Vater entschieden.
Florian hasste es, an die Vergangenheit zu denken, auch wenn sie ihm immer wieder schöne Frequenzen seiner Jugend zeigte, konnte er die Zeit seiner „Selbstfindung“, wie es seine Mutter bezeichnet hatte, nicht leiden. Das waren mittlerweile gut zehn Jahre her und seither hatte sich so viel verändert. Seine Haare färbte er sich seit Jahren schwarz, um nicht mehr als kleiner blonder Twink aufzufallen. Diese Bezeichnung hatte ihn schon immer gestört. Den Genen sei Dank, oder eben nicht, sah er verdammt jung aus. Als er sich vor vier Jahren bei Stephan und Christian vorgestellt hatte, dachten diese erst, er wollte ein Praktikum bei ihnen machen … welch Trugschluss das war, hatte er ihnen bewiesen. Sie waren gerade an den Kalkulationen für ihre Preise dran und Florian zeigte den zwei Männern, dass sie sich so in den Ruin arbeiten würden. Seither hatte er das Rechnungswesen der Firma übernommen. Alles, was mit Zahlen zu tun hatte, war seine Arbeit. Die Chefs vertrauten ihm und das war mehr Lob als Florian je erwartet hatte.
Ein zaghaftes Klopfen holte Florian aus seinen Gedanken und als er die Tür öffnete, stand ein durchnässter Seth vor ihm. „Ich wollte das Paket holen.“ Die Schultern hingen, seine Mimik war versteinert, obwohl Florian meinte, Schmerz in den Augen erkannt zu haben.
„Klar, steht da. Willst du ein Handtuch?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, zog Florian eines aus seinem Büroschrank. Dank seines „Glückes“ kam er meistens in einen Regenguss und somit nass im Büro an. Wechselkleidung und Handtücher lagen seither in dreifacher Ausführung in seinem Schrank.
„Danke. Was ist in dem Päckchen?“
„Ich weiß es nicht. Guck rein.“
Das tat Seth und Florian beobachtete ihn, wie er es vor zehn Jahren schon gerne tat. Heimlich selbstverständlich, wie hätte er auch erklären sollen, wieso er den besten Freund seines Bruders anhimmelte. Damals war er davon ausgegangen, dass sich Seth nur für Mädchen interessierte … doch seit dem Morgen war er sich da nicht mehr so sicher. Wie früher kaute Seth voller Konzentration seitlich auf den Lippen, während sich seine Stirn runzelte. „Parfüm, soll ich das jetzt auch noch testen?“ Augenverdrehend öffnete er eine der Schachteln, entnahm eine lilafarbene Flasche. Den Zerstäuber auf sein Handgelenk gerichtet, sprühte er die feinen Tröpfchen auf seine Haut. „Riecht nach Flieder … Oh Mann.“ Florian roch keinen Flieder, schloss bei dem Geruch, der bei ihm ankam, genussvoll die Augen. Frisch gebackener Schokoladenkuchen mit einem flüssigen Kern … er schmeckte es förmlich. „Du magst Flieder?“
„Nein, aber den Geruch von frisch gebackenem Schokoladenkuchen … Es ist fast so, als würde er vor mir stehen.“
Seth sah ihn irritiert an. „Du riechst was anderes als ich?“
„Scheinbar, gib mal her!“ Schon entnahm er ihm den Flakon und sprühte das Parfüm auf seinen Arm. „Flieder? Scheinbar hast du recht … Aber wie komm ich dann auf … was ist?“
Nun war es an Seth, die Augen genussvoll zu schließen. „Kakao mit Sahne und Schokoladenraspeln … Aber nicht dieses Pulverzeug, der richtige Kakao …“ Langsam leckte er über seine Lippen und neigte sich Florian zu. Dieser trat mit aufgerissenen Augen zurück.
„Hey, was hast du vor?“
Wie benommen öffnete Seth die Augen und entfernte sich verlegen. „Entschuldige, der Duft war zu verlockend.“
„Okay … aber wieso riecht es so verschieden? Steht da was dabei?“
Seth packte das Paket weiter aus und versuchte, nicht dem Drang nachzugeben, wieder näher zu Florian zu rücken. Neben allerhand Einpackpapier fand er dann eine Produktbeschreibung. „Couple, ein Parfüm, das bei jedem Menschen anders wirkt. Das Produkt geht mit den Hormonen der Person eine Verbindung ein, so dass es einen individuellen Duft entstehen lässt. Die Person selbst riecht es an sich als Flieder, doch auf die Menschen in der Umgebung wird es jeweils eine andere Duftrichtung haben. Blumige Düfte lassen auf Sympathie deuten, scharfe bis beißende eher auf Abneigung. Von tieferer Zuneigung spricht man bei Obst oder süßen Düften.“
„Das ist doch ein Witz!“, kommentierte Florian, schmiss die Flasche in den Karton und reichte alles zu Seth. „Viel Erfolg. Meeting ist um neun, dann sollte dein Entwurf stehen.“ Dass er sein Gegenüber damit vor den Kopf stieß, war ihm nur allzu bewusst, doch sein Körper kribbelte, der Geruch wollte nicht mehr aus seiner Nase weichen und ließ Erregung in ihm aufsteigen. Die musste er unterdrücken, denn es hatte sowieso keinen Sinn. Nie wieder würde er jemanden an sich heranlassen.
Kaum hatte Seth das Büro verlassen, sackte Florian an der Wand hinab, presste seine Hand auf seinen schmerzenden Penis und versuchte, sich die Erregung wegzudrücken. Er hasste dieses Gefühl, welches sein Gehirn vernebelte und ihn zu einem willenlosen Etwas werden ließ. Was andere genossen, hatte er mehr als einmal bereut, dank seines Ex, doch an diesen wollte er nicht denken. Stattdessen setzte er sich an die Rechnungen, die raus mussten und verdrängte so die Gedanken der Vergangenheit.
Wieso war Seth eigentlich so schnell ins Büro zurückgekommen? Nur weil dieser Kerl ihm geschrieben hatte? „Natürlich nicht!“, raunte er zu sich selbst. „Das Paket, nur deshalb!“ Umso öfter er sich das einredete, schien es auch Früchte zu tragen, wenn dieser Geruch in seinem Riechorgan nicht gewesen wäre. Kakao mit Sahne und Schokoraspeln, alles frisch zubereitet, wozu benötigt man da schon Fertigprodukte. Es gab nichts Besseres, um die Nerven zu beruhigen und Seth` waren zum Zerreißen gespannt. Also wieder im Eiltempo durch den Regen nach Hause, dort stellte er sich sofort vor den Herd und strampelte seine nassen Klamotten ab, während er den Topf beobachtete, in dem die Milch langsam anfing zu köcheln.
„Ich dachte, du liebst mich.“ Standhaft hielt Seth seine Tränen zurück und sah seinem Ex-Freund in die Augen.
„Liebe, du machst immer so, als wäre das so ein großes Wort. Ich liebe auch den Fernseher und wechsle ihn durch ein besseres Modell aus.“
In dem Moment brach alles in Seth, hatte ihn der Mann, mit dem er seit einem Jahr das Bett teilte, ernsthaft mit einem Fernseher verglichen? Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hatte sich Seth abgewandt und war gegangen. Die Kälte der Nacht berührte ihn nicht, den weinenden Himmel ignorierte er geflissentlich, was war das alles schon wert? Er hatte nichts mehr, keine Familie, keinen Freund, keine Liebe. Tränen mischten sich mit dem Regen und blieben somit ungesehen. Das dumpfe Gefühl in seinem Inneren schien sich auszubreiten. Blind lief er durch die Nacht. Was sollte jetzt werden?
Durchnässt, zitternd, mit blauen Fingern fand er sich auf einer Brücke wieder, sah hinab auf den Fluss, der durch den Dauerregen in die Breite gegangen war. „Wenn ich nicht so feige wäre …“ Seine eigene Stimme verstummte durch eine eingehende Nachricht. Ein kleiner Hoffnungsschimmer machte sich in ihm breit, vielleicht hatte es sich sein Freund anders überlegt.
Es war nur eine E-Mail. Irritiert sah Seth den Absender Black&White … was wollten die von ihm? „Stellenangebot als Werbetexter und Grafiker!“ Erst wollte Seth sie löschen, doch dann fiel sein Blick auf den Ring, den er vor einem halben Jahr von seinem Ex bekommen hatte. Mit Mühe streifte er ihn ab und schmiss ihn in den Fluss. „Viel Spaß mit deinem Fernseher!“, schrie er dem Ring nach, sank zu Boden und vergaß alles um sich herum, während seine Tränen zu einfachem Wasser wurden.
Die Gedanken verdrängend nahm Seth seinen Kakao und zog sich damit auf die Couch zurück. Den Laptop auf den Beinen wartete er, dass sich dieser hochfuhr und preisgab, was er in sich beherbergte. Genüsslich schlürfte Seth am Kakao, den er dann missmutig betrachtete. Dieser schmeckte nicht so wie sonst. Stattdessen dachte er an Florian und dessen Geruch, der viel intensiver war, als es je diese braune Brühe in seiner Hand sein konnte. Deprimiert stellte er die Tasse weg und begab sich stattdessen daran, was er bis zum Morgen fertig haben musste. Gedanken an die Vergangenheit oder Gegenwart brachten ihn nicht weiter. Seth atmete tief durch und begann alles aufzuschreiben, was ihm zu dem Parfüm einfiel. Als er das letzte Mal auf seinen Bildschirm blickte, war ein Rohentwurf zu sehen, der Text stand und er klappte den Laptop zu.
Mit einem bedrückenden Gefühl in der Brust ging er ins Bett und versuchte, in einen ruhigen Schlaf zu gleiten. Stattdessen verfolgte ihn der Geruch nach Kakao und braune Augen, die ihn verschreckt ansahen und doch auch forsch und herausfordernd. Selbst im Traum fragte er sich, woher er Florian kannte.
Der Morgen verlief in geregelten Bahnen. Seth stand um sieben auf, gönnte sich einen Kaffee und ein Brötchen, bevor er sich für die Arbeit fertig machte. Das Wetter versprach einen schönen Tag und die gute Laune stellte sich von alleine ein. Pünktlich stand er im Konferenzbüro und präsentierte seinen ersten Entwurf.
Stephan saß mit der Lupe darüber und dann zoomte er das Bild am Laptop näher. „Du musst die Ränder besser bearbeiten, auf einem Plakat würde es einem direkt ins Auge springen.“
„Ich werde darauf achten“, mühsam unterdrückte Seth ein Grummeln, er hasste es, kritisiert zu werden.
„Der Text ist nicht schlecht, aber findest du die Behauptung, mit dem Parfüm die Liebe zu finden, nicht etwas übertrieben?“ Christian sah ihn stirnrunzelnd an. Statt einer Antwort reichte Seth seinem Chef den Flacon. Kritisch schnüffelte Christian daran, sprühte es erst Stephan und dann sich auf die Hand. Was dann folgen würde, ahnte Seth schon und packte seine Sachen zusammen. Doch so schnell kam er nicht weg, da fingen seine Chefs bereits an, sich zu küssen. In seiner Eile stieß Seth gegen das Parfümfläschchen, welches auf dem Boden landete und zerbrach. Die Flüssigkeit tränkte seine Hose, doch das war ihm jetzt egal. Während Stephan sich gerade auf Christians Schoß niederließ und der dessen Hemd aufknöpfte, stürmte Seth auch schon zum Aufzug. Er hatte nichts gegen Verliebte, doch es ging eindeutig zu weit, dass er die zwei abermals in solch einer prekären Situation sah.
Doch wie das so ist, bei einem Unfall sollte man auch nicht hinsehen, tut es aber trotzdem. Schmunzelnd verbarg sich Seth hinter der Fahrstuhltür und war froh, als sich diese schloss. Er würde unten von einer Konferenzschaltung erzählen, damit die zwei ihre Ruhe hatten. Liebe war an sich etwas Schönes und selbst wenn sein Herz noch nicht verheilt war, gönnte Seth anderen ihr Glück. Schließlich dachte er vor weniger als zwei Wochen auch noch, er wäre auf Wolke sieben, dabei war er da schon am Fallen gewesen. Es gab so viele Anzeichen, wie er im Nachhinein feststellte, doch er hatte nicht eins ernst genommen.
Als sein Ex ihm dann auch noch vor seiner Familie die Zunge in den Hals steckte, in den Schritt griff und die schockierten Eltern angrinste, spätestens da hätte Seth es wissen müssen. Einen Tag später bestätigte es sich dann auch. Es war enttäuschend, dass dieser Mistkerl sich nicht dafür interessierte, dass Seth sich noch nicht outen wollte.
