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Willst du mich heiraten

John saß an seinem Computer und seufzte. Wiedermal hatte sein Vater ihm die Dateien des schwierigsten Kunden auf den Tisch gelegt. Die Arbeit in der Druckerei, Karl Stone, der sich gleichzeitig seinen Vater nannte, war alles andere als entspannend. Besonders dieser Kunde hatte die Eigenschaft, immer einen Fehler zu finden und sei es nur das Papier, auf das gedruckt wurde, oder die Farbe, die nicht intensiv genug war.

Aber eigentlich war Mister Clodell nicht sein Problem, sondern Karl Stone. Johns Vater hatte sich den Geburtstag seines Sohnes zum Anlass genommen, um potenzielle Ehefrauen einzuladen und das gefiel John ganz und gar nicht. Noch zwei Tage und er durfte sich mit vier Frauen treffen, die angeblich genau zu ihm passen würden, wenn man seinem Vater glauben wollte.

 

Fünf Stunden später speicherte John die Datei ab und fuhr den Computer runter. Seine Ohren schmerzten und sein Mund fühlte sich trocken an. Feierabend, es wurde Zeit sich zu entspannen. Kaum trat er aus der Firma, lockerte er seine Krawatte und drehte seinen Kopf in alle Richtungen, bis die steife Muskulatur lockerer wurde.

„Junger Mann, sagen Sie mal, ist das der neue Dress in ihrem Business?“

Lachend drehte sich John um, blickte in die braunen Augen von Luc, seinem besten Freund und Leidensgenossen. „Nun ja, in Ihrer Firma scheint es nicht einmal einen Dresscode zu geben!“ Erfreut sich zu sehen, schlugen sie einander sanft auf die Schulter und grinsten.

„Was wäre das schön, einfach in Jeans und T-Shirt gehen zu dürfen.“ Luc steckte seine Krawatte in die enge Hosentasche seines Anzugs und öffnete das Hemd bis zur Brust.

„In der Immobilienbranche nicht gern gesehen, was?“

Zusammen gingen sie über den großen Parkplatz. Das Immobiliengeschäft von Lucs Vater befand sich auf der gegenüberliegenden Seite und so parkten sie meist nebeneinander bei Johns Arbeitsstelle.

Seit der Kindheit verband die beiden Männer ein inniges Band der Freundschaft. Sie teilten Geheimnisse, schöne Momente, doch auch Kummer und Leid. So gut situiert wie beide aufgewachsen waren, dank der angesehenen Firmen ihrer Väter, schien ihr Leben doch einem goldenen Käfig gleich. Mit vielen Vorzügen, war ihr Leben doch auch gespickt mit Regeln und Pflichten.

Anforderungen wurden gestellt, die beide meist widerwillig befolgten. So stand auch Luc momentan vor der Forderung seiner Eltern, eine Familie zu gründen.

„Mein Vater hat eine, wie er sie nennt, anständige Frau für mich gefunden. Ich soll sie nächste Woche kennenlernen.“ Luc ließ seine Schultern hängen und kickte einen Stein vor sich her.

„Mist, also meinen sie es wirklich ernst.“

„Ja, sehr ernst sogar. Dad sprach von einer Hochzeit dieses Jahr und von dem Erbe, der daraus hervorgehen soll. John, ich will das nicht, nicht so.“

John nickte verstehend und berichtete Luc von seinem baldigen Treffen mit gleich vier Frauen. „Ich will es auch nicht, vor allem nicht so. Lass uns abhauen!“

Erschrocken sah Luc ihn an. „Du willst was? Hast du Fieber?“ Vorsichtshalber testete er die Temperatur seines Freundes mit der Hand. Das war eindeutig nicht Johns Art, eher seine.

Luc war noch nie der geradlinige Typ gewesen, brach gerne aus dem goldenen Käfig aus, doch nie für lange. Pflichtgefühl war selbst ihm in die Wiege gelegt und bis auf etliche Affären, die sein Vater immer wieder vertuschte, hatte er eine blütenweiße Weste.

„Nein, aber ich will diese Frauen nicht treffen. Es ist mein dreißigster Geburtstag, den ich feiern möchte, wie es mir passt. Was sagst du zu Las Vegas?“

Tief durchatmend sah Luc auf den Boden, kickte ein letztes Mal den Stein vor sich weg und nickte lächelnd. „Ich hätte nie erwartet, dass gerade du mit einer solchen Idee kommst, aber klar, wieso nicht? Lass uns Las Vegas erobern.“

 

„Luc, kommst du mal bitte?“ Erschrocken hob der Angesprochene seinen Kopf von den Unterlagen, auf denen er eingeschlafen war. Die Nacht mit John war eindeutig zu lang gewesen. Sie hatten bis zum Morgen zusammengesessen und geplant. Ein Kasinobesuch war Pflicht, zudem mindestens eine Show irgendwelcher Magier, die gerade dort gastierten. Doch vor allem Alkohol hatten sie einander versprochen. Sie würden Johns dreißigsten Geburtstag feiern und das nicht zu knapp.

Mühsam erhob sich Luc von seinem Sessel, rieb sich den Schlaf aus den Augen und begab sich zu seinem Vater, bevor dieser ungehalten wurde.

„Was kann ich für dich tun?“

„Bitte halte dir Samstagabend frei, wir haben eine Einladung zum Essen.“

„Das tut mir leid, doch da bin ich bereits verplant. Falls du dich erinnern kannst, hat John Geburtstag und ich habe vor, mit ihm zu feiern.“

„Ich kann dich dahingehend beruhigen, er wird ebenso verplant sein, soweit mich Karl informiert hat. Somit erwarten wir dich um acht im Lazzaro.“

Luc schwieg lieber und nickte ergeben, damit er schneller zu seinem Schreibtisch kam. Die Tür hinter sich geschlossen, griff er sofort nach seinem Handy und wählte Johns Nummer.

„Druckerei Karl Stone, sie sprechen mit John Stone.“

Mist, er war mitten in einer Sitzung, fuhr Luc durch den Kopf. „Guten Tag Mister Stone, es gibt logistische Probleme bezüglich des Termins.

„Mister Herold machen Sie sich keine Gedanken, ich werde den Termin einhalten können.“

Erleichtert fiel Luc in seinen Stuhl und fragte sich gleichzeitig, wer Mister Herold war, er zumindest nicht. Eindeutig nicht, auf seiner Tür stand groß Luc Gregor Miller. „Ich danke Ihnen, Mister Stone!“

„Ich danke dir, jetzt konnte ich aus dem Gespräch mit meinem Vater raus. Wie kommst du drauf, dass wir Probleme wegen dem Wochenende haben?“

„Weil mein Vater gerade sagte, dass ich am Samstag ins Lazzaro kommen soll. Du hättest sowieso einen anderen Termin.“

Man hörte einen dumpfen Aufschlag und einen verhaltenen Fluch durch die Leitung. „Wir fliegen, egal was kommt. Ich werde die Tussen nicht treffen und mehr sind das echt nicht, weiß jetzt, um wen es geht.“

„So schlimm?“ Luc runzelte die Stirn. Auch wenn er selbst nicht begeistert war, dass sein Vater sich anmaßte, für ihn eine Frau zu suchen, konnte es bei John nicht so dramatisch sein.

„Deine Auserwählte ist, soweit du meinem Vater glauben willst, Tamara Blue.“

Es war so schlimm, falsch, es war dramatisch. Was hatte sich sein Vater denn dabei gedacht? Lucs Herz hämmerte gegen seine Brust und er meinte, einen riesigen Kloß im Hals zu haben. Allein der Anblick dieser Frau war eine Katastrophe. Ihr Motto schien „Pink“ zu sein, denn nichts anderes trug sie und glaubte man ihren zahlreichen Lovern, selbst die Unterwäsche und ihr Haus schloss sie da nicht aus. „Das kann nicht sein Ernst sein. Hasst er mich etwa?“

„Ich hol dich morgen Abend ab, dann kannst du bei mir schlafen und morgens um zehn setzen wir uns gemütlich in den Flieger und vergessen diesen ganzen Mist für zwei Tage. Vielleicht fällt uns ja eine Lösung ein. Ich muss jetzt los, melde mich später noch einmal. Und Luc?“

„Hm?“ Luc war nicht mehr bei der Sache, er sah sich in einem pinken Haus sitzen, mit pinkem Sofa, pinker Küche, Pink überall, dass sein Magen rebellieren wollte.

„Denk an deine Wohnung, wegen mir an meine, aber verdränge diese scheußliche Farbe.“ Eilig nickte Luc und dachte an John, an dessen Wohnung. Schwarz und Weiß dominierten darin. Die Küche in Silber, keine unnötige Dekoration, jedoch Palmen, die das Ganze etwas auflockerten. Langsam regulierte sich sein Atem wieder. Ja eindeutig, das war der bessere Gedanke.

 

Drei Hausbesichtigungen später fand sich Luc in seiner eigenen Wohnung wieder. Sein Blick schweifte über die braunen Möbel. Seine Mutter hatte jedes Zimmer eingerichtet, genau gesehen, war es auch nicht Lucs Reich. Im Gegensatz zu John hatten ihm seine Eltern die Altbauwohnung nie überschrieben. Sein bester Freund hatte sein Reich zum 25. Geburtstag geschenkt bekommen und lebte dort auch recht zurückgezogen für sich, weit ab von seinen Eltern, während Luc seine direkt nebenan hatte. Diese ließen es sich auch nicht nehmen, regelmäßig unangemeldet vorbei zu kommen. Wie just in dem Moment, als er sich auf die Couch fallen ließ. Seine Mutter stürmte regelrecht in seine Wohnung, als sie sich direkt vor ihm aufbaute und ihn tadelnd ansah. „So ruinierst du das Leder. Steh auf Junge, da sollte eine Decke drunter und du bist nicht mal geduscht.“

Luc richtete sich auf. „Ich denke, das verkraftet die Couch sehr gut, aber schön, dass du dich um sie sorgst.“

„Das kannst du ja auch gut sagen, hast du sie bezahlt? Du bist ganz schön undankbar, Luc. Man sollte pfleglich mit Sachen umgehen, die einem nicht gehören.“

Langsam fing es an in Luc zu brodeln. Jedes Mal hielt man ihm die Tatsache vor, dass alles in der Wohnung ihm nicht gehörte, bis auf Kleinigkeiten mit nichtigem Wert und seiner Kleidung, aber diese konnte er sich schließlich auch nur leisten, weil sein Vater so gnädig war, ihn zu beschäftigen. Wut walle in ihm auf, er dachte an John, an dessen Wohnung und sein Angebot, welches er ihm immer wieder gemacht hatte. „Wenn du es nicht aushältst, pack deine Sachen und komm zu mir. Hier ist immer Platz für dich“, erklangen die Worte seines besten Freundes in seinem Kopf. Zwei Mal atmete er tief durch, wie er es immer machte. Luc durfte nichts überstürzen.

„Würdest du gefälligst reagieren, wenn ich mit dir rede. Nicht mal den gebührenden Respekt schenkst du deiner Mutter? Sieh mich gefälligst an und richte endlich deine Kleidung, du läufst herum wie ein Penner!“

Irritiert sah Luc an sich hinab. Er trug noch immer die Hose des Anzuges und ein weißes T-Shirt. Sein Hemd hatte er beim Betreten der Wohnung abgelegt, wie er es immer tat. „Wenn es dir nicht gefällt, wieso meldest du dich dann nicht vorher an, damit ich mich dementsprechend stylen  kann?“ Luc lobte sich geistig für seine souveräne und freundliche Stimme.

„Nun wird der Herr noch frech? Ich glaube, dir geht es zu gut. Wenn du uns nicht hättest, dann ...“

„Dann was, Mutter? Hätte ich eins der anderen Angebote bereits angenommen, die mir Immobilienbüros schicken, oder mich selbstständig gemacht? Was Vater mir bezahlt ist ein Witz und das wissen wir beide, ich könnte locker das Dreifache verdienen.“

Dora Miller rümpfte die Nase und ließ ein abfälliges Lachen entweichen. „So, meinst du? Und wieso bist du dann noch hier? Pack doch deine Sachen und geh, wenn du denkst, dass es dir woanders besser geht.“

„Gerne“, war das Einzige, was er noch antworten konnte, wandte sich ab und verschwand im Schlafzimmer, um zu packen. Den entsetzten Blick seiner Mutter ignorierend suchte er alles zusammen was ihm gehörte. Alles was seine Eltern als billig und unsinnig betitelt hatten.

„Luc Gregor Miller, was hast du vor?“

Die letzten Habseligkeiten fielen in den dritten Koffer und Luc ging zur Tür, entfernte den Schlüssel von seinem Bund. „Gehen, so wie du es mir angeboten hast. Schlüssel von der Wohnung ...“ Der Erste landete vor ihren Füßen. „Vom Büro ...“ Der Zweite klirrte auf den Boden. „Für die Geschäftsräume und die momentan zum Verkauf stehenden Häuser, die ich heute besichtigt habe!“ Letztendlich hielt Luc nur noch seinen Autoschlüssel in der Hand, welchen er in der Anzughose verschwinden ließ und sich mit Mühe seine drei Koffer nahm, um dann zu gehen.

„Das kannst du nicht machen ... Luc ... Luc Gregor ... bleib gefälligst stehen, wenn deine Mutter mit dir redet.“

Mit einem Lächeln im Gesicht blendete er die Schreie seiner Mutter aus und packte seine Sachen ins Auto, bevor er einstieg und davon fuhr. Er fühlte sich erleichtert und … ja, er fühlte sich befreit. Nun hoffte er nur noch, dass John zu seinem Angebot stand.

 

Es klingelte zum dritten Mal an diesem Abend und John riss die Hutschnur. Während er die Tür öffnete ließ er seiner Wut freien Lauf. „Ich sagte, dass ich es nicht hören will. Entweder versteht ihr das jetzt, oder es ist das Letzte, was ihr von mir hört. Ich bin verdammt noch mal nicht auf euch angewiesen und sicherlich nicht auf ...“ John stockte und sah Luc verwundert an. „Hey, sorry, ich dachte es sind meine Eltern.“

„Es brennt die Luft, was? Bei mir auch.“ Verlegen biss sich Johns Freund auf die Unterlippe und blickte zur Straße, wo er dessen Auto sehen konnte, welches auf der Rückbank mit zwei Koffern beladen war. „Scheiß Sportwagen, hab fast nicht alles unterbekommen. Pass auf John, dein Angebot von damals, du musst es nicht aufrecht erhalten, doch ich will nicht mehr in die Wohnung meiner Eltern zurück und wäre dir für eine Nacht wirklich dankbar.“

Johns Lippen überzog ein Lächeln, er atmete tief durch und trat zur Seite. „Mi casa e su casa, mein Freund. Mein Angebot war ernst gemeint. Hey, hier sind vier Schlafzimmer und eine Wohngemeinschaft mit dir? Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.“

Die Erleichterung war Luc ins Gesicht geschrieben, er trat ein und nahm John in die Arme. „Danke, ehrlich.“
„Ich bin stolz auf dich, es wurde Zeit, dass du ihnen zeigst, wo deine Grenzen sind.“

 

Nachdem sie die Taschen in ein Gästezimmer verstaut hatten, welches sich Luc demnächst so einrichten sollte, wie es ihm beliebte, saßen sie auf dem Sofa und tranken ein Bier.

Betroffen sah John seinen besten Freund an, als dieser alles erzählt hatte. „Du bist also jetzt arbeitslos und obdachlos? Nun gut, eine Wohnung hast du jetzt, aber ... deine Eltern sind das Letzte!“

„Sind sie und was haben deine verbrochen, dass du sie eben derart anfahren wolltest? Lass mich raten, die Wahl deiner Zukünftigen ist dir nicht recht.“

„Korrekt und das habe ich ihnen heute schon mehrfach erläutert, aber irgendwie scheine ich eine andere Sprache zu sprechen. Vater ist enttäuscht, jedoch als ich drohte den Betrieb zu verlassen, war Ruhe. Ich dachte, Mutter würde es jetzt versuchen“, Seufzend fuhr er sich durch die Haare und nahm einen Schluck von seinem Bier.

„Was ist nur mit unseren Eltern los? Ich meine, wenigstens einer von uns sollte eine anständige Familie haben.“ Luc lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er ignorierte John, der aufstand und seinen Laptop holte. Lauschte lediglich dem Tippen und reagierte erst, als John ihn anstieß.

„Bist du bereit für Las Vegas?“

„Klar, übermorgen geht es los, ich freue mich drauf.“

„Nein, heute. Wir fliegen in drei Stunden, also, pack deine Koffer so weit aus, was du nicht brauchst und lass uns zum Flughafen fahren. Ich hab unsere Tickets umgebucht.“

Luc öffnete die Augen und sah ihn verwundert an. „Heute? Wieso?“

„Weil ich denke, dass es eine sehr gute Idee ist, also auf.“

 

Stunden später kamen sie mitten in der Nacht im Hotel an. Luc konnte es nicht fassen, sein bester Freund war normalerweise sehr organisiert und korrekt, doch wie man sah, konnte er durchaus spontan sein.

„Ein Doppelzimmer?“ Nun war Luc überrascht.

„Es war leider nur noch das hier frei. Aber keine Angst, ich werde nicht über dich herfallen, höchstens etwas kuscheln.“

„Du bist echt doof.“ Beide lachten und begaben sich in den Fahrstuhl.

