Kapitel 1
Da saß er nun und war mehr als genervt. Abermals entzog er der Frau neben sich seine Hand. Irgendetwas war bei der Buchung des Escort Services schiefgelaufen, er hatte ganz sicher nicht mit Extras gebucht. Frauen waren ihm zuwider, wollten Aufmerksamkeit, teure Geschenke und vor allem waren sie falsch. Jede, die er bisher kennengelernt hatte, war so und keine konnte sich im Entferntesten vorstellen, dass er nicht an ihr interessiert war. Seit seiner Jugendzeit stand fest, dass er auf die männlichen Vertreter seiner Spezies ein Auge geworfen hatte.
Der Saal wurde verdunkelt, einzig ein Lichtstrahl erhellte einen Punkt auf der Bühne, in den ein junger Mann trat. Die Geige führte er zwischen Schulter und Kinn und zog mit dem ersten Ton alle in seinen Bann. Duncan wusste nicht, ob es wirklich des Geigers Welt war, in die dieser die Zuhörer entführte, doch hoffte er es. So melodisch, so einfühlsam und verzaubernd. Nicht mal die Hand, die sich wieder auf seine legte, konnte seine Aufmerksamkeit erregen.
Diese Melodie, dazu dieser Mann … Es war, als wäre er in einem Traum gefangen, aus dem er nicht mehr aufwachen wollte. Drahtig erschien der junge Mann auf der Bühne, und doch so imposant. Magisch zog er Blicke an, wie Duncan nur ungern feststellte, und doch war es das, was er brauchte. Er war ein Geschäftsmann und suchte dringend eine Attraktion für ein Event seiner Firma. Chinesische Geschäftspartner wollten kommen, dazu sollte eine erstklassige Aufführung stattfinden. Duncan sah gerade seine Eintrittskarte in den chinesischen Markt.
Er strich sich durch sein hellbraunes, kurzes Haar, als auch schon die letzten Klänge verstummten und der Applaus für den jungen Geiger den Saal erfüllte. Duncan musste erst seine zweite Hand zurückerobern, um zu applaudieren, was ihm einen bösen Seitenblick einbrachte. Für was hielt sich die Frau nur?, fragte er sich, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder der Bühne zu. Nach einem Pianisten, einer hervorragenden Sängerin und einer Harfenspielerin leerte sich langsam der Saal. Auch Duncans Begleitung stand auf, klimperte mit ihren künstlichen Wimpern und sah ihn auffordernd an. „Können wir?“
Er zückte seinen Geldbeutel. „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt und bitte merken Sie sich: Sie sind lediglich eine Begleitung, die nett auszusehen hat.“ Mit diesen Worten drückte er ihr ein paar Scheine in die Hand, wandte sich von ihr ab und ging zum Garderobeneingang. Ihr erbostes und gleichzeitig errötendes Gesicht blieb ihm somit erspart. „Mister Stone, es freut uns, Sie zu sehen!“, begrüßte man ihn, und ließ ihn ohne weitere Überprüfungen durch.
Zufrieden lächelnd lehnte Jerad an der kühlen Backsteinmauer, hatte die Augen geschlossen und nahm seine Umgebung mit allen Sinnen wahr. Es war ein toller Auftritt gewesen, die Symbiose der Instrumente mit der Akustik des Saals war geradezu perfekt. Immer noch hörte er seine Geigenklänge von den Wänden widerhallen, gedämpft, jedoch auch abgeschwächt ergab es noch ein wundervolles Klangbild. Selten hatte er solch eine Atmosphäre erlebt, die Menschen, die mitgezogen wurden, der Applaus, der ihn in seinem Tun bestätigte.
Ein Schatten traf ihn, herb wehte ein Geruch um seine Nase. „Guten Tag, mein Name ist Duncan Stone, ich möchte Sie gerne buchen!“
Instinktiv streckte Jerad seine Hand aus und erfasste die erahnte vor ihm. „Guten Tag, Mister Stone, ich bin Jerad Moore. Für Buchungen ist meine Mutter zuständig!“ Tief sog Jerad den Geruch des Mannes ein, der sich vor ihm aufgebaut hatte. Moschus, eine leichte Nuance Tabak hing an ihm und ein Hauch von einem alten, teuren Whisky.
Interessant befand er und lächelte sein Gegenüber an. „Sehen Sie mal hier …“, dabei zog Duncan einen Prospekt aus seiner Tasche. „Sie würden in einem alten Opernhaus auftreten. Der Klang darin ist äußerst ansprechend. Diese alten Stuckarbeiten wurden ausgearbeitet. Sie hätten eine riesige Bühne, und dieses altertümliche Ambiente ist hervorragend geeignet, um ihren Klängen noch mehr Flair zu verleihen.“ Gewinnend lächelnd zwinkerte Duncan seinem Gegenüber zu, der jedoch ziemlich unbeeindruckt schien und nicht auf den Prospekt achtete.
Verwundert runzelte der Geschäftsmann die Stirn, denn gerade damit hatte er schon manchen Künstler gelockt, das Ambiente versprach Geld, einflussreiche Leute und Presse. „Nun sehen Sie es sich doch einmal an, es ist wundervoll und für Sie sicherlich ein Sprungbrett, es werden ausländische Geschäftsmänner da sein. Zudem diese Kulisse. Sehen Sie die Malereien und die Ausstattung?“ Immer wieder tippte Duncan auf den Prospekt und hielt ihn Jerad unter die Nase.
„Was tun Sie da?“, unterbrach ihn eine Frau, mittleren Alters. Blonde Locken flossen über ihre Schultern, ihre grünen Augen funkelten ihn regelrecht an.
„Hallo Mum, dieser Mann will mich gerade von dem Ambiente überzeugen, er möchte mich buchen. Mister Stone, das ist meine Mutter“, lächelte Jerad immer noch und sah geradewegs durch die beiden vor ihm stehenden hindurch.
„Sie sollten meinem Sohn eher was hören lassen, als ihm was zeigen zu wollen. Er muss den Klang wahrnehmen, um sich entscheiden zu können, ob er auftreten möchte.“
Verwirrt und leicht verärgert über diese Forderung fischte Duncan sein Handy aus der Jacke und suchte ein Klangbeispiel von dem alten Opernhaus.
Endlich hatte er ein angemessenes gefunden und spielte es ab, den Bildschirm netterweise Jerad zugewandt, der jedoch die Augen schloss und den Klängen lauschte. „Leicht verzerrt, was allerdings auch an dem Handy liegen kann. Der Widerhall scheint sehr gut zu sein, dämpft nicht zu viel. Gefällt mir wirklich gut.“
„Und die Kulisse?“, forderte Duncan endlich ein Wort des Lobes. Nicht umsonst hatte er das Opernhaus gekauft und restaurieren lassen. Es hatte ihn fast eine halbe Million gekostet.
Jerads Mutter räusperte sich und lächelte sanft. „Mister Stone, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, doch mein Sohn ist fast blind. Er sieht lediglich schemenhafte Umrisse.“
Duncans Mund war auf einmal staubtrocken, selten war er sich so unterbelichtet vorgekommen. Wieso hatte er das nicht bemerkt? Erst jetzt sah er Jerad in die Augen, die einen leichten, weißen Schleier vorwiesen und doch dem Grün in keiner Weise an Intensität nahmen. Sie ähnelten einem Smaragd, intensiv und dunkel. „Es tut mir leid, dessen war ich mir nicht bewusst“, entkam es ihm mit leicht irritierter Stimme.
Jerad lachte in sich hinein, dieser eben noch so überzeugte Mann knickte ein wie eine Blume, die unter einen Fuß geraten war.
Amüsant und doch eine gewohnte Situation für ihn. Selten bemerkte es jemand. Immer wieder hielt man ihm Dinge vor die Nase, die er sich ansehen sollte, und so gern er es getan hätte, es war nicht möglich. Doch manchmal schätzte er es, nicht sehen zu können, denn er hatte andere Möglichkeiten Dinge wahrzunehmen. Nicht oberflächlich wie manch anderer, er sah tiefer, intensiver.
„Nach dieser Klangprobe würde ich das Opernhaus gerne einmal besuchen, wenn es möglich wäre.“ Er sah zu der großen Schattierung, die Duncan Stone war. Dieser lächelte, unbemerkt von seinem Gegenüber, erleichtert. „Das ist schön, herzlichen Dank. Wann darf ich Sie abholen lassen?“
Während Jerads Mutter alles Weitere besprach, versuchte ihr Sohn diesen Mann besser sehen zu können. Er hatte ihn gerochen, alle Nuancen, und doch hätte er nun zu gerne das Gesicht gesehen, seine Augen, sein Erscheinungsbild. Duncan schien von sich überzeugt und sehr selbstbewusst. Irgendetwas schien an ihm zu sein, dass er sich was auf sein Aussehen einbilden konnte, und genau das hätte Jerad gern gesehen. Doch so musste er warten, bis seine Mutter mit ihm alleine war.
Duncan ließ sich erschöpft in seinen Wagen sinken, fuhr mit seiner Hand über das lederbezogene Lenkrad und schloss die Augen. Zum ersten Mal ertastete er das Leder, versuchte, es zu fühlen, doch schon bald war es ihm zu dumm, denn wieso hatte er Augen, wenn nicht zum Sehen?
Jerad dagegen lehnte sich in seinem Sitz zurück, während seine Mutter das Auto lenkte. „Wie sah dieser Mister Stone aus?“
Das Schmunzeln hörte er sofort aus ihrer Stimme heraus. „Recht attraktiv und sehr geschäftsmäßig. Teure Uhr, teurer Anzug, sehr imposant.“
„Seine Augen?“ Das interessierte Jerad mehr.
„Ein wunderschönes Braun, wie Bernstein. Es klingt wie ein sanfter Bass, geht in den Körper und verankert sich dort.“ Das liebte er an seiner Mutter, sie konnte ihm erklären, wie etwas aussah. Als Kind hatte er noch mehr gesehen, doch das war zu lange her. Farben verband er nur noch mit Klängen. „Er gefällt dir?“, erkundigte sich Linda Moore bei ihrem Sohn.
Sein Blick ging aus dem Seitenfenster, eine komische Angewohnheit, die er noch aus seiner Kindheit hatte. „Er hat etwas Interessantes an sich. Bevorzugt edlen Whisky und Tabak, aber eher gelegentlich als regelmäßig, der Geruch war nicht sehr ausgeprägt. Sein Selbstbewusstsein ist sehr präsent und doch, ein Hauch von Unsicherheit liegt in seiner Stimme.“
Lächelnd konzentrierte Linda sich auf die Straße, sie hatte auch die Blicke von Duncan Stone gesehen, die mehr Interesse an ihrem Sohn zeigten als nur an seinem Talent.
Auch wenn sie es immer noch befremdlich fand, dass ihr Sohn auf das gleiche Geschlecht stand wie sie, seine Sinne daran schärfte, so war es auch interessant. Er hatte ein feines Gespür für Menschen, doch meist nur für andere. So hatte Linda seit drei Jahren wieder einen Mann an ihrer Seite, nachdem Jerads Vater früh gestorben war und das dank ihres Sohnes. Sein feines Gespür hatte ihr den richtigen Mann gezeigt.
Selbst schaffte er es allerdings nicht, den richtigen Partner zu finden. Durch seine Behinderung, die er ungern so bezeichnete, war es nicht gerade leicht für ihn. Jerad liebte Discobesuche, Spaziergänge, las gerne, liebte es, im Internet zu surfen, was dank eines Sprachcomputers möglich war. Auch malte er gern oder hörte Geschichten und Musik. Doch damit konnten viele nichts anfangen, meinten Rücksicht nehmen zu müssen oder wollten mit ihm Dinge machen, die sie mit jedem anderen tun konnten. Kino, Fernsehen, einer hatte ihn sogar mal zu einer Sightseeingtour eingeladen.
Nicht wirklich Dinge, die er genoss, denn dafür sollte man sehen können. Lindas Gedanken schweiften zu Duncan Stone. War er ein Kandidat für ihren Sohn? Mit Sicherheit nicht. Ein Geschäftsmann, scheinbar sehr gut in seinem Metier, und so offen, wie die Welt mittlerweile auch war, outet sich selten und steht zu seiner männlichen Liebe. So schwieg sie lieber über die Blicke des Mannes, der ihren Sohn fasziniert beobachtet hatte.
Duncan verteilte sein Gleichgewicht unruhig mal auf das linke Bein, dann auf das rechte. Immer wieder gingen seine Blicke zur Uhr und dann die Straße entlang. Sein Fahrer war vor drei Stunden losgefahren, um Jerad Moore abzuholen.
Dessen Mutter hatte am Morgen absagen wollen, da sie selbst erkrankt war. Mit seinem ganzen Verhandlungsgeschick hatte Duncan sie überzeugt, ihren Sohn alleine zu ihm fahren zu lassen. Immerhin war Jerad kein kleiner Junge, er war ein 26-jähriger Mann, der schon selbst entscheiden konnte, was er wollte.
Endlich fuhr der schwarze Jeep vor. Zögernd stieg Jerad mit dem Geigenkoffer in der linken Hand aus, blieb stehen und lauschte, während sich seine Nasenflügel weiteten. Tief durchatmend ging Duncan auf ihn zu: „Mister Moore, ich freue mich, dass Sie hier sind.“ Dabei ergriff er die Hand seines Gegenübers.
„Jerad reicht vollkommen, Mister Stone. Es wird gleich regnen, vielleicht sollten wir unser Gespräch nach drinnen verlegen?“
Verwundert blickte sich Duncan um und dann sah er es: Dicke, fast schwarze Wolken sammelten sich am Himmel. „Sie haben recht, dann folgen Sie mir, bitte“, sagte er und sah dabei Jerad unsicher an. „Also, Ihre Mutter deutete an, ich möchte Ihnen bitte behilflich sein. Also, wie kann ich Ihnen helfen?“
Der junge Mann, gab keine Antwort, lächelte leicht, legte eine Hand auf die Schulter des recht großen Mannes. Selbst war Jerad knapp einen Meter achtzig, doch dieser Mann überragte ihn noch um zehn Zentimeter. Viele Menschen rannten durch den Saal, als die beiden eintraten, sodass Jerad es selbst dann bemerkt hätte, wenn er taub gewesen wäre. „Vorbereitungen?“, fragte er interessiert.
„Ja, für das Event, es findet in einer Woche statt. Jerad, ich bin mir bewusst, dass es kurzfristig ist, und doch würde ich mich über Ihren Auftritt freuen.“
Nickend nahm dieser es zur Kenntnis und blickte sich um. Schemenhaft zu sehen war wenigstens etwas, wie er fand, so konnte er sich ein grobes Bild von dem Raum machen, in dem er sich befand. Doch hier waren einfach zu viele Menschen, die ihm wie Vorhänge die Sicht versperrten. „Wie soll man so was wahrnehmen?“, grummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.
„Wie meinen Sie das?“. Duncan runzelte die Stirn und sah sich um. Alles war klar zu sehen, wenn man nur genau guckte. „Entschuldigung, wie viel sehen Sie denn?“
„Ich sehe Schatten, unterschiedliche graue, weiße und schwarze Töne. Meiner Mutter malte ich mal ein Bild, sie meinte es sah aus wie Geister“, lächelte Jerad. Ein Lächeln, das Duncan noch nie so geschenkt bekommen hatte, es ließ sein Herz einige Takte schneller schlagen.
„Hier sind zu viele Menschen, richtig?“. Das Nicken war ihm Antwort genug, und schon schrillte ein Pfiff durch den Saal. „PAUSE!“, verkündete Duncan. Irritierte Blicke trafen ihn, und doch verließen die Leute den Saal. „Mal sehen, ob es Ihnen nun leichter fällt.“
Der Saal leerte sich schnell und Jerad konnte wirklich mehr erkennen. Er durchquerte den Saal und berührte die Wände. Als er an der Bühne ankam, stieg er hinauf, packte seine Geige aus und stimmte ein paar Töne an.
Die Akustik war faszinierend. Rein und klar, sanft und doch mit einer Härte versehen, die zu den Klängen gehörte. Wollte er eigentlich nur ein paar Töne spielen, wurde jetzt ein ganzes Stück daraus. So sehr zog ihn der Klang in seinen Bann, verzauberte ihn selbst. Auch Duncan stand dort, den Mund leicht geöffnet, lauschte dem Spiel, doch noch mehr faszinierte ihn der Mann, der solche verzaubernden Klänge erschaffen konnte.
In seiner blauen Jeans und dem schwarzen T-Shirt sah Jerad wie ein Student aus, doch war seine Ausstrahlung des eines meisterlichen Geigenspielers. Er sah so abgehoben aus, als wäre an ihn kein Rankommen, so weit entfernt und doch so nah. Duncans Blick heftete sich auf die Lippen des Geigers, die sanft und entspannt schienen und geradezu einluden, auf ihnen zu verweilen. Wie gerne hätte er sie gekostet, liebkost.
„Mister Stone!“ Erschrocken fuhr er herum und blickte in die Augen seiner Assistentin. „Mister Chi ist am Telefon, er ist soeben mit seinen Kollegen gelandet und erwartet ein Treffen mit Ihnen. Er wird in einer halben Stunde hier ankommen.“
„Die sollten doch erst in drei Tagen ankommen.“ Duncans Gedanken flogen umher, das passte gerade gar nicht. Es war nichts vorbereitet, noch geplant. Eilig rief er die Arbeiter zurück, befahl ihnen, im Eiltempo die Dekoration fertigzustellen, erst dann wandte er sich Jerad zu. Der saß mit gerunzelter Stirn, am Rand der Bühne, hielt den Geigenkoffer auf seinem Schoß und schien ihn zu fixieren mit seinem Blick. Einbildung, schalt Duncan sich selbst, wie sollte der Mann ihn auch sehen? Langsam ging er auf Jerad zu, unwillkürlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und abermals blieb sein Blick an dessen Lippen hängen, die ihn magisch anzogen.
„Die potenziellen Geschäftspartner aus China sind bereits eingetroffen und werden gleich hierher kommen.“ „Dann sollte ich wohl besser gehen.“ Jerad hüpfte von der Bühne. „Wie wäre es, wenn Sie noch etwas hier bleiben? Wollen Sie sich vielleicht die Umgebung …, also …“ Duncan stockte, ansehen war wohl nicht gerade das perfekte Wort, um einen fast Blinden zu überzeugen, hierzubleiben. Doch was sollte er vorschlagen? Ein einvernehmliches Schweigen entstand zwischen ihnen, was lediglich von den umherwuselnden Menschen unterbrochen wurde. Aber kein unangenehmes Gefühl breitete sich zwischen ihnen aus, es war fast schon vertraut und angenehm.
„Mister Stone, es ist uns eine Freude, Sie besuchen zu dürfen!“, durchbrach eine akzentbesetzte Stimme die Stille.
Duncan wandte sich dieser zu und erkannte seinen hoffentlich baldigen Geschäftspartner. „Mister Chi, die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ So begrüßte man sich, während Jerad analysierte. Mister Chi roch nach Jasmin und nach sexuellen Hormonen, die scheinbar explodierten, als dieser näher an Duncan trat.
Es war ein herber Geruch, der Jerad unangenehm in der Nase biss. Die Stimme bestätigte ihn in seiner Annahme, dass Mister Chi mehr Interesse an Duncan hegte als nur das Geschäftliche. Leicht nervös angehaucht schwankte diese zwischen Höhen und Tiefen, die allgemein als verführerische Stimmlage bekannt waren. Doch dann wechselte diese Stimme zu Interesse, und zwar an Jerad. „Wer ist dieser junge Mann?“, erkundigte sich Mister Chi, und musterte den Geiger.
Duncan lächelte. „Das ist Mister Moore, ein Geiger, der Sie am Festtag in eine andere Welt geleiten wird.“ Irritiert bemerkte er dann, wie Jerad Abstand zu seinem Geschäftspartner suchte. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser schnellstens verschwinden wollte, doch wieso? „Setzen Sie sich doch, ich werde mit Mister Moore einige Getränke besorgen, dann können wir weiter reden!“, kam es gediegen freundlich von Duncan, dann fasste er Jerad am Ellenbogen und zog ihn bestimmend in Richtung der aufgebauten Bar. „Was ist los?“
„Dieser Mann … er ist interessiert an Ihnen, und zwar nicht geschäftlich. Sein Interesse ist geradezu penetrant wahrzunehmen.“ Ungläubig sah Duncan, den Mann vor sich an: „Sekunde, du ... Sie.“
„Du ist in Ordnung!“
„Danke, ebenfalls. Du willst mir sagen, Mister Chi ist homosexuell?“
„Korrekt, genau wie du und ich!“, schmunzelte Jerad und konnte sich die Entgleisung des Gesichtes vor ihm fast bildlich vorstellen.
„Wie? Woher?“
„Nenn es ein Gespür für Blicke. Auch wenn ich sie nicht sehen kann, bemerke ich sie. So begeistert, wie du von meinen Fähigkeiten bist, umso mehr haben es dir meine Lippen angetan!“
Von Verlegenheit keine Spur, wie Duncan staunend bemerkte.