Seufzend trat er aus dem Fahrstuhl und stieß prompt mit Florian zusammen. Dieser sah schlicht gesagt beschissen aus. Tiefe Augenringe, zerzaustes Haar und die Schultern hingen. Gerade als Seth fragen wollte, ob er ihm helfen könnte, wurde er zurück in den Fahrstuhl gedrückt, dessen Tür sich schloss, und fand sich schon bald an der Aufzugwand wieder. Florian stand eng an Seth gepresst. Dann schien ihm erst bewusst zu werden, was er tat und suchte Abstand. „Entschuldige, der Geruch…“
„Mir ist die Flasche zerbrochen.“ Seth war zu irritiert, als dass er außer diesem Satz etwas heraus bekam.
Die glühenden braunen Augen fixierten seine Lippen und dann spürte er sie. Florian küsste ihn, nicht zart und alles andere als liebevoll, jedoch konnte Seth nichts dagegen tun, dass er es trotzdem genoss.
„Fuck!“ Fluchend trennte sich Florian und zerzauste sich sein Haar noch mehr. Und dann erkannte Seth ihn.
„Flo … Florian Kennedy, du bist der Bruder von Tom.“
Die sich öffnende Tür kam Florian scheinbar nur recht, denn schon rannte er raus. Sprachlos sah Seth ihm hinterher, verstand nicht wirklich, was passiert war. Gerade kosteten sie voneinander und nun stand er alleine da, mit wirren Gedanken und einem Kribbeln in den Lenden. Was war nur in den Typ gefahren, lag es daran, dass er wieder wusste, wer er war?
In Gedanken versunken ging er zu seinem Büro und fragte sich, was er jetzt tun sollte. Unbewusst öffnete Seth den Laptop und suchte Tom Kennedys Nummer.
Seinen Freund aus Schultagen anzurufen, war sicher nicht die Lösung für seine Fragen, die ihm im Kopf herumschwirrten, jedoch gab es ihm Halt wie in früheren Zeiten.
„Kennedy!“
Das Glück war Seth hold und so hatte er direkt seinen alten Freund am Telefon. „Bolin, guten Tag!“
„Seth?“
Das Erstaunen konnte er hören und sich ein Lachen nicht verkneifen. „Hallo, wie geht’s dir?“
„Gut … ich bin nur gerade erstaunt. Seth Bolin, wir haben uns mindestens fünf Jahre nicht gehört.“
„Es sind schon sechs, aber ich will nicht überkorrekt erscheinen. Ich habe eben an dich denken müssen und dachte, es wäre an der Zeit, mich mal zu melden.“
„So? Und wieso musstest du an mich denken?“
Seth atmete durch, unterdrückte, die letzten Minuten wieder wachzurufen. „Ich arbeite jetzt in einer Werbeagentur… Black und White …“
„Du arbeitest mit Flo zusammen? Wie geht es ihm?“ Aufregung klang in der Stimme seines ehemaligen Schulkameraden mit.
„Recht gut, würde ich behaupten. Ich hab ihn erst nicht erkannt. Aber solltest du das nicht besser wissen als ich?“
„Nun ja… seit er mit Mutter weggegangen ist, haben wir uns selten gesehen, wie du weißt, und seit er seinen Freund hat, erst recht nicht.“
Die Information sackte nur langsam in Seth’ Gehirn. „Freund?“
„Den hatte er zumindest vor ein paar Jahren und da ging es ihm alles andere als gut. Er war abgemagert und aschfahl.“
„So sieht er nicht aus. Wirklich nicht. Florian ist schmal wie immer, also wie er schon in der Schule war, aber sonst erscheint er mir recht gesund und mit genügend Schlaf.“
„Das beruhigt mich wirklich. Wieso rufst du wirklich an?“
Tom kannte ihn zu lange und viel zu gut. „Er verhält sich etwas merkwürdig. Ich bin überzeugt, er weiß, wer ich bin, aber hat sich nichts anmerken lassen. Was mich natürlich etwas irritiert.“
„Merkwürdig, eindeutig, aber da kann ich dir nicht helfen, oder gar sagen, was ihn dazu bewegt hat. Wieso fragst du ihn nicht einfach, soll ich dir seine Adresse geben?“
Die Idee war genial und kaum dass Seth sie notiert hatte, war ihr Gespräch auch schon beendet und er auf dem Weg zu seinem Wagen. Hoffentlich war Florian überhaupt zu Hause und hatte sich nicht bei irgendeinem Freund verkrochen, an den Seth nicht denken wollte. Er hätte ihn doch nicht geküsst, wenn er …
Grummelnd stieg Seth aus seinem Auto und ging auf das Mehrfamilienhaus zu, zu welchem ihn die Adresse geführt hatte. Ein Blick reichte und zeigte ihm die Klingel zu Florians Wohnung. Doch ob dieser ihm überhaupt öffnen würde, wenn er sich über die Gegensprechanlage meldete, war fraglich. So entschied sich Seth, bei einem Nachbarn zu klingeln. Mit einer Ausrede wartete er auf eine Reaktion, doch ihm wurde lediglich die Tür per Summer geöffnet, ohne überhaupt zu fragen, wer er war. Fünf Minuten später klopfte Seth gegen die Tür, die den Namen Kennedy auswies.
Mit gesenktem Blick öffnete Florian die Tür und rieb sich müde durchs Gesicht, bevor er aufsah und die Augen aufriss. „Was … wie …“
„Tom hat mir deine Adresse gegeben, er lässt dich grüßen und schien sehr besorgt um dich.“
„Tom? Oh Gott, was hast du ihm erzählt?“
„Nichts, er fragte nach dir und war recht erstaunt, dass es dir nicht so schlecht geht, wie er wohl erwartet hat.“
Die Erleichterung stand Florian ins Gesicht geschrieben. „Gut und nun geh bitte!“
Seth traute seinen Ohren nicht. „Wie, ich soll gehen, wieso? Ich wollte was mit dir klären.“
„Ein anderes Mal, versprochen, aber jetzt musst du wirklich gehen.“
„Wieso bist du so nervös? Erwartest du deinen Freund?“ Wie er das Gefühl in sich beschreiben sollte, wusste Seth nicht, doch irgendetwas in ihm verlangte sich das Recht heraus, diese Frage zu stellen.
„Nein … ja, also …“ Florian sackte regelrecht in sich zusammen. „Mein Ex kommt und holt seine letzten Sachen ab und wenn er dich hier sieht .... ich weiß nicht, wie er reagiert.“
„Was soll das heißen?“ Ein unwohles Gefühl breitete sich in ihm aus. Die Worte von Tom kamen ihm in den Sinn … die Besorgnis, der angeblich schlechte Zustand.
In dem Moment schlug im Flur die Haustür des Mehrfamilienhauses zu und schwere Schritte erklommen die Treppe. „Verdammt.“ Florian atmete hastig und fuhr sich fahrig durchs Haar.
„Wie lange seid ihr getrennt?“
„Sechs Monate … ich konnte das nicht mehr und … verdammt, was jetzt?“
Seth sah die blonden Haare, die zuerst von Florians Ex zu sehen war, dann tauchte dieser komplett auf. Gerade hatte er noch mit einem Bär von einem Mann gerechnet, doch dann stand da eher ein Durchschnitts-Exemplar. Ungefähr seine Größe, somit 180 Zentimeter, blonde kurze Haare und grüne Augen blitzten ihm schon bald entgegen. Ein leichter Bauchansatz wurde von einem hautengen T-Shirt gefangen gehalten. Abschätzend maßen sich ihre Blicke und Seth lehnte sich gelassen gegen den Türrahmen und sah zu Florian, der erstarrt wie eine Salzsäule die Luft anhielt.
„Wer ist das?“, raunte der Typ und entlockte Seth ein Schmunzeln. War der Kerl wirklich eifersüchtig?
„Das geht dich nichts an. Hol deine Sachen und verschwinde!“, regte sich Florian und zog Seth hinein. „Bleib jetzt bitte!“, flehte er ihn leise an. Seth nickte kaum merklich und stellte sich hinter seinen Arbeitskollegen, dessen Hände zitterten, als würde er eine Katastrophe erwarten. Dabei sah sein Ex nicht wirklich brutal aus und machte ihm nicht den Eindruck, als würde er Florian gefährlich werden können. Vor allem, was wollte der Typ nach einem halben Jahr? Dann verschlug es Seth die Sprache, der Namenlose fasste Florian an der Schulter, streifte mit seinem Daumen an dessen Schlüsselbein entlang.
Florian trat zurück, stand somit direkt an Seth gelehnt und versuchte, den Berührungen zu entkommen. „Lass mich in Ruhe, Lex, ich will das nicht!“
„Wie lange? Komm sag nein und ich beweis dir, wie sehr du es willst!“ Lex trat wieder näher, erhob seine Hand, doch dieses Mal reagierte Seth und fing sie ab.
„Was verstehst du nicht? Dass du ihn in Ruhe lassen oder verschwinden sollst? Beides erläutere ich dir gerne.“ Langsam brodelte in ihm die Wut hoch. Die Bilder von ihrer Schulzeit blitzten in seinem Gedächtnis auf.
„Bist du sein neuer Stecher? Ich kann dich verstehen, ist schon Wahnsinn, was der Kleine alles für ein bisschen Streicheleinheiten macht, nicht wahr? Solange du in seinem Sichtfeld bleibst, kannst du richtig Asche mit ihm machen!“ Lex grinste, riss sich von Seth los, fuhr Florian mit den Fingern über die Lippen und zwinkerte. „Ich bekomm dich wieder.“ Mit diesen Worten ging er in ein angrenzendes Zimmer und verschwand samt einer Tasche aus der Wohnung.
Seth drehte Florian um, der sich sofort von ihm löste und an der Wand hinab rutschte.
„Was war das gerade? Flo?“
„Du hast doch gehört, was er gesagt hat, was soll ich dir da noch erklären?“
„Vielleicht, wie er das gemeint hat!“
„Dass ich so blind vor Liebe war, dass er mich verkauft hat, an jeden, der einen Schein springen ließ.“
Er hasste es, ehrlich zu sein. Florian kämpfte mit den Tränen, die sich unaufhörlich ihren Weg aus seinen Augen arbeiteten.
„Er hat dich prostituiert und du hast nichts dagegen getan?“
Florian wagte es nicht aufzusehen, aus Angst, Ekel zu erkennen, den er durchaus nachempfinden konnte. Der begegnete ihm jeden Morgen im Spiegel. Jedes Mal, wenn er Lust empfand, seine Hormone die Kontrolle über seinen Körper erlangten, und ihn zu einem willenlosen Stück Fleisch machten. Wie viele Männer sich an und in ihm oder wie auch immer vergangen hatten, konnte er nicht sagen. Sein Blick war immer auf Lex gewesen und dann war für ihn alles gut. Die Therapie wegen der Sache hatte ihm klar gezeigt, wie sehr er seinen Gefühlen verfallen war und lehrte ihn deutlich, Abstand zur Liebe zu suchen. Auch wenn sein Therapeut was anderes sagte, war es für Florian die einzige Möglichkeit, dem Ganzen aus dem Weg zu gehen. Nie wieder würde er sich so auf einen Mann einlassen. Sich nicht mehr vergessen und willig folgen, nicht einmal seiner Jugendliebe, für den er extra einen Job frei gemacht hatte. Langsam erhob sich sein Blick und er sah in Seth‘ mitfühlende Augen.
„Es war nicht gewollt, richtig? Wie hat er dich dazu gebracht?“
„Ich bin selbst schuld … ich hätte nein sagen müssen, doch ich hab alles um mich vergessen.“
„Du hast dich fallen lassen, hast ihm vertraut … was normal ist in einer Beziehung und er hat es schamlos ausgenutzt, hat DICH benutzt. Flo, dafür kannst du nichts!“
„Das sagte Chris auch, als er mich aus dem Club geholt hat, aber … Ich muss die Distanz wahren. Darf mich nicht vergessen, niemals mehr.“ Es war gerade Mittag und doch konnte Florian nichts dagegen tun, dass seine Augen eine Auszeit verlangten.
„Ich heb dich hoch und leg dich ins Bett, okay? Bitte erschreck nicht, Florian, ich bin dein Freund und will dir nichts tun … niemals!“ Das Letzte hatte Seth nur geflüstert und doch blieb gerade das Wort in Florian hängen. Es klang so ehrlich, wie ein Versprechen, das ihm sein Freund schon vor Jahren gegeben hatte.
Sanft tupfte Seth an Florians Lippe mit einem Taschentuch entlang, trocknete seine Tränen und lächelte ihn aufmunternd an. „Sagte ich dir nicht, du sollst warten?“
„Hab ich doch, aber die haben mich hierher gezerrt.“
„Die bekommen ihre Abreibung, mach dir darüber keine Gedanken und ab jetzt wirst du immer auf Tom und mich warten, denn bei uns passiert dir nichts. Ich werde dir nie etwas antun, niemals! In Ordnung?“
„Versprochen?“
„Ein Eid auf mein Leben, Kleiner.“ Seth lächelte, drückte ihm das Taschentuch in die Hand und tauschte mit Tom den Platz, dann rannte er los.