„Doof? Ach Luc, wenn du mehr willst, musst du mir das schon sagen“, trat John näher an ihn heran und stützte je eine Hand, nahe am Kopf an der Wand ab. Fast berührten sich ihre Nasen, während sie einander grinsend in die Augen sahen.

Sie waren nicht allein eingestiegen und das bemerkten sie nun, als jemand neben ihnen zischend die Luft einsog. John drehte sich zu der Frau, die ihn leicht pikiert ansah.

„Das gehört sich nicht“, entkam es ihr dann. „Wissen Sie junger Mann, es ist schön, wenn sie sich gefunden haben, aber ich bitte Sie höflichst, solche intimen Momente in ihrem Zimmer auszuleben.“

„Haben Sie etwas gegen Schwule?“

„Nein, wieso auch? Doch seien wir ehrlich, ich packe hier auch keine Schokolade aus und beiße genüsslich rein, während Sie am langen Arm verhungern.“ Die ältere Dame lächelte, während der Fahrstuhl auf ihrer Etage hielt. „Einen schönen Aufenthalt“, zwinkerte sie beiden zu und verschwand im Flur.

John war sichtlich  irritiert über die Frau, mit offenem Mund sah er ihr nach, bis ihn der Ellenbogen von Luc in den Rippen traf. „Die denkt jetzt, wir sind ein Paar. Hast du sie noch alle?“

„Das nenne ich mal eine tolle Frau. Nun reg dich ab, es war ein Witz, und wenn sie es denkt, kann uns das auch egal sein.“

„Seit wann bist du so locker? Sonst hast du auch eher einen Stock im Hintern und siehst alles über-korrekt.“

John lehnte sich zurück, während sich die Fahrstuhltür schloss. „Vielleicht weil ich so sein will, wie jetzt? Aber das geht halt nicht immer. Entschuldige, ich wusste nicht, dass dich das stört.“

„Nun schau nicht so, so dramatisch finde ich es auch nicht und einen Lover von deinem Kaliber nachgesagt zu bekommen, ist sicher nicht das Schlechteste.“ Luc grinste, als John fast das Kinn zu Boden fiel. Sprachlos sah der ihn einfach an und schluckte. „Komm mein Schatz, lass uns ins Zimmer gehen und dann verrate ich dir alle meine schmutzigen Träume, mit dir als Hauptdarsteller“, prustete Luc los und zog John mit.

 

Nachdem sie den Rest der Nacht geschlafen hatten, entspannten sie den ganzen Vormittag. Sie lagen am Pool und genossen die Sonne. Zum Abend hin duschten sie, gingen essen und saßen dann bald im Kasino, um ihr Glück zu versuchen. John konnte kein Plus verbuchen, dafür lief es bei Luc umso besser. Er saß beim Pokern und seine Chips hatten sich schon verdreifacht, als sein Freund hinter ihn trat. „Willst du hier abräumen?“, flüsterte er ihm ins Ohr.

„Wenn ich es schaffe, wieso nicht? Sei mein Glücksbringer und die Drinks später gehen auf mich.“

Das tat John und es funktionierte. Angetrunken, lachend und entspannt fielen sie erst in den frühen Morgenstunden ins Bett.

 

Gegen Mittag rafften sie sich auf, um die Gegend zu erkunden. Fasziniert betrachteten sie die einzelnen Geschäfte, gönnten sich ein Eis und faxten über die unterschiedlichen Menschen, die sich dort befanden. Abends machten sie ein weiteres Mal einen Abstecher in das Kasino und an die Bar. Zwei Tage, an denen sie sich keine Gedanken über kommende Woche machten. Doch der Samstag fing schon ziemlich verquer an, indem sie sich beim Besuch des Badezimmers in die Quere kamen, Luc und Johns Handys nicht aufhören wollten zu klingeln und sie dann auch noch das Frühstück um eine halbe Stunde verpassten.

Ausweichmöglichkeiten gab es zum Glück zur Genüge. Und so befanden sie sich eine weitere halbe Stunde später in einem kleinen Café, mit  Kaffee und Pancakes .

„Meine Eltern rufen andauernd durch. Nach ihren Nachrichten zu urteilen, fragen sie sich, wo ich bin und fordern mich auf, den Termin heute Abend nicht zu versäumen.“ John nippte an dem heißen Kaffee und sah aus dem Fenster.

„Vielleicht sollten wir zurückfliegen, es bringt nichts, wenn du auch noch Stress  bekommst.“ Luc lächelte sanft und schob ein kleines Päckchen über den Tisch. „Herzlichen Glückwunsch.“

Irritiert sah John auf, er hatte wirklich seinen Geburtstag vergessen. „Danke.“ Wenn es um Geschenke ging, war er fast wie ein kleines Kind, nervös biss er sich auf die Unterlippe und sah immer wieder zu Luc.

„Mach es auf, du brauchst nicht warten. Hier ist niemand, der dich tadelt.“

Eiligst zerriss er das Band, das das Päckchen verschlossen hielt, und öffnete dieses dann in Zeitlupe. Sein Grinsen verschwand, machte purer Verblüffung Platz. „Du bist verrückt, woher weißt du ...“

„Meinst du ehrlich, mir ist entgangen, dass die Zeitschrift seit drei Wochen aufgeschlagen auf deinem Tisch lag? Ich bin froh, dass dir die Uhr gefällt, und nun leg sie an.“

Nickend nahm John die silberne Uhr an seinem Handgelenk ab und legte die lederne Designeruhr um. Seit drei Wochen hatte er damit gekämpft, sie sich zu kaufen, doch der Preis war nicht gerade angemessen für eine „einfache“ Uhr. „Du bist verrückt. Sie ist unheimlich teuer und ...“

„Ich hatte letzte Woche einen Juwelier als Kunde, also war es vertretbar.“

„Gut, ich geb‘ sie nämlich nie wieder her. Der Wahnsinn.“ Fast ehrfürchtig fuhr er über das Leder und umrundete das Ziffernblatt.

„Musst du auch nicht. So alter Mann, welche Wünsche kann ich dir heute noch erfüllen?“

„Sag mir, was ich machen soll. Ich will meine Eltern nicht vor den Kopf stoßen und doch werde ich den Teufel tun und eine der Frauen heiraten.“

Lucs Ablenkungsversuch war gescheitert, er seufzte. „Gute Frage, sag es ihnen klar und deutlich, mehr geht nicht. Außer dir läuft hier deine Traumfrau über den Weg, dann hat sich das Thema erledigt.“

„Sehr unwahrscheinlich. Ich wüsste nicht mal, wie sie aussehen sollte.“

„Welche Attribute müsste sie denn erfüllen?“ Luc lehnte sich mit der Kaffeetasse zurück und sah seinen Freund fragend an. Sie sprachen viel miteinander, auch hier und da über ihre Eroberungen der vergangenen Nächte, jedoch hatten sie nie darüber geredet, wie ihre Vorstellungen eines Traumpartners aussahen.

„Ich kann es dir nicht mal so genau sagen. Ich meine ... ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Ehe lediglich auf Liebe basieren kann. Da gehört viel mehr dazu, vor allem Freundschaft, Vertrauen und Zuneigung. Man muss den anderen akzeptieren, wie er ist, ihn nicht ändern wollen. Endloses Vertrauen in der Hinsicht, ohne Nachschnüffeln und Kontrolle. Man sollte sich alles erzählen können, vom beschissenen Tag, bis hin zum Flirtversuch eines anderen. Ich würde eher eine Freundin heiraten, die mich Jahre kennt, als eine Frau, mit der ich vielleicht gerne das Bett teile.“

Luc verstand seinen Freund nur zu gut, das hatte er auch schon gedacht. „Hast du eine gute Freundin?“

„Würdest du sie dann nicht schon längst kennen? Also bitte. Du bist der Einzige, der dieser Wunschvorstellung entsprechen könnte.“ John hatte es zu schnell ausgesprochen, sah in das überraschte Gesicht seines Freundes, dessen aufgerissene braune Augen, die ihn unergründlich musterten. Hätte er seinen Blick nicht sinken lassen, wäre ihm der Schalk nicht entgangen.

„Dann musst du mich heiraten, eigentlich logisch, nicht wahr? Darauf hätten wir früher kommen können.“ Luc unterdrückte ein Lachen und griff stattdessen Johns Hand. „Aber meinst du, dass du mit mir glücklich werden kannst? Ich bin sehr vereinnahmend und werde Fremdgehen nicht tolerieren.“

John sah ihn fassungslos an, doch dann entdeckte er den Schalk in den Augen seines Freundes blitzen. „Du bist so doof.“

„Entschuldige, aber dein Blick ... herrlich.“ Lachend hielt sich Luc den Bauch.

„Ja, sehr witzig.“ John verdrehte durchatmend die Augen und bezahlte ihr Frühstück. „Wer einen Freund wie dich hat, braucht wirklich keine Feinde.“

„Was für ein Kompliment, du bist ein richtiger Charmeur. Aber mal ehrlich, John … Wenn ich jemals einen Mann heiraten sollte, wärst du das. Denn du bist ebenfalls das, was ich mir irgendwann mal wünsche.“

„Mit dem Fehler ein Mann zu sein, was?“

Luc nickte und seufzte. „Hattest du schon mal was mit einem Mann?“ Eine leichte Röte bedeckte seine Wangen, auch solche Themen waren nie zwischen ihnen gefallen. Beste Freunde seit Kindertagen, doch derart offen zu reden, war ihnen nie in den Sinn gekommen.

„Kommt drauf an was du darunter verstehst. Hab ich mal einen geküsst? Ja. War ich mit einem im Bett? Ja. Hatten wir richtigen Verkehr? Nein. Und du?“ Heftig schüttelte Luc den Kopf und kam sich wie ein Teenager vor. Wie oft er daran gedacht hatte, konnte er nicht beziffern, doch er gestand sich ein, dass es sicher interessant gewesen wäre, wenn da nicht ... sein Vater wäre. Der hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, was er von solchen Konstellationen hielt. Er war homophob und das mit Leib und Seele. „Du hast schon daran gedacht, aber dich nie getraut, richtig? Wieso?“

„Mein Vater hätte mich umgebracht. Ihm gefällt nicht mal unsere Freundschaft, weil es Gerüchte gibt.“

John wusste sehr genau, um was für Gerüchte es ging, doch interessierten sie ihn recht wenig und bisher dachte er auch, dass sich ihre Familien nichts aus ihnen machen würden. „Es sind Gerüchte und nichts weiter.“

„Ich weiß ... du kennst doch meinen Vater!“ Ein gezwungenes Lächeln sollte John sichtlich ablenken, doch dieser runzelte fragend die Stirn. „Lassen wir das Thema, okay? Also, was willst du heute tun?“

 

Der letzte Tag in Las Vegas verging ruhig und entspannt. Bei einer Massage und am Pool ließen es sich beide gut gehen. Zum Abend hin wollte es John dann noch mal wissen. In schwarzen Hosen und weißen Hemden ging es ein drittes Mal ins Kasino und sie räumten ab. Lucs Glück hielt an und bescherte auch John einen beachtlichen Gewinn, den dieser gleich in der Bar zu flüssigem Glück machen wollte. Leicht fühlen, nicht mehr nachdenken, mehr wollte er nicht.

Seine Gedanken drehten sich seit dem Vormittag um Luc und das Gespräch zwischen ihnen. Dessen Beichte, Geständnis, wie nannte man so etwas? John selbst hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, ob er was mit einem Mann anfangen wollte, es war auch seitdem nicht mehr passiert.

Sebastian, so hieß sein One-Night-Stand, hatte ihn einfach heiß gemacht, anders konnte er es nicht nennen. Doch das Interesse verflog so schnell, wie das Intermezzo gedauert hatte. Seither teilte er nur mit einem Mann intensiv viel Zeit und im Moment das Bett. Luc! Luc Gregor Miller, sein bester Freund seit der Sandkastenzeit, ohne den er nie wieder sein wollte, der jedoch durch ihn scheinbar Ärger hatte.

Nach drei Glas Whisky-Cola wurde seine Zunge locker und er sprach seine Gedanken einfach aus. „Was ist das Problem deines Vaters? Wieso meint er, auf die Gerüchte Wert legen zu müssen?“

Luc wurde rot und beugte sich nah an Johns Ohr. „Wegen dir und ... verdammt John, verfluche mich deshalb bitte nicht. Ich war gerade  16 und Vater hat mich derart genervt, weil ich noch keine Freundin hatte, dass es mir einfach herausgerutscht ist.“

„Was?“

„Er fragte mich, ob ich so eine Schwuchtel sei ... weil ich einem Typ hinterher gesehen hatte. Eigentlich nur, weil er die Schuhe besaß, die ich zu der Zeit auch wollte, aber Vater hat es falsch verstanden. Ich sagte: „Klar, und John ist mein heimlicher Lover, er ist der Einzige, der mir an die Wäsche darf.“

John prustete los, er konnte sich die Szene nur zu genau vorstellen und fand sie urkomisch. „Und dann?“

„Er hat es wohl ernst genommen und seither freut er sich regelrecht, wenn eine Frau behauptet, mit mir im Bett gewesen zu sein. Es tut mir echt leid.“

„Was? Dass du mir gerade gesagt hast, dass ich dir an die Wäsche dürfte, wenn ich wollte, oder du trotzdem reihenweise Frauen flachlegst?“

Luc kippte den Drink vor sich in einem Mal runter. „So viele sind es gar nicht. Viele brüsten sich einfach damit. Ich hab dich belogen John, viel zu oft.“

Das überraschte ihn doch, damit hatte er nicht gerechnet. „Wieso? Meinst du, ich hätte dich deshalb verurteilt, weil du nicht immer eine im Bett hast?“

„Ich weiß es nicht, es ist doch nur ... ach verdammt, ich weiß es nicht.“

Schweigend tranken sie weiter Whisky-Cola und blickten immer tiefer in ihre Gläser. John seufzte und unterbrach somit die Stille zwischen ihnen. „Belüge mich nie wieder. Sag mir doch einfach, was du willst, oder was es Neues gibt!“

„Ich will auch einmal einen Mann küssen. Ist das gut?“ Luc kicherte über Johns Anblick, der ihn fassungslos ansah. „Nun antworte mir und starr mich nicht an, als hätte ich dir gesagt, ich sei der Teufel.“

Räuspernd suchte John nach Worten. „Na ja, es ist rauer, fester. Es hat was, denn der andere weiß was man will.“

„Wie weit seid ihr gegangen?“

„Sagen wir so, ich bin noch nie so schnell gekommen.“ John grinste, während Luc nun sprachlos war.

„Wow, ich meine, du sagst das so locker, wie oft hast du die Erfahrung schon gemacht?“

„Einmal. Seitdem reizt mich kein Typ, dass ich es drauf anlegen würde.“

„Bis auf mich!“ Eingebildet reckte Luc seine Nase in die Höhe.

„Stimmt, dich würde ich vom Fleck weg heiraten.“ Sie stießen ein weiteres Mal an und ließen die braune Flüssigkeit ihre Kehle hinunter laufen. „Und du? Würdest du mich heiraten?“

Luc verzog seinen Mund überlegend, tippte sich ein paar Mal gegen das Kinn und atmete tief durch. „Ja, ich glaube schon. Sogar aus drei Gründen.“

„Und die wären?“ Interessiert sah John ihn an.

„1. Weil ich dich mag, du bist der perfekte Partner. 2. Du magst mich so wie ich bin und hast noch nie versucht, mich zu ändern. 3. Wir wohnen schon zusammen, also kein Aufwand und dazu würden die Gesichter meiner Eltern sicher unbezahlbar sein.“

Eine Gänsehaut überzog Johns Körper, er meinte, seinen Ohren nicht trauen zu können und schnappte immer wieder nach Luft. Wenn er es nicht besser gewusst hätte ... doch er wusste es besser, davon war er überzeugt. „Gute Gründe, sehr schmeichelnd und das mit deinen Eltern hätte ich auf eins getippt“, grinste er, was allerdings seine Augen nicht erreichte.

„Was ist los? Du schaust so komisch.“

„Würdest du mich ehrlich heiraten, jetzt und hier, sofort?“ Johns Blick war intensiv.

Luc stutzte, grinste dann. „Würdest du mich dann auch küssen?“

„Das gehört wohl dazu.“

„Dann ja. Ja ich würde dich heiraten. Jetzt, hier, sofort!“

John nahm die Hand seines besten Freundes, verfing sich in dessen braune Augen. „Überlege es dir gut, ich werde dich in die Kapelle ziehen und nicht eher wieder raus gehen, bis wir verheiratet sind.“

„Überlege du dir, ob du mir die Frage wirklich stellen willst. Wie gesagt, ich bin sehr vereinnahmend und werde Fremdgehen nicht tolerieren, das heißt keine Frauengeschichten mehr, ich teile nicht.“

So tief verankert ihre Blicke waren, blendeten sie alles um sich aus. Ihre Gesichtsausdrücke waren ernst und innerlich war beiden bewusst, was sie gerade beschlossen. John nickte zustimmend. „Willst du mich heiraten?“

„Ja.“

Sie nahmen einander an der Hand und verschwanden zur Kapelle, die sich neben dem Hotel befand.

Eine nette ältere Dame lächelte ihnen zu, die ihnen durchaus noch in Erinnerung war. „Guten Abend die Herren, was kann ich für Sie tun?“

„Wir wollen heiraten!“ Es war nicht mehr als ein Flüstern, was aus Johns Mund kam. Eilig räusperte er sich und sprach es noch einmal deutlicher aus.