„Nun bist du verlegen, deine Schweißproduktion nimmt zu.“
„Ist ja gut, mehr musst du mir nicht über mein Befinden erzählen, es ist mir durchaus bewusst“, seufzte Duncan schwer und griff nach zwei Flaschen Wasser. „Du magst Mister Chi nicht?“
Ein heftiges Kopfschütteln kam von Jerad. „Er ist unsympathisch, seine Stimme hat einen merkwürdigen Klang, und ihn umgibt kein guter Geruch. Ich mag ihm nicht zu nahe sein.
Er bekommt was er will, wie scheint ihm egal zu sein. Die Leute in seiner Nähe sind alle sehr angespannt und nervös.“
Duncan nickte, er hatte es sich also nicht eingebildet. Auch wenn die Herrschaften alle lächelten, hatte er ein bedrückendes Gefühl verspürt, doch dies schnell verdrängt. Schweigend gingen sie zum Tisch, wo die vier Personen, inklusive Mister Chi, Platz genommen hatten. Duncan zog den Stuhl für Jerad näher an seinen und wies ihm sanft den Weg. Dieser lächelte erleichtert und setzte sich beruhigt.
Dagegen war es Mister Chi sichtlich nicht recht, er rückte auffällig nah neben den Geigenspieler und versuchte, diesen mit Blicken auszuziehen. „Sie sind also Geiger und werden uns in drei Tagen beglücken?“ Dieser Ton in der Stimme ließ es Jerad eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Wo war seine Mutter, wenn er sie brauchte? Sie wusste immer, was zu tun war, und half ihm aus solchen Situationen raus.
Doch nun saß er hier, ganz auf sich allein gestellt, und ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn. Diese Blicke des Mannes neben ihm ließen das ungute Gefühl immer intensiver werden.
„Ja, werde ich wohl, obwohl die Verhandlungen noch nicht beendet sind. Doch die Akustik des Saals ist geradezu atemberaubend!“, versuchte er es fachlich und distanziert. Duncan saß da, beobachtete die Situation, alles in ihm schrie danach, Jerad vor Mister Chi zu retten, und doch konnte er es nicht. Die Geschäfte, die dadurch zustande kommen sollten, wenn dieser Mann einwilligte, würden eine nette Summe hervorbringen und dazu noch einige Arbeitsplätze sichern.
„Wie wäre es, wenn Sie mich heute Abend zu einem Besuch des Museums begleiten würden? Dort soll es wunderschöne Gemälde geben.“
Langsam und provokant ließ Jerad die Zunge über seine Lippen gleiten, lächelte leicht abwertend.
„Eigentlich gerne, wenn Sie sich die Mühe machen wollen, mir jedes Bild zu erklären, sodass ich es auch sehe?“
Stirnrunzelnd sah ihn Mister Chi an. „Bitte?“
„Mister Chi, es mag Ihnen nicht aufgefallen sein, doch Mister Moore ist blind“. Duncan zog die Augenbrauen hoch. Das ließ den chinesischen Geschäftsmann erschrocken zurückweichen, selbst der Stuhl rückte mit ihm mit.
Jerad bemerkte die Ablehnung und war recht glücklich darüber, nun lag der Fokus von Mister Chi wieder auf Duncan. Doch dieser war auch nicht begeistert und heilfroh, als die vier Geschäftsmänner der Hightech Firma aus China gingen. Erleichtert nahm er wieder neben dem Geiger Platz. „Ich tue ja viel, aber das geht eindeutig zu weit“, brummte er vor sich hin. „Wie sieht dieser Mister Chi aus?“, interessierte sich Jerad. Duncan sah ihn an:
„Er ist recht klein, vielleicht einen Meter und siebzig, schwarze Haare, braune Augen, nicht wirklich sympathisch, auch wenn er recht attraktiv ist.“
„Sein inneres Aussehen lässt nicht wirklich ein gutes Haar an ihm. Wie er von mir wegrückte, als sei ich ansteckend“, schmunzelte der Blondschopf und wirkte kurzweilig wie ein kleiner Junge, der sich einen Spaß daraus machte, andere zu ärgern. Wie gerne wäre Duncan darauf eingegangen, hätte auch gerne seinem inneren Kind freien Lauf gelassen, doch er musste sich über das Geschäft Gedanken machen. Chi hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, was er erwartete, als sie sich verabschiedet hatten, doch war er für solch einen Schritt bereit?
Sich selbst zu verkaufen, hingeben an einen schmierigen Geschäftsmann, der nicht sympathisch war und noch dazu ahnen ließ, nicht gerade normale, sexuelle Praktiken zu bevorzugen? All diese Gedanken schossen sekündlich durch Duncans Kopf, er wusste keine Antwort. Er war sicherlich kein Kostverächter, eine feste Beziehung war nicht nach seinem Sinn, diese verlangte Aufmerksamkeit und die meisten waren sowieso nur hinter seinem Geld her oder wollten ihn als Accessoire. Charme, gutes Aussehen und dazu noch Geld, er war eine gute Wahl, in jeder Hinsicht, auch wenn es ihm eindeutig an Zeit fehlte. Doch sich für Geld hinzugeben, war er dazu bereit? Eigentlich bezahlte er immer seine Begleitung, nicht umgekehrt.
Sein Blick wanderte zu Jerad, der lächelnd auf seinem Stuhl saß und dessen Nasenflügel sich mal wieder blähten. „Was riechst du?“
„Rosen, ein paar Fliedergerüche und deine Verzweiflung … Nein, Quatsch, das Letztere ist klar zu bemerken, du tippst mit deinem Fuß auf den Boden, sehr ungleichmäßig!“ Jerad hatte innerlich ein breites Grinsen auf den Lippen, was nicht mehr als Freude war, unbewusst schien Duncan es akzeptiert und realisiert zu haben, dass er blind war.
Nur so war die Frage zu erklären, und das erfüllte ihn mit Freude. Ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihm breit, was ihn sich verlegen auf die Unterlippe beißen ließ.
„Hast du Lust noch mit mir auszugehen? Ich kenne einen tollen Club mit guten Drinks“, schmunzelte Duncan, dem die Nervosität seines Gegenübers nun auffiel.
„Eigentlich gerne, aber es ist schon spät. Ich muss auch wieder nach Hause und die Fahrt ist nicht gerade kurz.“ Bedauernd sah Jerad ihn an und innerlich sackte er zusammen. Er hätte gerne erfahren, wie es mit Duncan war.
„Du kannst gerne bei mir schlafen, wenn du möchtest, dann könnten wir morgen über die Bedingungen reden, was deinen Auftritt anbelangt.“ Ein zu verführerisches Angebot, was Jerad nicht abschlagen konnte und so griff er zu seinem Handy, sprach den Namen seiner Mutter hinein und wurde mit ihr verbunden. Linda war nicht wirklich begeistert von der Tatsache, die ihr Sohn ihr berichtete, und doch konnte sie nichts erwidern. Schließlich war er schon 26 Jahre alt und somit erwachsen. Darum ließ sich Jerad führen, verließ sich komplett auf Duncan und hoffte, dass er nicht enttäuscht würde.
Harte Beats umfingen ihn, schlossen seine Hülle regelrecht ein. Sich im Takt bewegend folgte er dem Mann vor ihm. Duncan drängte sich durch die Masse, versuchte, Stolperfallen aus dem Weg zu gehen und führte seinen Gast an seinen Stammtisch. Zwei Bier wurden vor sie gestellt und beide nahmen einen kräftigen Schluck. Dann beugte sich Jerad an Duncans Ohr, inhalierte dessen Duft:
„Was ist das hier für ein Club? Ich nehme kaum weibliche Parfums wahr.“
„Das gibt mir zu denken, wir sind in einem speziellen Laden, nur für Männer.“ Duncan lehnte sich ebenso nah an ihn.
„Oh, in so einem Laden war ich noch nie. Gibt es hier eine Tanzfläche?“
„Wir sind eben darüber gelaufen! Du gehst gerne in Clubs?“
Jerad nickte begeistert. „Natürlich, obwohl ich auch die Ruhe eines Waldspazierganges mag oder Konzerte.“
„Gibt es etwas, was du schon immer wolltest?“
„Sehen können, das wäre sicher interessant, aber sonst? Ich hab es nicht so mit materiellen Dingen!“ Er zwinkerte und nahm abermals einen Schluck von seinem Bier.
Duncan genoss die Anwesenheit des Geigers, der anders schien als die Männer, die er bisher kennengelernt hatte. Immerzu am Lächeln, gut gelaunt und lebensfroh. Doch ehrlich und direkt, wenn auch diskret. Immer noch war Duncan von den Lippen begeistert, die gerade von der dazugehörigen Zunge befeuchtet wurden.
Er wollte sie einfangen, zu sich lenken und sie teilen. Doch riss er sich zusammen, lehnte sich scheinbar relaxt zurück und beobachtete die tanzende Menge.
Jerad dagegen hielt sich an seinem Bier fest, er durfte sich nicht allzu viel von dem Getränk gönnen, brauchte seine Sinne noch. Normal trank er gar nicht, aber er wollte es dieses Mal nicht ausschlagen. Inwiefern er es vertrug, war die Frage. Doch umso mehr das Bier seine Kehle befeuchtete, der Alkohol sich in seiner Blutbahn verteilte, umso mehr schob er jegliche Gedanken in den Hintergrund.
Nur dieser eine schien sehr dominant zu sein, und der Auslöser saß neben ihm. Die Aufmerksamkeit von Duncan abzulenken war schier unmöglich, zu präsent war er. „Darf ich dein Gesicht ertasten?“, kam es leichthin aus seinem Mund.
Duncan sah ihn verdutzt an. „Du willst … Wieso?“
„Ich kann nicht sehen, aber ertasten kann ich. Darf ich?“
„Ja!“, bekam Jerad als Antwort und schon hob er seine Hände. Zärtlich tasteten sich seine Finger über das Gesicht von Duncan. Erfühlten das leicht raue, ausgeprägte Kinn, die hohen Wangenknochen, die gerade Nase.
Sein Gesicht fühlte sich ergonomisch perfekt an. Doch dann kam er zu dem Highlight für ihn. Die Lippen seines Gegenübers. Weich und doch fest pressten sie sich aufeinander. Nicht zu wulstig, doch auch nicht zu schmal, luden sie ein, von ihnen zu kosten. Immer wieder ertastete er sie und spürte dann ein sanftes Erzittern des Körpers, den er berührte. Einmal nur wollte er die sanften, festen Lippen mit seinen berühren, doch hielt ihn etwas ab. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit, was er nicht zuordnen konnte.
Zwischen mulmig und wohlig schwankend, konnte Jerad Duncan trauen? Jerad war kein Typ, der auf einmalige Nächte aus war und er ahnte, dass es bei Duncan anders aussah. Dass dieser die gleichen Gedanken in sich trug, das blieb Jerad verborgen. Duncan wollte es so gerne, die Nähe, den Geschmack seines Gegenübers, doch irgendwas sagte ihm, dass Jerad dafür zu schade war. Noch nie hatte er sich gewünscht, irgendwelche Lippen zu spüren, außer auf einer bestimmten erogenen Stelle seines Körpers.
Dieses Gefühl, Jerad näher kommen zu wollen, ihn in den Armen haltend einzuschlafen, war neu und ungewohnt. Da hielt Duncan es doch wie die meisten heterosexuellen Männer: rauf, rein, runter und raus. Wieso sich mit unnötigem Schnörkel aufhalten, wenn man seinen Trieben auf schnelle Art nachgeben konnte?!
„Wirst du es tun?“, durchbrach die Stimme von Jerad seine Gedanken. Irritiert runzelte er die Stirn, eine dumme Angewohnheit, wie er fand. „Was meinst du?“
Mittlerweile ruhten die Hände des jungen Mannes auf den Wangen seines Gegenübers. „Dich verkaufen, an Mister Chi.“
„Alles in mir schreit nein, aber wenn ich ans Geschäft denke, sind solche Entscheidungen mir mal leichter gefallen“, gab er wahrheitsgemäß zu. Einmal war er bisher in eine solche Lage gekommen und hatte sofort zugeschlagen. Der Mann sah gut aus, ganz sein Geschmack, und diesen zu beglücken war ein Genuss gewesen.
Jetzt war alles anders, er bekam den Geiger nicht mehr aus dem Kopf, fühlte dessen Nähe und die tat ihm gut. Wünschte sich, weder einen Muskel um sein Glied zu spüren noch seinen geweitet zu bekommen, alles war gut so, wie es war.
„Was hindert dich jetzt bei einer Entscheidung?“ Jerad ließ seine Hände sinken, mit der Rechten nahm er sein Bier hoch, mit der Linken erfühlte er Duncans Hand.
„Viele Gedanken.“ Er erwiderte die Berührung, bemerkte die Stromstöße, die seinen Körper durchjagten, und genoss dieses Gefühl.
Es war Jahre her, dass er so was gespürt hatte, und es hatte in einem Desaster geendet. Gerade achtzehn war er geworden, als die vermeintlich große Liebe auftauchte. In Form eines blonden Adonis, mit grasgrünen Augen.
Kapitel 2
Schnell verscheuchte er die Gedanken an früher, sie waren es nicht wert, wieder aufgefrischt zu werden.
„Über was denkst du nach?“ Jerad sah ihn an, was Duncan ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Dieser Blick ließ einen fast vergessen, dass sein Gegenüber nichts sehen konnte.
„Über mein Leben. Jerad, wärst du sehr enttäuscht, wenn wir heimfahren?“ Ein einfaches Kopfschütteln war die Antwort, und schon erhoben sie sich. Weder der Eine, noch der Andere befanden es für notwendig, die Hände voneinander zu lösen.
Es war ein ungewohntes und doch sehr angenehmes Gefühl, was sich in ihren Mägen breitmachte. Ein wenig Hoffnung machte sich Duncan, vielleicht musste er die Nacht nicht alleine verbringen. Er hasste die Einsamkeit seiner Wohnung und seines Bettes, auch wenn er es seit damals nicht mehr gewagt hatte, jemanden in sein Herz zu lassen. Die Gefahr, die von Jerad ausging, war ihm durchaus bewusst, nur allzu gegenwärtig und präsent, denn dieser hatte immer noch keinen Anlass gesehen, seine Hand von Duncans zu trennen.
Im Gegenteil, er hatte sogar damit begonnen, mit dem Daumen in Duncans Handfläche Zeichen zu malen.
Jerad lächelte in sich hinein, die Müdigkeit trübte seine Sinne, und sicherlich war das Bier auch nicht unschuldig daran. Er wusste, wieso Alkohol ein Tabu war, und doch genoss er dieses unbeschwerte Gefühl. Tief durchatmend stiegen beide aus dem Auto, sogen die frische Luft ein und Duncan begann, mit Jerad Richtung Tür zu steuern.
Es kribbelte in seinen Lenden, Vorfreude, und doch versuchte Duncan sich zu beherrschen. Was, wenn Jerad kein Interesse hatte? Innerlich war ihm mehr als bewusst, dass dieser sicherlich kein Kandidat für einen One-Night-Stand war. Doch der Ausblick auf dessen Kehrseite ließ seinen Verstand verstummen. Etwas flach, leider, und doch, dieses Hinterteil, würde genau in seinen Händen Platz finden.
Schmunzelnd ging Jerad voran, konnte sich nur zu gut ausmalen, wie sein Gastgeber hinter ihm herging.
Auch ihn ließ die ganze Situation nicht kalt. Die Hitze in seinem Körper nahm ungeahnte Grade zu und doch, die Alarmglocken waren zu laut. Er würde sich nicht benutzen lassen, nicht für eine Nacht und nicht mit dem Wissen, dass Duncan und Mister Chi noch etwas vor sich hatten. Unethisch und niveaulos befand er die Forderung. War das so in der Geschäftswelt? Hatte sich seine Mutter … Schnell verdrängte er den Gedanken, das war sicher nicht der Fall.
Die Berührung an seiner Kehrseite ließ ihn zusammenzucken, einen neuen Schwall Hitze durch seinen Körper jagen. Sein Körper stand augenblicklich unter Hochspannung, wollte mehr von diesen Berührungen, intensiver und tiefgehender. Jerad ließ Duncan für einen Augenblick gewähren, bis er merkte, dass es keine weiteren Stufen mehr gab, dann entfernte er sich und trat zur Seite.
Duncan stockte, betrachtete das leicht gerötete Gesicht seines Gegenübers, das Zittern dessen Körpers und fühlte sich schwer. Es war nicht gut, was er vorhatte, auf keinen Fall. Jerad war zu gefährlich für ihn.
Schweigend traten sie in die Wohnung, und während Duncan das Licht betätigte, blieb Jerad an der Tür stehen. Seine Knie waren weich, sein Herz raste, und die Hitze schien von Sekunde zu Sekunde mehr zu werden.
Es war zu lange her, wo er sich an jemanden geschmiegt hatte, sich einfach fallen lassen konnte. „Es ist nicht richtig!“, hauchte Jerad, als er schon näher an Duncan trat.
„Ein Fehler!“, kam es atemlos zurück.
„Und doch will ich es!“, wisperte er an dessen Lippen, und bedeckte sie dann mit seinen. Duncan erstarrte, spürte die zarten Lippen, die an seinen bebten. Die Nervosität war leicht zu erkennen, das Zittern des Körpers vor ihm drang zu ihm durch. Sanft schob Duncan Jerad von sich. „Wieso denkst du, dass es ein Fehler ist?“
„Weil es für dich etwas Einmaliges ist und du dich noch diese Woche Mister Chi hingibst. Ich will nicht daran denken, aber diesen Augenblick genießen!“
Abermals legten sich Jerads auf dessen Lippen, und dieses Mal unterbrach Duncan den Kuss nicht. Gab sich ihm hin und bemerkte ein komisches Gefühl in sich. Langsam, aber stetig arbeitete es sich durch seinen Körper. Hemmungen machten sich ebenso in ihm breit; das durfte nicht sein, und das wurde ihm immer mehr bewusst. „Ich muss es regeln, und dann gehörst du mir!“, flüsterte er an Jerads Lippen.
Dieser lächelte sanft, schloss erleichtert die Augen, während sein Innerstes geradezu vor Freude schrie. So nah, wie sie sich in der Nacht waren, so fern lag es ihnen, sich zu berühren. Sie genossen die Anwesenheit des anderen und fielen in einen tiefen Schlaf. Die Stirn an die kalten Fensterscheibe des Autos gelehnt, war Jerad bereits wieder auf dem Heimweg. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er an den Morgen dachte.
War es gerade eine Stunde her, dass sie sich verabschiedet hatten, kam es ihm doch viel länger vor. Duncan war so unkompliziert mit ihm umgegangen. Kam bei den ersten Geräuschen, als Jerad aufgewacht war, hatte ihm das Bad gewiesen und alles bereitgelegt, dass sich dieser alleine weiterhelfen konnte. Auch beim Frühstück kam es Jerad bald selbstverständlich vor, dass Duncan ihm das Brötchen wortlos schmierte und hinlegte. Der Kaffee war auf Wunsch gesüßt worden, bald zu perfekt, um wahr zu sein.
Nie hatte Jerad das so erlebt, immer war man mit ihm umgegangen, als wäre er aus Porzellan. Dabei wusste er sich zu helfen, auch das Frühstück richtete er zu Hause selbst, jedoch war es ihm unangenehm, bei Fremden mit den Fingern zu tasten, und genau das hatte Duncan ihm elegant abgenommen.
„Mister Moore, wir sind angekommen!“
Erschrocken setzte sich Jerad gerade hin, hatte die Ankunft nicht wahrgenommen. „Herzlichen Dank, Antony“, lächelte er den Fahrer an und tastete nach dem Türgriff.
Die Tür wurde aufgerissen, und schon vernahm er den Geruch seiner Mutter. „Da bist du ja, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie stürmisch und tastete das Gesicht ihres Sohnes ab.
„Es ist alles super.“ Er wandte sich aus der Berührung.
Duncan saß in seinem Büro, sog tief die Luft ein und lehnte sich lächelnd in seinem Stuhl zurück. Zu perfekt, um wahr zu sein, wunderte er sich immer noch über Jerad. Dieser hatte jegliche Eigenart von Duncan wortlos hingenommen.
Er liebte es, anderen alles zu richten, sie zu verwöhnen, doch selten ließ sich das einer gefallen. Während er in der Berufswelt immer alles abgenommen bekam, beziehungsweise gebracht, wollte er es privat gerne umgekehrt.
Mit Schwung ließ er seinen Stuhl einmal im Kreis drehen und lachte befreit, doch sogleich holten ihn seine Gedanken ein. Mister Chi hatte sich in diesen eingenistet, mit seinem falschen Lächeln und der klaren Anweisung. Es musste eine Lösung her, unbedingt.