Das nächste Mal, als Florian Seth sah, hatte er ein anschwellendes Auge, die Wange verfärbte sich und er grinste. Ebenso drei weitere Jungs des Football-Teams, die sich beglückwünschten, wie gut sie den „Arschlöschern“ ihre homophoben Gedanken aus dem Hirn geprügelt hatten.
Jeder hatte eine Verletzung, doch statt sich deshalb zu bemitleiden, hatten sie sich um Florian gekümmert. Sie versuchte, dessen Selbstbewusstsein aufzubauen und seine drüben Gedanken zu verscheucht.
Doch niemand war ihm so in Gedanken geblieben wie Seth, denn dieser war den ganzen Tag an seiner Seite geblieben, hatte sich um ihn gekümmert und sich gleichzeitig einen ewigwährenden Platz in seinem Herzen geschaffen.
„Entschuldige, Christian, ich hab … oh Mann. Ähm, sag mal, hast du viel mit Florian zu tun … ja gut, pass auf, Lex war hier und … super, danke.“
Das Gehörte drang nur langsam in seine Gehirnwindungen, bis er verstand, was vor sich ging. Seth hatte Christian angerufen. Oh nein, das würde heute böse enden. Ergeben ließ er sich abermals in die Dunkelheit seines Schlafes ziehen und hoffte, den Besuch seines Chefs und gleichzeitig Vertrauten zu verschlafen.
„So Flori, jetzt atmest du tief durch und ich verspreche dir, dass du es genießen wirst.“ Lex fuhr ihm mit der Zunge über die Lippen, seinem Ohr entlang hinab bis zum Schlüsselbein. Florian verlor in diesem Moment seinen Verstand. Sein Körper war von Geilheit besetzt und wollte Erlösung. Lex nahm vor ihm Platz, vereinnahmte seinen Blick und winkte währenddessen den ersten an den Tisch, über den er seinen Freund gelegt hatte.
Hart und unerbittlich wurde Florian erobert, wollte schreien und sich dem entziehen, doch wurde von Lex angehalten „Tu es für mich, für dich, du wirst sehen, so gut wurdest du noch nie gefickt.“ Abermals fuhr seine Zunge ihren Weg. Stellen, an denen Florian seinen Verstand verlor und zu einem willigen Stück Fleisch mutierte. Er ließ sich nehmen, von wie vielen, wie oft, konnte er nicht sagen, sah immerzu in die grünen Augen seiner vermeintlich großen Liebe.
„Florian, komm, wach auf. Flo, er ist nicht hier, du bist nicht dort, komm, wach auf!“
Langsam sackten die Worte in Florians Gehirn und als er die Augen öffnete, sah er Christian. „Chris?“
„Ja! Verdammt, wieso war dieses Arschloch hier und wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?“
„Ich… Mensch Chris, ich kann doch nicht immer zu dir kommen. Ich will nicht, dass Stephan was weiß und jetzt, wo ihr …“
„Was nichts daran ändert, dass ich dein Freund bin. Ich bin für dich da, wie im Club damals und werde es immer sein. Bin ich froh, dass Seth hier war.“
Florian richtete sich auf, lehnte sich gegen den Bettrücken und zog die Beine nah an seinen Körper. „Er will mich wieder.“ Unweigerlich erzitterte sein Körper, der Gedanke machte ihm Angst.
„Du ihn aber nicht, somit hat sich das erledigt. Schau mich an.“ Erst als Christian in seine Augen sehen konnte, sprach er weiter. „Ich lasse das nicht zu.“
Florian sah die grünen Iriden und wusste, dass sein Vertrauen gerechtfertigt war, wie schon seit einem halben Jahr und das, obwohl sich Christian die Augenfarbe mit Lex teilte. „Danke.“
„Nicht dafür. Und nun erzähl mir mal, woher du Seth kennst und wieso du ihn uns empfohlen hast.“
Beschämt senkte Florian seinen Kopf. „Du weißt schon woher, oder?“
„Ja. Hey, Seth war hier, ich wollte wissen, was er hier zu suchen hatte. Doch wieso hast du ihn hergeholt? Du weißt, ich halte nichts von Freundschaftsdiensten.“
„Er ist gut in seinem Job, wirklich begehrt und hat eine neue Stelle gesucht, dass ich ihm noch was schuldig war, hatte damit nicht wirklich etwas zu tun, wirklich. Ich hätte ihn auch woanders unterbringen können.“
„Okay, und was ist da zwischen euch? Wieso bist du ihm was schuldig?“
Diesen Blick kannte Florian, sein Chef war mehr als skeptisch. So erzählte er ihm von seinem Outing und den dadurch resultierenden Problemen in der Schule. Wie Seth ihm den Rücken frei hielt und mitsamt dem Footballteam sogar die Verteidigung übernahm, auch wenn er bis heute nicht begriff, wieso. „Ich hätte ihn wirklich nie in die Firma geholt, wenn er nicht gut wäre.“
„Das glaube ich dir. Seth scheint echt nicht verkehrt zu sein und wieso er dich damals verteidigt hat, liegt wohl auf der Hand.“
„Ja sicher, er war der beste Freund meines Bruders.“
„Nein, das meine ich nicht. Du hast das gemacht, was viele wohl gerne auch getan hätten. Zu sich stehen, offen damit umgehen.“
Florian lachte auf. „Er hatte damals mehr Freundinnen, als ich Blicke für Jungs.“
„Tarnung ist alles, glaub mir, ich kenne solche Kerle. Und du scheinst ihn ja auch ziemlich im Blick gehabt zu haben.“ Mittlerweile hatte es sich Christian am Ende des Bettes gemütlich gemacht und grinste Florian wissend an.
„Eventuell, hey, hast du ihn gesehen? Er sah als 17 jähriger schon so gut aus.“
„Stephan in der Uni auch, obwohl er da noch nicht diesen Bart getragen hat, aber Susanna ist verrückt danach.“
„Deine Augen strahlen richtig, Wahnsinn.“
Christian verdrehte die Augen. „Übertreib nicht … ich bin gerade ziemlich glücklich, ist ja auch ganz frisch und kam doch etwas unerwartet.“
„Bitte? Bei uns liefen die Wetten, wann ihr es endlich packt. Also wenn das für euch nicht klar war, wir waren uns da alle ziemlich sicher.“ Florian lachte los, denn Christian sah ihn überrascht und mit offenem Mund an. „Guck nicht so, ihr seid das perfekte Paar. Harmoniert miteinander, eure Blicke zeigen das, was sich jeder wünscht, Zuneigung und Liebe, was will man mehr?“
„Das auch die Freunde glücklich sind und dazu zähle ich dich, Florian. Es wird Zeit, dass wir Lex aus deinem Gedächtnis verbannen und für dich den perfekten Mann finden.“
Heftig schüttelte Florian den Kopf. „Ich will keinen mehr.“ Unweigerlich überzog ihn eine Gänsehaut und ein Zittern erfasste seinen Körper.
„Nicht jeder ist so, ich verspreche dir, ich lass nur noch einen Kerl an dich ran, der dir zu Füßen liegt und den du in den Händen hast. Glaub mir, solch einen Mann gibt es und der wird dich auf Händen tragen, wenn du es wünschst.“
„Jetzt wirst du echt kitschig, bin ich ein Mädchen? Ich bitte dich.“
Beide lachten los und bemerkten einen Lauschangriff von Seth, der an der Tür stand. „Hey, kann ich euch was Gutes tun? Wenn ihr Hunger habt, ich hab mir erlaubt zu kochen!“
Florian biss sich auf die Unterlippe. „Zufällig Spaghetti mit dieser leckeren Carbonara-Soße?“
„Ganz zufällig, ja und wenn ihr jetzt kommt, dann könnte sie auch noch schmecken.“ Seth schmunzelte und ging wieder zur Küche.
Eilig schälte sich Florian aus dem Bett und stürmte schon fast hinter Seth her. Es war sein Lieblingsessen und das wusste dieser scheinbar noch. Seit dem ersten Mal, wo Seth es gekocht hatte und davon sprach, einmal Koch zu werden.
Christian sah mit geweiteten Augen zu seinem neuen Mitarbeiter. „Du wolltest Koch werden? Wieso bist du dann Grafiker und Texter?“
„Weil meine Mutter es nicht angemessen fand. So bleibt es mein Hobby, dem ich gerne nachkomme.“
„Er hat immer heimlich Kochsendungen geschaut, stelle man sich mal vor. Da kam er zu uns und statt die Footballspiele zu gucken, zwang er alle, seiner heimlichen Leidenschaft beizuwohnen.“
„Ihr hattet alle was davon! Gegessen habt ihr es gerne“, wehrte sich Seth und sah verlegen auf seinen Teller.
Florian erhaschte Christians Blick, der ihn lächelnd ansah. Nun war es auch an ihm, seine roten Wangen zu verstecken und stattdessen das Essen zu genießen. Natürlich war es seinem Freund nicht verborgen geblieben, schließlich hatte er selbst es indirekt schon zugegeben. Seth hatte sich in einem Teil seines Herzen einen Platz geschaffen und beanspruchte ihn nach zehn Jahren erneut, ohne es zu ahnen.
„Sag mal, Seth, hast du einen Freund?“ Christians Frage traf Florian unvorbereitet, sein Herz setzte kurz aus und er fragte sich, wohin er flüchten konnte, damit er die Antwort nicht hörte.
„Nein. Mein letzter hat mich kurz bevor ich her kam verlassen, nachdem er mich vor meiner Familie geoutet hat!“ Die Bitterkeit der Worte war klar herauszuhören.
„Oh, das hört sich nicht gut an.“
„Es war ungewollt und ich musste einsehen, dass er ein Arschloch ist, und meine Eltern nicht nur gestört, sondern auch dumm sind. Aber, na ja, ein neues Leben hat doch was für sich, oder?“
„Wenn du das sagst, klar. Wenn du mal unter Leute willst, John, Luc, Stephan und ich sind ein recht passabler Umgang. Ich glaube, mit uns kann man Spaß haben und Florian würde es sicher auch gut tun, mal wieder einen ausgelassenen Abend zu verleben.“
Florian verdrehte betont auffällig die Augen. „Mit euch Pärchen auf Tour? Wozu? Um John und Luc in ihrem Eheglück zu bewundern, oder dem frisch verliebten Paar beim Turteln zuzusehen?“
„Im Notfall hast du Seth, der dich vor uns rettet. Ach kommt, wir sechs einen Abend und dann könnt ihr euch für immer von uns abwenden!“
Es war beschlossen und Florian wusste, dass er dem nichts entgegensetzen konnte, vor allem aber war er dankbar. Dankbar für einen Freund, der genau wusste, was er brauchte. Ablenkung war der beste Weg, um den Tag zu vergessen und die zwei Paare waren alles, aber sicherlich keine unangenehme Gesellschaft. John und Luc waren ihm durch einige Aufträge bekannt und hatten beide einen sympathischen Eindruck hinterlassen.
Dass allerdings erst Donnerstag war und der nächste Tag die Arbeit rief, schien keinen zu interessieren, stattdessen stand Christian mit Stephan pünktlich um zehn vor seiner Haustür.
„Du bist ja noch gar nicht fertig!“ Stephan hob seine Augenbrauen und taxierte ihn unverhohlen.
„Sorry, ich bin wohl eingeschlafen und hab mich dann in der Zeit vertan.“
„Nicht dramatisch, dein Aufzug entschädigt die Wartezeit.“
Sprachlos schnappte Florian nach Luft und sah Christian hilfesuchend an. Dieser lachte auf. „Ja, der Anblick ist nett. Sollte ich mir Gedanken machen, dass du gerade mal nach zwei Tagen einen anderen Mann derart ansiehst?“
„Natürlich nicht, aber wenn ich dich ansehe, haben wir gleich einen Problem.“
„Ihr fangt ja jetzt schon an … der Abend wird sicher berauschend.“
Hatte er etwas falsch verstanden? Falscher Club, oder Uhrzeit? Seth kam sich selten so dämlich vor, er saß in diesem Club und das allein, während um ihn herum Kerle ihre Partner abschleckten. „Sucht euch ein Zimmer, ist ja widerlich!“, raunte er und erntete dafür irritierte Blicke und ein Lachen.
„Du bist sicher Seth!“, sah ihn ein blonder Mann an und grinste.
„Luc und John? Freut mich!“
„Genau, also mit was haben wir es hier zu tun? Frustrierter Single oder frisch verlassen?“, fragte John.
„Das Zweite, so ersichtlich?“
„Oh ja. So hart getroffen?“ Die beiden Männer setzten sich und Seth fielen sofort die schmalen Streifen um ihre Ringfinger auf.
„Es geht, schlimm war wohl eher mein unfreiwilliges Outing einen Tag vorher und …“ Er stoppte sich selbst, seit wann war er so redselig? Zumal er die Männer nicht mal kannte.
„Jetzt ist ihm aufgefallen, dass er uns nicht kennt und keinen Seelenstrip vor uns tätigen sollte“, stellte Luc sachlich fest und grinste über Seth dümmlichen Blick. „Hey, du redest hier mit zwei eigentlichen Heteros, die sich seit dem Sandkasten kennen und während drei Tagen Las Vegas mal eben geheiratet haben, um im Nachhinein festzustellen, dass sie sich lieben.“
„Nicht euer Ernst, oder?“ Seth sah sie fassungslos, wenn auch lachend an.