„Dann sind Sie hier goldrichtig. Ringe?“

Überrascht sah Luc John an, der ihn vorschob. „Such aus, was dir gefällt, ich möchte den Gleichen.“

Es dauerte seine Zeit, bis Luc sich entschied. Die meisten Exemplare waren eher für die regulären Paare gedacht und mit Steinen verziert, was ihm gar nicht zusagte. Bis er zwei recht dezente, Ringe entdeckte. Weiß- teilte Gelb-Gold, schlicht und doch harmonisch. „Die?“ Lucs Blick ging zu John, der über seine Schulter sah und lächelte.

„Sie gefallen mir.“

„Wollen Sie Anzüge ausleihen?“

„Davon haben wir weiß Gott genug im Schrank. Nur die Ringe bitte.“

„Aber gerne doch, dann folgen Sie mir bitte. War es geplant, dass sie hier heiraten wollen?“

Luc schüttelte den Kopf. „Nein, er hat mir gerade einen Antrag gemacht.“

Sie führte die Beiden zu ihrem Mann, der die Trauung vollzog.

 

So sehr John alles mitbekommen wollte, so sehr stand er neben sich. Es war, als wäre er in Watte gepackt, so gedämpft war sein Hörvermögen. Scheuklappen schienen ihn zu hindern, etwas anderes zu sehen als Luc. Was hatte er sich nur dabei gedacht, war er wirklich gerade im Begriff, seinen besten Freund zu heiraten? -Dass er das Beste ist, was dir je widerfahren ist-, sagte eine Stimme in seinem Inneren und er musste lächeln.

John lächelte die ganze Zeremonie lang. Sein ‘Ja‘ war klar und deutlich zu vernehmen, sie tauschten die Ringe und nahmen die Worte wahr, dass sie sich küssen durften.

Während John stockte, schien Luc nur darauf gewartet zu haben, trat näher an ihn heran und legte sanft die Hand auf dessen Wange. Es war nicht mehr als ein Hauch, als sich ihre Lippen das erste Mal berührten, dann schien John aufzuwachen, zog Luc noch näher an sich heran und küsste ihn, wie er es für richtig hielt.

 

Lucs Herz blieb stehen, um dann in doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Niemals hatte er so etwas gefühlt wie bei diesem Kuss. Sein ganzer Körper stand unter Storm und schien jeden Moment explodieren zu wollen. Rau kratzte Johns Bartschatten über den seinen, zart spürte er den Atem seines Freundes auf seinen Lippen, während die Hände in seinem Rücken lagen. Zitternd klammerte sich Luc an John fest und meinte den Halt zu verlieren. Enttäuscht seufzte er auf, als sich sein Freund von ihm trennte. Er wollte die Augen nicht öffnen und doch tat er es. „Da wo der herkam, gibt es noch mehr“, zwinkerte John und wandte sich dem Mann zu, der sie getraut hatte.

Nachdem sie ihre Unterschriften unter die Urkunde gesetzt hatten, verließen sie die Kapelle und gingen zurück zum Hotel. Sie schwiegen, machten sich wortlos auf den Weg zur Bar und bestellten sich eine weitere Runde Whisky mit Cola.

Luc drehte den Ring an seinem Finger und konnte es nicht fassen. Sie hatten geheiratet, sich geküsst und in seinem Magen schien immer noch ein Sturm zu wüten. Natürlich, es war sein Gewissen, was ihm eine Ohrfeige nach der anderen verpasste. Das war wohl die größte Dummheit gewesen, die er je in seinem Leben begangen hatte. Eilig trank er den Whisky-Gemisch und wollte vergessen, sich heute keine Gedanken mehr machen.

Nach vier weiteren Getränken bezahlte John wortlos und zog ihn vom Hocker runter. „Komm, wir gehen hoch!“

Leicht taumelnd folgte Luc seinem Mann und lehnte sich im Fahrstuhl an ihn. „Du bist jetzt mein Mann!“ Zum ersten Mal sprach er es aus und es kam Luc merkwürdig vor.

„Korrekt und du meiner.“ Sie fingen an zu lachen und stürzten aus dem Fahrstuhl, in ihre Etage. Im Zimmer entkleideten sie sich und Luc sah routinemäßig auf sein Handy. Eine Nachricht. -Wir haben was zu besprechen, wenn du nachhause kommst!- Hatte sein Vater geschrieben und ließ Luc zittern. Was sollten sie miteinander zu klären haben, es war alles gesagt, oder?

John hatte sich bereits hingelegt und versuchte den Fernseher anzuschalten. „Kannst du ihn mal anmachen, ich glaube, ich habe ihn heute Morgen vorne ausgemacht.“ Luc nickte verstehend, krabbelte über das Bett und beugte sich nach vorne. Während er sich mit der rechten zittrigen Hand abstützte, drückte er mit links den Fernseher an. Ehe er sich versah, wurde er zurückgezogen und landete mit dem Rücken an Johns Brust. „Was hat in der Nachricht gestanden, dass du so zitterst?“

„Vater will mit mir reden. John, er bringt mich um, wenn er das hört. Wir haben geheiratet!“

„Ganz ruhig, ich werde ihn davon abhalten, versprochen.“ John nahm ihn in den Arm und streichelte ihn sanft.

„Das war ein Fehler, ein riesiger Fehler.“

„Dann lassen wir die Ehe annullieren. Beruhige dich, bitte.“

Luc erzitterte ein weiteres Mal, als Johns Atem über sein Ohr streifte. Sein Magen rumorte und er verfluchte sein schlechtes Gewissen, denn es fühlte sich teuflisch gut an, so gehalten zu werden. Langsam schlich sich Müdigkeit in Körper und Geist, die Luc willkommen hieß. Sich nicht dagegen wehrend lehnte er seinen Kopf zurück und schloss die Augen.

 

John schmunzelte, es hatte sich so viel und doch wenig zwischen ihnen geändert. Ihm ging einiges durch den Kopf. Zum Beispiel wie Luc dazu kam, seinen Namen anzunehmen, wieso er auf den Kuss bestanden hatte und nun in seinen Armen einschlief. Es war nicht das erste Mal, dass John Luc festhielt.

Damals waren sie gerade 16 Jahre alt gewesen, als Luc an seiner Schulter geweint hatte, weil die Welt seiner Meinung nach bescheuert war. Wieso das so sein sollte, hatte er John nie verraten, doch waren sie eine Nacht zusammengeblieben und er hatte ihn an sich gezogen und nicht mehr losgelassen. Luc sah wesentlich jünger aus, als er selbst. Blond, braune Augen und ein weiches Gesicht, das jedoch auch auf eine gewisse Art männlich war. Eine perfekte Mischung für einen Mann. So sehr John versuchte sich zurückzuhalten, konnte er es nicht. Es gab Sachen, die machte man nicht bei einem Freund, wie durch dessen Haar zu streichen.

„Was machst du da?“ Luc blinzelte, ließ dann aber doch die Augen geschlossen.

„Dich berühren, entschuldige.“ Augenblicklich zog John seine Hand zurück und schämte sich. Er hätte warten sollen, bis Luc tiefer eingeschlafen war.

„Obwohl mein Magen dagegen rebelliert, finde ich es äußerst angenehm. Meinst du, wir könnten für heute alles vergessen?“

„Was willst du denn vergessen?“

„Unsere Eltern, alles, was mich bedrückt.“

„Und stattdessen willst du an was denken?“

„Nicht denken, genießen.“ Luc schmiegte sich näher an John, der daraufhin nichts mehr zu sagen wusste. Hatte Luc nicht vorhin noch von einem Fehler geredet? -Scheiß drauf!-, fuhr es John durch den Kopf und liebkoste den Nacken seines Mannes bis dieser sich entspannte und leicht stöhnte. „Du willst mich aber nicht verführen, oder?“

„Nein, ich möchte, dass du dich entspannst und irgendwann sanft einschläfst. Luc, du bist mein bester Freund, im Moment mein Ehemann, der sogar meinen Namen angenommen hat, ich will dich nur glücklich sehen.“

 

Luc bezweifelte, dass er je so etwas zu hören bekommen, oder sich so wohl gefühlt hatte in der Gegenwart eines Menschen. Wieso rebellierte dann nur sein Magen derart? Was sich so gut anfühlte, konnte doch nicht verkehrt sein und trotzdem wollte sein Innerstes keine Ruhe geben. Das war nicht fair.

„John?“

„Hm?“

„Ich heiße jetzt Luc Gregor Stone, ist dir das klar?“

„Und es hört sich viel besser an, als Miller.“

Luc nickte, während ihm ein zweites Mal die Augen zufielen. „Und ob, viel besser. Ich behalte den Namen.“

 

John schmunzelte, eine Annullierung hieß auch den Namen wieder abzugeben, doch damit wollte er Luc nun wirklich nicht vom Schlafen abhalten. Langsam rutschte er runter und zog seinen Mann neben sich, der sich sogleich wieder an ihn kuschelte. Eine Nacht wollte sich John diese Nähe gönnen, ab morgen wäre es wieder vorbei.

 

Der Morgen kam viel zu schnell und brachte John ein unwohles Gefühl. Noch schlief Luc in seinen Armen, doch schon bald würde dieser sich von ihm trennen und feststellen, dass er den Fehler seines Lebens begangen hatte. Tief sog John den Geruch seines Mannes ein, genoss das verräterische Kribbeln im  Bauch, was dort nicht sein sollte. -Nur noch ein paar Sekunden-, schwor er sich selbst und hatte dem auch folgen wollen. Doch als er sich löste, rückte Luc näher an ihn heran. Verwundert sah John seinen besten Freund an, der nur kurz die Augenlider hob.

„Unser Flug geht erst heute Mittag … ich will noch nicht in die Realität zurück.“

„Das heißt?“

„Lass uns noch liegen bleiben, auskosten was wir jetzt haben und nie wieder haben werden.“ Luc öffnete die Augen und ließ John die Angst in ihm sehen. Dieser legte sofort seine Arme um ihn.

„Solange DU willst.“ Er konnte sich nicht verkneifen das Pronomen zu betonen, denn wenn er sich mit einem in seinem Leben sicher war, dann dem, dass er diese Nähe niemals missen wollte. Sein bester Freund, momentaner Ehemann, gab ihm ein Gefühl nachdem er bisher vergeblich gesucht hatte. Wahre unverfälschte Liebe. Natürlich war ihm bewusst, dass ihm sein Verstand und Herz einen Streich spielten, jedoch wollte er daran nicht denken.

 

Luc drehte sich in seinem Arm zu ihm um, blickte seinem Mann tief in die Augen und dann auf dessen Mund. „Meinst du … also du sagtest gestern … da wären noch mehr …“ Nervös biss er sich auf die Unterlippe.

Hauchzart streichelte John seine Wange. „Du willst wirklich einen Kuss?“

-Nicht nur einen-, schoss es Luc durch den Kopf, doch seine Lippen blieben bewegungslos. Stattdessen näherte er sich dem Gesicht seines Freundes und hoffte inständig, nicht abgewiesen zu werden.

Das wurde er nicht, John zog ihn näher an sich und ihre Lippen trafen sich zu einem hauchzarten Kuss. Ergeben schloss Luc die Augen. Sein Magen rebellierte und sein Kopf fühlte sich an wie in Watte gepackt. Wenn es nicht sein schlechtes Gewissen wäre, was sein unwohles Gefühl in ihm auslöste, würde er annehmen, dass die Zuneigung gegenüber seinem Freund mehr als nur freundschaftlich war. Sein Denken stellte sich ein, als er Johns Finger an seiner Hüfte spürte, die dort Kreise zogen. So war es Luc, der sich immer dichter an seinen Mann drängte, seine Hände über dessen Brust gleiten ließ und noch mehr wollte.

„Luc ...“ John löste sich atemlos und sah ihn mit lustverhangenen Augen an. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“

„Dann finde es heraus!“, unterbrach Luc und schob sich über den Körper seines Freundes. Woher er den Mut nahm, John zu unterbrechen und die Initiative zu übernehmen, wusste er nicht, jedoch wollte er jetzt auch nicht anfangen zu denken. Stattdessen rieb er seinen Unterleib an dem seines Mannes und vereinnahmte abermals die Lippen. Sein Körper erzitterte vor Verlangen und Erregung.

 

John konnte nicht fassen was gerade passierte. Fest rieben die zwei erigierten Glieder aneinander, nur durch den Stoff der Unterwäsche getrennt. Er wollte seinen Verstand wach rufen, doch die Küsse und Reibungen ließen ihn willenlos daran teilhaben, was sein Mann ihm bot. Seine Hände wanderten zu dessen Gesäß und gaben den Takt vor.

Ihre Bewegungen wurden schneller, ihr Atem hektischer und ihre Berührungen fahriger. Es dauerte nicht lange, bis sich beide in ihrem Orgasmus verloren. Lucs Gesicht schmiegte sich an Johns Hals, der das Gefühl genoss, dass sein Freund Nähe suchte. 

Irgendwann mussten sie doch aufstehen, gingen nacheinander duschen, zogen sich an und packten ihre Sachen. Eine Gänsehaut erfasste John jedes Mal, wenn Luc ihn mit einem unergründlichen Lächeln ansah. Sie schwiegen wie sie es nur zusammen konnten, ohne dass es erdrückend und unangenehm wurde. Es war ein einvernehmliches, entspannendes Schweigen.

 

Lucs Herz machte mehr als eine Überstunde und das in einem Tempo, welches alles andere als gesund war. Die Nacht und der Morgen hatten mehr in ihm entfacht als ein schlechtes Gewissen, was seinen Magen zum Rebellieren brachte. Er fühlte noch immer Johns Körper unter seinem und wünschte sich nichts sehnlicher, als diesen Moment zurück. Zumindest einen Kuss wollte er sich noch stehlen, bevor alles beendet sein würde.

So wie er seinen besten Freund kannte, hatte dieser schon einen Plan für die Annullierung. Welcher Anwalt es im Stillschweigen regelte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Es war auch besser so, da war er sich sicher und doch, irgendwas in seinem Kopf empfand es anders.

Was sollte man tun, wenn der Kopf gegen das Gewissen kämpfte? Sein Herz zeigte eindeutig was es von dieser Sachlage hielt und erhöhte seine Schlagfrequenz abermals, als John Luc versehentlich streifte. Innerlich seufzend fragte er sich, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, seinen besten Freund davon zu überzeugen, dass es nicht so eilig war, die Ehe zu annullieren.

-Träum weiter, was für Gedanken hast du eigentlich? Du bist weder schwul noch an Männern interessiert!-, mahnte ihn sein Gewissen. Es stimmte wohl, er interessierte sich nicht für Männer, schließlich reichte einer durchaus und der hatte dunkelbraunes Haar und grüne Augen wie ein Malachit. Gab es eine interessantere Farbe? Mit Sicherheit nicht, wenn seine Meinung zählte.

„Alles in Ordnung, Luc?“ John sah ihn besorgt an, als sie das Flugzeug verlassen hatten.

„Ja sicher, ich war nur in Gedanken. Ich bin froh, wenn wir daheim sind.“

„Na dann, steigen Sie ein Mister Stone, ich werde Sie nachhause chauffieren.“

Das war keine Gänsehaut mehr, die Luc überfiel und mit was er es assoziieren sollte, wusste er nicht. Zumindest hinterließ es wohlige Wärme und ein Kribbeln, welches ihm bis in den kleinen Zeh reichte. „Werden Sie das? Und dann?“ Seine Zunge führte eindeutig ein Eigenleben und hatte sich mit seinen Stimmbändern verbündet.

„Dann werde ich für Sie kochen, während Sie sich in einem Schaumbad entspannen und zur Ruhe kommen. Luc?“ Tief blickte John ihm in die Augen. „Dein Kopf überschlägt sich gerade vor Gedanken und du brauchst dringend eine Auszeit. Wir fahren jetzt heim, dann gehst du baden und ich bringe dir ein Bier. Glaub mir, das wirkt Wunder!“

Wenn es nur Lucs Kopf gewesen wäre, der sich überschlagen hätte. Trotzdem nickte er lediglich und stellte seine Tasche in den Kofferraum eines Taxis, das sie nachhause brachte. Nachhause, was für ein großes Wort, wie er fand. Luc lächelte sich selbst im Seitenfenster an. Zum ersten Mal seit seiner Jugend freute er ich „nachhause“ zu kommen. In der Spiegelung des Glases sah er, wie John mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm herüber blickte.

„ Ein Cent für deine Gedanken!“

„So billig bin ich nicht“, sah Luc seinen Mann an und schmunzelte.

„Darüber sollten wir später verhandeln.“ Johns Blick hinterließ bei ihm ein Ziehen in der Lendengegend. Das war gar nicht gut, überhaupt nicht und doch konnte sich Luc nicht wehren und überließ seinem Körper die Kontrolle. Dieser hatte entschieden, einen Mundwinkel zucken zu lassen und sich zu seinem besten Freund zu beugen. „Ich bin nicht mit Geld zu bezahlen!“, hauchte er in dessen Ohr und streifte die Haut dahinter mit seinen Lippen.

Johns Mundwinkel sanken, während er ihn überrascht betrachtete, um sich dann zu einem lasziven Grinsen zu entwickeln. „Du solltest nichts sagen, was du nicht so meinst!“, raunte er ihm zu.