„Einen Kaffee für den Chef!“ Eine dunkelhaarige Schönheit betrat Duncans Büro.
„Anabelle, Sie sind ein Engel“, erwiderte er und nahm das aufputschende Getränk an sich.
Sie schmunzelte. „Hört Frau doch gerne, zudem steht Mister Bennet vor der Tür.“
Mit einem Nicken nahm Duncan das Gesprochene wahr, und Anabelle ließ den blonden Herrn in einem perfekt sitzenden Anzug rein. Kaum war die Tür hinter der Sekretärin geschlossen, nahm Mister Bennet Platz. „Was kann ich für dich tun?“ Duncan blickte weiter in seine Akten.
„Ein Mittagessen wäre sehr angenehm, und danach vielleicht ein orales Vergnügen?“
Duncan blickte auf. „Das Erste ist sehr verlockend, auf das Zweite verzichte ich dann doch. Du sollst mir solche Angebote nicht machen, es würde Jonathan nicht gefallen!“, entgegnete er und lehnte sich zurück.
„Wohl wahr, er gönnt dir nichts. Allerdings … seit wann betonst du das so? Und dieses Lächeln, sag mal …“ Martin Bennet sah seinen Kindergartenfreund skeptisch an. „Name, Alter, Beruf, Ernsthaftigkeit?“
„Jerad Moore, 26 Jahre, Geiger, ich habe keine Ahnung. So lange kenne ich ihn ja noch nicht!“
„So lange kennst du ihn noch nicht? Sag mir nicht, Duncan Stone überlegt sich, eine Beziehung einzugehen? Wahnsinn!“ Ungläubig lachend lehnte sich Martin in seinem Stuhl zurück.
Duncan tat dessen Frage mit einem Schulterzucken ab. „Martin, ich habe jetzt erstmal ein anderes Problem, was es zu lösen gilt. Mister Chi ist hier, eigentlich wollte ich eine Zusammenarbeit anstreben, aber …“
Das Lachen seines Gegenübers verstummte, stattdessen wurde Martin ernst und sein Gesicht verhärtete sich. „Chi? Das kann nicht dein Ernst sein. Er ist nicht sauber.“
„Ich weiß, aber was soll ich tun? Wenn ich die Einnahmen nicht um drei Prozent steigern kann, werde ich Leute entlassen müssen, so will es mein Vater. Meine Abteilung hat ein Minus und ich kann es nur durch Chi ausgleichen.“ Resigniert ließ Duncan seine Hände über sein Gesicht fahren. „Gurt wäre noch möglich, aber da werde ich nicht mehr als zwei Prozent machen, das reicht nicht.“
Martin stand auf, legte seine Hände auf den Schreibtisch. „Red mit deinem Vater, er wird Verständnis haben. Du kannst dich Chi nicht verkaufen.“
„Das denkst du. Damals bei McKenzie hat er doch schon gesagt, es sei egal, wem ich meinen …“
Jerad hatte sich zurückgezogen, wollte seiner Mutter nicht Rede und Antwort stehen, wofür auch, er war erwachsen. Im Erdgeschoss besaß er seine eigene kleine Wohnung, in der er sich bestens zurechtfand, wenn alles an seinem Platz war. So ließ er den Computer hochfahren, schaltete die Lautsprecher an, damit er alles hören konnte, was sein Hightechwunder ihm preisgab.
„Sie haben fünf neue Nachrichten. Nachricht eins: Betreff: Jetzt Vorteile sichern …“ Er verdrehte die Augen, Werbung. Auch die weiteren Nachrichten teilten ihm nicht mehr mit, als dass er seine Potenz steigern konnte, einen Kredit angeboten bekam oder durch bestimmte Präparate seiner Figur zu Leibe rücken konnte. „Löschen!“, sprach er in das Mikrofon, was die Anweisungen sofort an den Computer weitergab. „Informationen zu Duncan Stone suchen!“, war seine nächste Anweisung.
Es gab nicht wirklich viel, gerade das Geburtsdatum, dass Duncan noch einen Bruder hatte, der aber im Ausland lebte, und er der Juniorchef des Unternehmens seines Vaters war. Nichts wirklich Neues, was Jerad seufzen ließ. Er schmiss sich auf sein Bett, gab dem Computer den Befehl für Musik und schloss die Augen. Es war, als würde er Duncan spüren, die Küsse, seine Hände, den Atem auf der Haut. Ein wohliger Schauer überfiel ihn und ließ seinen Körper erzittern. Das Feuer der Nacht hatte sich wieder entfacht, keuchend setzte er sich auf. Eine Dusche war sicher das Sinnvollste, was er jetzt tun konnte.
Stöhnend stand er schon bald unter der warmen Brause und genoss das Gefühl in sich. Duncan schlug mit der Faust gegen die Wand. Natürlich war es seinem Vater egal gewesen. Der wollte ihn einfach nicht verstehen, wieso auch? „Ist es nicht egal, wer sich an dir vergnügt? Ich dachte immer, Homosexuelle seien nicht wählerisch!“ Er fühlte immer noch den abwertenden Blick seines Erzeugers auf sich ruhen. Natürlich war er selbst schuld, dass sein Vater sich ihm gegenüber so verhielt und doch, er hoffte immer noch, dass er sich ändern würde.
Es war doch schließlich nur einmal passiert, dass er mit einem Geschäftspartner intim wurde. Gut fürs Geschäft war es allemal gewesen und ihm hatte es mehr als nur gut gefallen. Doch als sein Vater es erfuhr, verurteilte dieser Duncan aufs Schärfste. Was jetzt? Diese Frage blieb in seinem Kopf eingebrannt, seine Schläfen pochten und sein Magen krampfte. Das war alles nicht gut, überhaupt nicht in Ordnung.
Drei Leute sollte er kündigen, aber wie? Wen? Die Computerdatei zeigte ihm einen Mitarbeiter nach dem anderen, doch er konnte sich nicht entscheiden. Verheiratet, Kinder, zu gute Mitarbeiter. Jerads Lächeln schob sich in seine Gedanken, was ihn schwer atmen ließ. Ergeben schloss Duncan die Augen, atmete einmal tief durch und nahm sein Handy zur Hand. Eine Nachricht später stand es fest, sein Vater hatte recht, es war egal, wem er seinen Hintern anbot.
Duncan verbot sich jeglichen Gedanken an Jerad, ließ seine Sekretärin die Vertragsangelegenheiten wegen des Auftritts regeln und stürzte sich auf die Arbeit. In wenigen Tagen würde es so weit sein.
Jerad verstand die Welt nicht mehr. Seufzend drehte er sein Handy in der Hand, doch dieses gab keinen Ton von sich, dabei hatte er Duncan vor einer Stunde eine Nachricht hinterlassen.
Er wollte doch nur seine Stimme hören, sehnte sich nach dem Lächeln und der Unsicherheit in der Stimme dieses Mannes. Sicherlich war es naiv, schließlich kannten sie sich gerade ein paar Tage, oder wohl eher Stunden. Eine Träne wegwischend ließ er sich auf sein Bett fallen und steckte sich die Kopfhörer seines Multimediagerätes in die Ohren. Einfach nichts hören oder wahrnehmen. So versank Jerad in der Welt der harten Punkmusik und versuchte, die Realität zu verdrängen.
Die Tage vergingen für Duncan viel zu schnell. Chi hatte sich entschieden, den Vertrag auf dem Event zu unterschreiben, und zwar nach ihrem Date, wie er es nannte. Mit der Übelkeit kämpfend stand Duncan unter der Dusche. Viel zu heiß war das Wasser, was seinen Körper erröten ließ. Doch er spürte den Schmerz nicht, nahm nichts wahr, außer dem Gefühl des Ekels, was durch das geistige Bild seines baldigen Dates ausgelöst wurde. Was würde er von ihm erwarten? Wie tief musste er sich wohl bücken?
Fragen über Fragen beherrschten seinen Verstand, und die Übelkeit versetzte seinen Magen in Aufruhr. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden, wie er dachte, versuchte sich Duncan auf andere Gedanken zu bringen und trat aus der Dusche. Es nützte alles nichts, da musste er nun durch. Ein teurer Anzug lag bereit, das Hemd war akkurat gebügelt. Es kam ihm falsch vor, und doch musste er da nun durch. So zu tun, als wäre alles normal, fiel Duncan sehr schwer. Freundlich begrüßte er die Gäste und vermied es, mit den Augen den Saal nach Jerad abzusuchen. Jeglicher Gedanke war verboten, sonst würde er den Tag nicht überstehen.
Sein Herz pochte jedes Mal hart in seiner Brust, wenn er eine Geige erkannte, selbst das Radio schien ihn damit quälen zu wollen. Irgendetwas in ihm sagte, dass es noch schlimmer werden würde.
Jerad schlich samt seiner Mutter durch den Hintereingang in den Opernsaal. Auch er vermied es an Duncan zu denken, wollte diesen Auftritt hinter sich bringen und das mit der vollen Leistung. Doch das dumpfe Gefühl in seiner Brust wollte einfach nicht verschwinden.
Wie gerne hätte er Duncan gesehen, nach ihm Ausschau gehalten, doch war es einfach nicht möglich. Selbst wenn er seine Mutter darum bitten würde, hätte es ihm nichts gebracht. So verhielt er sich ruhig, lehnte sich gegen eine Wand und versuchte, sein Innerstes zu beruhigen. Plötzlich verdeckte ihm jemand das Licht, zwinkernd öffnete er die gerade geschlossenen Augen und runzelte die Stirn. „Guten Tag, Mister Moore, mein Name ist Martin Bennet, es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!“ Der beste Freund von Duncan ergriff dabei die Hand seines Gegenübers mit einer Normalität, die Jerad noch mehr die Stirn runzeln ließ.
„Ich darf Ihnen meine Schwester Ann-Marie vorstellen, sie ist eine Liebhaberin Ihrer Kunst“, dabei übergab Martin die Hand einer zierlich, brünetten Dame, die ein Lächeln auf den Lippen trug.
„Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen!“, sagte Jerad und hoffte zu der Frau zu sehen, deren zarte Hand er in seiner hielt.
„Die Freude liegt auf meiner Seite. Ihre Musik zeigt mir Bilder der Vergangenheit, doch so real, als wären sie gerade passiert. Sie bringen mir das Licht zurück!“
Es machte klick bei Jerad. Die Frau ihm gegenüber war ebenfalls blind. Sein Lächeln wurde ehrlicher, er mochte es, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein, vor allem, wenn sie seine Kunst zu schätzen wussten.
„Herzlichen Dank, das freut mich zu hören. Es ist schön, wenn man noch mal Bilder sieht, das geht mir genauso.“
So unterhielten sich Ann-Marie und Jerad über das Wahrnehmen der Klänge, und Martin stand überlegend da. Wie gerne hätte er dem Mann vor ihm gesagt, was Duncan vorhatte. Doch wie? Würde es Jerad überhaupt interessieren? Schließlich wusste Martin, dass Duncan sich verschlossen hatte.
Es war nicht anders als schmierig zu bezeichnen, wie sich Mister Chi an Duncan heranschlich. „Mister Stone, wie wäre es, wenn Sie alles vorbereiten gehen“, grinste er, dass es Duncan einen Schauer des Ekels einbrachte. Vorbereiten, sich selbst, der Gedanke ließ ihn würgen. Erst an der Tür zu einem eingerichteten Büro bemerkte er den Mann hinter sich.
Irritiert blickte Duncan ihn an. „Ich werde Ihnen behilflich sein!“, kam es kurz und knapp, und schon wurde er durch die Tür geschoben, die gleich darauf ins Schloss fiel. Gerade hatte Duncan die Vertragsunterlagen aus einer Schublade gefischt, als der Mann ihn an der Hüfte durch den Raum dirigierte, direkt vor das Waschbecken, was noch ein Überbleibsel aus früheren Zeiten war. Duncan nutzte es gerne, weshalb es nicht entfernt wurde. Schnell die Hände waschen, sich frisch machen, die Frisur kontrollieren, doch was sollte er jetzt da?
Sein Kopf wurde fast ins Waschbecken gedrückt, so dass er gebückt davor stand. Sofort machte sich der Mann hinter ihm an seiner Hose zu schaffen. „Verkrampfen Sie sich besser nicht, umso schmerzvoller wird es für Sie. Mister Chi möchte sich im Spiegel sehen, und Ihnen gebe ich den Rat, verkneifen Sie sich jeden Laut, dann ist es schneller vorbei.“ Schon hörte Duncan das Öffnen einer Tube und spürte die kühle Nässe sein Gesäß hinab laufen. Mit zusammengekniffenen Augen ließ er geschehen, was geschehen sollte, und versuchte, sich geistig in eine andere Situation zu transferieren.
Er wollte nicht hier sein, wollte sich nicht verkaufen, und doch, was blieb ihm übrig? Keiner hatte es verdient seine Arbeit zu verlieren, und das dagegen kleinere Opfer hatte er bald hinter sich. Nicht nur er wurde von dem recht kräftigen Mann vorbereitet. Mister Chi ließ sich auch eine Behandlung zukommen, was Duncan kurz sah. Den Würgereiz versuchte er zu verdrängen und schloss angewidert die Augen. Er blendete alles aus; selbst den Schmerz, als man in ihn eindrang, verdrängte er, flüchtete sich in eine andere Welt.
Bis die zarten Klänge an sein Ohr drangen. Jerad war auf die Bühne getreten. Schlimmer hätte es nicht für Duncan sein können. Hinter ihm keuchte und stöhnte Mister Chi, und an sein Ohr drang Jerads einfühlsames Geigenstück. Es klang so schmerzvoll, voller Sehnsucht und Verlangen. Am liebsten wäre er der Situation entsprungen, hätte sich die Ohren zugehalten und gefleht, dass man ihn von der Qual befreite.
Das Gefühl des auf ihm haftenden Schmutzes, der Verlust seiner Selbstachtung, ließen ihn nur schwerlich die Tränen zurückhalten. Doch stattdessen atmete er tief durch und ließ alles geschehen. Die Standhaftigkeit hätte er dem Mann hinter ihm nicht zugetraut. Die Schläge auf sein Gesäß wurden immer fester, was Duncan dazu veranlasste, die Zähne zusammenzubeißen und zu hoffen, dass es bald ein Ende gab.
Jerad stand auf der Bühne, seine ganzen Emotionen legte er in dieses Stück, das gerade am vorigen Tag beendet worden war. Die Sehnsucht nach Duncan in einer Komposition verarbeitet, das Gefühl der Naivität mit eingebracht und der Schmerz der eigenen, unerfüllten Träume einfließend, ließ er die Saiten erklingen.
In seine eigene Welt versunken fühlte er Duncan nah bei sich. So merkte er nicht einmal, wie die Klänge einen neuen Ton bekamen, liebevoll und romantisch wurden. Bewundernd standen die Leute vor der Bühne, waren gefangen von dem Spiel der Geige. Gebannt von dem jungen Geiger, der mit geschlossenen Augen eine Welt besuchte und sie alle mit sich zog. Die Frauen lehnten sich an die Männer, und diese sahen einfach gebannt in die Ferne. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und ließ sich von den Klängen wiegen.
Auch Duncan bekam den Umschwung mit, fühlte sich Jerad mit einem Mal sehr nahe. Vergaß für einen Augenblick, was hinter ihm geschah. Bis ein Schlag sein Gesäß traf, was seine Muskeln dazu brachte sich anzuspannen und den Mann hinter sich versteifen ließ. Es hatte ein Ende, schwer und doch leise seufzte Duncan auf. „Bleib so!“, hauchte der bärige Mann ihm ins Ohr, reinigte seinen Chef und half ihm beim Anziehen.
Mister Chi begab sich befriedigt zum Schreibtisch und setzte seine Unterschrift unter den Vertrag. „Mit Ihnen werde ich gerne wieder Geschäfte machen!“, grinste er süffisant und verließ den Raum.
Duncan sackte in sich zusammen, doch er wurde von dem kräftigen Mann aufgefangen. „Geht es, Mister Stone?“
„Ja, alles in Ordnung“, lächelte er halbherzig, befreite sich aus den Armen und zog sich an. Er wollte nur noch weg. Allerdings konnte er nicht vor dem wegrennen, was er wirklich wollte.
Vor sich selbst, seinem Ekel, seiner Scham. Doch es sollte noch schlimmer kommen, denn sogleich fand er sich vor Jerad wieder, der mit Martin und Ann-Marie zusammenstand. Dieser blähte seine Nasenflügel auf, schloss die Augen und wandte sich ab. Duncan verschwand in die andere Richtung, er wollte seinem Vater schnellstmöglich den Vertrag geben.
Ein Zittern schlich sich durch Jerads Körper, er wollte es nicht glauben und doch, er hatte nichts anderes wahrgenommen. Duncan hatte es getan, der Geruch von Jasmin und Sex haftete an ihm, dass es Jerad schlecht wurde.
Naiv, er war ja so naiv. Immer wieder landete sein Hinterkopf an der Mauer, während er an dieser hinab rutschte. Eine zarte Hand umschloss seine, eine andere legte sich auf seinen Hinterkopf. „Es nützt nichts, was passiert ist, ist passiert!“, sprach Ann-Marie. „Du magst ihn gern, nicht wahr?“ Sachte strich die Hand seinen lädierten Hinterkopf.
„Naiv, ich bin einfach zu naiv.“
„Nein, sag das nicht, doch die Welt des Geschäftes, sie ist hart und unnachgiebig. Rede mit ihm, lass ihn dir alles erklären.“ Ein sarkastisches Lachen entwischte ihm. „Dass er sich verkauft hat, für Geld? Das muss er mir nicht erklären.“
„Nicht für Geld, für drei Existenzen. Für seine Mitarbeiter, und glaub mir, selbst einem Duncan Stone fällt das nicht leicht.“ Mit diesen Worten erhob sich Ann-Marie und ging. Leise klackten ihre Schuhe auf dem Steinboden und ließen Jerad wissen, dass er allein war.
Unter all den Menschen allein. Erschöpft schloss er die Augen und wollte schlafen. Versinken in seine Welt und diese als Traum hinterlassen. Duncan kippte einen Whisky nach dem anderen in seine Kehle, nachdem er den Vertrag seinem Vater in die Hand gedrückt hatte. Dieser hatte ihm irritiert nachgesehen und einen abfälligen Blick von Martin bekommen. „Das hast du zu verantworten!“, hatte er gehaucht und sich zu seinem besten Freund gesellt, während sein Blick Jonathan suchte. Sie waren seit einem Jahr liiert und schätzten ihr Bündnis miteinander.
Umso mehr schätzte es Martin, dass sein Freund wusste, wann er sich zurückhalten musste. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, nahm Duncan an der Theke Platz. Sein Gesäß brannte, und jede Sekunde auf dem eigentlich weichen Sitzpolster schien ihm wie ein weiterer Schlag.
„Soll ich dir ein Kissen bringen?“, fragte Martin leise.
„Wird nichts nützen, ich habe es nicht anders verdient.“ Duncan verzog sein Gesicht, während der nächste Whisky seine Kehle hinunter lief.
„Sag das nicht. Fang nicht an wie Jonathan damals. Ihr habt es beide für einen guten Zweck getan.“
Es fiel Martin schwer dies zu sagen, allein der Gedanke, dass sein Geliebter sich dem hingegeben hatte, ließ sein Herz schmerzvoll krampfen. Duncan erwiderte nichts weiter, ließ einfach einen Whisky nach dem anderen den Weg seinen Rachen hinab finden. Die wohlige Wärme in seinem Inneren empfand er als erholsam, und doch blieb der Schraubstock um sein Herz bis zum Zerbersten gespannt. Immer wieder schlugen ihm Leute auf die Schulter, gratulierten zu der perfekten Veranstaltung und vor allem zu dem hervorragenden Geiger.
Wie gerne wäre er aufgesprungen, hätte alle von sich gestoßen und wäre in seinem Elend ertrunken, doch ließ ihn sein Anstand nett lächeln und brav antworten.
Als Duncan um Mitternacht im Bett lag, umschlang er das Kissen, was in seiner Einbildung nach Jerad roch. Schmiegte sich an dieses und wünschte sich nichts sehnlicher, als den Schmutz aus seinem Körper zu bekommen. Die Zeit zurückdrehen und neu beginnen. In eine Welt zu gelangen, wo die Realität nur einem Traum glich.
Kapitel 3
Seufzend wand sich Jerad aus dem Bett, sein ganzer Körper schien zu schmerzen. Er hätte sich eindeutig entkleiden sollen, diese Anzüge waren nicht sonderlich bequem. Der Duft von Ann-Marie stieg ihm in die Nase und damit die Erinnerungen an den gestrigen Abend. Eilig befreite er sich aus der Kleidung, schmiss sie in den Flur, verschwand unter die heiße Dusche und versuchte alles von sich zu waschen. Vor allem die Gedanken, das dumpfe Gefühl in sich. Es war lächerlich, er wusste es. Liebe auf den ersten Blick, hatte seine Mutter immer gesagt … Doch wie sollte das gehen, bei ihm doch sicher nicht, und trotzdem schien sein Herz zerreißen zu wollen.