„Hey kommt, wir können da mithalten“, zog Christian die Aufmerksamkeit auf sich.
„Allerdings, vor allem, wenn wir an Carlos denken“, wackelte John mit den Augenbrauen und grinste Stephan an, der sichtlich kurz mit einem Würgereiz kämpfte.
Da selbst Florian die Geschichte nicht bekannt war, erzählte jedes Paar seine, was für mehr als einen erheiterten Ausbruch sorgte.
Es war amüsant, entspannend und seit langem fühlte sich Seth wieder wohl in seiner Haut und ohne sich verstellen zu müssen. Dass das in der Öffentlichkeit geschah, war eine Premiere und fühlte sich umso besser an. Besonders da er sich bei den Männern unheimlich wohl fühlte, vor allem neben Florian, dem Bruder seines Schulfreundes. Wie lang war es her, dass er so nah bei ihm sein durfte, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, ohne sich Gedanken zu machen? Er war nicht mehr Florians Aufpasser. Seth saß hier als Freund, der es wert war, beachtet zu werden, ohne dass er den Beschützer spielte oder neben Tom auftrat. Das war besser als jeder Balsam für seine Seele.
Ein Bier floss nach dem anderen ihre Kehlen hinab, während sie sich angeregt unterhielten, tanzen gingen, oder nur nebeneinander die anwesenden Männer beurteilten. Eindeutig hatten sie alle einen anderen Geschmack und doch ähnelte er sich, was immer wieder zu Gelächter führte. Gerade hatte Seth Florian einen Arm um die Schulter gelegt, um dessen Geschmack zu verteidigen, der wohl keinen der bisher taxierten Männer traf, als sich dieser verspannte. In Seth schrillten alle Alarmglocken, als er seinen Blick umherwandern ließ. Dann sah er ihn, den Grund für Florians Anspannung. Lex stand dort und suchte scheinbar nach einem neuen Opfer, bis sein Blick auf den Tisch der sechs Freunde fiel. Mit einem Drink in der Hand schlenderte er zu ihnen, oder eher zu Florian, der sich immer mehr an Seth drängte und hilfesuchend zu Christian sah. Dessen Blick sprach Bände und dies ließ nun auch Stephan, Luc und John kritisch zu dem Mann schauen, der immer näher trat.
„Wer ist das?“, wollte John wissen und runzelte die Stirn.
„Florians Ex, ich will euch nichts erklären, aber sie sollten sich nicht zu nahe kommen!“, grummelte Christian.
John nickte verstehend und man sah ihm an, wie sich seine Muskeln anspannten. Seth dagegen grinste lediglich, stand von seinem Hocker auf, der sich in einer Ecke befand und schob dort nun Florian hin, während er sich nach außen setzte. Somit war ein direktes Rankommen unmöglich. Lex grinste trotzdem, kam nun direkt zu Seth und stellte sich derart dicht vor ihn, dass dieser nur mit Mühe nicht zurückwich.
„Was verlangst du für ihn?“ Lex‘ Blick ging nur kurz zu Florian, der die Hände zu Fäusten ballte.
„Er ist unbezahlbar und ich steh auf Exklusivrechte.“
„Es gibt immer einen Preis.“
„Nein, bei ihm nicht. Ich steh nicht so darauf, wenn er es einem anderen besorgt!“ Seth war die Ruhe selbst, nahm einen Schluck seines Biers und lehnte sich an Florian, der sich das Erstaunen unterdrücken musste, was seine Augen bereits eingenommen hatte.
Auch Lex schien erst einmal sprachlos, wechselte seinen Blick zwischen den zwei Männern. „Das ist doch ein Witz. Flori legt doch keinen flach, als könnte er es einem besorgen!“ Kaum ausgesprochen, lachte er los.
Seth richtete sich auf und stand dann Nase an Nase mit Florians Ex. „Oh Gott, du hast ihn nie ran gelassen? Verdammter Depp, er ist grandios, du weißt gar nicht, was du verpasst hast. Seine Zungenschläge in meinem Inneren, seine Finger, sein Schwanz, der siebte Himmel ist ein Scheiß dagegen!“, flüsterte er gegen Lex Lippen, leckte sich selbst dann lasziv über seine und setzte sich wieder. Die fragenden Blicke seiner Tischnachbarn ignorierend, beugte er sich zu Florian, zog dessen Gesicht an seinen Hals, bis es so aussah, als würde dieser ihn liebkosen.
„Was tust du da, Seth?“
„Aus dir einen Top machen!“, stöhnte er so leise, dass es kaum einer hören konnte und er sich nicht mal sicher war, ob Florian ihn verstand. Denn dessen Lippen hatten beim Sprechen seine Haut gestreift und hinterließen ein wohliges Kribbeln.
„Du bist verrückt, weißt du das?“
Damit musste Florian dringend aufhören, Seth Körper stand in Flammen und das zeigten seine flatternden Augenlider eindeutig. Er konnte sich auf nichts mehr konzentrieren, sah zwar Chris, der sich in die Wange biss, aber es war ihm egal.
Ein Räuspern ließ Seth wieder zu sich kommen, schwerfällig sah er zu Stephan, der ihn breit angrinste. „Falls es euch interessiert, er ist weg!“
Florian atmete durch und es war für Seth beruhigend, dass auch er einer schnelleren Atmung nachkam. Sie sahen sich lediglich kurz an und beschäftigten sich dann lieber mit ihren Getränken. „So, Florian, du liegst also auch ab und an oben, irgendwie habe ich das nicht erwartet.“ Der ernste Gesichtsausdruck von Christian wurde durch den Schalk in seinen Augen zunichte gemacht.
„Du kannst ja nicht alles wissen, wie sieht es denn bei dir aus?“ Ungewohnt locker grinste Florian und beugte sich leicht über den Tisch.
„Also … ich glaube, das geht dich nichts an.“
„Sowohl als auch!“, schmunzelte John und bekam von seinem Mann einen Stoß in die Rippen. „Was denn, ich steh dazu.“
„Deswegen musst du ja für mich nicht gleich mit antworten, das geht doch echt keinen was an“, empörte sich Luc.
„Nun hab dich nicht so, ist doch nicht schlimm.“
Luc schüttelte ergeben den Kopf. „Du bist so unmöglich. Wo ist der alte John hin?“, schmunzelte er dann und hauchte seinem Mann einen Kuss auf die Lippen.
„Die Flasche hat gar nicht auf ihn gezeigt, also aufhören!“, lachte Christian und erklärte sich sogleich, als ihn nun die irritierten Blicke trafen. „Flaschendrehen, ihr kennt das noch, oder?“
Eifrig nickte Seth, stand auf und besorgte eine Flasche. „Auf den die Flasche zeigt, der muss den Ententanz machen!“, sprach es und drehte.
John kniff die Augen zusammen und grummelte, während er aufstand und sich auf die Tanzfläche begab. Mit angewinkelten Armen, leicht gebeugten Knien, watschelte er im Tanzschritt zwischen den anderen Gästen hindurch.
Prustend saß Seth am Tisch und biss sich auf die Faust, es war ein Anblick, der für die Nachwelt festgehalten werden musste und zu seinem Glück tat das Luc.
Hoch rot trat John zurück zum Tisch. „Auf den die Flasche zeigt, küsst einen seiner Nachbarn für fünf Minuten!“
Die Flasche drehte sich und zeigte auf Stephan, der sich prompt seinen Freund schnappte und überschwänglich küsste. „Das Spiel gefällt mir! Okay, auf den die Flasche zeigt, der legt einen erotischen Tanz auf dem Tisch hin!“
Florian sah die Flasche vernichtend an, als sie bei ihm stehen blieb. „Mist, oh Mann. Aber wehe, ihr lacht!“ Eilig trank er sein Bier aus und stieg auf den Tisch. Beim Beginn des nächsten Songs bewegte Florian seine Hüften, ließ sie kreisen und fuhr über seinen Oberkörper.
Seth sah sprachlos zu ihm, sog jede Bewegung in sich auf, was seine Fantasie antrieb, mehr in diesem Tanz zu sehen, als es wirklich war. Sollte es ihn beruhigen, dass selbst die anderen Männer am Tisch und in der Umgebung eher starrten, als sich lustig zu machen? Irgendwie störte es Seth gerade, dass sich jeder an Florian aufgeilen konnte.
„Auf den die Flasche zeigt, der bekommt von einem am Tisch einen Knutschfleck!“
„Knutschfleck?“, echoten Christian und Luc. „Wo?“
„Euch überlassen!“, grinste Florian und sah der langsam werdenden Flasche zu, die direkt vor ihm stehen blieb. „Noch mal?“, sah er unsicher zu den anderen.
„Nein, du darfst deinen Auftrag ausführen lassen!“, bestand Christian darauf.
Seth sah Florian dabei zu, wie er zu Luc und John sah, dann Christian und Stephan in Augenschein nahm. „Unfair, ihr bringt mich um, wenn ich mir von einem eurer Partner einen Knutschfleck verpassen lasse, oder?“ Viermaliges Nicken bestätigte dessen Annahme und entlockte Seth ein Schmunzeln, bis ihm bewusst wurde, was das hieß. Das konnte Florian nicht verlangen, alles, nur nicht das. Wie sollte er Florians Haut kosten und dann die Kraft finden, von ihm abzulassen?
„Wie hättest du mich gerne?“
Nackt, willig und über mir, schoss es Seth durch den Kopf. Doch bekam er keinen Ton heraus.
„Schulter ist in Ordnung für dich?“, lächelte ihn Florian an.
„Ja, sicher!“, rutschte Seth vom Hocker runter und schob diesen zur Seite. Mittlerweile hatte Florian zwei Knöpfe seines Hemdes geöffnet und somit sein Schlüsselbein freigelegt. Schulter war eindeutig etwas anderes. Tief durchatmend sammelte sich Seth und neigte seinen Kopf.
Florian fluchte innerlich, jeden hätte er gewählt, doch freiwillig niemals Seth. Dessen Lippen auf seiner Haut ließen sein Innerstes in Aufruhr geraten. Hatte es nicht gereicht, dass er schon mitgespielt hatte, um Lex loszuwerden? Immer noch haftete an Seth das Parfüm, welches in Florian das Verlangen auslöste, ihm näher zu kommen. Immer intensiver legten sich die Lippen unter sein Schlüsselbein und Seth fing an zu saugen. Florians Puls raste, sein Verstand fing an, sich zu vernebeln, während sich seine Hände selbstständig machten. Eine legte sich in Seth‘ Nacken, die andere umfasste dessen Hand. Gerade als er ihn näher ziehen wollte, legten sich Seth‘ Finger auf seine Seite und kitzelten ihn.
„Du bist gemein!“, lachte Florian und schupste Seth sanft von sich.
„Das tut mir aber leid“, erwiderte der sein Lachen und doch sah er mehr in dessen Augen. Es war Absicht gewesen, damit er sich nicht verlor. Florian wusste nicht, ob er dankbar oder verletzt sein sollte. War es wirklich nur, um ihn zu schützen, oder hatte es andere Gründe?
Seth‘ Berührungen an seinem Schlüsselbein ließen ihn zusammenzucken. „Der erinnert dich noch etwas länger an den Abend. Entschuldige! Ist ewig her, dass ich so was gemacht habe.“
Irritiert griff Florian nach seinem Handy und schaltete seine Kamera ein, sodass sie ihn selbst zeigte. „Oh Mann, Seth!“, schlug er diesem auf den Oberarm. „Ich sagte Knutschfleck und nicht Hämatom, das als Körperverletzung durchgeht.“ Vielleicht war seine Reaktion leicht übertrieben, jedoch kam es ihm anders vor. Tiefrot und drei Finger breit war das Mal.
„Ich sagte doch, es tut mir leid.“
„Revanchier dich! Wir halten ihn auch fest“, zwinkerte Luc.
„Gute Idee, müssen sie dich festhalten, oder hältst du freiwillig still?“ Sein Blick war herausfordernd, auch wenn es in ihm schrie, dass er den Quatsch sein lassen sollte.
„Ich halte still!“, schluckte Seth, was Florian an seinem hüpfenden Kehlkopf sehen konnte. „Wo willst du es hin machen?“
„Gleiche Stelle!“ Bevor sich Seth das Hemd aufknöpfen konnte, begab sich Florian daran. Senkte seine Lippen auf die Haut und genoss den Geruch wie auch den Geschmack von Seth. Erst sanft zog er an dem Fleck, welcher er sich auserwählt hatte, dann immer fester.