Luc wusste genau, dass es jetzt an der Zeit war zu lachen und es als Witz darzustellen, doch war es ihm unmöglich. Irgendwas in seinem Inneren hielt ihn auf und wollte John reizen, das zu tun, was er scheinbar geistig vor sich sah, zumindest, wenn man seinen Blick richtig interpretierte.

 

Was war nur mit Luc los? Diese Frage stellte sich John nicht das erste Mal. Sein bester Freund verhielt sich seltsam offen und schien es geradezu darauf anzulegen, dass es nicht bei der Nacht und dem Morgen blieb, wie es sich John vorgenommen hatte. Er wusste, dass er dem widerstehen musste, wenn er ihn nicht verlieren wollte, denn auch wenn es Luc war, der diese Andeutungen von sich gab, so konnten sie nicht von ihm sein. Denn Luc war noch nie offen gewesen, oder hatte derartiges Interesse an ihm gezeigt. Nach Johns Überzeugung war es die Schuld der Millers, dass ihr Sohn sich derart verhielt. Die Zurückweisung schien er nicht zu verkraften und suchte Halt, den er selbstverständlich bei seinem besten Freund fand. Und dieser war auch eindeutig daran schuld, dass sein Beistand auf Irrwegen verlief. Eigentlich hätte sich John ihm gegenüber mit Bedacht verhalten sollen und Luc nicht in Bedrängnis bringen dürfen. Dessen Geständnis, wissen zu wollen wie ein Mann küsste, hatte ihn jedoch zu sehr gereizt. Als er vor John auf dem Bett kniete, hatte dieser sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Dabei war es doch seit jeher Johns Aufgabe, bedacht und rational zu sein, während Luc sich fallen lassen konnte, wenn er es brauchte. So sollte es schließlich zwischen Freunden sein.

 

Der bekannte Geruch seiner Wohnung ließ John wieder zu sich kommen, seine Gedanken kurz schweigen, bis die Tür ins Schloss fiel und sich Luc an ihm vorbei schob. Dessen verlegenes Lächeln stoppte sofort seine wiederkehrende Vernunft, stattdessen ging John auf ihn zu und drängte ihn an die Wand. „Einen Kuss für deine Gedanken vorhin im Auto!“ Es war nicht mehr als ein Flüstern, das über seine Lippen kam, die sich denen seines Angetrauten näherten.

„Das erste Mal seit Jahrzehnten freue ich mich nachhause zu kommen“, wisperte Luc und kam ihm entgegen, bevor es sich John anders überlegen konnte. Jede Synapse ihres Verstandes brannte durch. Sie klammerten sich aneinander wie Ertrinkende und nahmen sich das, wonach sie sich sehnten. Zärtlich umschmeichelten sich ihre Lippen, nahmen die Hitze des anderen auf. Ganz vorsichtig, ertasteten sich ihre Zungen, umwarben sich um dann einander innig zu begrüßen.

Johns Herz schlug hart gegen seinen Brustkorb und seine Hände umfassten Lucs Gesicht. „Luc … das ist nicht gut. Du brauchst Zuneigung, aber ich glaube nicht, dass du das hier wirklich willst.“

„Glauben heißt nicht wissen, John! Ich bin alt genug, um zu wissen was ich möchte, meinst du nicht?“ Braune Iriden trafen auf grüne, versanken ineinander und wollten sich nicht mehr lösen. „Normalerweise schon, doch der Streit mit deinen Eltern … ich denke, du interpretierst deine Gefühle für mich falsch.“

„Niemals! Du bist mein bester Freund, für den ich alles tun würde und der auch alles für mich macht. Wir sind schon unser Leben lang füreinander da und das wird sich nicht ändern, nicht durch die Hochzeit, noch durch unsere Intimitäten, im Gegenteil.“

Ergeben, verzweifelt, erleichtert vor lauter Unglauben schloss John die Augen. Die Worte gingen so tief in sein Herz, dass er das Gefühl hatte, sie würden es sprengen. Luc ging eindeutig zu weit damit, traf ihn an einem Punkt, wo er nicht getroffen werden durfte. Neugier war eine Sache, doch ließ diese Äußerung eindeutig auf mehr schließen. John wusste nur zu genau, wo das enden würde, zumindest für ihn. Sobald sein Freund wieder zur Besinnung kam, würde er ihn zurückstoßen, fallen lassen wie ein Stück glühende Kohle. John würde im eiskalten Wasser landen und ehe er sich versah, zerbrechen und auf dem Grund eines Sees liegen.

 

Luc betrachtete seinen Freund und wusste, dass dieser ihm nicht glaubte. Wie denn auch, traute er selbst seinen Worten nicht. Fühlten sie sich noch so richtig für sein Herz und Verstand an, rebellierte sein Magen beim Anblick von John. Sein schlechtes Gewissen wollte mit aller Macht gehört werden, nichts anderes konnte es sein. Noch nie hatte sein Magen derart protestiert, nicht einmal als er mit 10 Jahren die teure Vase seiner Mutter zerbrochen hatte. Da hatte ihn lediglich ein bedrückendes Gefühl heimgesucht, was ihn irgendwann dazu brachte, beichten zu gehen.

Wie von selbst ging seine Hand zu Johns Wange und streichelte über die stoppelige Haut. „Glaubst du mir?“

„Du glaubst dir selbst nicht einmal, wie soll ich es dann tun?“

John kannte ihn eindeutig zu gut und trotzdem ließ er Luc gewähren, der sich einen hauchzarten Kuss stahl.

 

„Das darf ja wohl nicht wahr sein!“ Erschrocken fuhren John und Luc auseinander und sahen zur Tür, wo Gregor Miller mit seiner Frau Dora stand und angewidert zu beiden sah. „Nimm deine dreckigen Pfoten von meinem Sohn!“

Luc war erstarrt, sah wie sein Vater die Hand zu einer Faust ballte und zuschlug, doch konnte nicht reagieren. John taumelte zurück, stieß gegen die Wand und rutschte an dieser hinab. Die Hand auf seiner Nase verhinderte nicht, dass das Blut floss und sich den Weg auf sein weißes Hemd suchte. Als sich Luc zu ihm knien wollte, riss ihn sein Vater von John weg und stieß ihn zu seiner Mutter. Diese zog ihren Sohn mit ins Wohnzimmer und ließ ihm keine Chance sich zu wehren.

 

John wischte sich seine schmerzende Nase am Hemdärmel ab und richtete sich auf. „Verschwinden Sie sofort aus meiner Wohnung!“

„Sonst was? Willst du mich mit deiner Handtasche hinaus prügeln?“

Irritiert runzelte er die Stirn über Gregors Worte. „Nein, so was besitze ich nicht mal. Ich werde ganz ordinär die Polizei rufen!“

„Du willst mir drohen? Ich werde dir zeigen, wie ein richtiger Mann solche Dinge klärt.“ Gregor erhob die Faust, holte aus und schlug zu. Unbemerkt von den zwei Männern, hatte sich Luc an seiner Mutter vorbei gedrängt und stellte sich nun zwischen John und seinen Vater. John wollte die Faust abfangen, doch kam zu spät, sie traf Luc hart am Kopf, wodurch dieser zur Seite geschleudert wurde und gegen den Türrahmen prallte. Mit verdrehten Augen sackte er zu  Boden, das Blut floss sofort aus einer tiefen Wunde an seinem Kopf und verteilte sich auf dem dunklen Parkettboden.

Dora schlug sich die Hand vor den Mund, sah ihren Mann entsetzt an, der auf John losgehen wollte. „Gregor, hör auf!“

Die Chance nahm John wahr, kniete sich neben Luc, fühlte den Puls, presste eine Hand auf die Blutung und griff dann zu seinem Handy, um den Notruf zu betätigen. Nachdem er der Dame am Telefon erläutert hatte, was passiert war, beendete er das Gespräch und zog umständlich sein Hemd aus, welches er auf die Wunde drückte.

Die Atmung seines Mannes war sehr schwach, die Blutung umso stärker. Hilflos saß John da und wusste nicht was er tun sollte, viel zu lange dauerte es seiner Meinung nach, bis Hilfe kam. Gerade wollte er das Wort an Lucs Eltern richten, als er wahrnahm, wie diese seine Wohnung wortlos verließen. „Verdammt, das ist euer Sohn!“, schrie er ihnen nach, doch hörte schon bald die Absätze von Dora die Stufen hinabgehen. „Scheiße, Luc, komm mach die Augen auf.“

 

Was John wie Stunden vorkam, waren in Wahrheit weniger als ein paar Minuten, als Polizei und Rettungsdienst in die Wohnung stürmten. Er wurde zur Seite geschoben und der Arzt kümmerte sich sofort um seinen Mann. In ihm wallte die Wut hoch und er drückte sich an den Polizisten vorbei, die eigentlich mit John reden wollten.

Vor der Tür sah er seine Schwiegereltern, die in einem Gespräch mit zwei Polizisten beteuerten, nicht zu wissen was geschehen sei.

„Erst schlägst du deinen Sohn bewusstlos und nun erzählst du, du wüsstest nicht was geschehen ist? Du bist das Allerletzte!“

„Ich? Du wagst es, deine Hände an meinen Sohn zu legen und sagst nun, ich bin das Allerletzte? Du Schwu ...“

„Es reicht! Mister Miller, ich bitte Sie, sich nicht im Ton zu vergreifen. Mister Stone, würden Sie uns mitteilen was passiert ist?“

Das tat John und sah dann nervös zu dem Rettungswagen, in den Luc geschoben wurde. „Dürfte ich wissen wie schlimm es ist?“ Der Arzt nickte bereits, als sich Lucs Eltern einmischten und verlauten ließen, dass John kein Recht darauf hatte, Auskunft zu erhalten. Diesem riss endgültig die Hutschnur.  „Ich habe jedes Recht zu erfahren, was mit meinem EHEMANN ist!“

Dora riss entsetzt den Mund auf, Gregor war einfach sprachlos, während John das Dokument aus seinem Portmonee zog, welches seine Aussage bestätigte. „Die Blutung haben wir gestoppt, die Vermutung eines Schädelhirntraumas ist nicht auszuschließen, er war zwar kurz bei Bewusstsein, doch ist sofort wieder abgedriftet.“ Der Arzt sah stirnrunzelnd auf Johns Nase, tastete dessen Gesicht ohne Vorwarnung ab, was seinen zweiten Patienten zurückzucken ließ. „Und Sie nehme ich auch sofort mit, das sieht mir ganz nach einem Bruch aus.“

John nickte ergeben, ließ sich von einem Polizisten die Schlüssel zu seiner Wohnung reichen und stieg zu Luc in den Krankenwagen. Besorgt betrachtete er diesen und verfluchte sich innerlich, so die Fassung verloren zu haben. Das Outing ihrer Heirat würde mit Sicherheit noch für Ärger sorgen, zwischen Luc und ihm, doch auch bei seinen eigenen Eltern.

 

Wie recht er hatte und wie falsch er gleichzeitig lag, erfuhr John einen Tag später. Er hatte die ganze Nacht an Lucs Bett gesessen, der vorsichtshalber ruhig gestellt worden war. Wie die Ärzte mitteilten, aus reiner Vorsicht. Morgens nahm John sich ein Taxi und fuhr zu seiner Wohnung, um sich frisch zu machen. Doch kaum war er aus dem Wagen gestiegen und hatte den Fahrer bezahlt, erhaschte ein Räuspern seine Aufmerksamkeit.

Karl Stone stand an der Haustür und sah seinen Sohn mit verschränkten Armen an. „Hast du mir was zu sagen?“

„Wahrscheinlich nichts, was du nicht schon weißt, Vater. Somit lass mich bitte vorbei, ich will mich frisch machen und ein paar Sachen für Luc packen.“

„Ihr habt also wirklich geheiratet? Seit wann hast du Interesse an Männern?“ Karl trat zur Seite und folgte seinem Sohn ins Haus.

„Nicht an Männern, nur an Luc. Ich weiß es nicht, es überkam uns und es ist passiert.“ John erklomm die Treppenstufen und schloss seine Wohnung auf, gefolgt von seinem Vater.

„Was heißt das? Wie lange habt ihr schon ein Verhältnis? Wieso hast du nichts gesagt, dann hätte ich die Verabredungen abgesagt und nicht dumm in dem Restaurant gesessen. Ich musste mir Ausreden einfallen lassen.“

„Das tut mir sehr leid für dich, wirklich. Was heißt, wieso ich dir nichts gesagt habe, ich dachte eher du machst mir jetzt die Hölle heiß?“

Karl schüttelte seufzend den Kopf. „Für so ein Arschloch hältst du mich? Habe ich wirklich so viel falsch gemacht, dass mein eigener Sohn mir nicht mal mehr vertraut?“ Langsam sank Karls Blick und die sonst so gerade Haltung sackte in sich zusammen. „Ich wollte nur, dass du irgendwann selbstständig, auf eigenen Beinen stehen kannst. Du sollst jedem die Stirn bieten können, keiner sollte dich je übergehen. Die schwierigsten Kunden überließ ich dir, damit du es lernst. Lernst gerade zu stehen und hart zu bleiben, aber scheinbar war es ein Fehler, wenn du nicht weißt, dass du mir alles sagen kannst. Mit harter Hand, doch auch mit Herz wollte ich dich erziehen ...“

John stockte, sah seinem Vater ins Gesicht, auf dessen Wangen die ersten Tränen hinabrollten. Geschockt folgte er der Nässe, niemals hatte er seinen Vater weinen sehen. „Dad, so meinte ich das nicht, doch … du hast immer davon geredet, dass ich heiraten soll, Kinder und ... ich wollte dich nicht enttäuschen.“

„Das hast du nicht. Ich möchte doch nur nicht, dass du allein bist, wenn wir mal nicht mehr bei dir sein können, soll dich jemand auffangen, jemand, der dein Herz sein eigen nennt. Wenn das Luc ist umso besser, dann hast du das, was ich mir für dich gewünscht habe.“

Das überraschte John dann doch. Er kam sich gerade wirklich mies vor, solche Ansichten von seinem Vater gehabt zu haben. Schamesröte legte sich auf seine Wangen, während er ins Gästezimmer ging, um Luc einige Kleidungsstücke zusammenzupacken. 

„Was ist gestern genau passiert?“, durchbrach Karl die herrschende Stille.

„Weißt du das nicht auch schon?“

„Lediglich Gregors Sicht, ich möchte die meines Sohnes, dem vertraue ich mehr.“

John ließ sich auf dem Gästebett nieder. „Wir kamen heim und haben scheinbar die Tür nicht richtig geschlossen. Gregor hat uns bei einem Kuss gesehen und die Nerven verloren. Mich traf er im Gesicht, den zweiten Schlag in meine Richtung vereitelte Luc … er hat ein Schädelhirntrauma, Dad.“

„Sekunde, willst du mir gerade sagen, dass Gregor euch geschlagen hat, weil ihr euch lediglich geküsst habt? Du hast ihn nicht provoziert und angegriffen?“ Heftig schüttelte John den Kopf und sah seinen Vater verwirrt an. „Dieser Mistkerl. Das werde ich regeln!“ Mit diesen Worten verließ Karl die Wohnung und ließ seinen Sohn allein, der verständnislos hinter seinem Vater her sah.

 

Lucs Kopf dröhnte, seine Augen wollten sich nicht öffnen, stattdessen versuchte er, den modrigen Geschmack in seinem Mund hinunterzuschlucken. Piepsende Geräusche drangen durch das Dröhnen in seinem Kopf. -Krankenhaus-, seufzte er innerlich.

„Mister Stone? Hören Sie mich?“ Eine Hand berührte seine Schulter und Luc versuchte, die Worte zu verstehen. Wieso nannte ihn die männliche Stimme Stone? Plötzlich riss er die Augen auf, sein Oberkörper schnellte hoch, wodurch einige Elektroden von seiner nackten Brust abrissen. „John, wo ist er?“ Die ruckartige Bewegung rächte sich schnell, denn ihm wurde übel und ehe er reagieren konnte krampfte sich sein Magen zusammen und er spuckte Galle auf sein Bett.

„Ganz ruhig, Mister Stone, ihr Partner ist nur gerade heimgefahren und wird sicher bald wieder da sein. Mein Name ist Doktor Richards, sie sind gestern hier eingeliefert worden. Wissen sie noch was passiert ist?“

„Mein Name ist Miller, Luc Gregor Miller.“

Der Arzt runzelte die Stirn und strich sich durch sein schwarzes Haar. Nachdem das Bett neu bezogen war, setzte er sich zu Luc und holte tief Luft. Nachdem er einige Fragen zum Erinnerungsvermögen von Luc gestellt hatte, die dieser mit verdrehten Augen beantwortete, stand seine vorläufige Diagnose fest. „Es scheint eine vorläufige Amnesie vorzuliegen.“

„Was ist passiert? Wieso bin ich hier?“

„Sie sind gestern angegriffen worden und dadurch gegen den Türrahmen in Ihrer Wohnung gefallen. Eine tiefe Platzwunde am Hinterkopf hat ein Schädelhirntrauma verursacht. Folgeschäden können wir zu 90% ausschließen und Ihr Gedächtnis sollte sich in den nächsten Tagen auch wieder vollständig erholen.“

„Wer hat mich angegriffen und was ist mit John? Ist ihm was passiert?“

„Ihr Ehemann hat eine Nasenbeinfraktur, die zum Glück nicht verschoben war und gut zusammenheilen wird. Ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Wer Sie angegriffen hat, kann ich Ihnen nicht mitteilen, darüber liegt mir keine Auskunft vor.“

Automatisch nickte Luc, doch nur noch eins beherrschte sein Denken. Der Arzt hatte Ehemann gesagt und sprach ihn mit Stone an, hieß das … es gab nur einen Grund, weshalb … John und er hatten geheiratet, aber wieso?