Die Nähe zu Duncan hatte sich so richtig angefühlt, seine Küsse waren so intensiv und berührten mehr als nur seinen Intimbereich. Sein Herz war gefangen von dem Rausch, der Intensität und dem liebevollen Umschmeicheln. Die Gedanken der Nacht, der ersten gemeinsamen, beherrschten ihn. Wie sich Duncan in seine Arme geschmiegt hatte. Ihre Hände ineinander verflochten und die sanften Lippen auf seiner Handfläche. Immer wieder hatte Duncan ihm Küsse auf diese gehaucht, rückte dichter an ihn und die Verbundenheit war unbeschreiblich.
Solche Nähe war Jerad nicht gewöhnt, genoss sie umso mehr. Nie wieder sollte es anders sein, so hatte er es sich ausgemalt. Und nun? Verschwand er in seiner Traumwelt, wollte die Realität nicht sehen, die sein Herz zu zerquetschen drohte. Langsam sank er an der Duschwand hinab, das Wasser floss auf seinen Körper, wollte oder konnte ihm nicht helfen.
Die Gefühle blieben, Schmerz, Zuneigung, Wut, Verzweiflung, Geborgenheit und so viele mehr, die nicht zu benennen waren. Kein Gefühl wurde klarer, keins verschwand, zerrissen vom eigenen Körper, vom eigenen Verstand.
Den Kopf an den kalten Fliesen und die Augen geöffnet, etwas in der verschwommenen Welt suchend, so fand Linda ihren Sohn vor. Ihre Lippen waren versiegelt, wortlos nahm sie ein Handtuch, ergriff seine Hand und half ihm aus der Dusche. Sanft streifte ihre Hand seine Wange. „Rede mit ihm!“, durchbrach sie die Stille.
„Was soll es bringen? Er hat es getan, es ist nicht mehr rückgängig zu machen!“, kam es leise, kaum hörbar. Die Verletztheit seines Herzens trug seine Zunge nach außen.
Ein Lächeln erschien auf Lindas Gesicht, freudig wie gequält. Ihren Sohn das erste Mal so verliebt zu sehen, war ein Wunsch und doch ein Fluch, denn es schien nicht glücklich zu enden. Das wollte und konnte sie nicht akzeptieren. Mit gestrafften Schultern ließ sie von Jerad ab.
Kopfschüttelnd und die Stirn in Falten gelegt blieb er zurück, doch auch er straffte seine Schultern und fing an sich abzutrocknen.
Er war ein Mann, als solcher hatte man keiner nicht existierenden Liebe hinterher zu trauern. Trauern war sowieso nur für Frauen gedacht. Seine Gedanken wurden von seinem Herzen gestraft, denn es trauerte weiter und zeigte ihm nur überdeutlich, dass es egal war, welchem Geschlecht man angehörte.
Kaum war das Wochenende vorüber, der Montag war eingetroffen, stand Duncan vor dem Bürogebäude seiner Firma.
Die Finger zitterten, während er versuchte, die Zigaretten aus ihrer Hülle zu befreien. Sein ganzer Körper bebte, überall sah er den Hohn und Spott der Leute. Scheinbar stand es auf seiner Stirn geschrieben, er hatte sich verkauft. Eilig verdrängte er den Gedanken daran, riss ungeduldig am Plastik und entfernte es endlich. Normal rauchte er nie, selten eine Zigarre, was aber eher dem Genuss galt als dem Nikotin. Doch heute war es nötig, er brauchte es wie die Luft zum Atmen.
Kaum war der Klimmstängel zwischen seinen Lippen am Glühen, drückte er ihn schon wieder aus. Ein widerlicher Geschmack machte sich in seinem Mund breit. Whisky wäre besser, ein Blick auf seine Uhr zeigte allerdings erst acht Uhr und es war somit viel zu früh. Die Welt um ihn schien stillzustehen und sich doch rasant zu drehen. Es war Montag, das Event lag zwei Tage zurück, zwei der schlimmsten Tage seines Lebens. Wollte Duncan doch im Bett bleiben, sich seinem Selbstmitleid hingeben, hatte es Martin nicht eingesehen.
Unfreundlich hatte dieser seinen besten Freund rausgeklingelt und gezwungen zu reden. Duncan war überzeugt, seine besten Freunde waren in Wirklichkeit seine schlimmsten Feinde. Getarnt, und er hatte es nie bemerkt.
„Duncan!“, wurde sein Name gebrüllt, dass sein Körper automatisch zusammenzuckte und gepresst an der Wand stand. Er wusste, wer danach ihm rief, wollte seinem Vater aber nicht unter die Augen treten. Eiligst rannte er zu seinem Wagen, es hatte einfach keinen Sinn, so konnte Duncan nicht arbeiten, wie denn auch?
Seine Gedanken gefangen in einer Welt, die es nicht gab, sein Herz nicht mehr bei sich tragend, und der Schmerz in seinem Körper. Sicherlich waren das genügend Gründe sich krankschreiben zu lassen. Eine ganze Woche, genau sieben Tage, 168 Stunden, oder auch 10080 Minuten, war es her. Duncan hatte es mitgezählt und wahrscheinlich hätte er auch die Sekunden benennen können, wenn man ihn gefragt hätte, doch das hatte Martin nicht. Lediglich wie lange es her war. Irritiert sah er seinen besten Freund an. „Sehr konkret.“
„10081 Minuten … Martin, ich vergesse ihn einfach nicht!“ Duncan saß da wie ein Häufchen Elend. Obwohl frisch rasiert, perfekt gekleidet, konnte man seinen Augen den Schmerz ansehen. Das färbte auf sein ganzes Auftreten ab, seine Schultern hingen, sein Kopf war gesenkt.
„Eventuell, weil du ihn magst? Duncan, hast du ihn mal kontaktiert?“
Irritiert sah Duncan auf. „Nein!“ Entsetzt sah er seinen Freund an. „Was hätte ich denn sagen sollen, er wird sicherlich nicht mit mir sprechen wollen.“
Martin seufzte schwer. Kannten sie sich nun über zwanzig Jahre, doch mit diesem Verhalten, hatte er nun nicht mehr gerechnet. Vor ihm saß die sechzehnjährige Version von Duncan, verzweifelt und niedergeschlagen. Er hätte es sich denken können, nie im Leben würde Duncan Stone sich wohl auf die Knie begeben, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Lieber leiden, als um Verzeihung bitten. Nun gut, dann eben anders, wofür hatte er eine wunderschöne und intelligente Schwester, die sogleich einen Notfallplan ausgeheckt hatte?! Einen erfundenen Auftritt, wo sich Duncan und Jerad gegenüberstehen würden, allein, im Dunkeln.
Die Hoffnung war groß, dass sie sich aussprechen würden. Melancholie beherrschte Jerads Spiel, zog die Menschen in eine recht schmerzliche Welt, voller Trauer. Auch wenn sie sich ihm nicht verweigern konnten, hatte er recht schnell bemerkt, dass man ihm aus dem Weg ging. Es war sicher zu deprimierend, in seine Welt abzutauchen, da gab er jedem recht. Doch was sollte er tun? Als Ann-Marie anrief und fragte, ob er auf einem Dunkelball auftreten würde, war er erst skeptisch, doch sie hatte ihn schnell überzeugt.
Es waren hauptsächlich Menschen mit einer eingeschränkten Sehfähigkeit dort, was ihm gefiel. Jeder war dort gleich, auch wenn Jerad manches Mal ein Problem damit hatte, wenn er gar nichts sah. Duncan dagegen musste sich mit seinem Vater vergnügen, was ihm gar nicht gefiel. Ein wichtiges Geschäftstreffen stand bevor, wovor selbst die Krankmeldung ihn nicht retten konnte. Zusammen saßen sie im Auto. Duncan, mit gesenktem Kopf, versuchte ein Gespräch mit seinem Vater zu vermeiden.
Die Wut auf diesen hatte sich schnell gelegt, schließlich war Duncan selbst es, der sich verkauft hatte. Im Nachhinein war er sich nicht mal sicher, ob sein Vater wirklich auf die Kündigungen bestanden hätte. Immer noch haftete der Schmutz an ihm, die Scham hatte sich eingebrannt und die Demütigung gab ihm den Rest.
Dies entging selbst seinem Vater nicht, der immer wieder zu seinem Sohn sah. Noch nie war dieser so wortkarg gewesen. Schuldbewusst wandte er seinen Blick ab, sah hinaus an den vorbeifahrenden Häusern. Der Vorteil eines Fahrers, wie er fand, selbst konnte man sich mit Gedanken beschäftigen oder mit Unterlagen, die noch durchgegangen werden mussten.
Was normal der Fall war, bei ihm und Duncan, doch nicht heute. Nicht einmal eine Begrüßung hatte sein Sohn ihm geschenkt, der Kopf hing, die Schultern schienen eingefallen und sein Auftreten würde wohl jeden Geschäftspartner verschrecken.
Merkwürdig still empfand Jerad den Saal, kaum Gerüche drangen an seine Nase, irgendwas stimmte hier nicht. Ann-Marie hatte ihn vorgehen lassen und nun stand er in einem stockdunklen Saal und wusste nicht, was kommen sollte.
Durch Markierungen in den Wänden konnte er zumindest den Weg zur Bühne finden. Wieso ausgerechnet heute seine Mutter nicht mit zur Bühne kam, war ihm schleierhaft. Nie, oder wenn sehr ungern, ließ sie ihr einziges Kind alleine, stand immer an seiner Seite, und nun blieb sie draußen? Vielleicht waren sie ihn aber auch alle überdrüssig, wie er sich selbst. Seine schlechte Laune war noch nie so ausgeprägt, obwohl er alles versuchte, ihr nicht die Oberhand zu überlassen.
So tastete er sich an Stühlen vorbei, die am Rand der Bühne standen, Notenständern und verschiedenen Instrumenten. Gut, es waren also noch mehr Künstler hier, aber wo? Rufen fiel wohl aus, wie würde er sich da vorkommen, so tastete er mit dem Fuß nach seiner Markierung und warte einfach ab. Ann-Marie sagte, er sei gleich dran, sobald die Gäste kämen.
„Gehst du vor, ich muss noch schnell telefonieren!“ Diese Worte von seinem Vater ließen Duncan nicken. Was auch sonst, wann hatte er sich seinem Vater mal widersetzt? Irgendwie fühlte er sich eingeschnürt, als wären Tonnen von Seilen um seinen Körper gewickelt und würden bei jedem Schritt, den er tat, fester gezogen.
Der Saal war stockfinster, verzweifelt tastete er nach einem Lichtschalter, was sollte das? Seufzend stand Stephan Stone vor der Tür und hoffte, Ann-Maries Plan funktionierte. Eher wohl, dass sein Sohn keinen Rückzug antrat. Wie gern wäre er selbst hineingegangen und hätte dem jungen Mann, der keineswegs wie 26 Jahre aussah, den Kopf gewaschen. Doch wenn er ehrlich war, hätte er lieber sich selbst in den Hintern getreten. Wie hatte er seinen Sohn soweit bringen können? Nach Martins Ansprache bei ihm, war ihm zum ersten Mal die Sprache abhandengekommen.
Die ganze Geschichte, inklusive der ersten Kooperation mit einem Kunden, hatte ihn doch sehr geschockt. Beschämt hatte Stephan festgestellt seinen Sohn nicht zu kennen, es falsch verstanden zu haben. Vater, hatte er dieses Wort noch verdient? Er handelte mit Kalkül und ohne Herz, die Scham brannte sich in seine Eingeweide. Als Duncan damals geboren wurde, war Stephan so stolz und hatte sich geschworen, ihm nur das Beste zukommen zu lassen. Auch die Homosexualität seines Sohnes war für ihn nicht von Bedeutung.
Liebe den, der dir zu lieben gedacht ist, hatte seine Mutter immer gesagt und danach lebte Stephan. Doch gab er zu, die Gesellschaft vermittelte etwas anderes, falsche Eindrücke. Als er von Duncans Eskapade mit einem Geschäftspartner hörte, war für ihn klar, dass die Vorurteile stimmten.
Dabei lebten Martin und Jonathan ihm was anderes vor, wie gern er beide hatte, und nun stand er da, hatte seinen eigenen Sohn verkauft. Er war schuld und das war ihm bewusst. Sein Blick hoch zum Himmel, ließ ihn beten, dass alles gut gehen würde.
Vielleicht würde seine Frau eine Hand über ihren Sohn halten? Stephan war nicht sehr gläubig, doch in solchen Momenten nur zu gerne. Er war nie der strenge Part gewesen, außer wenn es ums Geschäft ging. Seit dem Tod seiner Frau musste Stephan diese Seite mit übernehmen und hatte kläglich versagt. Noch heute hörte er seinen Sohn im Zimmer wimmern, wenn dieser sich verletzt hatte. Sah Duncan, wie er sich in seine Welt flüchtete, wenn andere ihm seelisches Leid zufügten. Der perfekte und harte Geschäftsmann Duncan Stone war in Wirklichkeit ein weicher Mann mit zu viel Herz. Lebte zurückgezogen, versteckte sein Herz und seine Unsicherheit.
Stephan hatte seine eigene weiche Seite verdrängt und versucht aus seinem Sohn einen Mann zu machen. Er hatte seinen Sohn allein gelassen, nie über Probleme und Sorgen geredet, ihm vermittelt, dass nichts so schlimm sein konnte. Die Augen geradeaus und weiter gehen. Hänge nicht an der Vergangenheit, sie ist zu nichts nütze. Mehr als einmal hatte Stephan eine solche Ansprache gemacht und dabei das Herz seines Sohnes vergessen. Seither redete Duncan selten über Probleme, meinte sie selbst bewältigen zu müssen oder schwieg sie tot. Es fehlte ihm an Selbstbewusstsein, gerade wenn es um seine Gefühle ging.
All das war Stephans Schuld, davon war er selbst mehr als überzeugt.
Geräusche drangen an Jerads Ohr, was ihn veranlasste, in Position zu gehen. Sanft streifte er den Bogen über die Saiten, sodass die ersten Klänge in den Saal hinaus drangen.
Stocksteif stand Duncan da, erkannte sofort, wer dort die Geige spielte. Gepresst an der Tür, suchte er nach der Klinke, doch diese ließ sich lediglich runterdrücken. Das Türblatt bewegte sich nicht, blieb fest verschlossen. Keuchend glitt er hinab, schloss die Augen und sog ungewollt die Worte der Geige ein, die in sein Innerstes vordrangen. Zu seinem Schmerz drang nun Jerads dazu, was Duncan schwer nach Luft schnappen ließ. Wie gerne wäre er hingegangen, hätte ihn in den Arm genommen, doch alles in ihm sträubte sich dagegen. Wie sollte Jerad ihm das je verzeihen können? Nein dieser Gedanke war unreal. So blieb Duncan sitzen, versuchte seinen Atem nicht allzu hektisch werden zu lassen.
Langsam und doch durchdringend schlich sich der Geruch in Jerads Nase. Eine Spur von Tabak, Moschus und mehr als ein Hauch von einem alten Whisky. Ganz zart legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, sein Herz pochte einen Takt schneller und der Klang seines Spiels wurde sanfter. Duncan war da! Die Gänsehaut, die Jerads Körper erfasste, zog sich vom Nacken in alle Richtungen. Ein freudiges Kribbeln befiel seinen Magen. Der Drang, die Geige fallenzulassen, wechselte mit diesem, nie wieder aufzuhören.
Seine Fantasie spielte regelrecht mit ihm. Jerad spürte Hände, die sich auf seine legten und mit ihm zusammen in die Welt der Musik, der Emotionen gleiten. Die weiche Haut an seiner, der Atem der seinen Nacken streift und der Herzschlag, der sich seinem angleicht. Welche berauschende Vorstellung, die sein Spiel intensiver werden ließ. Bis das Zuschlagen einer Tür die Geigenklänge zum Verstummen brachte.
Wie ein kalter Guss brach es über ihn herein: Duncan würde nicht zu ihm kommen. Kraftlos knickten seine Knie ein. Jerad landete unsanft auf dem Boden, doch was war schon ein körperlicher Schmerz, wenn der seelische umso schlimmer wog.
Duncans Flucht ging an Martin und Stephan vorbei. Alles ignorierend, war sein einziger Gedanke, weg zu müssen. Vor dem Schmerz fliehen, nicht in Jerads Augen zu blicken. Diese wundervollen grünen Augen, mit dem sanften Schleier davor. Wie eine andere Welt, in die nicht jeder eintreten durfte. Ein Schritt war ihm gestattet gewesen und sicherlich noch weitere, doch das hatte sich Duncan selbst verwehrt.
Plötzlich umfasste eine Hand seine Schulter und riss ihn herum. „Du machst einen Fehler!“ Braune Augen sahen ihm in seine Seele.
Blondes Haar ließ sich vom Wind zerzausen. Jonathans Blick zeigte Verständnis sowie Mitgefühl. Duncan erinnerte sich nur ungern zurück, als er ihn kennengelernt hatte. Ein Häufchen Elend, abgemagert und voller Schmerz. Auch er hatte sich verkauft, für das Geschäft. „John, ich kann nicht …“
„Ich weiß, doch sei dir bewusst, dass Jerad auch leidet. Was euch verbindet, ist ungewöhnlich, schön und doch auch schmerzlich. Es kommt nicht oft vor, die Liebe auf den ersten Blick“, lächelte Jonathan milde. Zwischen Martin und ihm war es das sicherlich nicht gewesen, auch wenn die magische Anziehung bestanden hatte. Allerdings war sie eher negativ zu sehen, die Erinnerung ließ ihn den Kopf schütteln.
Der falsche Moment für solche Gedanken. So sehr Duncan gerne widersprochen hätte, es ging nicht. Sein Innerstes verbat es ihm, ließ stattdessen das Blut wie einen Lavastrom durch die Adern fließen. Zäh, heiß und unnachgiebig brannte es sich seinen Weg. „Deshalb bin ich gegangen, ich möchte nicht, dass er leidet.“
„Du solltest es ihm erklären, versuche es wenigstens, dann habt ihr auch noch eine Chance. Sei kein Narr!“ Intensiv und eindringlich bohrten sich die erdbraunen Augen in die bernsteinfarbenen.
Wortlos nickte Duncan, ließ sich an der Schulter zurückführen. Die Gedanken leer gefegt, sah er sich die Schmutzpartikel auf dem Boden an.
Alle waren in den Saal getreten, das Licht erhellte diesen, doch selbst das nahm Jerad nicht wahr. In sich versunken saß er auf dem Bühnenrand und meinte zu fallen. Das schwarze Loch seines Herzen übernahm die Kontrolle. Gefühle verschwanden, machten Gleichgültigkeit Platz.
Linda betrachtete ihren Sohn, wie schwer war es ihr gefallen, ihn alleine hineingehen zu lassen, und doch hatte sie gehofft … Das Klingeln ihres Mobilfunkgerätes ließ ihren Blick von Jerad gleiten. „Moore“, meldete sich die blonde Frau mit einem seufzenden Lächeln. Dieses schwand schneller, wie es gekommen war.
„Jerad soll für Mister Chi spielen?
Also mein guter Herr …“. Linda kam nicht weiter, wollte ihre Verzweiflung und Wut gerade auslassen, als ihr Sohn das Handy an sich nahm. Geschockt vernahm sie es, konnte es allerdings nicht begreifen, was war nun los? Ebenso erging es Martin und Ann-Marie, die ihre Contenance verloren, starrten und lauschten. „Es wird mir ein Vergnügen sein, bitte schicken Sie mir die Verträge und die Reisedaten!“, sprach Jerad währenddessen und verschlug damit jedem die Sprache.
„Das kann nicht dein Ernst sein, bitte Jerad!“ Martins Stimme hatte sich erhoben und versuchte den naiven Mann vor sich zur Vernunft zu bringen. Mit verengten Augenbrauen drehte sich der Angesprochene um. „Mutter, ich möchte fahren. Dieses Arrangement scheint beendet, auf die Gage verzichte ich, meine Leistung war nicht dementsprechend.“
Diese Worte waren kalt. Wehten wie der eisige Polarwind um die Anwesenden und ließ das Innere jedes Einzelnen erzittern. So sehr auch einer was sagen wollte, konnte es keiner. Ihnen war die Sprache abhandengekommen, die Irritation und der Schock, stand ihnen in die Gesichter geschrieben. Hinter einer Maske der Gefühllosigkeit versteckt, versuchte Jerad weiterzumachen. Die Kälte, die er ausstrahlte, hatte in sein Innerstes Einzug gehalten. Was war schon Liebe? Schmerz und Leid, nicht mehr, aber vor allem nicht weniger.