„Das nennt man Vorspiel, oder?“, erkundigte sich Luc und holte dadurch Florian wieder in die Gegenwart. Verlegen löste er sich, schloss das Hemd von Seth und setzte sich schweigend auf seinen Hocker. Die Blicke der anderen konnte er sich denken, wollte allerdings nichts weiter dazu sagen. Er hatte sich vergessen, doch ohne diesen Nebel im Kopf. Dagegen schien Seth seine Umgebung verdrängt zu haben, denn seine Finger der linken Hand hatten sich mit Florians verschränkt und seine genussvollen Laute waren zwar sehr leise und doch klar und deutlich bei diesem angekommen.
„Leute, es ist bereits drei, seid mir nicht böse, aber meine Tochter interessiert es nicht, wann ich heimkomme, sie will spätestes um neun bei Lisa abgeholt werden“, erhob sich Stephan und Christian schloss sich an.
„Ihr beide schlaft aus. Ich glaube, für morgen steht nichts Wichtiges an“, grinste dieser zu Florian und Seth, bevor er sich samt seinem Freund nach draußen begab.
Luc seufzte und rümpfte die Nase. „Wir müssen auch, um acht kommt ein Kunde, dem kann ich nicht absagen. War nett, euch kennen zu lernen, vielleicht wiederholen wir es mal?“
„Gerne“, kam es wie aus einem Mund von Seth und Florian, die schon bald allein da saßen.
Florian wusste nicht wirklich, was er tun sollte. Sich verabschieden? Eigentlich wollte er das nicht, denn er fühlte sich unheimlich wohl in Seth‘ Nähe. Ob es wie damals werden konnte?
Miteinander ausgehen, Gespräche führen, füreinander da sein, wie damals? Nur ohne seinen Bruder dazwischen, der ebenso die Aufmerksamkeit forderte. Nur Seth und er, irgendwie klang das zu gut, um wahr zu sein.
„Hast du vielleicht Lust, noch etwas zu trinken? Oder willst du auch heim?“, unterbrach Seth seine Gedanken.
„Da wir nicht früh auf der Arbeit sein müssen, würde ich einen letzten Drink nehmen, aber vielleicht nicht hier?“
„Ich hoffe nicht, du erwartest, dass ich dich zu mir einlade, da sieht es wirklich noch provisorisch aus.“
„So schlimm wird es nicht sein, oder?“ Florians Interesse war geweckt und so gab sich Seth schon bald geschlagen. Mit dem Taxi ging es zu ihm. Der Wagen hielt vor einem modernen Neubau, welcher einladend wirkte. „Sieht nett aus.“
„Ja schon, nur … ach du wirst es gleich sehen, aber ich hab dich vorgewarnt.“ Damit öffnete Seth die Haustür und führte Florian in den dritten Stock.
Schmunzelnd ging er hinter Seth her und genoss den Ausblick auf dessen in Jeans gepackten Hintern. Wie lange es her war, dass er diesen derart beobachten konnte, wusste er nicht mehr, umso mehr nahm er diese Chance wahr. Wenn sich Florian nicht irrte, sah Seth besser aus als damals, männlicher und sein Hintern bot mittlerweile wesentlich mehr zum Anpacken. Ob er es wagen konnte?
Eilig verscheuchte er den Gedanken, schmunzelte stattdessen in sich rein und erklomm die letzten Stufen. Ab und an musste es auch ihm gestattet sein, zu träumen, wenn er es dabei auch belassen wollte, sollte, musste. Nicht noch einmal würde er sich derart in einem Mann verlieren, auch wenn Seth seinen Vorsatz zum Schwanken bringen konnte.
„Irgendwann werden Sie sich noch einmal in eine Beziehung wagen, was sicherlich nicht verkehrt ist, Mister Kennedy!“, hatte sein Therapeut zu ihm gesagt. Florian konnte sich noch nicht mal vorstellen, wieder Sex zu haben, wie sollte er da an eine Beziehung denken?
Die Wohnung war wirklich nicht gerade einladend, geradezu spartanisch eingerichtet. Nicht ein Gegenstand schien persönlich zu sein und vor allem fand Florian nicht einen Farbtupfer, der es etwas auflockerte.
„Wirklich trist hier!“
„Sag ich doch, mach es dir trotzdem so bequem, wie es geht.“ Mit zwei Flaschen Bier setzten sie es sich aufs Sofa. „Schon ein Zufall, dass wir in einer Firma sind.“
„Nicht wirklich, ich habe dich empfohlen!“, gab Florian freimütig zu und biss sich kurz darauf selbst auf die Zunge. Wieso hatte er das gesagt?
„Wie, du? Wieso?“ Überrascht hatten sich Seth‘ Augen geweitet.
Nervös kaute Florian auf seiner Unterlippe, wusste nicht so recht, wie er es sagen sollte und der Geruch, der ihn umgarnte, half auch nicht gerade dabei. Schokoladenkuchen mit einem flüssigen Kern, wer konnte dem schon widerstehen? „Du hast noch was gut bei mir gehabt, wegen damals.“
„Was meinst du?“
„Du hast mir so oft geholfen … irgendwie wollte ich mich erkenntlich zeigen.“
„Ich hab dich bewundert, du hast offen gesagt und gezeigt, wer du bist. Ich konnte das nie, hab mich hinter dieser beschissenen Sportlerfassade versteckt. Bin mit Mädchen ausgegangen und diese Nähe, die sie wollten, war …“ Seth schüttelte sich und Florian meinte, sich zu verhören.
„Du hast mit ihnen ungeniert rumgeknutscht und sie befummelt, was willst du mir jetzt sagen? Dass du das nie genossen hättest?“
„Mit Sicherheit nicht.“ Seth sah zu der Flasche in seiner Hand und knibbelte am Etikett. „Du kennst meine Familie, oder auch nicht.“
Das war wohl wahr, er kannte sie nicht wirklich, denn nachdem seine Homosexualität herausgekommen war, durfte er nicht einmal mehr ins Haus. Selbst Tom hatte zu Beginn mit argwöhnischen Blicken zu kämpfen, wurde schlussendlich jedoch akzeptiert. Nur Florian nicht, denn er war in ihren Augen einem Aussätzigen gleichgekommen. „Du wusstest schon länger, dass du schwul bist?“
„Ja, seit meinem sechzehnten Lebensjahr.“
Florian fühlte sich innerlich verraten, verarscht, als hätte er ihn belogen und sogar betrogen, dabei war das völliger Unsinn. Doch wie oft hatte er nachts in seinem Bett gelegen, sein Glied in der Hand und hatte sich seine Träume vor Augen gerufen. Seth war seine Vorlage, um Druck abzubauen, doch auch für unendliche Sehnsucht. „Ich dachte, du stehst auf Mädchen.“, entkam es Florian, um nicht schweigend da zu sitzen und in seinen Gedanken zu versinken.
„Nein, aber was hätte ich tun sollen? Meine Eltern wären ausgeflippt, wie hätte ich ihnen von dem Jungen erzählen können, der sich heimlich in mein Herz geschlichen hat …“
Es fühlte sich an, als würde Florian seins brechen. „Oh, und ist was draus geworden?“
Seth lächelte und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, wie auch? Ich war 16 und ich wollte mich nicht outen. Sam war der erste Freund, den ich hatte. Bis dahin gab es nur den Darkroom.“
„Was ist derart schief gelaufen zwischen dir und Sam?“
„Ich dachte, es wäre Liebe… aber langsam glaube ich, ich hab mich geirrt. Ich wollte es wohl so gerne.“
Das Verlangen, Seth zu trösten, war übermächtig, langsam glitt seine Hand zu dessen Fingern, die immer noch die Flasche festhielt und deren Knöchel weiß hervorragten. Grüne trafen braune Augen, versanken ineinander und ließen den anderen ins Innere blicken. Schmerz, Verzweiflung, Trauer und das Herz waren klar zu erkennen. Doch blieb ihnen eins verwehrt, dort hineinzusehen, ins Herz, in die Seele, die mehr offenbaren konnten, als beiden lieb war.
Florian musste dieser Situation entkommen, sonst würde er einen Fehler begehen, der nicht mehr gutzumachen war. Auch wenn nun feststand, dass Seth schwul war, hieß es schließlich nicht, dass er Interesse an ihm hatte. Doch das schien Florians Herz nichts auszumachen, es pochte hart in der Brust und versuchte überzuspringen. So unfair er es fand, dass er seine alten Gefühle zum besten Freund seines Bruders nicht unter Kontrolle hatte, musste er sich eingestehen, selbst schuld zu sein. Denn hätte Florian Seth nicht den Job vermittelt, wäre ihm seine erste große, unerwiderte Liebe nicht wieder begegnet. Es fühlte sich so gut an, in Seth Nähe zu sein, wie es grausam war.
„Also hast du Sam nie geliebt?“
Seth lehnte sich zurück und entzog sich so Florians Hand, sein Kopf fiel in den Nacken, während das Bier seine Kehle hinunter floss. „Liebe eventuell nicht, ich hatte schon Gefühle für ihn, mehr oder weniger. Dass er mich geoutet und dann verlassen hat, war ein schwerer Schlag, somit muss da wohl was gewesen sein, oder?“
Den fragenden Blick erwidernd, dachte Florian nach und wackelte mit dem Kopf. „Mein Therapeut würde jetzt sagen: Mister Bolin, haben Sie Ihren Partner wirklich geliebt, oder sich lediglich jemanden gesucht, der Ihre Nähe, Ihr wahres Ich akzeptiert?“
Überrascht riss Seth die Augen auf. „Wie meinst du das, oder er?“
„Na ja, er hat es zu mir gesagt. Irgendwie erinnerst du mich gerade dran. Lex war für mich ein Weg, um ich selbst sein zu können, ein Halt, der Fels in der Brandung, doch habe ich wohl nicht erkannt, dass er eigentlich die Flutwelle ist, die mich mitreißt und untergehen lässt.“
„Wer war dann dein Fels?“
„Keine Ahnung, aber ich kann dir sagen, wer mein Rettungsschwimmer war. Christian, denn ihm habe ich es zu verdanken, nicht mehr kopflos meinen Körper benutzen zu lassen.“
„Dafür konntest du doch nichts, er hat deine Zuneigung, dein Vertrauen ausgenutzt, dafür gehört ihm das Gesicht poliert.“ Seth zog ihn in seine Arme und Florian konnte sich dem nicht entziehen. Versuchte es nicht einmal, denn es fühlte sich viel zu gut an. Der Duft des Parfüms schwängerte die Luft und half weiterhin nicht dabei, den Verstand bei sich zu behalten. „Du hättest damals nicht weggehen dürfen!“
„Wieso nicht?“
„Weil ich doch auf dich aufpassen wollte, aber es nicht mehr tun konnte, weil du nicht mehr da warst. Dabei hatte ich es doch versprochen!“
„Doch nur, weil du Toms bester Freund warst“, versuchte sich Florian aus der Umarmung zu befreien.
„Denkst du wirklich, dass dein Bruder einen solchen Einfluss auf mich gehabt hätte? Dass ich mich sogar für dich verprügeln lassen habe? Manchmal bist du echt verdammt naiv.“
„Na danke, das wusste ich schon, wurde mir oft genug gesagt!“ Grummelnd wand sich Florian aus Seth‘ Armen und stand auf. „Ich muss jetzt heim. Danke für die Einladung.“
„Jetzt schon?“ Seth war sichtlich erstaunt. „Ich wollte dich nicht beleidigen, wirklich nicht, Flo.“
Das glaubte dieser ihm durchaus, jedoch war es wirklich Zeit zu gehen, bevor sich sein Verstand verabschiedete und dank des Alkohols, den er nun schon zu Genüge konsumiert hatte. „Schon okay, muss aber echt los, heute Nachmittag muss ich in die Firma.“ Damit ging er zur Tür und drückte die Klinke nieder, als Seth ihn aufhielt.
„Würdest du … also hättest du Interesse … ich meine, also …“
Seth kam sich selten dämlicher vor als in diesem Moment. Aber wie bat man um ein weiteres Treffen, ohne dass sein Gegenüber annahm, … obwohl er das wegen ihm annehmen konnte, aber Seth wollte nicht den Eindruck machen, als sei er lediglich … selbst seine Gedanken spielten verrückt. „Würdest du eventuell Interesse daran haben, unsere Freundschaft wieder aufleben zu lassen?“ Freundschaft? , fragte er sich selbst. Hatten sie je so etwas besessen?
„Hast du es denn?“
„Ja, klar, auf jeden Fall!“ Es war so schnell ausgesprochen, dass er es selbst kaum wahrnahm, doch seine Stimme überschlug sich fast zur Bestätigung seiner Worte.
„Na dann, gerne!“ Verlegen wandte sich Florian endgültig ab und verschwand aus Seth‘ Wohnung. Dieser blieb zurück, seine Mundwinkel formten ein Lächeln und seine Beine trugen ihn zurück zum Sofa, wo er sich das Kissen schnappte, welches die ganze Zeit bei Florian gelegen hatte und verschwand damit ins Bett.