Ergeben schloss Luc die Augen, nahm noch wahr, wie ihm Doktor Richards mitteilte, ein Schmerzmittel zu spritzen und dankte diesem schon bald geistig, für den schmerzfreien Schlaf.

 

Das nächste Mal als Luc die Augen öffnete, erblickte er John neben dem Bett sitzen und in eine Zeitschrift schauen. Erschrocken sah er auf die Nase seines Freundes, die zwischen blau, grün und rot verfärbt und angeschwollen war. „Tut es sehr weh?“, entkam es Lucs Mund ehe er nachdenken konnte.

„Geht schon. Wie geht es dir?“

„Im Moment gut, mein Gehirn scheint aufzugeben, meinen Kopf sprengen zu wollen. Was ist passiert?“

John wand sich regelrecht unter seinen Blicken. „Dein Vater hat die Kontrolle verloren und wollte mir zeigen, was er von mir hält. Leider hat es dann auch dich erwischt, als du dazwischen gegangen bist.“

„Verdammt. Es tut mir leid.“

„Es gibt nichts, was dir leidtun muss.“

„Doch, es war eine Frage der Zeit … ich bin daran schuld, hätte ich ihm damals nicht den Unsinn erzählt ...“

„Damit hat das nichts zu tun“, unterbrach ihn John, streifte seine Hand. Sofort fiel Luc der glänzende Ring ins Auge. Sein Blick wanderte zu seinen Fingern, die jedoch keinen aufwiesen, suchend sah er sich um und entdeckte den kleinen, schmalen Reif auf dem Nachttisch. Eindeutig Eheringe! John schien seinem Blick gefolgt zu sein. „Erinnerst du dich eigentlich noch an die letzten Tage? Richards sprach  von einer Amnesie.“

„Hm … nicht wirklich“, er griff sich seinen Ring und streifte ihn über den Finger, dann wanderte seine Hand zu der von John, der ihn recht überrascht ansah. „Wer hat wen gefragt?“

„Ich dich, als wir in Las Vegas waren.“

Luc grinste, konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie gerade John dazu kam, ihm einen Antrag zu machen, doch allein der Gedanke fühlte sich unheimlich gut an. Sein Leben lang hatte sich Luc Gedanken darüber gemacht. wie es wohl wäre mit einem Mann … und scheinbar hatte er die Antwort erhalten. Sein bester Freund hatte ihn davon überzeugt. „Hat mein Vater sich deshalb derart vergessen?“

„Ja, er hat uns bei einem Kuss erwischt. Scheinbar war die Tür nicht richtig zu.“

-Kuss-, hallte es in Lucs Kopf und seine Augen wanderten zu Johns Lippen. Er hatte wirklich seinen besten Freund geküsst und … war da mehr gewesen? Allein der Gedanke reichte aus, um es in seiner Lende ziehen zu lassen. -Nicht mehr nur bester Freund, auch Ehemann!-, verbesserte er sich in Gedanken und es löste in seinem Magen ein Kribbeln aus, von dem er bisher nur gelesen hatte. Auch wenn es angeblich unheimlich angenehm sein sollte und nicht derart intensiv. Oder war es sein Gewissen? Lucs Gedanken überschlugen sich. Die Worte seines Vaters von vor 14 Jahren hallten in seinen Ohren. „Widerwärtigen, abartigen Individuen was dem gleichen Geschlecht hinterher sieht. Du wirst nicht so ein aussätziger Widerling, hast du mich verstanden?“ Immer wieder hatte Gregor diese Worte wiederholt und mit seiner Hand langanhaltende Erinnerungen erschaffen. Aber wenn er John geheiratet hatte und das freiwillig, musste etwas vorgefallen sein, dass ihm den Mut gab. Und auch wenn er seinen besten Freund schon immer über seine Familie gestellt hatte, konnte es nicht nur die Zuneigung gegenüber diesem sein. So tiefgehend sie auch immer gehen mochte, hing Luc nun einmal an seinen Eltern, erhoffte sich mit fast 30 Jahren immer noch Anerkennung und Zuneigung von ihnen.

„Was ist zwischen meinen Eltern und mir vorgefallen?“

„Du hast ihnen die Stirn geboten, deine Sachen gepackt und bist zu mir gezogen.“ Johns Blick haftete weiterhin auf ihren Händen, die ineinander verschränkt auf dem weißen Laken lagen. Sein Atem schien er immer wieder anzuhalten, rührte sich keinen Millimeter.

„Alles in Ordnung, John?“ Endlich sah dieser auf und Luc verlor sich bald in seinen Augen. Sanft drückte er dessen Hand und lächelte.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Geht es dir wirklich gut?“

„Im Moment bin ich davon überzeugt, dass es mir nie besser ging. Was auch immer zwischen uns beiden vorgefallen ist, dass wir den Schritt getan haben, scheint das Beste zu sein, was mir widerfahren konnte.“

 

Luc war noch nicht bei Sinnen, dessen war sich John nun sicher. Sein Freund sah ihn fast schon … verliebt an, das konnte doch nicht sein. Abermals traf ihn Luc an diesem Punkt, der für John noch sein Verderben war, doch im Moment interessierte es ihn recht wenig. Langsam beugte er sich vor und strich sachte mit seinen Lippen über Lucs Wange. Es gab keinen ersichtlichen Grund für sein Herz, dass er sich nicht endlich das holte, wonach er sich sehnte. Wenn Luc davon überzeugt war, in ihn verliebt zu sein, konnte er ihn vielleicht wirklich dazu bringen ihn zu lieben. Am besten bevor dessen Gedächtnis zurückkehrte.

Vorsichtig erhob sich auch Lucs Hand und legte sich in seinen Nacken. „Ich habe keine Erinnerung an einen Kuss zwischen uns.“

John nickte verstehend, küsste sich über die Wange hinab zum Kinn und dann hoch zu den Lippen seines Mannes. -Ehemann-, flüsterte eine kleine Stimme in seinem Kopf und ließ ihn genüsslich seufzen, als sich ihre Lippen trafen und sanft übereinander rieben. Der Druck an seinem Nacken wurde erhöht, was ihm zeigte, dass Luc eindeutig mehr wollte, als nur ein Kuscheln ihrer Lippen. Vorsichtig seiner Wunden wegen intensivierte er den Kuss, eroberte Lucs Mund und entlockte diesem einen erregten Laut, der durch seinen Körper vibrierte. Daran konnte er sich eindeutig gewöhnen und alles in ihm verlangte mehr davon. Auch Luc schien es nicht anders zu gehen, zog ihn immer dichter, ertastete mit seinen Händen den Oberkörper seines Mannes. John erfasste ein Verlangen, dass er so noch nie verspürt hatte und war fast dankbar für das Klopfen, was Sekunden später ihren intensiven Kontakt unterbrach.

 

Beate Stone sah ihren Sohn schmunzelnd an, dann ging ihr Blick zu ihrem Schwiegersohn, welcher sofort an Farbe gewann und dessen Wangen ein sattes Rot zierte.

„Wie ich sehe, war unsere Sorge recht unbegründet, ihnen scheint es gut zu gehen“, sah Beate hinter sich zu ihrem Mann.

„Das höre ich doch gerne, nun geh auch rein, dass wir sie begrüßen können.“

John setzte sich wieder auf seinen Stuhl und Luc betätigte den Schalter, der dafür sorgte, dass sich das Kopfende des Bettes aufrichtete. So saß er bald im Bett und nickte Karl und Beate verlegen lächelnd zu.

Karl trat zu seinem Sohn und Beate ging um das Bett herum, stellte einen Obstkorb auf den Nachttisch. „Vitamine, damit du schnell wieder gesund wirst, mein Junge.“

„Dankeschön.“ Lucs Stimme war viel zu hoch, was John zum Schmunzeln brachte. Prompt traf ihn ein mahnender Blick aus brauen Augen, was jedoch lediglich dazu führte, dass er sich ein Lachen verkneifen musste. „Du bist doof!“, kommentierte Luc sein Verhalten.

„Unwiderstehlich doof, ich weiß“, entkam es John und er lachte. Es war befreiend, erfüllte sein Herz. Seit langem hatte er sich nicht mehr derart wohl gefühlt und das, obwohl seine Eltern anwesend waren. Diese stiegen in sein Lachen ein und als Karls Hand sich auf seine Schulter legte, wusste John, dass es nicht besser werden konnte. Der Moment war geradezu perfekt.

 

Luc spürte das sanfte Streicheln von Beate an seinem Arm und sah sie an. In ihren Augen erkannte er etwas, was er seit der frühesten Kindheit bei seinen Eltern vermisst hatte. Zuneigung! Schon immer waren die Stones anders als seine Eltern gewesen. Hatten die Freundschaft von John und ihm akzeptiert und er war gerne gesehen. In einer Sache jedoch waren beide Elternpaare gleich und zwar in der  Vorstellung zum Leben ihrer Söhne. Studium, der Einstieg ins Geschäft und eine Heirat, wozu diese auch mehr als eine potenziell geeignete Frau ausgesucht hatten. Unsicherheit machte sich in Luc breit. In Filmen taten die Eltern doch auch immer so, als sei alles in Ordnung und kaum war der Auserwählte mit ihnen allein, baten sie ihn, das eigene Kind zu verlassen. Bezogen sich auf das Beste fürs Kind und derartiges. Würde ihm das auch bevorstehen?

„Du bist ziemlich blass. Geht es dir nicht gut?“ Beate legte ihre Hand auf seine Stirn und sah ihn besorgt an.

„Mir ist etwas flau im Magen. Es war alles etwas viel.“

„Mach dir keine Gedanken. Dein Vater wird sich verantworten müssen, deiner Mutter habe ich höchstpersönlich den Kopf gewaschen und sollte sie das noch nicht zur Vernunft bringen … ich weiß wir können sie nicht ersetzen, doch sollst du wissen, dass ihr beide bei uns immer willkommen seid.“

„Meine Frau hat recht. Das Einzige was wir immer für John wollten, war, dass er die wahre Liebe findet und wenn du das bist, soll uns das nur recht sein. Ich wusste nicht, dass dein Vater derart homophob ist. Seine Ausdrücke für euch beide waren nicht gerade salonfähig. Aber sei dir der Worte meiner Frau sicher, wir akzeptieren euch wie ihr seid.“

Luc nickte beiden zu und schloss die Augen. Er würde sich jetzt nicht die Blöße geben und seinen Tränen freien Lauf lassen. Das hatte er in seiner Jugend das letzte Mal getan und dabei sollte es auch bleiben.

„Mum, Dad, seid nicht böse, aber ich glaube, das reicht für heute. Luc ist fertig.“

„Selbstverständlich, was ist mit dir? Willst du dich nicht auch etwas ausruhen? Sollen wir dich heimfahren?“

Luc hielt den Atem an, er wollte nicht, dass John ging, er sollte bei ihm bleiben, zumindest so lange bis er schlief.

„Ich bin selbst mit dem Auto hier und habe nicht vor, schon zu fahren. Mum, schau nicht so, ich bin alt genug und weiß was ich tu.“

Beates Seufzen war zu hören. „Allerdings bist du das und recht hast du. Ich würde auch nicht von der Seite deines Vaters weichen, wenn er hier läge. Pass schön auf Luc auf, damit er bald hier rauskommt.“

„Mach ich. Wir sehen uns.“ Das dumpfe Klacken der Absätze erklang auf dem Linoleum und dann wurde die Türe auch schon geöffnet und wieder geschlossen. „Es ist dir zu viel, kann das sein? Ich meine, was meine Eltern zu dir gesagt haben.“

„Etwas … ich wünschte mir, meine wären auch so. John, ist es unfair, wenn ich es dir eigentlich nicht gönne, dass du so tolle Eltern hast?“

„Solange ich dir gönnen darf, dass sie jetzt deine Schwiegereltern sind.“

Das Wort Eltern haftete sich in Lucs Kopf fest, verfolgten ihn noch, als seine Augen zufielen und er in einen ruhigen Schlaf glitt.

 

John lag dagegen noch wach in seinem Bett und starrte seine Zimmerdecke an. Er brauchte nicht die Augen zu schließen, um Luc vor sich zu sehen. Benötigte nicht die Erinnerung, um dessen Lippen auf seinen zu fühlen. Es war alles noch so präsent in seinem Kopf, auf seiner Haut, als wäre es gerade erst geschehen. Langsam drehte er sich zur Seite, zog das zweite Kopfkissen in seinem Doppelbett zu sich und umarmte es. Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt, kam es ihm so falsch vor, nicht bei jemandem zu sein. Es fing also schon an, sein Untergang, John hatte sich Hals über Kopf in seinen besten Freund verliebt, mit dem er nun auch noch verheiratet war. Das konnte nur schief gehen, schließlich war sein Leben kein romantischer Kitschfilm, oder ein Märchen, auch wenn er es sich im Moment wünschte. Wie war das in diesen Kuschelfilmen, auf die Frauen standen? Zum Schluss wurde alles gut, man küsste sich auf einem Footballfeld oder auf einer Brücke … eventuell wurde zum Ende hin sogar eine Hochzeit angedeutet.

Football spielte keiner von ihnen, eine Brücke war mindestens 10 Meilen von ihnen entfernt und die Hochzeit bereits Geschichte. Nichts ließ also darauf schließen, dass sie je so ein Happy End haben konnten. Trotzdem gestattete sich John, diese Nacht so zu tun als ob. Spielte jeden Frauenfilm, den er sich in den Jahren angesehen hatte, als Vorlage für ein Happy End mit Luc. Seinem besten Freund und momentanen Ehemann.

 

Als er am Morgen in der Klinik ankam, saß Luc angezogen auf seinem Bett und blätterte in einigen Unterlagen. Er hatte einen Kuli zwischen seine Lippen geschoben, runzelte seine Stirn und kniff die Augen leicht zusammen.

„Hallo!“

Vor Schreck fiel der Kuli auf das Bett und Lucs Hände verkrampften sich kurzweilig um die Papiere in seiner Hand. „Herrje, hast du mich erschreckt!“

„Entschuldige. Du siehst besser aus als gestern.“

Luc legte die Papiere zur Seite und schwang seine Beine aus dem Bett, um dann Johns Hände zu erfassen und ihn näher zu ziehen. „Mir geht es auch wesentlich besser. Die Untersuchungen zeigen eindeutig, dass mein Gehirn es überlebt hat und ich morgen schon heim kann.“ John wusste nicht so recht was Luc vorhatte, der ihn zwischen seine Beine zog und erwartungsvoll ansah. Langsam dämmerte es ihm dann doch, sein Mann erwartete eine Begrüßung, die weit mehr beinhaltete als ein „Guten Tag“. So beugte er sich zu ihm hinab und kostete dessen Lippen, die sich ihm willig entgegenstreckten.  „Darf ich morgen heim kommen?“, fragte Luc flüsternd.

„Natürlich. Ich werde dich abholen, für dich kochen und ins Bett verfrachten, da du dich zu 99% selbst entlässt und der Arzt dich nur gehen lässt, weil du versprochen hast, dich auszuruhen. Das hast du allerdings nicht vor und somit sorge ich dafür!“ Seine Vermutung sah er bestätigt, als er erkannte, welche Papiere Luc da studierte. Risiken einer zu frühen Selbstentlassung.

„Würdest du es unterlassen, meine Gedanken zu lesen? Ist ja schlimm mit dir.“ Luc löste sich, zog seine Beine wieder aufs Bett und die Papiere an sich. „Doktor Richards kann mich aber verstehen und sieht es als ungefährlich an. Solange ich keinen Ausdauersport betreibe oder dergleichen.“

„Korrekt, es ist richtig, ich empfinde seine eigenständige Entlassung als ungefährlich. Ab Morgen dürfen Sie ihren Mann wieder bei sich haben, jedoch sollte er sich wirklich nicht über längere Zeit überansträngen“, wackelte der Arzt bedeutungsvoll mit den Augenbrauen.

 

Luc sah amüsiert, wie nervös John bei den Worten des Arztes wurde. Er selbst fühlte sich auch nicht sonderlich wohl, bei der offenen und ungezwungenen Art, die der Doktor an den Tag legte, doch das sein Partner dabei war, machte es eindeutig leichter.

„Das beruhigt mich und wann kann ich ihn dann abholen?“

„Morgen früh gegen 10 werde ich alle Papiere fertig und die letzten Untersuchungen durchgeführt haben. Jetzt bekomme ich aber noch etwas Blut, um die Entzündungswerte zu prüfen, nicht wahr Mister Stone!“

Gequält verzog Luc sein Gesicht. Die Abneigung gegen Spritzen hatte er schon ewig und sie wurde in der Klinik eindeutig nicht besser. Als er die Hand von John auf seiner Wange bemerkte, sah er auf. „Ich lenke dich ab, dann wird es nicht so schlimm, okay?“ Natürlich war das in Ordnung. An sich reichte selbst die Anwesenheit von John, damit er seine Umgebung ausblenden konnte. Das war schon immer so. Sein bester Freund hatte einen besonderen Stellenwert in seinem Leben und schaffte es regelmäßig, alles um sich herum uninteressant werden zu lassen. Dann lag Lucs Fokus komplett auf John. Ob es dem auch so ging? Diese Frage hatte er sich noch nie gestellt, doch auf einmal kam sie ihm unheimlich wichtig vor.