Die Unterlippe blutverschmiert saß Duncan in seiner Wohnung, immer wieder biss er auf die gleiche Stelle und versuchte den brennenden Schmerz in sich zu verdrängen. Gerade als er wieder in den Saal gekommen war, ging Jerad an ihm vorbei. Keine Reaktion, nicht mal ein Zucken konnte er vernehmen und ein Kloß in seinem Hals verhinderte jedes Wort. Die Eiseskälte, die die Augen vermittelten, kam Schlägen gleich und Duncan wusste, er hatte sie verdient. Gerade als er seiner Stimme mächtig wurde, sah er die ganzen Leute um sich, biss sich auf die Unterlippe und ließ den Kopf hängen.
Nie und nimmer würde er seine Gefühle hier ausbreiten, er war hart und unnachgiebig, auf niemanden angewiesen.
Sich einen Idioten nennend sprang er auf und durchquerte das Wohnzimmer. Ein Ton hätte vielleicht alles geändert. Was war Idiot doch für ein liebenswürdiges Wort für einen Narren wie ihn. Sicherlich gab es noch kein Wort, unter welches seine Naivität fiel. Doch eins war er sich bewusst, er musste Jerad vor diesem Fehler bewahren. Seit Stunden versuchte Jonathan über seine Kontakte das Event herauszufinden, welches Mister Chi arrangiert hatte.
So viel schien schon festzustehen, es war nichts Offizielles. Zusammengeschnürt schien Duncans Magen, der jegliche Aufnahme von Nahrungsmitteln oder Getränken verweigerte. Nicht mal der Whisky schien sich dort heimisch zu fühlen.
Was nun? Diese Frage stellte sich jeder und wusste doch keine Antwort. Linda tat ihr Bestes, ihren Sohn vor dieser Dummheit zu bewahren, allerdings waren die Mühen umsonst. Führten lediglich zu einem Ausschluss von den Vereinbarungen. So kannte sie Jerad nicht, niemals hatte er sich ihr so gegenüber verhalten.
Späte Pubertät, sinnierte sie, und doch war das Bewusstsein da, dass es Dinge im Leben ihres Sohnes gab, die er alleine bewältigen musste. Allerdings bezweifelte Linda stark, dass eine solche Sache dazu zählen sollte und hoffte, dass ihn jemand beschützen würde.
Jonathan traute seinen Ohren nicht, endlich bekam er die gewünschten Informationen. Ob er diese dann wirklich so genau wissen wollte, war er sich nicht mehr sicher und vor allem, wie er es Duncan erklären sollte. Eine Privatparty in den Bergen von Kanada war das Ziel mit einer Klientel, das ihm den Magen zusammenschnürte.
Ein Club der extravaganten Art, die ihre Bedürfnisse auf einem hohen Niveau stillte. Allgemein wurden solche Events als Sex-Partys benannt, mit einer leicht masochistischen Veranlagung. Allein die Vorstellung, worauf sich Jerad, wahrscheinlich unwissend, einließ, brachte Jonathan zum Schwanken. Müde rieb er sich über die Augen, seufzte schwer und machte sich auf den Weg zu Duncan. In drei Tagen war es soweit und seine Informanten hatten berichtet, dass Jerad bereits auf dem Weg war.
Sauer schlug Duncan gegen die Wand seines Flurs. Es durfte doch nicht die Wirklichkeit sein, dass keine Flüge zu bekommen waren. Erst in zwei Tagen. Mühevoll riss er sich am Telefon zusammen und buchte den Flug, doch die Gedanken in seinem Kopf zeigten ihm Bilder, die nicht dort sein sollten. Keiner hatte Jerad mehr erreicht, nicht mal er selbst, und alle hofften, dass Duncan noch früh genug ankommen würde.
Jerad grinste in sich rein, während sein Äußeres weiter die kalte Fassade aufrechterhielt.
Dieses Erlebnis würde seine Seele heilen, davon war er überzeugt. So lehnte er sich zurück, wurde vom weichen Polster des Hotelbettes empfangen und wartete ab. Drei Tage noch und dann würde er die Geige erklingen lassen. Die kurze Zeit der Planung hatte Jerad erst schwanken lassen, doch es hatte funktioniert. Alles war vorbereitet, sein Begleiter instruiert. Wie schmerzlich war es für ihn, seiner Mutter die Mitreise zu verweigern, aber diese Sache war nicht für ihre Augen bestimmt.
Die eindeutige Aufforderung des Assistenten von Mister Chi hatte Jerad stocken und doch eine Chance sehen lassen, endlich sein Gleichgewicht wieder zu bekommen. Doch wusste er wirklich, auf was er sich da einließ?
Kapitel 4
Am Morgen des Events war es Jerad schlecht. Die ganze Nacht hatten ihn die Gedanken eingeholt, was er vorhatte. Was sollte es ihm nützen? Selbst wenn er die Chance bekam Chi in einem unbeobachteten Moment das Leid zuzufügen, welches er empfand, war die Verwirklichung äußerst gering. Mit Sicherheit würde es ihm danach auch nicht besser gehen. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und zum ersten Mal war Jerad froh sich nicht im Spiegel sehen zu können. Wenn er nur im Geringsten so aussah, wie er sich fühlte, dann war er ein Fall für einen Maskenbildner.
In wenigen Stunden musste er zu diesem Event, daran führte kein Weg vorbei. Oder gab es eine Chance sich krank zu melden? Selbst mit seinem Begleiter fühlte sich Jerad nicht sicher. Wie denn auch, wo er ihn gerade eine Woche kannte. „Du bist ein Idiot!“, sprach es Jerad aus und sah dabei unbeabsichtigt in den Spiegel. „Nie und nimmer wirst du das durchstehen und woher willst du wissen, dass sie es bei einem Geigenspiel belassen?“, gingen seine Gedanken den Weg durch seinen Mund nach außen. Diese Gedankengänge ausgesprochen, bescherten Jerad eine eisige Gänsehaut.
Erst gestern hatte man ihm mitgeteilt auf was für einem Event er spielte. Eigentlich war das Wort Event dafür zu leger, es war eine Sexparty und irgendwas sagte Jerad, dass diese nicht normal sein würde.
Als Duncan in der Nacht gelandet war, wollte er direkt zu Jerad, traute sich jedoch nicht. So viele Gedanken stürzten auf ihn ein, Erinnerungen an seine Mutter, das Gespräch mit seinem Vater. Dieser hatte seit Jahren Tränen in den Augen und sprach von Gefühlen, von Liebe und seinen zwei Söhnen, denen er das falsche vermittelt hatte. Erik war fünf Jahre älter als Duncan, hatte sich mit 18 Jahren aus dem Elternhaus verabschiedet, alle als herzlos und gefühlskalt hingestellt. Selbst Duncan, dessen Herz brach, sein einziger Anker, Vertrauter, war gegangen und er war selbst schuld gewesen.
Konnte seinen Bruder nicht zurückhalten, hatte einfach neben seinem Vater gestanden und geschwiegen. Mit jungen dreizehn Jahren hatte er es nicht mehr gewagt zu weinen, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich in eine Welt geflüchtet, wo alles heil war. Seine Mutter mit dem strengen Blick ihn mahnte und mit ihrer Umarmung seinen Gefühlen den Anstoß gab, hinauszukommen. Nie hatte Duncan sie belogen, konnte es nicht.
Während sie darauf achtete, dass ihre Söhne nach außen hin sich zu wahren Männern entwickelten, war es zuhause das Gefühl der Liebe und Geborgenheit, was alle dazu veranlasste, über Probleme und Wünsche zu reden. Stephan hatte diesen feinen Grad nicht hinbekommen, der Schmerz durch den Verlust seiner Frau hatte ihn sich entscheiden lassen; Gefühle waren nicht gut, schmerzten und brachten ihn nicht voran. Duncan sollte davor bewahrt werden.
„Es tut mir leid, hörst du? Du hast so viele Gefühle in dir, versteckst sie, statt sie zu zeigen. Fahr zu Jerad, sag es ihm, spring über deinen Schatten. Liebe kann schmerzen, aber Duncan … Liebe ist das atemberaubendste und schönste Gefühl, was dir je zu Teil wird.“ Die Tränen in den Augen seines Vaters, hatten auch bei ihm welche hervorgerufen. Gefühle, es war Zeit. Mit pochendem Herzen schritt Duncan durch den Hotelflur und suchte das Zimmer, hinter welchem sein Herz das Glück vermutete.
Gerade um eine Ecke biegend, presste er sich eiligst an eine Wand; die Hände vor seinem Mund, versuchte er jedes Geräusch zu unterbinden. „Wie sieht es aus?“ Schleimig und gierig klang die Stimme und war unverwechselbar. „Er schläft noch, sobald er erwacht, werde ich ihn bringen. Gestern ist ihm die Farbe aus dem Gesicht entwichen, als er hörte, was es für ein Event ist!“, grinste ein großer, breiter Mann in einem schwarzen Anzug. Chi lachte leise auf:
„Warte ab, bis er seinen Bonus bekommt. Diesen Hintern werde ich mir gestatten. Er vertraut dir?“
„Sofern es nach einer Woche geht, mit Sicherheit.“
„Gut, dann sehen wir uns gegen Mittag. Bist ein guter Mann Phil, auf dich ist Verlass! Dein Bonus ist dir sicher“, hörte man das Grinsen in Chi´s Stimme.
Grummelnd erwiderte der große Mann: „Meiner sollte aus Scheinen bestehen, verstanden?“
Keine Erwiderung kam mehr von Chi, außer einem Lachen. Man hörte Schritte verhallen und Duncan wartete ab. Auch Phil schien sich auf den Weg zu machen, doch zum Glück nicht in Richtung Jerad.
Eilig und doch leise schlich Duncan zu Jerads Zimmer, klopfte zart. „Ja?“, ertönte es nach ein paar Sekunden. Duncan öffnete die Tür, schlüpfte hinein und verschloss sie sofort wieder.
„Wer ist da?“ Langsam drehte sich Jerad Richtung Tür. Oberkörperfrei, hatte er nur eine Jeans an, die seine Beine und seine Kehrseite zur Geltung brachte.
Duncan schluckte, musste sich zwingen wegzusehen. „Du musst hier weg!“ Seine Stimme war ungewöhnlich hoch und zitterte.
„Bitte?“ Schritt für Schritt näherte sich Jerad dem Eindringling, ganz langsam schlich sich ein Moschusduft in seine Nase. „Duncan?“, stockte er.
„Ja, und bitte, Jerad du musst hier weg. Chi will dich nicht zum Geige spielen, er will … er will … er will deinen Hintern!“
Pustend lachte Jerad los. „Meinen Hintern? Davon träumt er wohl nachts. Als würde ich je jemanden da dran lassen. Was machst du hier?“
„Ich, ich will, dass du mitkommst. Bitte, Jerad. Dieser Phil soll dich zu Chi bringen, bis zum Mittag. Bitte komm mit.“ Verzweiflung schwang in seiner Stimme, was Jerad nun stocken ließ.
„Phil? Mein Sicherheitsmann? Verdammt … ich wusste es war eine blöde Idee, Mist!“ Jerad fing an im Hotelzimmer herumzulaufen, während Duncan ihn beobachtete.
Der rote Teppich schien jeden Abdruck der Füße wiedergeben zu können, passte sich farblich an das ganze Zimmer an. Es sah verrucht aus, diese roten Töne, mit dunklem Holz gemischt.
„Wieso bist du dann hier?“, traute sich Duncan nach einigen Minuten zu fragen.
„Weil ich diesem Schwein einen Denkzettel verpassen wollte. Er sollte leiden, wie du … und ich.“ Den Blick gesenkt wurde Jerads Stimme immer leiser. Duncans Herz blieb kurz stehen, um dann noch heftiger in seiner Brust zu wüten.
Wie gern hätte er was gesagt, doch alle Worte waren ihm entfallen. Seine Füße machten sich selbstständig, hinterließen nun ebenso Abdrücke auf dem roten Teppich und näherten sich Jerad. Ganz vorsichtig hob Duncan seine Hand, legte seine Finger auf die zarte Haut, die sich über Jerads Wange spannte. Jerad sah auf, seine Augen schienen die seines Gegenübers zu suchen, leicht verschleiert und doch so klar.
Ganz zart und fast unwirklich berührten sich ihre Lippen. „Komm bitte mit. Ich möchte dir alles erklären. Wieso, weshalb und warum … ich solch ein Idiot bin. Bitte, Jerad, gibt mir eine Chance, dir zu beweisen, dass ich dich mehr als nur mag.“
Jerad schnappte mit seinen nach Duncans Lippen. „Mehr als mögen? Das wäre dann?“ Seine Hände wanderten zum Nacken seines Gegenübers.
„Nun ja, eben mehr“, versuchte Duncan sich vor einer Antwort zu drücken.
„Sag es und ich komme mit.“ Wispernd ließ Jerad seine Lippen auf seine treffen. „Duncan, sag es mir!“
„Ich hab mich in dich verliebt!“ Ungewöhnlich klar und fest empfand er seine Stimme, die seine Worte unterstrich.
Jerad lächelte an seinen Lippen, umfasste Duncans Nacken und zog ihn noch dichter an sich ran. „Das ist gut, ich mich auch in dich. Aber damit eins klar ist: Keine Deals mehr!“ Wortlos nickte sein Gegenüber, was er durch seine Hände wahrnehmen konnte, dann versanken sie in einen innigen Kuss.
Langsam ertasteten sie einander, ließen ihre Hände die Haut des anderen erfühlen. Die Sehnsucht nach Verbundenheit wurde entfacht, einfache Berührungen waren nicht das, wonach sie sich sehnten. Ihre Körper pressten sich aneinander, empfanden den Stoff störend, der sich zwischen sie drängte. Bestimmt fuhr Jerad unter Duncans Hemd und zog es so aus der Hose, um sich dann den Knöpfen zu widmen.
Das harte Aufprallen einer Faust am Türblatt ließ beide erschrocken auseinander fahren. „Jerad, sind Sie wach? Wir müssen bald los!“, erklang Phils Stimme.
Duncan bemerkte die sofortige steife Haltung von Jerad, dessen Adamsapfel sich nur schwer unter dem Schluckreflex bewegte.
„Was jetzt?“, es war ein Hauchen, was Jerads Lippen verließ.
Alles schien von Duncan abgefallen zu sein, jegliche Anspannung, Vorwürfe, Scham. Das Lächeln, das seine Lippen vereinnahmte, war das eines steinharten Geschäftsmannes, der auf Rache sann. Mit einem sanften Kuss löste er sich von Jerad und öffnete die Türe.
Mister Chi stand umringt von seinen Geschäftspartnern da und sah sich das Angebot an. Über Böcken lagen die heutigen Lustsklaven.
Die Augen verbunden, was auch der einzige Stoff an ihren Leibern war. Nur ein Bock war noch frei und dieser sollte für Jerad sein. Allein der Gedanke an den jungen Geiger, ließ in Mister Chi´s Hose eine Regung zu. Der Gedanke sich in den strammen Hintern des musikalischen Genies einzutauchen, trieb Schweißperlen auf seine Stirn. Es war eindeutig, wenn er Jerad auskosten wollte, musste er sich vorbereiten. So erregt wie Mister Chi im Moment war, würde er zu schnell zum Abschuss kommen. Mit dem Blick durch den Raum schweifend, suchte er sich sein erstes Opfer.
Trocken versenkte er sich in dem willigen Hintern, der sich vor ihm reckte. Willig war sicherlich nicht gleichzusetzen mit freiwillig, aber dies war Chi egal. Der Mann vor ihm war ein Geschäftsmann aus Australien, der auf seine Unterschrift angewiesen war, damit sein Geschäft keine Insolvenz anmelden musste. Dreimal war der Deal für die Unterschrift, also würde der gebückte Mann noch zwei Männer walten lassen müssen. Das angewiderte Gesicht sah Chi nicht, hätte ihn sicher nur noch fester zustoßen lassen, so war es dem Geschäftspartner nur recht.
Auch die anderen Freunde Chi’s begaben sich an die ersten Ausflüge ihrer sexuellen Fantasien, während durch den Hintereingang Jerad trat. Der Geruch von Jasmin schwängerte die Luft, was seinen Magen in Aufruhr brachte. Neben ihm Phil, der grinsend seinen Weg ging und eine Hand fest um den Arm seines „Schützlings“ gelegt hatte. Jerads Beine versuchten nachzugeben, während sein Verstand ihm den Weg zur Schlachtbank zeigte. So musste sich ein Tier fühlen.
Fest in der linken Hand hielt er den Geigenkoffer, versuchte sich an diesem festzuhalten wie ein Ertrinkender an einer Boje. Phil führte ihn unsanft auf die Bühne und forderte ihn auf zu spielen. Die zitternden Finger von Jerad, hörten schlagartig damit auf, als er sein geliebtes Instrument in den Händen hielt. Sicherheit überschwemmte seinen Körper, es war sein Element, in dem ihm keiner gefährlich werden konnte. Zarte Klänge erfüllten den Raum, ließen die Leute innehalten. Umschmeichelnd, ins Innere gehend, verfolgten sie ihren Weg.
Berauschend, betörend, wie zarte Finger, die einen in einen Strudel der Leidenschaft zogen. Verführt, der Erregung in die Hände spielend, schien allein der Klang einen Orgasmus bescheren zu können. Der Schauer, der sich durch die Körper der Anwesenden bahnte, ließ diese sich wieder ihren Sexualpartnern zuwenden. Unweigerlich drangen die Geräusche der Lust zu Jerad. Doch erkannte dieser auch die Stimmen der Gequälten, was in ihm ein Feuer entfachte. Es war an der Zeit, dessen war er sich bewusst.
Das Spiel der Geige wurde härter, kam Schlägen gleich, die einige Anwesende zusammenzucken ließ. Hart und unnachgiebig, teilten die Klänge den Raum. Phil stand bei seinen Kollegen, alles Sicherheitsmänner, die ihm zuhörten und tief seufzten. Eine Entscheidung musste her, die ihnen nicht leicht fiel, bis der Erste unmerklich nickte und damit den Anstoß gab. Es war beschlossen und dieser Entschluss kam genau richtig. Gerade als Chi auf Phil zukam, wand dieser sich ab und verschwand zum Hinterausgang.
Mister Chi war irritiert, wies einen der anderen Sicherheitsmänner an, ihm Jerad auf den Bock zu binden. Ein Nicken kam von seinem Gegenüber, das sich sofort auf den Weg machte. Jerad erzitterte, als man ihn aufforderte mitzukommen. Angst erfasste seinen Körper, die Kehle schien zugeschnürt und seine Beine weigerten sich weiterzugehen. Doch der Mann, dessen Hand um seinen Arm lag, war unnachgiebig und zog ihn weiter. Jerads Knie stießen gegen etwas Hartes und sein Oberkörper wurde nach vorne gedrückt, während sich jemand an seiner Hose zu schaffen machte.
Eiskalt fuhr es seinen Rücken hinunter, er war geliefert, sein vor Schreck gelähmter Körper glich einem willigen Stück Fleisch oder gar einer musikalischen Hure, die jeder spielen durfte. Gerade als die Hose über seine Hüfte gezogen wurde, entfernte sich die Person von ihm. Ein Schrei ertönte und Jerad wusste gleich, von wem dieser stammte.
Phil grinste Duncan an, der vor der Hintertür gewartet hatte. „Der Preis stimmt, die anderen machen mit, aber wollen Vergeltung. Jeder von uns musste schon herhalten.“
„Das soll euch überlassen sein; ihr wisst, was ich will.“ Mit diesen Worten ging Duncan hinter Phil her. Zwei Handzeichen später war Chi in der Gewalt seiner ehemaligen Sicherheitsmänner.
Aufregung ging um, eilig zogen sich die Kumpane des Chinesen an und verschwanden aus dem Haus. Einige Sicherheitsmänner befreiten die Lustsklaven aus ihrer Position, während Phil es sich nicht nehmen ließ, Chi auf einen der Böcke zu befestigen.
Kompromittierende Bilder entstanden, die Chi in einem lustvollen Akt mit einem Mann zeigte. Gestellte Fotos sicherlich und doch so echt, dass selbst das gequälte Gesicht von Chi ebenso ein erregtes sein konnte.
Duncan trat zu Jerad, der sich gerade seine Hose schloss. „Das war knapp!“, sprach dieser und sah ihn an. Es war immer wieder verwundernd, wie genau Jerad die Augen seines Gegenübers traf, auch wenn Duncan inzwischen erkannte, dass es eher dem Zufall gleichkam, so zuckten die Augen des Geigers teilweise unsicher. „Knapp, mag sein, aber es ist nichts passiert!“
„Hat dich ja auch einiges gekostet. Machen sie gerade die Bilder?“
Das Grinsen hörte man in Duncans Stimme. „Ja, und die werden ihm das Genick brechen.“
Ein Lächeln zierte jedermanns Gesicht, auch wenn der Scham gerade den Geschäftsmännern im Gesicht stand.
„Wie wäre es mit einem netten Abendessen?“ Sanft streifte Duncans Hand die von Jerad.