Ein wenig Träumen musste erlaubt sein, zu lange hatte er darauf gewartet, zu lange es sich verboten. Damals war Florian einfach zu jung und er hatte sich nicht getraut, doch diese Chance, zumindest eine Freundschaft zu ihm aufzubauen, würde er sich nicht entgehen lassen. Aus Freundschaft konnte so viel mehr werden, wie er bei John und Luc gesehen hatte, wieso also nicht? Auf einen Versuch kam es an.
Samt Kissen fiel Seth in sein Bett, schmiegte sich daran und kam sich ein klein wenig dämlich vor, doch nur solange, bis Florians Geruch ihn einhüllte und ihn lächelnd einschlafen ließ.
Es kam seiner Teenagerzeit gleich, diese Träume, die seine Nacht beherrscht hatten. Ebenso die feuchte Hose, die er beim Aufwachen bemerkte, und unangenehm an ihm klebte. Selbst wenn es außer ihm keiner mitbekam, spürte Seth die Hitze in seinen Kopf steigen.
Dieser Zustand hielt Wochen an. Immer, wenn sie auf der Arbeit beieinander waren, essen gingen, gemeinsam mit Luc, John, Christian und Stephan die Clubs unsicher machten. Es war amüsant, witzig, immer wieder verrückt und vor allem verführerisch. Florian roch für Seth wie die pure Verführung, sicherlich reine Einbildung, dass er ihn immer noch mit Kakao verglich. Heute Abend würden nur sie beide ausgehen. Christian und Stephan hatten sich das Wochenende für ihre Tochter aufgespart, Luc und John waren auf dem Geburtstag von Johns Vater.
Ein Blick in den Spiegel zeigte Seth in sehr eleganter und verführerischer Kleidung, er wollte trumpfen, Florian die Sprache verschlagen und hoffte, es mit der eng anliegenden schwarzen Jeans und dem körperbetonten blauen Hemd, was seine Augen zum Leuchten brachte, hinzubekommen.
Plötzlich erhaschte eine Parfümflasche seine Aufmerksamkeit … es war verführerisch, wenn auch nicht ganz in Ordnung, trotzdem griff Seth danach und sprühte sich den Verführungsduft an den Hals.
Die letzten Wochen hatte er sich intensiv mit der Firma auseinandergesetzt, denen seine Idee schon gut gefallen hatte, die jedoch mehrere Versionen, spezialisiert auf die Zielgruppen haben wollten. So hatte er mehr von dem Parfüm erfahren und die Sicherheit gewonnen, dass Florian und er mehr als nur Freunde werden konnten. Denn das, was sie an dem anderen riechen konnten, war ihre Leidenschaft, ihr Begehren, dem sie nicht widerstanden.
Das Klingeln an der Tür zeigte ihm, dass sein Freund endlich da war. Eilig suchte Seth seine Sachen zusammen und ging nach unten, wo Florian an seinem Auto lehnte. Jetzt musste Seth aufpassen, damit er nicht mit offenem Mund da stand. Die Jeanshose saß gerade auf dessen Hüften und das Shirt verdiente den Namen nicht. „Was hast du vor?“ Seth schluckte hart.
„Wieso? Nicht passend gekleidet? Dann musst du dich aber auch umziehen. Bei dir bleibt nichts verborgen.“
Das war wohl ein verstecktes Kompliment, welches nicht mal wirklich versteckt war, oder? Seth‘ Gedanken überschlugen sich und ruhten sogleich, als Florian ihn anlächelte und ihm die Tür aufhielt. „Das hätte ich auch selbst hinbekommen.“
„Ich wollte mich mal als Gentleman versuchen.“
„Dann machst du alles richtig. Heißt das, du führst mich heute auch aus?“
„Ausführen? Haben wir ein Date?“ Wortlos stieg Seth ins Auto, versuchte seine schnelle Atmung unter Kontrolle zu bekommen und sein Herz, welches sich gerade überschlug. „Ich habe das Gefühl, du wirst mir keine Antwort darauf geben“, lachte Florian leise auf und setzte sich hinters Steuer.
Wie mehrfach in den letzten Wochen, fragte sich Seth, was aus dem schüchternen Mann geworden war, denn Florian verhielt sich offen, fast losgelöst und war besser denn je gelaunt. Auch von dessen Bruder hatte er gehört, dass er sich plötzlich wieder regelmäßig meldete und sogar einer Einladung zu Weihnachten fest zugesagt hatte. Tom traute der Sache zwar nicht wirklich, schließlich waren es noch gute vier Wochen hin.
Eine Stunde später war Seth schon angeheitert, Florian hielt sich an seiner Cola fest und wehrte einen Kerl ab, der es sichtlich auf seinen Hintern abgesehen hatte. Grinsend betrachtete Seth diese Situation, bis Florian ihm einen Ellenbogen in die Rippen stieß und mit den Lippen Hilfe formte.
Gemächlich schob sich Seth von seinem Hocker und zwängte sich zwischen den Typ und Florians Hintern. „Falls du es immer noch nicht begriffen hast, er will nichts von dir und noch dazu hat sein Arsch ebenso wenig Interesse an dir.“
„Ich glaub, du kennst den Kleinen nicht richtig, denn diesen geilen Arsch hatte ich schon mal und da klang es eindeutig, als hätte er es genossen.“
Florian verspannte hinter Seth, der sich sofort gegen ihn lehnte, um zu zeigen, dass er da war. „Ich würde sagen, du verziehst dich jetzt, bevor ich mich vergesse und dir zeige, wie geil es ist, einen wegzustecken, wenn man es nicht will!“ Mit diesem Satz hatte sich Seth Körper begradigt und seine Faust geschlossen.
„Reg dich ab, ich hab dafür bezahlt und er hat nie nein gesagt.“
„Hab ich, aber das hat dich grunzendes Arschloch nicht interessiert, also verpiss dich!“, drehte sich Florian um, dessen Blick gefährlich wirkte, so wie die Stimme, die viel zu ruhig war.
Die unausgesprochene Drohung schien gewirkt zu haben, denn der Typ wandte sich ab. Seth drehte sich um und blickte tief in die braunen Augen. „Alles okay?“
„Es muss und ich bin ja nicht allein, danke.“ Hauchzart, fast wie ein Windhauch berührten ihn Florians Lippen. Doch so sanft der Kuss auch war, löste er in Seth einen waren Sturm aus. Mit Mühe unterdrückte er das Verlangen, Florian an sich zu ziehen und zu verschlingen. Doch nach dessen Vorgeschichte war es wohl besser, zu warten. Der Geruch von frischem Kakao umwehte seine Nase und ließ Seth genussvoll einatmen. Irritiert sah er sich um, doch nur Florian stand ihm derart nah … dieser Geruch stammte eindeutig vom Parfüm.
Mit verhangenen Augen trat Florian einen Schritt näher an Seth, sog dessen Geruch ebenso ein, wie dieser schluckend wahrnahm. „Du trägst das Parfüm!“, stellte er fest.
„Du auch. Flo … wieso?“
„Das könnte ich dich auch fragen. Wenn ich lügen würde, wäre meine Antwort wohl, weil ich hier eventuell jemanden für die Nacht suchen wollte.“
„Und wenn du nicht lügst?“ Seth biss sich nervös auf die Unterlippe, während seine Hände sich langsam um Florians Hüfte legten, der mittlerweile derart nah bei ihm stand, dass er dessen Atem auf der Haut spüren konnte.
„Ich wollte sehen, wie du reagierst, ob es immer noch so ist. Du riecht für mich nämlich wie die reinste Verführung!“
„Schokoladenkuchen mit einem flüssigen Kern?“
Florian nickte, streifte mit einem Finger über die geschundene Unterlippe. „Wenn ich ehrlich bin, sogar besser. Seth …“ Seine Worte gingen in einem Tumult unter, der plötzlich im Club ausbrach. Sie wurden auseinander gedrängt und kämpften beide darum, nicht zu stürzen. Was genau passiert war, konnte Seth nicht sehen, doch dafür, wie Florian es zum Ausgang schaffte. Er selbst entschied sich für die Hintertür, der mittlerweile näher lag. Wie lange er dafür brauchte, konnte er nicht beurteilen, jedoch spürte er die vielen Kollisionen, die ihm wahrscheinlich blaue Flecken bescherten.
Florian sah sich suchend um, doch fand Seth einfach nicht. Wie er allerdings mitbekam, hatte es einen kleinen Brand im Club gegeben, der für die Unruhe gesorgt hatte.
Sein Gedanke schweifte zum Hinterausgang und gerade, als er dorthin wollte, hörte er wie jemand nach einen Krankenwagen brüllte und sah drei in Schwarz gekleidete Männer davonlaufen. Ein unwohles Gefühl machte sich in ihm breit. Ehe er den Befehl an seine Beine senden konnte, rannten sie schon los. Die schlimmsten Szenarien sah er vor Augen, wie Seth dort lag, vor Schmerzen wimmernd, zusammengeschlagen und um sein Leben kämpfend.
„Verdammt, jetzt holt doch mal jemand Hilfe!“
Florians schlimmste Gedanken trafen zu, nur lag dort nicht Seth, der um sein Leben kämpfte, sondern ein anderer Mann. Seth dagegen schien bei bester Gesundheit und half dem Verletzten, während er die wildesten Flüche aussprach. Eilig wählte Florian den Notruf und kniete sich dann zu Seth. Dieser sah ihn dankend an, schenkte ihm sogar ein Lächeln, um dann weiter auf die Bauchwunde des Mannes vor ihm zu drücken.
Das Blut floss trotzdem ungehindert aus der recht großen Wunde, das selbst Florians Hände, die Seth halfen, nicht wirklich etwas ausrichten konnten. Der Atem des Mannes wurde flacher, aus dem Mundwinkel drang der erste Tropfen, der beiden zeigte, dass mehr verletzt war, als sie gehofft hatten.
„Diese Schweine …“, spie Seth aus und Florian spürte, wie der Atem zum Stillstand kam, das Herz seine Tätigkeit einstellte, und der Verletzte regungslos liegen blieb.
Dann ging alles recht schnell, die Rettungssanitäter zogen beide weg und stellten nach minutenlangen Reanimationsversuchen den Tod fest und transportierten den Mann ab, während die Polizei sich um Seth und Florian kümmerte.
„Wie sahen die Täter aus?“, wurde Seth befragt.
Dieser schloss die Augen und atmete tief durch. „Sie waren in Schwarz gekleidet, einer war blond und zwei dunkelhaarig. Die Gesichter habe ich nicht erkennen können. Ich bin aus dem Hinterausgang herausgetreten und hab gesehen, wie man auf den Mann eintrat und dann auch einstach, ehe ich bei ihm war.“
„Mister Kennedy, was haben Sie gesehen?“
„Eigentlich nichts. Ich habe Seth gesucht und bin dann darauf gekommen, dass er eventuell hinten raus ist und da hörte ich auch schon seine Aufforderung, dass jemand Hilfe rufen sollte. Die Männer habe ich lediglich wegrennen gesehen.“
„Das ist nicht wirklich hilfreich.“ Der junge Polizist verdrehte genervt die Augen.
„Entschuldigen Sie, dass ich mich lieber um den Mann gekümmert habe, statt nach den Personalien der Täter zu fragen!“, blaffte Seth.
„Hat dem Typ ja auch nichts genützt.“
„Clear, bitte gehen Sie zum Streifenwagen!“, bat der ältere der beiden Polizisten seinen Kollegen und schüttelte den Kopf. „Bitte entschuldigen Sie, er ist neu und ziemlich ehrgeizig. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft und werde mich, falls nötig, bei Ihnen melden!“
Erleichtert gingen Florian und Seth zum Auto, wo sie sich erschöpft in die Sitze fallen ließen.
„Meine Klamotten sind voller Blut!“
„Man sieht es nicht!“, kommentierte Florian und betrachtete seine Hände, die nur notdürftig gereinigt waren. „Wir brauchen beide eine Dusche, Tee und ein Bett.“
„Das hört sich fantastisch an. Flo, hättest du ein Problem damit, wenn ich nicht allein sein möchte?“
Florian antwortete nicht, schnallte sich stattdessen an und fuhr zu sich nach Hause. Er wollte ebenso wenig allein sein wie Seth. Die Aussicht, mit ihm zusammen die Nacht zu verbringen, verursachte ein wohliges Kribbeln in seinem Bauch. Auch wenn die Gedanken ziemlich unpassend kamen, wenn man die letzte Stunde betrachtete, und doch konnte er sie nicht abstellen.
Schokoladenkuchen … dieser Geruch drang derart tief in ihn, dass er sich am liebsten auf Seth gestürzt hätte. Doch erst einmal galt es, das Auto nach Hause zu bringen und den geplanten Aktivitäten nachzukommen, bevor er eventuell seinen Gedanken freien Lauf lassen durfte.
Das Wasser prasselte auf die Fliesen der Dusche und wahrscheinlich auf den Körper von Seth. Schwer atmend stand Florian neben der Badezimmertür und lauschte den Geräuschen, die von innen kamen. Die Vorstellung, wie kleine Wassertropfen Seth Körper entlang liefen, seine Lippen befeuchteten, seinen Schwanz entlang rannen und sich an der Spitze hinabfallen ließen, kostete Florian jegliche Beherrschung.