Als er sie aussprach, sah ihn sein Mann recht irritiert an. „Wie meinst du das?“

Es entging Luc vollkommen, dass sich Doktor Richards mittlerweile mit seinem Arm beschäftigte. „Nun ja, ob du es eventuell auch so empfindest wie ich.“ Verlegenheit machte sich in ihm breit, nun empfand er die Frage als recht lächerlich.

„Es war nie anders, seit wir uns kennen. Hey, du warst immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und bist selbstverständlich auch ein Magnet was meine Aufmerksamkeit anbelangt.“ John schmunzelte, was Luc mit einem Schlag quittierte. „Schlag mich nicht!“

„Verarsch mich nicht.“

„Hab ich nicht, ich wundere mich nur, wieso du gerade jetzt auf so eine Frage kommst. Gab es je einen Moment, wo ich dir nicht zugehört habe? Dich ignorierte?“

„Nein, nicht wirklich.“ Jetzt glühten Lucs Wangen und er hätte sich am liebsten versteckt.

 

„Mich ignorieren die Menschen gerne, besonders meine Anweisungen“, seufzte Doktor Richards gespielt theatralisch und packte zu Lucs Erstaunen die vollen Blutröhrchen in seine Kitteltasche. „Heute noch liegen bleiben, in Ordnung?“

„Wird er schaffen“, antwortete John statt Luc und war froh als der Arzt sie allein ließ. „Du bist noch nicht ganz fit, wie mir scheint.“

„Scheinbar war der Schlag härter als vermutet.“ Luc zog das Kissen hinter seinem Kopf hervor und presste es sich aufs Gesicht.

Gerade fühlte sich John in der Zeit zurück versetzt. In der Teenagerzeit hatte sein Freund sich immer so vor einer unangenehmen Situation versteckt. Lachend hob er das Kissen an und sah zu Luc, der die Augen zusammenkniff. „Du versteckst dich doch nicht allen Ernstes vor mir und das mit fast 30 Jahren, oder?“

„Doch und das ist nicht zum Lachen.“

„Es gibt bessere Methoden, mich von einer angeblichen Peinlichkeit abzulenken, meinst du nicht?“ Mit einem Ruck war das Kissen vom Gesicht verschwunden und John versteckte es sogleich hinter seinem Rücken.

Luc setzte sich auf, schwang seine Beine wieder aus dem Bett und saß nun genau vor John, dessen Gesicht er in seine Hände nahm und ihn ungestüm küsste.

Es fühlte sich verboten gut an, auch wenn seine Verletzung protestierte, wollte John diesen Kuss nicht beenden. Wer wusste schon wie lange er noch die Lippen seines Mannes genießen durfte, wenn dieser erst einmal seine Erinnerung zurück hatte … Als jedoch Lucs Hand sein Bein berührte, zuckte John automatisch zusammen. Luc ließ sich davon nicht abhalten, rutschte stattdessen vom Bett auf seinen Schoß und nahm sich mehr von dem, was er sich in diesem Moment ersehnte. Überfordert mit der Situation, von seinen eigenen Gefühlen wehrte sich John nicht, doch konnte es auch nicht erwidern. Das war mehr als er sich erhofft hatte, viel mehr.

„Was ist los?“

Luc saß zu dicht bei ihm und raubte John fast den Verstand, sodass er nicht antworten konnte, sondern einfach wieder einmal seinem Körper die Entscheidung überließ, sich das zu nehmen, nachdem es ihm verlangte. Schon bald passte kein Blatt mehr zwischen sie, ihre Laute des Verlangens erfüllten das Krankenzimmer und sie blickten einander mit lustverhangenen Augen an. „Das ist eindeutig der falsche Ort für so etwas“, keuchte John und küsste Luc abermals.

Dieser lächelte an seinen Lippen. „Ich bin morgen wieder daheim, muss den ganzen Tag im Bett verbringen ...“

Welches Versprechen ihm sein Ehemann machte, ließ sein Herz stocken und dann in einem Tempo weiterschlagen, das eindeutig rekordverdächtig war. „Luc ich denke nicht ...“

„Du denkst eindeutig viel zu viel. Ich denke, du solltest mir doch noch mal zeigen wie unsere Hochzeitsnacht verlaufen ist, wo ich mich nicht mehr daran erinnern kann.“

John verhinderte ein Lachen, schluckte es stattdessen hinab und nickte ergeben. Wenn Luc ihre Hochzeitsnacht haben wollte, wäre das sicher das kleinste Problem, doch wahrscheinlich würde ihn das eher irritieren, als die Wünsche zu erfüllen, die in seinen Augen zu lesen waren. Die Gänsehaut, die seinen Körper überzog, wurde begleitet von einem unwohlen Gefühl. Konnte er Luc das geben, was sich dieser scheinbar wünschte?

 

Noch Stunden später, als John schon zuhause war, belagerte diese Frage seine Gedanken. Sicherlich, er fühlte sich zu seinem besten Freund und Ehemann hingezogen, darüber brauchte er nicht weiter nachzudenken. Jedoch hatte er selbst noch nie wirklichen Sex mit einem Mann gehabt und im Moment machte ihm dieser Gedanke Kopfzerbrechen. Irgendwann fand sich John vor seinem Computer wieder und benutzte die Suchmaschine, um herauszufinden was es zu beachten gab. Als erstes erblickte er einschlägige Videos, in denen eindeutige Sachen zu sehen waren, die er niemals praktizieren wollte. Auf Schläge hatte John noch nie gestanden und die Gerätschaften sahen aus, als wollte man jemanden foltern keine als Lust verschaffen. Nein, das war nicht sein Geschmack. Berichte über das erste Mal zwischen Männern waren da informativer, jedoch auch eher was für die Theorie und wie sollte das alles in der Praxis funktionieren? Verzweiflung machte sich in John breit. Einen anderen Mann Oral oder mit der Hand zu befriedigen war eindeutig etwas anderes. Dass es jedoch auch Videos gab, wo alles bis ins Detail geschildert wurde, überraschte ihn dann doch. Mehr als eins hatte er sich bis in die Nacht angesehen und wusste nicht wirklich ob er dazu bereit war. Könnte er sich anal penetrieren lassen, oder war bereit es bei Luc zu tun? Was wäre, wenn es zu große Schmerzen verursachte? Die Gefahren von analem Verkehr war ebenso wenig zu verachten und musste eindeutig gut überdacht werden.

Mit den Bildern glitt er wenig später in einen unruhigen Schlaf, der ihm Szenen zeigte, die ihn am Morgen schweißgebadet erwachen ließen.

Schwer atmend stellte sich John unter die kalte Dusche und betete dafür, dass die Bilder aus seinem Gedächtnis verschwanden. -Wenn es wirklich so gefährlich ist, wieso haben dann so viele Spaß daran?-, fragte er sich selbst und hatte keine Antwort darauf.

 

Luc kämpfte währenddessen mit Erinnerungen, die auf ihn einschossen, seitdem er die Augen geöffnet hatte. Der Streit mit seinen Eltern, sein Einzug bei John, der Kuss bei der Hochzeit, ein Ausschnitt im Fahrstuhl. Wie er auf John lag und sich an diesem rieb. Luc erkannte sich selbst nicht mehr in diesen Szenen, doch vor allem sein Freund irritierte ihn. Diese Blicke, die Berührungen und berauschenden Töne hätte er ihm niemals zugetraut. John war seit jeher eher steif und überkorrekt und nun zeigten sich Bilder eines Mannes, den Luc kaum zu kennen schien, jedoch dieses wohlige Kribbeln in seinem Magen auslöste. Es war eindeutig, oder etwa nicht? Langsam aber sicher war er davon überzeugt Hals über Kopf in seinen besten Freund verliebt zu sein.

Wann war das nur passiert?

„Die Sachen sind gepackt, wie ich sehe. Dann überreiche ich Ihnen noch ihre Papiere. Bitte scheuen Sie sich nicht herzukommen, wenn die Kopfschmerzen schlimmer werden.“ Dass Doktor Richards hereingekommen war, hatte Luc nicht einmal bemerkt.

„Werde ich machen. Doktor … hab ich auch an den Organen was abbekommen?“

„Nein, mit Sicherheit nicht, wie kommen Sie darauf, Mister Stone?“

Verlegen drehte Luc seinen Ehering. „Mein Magen rebelliert etwas. Ich kann es nicht genau deuten, jedoch ist es recht merkwürdig ...“

Der Arzt setzte sich ans Bett und lächelte milde. „Nun ja, könnte es sein, dass sie dieses Flirren meinen, was sich meist in der Magengegend befindet. Es fühlt sich an, als müsste man sich gleich übergeben?“

„Genau das!“

„Das nennt man Limerenz und dagegen kann ich nichts tun.“

„Ist das schlimm?“, Unsicherheit in Lucs Augen, brachte dem Arzt zum Lachen.

„Das können Sie sehen, wie Sie wollen. Übersetzt bedeutet es lediglich, dass Sie verliebt sind.“

„Sind Sie sich sicher?“

Doktor Richards nickte und lächelte ihn gutmütig an. „Wenn Ihre Erinnerungen zurückkommen, wird es sich sicher von selbst erklären.“

„Hätte ja auch was anderes sein können, nicht wahr?“

„Dafür geht es ihnen eindeutig zu gut. Ich gehe wirklich davon aus, dass Sie lediglich verliebt sind. Was ist Ihr Problem?“

Seufzend, sog Luc die Luft ein und stieß sie wieder aus. „Bis vor ein paar Tagen waren wir „nur“ beste Freunde und ich weiß bei Gott nicht, wann sich das geändert hat.“

„Der Weg von wahrer Freundschaft zur Liebe ist manchmal näher als man denkt. Genießen Sie ihr Glück, ich denke es gibt schlimmeres.“ Doktor Richards zwinkerte und verabschiedete sich daraufhin.

 

So nett die Worte des Arztes waren, halfen sie ihm im Moment nicht weiter. Was hätte Luc nicht alles dafür gegeben, seine kompletten Erinnerungen wieder zu haben. Er hätte zu gerne gewusst, wann sie einander die Liebe gestanden hatten, wann ihm selbst bewusst geworden war, sich in John verliebt zu haben. Als sein Mann das Zimmer betrat, war jegliche Frage aus seinen Gehirnwindungen verschwunden, stattdessen biss er sich seitlich auf die Lippe und zog die Schuhe an. Die Vorfreude auf ihr Zuhause war groß. Ob seine Träume der Nacht in Erfüllung gehen würden? Diese waren feucht und ausgiebig gewesen, dass er sich am Morgen gefragt hatte, ob sie der Realität entsprachen, bis seine Erinnerungen zurückkamen.

Dass diese Erinnerungen nicht die letzten für den Tag waren, bemerkte er sofort, als sie in die Wohnung traten und er sich an John vorbeischob. Wie ein Blitz drang die Erinnerung zu ihm durch, wie John ihn an die Wand drückte und sie sich küssten. Lächelnd lehnte er sich zurück und schloss die Augen, bis ein Dialog seine wohligen Erinnerungen verwirrte.

„Luc … das ist nicht gut. Du brauchst Zuneigung, aber ich glaube nicht, dass du das hier wirklich willst.“

„Glauben heißt nicht wissen, John! Ich bin alt genug, um zu wissen was ich möchte, meinst du nicht?“

„Normalerweise schon, doch der Streit mit deinen Eltern … ich denke, du interpretierst deine Gefühle für mich falsch.“

„Niemals! Du bist mein bester Freund, für den ich alles tun würde und der auch alles für mich macht. Wir sind schon unser Leben lang füreinander da und das wird sich nicht ändern, nicht durch die Hochzeit, noch durch unsere Intimitäten, im Gegenteil.“

Seine Augen öffneten sich wieder und er sah über seine Schulter direkt in Johns, die ihn besorgt musterten. Was hatte diese Erinnerung zu bedeuten? Wieso hatten sie einen derartigen Dialog geführt? Hieß das … das hörte sich in seinen Ohren an, als wären sie kein Paar, aber das konnte nicht stimmen, davon war er überzeugt. Wieso sonst hatte ihn John im Krankenhaus derart geküsst? Wieso sonst flirrte es in seinem Magen? Wieso sonst lehnte er gegen seinen Ehemann, der ihn behutsam an der Hüfte festhielt und so besorgt ansah? Das alles würde John doch nicht aus reiner Freundschaft tun, oder?

Abermals fing er an mit seinem Ring zu spielen, der sich so gut an seinem Finger anfühlte, aber auch ungewohnt und in diesem Moment falsch. Die Ungewissheit fraß ihn förmlich auf, doch konnte er die Frage nicht stellen, hatte zu viel Angst vor der Antwort. Stattdessen ließ er sich von John die Jacke abnehmen, während er sich selbst die Schuhe abstreifte und in Richtung Schlafzimmer ging. Als sein Mann ihm folgte, lag er bereits auf dem Bett, war zu matt sich zu entkleiden und starrte an die Decke.

„Was schwirrt dir durch den Kopf?“, setzte sich John zu ihm.

„Zu viel als es in Worte zu fassen. Erinnerungen kommen zurück und sind recht irritierend.“

„So? Was für Erinnerungen?“

Täuschte sich Luc oder wurde sein bester Freund nervös? „Ich weiß nicht mal, ob sie real sind. Ein Fahrstuhl, du und ich und eine ältere Dame ...“

„Die ist real. Sehr real glaub mir. Du hast mir die Sprache verschlagen, als du …“ Eindeutig, John wurde verlegen und zauberte Luc ein Grinsen aufs Gesicht.

Die Bedenken verfolgen so schnell wie sie gekommen waren, er zog seinen Mann zu sich und raubte ihm einen kurzen aber durchaus sinnlichen Kuss. Auch wenn der Volksmund von Schmetterlingen sprach, die den Bauch in Aufruhr versetzten, waren es bei Luc sicherlich Bienen, die mit ihren Stacheln seinen Magen malträtierten. „Hab ich dir denn gesagt was ich möchte, nachdem die Frau den Fahrstuhl verlassen hat?“, leckte er John über die Lippen.

„Nein, nicht wirklich!“, entkam es diesem atemlos, während er versuchte, nicht mit seinem ganzen Gewicht auf ihm zum Liegen zu kommen.

„Darüber sollten wir eindeutig noch genauer sprechen, oder ich zeig es dir.“ Luc schnappte nach seinen Lippen, fuhr mit seinen Händen unter Johns Hemd und streichelte dessen angespannte Rückenpartie.

 

Das war eindeutig zu viel für Johns Geduldsfaden, der sich schon angerissen am anderen Ende festhielt. Er war auch nur ein Mann mit Wünschen und Sehnsüchten. Was erwartete Luc von ihm? Dass er sich ewig zusammenreißen konnte und nicht über ihn herfiel? Gerade jetzt wo die Erinnerungen wiederkehrten, war es viel zu gewagt auf die Verführung einzugehen. Denn was, wenn sein Mann sich daran erinnerte, was wirklich zwischen ihnen war? Was, wenn er ihn aus seinem Leben jagte, wie eine räudige Katze, die nicht mehr zum Mäusefang fähig war, vom Bauernhof getrieben wurde?

Trotzdem konnte er sich den kundigen Fingern auf seiner Haut nicht entziehen, die sich langsam am Bund seiner Hose zu schaffen machten.

Seine Kehle wurde trocken, sein Herz schlug heftig in der Brust und sein Blut sammelte sich ungeniert in seinem Schwanz. Es war also amtlich, er mutierte zu einem Teenager, den die kleinsten Berührungen scharf machten. Sollte es ihn beruhigen, dass es auch Luc  nicht anders ging? Das tat es nicht, eher beunruhigte ihn die Tatsache, sich nicht wehren zu können und stattdessen seine Lenden am Bein seines Mannes zu reiben. Das wiederum sorgte dafür, dass sein Oberschenkel an Lucs Hose rieb, was diesem ein kehliges Stöhnen entlockte. Die pure Verführung für John, dessen Verstand aussetzte und sich das nahm, nach was sein Körper sich sehnte. Heiße, hingebungsvolle Küsse, mehr verlangende Berührungen und Worte, die eine Nacht voller neuer Entdeckungen auf einem, beiden unbekannten Feld versprachen.

Eine neue Dimension schien vor ihnen zu entstehen, die sie einlullte und in sich sog. Niemals hatte einer der beiden sich besser gefühlt, während sie mit einem anderen intim wurden. Es war mehr als das pure Verlangen nach Triebbefriedigung, es waren Gefühle, die sie einander in den Augen ablesen konnten.

Zurückhaltung, Scham und Ängste rückten in den Hintergrund. John fing an, Luc die Kleidung abzustreifen, wollte pure Haut auf seiner spüren, unverfälscht und echt. Ihre heißen Atem trafen aufeinander, während sie sich tief in die Seele sahen.