„Gerne!“, lächelte dieser und ließ sich hinaus führen. Weg von dem Ort, von dem Mann, der bald alles zerstört hätte. So viel Leid und Kummer, alles sollte vergessen sein.
Der Plan von Duncan war aufgegangen, die kompromittierenden Bilder hatten genau das erreicht, was er sich vorgestellt hatte. So offen wie die Welt auch war, sexuelle Praktiken eines Geschäftsmannes mit seinem Geschlecht waren nicht gerne gesehen. Das geschäftliche Genick war gebrochen, Mister Chi’s Einfluss dahin.
Kapitel 5
Ein halbes Jahr später
Zärtlich umfuhr Jerad die Konturen seines Gegenübers, ließ keine Stelle des Körpers unter ihm aus. Wollte fühlen, riechen und schmecken. Lust hatte sich in seinen Lenden verankert und verlangte nach Erfüllung. Die Lippen befeuchtend erkundete er die Haut, inhalierte den Geruch von Moschus und eine leichte Nuance Tabak. Duncan rekelte sich unter den kundigen Fingern seines Lebensgefährten, der es immer wieder fertigbrachte, seinen Körper einem Flächenbrand nahe zu bringen.
Wohlig wandte er sich unter dem Geiger, flehte mit bebender Stimme nach Erlösung. Gemächlich leckte sich Jerad nach oben, umrandete das Ohr seines Freundes. „Ich habe gerade erst angefangen!“, flüsterte er, während sich sein Glied an des dem anderen rieb. Das brodelnde Feuer in Duncan wurde zu einem Vulkan, der sofort ausbrechen wollte. Unablässig tasteten sich Jerads Hände ihren Weg, reizten die sensibelsten Stellen seines Geliebten.
Immer fester schlossen sich Jerads Lippen um das steil emporragende Glied, während sich die Finger um den Hoden legten. Kribbelnd, fast schmerzhaft, wurde zugepackt, was Impulse in Duncans Körper freigab, welche das Denken unmöglich machten. Flehendes, williges Fleisch, nichts anderes war er nun. Duncan gab jeden Versuch auf, den Geliebten seinerseits zu verführen.
Ergeben, zitternd, um Erlösung flehend - wie sehr Jerad das liebte. Duncan ließ sich fallen, mit Haut, Haar und Verstand. Jerads Erregung stieg rasant, als er die Lusttropfen seines Freundes aufleckte. Reines Aphrodisiakum, was seine Libido steigerte, die sich in Form eines harten, tropfenden Glieds zwischen seinen Beinen bemerkbar machte. Langsam entglitt die stramme Erektion seinem Mund, leckte er ein letztes Mal darüber, um sich dann den Innenseiten der Oberschenkel Duncans zu widmen.
Ein Hauch der Spuren von Jerads Zähnen blieb auf Duncans Haut zurück. Jeder Muskel schien zum Zerreißen gespannt, wollte erbeben und blieb doch ganz still. Zu groß war die Befürchtung, etwas zu verpassen, nicht alles auskosten zu können. Fast nur dem Hauch einer Berührung gleich wurden Duncans Beine aufgefordert, sich anzuwinkeln, was diese direkt und fast hastig taten. Die Gier nach baldiger Erfüllung der Sehnsucht ließ nun doch den Körper unter Jerad erzittern.
Diesem brachte das ein Schmunzeln ein, jedoch nur kurz, denn zu sehr zerrte die Lust an seiner Selbstbeherrschung, wollte frei sein, endlich ausgelebt werden, Erfüllung erfahren. Provokativ richtete sich Jerad auf, führte zwei seiner Finger zwischen die Lippen und umspielte sie lasziv mit der Zunge. Duncan zerging unter dem Anblick, bemerkte nicht einmal, wie sein Freund eine Tube Gel ergriff, diese öffnete und das Gleitmittel auf seinen zuckenden Muskel drückte.
Zu schnell löste der talentierte Geiger die Finger aus dem Mund und führte sie in Duncan ein. Ein Schrei der Erleichterung erfüllte den Raum, gepaart mit der Sehnsucht nach mehr. Die erregte Stimme befeuerte Jerad umso mehr, veranlasste ihn zu einem weiteren, schnellen Wechsel, und dieses Mal drangen keine zwei Finger in Duncan, sondern ein dralles Glied, was seinen Muskel bis zur Schmerzgrenze dehnte.
Was interessierte ihn in diesem Moment der Schmerz, er wollte Erfüllung. „Jerad, schneller!“, forderte er mit bebender Stimme.
Schmunzelnd standen sich Freunde und Bekannte von Duncan gegenüber. Sein Vater zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Es scheint eine Verspätung zu geben“, raunte er verlegen.
Linda konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Unsere Jungs werden so schnell nicht kommen, das weißt du doch, Stephan. Lasst uns feiern, irgendwann tauchen sie schon auf!“
So wurde ohne das Geburtstagskind angestoßen, welches sich ergeben in die Arme seines Geigers schmiegte.
Diese sanften Berührungen, hauchzart und kaum wahrnehmbar. Wie zarte unwirkliche Küsse streiften sie die Stelle unterhalb meines Ohres, hinab zu meinem Nacken, über die Wirbelsäule immer tiefer. Fliegende Finger, die meinen Körper erforschten, dass die Gänsehaut nicht ausblieb.
Mir schienen diese Berührungen so unwirklich, wie intensiv zugleich. Noch nie hatte ich so etwas empfunden. Langsam fuhren Finger an meinen Hüften entlang, umfassten meine Backen und massierten sie. Immer wieder streiften sie meinen zuckenden Muskel, der sehnsüchtig auf eine Dehnung wartete. Doch er musste sich gedulden, die hauchartigen Berührungen verweilten auf anderen Stellen. Nie lange genug, um in die Tiefe zu gehen, und doch zu lange, um unbeachtet zu bleiben.
Ich konnte mich nicht rühren, lag weiter auf meinem Bauch, mein schmerzendes Glied, auf die Matratze gepresst, sehnte sich ebenso nach Aufmerksamkeit. Es schien fast so, als sei ich gefesselt, und doch waren die Glieder frei. Meinen Mund, der das verzweifelte, sehnsuchtsvolle Stöhnen von sich gab, presste ich in die Kissen und hoffte so sehr auf Erlösung. Wollte mich selbst berühren, meinen Hintermann verführen, doch weilte ich der Dinge, die noch kommen sollten.
Jeden Zentimeter meines offen liegenden Körpers Beachtung schenkend, verursachte er mir einen schnellen Herzschlag, ungleichmäßigen Atem und Schweißperlen, die meinen Körper mit einem zarten Glanz versahen.
Abermals fuhren die erahnten Finger zwischen die Spalte meiner Backen, verteilten etwas Feuchtes und Glitschiges. Meine Hüfte zuckte nach oben, rieb mein Glied am Stoff des Bettes und wünschte sich das Eindringen in mein Innerstes. Tief verbunden, reibend, stoßend, nie in meinem Leben hatte ich mich mehr danach gesehnt. Wollte es jetzt, hier, sofort und hart. Unnachgiebige harte, tiefe Stöße, die meine Prostata ins Schwingen bringen würden, während in meinem Glied das Pumpen einsetzte.
Meine Geduld war schon immer von schlechten Eltern, ich hatte diese Eigenschaft nie erlernt. Flehte innerlich, lediglich ein Keuchen und Stöhnen entschwand meinem Mund. So lag ich da, der Willkür meines Hintermannes ausgeliefert, und ersehnte jede Berührung, egal wie kurz sie war. Die Hoffnung auf Erlösung war so nah wie fern. Schwer lag er plötzlich auf mir, das Brennen meines Muskels durchzog mich zuckend.
Keuchend schnappte ich nach Luft, gab mich der Dehnung hin, die mich so unvorbereitet ereilt hatte. Doch wurde mein Wunsch erfüllt, hart und unnachgiebig wurde ich genommen. Zart und liebevoll verwöhnt. Meine Prostata zuckte bei jeder Berührung, gab stromstoßähnliche Impulse an mein Glied ab, das sich in der Enge zwischen mir und dem Bett rieb.
Angespannt bis zu den Zehen, verzehrte ich mich nach dem finalen Stoß. Zarte Küsse benetzten meinen Hals, verursachten immer wieder einen Schauer, der meinen Körper ereilte. Es schien mir fast Absicht, dass er mich über das Laken rieb, um mich selbst zum Höhepunkt zu bringen. Meine Brustwarzen pressten sich in den rauen Stoff, sehnten sich nach der Reibung. Auch mein Glied blieb nicht unbeeindruckt, zeigte es mir mit den erfühlten, feuchten Vorboten der Lust. Mein Puls in schwindelerregender Höhe, keuchte ich nur noch, war nicht mal mehr zu einem Stöhnen fähig. Immer tiefer schien der Hintermann sich in mir zu versenken, gab keinen Ton von sich, allein darauf bedacht mich fliegen zu lassen.
Ich war zitterndes Fleisch, lag gepresst in meine rauen Laken und erfühlte die Vibration meiner Prostata, die sofort Signale in mein Glied sandte und mich mit einem Aufschrei meinen Samen in den Stoff schießen ließ.
Erschöpft, nassgeschwitzt und doch befriedigt wachte ich auf. Nie in meinem Leben hatte ich solch einen Traum, doch wünschte ich ihn mir jederzeit wieder.
Ich war sauer auf mich selbst, schmiss einen Stein nach dem anderen in den See, an dem ich mit meinen Freunden zeltete. Jeder mit Partner, nur ich mal wieder nicht, war ja klar, irgendwie. Wieso ich keinen Partner mitgebracht hatte? Logisch, ich hatte keinen und zudem war ich dermaßen verknallt, dass es auch kein anderer Mann schaffte, sich in mein Blickfeld zu drängen. Kim war seit drei Wochen mit Quinn zusammen, der ihn auch brav jede Nacht zum Schreien brachte. Woher ich das wusste?
Ich hörte es, jede verdammte Nacht, während ich im Nachbarzimmer unserer WG lag und ihnen unfreiwillig lauschte. Schon seit Langem war Kim mein bester Freund; um genau zu sein, bereits seit dem Kindergarten teilten wir den Weg unseres Lebens, mit Aufs und Abs. Dass ich mich in ihn verliebte, war sicherlich nicht geplant, doch seit gut einem Jahr ging er mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, beherrschte meine nächtlichen Träume und meine Gedanken am Tag.
Gerade erst hatte ich mir erste zaghafte Hoffnungen gemacht … und dann kam Quinn. Im Gegensatz zu Kim war dieser groß, breit und braun gebrannt, während mein heimlicher Schwarm gerade einmal 168 Zentimeter maß und bleiche Haut hatte. An seine schmalen Hüften wollte ich nicht denken, sonst hätte sich sofort was in meiner Hose geregt. Die einzige Ähnlichkeit der Beiden waren ihre blonden Haare, welche Quinn sich immer wieder in einem schwarzen Ton färbte. Gut, ich gebe zu, Quinn ist heiß, ein Hengst und sicherlich hätte ich in keinem Darkroom zu ihm nein gesagt, auch wenn ich eigentlich lieber meinen Schwanz in einem Hintern versenkte, war die Vorstellung, von ihm gefüllt zu werden, erregend.
So gern ich Ärsche füllte, war es ab und an auch ein Genuss ihn gefüllt zu bekommen, und die heißeste Vorstellung meiner nächtlichen Träume beinhaltete beides auf einmal. Kim vor mir von Angesicht zu Angesicht und hinter mir Quinn, der mir Laute der Geilheit entlocken würde. Ein toller Traum, der mir schon so manche Nacht versüßt hatte. Scheiß Träume, wenn ich ehrlich zu mir selbst war. Immer wieder fand ein Stein den Weg zum Grund des Sees, der durch den Vollmond erhellt wurde.
Weinen wäre sicher eine Option für diese aussichtslose Lage gewesen, doch als Mädchen abgestempelt zu werden, kam nicht in Frage. Zu viele Freunde hatten sich hier versammelt und einer hätte mich garantiert gesehen. So ertränkte ich weiter wehrlose Steine und hoffte, sie starben einen qualvollen Tod.
Nachdem man mich noch überzeugt hatte, ans Lagerfeuer zu kommen, und ich einige Gläser Whisky meine Kehle hinab laufen lassen hatte, verschwand ich in mein Zelt, um in Selbstmitleid zu versinken oder in heiße Träume, je nachdem, was sich zuerst einstellte.
Schwankend schmiss ich vor dem Zelt meine Schuhe von den Füßen und ließ meine Kleidung auf dem Boden zerstreut liegen, sodass ich nur noch in Boxershorts auf mein Nachtlager krabbelte. Ich hasste zelten und nicht nur, weil meine unerwiderte Liebe direkt neben mir sein Zelt aufgeschlagen hatte, nein. Es war viel zu hart und sicherlich würde ich die Nacht frieren.
So lag ich da und sinnierte, wieso ich zelten hasste, entfernte zwei Spinnen, die gleich auf meine Liste drauf kamen, und kuschelte mich in meinen Schlafsack. Ich musste eingeschlafen sein, als es plötzlich außerhalb von meinem Zelt zu einem Fluchmarathon kam und der Reißverschluss von meinem Nachtlager geöffnet wurde. „Tobias, unser Zelt ist zusammengekracht, dürfen wir zu dir???“, ertönte Kims Stimme, die seine Verlegenheit preisgab.
Grummelnd richtete ich mich auf, suchte im Dunklen nach den Augen meines besten Freundes. „Du links, dein Stecher rechts, hier wird nicht gefickt!“ Ein Lachen hallte von draußen an mein Ohr. „Weil du nichts zu ficken hast, was?“ Schon schob Quinn seinen Freund ins Innere meines Zeltes. Er breitete seinen Schlafsack aus, um sich drauf fallen zu lassen.
„Ja und?
Hast du Bock mir zuzugucken, wenn du Druck hast?“, fauchte ich, hoffentlich in dessen Richtung.
„Bestimmt ein geiler Anblick, doch glaub mir, ich käme schon zum Zuge.“
Ich konnte sein dreckiges Grinsen sehen und merkte, wie mir die Scham die Wangen rötete. Der Alkohol brachte mich zu merkwürdigen Äußerungen und es schien kein Ende zu haben. „Ach, meinst du, ich würde mit dir teilen?“
„Nein, mein Süßer …“ Gefährlich nahe war sein Atem an meinem Gesicht. „Ich würde dir den Arsch aufreißen und dir den Fick deines Lebens bescheren.“
Gut, nach diesem, sicherlich kurzen Schlagabtausch war ich verstummt, zog mich zurück und legte mich hin. Von links schmiegte sich Kim an mich und flüsterte: „Er reißt gerne solche Sprüche, lass dich nicht einschüchtern!“ Dabei krabbelte seine Hand in meinen offenen Schlafsack und legte sich auf meinen Bauch.
Genau das hatte er vor drei Monaten angefangen, sich an mich zu schmiegen, bei mir zu schlafen, seine Begründung: „In der Nacht ist der Mann nicht gern allein.“ So hatte ich mir Hoffnungen gemacht, welche mir von dem Arsch rechts neben mir zunichte gemacht wurden. Ich drehte dem Idioten von Quinn meinen Rücken zu und zog meinerseits Kim in die Arme. „Komischen Freund hast du dir da angelacht“, bemerkte ich ebenso leise wie er zuvor.
„Er fickt aber grandios und liebevoll ist er auch.“
„Wenn du meinst“, antwortete ich und verbiss mir ein: „Ich wäre noch viel mehr für dich!“
Quinn tastete sich plötzlich über meinen Körper und grummelte: „Sagt mal, was treibt ihr beiden da?“
„Ich lege deinen Freund flach, hast du ein Problem damit?“ Wieder so ein unbedachter Spruch, der mir über die Lippen gekommen war, aber irgendwie fühlte es sich gut an.
Ich war noch nie ein offener Mensch gewesen, doch jetzt, wo es aussah, als könnte ich Quinn etwas heimzahlen, nutzte ich das auch gleich aus. So zog ich Kim noch näher an mich und schnappte nach seinen Lippen. Dieser kicherte und ließ ein gespieltes Stöhnen zu Quinns Ohr dringen.
„Ich habe dir was gesagt, Tobi, ich reiß dir den Arsch auf und vögele dich, bis du nur noch nach meinem Schwanz in deinem Arsch verlangst und alle vor mir vergisst.“
Da gab es nicht viele, aber der Gedanke machte mich an. Wie es wohl wäre, wenn sich der Kolben meines Hintermannes in mich rammte und mich aufspießte?
Doch noch eher fragte ich mich, wie es wohl sein würde, mich in Kim zu versenken, seine Haut an meiner zu spüren und seine Lippen vollkommen zu kosten.
„Stehst du auf Quinn?“, ertönte die zarte Stimme von Kim, der mein Gesicht umfasste, wobei ich förmlich seine intensiv grünen Augen vor mir sah. „Eher auf dich, wenn das der Preis ist, um dich haben zu können, könnte ich allerdings gut damit leben.“
Kims Atem stockte erst, um dann bald hektisch zu werden, bevor sich seine Lippen auf meine legten und mir einen atemberaubenden Kuss stahlen.
„Du willst mich?“
„Schon so lange!“
„Nimm ihn!“, hauchte mir Quinn ins Ohr und knabberte daran, während seine Hände sich an meiner Shorts zu schaffen machte. „Und ich nehme dich, wie versprochen!“
Mein Gehirn bekam einen Kurzschluss und die Entscheidung war gefallen. Scheiß auf Ethik und Freundschaft, ich durfte meinen heißen Träumen freien Lauf lassen. Wie bescheuert wäre ich gewesen, es nicht zu tun? Auch an morgen wollte ich da nicht denken, was sollte schon passieren?
Ich würde höchstens meinen besten Freund verlieren … was es mir in diesem Moment wert war. So verschlang ich die Lippen meines besten Freundes, erforschte mit meiner Zunge seine Mundhöhle und rieb meinen inzwischen entblößten Schwanz an seiner ausgebeulten Shorts. Mein Körper fing Feuer und schien sich zu einem ausbrechenden Vulkan zu verwandeln, als sich Quinn mit klitschigen Fingern in mir versenkte.
Verdammt, das würde ich nicht lange aushalten, das war mir bewusst. So riss ich an Kims Unterwäsche, entfernte sie und schob mich über ihn. Quinn drückte mir wortlos eine Tube in die Hand und ich hoffte einfach, dass es Gleitgel war.
„Ich bin so scharf auf dich!“, hauchte ich zwischen zwei Küssen, entfernte mich von Kim und winkelte seine Beine an. Sein Freund hinter mir schob unterdessen seine Finger in meinen Hintereingang und dehnte mich gekonnt, dass es die reinste Folter war, mich dem nicht hinzugeben.
„Quinn, hinter dir ist eine kleine Lampe, mach sie an, ich will Kim sehen!“, presste ich hervor, als er meine Prostata streifte. Kurz darauf erhellte sich das Zelt in sanftem Licht und ließ einen Blick auf uns drei zu. Es war heiß, heißer, nein es war Lava und genau diese schien sich unaufhörlich in uns zu stauen und zum Ausbruch bereit zu machen. Meine Finger benetzt mit Gleitgel, fuhr ich zwischen Kims Beine. „Willst du es wirklich?“, versicherte ich mich.
„Ja, schon viel zu lange!“, stöhnte er, während meine Finger sich den Weg in ihn bahnten.
Verdammt war er eng und so was von bereit. Sein Muskel entspannt, sein Fleisch willig, was wollte ich mehr? Stimmte ja, mich versenken. Auch diesmal war es Quinn, der mir zur Hilfe kam und wortlos ein Gummi über meinen Schwanz rollte. Das Aufreißen der zweiten Packung sagte mir, dass er sich bereit machte und mein Körper reagierte mit einem freudigen Entflammen.
Kim zog seine Beine bis zur Brust und sah mich aus verlangenden, glasigen Augen an. „Nimm mich!“, formten seine Lippen, während er meine Hüfte packte.
Quinn rutschte hinter mich, zwischen meine Beine. Es war ein gemeinsamer Akt der Lust, zeitgleich versenkten Quinn und ich uns. Das Stöhnen war sicher weit außerhalb meines Zeltes zu hören. Wir ergaben uns den Gefühlen, der Sinnlichkeit und unseren schwitzenden Körpern, welche aneinander rieben. Zwischen der Zielgeraden zu einem unglaublichen Orgasmus und dem Herauszögern desselben gefangen, verharrten wir in einer Zwischendimension der Lust.
Quinn hielt sein Versprechen, er rammte sich unaufhörlich in mich, dass ich fast alles um mich vergaß, bis auf Kim, der mir einen Kuss nach dem anderen stahl. Seine glutvollen Augen lagen nur auf mir, kein Mal wechselten sie zu Quinn, der mich wirklich jeden Kerl vergessen ließ, der sich jemals in mir versenkt hatte.