Wie sollte er sich zusammenreißen, wenn der Mann seiner Jugendträume in der gleichen Wohnung wie er war? Noch immer schlug sein Herz heftig in der Brust, wie damals in der Schule. Immer wenn er Seth gesehen hatte, überschlugen sich jegliche Gefühle.
„Wo ist denn dein kleiner Bruder, will er nicht mit?“, hörte Florian gerade noch Seth fragen, als dieser auch schon seine Zimmertür aufstieß. „Hey Kleiner, komm, wir fahren in die Stadt ein Eis essen, ist verdammt heiß heute.“
„Ich muss lernen!“, es war mehr ein Fiepen als ein anständiger Satz, der Florian entkommen war.
„Nun stell dich nicht an. Schmeiß dich in eine kurze Hose und T-Shirt und dann fahren wir, ohne Widerrede.“ Zur Bestätigung seiner Worte hatte Seth in Florians Schrank gegriffen und scheinbar wahllos zwei Kleidungsstücke herausgezogen.
Entweder hatte der beste Freund seines Bruders wirklich Glück, oder es war doch gewissenhaft ausgesucht, denn selten sah Florian derart „Cool“ aus, wie sein Bruder meinte. Aus diesem Grund durfte er an diesem Tag vorne bei Seth sitzen, den er so fast unverhohlen mustern konnte, während sein Herz wild hämmerte.
„Willst du ins Bad?“
Erschrocken fuhr Florian herum und sah in Seth‘ Augen, die ihn müde anblickten. „Ja, genau, ins Bad!“
„Alles in Ordnung?“
„Ich glaub schon, bin etwas müde, entschuldige.“ Das war die perfekte Ausrede, die Seth hinnahm und sich gerade mal mit einer Jogginghose bekleidet ins Wohnzimmer begab. Mehr hatte Florians Kleiderschrank nicht hergegeben. Er war schmaler als Seth und trug an sich gerne engere Kleidung und somit konnte er nicht viel bieten, was seinem Gast passte. Allerdings hatte er ihm ein T-Shirt zur Verfügung gestellt, welches noch im Bad lag.
Eilig entkleidete sich Florian und steckte seine Kleidung zu Seth‘ in die Waschmaschine, welche er sofort anschaltete. Mit einem Kribbeln im Körper stieg er dann unter die Dusche. Die Vorstellung, dass vor wenigen Minuten noch sein heimlicher Schwarm darunter gestanden hatte und sich berührte, ließ seine Libido abermals Impulse durch seinen Körper schicken. Seine Hand glitt zum Temperaturregler und stellte das Wasser auf kalt.
Zitternd trat Florian ins Wohnzimmer, wo sich Seth auf der Couch ausgebreitet hatte und durch das aktuelle Programm im Fernseher schaltete. „Bequem?“
„Absolut“, grinste Seth und sah ihn dann an. „Du zitterst ja“, nahm er mit gerunzelter Stirn wahr, setzte sich auf und griff nach Florians Hand um ihn zu sich zu ziehen. Kaum saß dieser zwischen seinen Beinen, schlang er eine Decke um sie und lehnte sich wieder zurück. Sanft rieb er ihm über die Arme, was Florian aufseufzen ließ. Die kalte Dusche war umsonst. Abermals stellte sich sein Schwanz auf und drückte fest gegen den lockeren Stoff seiner Trainingshose. Ein Glück dass die Decke über ihnen lag, somit konnte er sich wenigstens sicher fühlen, dass Seth es nicht mitbekam. Dessen Arme lagen mittlerweile um seinen Bauch und er fuhr mit den Fingern den Bauchnabel nach. Florian musste sich auf die Zunge beißen, damit kein Stöhnen nach außen drang. Das würde böse ausgehen, blamabel und sicherlich nicht in Seth‘ Sinn. Dennoch kreiste dieser weiter über Florians Bauch, zog dabei das T-Shirt zur Seite und berührte die blanke Haut. Das war zu viel, ein genussvolles Stöhnen entfloh seiner Kehle.
Statt dass sich Seth zurückzog, wie es Florian erwartet hatte, streichelte dieser weiter, breitflächiger über seinen Bauch. Genussvoll schloss er die Augen, lehnte seinen Kopf an Seth Schulter und betete, dass dieser nicht aufhörte.
Es war seine Chance, dessen war sich Seth nur allzu bewusst. Florian zerging gerade unter seinen Fingern, bemerkte scheinbar nicht einmal die Wirkung, die er auf ihn hatte. Hart drängte sich sein Glied an dessen Rücken und verlangte schmerzhaft nach Aufmerksamkeit. Der Anblick war aber auch die reinste Verführung, die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet, stöhnte Florian seine Lust heraus. Einen Kuss, Seth sehnte sich nach einem einzigen, intensiven Kuss, wie er es sich seit Jahren wünschte.
Langsam, sodass Florian jederzeit unterbrechen konnte, küsste sich Seth an dessen Kinn entlang. „Darf ich dich küssen?“
Verhangene braune Augen blickten tief in seine, dass eine Antwort unnötig machte. Stattdessen vereinnahmte Seth die blassroten Lippen und drang tief in den Mund ein, den er schon so lange erobern wollte. Von diesem Gefühl, welches sich in seinem Magen breit machte, wollte er eindeutig mehr und scheinbar sah es Florian nicht anders, denn dieser drehte sich in seinen Armen um. Ihre Zungen duellierten sich und ihre Körper fanden den des anderen.
Sie rieben sich aneinander, versuchten jegliche Störung zwischen ihren Körpern zu entfernen, was jedoch bedeutete, dass sie sich lösen mussten. Eilig riss Florian sich das T-Shirt und die Hose vom Leib, während Seth sich sein Beinkleid abstrampelte.
Plötzlich sah ihn Florian schwer atmend an, Unsicherheit machte sich in seinem Gesicht breit, in seinen Augen flackerte die Angst.
Langsam umfasste Seth seine Hand, lächelte sanft und zog ihn zu sich. „Vertraust du mir?“
„Das habe ich schon immer, nur mir selbst nicht.“
„Du entscheidest was passiert, kein anderer. Ich will dich nur berühren, dich in meinen Armen halten und wenn ich darf, küssen, wie ich es mir seit der Schulzeit wünsche.“ Seth verkniff sich ein Lächeln, über das geschockte Gesicht von Florian.
„Seit … ich bin das damals … aber …“
„Du warst damals genau so berauschend wie heute. Als du weggezogen bist, dachte ich, du reißt mir mein Herz raus. Ich wollte dich nicht gehen lassen.“
Florians Lippen verzogen sich zu einem verlegenen Lächeln, seine Wangen verfärbten sich rot. „Und ich dachte, ich hätte nie eine Chance bei dir.“
Jetzt war es an Seth, irritiert zu schauen. „Du in mich, wie ich in dich?“ Ein einfaches Nicken bestätigte ihn seiner Annahme und dann war es um ihn geschehen. Er zog an Florians Hand, der sofort nachgab und neben ihm zum Sitzen kam. Seth setzte sich auf seinen Schoß, nahm Florians Gesicht zwischen seine Hände. „Immer noch?“
„Ich habe nie aufgehört, es nur verdrängt!“
„Bist du dir sicher? Wenn das wahr ist, lass ich dich nie wieder gehen, ich will dich dann immer bei mir haben.“
Kurz flackerte die Unsicherheit in Florians Augen auf. „Ich hab Angst!“
„Kann ich verstehen, doch ich nehme sie dir, genau wie die Befürchtung, dass ich dir wehtun könnte.“ Verlangend, um Bestätigung heischend, küsste Seth Florian. Nie wieder würde er ihn gehen lassen, niemals zulassen, dass ihm noch mal jemand wehtat.
Schon bald wurde der Kuss zärtlich und doch intensiver als zuvor. Seth drängte sich immer mehr an Florian und ließ ihn unmissverständlich wissen, wie dieser auf ihn wirkte.
„Seth, wenn du so weitermachst, leg ich dich flach und das meine ich so, wie ich es sage!“ Die verhangenen braunen Augen ließen keinen Zweifel daran, dass der Jüngere es ernst meinte.
Seth erfasste eine Gänsehaut und obwohl er diese Position im Bett selten einnahm, ging er darauf ein. Alles war ihm egal, Hauptsache er durfte endlich die Verbundenheit mit Florian spüren, nach dem er sich seit Jahren sehnte.
Dieser schien sein Vorhaben sofort umsetzen zu wollen, schmiss Seth rücklings aufs Sofa und schob sich über ihn. Das Verlangen in seinen Augen war klar zu sehen, der Blick nicht mehr ganz so verhangen, stattdessen schien er klar und deutlich wahrzunehmen, was er zu tun bereit war.
Wie gerne hätte Florian abgeschaltet, so wie er es in Seth Augen sehen konnte. Dieser lieferte sich ihm aus, vertraute und gab sich hin, wie er es einst auch getan hatte. Doch Florian konnte es nicht, so sehr es ihn nach dieser Nähe mit Seth gierte, so wenig konnte er vergessen, was passiert war, wie Lex ihn in solchen Momenten zu einer Marionette der Lust deklariert und verkauft hatte. Seine Hände streiften über Seth Seite, entlocktem diesem ein erregtes Stöhnen. Immer mehr drängte er sich an ihn, als wären sie die Verbindung schon eingegangen.
Florian kostete von dem Mann, den er schon so lange begehrte, spielte mit diesem und wusste, dass es ein Drahtseilakt war, Lust und das Verlangen nach Erlösung hinauszuzögern.
Jedoch durfte es noch nicht soweit sein, er wollte Seth genießen, alles von ihm haben, seinen Körper erkunden und seine Seele berühren. Bereitwillig hatte dieser die Beine unter ihm gespreizt, hob seine Hüfte immer wieder an, dass es sich Florian nicht nehmen ließ, zwei seiner Finger mit Speichel zu benetzen und zum Zentrum des Unterleibes glitt. Sanft rieb er über den Muskel, der unter seinen Berührungen zu zucken begann.
„Willst du das wirklich?“ Die Stimme war lediglich ein Hauch und Seth nicht fähig, ihm zu antworten. Er hatte sich selbst auf Florians Finger geschoben und empfing diesen mit einem lauten Stöhnen. Die Frage war vergessen, Florian gab seine Zurückhaltung auf und eroberte Seth mit Fingern und Mund.
Die Kontrolle zu behalten, mit dem Kopf klar dabei zu sein, war neu und doch extrem erregend für Florian. Wie Seth sich unter seinen Berührungen zu winden begann, dessen Lippen leicht offen und glänzend. Er war die pure Verführung und Florian hatte nicht vor, dieser zu widerstehen. Stattdessen belegte er Seth Mund mit seinem, um ihn gleichzeitig mit hochzuziehen.
„Schlafzimmer!“, kommentierte er sein Handeln. Sie taumelten durch den Flur, ertasteten ihre Körper und tauchten mit den Zungen in die andere Mundhöhle ein.
Kaum auf dem Bett, griff Florian in seine Nachttischschublade und nahm dort die Utensilien raus, die er vor Monaten das letzte Mal benutzt hatte.
Mit zitternden Händen streifte er sich ein Kondom über, drückte das Gel in seine Hand und schob sich über Seth. Während seine Finger wieder im Inneren verschwanden, sahen seine braunen Augen in die grünen unter ihm. Zärtlich berührten Seth‘ Lippen und Finger Florians Gesicht, umspielte mit seinem Daumen dessen Lippen. Zeitgleich mit Seth‘ Finger, der in seinen Mund eindrang, versenkte Florian sich tief in Seth.
Verbunden verharrten sie, genossen das Gefühl, welches beide vereinnahmte. Es schien, als würde die Zeit stillstehen.
Langsam wurde Seth unruhig, ließ sein Becken ein wenig kreisen und animierte so seinen Partner, nicht zu verharren. Es kam Bewegung in Florian, der das Verlangen der letzten Monate in sich schreien hörte. Mit einem sanften Kuss sah er Seth tief in die Augen und stieß dann zu. Jeder Stoß ließ beide nach Luft schnappen. Schweißperlen überströmten ihre Körper, so sehr sie die Erlösung herbeisehnten, schien der Drang, es ewig anhalten zu lassen, noch zu groß.
Immer schneller, tiefer und fester stieß Florian zu, ließ Seth vor Verlangen schreien und diesen Moment unvergesslich erscheinen. Vereint, wie sie es sich seit Jahren wünschten, mit einer Zukunft, die für sie zusammen geschrieben wurde.
Die Nacht war lang und intensiv, somit war es kein Wunder, dass sich Seth und Florian noch um zehn Uhr vormittags im Bett befanden. Jedoch schien einer etwas dagegen zu haben, denn das Telefon wollte nicht still stehen. Erschöpft befreite sich Florian aus Seth Armen und griff nach dem Hörer, wo ihm Sekunden später sein Vater aufgeregt ins Ohr sprach.