Samtweich legte sich Lucs Glied in seine Hand, passte perfekt dort hinein. Mit geschlossenen Augen suchte John den idealen Takt und Druck für sein Tun. Langsam, dass es seinem Partner bald zu wenig war, führte er seine Hand auf und ab. Jedes Mal wenn Luc das Tempo steigern wollte, stoppte John, lächelte ihn an und verfing sich in einen Kuss mit ihm. Wann er das letzte Mal derartige Mengen an Küssen im Bett getauscht hatte, konnte er nicht sagen, eventuell, weil es nie der Fall gewesen war. Doch Lucs Lippen waren mehr als nur zwei fleischige Anhängsel des Mundes, sie waren die pure Verführung und zum Küssen erschaffen. Wie hätte er sich dagegen wehren sollen?

 

Noch nie im Leben hatte sich Luc derartig geliebt gefühlt wie in diesem Moment. Was er in Johns Augen las kam einer Symphonie gleich, die extra für ihn geschrieben wurde. Vertrauensvoll ließ er seinen Mann die Führung übernehmen, genoss was ihm geboten wurde und gab das zurück, was er erhielt.

Fast unbemerkt rutschte Johns Hand tiefer über den Damm hinab zu seinem Anus. Ein Ruck ging durch seinen Körper, Unsicherheit machte sich in ihm breit, während John ihn musterte und trotzdem nicht damit aufhörte, seine Rosette zu streicheln. Mit aller Zeit der Welt strich er immer wieder über den zuckenden Muskel, dass sich Luc irgendwann wieder entspannte und das Kribbeln in seinem Unterleib genoss. Es war so verheißungsvoll wie ungewohnt, jagte Impulse durch seinen Körper, die seinen Verstand ausschalteten. Selbst als es plötzlich kühl wurde, ignorierte er es, gab sich den Gefühlen hin, die ihn willenlos machten.

Mit einer unglaublichen Geduld liebkoste John seinen Hals, flüsterte irgendwelche Worte in sein Ohr, die Luc nicht verstand und streichelte weiter den Eingang in sein Innerstes. Ein Ruck ging durch Lucs Körper, wobei er selbst dafür sorgte, dass sich der Finger seines Mannes in ihn schob. John riss die Augen auf, wollte zurückweichen, doch er ließ es nicht zu. Lucs Empfindungen überschlugen sich, die Reize, die diese Eroberung in ihm auslösten, kamen nichts gleich, was er sich je vorgestellt oder erlebt hatte.

Sein flehender Blick wurde von John erhört, der sich dazu verleiten ließ, seinen Finger zu bewegen. Luc zuckte unkontrolliert, vereinnahmte den Finger somit noch tiefer und verlangte nach mehr. Es war nicht genug, sei Innerstes brannte vor Verlangen, welches erfüllt werden wollte.

 

John kämpfte mit sich, die Videos der letzten Nacht schlichen sich in seine Gedanken. Er wusste was er tun musste und doch hielten ihn seine Hemmungen zurück. Was wenn er Luc wehtat? Wenn dieser ihn dann abwies und …

Seine Gedanken fanden ein jähes Ende, als Luc in sein Ohr biss. „Mehr, tiefer, bitte!“ Der letzte Impuls seines Verstandes gab auf ihn zu warnen, stattdessen übernahm seine Libido.

Langsam zog John den Finger aus Luc, der missfallende Geräusche von sich hab, um dann mit zweien einzudringen. Mit weit aufgerissenen Augen, angehaltenem Atem und einem Stöhnen wurde er begrüßt, was ihn mutiger werden ließ. Die Bewegungen wurden fahriger, schneller und vor allem härter, was sein Mann sichtlich genoss. Fest presste sich Johns Schwanz an Lucs Oberschenkel, verlangte nach seinem Recht, wollte ebenso eingebunden werden. Langsam glitt er über seinen Ehemann, entzog ihm die Finger und dirigierte stattdessen sein Glied dorthin. „Ich will dich!“, wisperte er an Lucs Lippen, der ihn mit verhangenen Augen ansah und nickte. „Entspann dich, es könnte wehtun.“

Ob Luc die Worte wirklich wahrnahm, wusste John nicht, mahnte sich jedoch langsam vorzugehen und nicht die Kontrolle zu verlieren. Sein Blick wanderte zu dem Gel, welches auf dem Bett lag und ihm vorher schon behilflich war. Unbemerkt fischte er sich die kleine Tube, öffnete sie geräuschlos und rieb sich selbst damit ein, während Luc wieder nach mehr verlangte.

Schweißperlen liefen über Johns Gesicht, als sich seine Eichel durch den Ring des Anus drückte. Verharrend blickte er in die Augen seines besten Freundes, der um jeden Atemzug kämpfte. Er wartete, kämpfte mit dem Verlangen sich tief hineinzustoßen und gab Luc die Zeit, sich an die ungewohnte Dehnung zu gewöhnen. Sie reizten ihre Geduld regelrecht aus, ihre Körper zitterten um Erlösung flehend, als John seinen Mann komplett in Besitz nahm. „Das halt ich nicht lang aus“, die Worte waren ihm zu schnell entwischt.

Luc streichelte über seine Wange, fing einige Schweißperlen ab und schenke ihm ein Lächeln. Abermals versanken sie in einem Kuss, der ewig hätte dauern können, wenn sich ihre Unterleiber nicht mehr Aufmerksamkeit gewünscht hätten. Gemächlich zog sich John aus Luc heraus, um sich dann wieder in ihm zu versenken. Ein langsamer, wenn auch harter Takt, der beiden nur noch unverständlichen Lauten entlocken ließ.

 

Sanft schmiegte sich Luc in Johns Arme, die er um ihn geschlungen hatte. Kämpfte so gegen ein merkwürdiges Gefühl in ihm, was der Bezeichnung „benutzt“ eine neue Bedeutung gab. Der Druck in seinem Darm ließ nur langsam nach, noch immer fühlte es sich an, als sei John in ihm. Dieser war

 tiefenentspannt und atmete schon bald gleichmäßig und mit leisen Schnarchgeräuschen.

Unbemerkt schlich sich Luc aus dem Schlafzimmer und nach einem Stopp im Bad, führte ihn sein Weg in die Küche. Routiniert schaltete er den Kaffeeautomaten an, stellte eine Tasse darunter und wartete bis der Apparat den koffeinhaltigen Saft herauspresste. Vorsichtig setzte er sich auf einen der Stühle. Nicht dass es ihn schmerzte, doch das Gefühl seiner Kehrseite war ungewohnt und so ging er lieber mit Vorsicht als Nachsicht ans Sitzen.

Auf dem Tisch lag die Tageszeitung, die John scheinbar ungelesen abgelegt hatte. Es war auch gerade erst Mittag und die letzten Tage recht anstrengend. Wie immer schlug Luc das gefaltete Papier in der Mitte auf. Politik und Sport überging er, denn das war auch schon in den Nachrichten sichtbar gewesen. Ihn interessierte das Regionale, was bei ihnen passierte.

Die Anzeige sprang ihn förmlich an und verschlug Luc die Sprache. Das konnte nicht wahr sein, das hatte sein Vater nicht getan. Entsetzt keuchte er auf und fegte die Zeitung über den Tisch hinweg auf den Boden.

-Aus gegebenem Anlass trennen sich Miller & Sohn voneinander. Wir gratulieren unserem Sohn Luc Gregor Stone zu seiner Hochzeit mit seinem besten Freund John Stone, Juniorchef des Unternehmens Druckerei Stone. Die besten Glückwünsche von der Firma Gregor Miller und Belegschaft.-

Luc hörte seinen Vater hämisch lachen, das war nicht mehr als einen öffentlichen Tiefschlag und sicherlich erst der Anfang, wie er ihn kannte. Gregor wollte ihnen das Leben zur Hölle machen und das war der erste Anstoß.

„Verfluchte Scheiße!“, entkam es Luc etwas zu laut.

Kaum zwei Minuten später tapsten nackte Füße über den Boden, zwei Arme umschlangen ihn und Lippen liebkosten seinen Nacken. „Alles okay mit dir?“

„Nein, nichts ist okay. Er wird unser Leben zerstören.“

 

John runzelte die Stirn, ließ von Luc ab und ging um den Tisch herum, wo er die Zeitung auf dem Boden sah, auf die sein Mann zeigte. Es dauerte etwas bis er das fand, was Luc so aus der Bahn geworfen hatte. Ihn kostete es ein hartes Schlucken, wankend hielt er sich an der Tischplatte fest und setzte sich erst einmal. Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, aber vor allem einer: Wie sollte er es hinbekommen, dass die Firma keinen Schaden davon trug?

Minutenlang starrten sie nur auf die Tischplatte und schwiegen sich an, bis Luc neuen Kaffee machte und auch ihm eine Tasse vorsetzte, bevor er wieder Platz nahm.

„Du steckst das ganz schön cool weg, oder meine ich das nur?“, fragte John und nahm einen Schluck.

„Nun ja, du warst ja auch recht sanft, ist zwar merkwürdig, aber schmerzen tut es nicht.“

Prustend klopfte sich John auf die Brust, versuchte wieder Luft in seine Lungen zu bekommen und sah Luc aus geweiteten Augen an. „Ich meinte … Herrgott … das meinte ich nicht.“ Immer wieder schlug er sich auf die Brust und versuchte den verschluckten Kaffee aus seiner Luftröhre zu bekommen.

„Ach so … was soll ich denn machen? Mein Vater ist ein Arsch, ich ändere daran gerade gar nichts. Wir sollten jedoch deinen Vater informieren.“

John nickte und räusperte sich noch, als schon das Telefon klingelte. Als wäre es alltäglich griff Luc zum Hörer, der auf der Ablage neben der Kaffeemaschine lag und meldete sich mit Stone. Er stellte das Gerät auf Lautsprecher, damit John mithören konnte. Schon bald ertönte Johns Vater durch den Lautsprecher. „Hallo Jungs, ich denke, ihr zwei habt auch schon die Zeitungsannonce gesehen. Ich möchte gerne eine Gegenanzeige starten. Natürlich eine Gratulation zu dem mutigen Schritt zur Hochzeit und wenn du es mir gestattest Luc, dein Eintritt bei uns in die Firma.“

Sprachlos sah Luc zu John, bei dem das Angebot seines Vaters ein Lächeln hervorrief.

„Ich bin etwas überrumpelt Karl, sind Sie sich sicher, dass das eine gute Idee ist?“

„Also bitte Luc, das „Sie“ darfst du mal lassen, schließlich sind wir eine Familie und was könnte der Firma besseres passieren, als einen talentierten Verkaufsstrategen zu gewinnen? Also mein Junge, was sagst du?“

Luc stand auf, lief in der Küche auf und ab, während John ihm Bedenkzeit verschaffte und mit seinem Vater telefonierte. „Dad, hast du keine Bedenken?“

„Inwiefern? Ich weiß welches Talent dein Mann besitzt.“ Karl klang unwirsch und ihm schien die Frage recht unsinnig.

„Das meinte ich nicht. Heute versteht mich aber auch jeder falsch. Eher was das Outing angeht. Nicht jeder unserer Kunden wird begeistert sein, dass sich dein Sohn zu seinem MANN bekennt!“

„Was interessieren mich ihre Meinungen? Wem es nicht passt, der soll sich eine andere Druckerei suchen, es werden neue Kunden kommen. Ihr beide bringt bestimmt frischen Wind ins Geschäft und wir wissen, das kann nicht schaden. Junge, ihr beide werdet mich noch zwei Jahre ertragen müssen, dann gehört die Firma euch.“

Nun verschlug es auch John die Sprache, er schluckte hart und sah zu Luc. Sein Vater baute darauf, dass sie beide zusammen übernahmen, als Paar, als Ehepaar, dabei wusste John nicht einmal, ob Luc ihn wirklich noch wollte, wenn dieser seine Erinnerungen wieder hatte.

„Karl, es würde mich freuen, in der Firma anfangen zu dürfen“, erklang plötzlich dessen Stimme. John sah zu seinem Mann, der sich nervös auf die Fingernägel biss und zu seinen Füßen sah.

„Nichts anderes wollte ich hören. Dann werde ich die Annonce aufsetzen lassen. John, dich erwarte ich morgen wieder in der Firma, wenn es irgendwie geht und Luc, dich nächste Woche.“

„Ich werde da sein Dad, bei Luc warten wir ab, was der Arzt sagt. Danke.“

 

Luft … es verlangte Luc nach Luft. Das Gefühl der Akzeptanz war unglaublich und für ihn eindeutig unbekannt, dass es ihm den Atem raubte. Alles schien plötzlich so einfach zu sein. Ein Blick auf John zeigte ihm einen Mann, der mit seinen 30 Jahren, dem sportlichen Körper und dem gepflegten Äußeren, dem Schwiegersohn-Traum nahe kam. Von seinem Vater war Luc aus dem Geschäft geworfen worden, doch dafür von Karl in dessen Firma aufgenommen. Bekanntlich bezahlte die Druckerei selbst seinem kleinsten Angestellten übertariflich, da konnte man doch von Glück sprechen, oder?

Wäre da nicht dieses Gefühl in seinem Inneren, was ihm Bauchschmerzen verursachte. Irgendwas gab es, was er nicht wusste und eine Vorahnung deutete darauf, dass Johns Blick damit zu tun hatte. Wieso verhielt sich sein bester Freund so merkwürdig? Erst jetzt wurde Luc bewusst, dass es nicht der erste unsichere Blick seines Mannes war, doch wieso?

„Wo ist mein Handy?“

„Sicherlich noch in deiner Jacke, wie bei der Ankunft vor vier Tagen, wieso?“

„Ich habe das Gefühl, als würde ich darin die Lösung für mein ungutes Gefühl finden.“ John blieb sitzen, während Luc seine Jacke suchte, die er bald an der Garderobe fand. Sein Blick wanderte durch den Flur zu einem Gästezimmer, welches offen stand. Überrascht sah er seine Koffer darin. „John? Wieso sind meine Klamotten in dem Zimmer hier?“ Auf eine Antwort wartete er vergebens, was Luc zurück in die Küche gehen ließ. Mit dem Gesicht in den Händen saß John am Tisch. „Wieso habe ich das dumme Gefühl, mehr vergessen zu haben, als gut für mich ist?“ Statt sich auf seinen Stuhl zu setzen, kniete er vor John und zog ihm die Hände weg. „John?“

„Es war nicht geplant und … es passierte einfach, ein Wort gab das nächste, ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll.“

„Wie du mir immer alles erklärt hast seitdem wir uns kennen. Offen und ehrlich!“

Nickend zog sein Mann Luc auf den Schoss. „Ich möchte dich noch einmal halten, okay?“

„Muss ich das verstehen?“

John ignorierte die Frage, legte sein Gesicht an Lucs Rücken und sog den Duft ein. „Du hast deinen Eltern die Stirn geboten, bist daraufhin hier eingezogen und wir sind direkt nach Las Vegas. Ich hab da nur noch ein Doppelzimmer bekommen. Es waren so viele lustige Situationen, wie die im Fahrstuhl … keine war ernst gemeint. Wir haben zu viel getrunken und irgendwie habe ich dir einen Antrag gemacht. Was erst Spaß war, wurde so schnell ernst, dann der Kuss bei der Trauung, das gemeinsame Einschlafen im Zimmer und der Morgen …“

„Wir kamen zurück und die Stimmung zwischen uns war immer noch aufgeheizt, ich hab dich gereizt“, stellte Luc sachlich fest, sein Körper versteifte sich, als er sich wieder erinnerte. Plötzlich sprang er auf, sah auf John hinunter. „Du wolltest das alles gar nicht. Oh verdammt, ich hab mich komplett zum Deppen gemacht.“

„Nein, Luc bleib hier!“

 

John seufzte schwer, zwar hatte er eine andere Reaktion erwartet als diese und doch war das Ergebnis gleich, Luc war fort. Dass dieser allerdings annahm, dass John das alles gar nicht wollte, überraschte ihn dann doch. Wie kam er darauf? Eine Antwort war er Luc schuldig geblieben, hatte sich mit seiner Kleidung im Bad verbarrikadiert und war angezogen aus dem Haus gestürmt. Mit Sicherheit hatte Luc ihm nicht zugehört, oder aber es war ihm einfach zu peinlich gewesen, was John einleuchtend vorkam. So war Luc schon immer gewesen, seitdem sie sich kannten.

Eine halbe Stunde später stand John an der Haustür und überlegte, wohin sein Mann geflüchtet sein konnte. Im Normalfall zu ihm, wie immer, doch jetzt? Es gab nur einen, mit dem Luc ein relativ gutes Verhältnis hatte, das ihrem glich. Stephan!

Natürlich Stephan Black, Mitbegründer der Werbeagentur Black & White der für die Firmen ihrer Eltern schon mehr als eine Werbemaßnahme verwirklicht hatte. Es gab sonst keinen Bekannten, bei dem Luc eine verständnisvolle Schulter fand. Zumindest wenn sich Stephan von seiner Arbeit trennen konnte, denn dieser war der reinste Workaholiker.

Beruhigt nahm John wahr, dass Lucs Auto nach wie vor am Straßenrand parkte. Wenigstens war sein Mann nicht unverantwortlich, das musste man ihm lassen.

Eine Viertelstunde später traf John in der Werbeagentur ein. Ohne auf die Dame am Empfang zu reagieren, ging er zu den Fahrstühlen und drückte den Knopf zur obersten Etage, wo Stephan und dessen Geschäftspartner Christian ihre Büros hatten. Seit Jahren hatten die zwei ehemaligen Studienkollegen dafür gearbeitet, diesen Luxus verwirklichen zu können. Eine ganze Etage nur für sie, ohne störendes Fußvolk, wie es Christian mal witzelnd bezeichnete. Dieser kam ihm auch prompt entgegen, als John aus dem Fahrstuhl trat.