Es war eine Symbiose, Kim, Quinn und ich. Das Gefühl der Vollkommenheit des Aktes schob sich kurz in meine Gedanken, bis ich Kim zum Höhepunkt brachte, sein Muskelring sich zusammenzog und meinen Schwanz zusammenpresste. Durch die Kontraktionen wurde auch mein Loch verengt und ließ Quinn in den Kosmos des Orgasmus eintauchen. Zusammen schrien wir die Erlösung hinaus.
Sterne, grüne Augen und ein weiterer atemberaubender Kuss waren alles, was ich noch wahrnahm. Quinn küsste meinen Nacken, als wir landeten.
„Du bist verdammt geil, Tobi!“, raunte er mir ins Ohr. Ich dagegen küsste Kim, klammerte mich an ihn, wie er sich an mich, als wollten wir uns nie wieder voneinander trennen.
„Verlass mich nicht mehr … bitte Tobi, entfern dich nicht wieder von mir!“, flehte er mich mit wässrigen Augen an.
„Du hast ihm gefehlt, deine Nähe, eure gemeinsame Zeit. Tu ihm das nicht mehr an!“ Auch bei Quinn entdeckte ich den flehenden Unterton. Ich war irritiert, sah beide abwechselnd an. „Ich … ihr beide … also …“
„Wir drei. Du zwischen uns, warst du immer, und es wird immer so sein.“ Das Zwinkern von Quinn nahm ich wahr, dann dass er mich zur Seite rollte, mit dem Rücken an ihm, während ich meinerseits Kim an mich zog. „Wir drei?“, fragte ich immer noch verblüfft.
„Wenn du damit klar kommst, dass ich Quinn auch sehr mag und er dich ebenso, dann ja. Wir drei. In der Nacht ist der Mann nicht gern allein!“
Drei Jahre. Diese Geschichte ist wahrhaftig drei Jahre her und lässt mich noch heute nicht kalt. Wie es heute steht? Nun rechts liegt Quinn und links Kim, so wie damals und ich dazwischen. Es ist kaum zu glauben, dass wir es geschafft haben, ohne Eifersucht, ohne uns zu trennen. Ich liebe beide und weiß, sie lieben mich auch.
Es ist eine Symbiose der Lust, der Liebe und der Zusammengehörigkeit, die ich nie aufgeben würde. Nichts in meinem Leben hat sich je richtiger angefühlt und ich hoffe, dass es ewig so bleibt. Unsere Abenteuer sind legendär, nicht immer zu dritt, nein, aber immer heiß und immer endet es zu dritt im Bett. Denn wir gehören zusammen, bilden eine Einheit.
Ich würde diese Geschichten auch noch gerne erzählen, doch im Moment habe ich keine Zeit. Rechts liegt Quinn und versenkt gerade zwei Finger in mir, während sich Kim über meinen Schwanz hermacht. Was sind da schon Erinnerungen wert, wenn die Gegenwart um so vieles besser ist.
Grinsend sah ich über die männlichen Gäste meines Clubs und spähte nach dem Einen! Seit fast drei Wochen hatte mir ein Mann den Kopf vernebelt, so was von untypisch für mich. Ich, Greg Adler, 32 Jahre alt, musste entdecken, dass es so was wie „Liebe auf den ersten Blick“ gab. Kaum zu glauben, fickte ich doch sonst alles, was nicht bei drei auf den Bäumen oder mit einem anderen Kerl im Darkroom war.
Doch das hatte sich jetzt geändert. Kein Mann schien mehr interessant, kein Arsch reizvoll genug, nur der des Mannes, der in meinem Blickfeld erschien. Schmal, eine fast sanfte Figur, etwas zu langes braunes Haar und die atemberaubendsten grünen Augen, die ich je sehen durfte. Sein Name war mir unbekannt, er schien kein Mann großer Worte zu sein und doch war der Blickaustausch seit drei Wochen regelmäßig.
Wie gerne wäre ich auf ihn zugegangen und hätte ihn mir geschnappt, jedoch hatte ich eine Eigenart, die mich zögern ließ. Ich hasste es, wenn mein Sexualpartner beim Sex sprach oder andere Geräusche von sich gab. Es turnte mich ab, wenn sie schrien und keuchten, als wenn es keinen Morgen mehr gab. Dabei kam bei mir die Erinnerung von Schlachtvieh hoch, welches mein Großvater als Schlachter immer umbrachte.
Gerade bei Schweinen war es ein ohrenbetäubendes Geräusch. Sie grunzten, quiekten, bis der erlösende Schuss kam. Großvater sagte, ein echter Mann müsse dabei sein und so blieb ich jedes Mal stehen.
Sah wie das Schwein an den Fesseln aufgehängt wurde und ausblutete … Auf diese Bilder verzichte ich gerne, gerade bei einer Vereinigung. Doch leider störte das viele Männer, sie fanden es erotisch und anturnend. Somit war ich mit meinen 32 Jahren immer noch Single, obwohl ich mir nichts sehnlicher herbeiwünschte als einen Mann an meiner Seite. Der mit mir durch das Leben geht, an meiner Seite ist und mit dem ich alles teilen kann.
Genau diesen hatte ich ausgemacht und entdeckte meine schüchterne Seite, es war schon lächerlich. Ein gestandener Mann von gut 180 Zentimetern brachte es nicht fertig, zu einem anderen zu gehen, um sein Interesse zu bekunden. „Jetzt geh!“, feuerte ich mich selbst an und war froh, dass die Musik so laut dröhnte, damit es keiner mitbekam. Langsam, darauf bedacht nicht allzu sehr aufzufallen, versuchte ich in die Nähe meines braunhaarigen Engels zu kommen, was mir leider misslang.
Zu bekannt war mein Gesicht und zu anziehend mein Äußeres oder gar der Inhalt meines Geldbeutels, wie man es sah. Adrenalin überflutete meinen Körper, ließ mich voller Tatendrang die Gäste ignorieren und auf meinen Auserwählten zugehen. Langsam glitten meine Hände um dessen Hüfte, die ich mit meiner im Takt der Musik zusammen führte.
„Seit Wochen sehe ich dich …“, hauchte ich ihm ins Ohr, „weiß nie, was ich sagen soll. Doch heute Nacht sollst du mir gehören, nur eine Bedingung habe ich, keinen Ton!“ Er wandte sich in meinen Armen um, sah mir tief in die Augen und nickte.
Kein Laut kam über seine Lippen, einzig die Kopfbewegung zeigte sein Einverständnis. Dieser Mann war eindeutig zu schade für den Darkroom. Ich dachte nicht weiter nach, tastete nach seiner Hand und führte ihn in meine Privaträume. Meine kleine Wohnung, mit gerade einem Schlafzimmer, Bad, Küche und Wohnzimmer, aber es war ausreichend, lebte ich doch nur für den Club. Niemals hatte ich bisher einen Mann mit hierher genommen, doch dieser war anders. Still und mit einem Blick in den Augen, der mir sagte, er war was Besonderes.
Kaum die Türe hinter mir geschlossen, stand er vor mir, schnappte mit seinen nach meinen Lippen und verführte mich zu einem Duell der Sinne. Der Geruch meines Gegenübers, der Geschmack und die Berührungen waren so intensiv, so übernatürlich speziell, dass ich eindeutig mehr davon wollte. Erdbeeren gezuckert mit einer sanften Note von Honig, überzogen von dem Geruch einer Rose und der Hauch einer Feder umgaben mich.
Meine Sinne waren überfordert, zu viele Eindrücke, die mich überfielen und willenlos machten. Das erste Mal in meinem Leben gab ich die Kontrolle ab, ließ mich fallen und wurde aufgefangen. Blindes Vertrauen konnte einem das Genick brechen, doch ER schien mich in Watte hüllen zu wollen. Ich kam mir vor wie auf einer Wolke, schwerelos und leicht. Was war nur mit mir los? Zarte Bisse begleiteten die Entkleidung meines Körpers, dass mir die Haare zu Berge standen.
Meine Kniekehle am Bettgestell ließ mich zurücksinken und ich fragte mich, wann wir hierher gegangen waren. Grüne Augen beobachteten jede Bewegung und Regung von mir, ließen mich nicht unbeobachtet.
Die Lust schoss mir in Lichtgeschwindigkeit in meinen Schwanz und brachte mich dazu, alles zu vergessen. Einzig das Hier und Jetzt zählte, die Berührungen und Empfindungen. Die Lippen, die sich unumwunden um mein Glied legten und die Zunge, die dieses umschmeichelte. Mir blieb jeder Ton im Halse stecken, zu berauscht war ich von den Gefühlen.
Tief sog er mich auf, dessen Namen ich immer noch nicht wusste, doch diese Tatsache hatte in dem Moment keinen Platz in meinen Gehirnwindungen. Der feste Griff um meine Hoden, die Hand an meinem zuckenden Muskel, sorgte für eine Reizüberflutung. Irgendwas hatte mein braunhaariger Engel falsch verstanden, ich ließ mich nie …
Gedanken und eigentliche Tatsachen waren egal geworden, als sein Finger in mich eindrang und sofort den richtigen Punkt traf, der mich um mehr flehen ließ. Ich wollte ihn ganz und gar und mich das dritte Mal in meinem Leben nicht in den Mann meiner Begierde versenken. Langsam kroch er über mich, benetzte meine Haut mit Küssen und sanften Bissen, bis er an meinen Lippen angelangt war.
Sein Blick sagte alles und ich griff zu meiner Nachttischschublade. Erst jetzt bemerkte ich das Zittern meiner Hände, den rasenden Herzschlag und die Schnappatmung. Was machte dieser Mann mit mir?
Doch kaum in seine Augen geblickt, vergaß ich alles um mich rum.
Es war wie eine Hypnose, die mich dazu veranlasste, ihm das gewünschte auszuhändigen, meine Beine zu öffnen und mich ihm zu präsentieren. Seine Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln, schnappten abermals nach meinen und verführten mich ein zweites Mal.
Ließ meine Gedanken verstummen und meinen Körper nur noch willenlos fühlen. Die Dehnung meines Muskelrings, war weder schmerzhaft noch unangenehm, es war nur noch berauschend und ließ mich bald fliegen. Mein ganzer Leib erzitterte, ein Schweißfilm aus kleinen glänzenden Perlen überzog unsere Körper, als ich mich kurz verlassen fühlte. Doch nur Sekunden später drang er mit seinem Glied in mich ein und sah mir dabei in meine verhangenen Augen, die ich kaum noch geöffnet halten konnte.
Übermannten mich Gefühle, die ich nicht zu definieren wusste. Es war zu überwältigend, zu intensiv und erfüllend. Es waren meine Laute, die den Raum fluteten und um Erlösung flehten. Immer tiefer rammte er seinen Schwanz in mich, traf den empfindlichsten Punkt immer wieder und schoss mich somit ab. Sterne um mich rum, die Erde unter mir, begann ich zu fliegen, hob ab und wollte nie wieder landen.
Von weiter Ferne spürte ich ihn mir folgen, ohne Gegrunze und Geschrei, schweigend, den Mund leicht geöffnet, erklomm er den Gipfel der Lust. Welch ein Anblick, der mir einen weiteren Flug bescherte. Schwer atmend landeten wir und sahen uns einfach weiter an. Mein Herz pochte in einem merkwürdigen Takt, der mich bald wieder Sterne sehen ließ, doch stattdessen einen Wirbelsturm in meinem Magen auslöste.
Mir wurde schlecht, alles drehte sich und ich wand mich unter meinem Bettgenossen hervor. Die Kloschüssel, mein Freund in solchen Stunden, nahm entgegen, was ich zu geben hatte.
Leise vernahm ich das Zuziehen der Türe und sackte vor der Schüssel zusammen. Der Sturm in meinem Magen verteilte seinen Hagel und ließ mich Schmerz empfinden. Was war nur mit mir los? Ach ja, die Sache mit der „Liebe auf den ersten Blick“, grausames, verteufeltes Gefühl, welches ich in dem Moment nur noch ertränken wollte und dann auch tat. Whisky floss meine Kehle hinab, betäubte jedoch nur schwach das flaue Gefühl in meinem Magen und meiner Brust.
Ich hatte mich verloren … in grüne Augen und braunem Haar. Kein Name, kein Wohnort, ich war im Arsch und der brannte auch noch, dass ich nicht wagte, auf einem Hocker Platz zu nehmen. Ich hatte mich ficken lassen und war weggeworfen worden wie eine Bananenschale. Es rutschte keiner auf mir aus und doch fühlte ich mich zertreten und zerquetscht.
Wie sollte ich einen Mann wieder finden, der mich scheinbar nur flachlegen wollte und dann wortlos verschwand? Es dauerte zwei Tage, bis ich ihm wieder gegenüberstand. Mein Herz pochte so stark gegen meine Brust, dass es dem Bass der Boxen Konkurrenz machte. Wortlos sah er mir in die Augen und ich erkannte, was er wollte. Willenlos ließ ich mich mitziehen, doch dieses Mal war ich es, der verführen durfte.
Seinen Körper erkunden, jede einzelne Stelle schmecken und seinen Schwanz in das Innere meiner Mundhöhle gleiten lassen. Den Geschmack seiner selbst, angehaucht mit gezuckerten Erdbeeren und den Hauch von Honig, fand ich auch hier. Während sich meine Finger mit seinem Inneren bekannt machten, schmeckte ich ihn und wollte nur noch mehr.
Sein Körper bebte unter meinen Fingern, drückte sich mir entgegen und doch kam kein Ton.
Eine himmlische Ruhe erfüllte den Raum, was mich erregt aufseufzen ließ. Ich entließ sein Glied und schob mich über seinen Körper nach oben. „Du machst mich verrückt“, hauchte ich auf seine Lippen. „Sag mir deinen Namen!“, flehte ich ihn an, doch seine lustverhangenen Augen ließen mich bezweifeln, dass er es wahrgenommen hatte. Seine Beine umschlangen meine Hüfte und zogen mich näher.
Wie von selbst fanden sich mein Glied und sein zuckender Muskel, der sich bereitwillig öffnete und mich willkommen hieß. So eng, so intensiv war diese Vereinigung, dass ich mich vergaß. Immer tiefer drang ich in ihn ein, verwöhnte seine Lippen und drang zwischen sie. Vollkommene Vereinigung, nicht anders war es zu beschreiben.
Als der Körper unter mir verkrampfte, der Rücken sich durchstreckte, umschloss sein Innerstes mich und zusammen flogen wir. Es kam einer Mondmission gleich und ich wünschte mir, im Weltall bleiben zu dürfen. Die Sterne um uns rum, die Erde unter, die Sonne über uns. Ich wollte nie wieder landen, wollte diesen Engel in meinen Armen wissen und niemals mehr loslassen. „Bleib hier!“, hauchte ich in sein Ohr, beim Heimflug auf die Erde.
„Ein Wort und ich werde dir gehören.“
Seine großen braunen Augen sahen mich an, ich meinte die gleichen Gefühle zu erkennen, bis er sie schloss und wir gnadenlos auf dem Boden aufschlugen. Ein Hauch von einem Kuss, ein sanftes Streicheln meiner Wange, dann stand er auf, zog sich an und verschwand.
Ich blieb liegen, starrte zur Decke und fragte mich, was falsch gelaufen war. Mein Körper war geschwächt, hielt das zerrissene Gefühl nicht mehr aus, es schmerzte und ließ mich einer ungesunden Ernährung frönen. Und als mein unbekannter Engel zwei Tage später wieder vor mir stand, hatte ich mir fest vorgenommen ihn wegzuschicken, doch ein Blick reichte. Ich war Wachs in seinen Händen, verlor Verstand und Herz an ihn.
Es schien immer intensiver zu werden, das Schweigen seiner Lippen ließ mich verzweifeln. Gab es vor Tagen nichts Schlimmeres, als wenn ein Mann sich mit Akustik dem sexuellen Akt hingab, wünschte ich es mir bei ihm bald. Ich wollte seinen Namen erfahren, sein Ja hören, dass er bleiben würde, doch es kam nichts. Mein Verstand in den Weiten der Lust verschollen, gab ich mich ihm hin, ihm, dem Engel mit den braunen Haaren.
Jeder Orgasmus brachte uns mehr der Grenze des Weltalls nahe, aneinander geschmiegt, festhaltend und vereint. Abermals küsste er mich zart, streifte meine Wange und stand auf. Mein Verstand rannte zu mir zurück und ließ mich nach dem Mann meines Herzens greifen. „Sag mir deinen Namen und bleib!“ Das sanfte Lächeln, sein gesenkter Blick, brachte mein Herz zum Krampfen. „Ich möchte nur deinen Namen wissen und einmal deine Stimme wahrnehmen, ist das zu viel verlangt?
Wenn ja, dann geh und komm nicht zurück!“
Da er keine Anstalten machte, ein Wort zu sagen, schob ich ihn aus meiner Wohnung, um dann am Türblatt hinab zu gleiten. Meine Augen wässrig, schluckte ich alles hinab, keine Schwäche zeigen, einfach aufstehen und weiter machen. Wer aufgibt ist schwach!
Eine Woche, ich schaffte es wirklich eine Woche lang, seinen Blicken auszuweichen, seinen Berührungen zu entkommen, doch dann wurde ich von einem blonden Adonis an die Wand geschmissen und mir gingen die Lichter aus. Als ich erwachte, war ich in meinen Privaträumen. Verschwommen nahm ich den Adonis und meinen braunhaarigen Engel wahr.
Wild gestikulierend standen sie da und ich war mir sicher, mein Gehör über diesen Überfall verloren zu haben. Plötzlich vernahm ich jedoch Adonis’ Stimme. „Ich hatte nicht vor, ihm einen Knockout zu verpassen, es ist versehentlich passiert!“ Grüne Augen funkelten ihn böse an, als der Besitzer auch schon die Arme hob und merkwürdige Bewegungen mit seinen Fingern fabrizierte.
„Ich werde mich entschuldigen, kein Ding, aber erst reden wir mit ihm. Noch länger sehe ich nicht zu, wie du darunter leidest. Sam, bitte!“
Sam? Sam! Mein Auserwählter hatte einen Namen erhalten. Der schüttelte vehement den Kopf.
„Du bist sturer wie jeder Esel. Ich bleibe hier und werde es ihm erklären.“ Sams Kopf sackte nach vorne, eine glitzernde Perle rollte über seine Wange und wieder Gestiken, die dem anderen was zu sagen schienen.
„Du hast dich sicher nicht geirrt. Er bat dich zu bleiben, jetzt warte gefälligst ab, bis er …“ Adonis sah zu mir. „Oh du bist wach. Hey, ich bin Gabriel und möchte mich für meinen Übergriff erst einmal entschuldigen!“
Ich runzelte nur die Stirn und nickte, als mir ein Schmerz durch meinen Kopf schoss. „Wieso?“, brachte ich dann heraus. Gabriel seufzte, wartete ab, dass ich mich hinsetzte und nahm neben mir Platz.
„Eigentlich wollte ich dich nur zurück drücken, aber mich hatte etwas die Wut gepackt. Mein Bruder Sam hier hat etwas erzählt von einer Liaison zwischen euch, ist das wahr?“
Mein Blick wanderte zu Sam, der jedoch zum Boden sah und mit einem Fuß Streifen in meinen Teppich malte. „Das ist richtig.“
„Und du hast ihn vor einer Woche einfach abserviert, korrekt?“ Die Zornesfalte auf Gabriels Stirn nahm ich wahr. Eigentlich hätte ich geschwiegen, war ich vorher schon oft in solche Situationen geraten, wo ich einen Kerl flach gelegt hatte, der mehr wollte, doch hier war es andersrum.
„Nicht einfach abserviert. Ich wollte seinen Namen erfahren und dass er bleibt, doch beides hat er verweigert. Ich meine, es ist doch nicht zu viel verlangt, dass er mal was sagt, oder? Also ich finde nicht …“
Ich redete mich in Rage, bis mir Gabriels hochgezogene Augenbrauen auffielen und sein unterdrücktes Lachen, was ihm einen Schlag von Sam bescherte. „Au Sam, hör auf. Das ist hier amüsant, ehrlich!“
Der Angesprochene gestikulierte wieder und seine Miene verriet sein Missfallen. „Darf ich ihn aufklären? Er scheint es immer noch nicht verstanden zu haben!“ Das Lachen war nun eindeutig in Gabriels Stimme, was seinen Bruder ergeben nicken ließ. Was war hier los, was hatte ich verpasst? „Greg, richtig?“ Ich nickte bejahend. „Ich weiß ehrlich nicht, wie dir das entgehen konnte, allerdings ist deine Forderung an Sam wirklich zu viel verlangt. Er ist stumm!“
Stumm … dieses Wort hallte in meinem Kopf und wollte dort keinen Anklang finden. Stumm …Stummheit (lat. mutitas Stummheit; mutus stumm) ist ein entweder körperlich oder kognitiv bedingter Zustand, in dem sich ein Lebewesen nicht mit Lauten beziehungsweise mittels der Lautsprache artikulieren kann, obwohl es im Regelfall bei der Art möglich sein sollte.