„Hast du ihn gesehen? Ist er bei dir?“
„Hey Dad, was willst du? Wer soll bei mir sein?“
„Noah, ist er bei dir, oder hast du von ihm gehört?“
„Nein, weder das Eine noch das Andere. Was ist denn passiert?“ Florian stand auf und lief in Richtung seiner Küche, innerlich betend, dass nichts passiert war.
„Wir hatten mal wieder einen Streit“, seufzte Robert Kennedy. „Du weißt doch, wie er reagieren kann, ab und an ist er einfach etwas …“
„Sag mir jetzt nicht, du hast ihn wieder mit dem Thema genervt? Dad, ich bitte dich, er wird am besten wissen, ob er schwul oder hetero ist und muss sich das bestimmt nicht jedes Mal von dir anhören.“
Robert schnaubte. „Aber wenn ich doch davon überzeugt bin, dass er schwul ist und ich habe ja auch kein Problem damit, kann ich ihm das doch mitteilen, oder nicht?“
Florian schüttelte den Kopf und ließ sich am Esstisch nieder. „Ganz ehrlich? Nein, und das sage ich dir zum hundertsten Mal. Noah wird schon herausfinden, für welches Geschlecht sein Herz schlägt und braucht sicher nicht einen Vater, der es ihm sagt. Dass du nichts gegen Homosexualität hast, das weiß er. Und er ist abgehauen?“
„Allerdings. Mitten in der Nacht, mit vierhundert Dollar, einem zurückgelassenen Schreiben, dass er mal weg müsse von zu Hause. Bei Tom ist er nicht, sonst wäre er da schon heute Morgen angekommen, also dachte ich, er könnte zu dir sein.“
Das würde Florian gerade fehlen, sein sechs Jahre jüngerer Bruder, der ihm die Tür einrannte. „Gerade zu mir? Dad, er wird bei dem Thema nicht gerade mich …“ Es klingelte und mit einem mulmigen Gefühl bat Florian seinen Vater, zu warten. Als er die Tür öffnete, blickte er in die braunen Augen seines jüngsten Bruders. „Dad, er ist hier, ich melde mich später!“, legte er auf und trat zur Seite.
Die Ähnlichkeit der Brüder war nicht zu übersehen. Selbst den Gang und die Blicke schienen sie zu teilen. „Kaffee?“, fragte Florian und ging Richtung Küche zurück.
„Kakao, wenn es geht.“
„Klar und du fängst an zu erzählen, wieso du ausgerechnet bei mir aufschlägst und nicht bei Tom.“
Während Florian die Milch aufstellte und Kaffee aufsetzte, bediente sich Noah an einem Schrank, wo sein Bruder immer die Kekse hatte. „Dad hat sie nicht mehr alle und Tom fing auch schon an. Wieso denken alle, dass ich wie du bin?“ Es klang fast vorwurfsvoll.
„Oh entschuldige, wegen mir sei wie Tom. Noah, es ist mir egal, mit wem du dein Bett teilst, aber verdammt, akzeptier, dass ich eben einen Mann habe.“
Der Angesprochene grummelte und nahm den Kakao entgegen, den sein Bruder ihm reichte. „Ich habe nichts dagegen, dass du auf Männer stehst, aber ich stehe nicht auf sie!“
Seth rieb sich verschlafen durchs Gesicht und nahm das Gespräch wahr, welches aus der Richtung kam, wo er den Kakaoduft ausmachte. „Guten Morgen!“, trat er in die Küche und stockte. Er sah doppelt, zumindest machte es den Anschein, doch dann arbeitete sein schlaftrunkenes Gehirn. „Noah? Hey!“
„Seth? Oh bitte, nicht du …“
„Es freut mich auch, dich zu sehen. Was bitte, nicht ich?“ Lächelnd sah Seth zu Florian und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, welchen dieser mit leicht roten Wangen erwiderte.
„Du bist schwul? Warst du nicht immer der Mädchentraum?“
„Noah, im Gegensatz zu deinem Bruder war ich nicht mutig genug, zu mir zu stehen. Was ist bei dir los, dass du hier bist?“
Kurz berichtete Florian, was vorgefallen war und setzte sich dann mit einem Kaffee an den Tisch.
„Papa hat sie nicht mehr alle!“, kam voller Inbrunst von Noah.
„Hätte ich mal so einen coolen Vater, ich wäre froh. Aber gut, wenn du sagst, du stehst nicht auf Männer, ist das doch okay, aber was willst du hier?“, runzelte Seth die Stirn.
„Ich hab hier ein Stellenangebot … ich konnte es Dad nicht sagen, er will ja, dass ich weiter Schule mache, aber … das reizt mich.“
Florian sah seinen kleinen Bruder erstaunt an. „Du hast ein Jobangebot, hier?“
„So was wie eine Ausbildung. Sie waren von meinem Blick fürs Detail sehr angetan, du weißt, wie sehr ich auf Grafik stehe. Die Druckerei Stone hat mir dann angeboten, ein Praktikum zu machen.“
„Stone …“, überlegte Seth noch, als sein Freund zu lachen anfing. „Das sind John und Luc, oder?“ Ein Nicken bestätigte seine Annahme. „Oh Mann, die Welt ist echt zu klein.“
„Sollen wir dich hinbringen?“, fragte Florian.
„Nein, warum ich bei dir bin, ist eigentlich … ich bräuchte eine Unterkunft.“
Florian riss die Augen auf. „Du willst hier bei mir wohnen? Noah, ich weiß nicht, ob das gut geht.“
„Wieso denn nicht? Du hast doch ein Gästezimmer und sagtest, ich bin immer willkommen.“
„Ja schon, zu Besuch, aber doch nicht, um bei mir zu leben. Noah, bitte denk nach, was du sagst. Ich bin mit Seth zusammen und werde mich sicherlich nicht vor dir, wegen dir, in meiner Wohnung zurückhalten und wenn ich dich erinnern darf, hast du damit schon immer ein Problem!“
„Ich hab nichts gegen deine Veranlagung, aber …“
Seth zog Florian auf seinen Schoß und sah Noah mit gerunzelter Stirn an. „Was hast du gegen gleichgeschlechtliche Liebe?“
„Gar nichts, aber ich will damit auch nicht konfrontiert werden, reicht echt, wenn Dad ewig hinter mir her ist. Da muss ich mir so was nicht noch angucken. Aber ich verspreche, still zu sein, kein Ton zu nichts, wenn ich hier wohnen darf, Flo, bitte?“
Seth sah seinem Freund an, wie dieser in seiner Entscheidung wankte und so wunderte ihn das Kopfnicken nicht weiter. Doch würde das wirklich gut gehen?
Mit Sicherheit nicht, da war er sich sicher und in seinem Kopf geisterte eine andere Idee umher. Doch war es für diese an sich viel zu früh und wie er sie Florian schmackhaft machen sollte, wusste er ebenso wenig. Somit hieß es erst mal, die Situation hinnehmen, wie sie war.
„Aber du rufst jetzt Dad an und machst reinen Tisch, bevor Tom vor der Tür steht und mir die Hölle heiß macht, weil unser kleiner Bruder nicht die Eier in der Hose besitzt, Klartext zu reden.“
Grummelnd erhob sich Noah und verschwand ins Wohnzimmer.
„Ich habe nicht Jahre gewartet, um mich wegen deinem Bruder zurückzuhalten!“, grummelte Seth und küsste Florians Nacken.
„Das habe ich auch nicht vor, keine Panik, entweder kommt er damit klar, oder muss sich was Eigenes suchen. Auf dich zu verzichten, kommt nicht infrage!“ Florian drehte sich um und setzte sich wieder auf seinen Schoss. Es waren nur kleine Bewegungen und doch durchzuckten Seth Impulse, die Stromschlägen gleichkamen.
„Flo, keine gute Idee!“
„Oh doch, eine sehr gute sogar. Soll er sich gleich dran gewöhnen.“ Das Grinsen auf seinen Lippen ließ Seth wissen, wie ernst es seinem Freund war. Langsam fing Florian an, sich auf seinem Schoss zu bewegen.
„Das ist doch nicht euer Ernst, oder?“ Noah stand entsetzt im Türrahmen und sah die zwei Männer an, die sich gegenseitig mit Lippen und Händen ertasteten.
„Oh doch, Bruderherz. Was sagt Dad?“
„Was soll er schon sagen? Begeisterung ist was anderes. Willst du mich vergraulen? Was soll der Quatsch?“ Dabei fuchtelte der Einundzwanzigjährige mit den Händen umher.
„Du willst bei mir leben, dann gewöhn dich an den Anblick. Mir egal, ob du nun schwul bist oder nicht, Noah, ich bin es und werde den Teufel tun, das zu verstecken.“
„Das habe ich auch nie verlangt, aber wenn du mich schon zu dir einlädst, dann kannst du auch Rücksicht nehmen.“
Florian riss die Augen auf und Seth hatte damit zu kämpfen, ihn auf seinem Schoss zu halten. „Eingeladen? Ich dich? Das schlägt ja wohl dem Fass den Boden aus. Ich hab dich bestimmt nicht eingeladen und auch wenn, heißt das nicht, dass ich mein Glück verstecken muss! Nur weil du nicht weißt, was du willst, auf was du stehst, muss sich die Welt nicht vor dir verstecken. Komm mal mit dir klar.“ Seth gab nach und ließ Florian aufstehen, der langsam mit einem, schon fast als widerwärtig anzusehendem Lächeln auf seinen kleinen Bruder zuging. „Vielleicht turnt es dich ja sogar an, was wir hier tun, doch du willst es nicht akzeptieren. Eventuell hat Dad ja recht und du bist schwul, von den Haarspitzen bis zum kleinen Zeh.“
„Das ist nicht wahr!“
„Ach nein? Gib es ruhig zu, Kleiner, es macht dich an, zwei Männer miteinander zu sehen, wie sie sich berühren und einander hingeben, sehnst dich wahrscheinlich sogar danach, doch das würde ja nicht in dein perfektes Lebensbild passen. Du Spießer.“
Noah schnappte nach Luft, wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch ihm blieb scheinbar jedes Wort in der Kehle hängen. Seth hatte Mitleid, stand nun ebenfalls auf und legte Florian eine Hand auf die Schulter. „Lass es gut sein.“
„Wieso sollte ich? Nur weil er nicht zu sich selbst stehen kann? Noah hatte noch nie eine Freundin. Bis heute nicht mal Interesse an einer Frau, was liegt da näher, als dass er auch auf Männer steht? Aber mein kleiner Bruder will ja nicht wie ich sein. Lieber wie Tom, der Spitzensportler, der jede Frau flachgelegt hat.“
„Richtig, ich möchte normal sein, was ist daran verkehrt? Du verstehst mich nicht, nicht jeder ist so stark wie du!“ Mit einem verdächtigen Glitzern in den Augen verschwand Noah aus der Küche und der zuschlagenden Haustür zufolge auch aus der Wohnung.
Florian seufzte und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Er war eindeutig zu weit gegangen. Vor allem, da er sich nicht mal sicher gewesen war, ob seine Behauptungen wirklich der Wahrheit entsprachen. „Ich hab ins Schwarze getroffen, oder?“
„Bull`s eye, würde man beim Dart sagen.“
„Verdammt. Und wie mache ich das jetzt wieder gut? Ich bin ein Idiot!“
„Da kann ich dir leider nicht helfen. Gib Noah Zeit, er muss sich selbst finden und deine klaren Worte werden genug in ihm ausgelöst haben, dass er sich Gedanken macht.“
Mit einem schiefen Blick bedachte Florian seinen Freund, doch dann musste er lächeln. Es war über den Morgen fast untergegangen, auch wenn sie sich noch so nahe waren. Nach derart vielen Jahren hatte er Seth für sich, dieser teilte seine Gefühle und erwiderte gerade genauso verlangend Florians Blick.
Wortlos nahmen sie sich an den Händen und verschwanden im Schlafzimmer. Florian glaubte es kaum, konnte sich selbst nicht verstehen, doch schon bald lag er unter Seth und bot sich ihm an. Das Verlangen in ihm war zu groß, als dass sein Verstand noch aktiv werden konnte. Trotzdem verließen seine Lippen kaum hörbare Worte, die Seth dazu veranlassten, sich auf der Matratze abzustützen und in Florians Augen zu sehen. „Nie wieder wird dir jemand etwas tun, was du nicht willst, erst recht nicht ich.“
Langsam sank Seth nieder und hauchte Florian einen Kuss auf die Lippen. So ungestüm, wie sie begonnen hatten, so zärtlich nahmen sie sich die nächsten Stunden Zeit.
Mit dem Duft von Schokoladenkuchen mit einem flüssigen Kern und frisch gemachtem Kakao mit Sahne und Schokoraspeln, der sie umgab, vergaßen sie für eine gefühlte Ewigkeit die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.
Texte: Rigor Mortis
Bildmaterialien: Rigor Mortis
Lektorat: Bri Mel
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2014
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