„Stephan ist heute beliebt, doch wenn ich so überlege … erst Luc und nun du? Was ist passiert?“

„Du hast scheinbar heute noch keine Zeitung gelesen, oder?“

„Nicht wirklich!“, verlegen strich sich Christian durch sein blondes Haar. „Die Arbeit erschlägt uns gerade, dabei wollte ich mir endlich mal wieder mehr Freizeit gönnen.“

„Wie klappt es mit Nico?“, es war nur ein Flüstern, als John die Frage aussprach. Christian war alles andere als geoutet, was dieser aber eher als privat ansah. Denn es ging keinen etwas an, nicht einmal seinen Geschäftspartner.

„Nun ja, wir sehen uns relativ wenig, aber ich glaube, er könnte der Richtige sein, sobald ich mir Zeit verschaffen kann. Also was ist mit dir und Luc?“ John hob seine Hand und sofort reflektierte der goldene Ring das Licht. „Das ist ein Witz, oder? Ihr seid Freunde und kein … seit wann? Ich dachte, ihr zwei seid eher der Frauenwelt zugetan! Ich mein, bei dir wusste ich, dass du nicht abgeneigt bist“, zwinkerte Christian. „Aber bei Luc?“

„Er ist für Überraschungen gut und ich hoffe sehr, dass es ihm nur bei mir zu Männern hinzieht. Weißt du wo Stephan und er sind?“

„In der Kaffeeecke. So, so, nur zu dir? So hab ich die Heteros gerne, kaum wechseln sie das Ufer, schon teilen sie nicht mehr.“ Lachend verschwand Christian in sein Büro und John atmete durch. Der Mann hatte Sprüche, die seine Kundschaft sicher niemals von ihm erwarten würden. Doch noch weniger würde man davon ausgehen, dass dieser Mann schwul war und das nicht erst seit gestern. John hatte ihn damals kennengelernt, als er mit Sebastian angebändelt hatte. Seine Frage wieso man nicht wüsste, dass er schwul sei, hatte Christian mit einem abschätzenden Blick und den Worten „Es geht keinen etwas an, mit wem ich mein Bett teile. Stellst du dich deinen Geschäftskunden mit den Worten vor, dass du hetero bist?“, abgetan. Recht hatte dieser und jetzt verstand ihn John umso besser. Seit des unfreiwilligen Outings seitens seines Schwiegervaters, hatte er ein beklemmendes Gefühl in sich. Das schob er jedoch von sich, denn Luc war es ihm wert. Er würde ihn für nichts auf der Welt wieder hergeben. Das hätte er nie getan, nicht einmal als sie „nur“ Freunde gewesen waren. Luc gehörte zu ihm, egal auf welche Art und Weise.

 

„Sekunde, du haust mich gerade um mit deinen Informationen. DU bist mit John VERHEIRATET?“

„Das fragst du mich nun zum fünften Mal und abermals sage ich dir, JA so ist es. Ich weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen ist. Und ich bin auch nicht hier, um dir die Frage tausend Mal zu beantworten, ich will wissen was ich jetzt machen soll. Ich habe ihn dazu gedrängt mit mir …“ Luc rieb sich die Schläfen, sein Kopf schmerzte, oder eher dröhnte er geradezu und erinnerte ihn an Doktor Richards, der ihn ermahnt hatte, noch liegen zu bleiben.

„Gedrängt? Mein lieber Freund, du kannst ja viel tun, aber sicher keinen Mann dazu drängen mit dir zu schlafen. Hätte  John es nicht gewollt, hätte er es zu 100 Prozent nicht getan. Kann es sein, dass du von dir selbst geschockt bist? Dein Verlust der Erinnerung hat deine Gefühle unverfälscht gezeigt und jetzt stehst du da, weißt was wirklich war. Doch nun ist die Frage in dir, wie du dich verhalten sollst. Denn dass es eher eine Schnapsidee war, als eine Herzenssache, schafft gerade Hemmungen, die idiotisch sind.  was du mir alles erzählt hast, scheint euch beide doch mehr aneinander zu liegen, als nur Freundschaft. Luc, er hat dir das alles erzählt, während er dich noch einmal in den Armen halten wollte. John wusste wie du reagierst und nahm sich noch ein wenig Nähe, was sagt dir das?“

Luc fühlte sich schlaff, ausgepowert, doch sah er nun auf. „Dass er meine Nähe genossen hat und sie eigentlich nicht hergeben wollte?“

„Ich wollte eine Antwort und keine Gegenfrage! Er genießt deine Nähe und will diese nicht aufgeben. Doch irgendwas hat ihm gesagt, dass du sie nach eurem Gespräch nicht mehr möchtest.“

„So ist das doch gar nicht, doch ich habe ihn zu etwas gedrängt…“

„Das ich schon vor dir wollte. Du bist derjenige, der von einem Fehler gesprochen hat. Ich konnte dich nur beruhigen, indem ich sagte, dass ich mich um die Annullierung kümmere. Deine Amnesie war für mich das Beste was passieren konnte. Denn es war, wie es Stephan sagt, du hast deine Gefühle rausgelassen, ungehemmt. Das waren für mich die schönsten Tage, die ich je erlebt habe.“

Erschrocken war Luc herumgefahren, sah seinen Mann mit aufgerissenen Augen an und hörte ihm zu.  Die Worte klangen unglaublich, so unfassbar, dass er John weiterhin anstarrte.

„Kann das sein, dass er noch nicht ganz fit ist?“, fragte Stephan.

„Eigentlich sollte er noch ein paar Tage liegen. Aber es ist alles etwas aus dem Ruder gelaufen.“

„Verständlich. Bring ihn heim, lass ihn schlafen und dann sprecht noch mal Klartext miteinander. Herzlichen Glückwunsch, übrigens! Wann wird gefeiert und wo ist euer Geschenketisch?“

Luc sah alles wie durch einen Nebel, hörte dafür die Stimmen jedoch klar und deutlich, besonders Johns Lachen. „Lass Luc gesund werden, dann werde ich eine Feier organisieren und der Geschenketisch … das sehen wir noch.“ Diese Worte erfüllten sein Herz, ließen es schneller schlagen und verscheuchten den dicken Nebel. Nervös biss er sich auf die Lippen und sah tief in die grünen Augen seines Ehemanns. Hatte John gerade gesagt, dass sie feiern würden? Ihre Hochzeit? Von den Gefühlen übermannt zitterten seine Hände unkontrolliert.

„Jetzt bring ihn heim, er wird schon ganz zittrig und eure Liebesbekundungen muss ich nun wirklich nicht mitbekommen. Auf mich wartet Arbeit!“

„Was auch sonst, ob du dich je änderst?“

„Mal sehen, es soll ja Wunder geben, das sieht man an euch beiden!“

 

Genau darauf hoffte John mit Leib und Seele, dass es sich gerade um ein Wunder handelte, was sich zwischen ihnen entwickelte. Luc durfte nur keinen Rückzieher machen, auf einen Versuch kam es an. Würde es Luc versuchen wollen? John hatte bedenken, dass sich sein Mann nicht doch noch um entschied. Sicherlich gab es so manchen Mann, der Luc wesentlich mehr bieten konnte und eventuell auch mehr Erfahrungen in Sachen Beziehung mitbrachte. Wortlos verlief der Weg nachhause. Auch in der Wohnung sagte noch keiner etwas und John empfand es als wichtiger, seinen Partner mit Schmerzmitteln zu versorgen und ins Bett zu verfrachten.

So konnte er sich noch ein paar Stunden Gedanken machen, was nun aus ihnen werden würde. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand ging er auf die Dachterrasse. Hier hatte er sich eine gemütliche Wohlfühloase eingerichtet. Mit Hängematte, gemütlicher Sofalandschaft und einem kleinen Grillplatz, inklusive Theke für Cocktails. Ob er irgendwann auch mit Luc hier liegen würde? John streckte sich auf der Sofalandschaft aus und schalt sich für seine Gedanken, denn schließlich war es ein Ritual zwischen ihm und seinem besten Freund, im Sommer hier zu faulenzen, den Grill anzuschmeißen und mehr als ein kaltes Bier zu trinken. Doch würde es nach dieser Woche auch noch zu ihren Ritualen gehören? Oder war ihre Freundschaft beendet? War es das wert gewesen, wegen ein paar Streicheleinheiten, Sex und Küssen, eine über 20 jährige Freundschaft aufs Spiel zu setzen? Bereuen würde er sicher keine ihrer Intimitäten, doch war in ihm die Angst entfacht, alles zu verlieren was er als wichtig erachtete.

Johns Gedanken drehten sich nur noch darum. Konnte ihre Freundschaft das überstehen, oder würde er bald ohne Luc auskommen müssen? Über die Vorstellung wie trist ein Leben ohne seinen besten Freund sein würde, fiel er in einen seichten Schlaf.

 

Endlich gaben die Kopfschmerzen nach und Luc konnte die Augen wieder öffnen. Es war mittlerweile kurz vor sechs am Abend und er nahm sich vor, die nächsten Tage wieder einem normalen Schlafrhythmus nachzukommen. Allein aus diesem Grund konnte er Krankenhäuser nicht leiden, da blieb einem nichts anderes übrig als zu schlafen.

Doch wenn er wirklich am Montag bei Karl anfangen wollte, sollte er fit sein. Der Gedanke an Karl Stone brachte ihn auf dessen Sohn. John war nicht bei ihm im Bett, dabei hatte er gedacht … „Du bist ein Depp!“, schalt er sich selbst und stand auf. Angezogen machte sich Luc auf den Weg, packte seine Koffer zusammen, die sowieso nur geringfügig ausgepackt waren und suchte John.

Luc konnte nicht anders, blieb an der Terrassentür stehen und beobachtete seinen Mann, der entspannt auf dem weißen Sofa lag. Wie viele Stunden sie hier schon gemeinsam verbracht hatten, teils bis in die frühen Morgenstunden. Manches Mal waren sie nur von der Sonne wach geworden, die morgens direkt auf die Sofalandschaft schien. Er würde es vermissen, jeden Moment ihrer Freundschaft niemals bereuen, bis auf diesen einen … der nun folgen würde, das Ende.

Er stieß sich vom Türrahmen ab und ging auf John zu. Vorsichtig streichelte er dessen Wange. „Danke für alles!“

„Ich habe dir zu danken!“

Braune versanken in grüne Augen, jeder darauf bedacht, dem anderen seinen Schmerz nicht sehen zu lassen. Luc wandte sich ab, versuchte den Kloss in seiner Kehle hinab zu würgen, woran er scheiterte. Nie im Leben war er derart verletzt gewesen, nicht mal die Taten und Worte seiner Eltern hatten das je geschafft, wie konnte es nur sein, dass gerade John das fertig brachte? Dabei hatten sie sich mal geschworen, immer füreinander da zu sein, immer, egal was passieren würde. Luc wollte seinen besten Freund zurück. Statt weiter zu gehen, drehte er sich um, trat auf die Terrasse und atmete schwer aus. „Ich könnte meinen besten Freund gebrauchen.“

„Ich auch!“ Verlegen lächelten sie sich an, bevor Luc neben John Platz nahm. Dieser holte ihnen zwei eiskalte Flaschen Cola.

„Meinst du, wir könnten unsere Freundschaft irgendwie retten?“, fragte Luc und riss an dem Etikett der Flasche.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Versteh es nicht falsch, Luc. Du bedeutest mir viel und in den letzten Tagen sind die Gefühle noch intensiver geworden, dass ich nicht weiß, ob ich einfach da weiter machen kann, wo wir vor fünf Tagen aufgehört haben.“

„Das heißt konkret?“ Lucs Herz schlug hart in seiner Brust. Er hatte es in der Werbeagentur nicht falsch verstanden.

John sah in die andere Richtung, hielt die Flasche fest in seinen Händen und senkte dann den Kopf. „Versteh das richtig, es ist nicht so, dass ich schon immer in dich verliebt war, aber seit Las Vegas … ich weiß echt nicht wie ich das …“ Weiter kam John nicht, da schlug die volle Flasche Cola auf den Boden, der Inhalt verteilte sich über die Terrassenplatten und drang in den weißen Stoff der Couch. Luc hatte sich auf ihn geschmissen und drückte grob ihre Lippen aufeinander.

 

Perplex verharrte John und versuchte zu realisieren, was gerade passierte. Die Flasche war in ihre Einzelteile zerbrochen und hatte seine Couch ruiniert. Doch dann realisierte er: Luc küsste ihn! Und wie er ihn küsste! Das bedeutete? Es war als würden Ketten gesprengt, die sein Herz in einer eisernen Umarmung hielten. Johns Hände umfassten Lucs Gesicht, unterbrachen mit sanftem Druck den Kuss. „Luc?“

„Später!“, wischte dieser die Frage aus ihren Köpfen, beharrte stattdessen auf die Verbundenheit ihrer Lippen.

Es war unglaublich, John fasste es nicht, Luc gehörte ihm, eindeutig, unmissverständlich ihm. Der Kuss schien unendlich lange und doch viel zu kurz. Als sich das nächste Mal ihre Lippen trennten, saß Luc breitbeinig auf Johns Schoss und blickte ihm tief in die Augen. „Ich sagte dir in Las Vegas, ich teile nicht, toleriere kein Fremdgehen, du gehörst mir allein, das nehme ich nicht zurück!“

„Trifft sich gut, ich geb dich auch nie wieder her.“

„Versprochen?“

„Solange bis du mich bittest, das Versprechen zu brechen!“

 

Lachend standen Luc und John Arm in Arm auf ihrer Feier. Stephan hatte nicht locker gelassen und ebenso einen Grund beigesteuert, dass sie sich drei Wochen später bei ihnen trafen und feierten, bis der Morgen graute. Auch wenn es so manchen überrascht hatte, würde der Werbedesigner bald Vater werden, dank seiner zwei besten Freundinnen, die ihn dazu auserkoren hatten, Samenspender zu werden. Sandra war inzwischen in der achten Woche. Mit dem ersten Bild in den Händen, war Stephan auf der Feier aufgetaucht und hatte beschlossen, dass er auch einen Grund zum Feiern mitgebracht hatte.

Luc und John betrachteten ihre Freunde, die mitsamt Johns Eltern an einem Tisch saßen und Wein, oder Bier tranken, währen sich die zwei den Grill bedienten.

John schlang die Arme von hinten um Luc und sah über seiner Schulter zu, wie dieser die Steaks wendete. „Bist du glücklich?“

„Mit dir? Schon mein Leben lang und das wird sich auch nicht ändern.“

„Und wenn wir doch mal streiten? Uns die Köpfe einschlagen?“

„Machen wir es wie in den letzten 27 Jahren auch und raufen uns wieder zusammen.“

„Du bist so weise.“

„Ja, das bin ich wohl, ein Glück dass du mich hast.“ Luc lachte und drehte sich in den Armen seines Mannes um. „Ich liebe dich!“

John schloss die Augen, versuchte Luft in seine Lungen zu bekommen. Drei simple kleine Worte stahlen ihm gerade die lebensnotwenige Luft zum Atmen. Es war das erste Mal, dass Luc sie sagte und das verschlug John gerade die Sprache. „Ich dich auch.“ Hörte sich seine Stimme wirklich derart hoch an? Er betete, dass das nicht der Fall war.

 

„Oh Mann, Liebesbekundungen!“, theatralisch seufzte Stephan auf und sorgte für ein Lachen bei den Anwesenden. Es waren nicht viele gekommen und vor allem nicht alle, die sie erwartet hatten. Christian fehlte, dessen Absage John zum Grummeln gebracht hatte. Doch so war es nun einmal, nur einer der Geschäftspartner konnte abends früher aus der Firma und scheinbar hatte Stephan dieses Mal das Glück. Sandra und Annabell, die Luc anscheinend näher kannte, hatten ebenso keine Zeit gefunden. Der Grund lag wohl an der Schwangerschaft. Manche Freunde hatten sich abgewandt, dafür waren andere Bekanntschaften gerade dabei vertieft zu werden.

„Hast du ein Problem damit, baldiger Daddy?“, grinste Luc und streckte Stephan die Zunge raus.

„Nicht Daddy, der Wurm wird zwei wundervolle Mütter haben und mich als Patenonkel. Lediglich auf dem Papier werde ich als Vater geführt, darauf besteht Annabell, falls ihnen was passiert …“ Augenverdrehend machte Stephan eine wegwerfende Handbewegung.

„Weise vorausgedacht“, kommentierte Johns Mutter lächelnd. „Wie sieht es denn bei euch beiden aus? Dürfen wir auch noch Hoffnung hegen, irgendwann Großeltern zu werden?“, sah sie dann zu John und Luc.

Röte zierte die Wangen der frisch Verheirateten. diese Antwort blieben sie Beate an diesem Abend schuldig. Sie waren noch jung, frisch verheiratet und wenn es nach ihnen ging, würden sie erst einmal ihre neue Liebe genießen.

Wie in dieser Nacht, in der Luc die Zügel in die Hand nahm und John zeigte, wie schön es sein konnte miteinander verbunden zu sein.

Impressum

Texte: Rigor Mortis
Bildmaterialien: pixabay.com
Lektorat: Bri Mel
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2014

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