Beim Menschen bezeichnet der Ausdruck in erster Linie das Unvermögen zu sprechen. Gut, mein Kopf arbeitete noch … doch das, was es bedeuten sollte, sickerte nicht weiter. „Er kann nicht sprechen, du wirst niemals einen Laut von ihm wahrnehmen können. Sam hat keine Stimmbänder. Verstehst du das?“
Taub war ich nun mal nicht, lediglich mein Verstand ließ mich etwas im Stich. „Oh!“ Eine sehr geistreiche Aussage, die sicherlich informativ war ... zumindest für Sam, der verschwand.
Auch wenn ich geistig nicht ganz auf der Höhe war, eins stand fest, Sam gehörte mir und weglaufen war keine Option. So sprang ich auf und rannte ihm hinterher. Vor dem Club hatte ich ihn eingeholt, umfasste sein Gesicht und hauchte zwei federleichte Küsse auf seine berauschenden Lippen. „Du hättest es mir sagen können!“, entfuhr es mir und ließ Sam schief schauen. Beide lachten wir los, hielten uns in den Armen und lachten, ich laut, er stumm.
Dies alles ist schon drei Jahre her. Meine Ängste wegen seiner Stummheit hatten sich bald aufgelöst. Ich eignete mir in einem Jahr die Gebärdensprache an, die ich jedoch bis heute nicht perfekt beherrsche, woraus sich Sam jedes Mal einen Spaß macht. Doch eins ist mir seither klar, Sprechen wird überbewertet. Ohne Worte geht es auch.
Ich habe dich, trage deinen Körper in mein Versteck. Es dauert nicht lange, bis du wieder zur Besinnung kommst, ich habe dir nicht viel gespritzt. Nur so viel wie nötig. Dein Blick endet in meinem, deine Augen weiten sich überrascht und doch bleibst du still. Ich weiß, dass es eine unvergessliche Nacht für dich werden wird. Gehofft, aber nicht für möglich gehalten, bleibst du ruhig, ein Lächeln erscheint auf deinen roten Lippen und deine Augen zeigen mir, dass ich weitermachen darf.
Klopfenden Herzens vertraust du mir deinen Körper an, der, wie unter Strom stehend, auf das Kommende wartet. Langsam fange ich an dich von dem Oberteil zu befreien, entkleide dich bis auf die Haut. Pure Haut, die sich mir zeigt, so sanft, so weich. Ich führe dich ans Ende des Raumes. Meine Finger umschließen deine Handgelenke, führen diese nach oben. Du lässt mich gewähren. Werde dich nun fesseln und du hoffst auf die Erfüllung deiner Lust. Kaum in Ketten gelegt, die an der Wand befestigt sind, gleiten meine Fingerspitzen über deine Arme, hinunter zu den Achselhöhlen, weiter hinab an deinen Seiten entlang.
Eine Gänsehaut überzieht dich, jedes Härchen stellt sich auf. Du zitterst unter den Berührungen, bewegst dich leicht von mir weg, um dich mir dann noch mehr hinzugeben. Welch Zwiespalt. Dein nackter Körper bebt und verlangt nach mehr, will mich spüren. Ich umarme dich von hinten, fasse an deine Brustwarzen und drücke sie leicht zusammen. Zwirbele sie, ziehe an ihnen, höre dein sanftes Stöhnen.
Die Lust entweicht deiner Kehle, will mehr, lässt es mich verstehen. Ich fahre über deinen Bauch, berühre die Leisten, spiele mit dir. Berühre dich sanft, nicht zu intim, und doch springst du augenblicklich darauf an. Windest dich wieder, willst, dass ich dich in deiner Mitte berühre. Warte ab, lass mir Zeit. „Ich bin dein Traum. Lange habe ich gebraucht, damit ich diesem Traum gleichkomme. Ich will, dass du mir verfällst und mich an dir walten lässt. Du träumst schon so lange davon, und die Gefahr, mit der du spielen willst, ist nun da. Ganz ohne Qualen wird es nicht gehen, doch werden die deinigen lieblich und erwünscht sein.“
„Jack?!“ Frage oder Feststellung, ich vermag es nicht zu deuten, lass ein Lächeln auf den Lippen erscheinen, was dir Antwort genug sein sollte. Immer wieder vermeide ich das Ziel, umgehe die Region, die vor Lust fast zerfließt. Höre dich seufzen, vor Frust und Erregung. Wie nah es doch beieinanderliegt. Doch werde ich dir zeigen, dass ich dich nicht im Geringsten so befriedigen muss, wie du es dir vorstellst, um dir eine unvergessliche Nacht zu bereiten. Du wirst den Orgasmus deines Lebens erfahren, ohne dass ich mich in dir versenke.
Ohne, dass ich befriedigt bin. Denn das ist nicht von Belang, ich stehe nicht im Mittelpunkt, einzig du. Du und dein Körper, der vor Verlangen zergeht. Sich biegt und versteift, windet und innehält. Fahre dir durchs Haar, genieße dieses Gefühl unter den Fingern. Will es mit dir erleben, will dich keuchen hören, zerspringen sehen. Liebkose deinen Nacken, umgarne die Ohren, flüstere dir hinein. Abermals überfällt dich eine Gänsehaut, dein Blick ist verschleiert, der Körper voller Erwartung gespannt.
Lasse die Finger über dein Rückgrat wandern, hinab zum Hintern, so wundervoll ist er. Streiche zärtlich darüber, fahre den schmalen Weg hinab. Spüre deine Anspannung, weiß, dass du jede Berührung ersehnst. Gleite hindurch, wandere weiter, meine Hände trennen sich, eben noch zusammen, teilen sie sich nun und fahren je ein Bein für sich nach. Langsam bilden sich Schweißperlen auf deinem Körper, er ist angespannt und überreizt, wartet sehnsüchtig.
Ich arbeite mich hoch, unter dem wohlgeformten Hintern treffen sich die Hände wieder, fahren durch den schmalen Weg zwischen deinen Backen hinauf, das Rückgrat hoch. Meine Zunge liebkost abermals dein Ohr, ich flüstere dir hinein, was du hören möchtest. Du siehst deine Träume erfüllt. „Ich versenke mich in dir, heiß und hart, schnell und sanft, treffe den gewissen Punkt, bei dem du dich aufbäumst und nach noch mehr verlangst.“ Nur ein Hauch meiner Stimme dringt zu dir.
Spiele mit deinen Brustwarzen, lasse sie teilhaben an unserem Spiel und liebkose deine Lippen. Spürst du es? Ganz tief in dir, so zärtlich wie auch hart, so sanft wie gleichzeitig rau. Alles in einer Person bin ich, aus deinen Träumen entsprungen, nur um dir Glück zu bereiten. Dein Puls jagt in die Höhe, dein Herz arbeitet auf Hochtouren. Will sich überschlagen, möchte diese Anspannung verlieren. Doch noch brauchen wir etwas, gib mir noch etwas Zeit.
Ich greife in meine Hosentasche, ertaste dort eine Nadel, lasse diese über deine Haut fahren. Nein, es schmerzt dich nicht, oder? Du schaust mich mit glasigen Augen an, ich kenne keinen Vergleich zu der Farbe deiner Iris. So wundervoll, so intensiv. Tu mir nicht weh, geben deine Lippen stumm von sich.
Dir wehtun? Niemals, so bedeutest du mir die Welt für diese eine Nacht. Ich habe alles getan, um dein Traum zu sein, ich kann diese Art nicht fortführen, das sollte dir bewusst sein. Bin weder der eine noch der andere, den du kennst. „Du kennst mich als Chatpartner, als dein Date seit Wochen, und doch bin ich ein anderer. Der Mörder, die Bestie, das Grauen der Menschheit“, flüstere ich dir zu. Erwarte dein ängstliches Gesicht, Verspannung, das Abflauen deiner Lust. Doch nichts dergleichen passiert.
Lese ich richtig und dir ist es bewusst gewesen? Meine Finger sinken in deine Leisten, massieren und feuern so die Lust an. Du zuckst unaufhörlich, willst, dass ich weiter in deine Region vordringe, doch ich lasse dich in deiner Lust dahinvegetieren. Ohne Qual kann es nicht gehen, das musst auch du verstehen. Immer wieder streifen meine Finger deine Leiste entlang, führen kreisende Bewegungen aus. Du stöhnst, deine Lust ist mehr denn je entfacht.
Immer wieder bäumt sich dein Körper auf, presst sich an meinen, reibt sich an mir. Ich lasse dir dieses Vergnügen, höre es an deinem Stöhnen. Es dauert nicht mehr lange, so schürt deine Angst deine Lust. Ich habe Macht über dich, habe so mancher Hülle das Leben ausgehaucht, könnte es auch jederzeit mit dir tun, und doch wolltest du das Abenteuer. Du weißt, wer ich bin, bist dir dessen bewusst, ich kann es sehen.
Drückst dich noch mehr an mich, reibst dein Gesäß an mir und dein Herz scheint kurz vor einem Überschlag zu stehen. Noch ein wenig mehr Schweiß kommt aus den Poren, dein Körper ist umhüllt von einer glasigen Schicht. Dein Puls in ungeahnten Höhen lässt dich bald fliegen. Ich muss mich im Zaum halten, darf nicht nach der Schlinge in meiner Gesäßtasche greifen und würde es doch so gerne.
„Lass dich fallen!“, hauche ich in dein Ohr. Hauche weitere Fantasien, die dich noch mehr keuchen lassen, habe dich bald so weit. Beiße zärtlich in deinen Nacken und lasse dich spüren, wer ich bin. Ich bin ein Mörder, ein skrupelloses Geschöpf, und doch hast du dich auf mich eingelassen. Spürst du die Hände an deinem Nacken? Sie wandern hinab zu den Brustwarzen, zwirbeln diese wieder, gleiten hinab zu deiner Leiste. Geschickt umspiele ich dein Zentrum, stöhne für mich.
Immer wieder will ich deinen Hals umfassen, will dich röcheln hören, doch nur ein Stöhnen entweicht dir, ohne dass ich mich in dir versenke. Meine Finger gleiten wieder über deinen Po, wandern die enge Spalte entlang, entlocken dir ein Stöhnen. „Tief, fest und unnachgiebig!“, stöhne ich in dein Ohr und du bäumst dich auf, verspannst dich und sackst kurz danach zusammen. Hektisch geht der Atem, deine verklärten Augen sehen mich an. „Ich lebe!“
„Du weißt, wer ich bin, und trotzdem eröffnest du mir deine Wünsche. Herausgefordert von einem Mann, der nicht weiß, was wahre Qual ist.“ Irgendwer wird dich retten, und wenn nicht …
Ich bin ein Mörder, kein Retter.
Verheißungsvoll sind deine Blicke. Fühlen sich an wie Feuer auf meiner Haut und doch weiß ich, sie gelten nicht mir. Sehne mich danach, dich zu spüren, dir nahe zu sein, mehr als nur Freundschaft. Doch dein Herz schlägt nicht im Takt des meinen, will nicht im Einklang sein. Schwungvoll gleitet eine junge Frau auf deinen Schoß, schmiegt ihr Gesicht an deine Brust, darf dir nahe sein, während ich hier stehe und mich verzehre. Wieso nur ich, wieso nur du? Ich will keine Gefühle für dich haben, möchte mich nicht nach dir sehnen. Schwer genug ist mein Schicksal, einer unerwiderten Liebe nachzutrauern. Woher ich weiß, dass du mich nicht liebst? Du bist mein bester Freund, mein Seelenverwandter, mein Blutsbruder.
***
Langsam gleitet mein Blick zu dir. Verträumt siehst du aus. Welche Welt dich auch entführt hat, sie hat solch ein Glück dich begrüßen zu dürfen. Die Sehnsucht in mir ist nicht aufzuwiegen, zerfrisst mich, lässt das Blut in meinen Adern sich wie heiße Lava anfühlen. Schein wahren, sag ich mir immer wieder. Meine Hand gleitet um die schmale Taille der Frau auf meinem Schoß und doch sehe ich nur dich.
Deine bezaubernden grünen Augen, dein zartes blondes Haar. Du siehst einfach perfekt aus, die enge Jeans, die sich um deine strammen Beine schmiegen, das T-Shirt, das mehr zeigt, als zu verbergen. Doch bist du mir nicht vergönnt. Du, mein Seelenverwandter, mein Blutsbruder, mein bester Freund, der die Liebe nicht erkennt, obwohl sie vor ihm steht. So verträumt, wie du in die Ferne siehst, schmerzt es mich, dass ich nicht der Grund dafür sein darf.
Wäre so gerne jede Sekunde in deinen Gedanken, würde sie beherrschen und verwöhnen. Zärtlich meine Lippen über deine Haut gleiten lassen, meine Finger würden dich ertasten. Gereizte, hitzige Haut unter meiner zu spüren, als wäre es ein Traum. Begehren würde ich deinen Körper, verwöhnen deinen Geist. Die Töne aus deinem Inneren wären verzückend, ließen meine Härte emporragen und einen inneren Orgasmus erzeugen, dass ich den äußeren nur schwerlich in mir behalten könnte.
Langsam würde der Schweiß aus deinen Poren perlen, der Duft mich betören. Immer mehr zieht es in meiner Leiste, unruhig geworden, werfe ich die falsche Blondine von meinem Schoß. Kann sie nicht länger bei mir ertragen, möchte nicht ihre klebrige Haut ertasten. Zu parfümiert und künstlich. Frauen können mich nicht reizen, seitdem ich deinen Duft das erste Mal wahrgenommen habe. Deine Wärme sich um mich schmiegte und der Hauch deines Atems meine Sinne geschärft hat. Vertrauen, Geborgenheit und Liebe, all das schenke ich dir, doch du merkst es nicht.
Erwiderst meine Blicke nicht, lässt mich nicht an deinen Gedanken teilhaben oder einer von diesen sein. Langsamen Schrittes trete ich auf dich zu, bewundere dein kantiges Gesicht, das mich lockt. Deine Lippen, die leicht glänzen und nach mir verlangen, wenn du es nur zulassen würdest.
***
Wenn ich es nicht besser wüsste, mein Schwur wäre der, dass du mich siehst. Die Glut deines Blickes mir gebührt und deine Fantasien sich meiner annehmen. Sehe, wie du sie von dir stößt, langsamen Schrittes zu mir kommst. Es erscheint mir wie die Kunst des Verführens, und doch weiß ich, das ist es nicht. Meine Mundwinkel gehen sanft nach oben, mein rechtes Auge kneift sich kurz zusammen. Nicht dein Typ?, entfährt es meinem Inneren. Dein Blick geht zu der Frau, die noch eben deinen Schoß besetzt hat.
„Also bitte, kennst du mich nicht besser?“, grinst du mir zu, legst einen Arm freundschaftlich um meine Schulter und ziehst mich an dich ran.
Welche Qual, mein Herz schlägt, nein überschlägt sich bald, während ein unsichtbares Band es erdrosseln will. Wohlige Wärme, der Freundschaft entsprungen, quält mich, lässt mich erzittern. „Zu künstlich, dachte ich mir schon“, beantworte ich deine Frage und atme deinen berauschenden Duft ein. Wer braucht schon Alkohol oder andere Drogen, wenn er jemanden wie dich an der Seite hat?
Welcher Rausch könnte schöner und intensiver sein? Ich kenne keinen! „Auch … sie sagt mir nicht zu. Hast du schon was entdeckt?“ Dein Blick endet in meinem, nein, geht viel tiefer, scheint mein Innerstes zu durchforsten. Was hast du vor? Suchst du was?
Ich würde dich gerne fragen, doch meine Lippen sind versiegelt, ich gebe mich diesem Augenblick hin. Er ist so real, nur ich habe deine Aufmerksamkeit, es erscheint so innig, so vertraut, so viel mehr.
„Ich möchte heim!“ Es ist nur ein Hauch, der deine Lippen verlässt. Hast du so viel getrunken? Das kann nicht sein, wir sind zusammen vor drei Stunden angekommen, ich habe nur vier Bier gezählt.
„Geht es dir nicht gut?“ Langsam gleitet meine Hand über deinen Rücken, ertastet deine Muskeln und legt sich freundschaftlich auf deine Schulter. „Alan, bring mich heim!“ Keine Antwort, und doch sagen mir deine Augen, du willst wirklich nicht hier verweilen. Was ist nur los? Meine Gedanken sind verwirrt, aber es lenkt mich ab.
***
Du nickst und bahnst dir den Weg mit mir nach draußen. Ich will dich nicht mehr teilen, keiner soll dich sehen. Du gehörst doch mir. Mein bester Freund, Seelenverwandter, Blutsbruder und die Liebe meines Lebens. Steil ist die Sorgenfalte auf deiner Stirn, während du mich zum Auto führst. Wie gern wäre ich deine Eroberung, selbst wenn ich mir dafür Make-up und dieses süßliche Parfüm antun müsste. Wegen dir würde ich kichern oder was auch immer dich an Frauen anmacht. Für dich würde ich alles tun.
Dein Blick ist mir nicht mehr vergönnt, allein muss ich zur Beifahrertür, dabei will ich doch nur deine Prinzessin sein, obwohl ich ein Prinz bin. Welche Gedanken mir da kommen, sehe mich selbst im Kleid.
Das ginge wohl doch zu weit. Hätte den Schnaps nicht trinken sollen, doch ich fühlte mich leer, als du weg warst. Ganze 30 Minuten hast du mich allein gelassen, ohne Aufsicht. Du bist schuld, oder ich? Natürlich ich, der sich verrannt hat in eine Liebe, die einfach nicht sein wird. Wie oft habe ich schon gehört, dass es töricht ist, seinen besten Freund zu lieben. Überall steht es geschrieben. Doch schreibt keiner, wie man es verhindert, wie es wieder fort geht, ohne dass einem das Herz dabei zerreißt.
Lehne mich an deine Schulter, die Augen geschlossen. Ganz langsam habe ich diese Handlung in mein Wochenendverhalten eingebaut. Du akzeptierst es, sagst nichts dagegen, hab dich dabei schon lächeln gesehen. Es ist eine Wohltat, zugleich eine Selbstbestrafung, dir so nah zu sein. Obwohl geschlossen, werden meine Augen immer schwerer, wollen mit dir in eine Traumwelt versinken, wo alles klar und deutlich ist. Wo wir uns einander hingeben und die Welt sich nur um uns dreht.
***
Wieso quälst du mich so? Was habe ich dir getan? So sehr ich den Körperkontakt mit dir auch genieße, ist es doch eine Qual. Die Lava, einst mein Blut, scheint mein Innerstes zu zerschmelzen. Lässt mich langsam, jedoch beständig verbrennen. Trotzdem ist mein Blick gutmütig zu dir gerichtet. Niemals könnte ich einen Groll gegen dich hegen, noch deine Nähe verweigern. Zu wohlig ist es, von deiner Wärme umgeben zu werden, sie dringt so tief.
Erfüllt mich mit einem Gefühl der Zufriedenheit, und dass alles gut wird. Es ist nicht weit bis zu dir, dennoch wählen wir immer das Auto. Du läufst so ungern, selbst wenn es zu deinem Lieblingsclub geht. Sachte rüttle ich deine Schulter. „Komm, Davon, wir sind da!“ Dein Name fließt über meine Zunge, samtig weich. Blinzelnd öffnen sich deine Lider, seufzend richtest du dich auf und deine Augen verraten mir, dass du nicht nur vier Bier hattest. „Was hast du getrunken?“
„Irgendeinen Schnaps!“ Du verziehst das Gesicht. Ungewöhnlich, magst du Schnaps doch nicht einmal. Hast du Kummer? „Wieso? Du trinkst so was nie!“
„Alan, ich bin unglücklich verliebt.“ Dein Kopf sackt nach unten, genau wie die Schultern, und ich fühle mich plötzlich, als wäre meine Lunge mit Beton gefüllt. Das kannst du nicht gesagt haben, bitte nicht. Ich kämpfe gegen meine Tränendrüsen, die den mangelnden Sauerstoff kompensieren wollen, als würde es was bringen, deshalb Flüssigkeit zu verschwenden. „Verliebt?“, entflieht es meiner abgeschnürten Kehle. Weiß selbst nicht, wo der Sauerstoff dafür noch her kommt.
„Ja, seit einem Jahr. Lächerlich, oder? Es tut so weh Alan, so verdammt weh!“
***
Ich will das alles nicht sagen, es darf mir nicht entkommen. Bitte hilf mir doch einer und stopft mir mein vorlautes Mundwerk. Das kann alles nicht wahr sein, doch rede ich einfach weiter, und es kommt mir vor, als würde ich neben mir stehen. „Egal was ich mache, es kommt keine Reaktion. Kann tun, was ich will, werde wohl immer nur ein guter Freund sein.“ Ich hoffe und bete, dass ich nicht wirklich so weinerlich klinge, wie es an mein Ohr dringt.
„Hey … sie wird es einsehen, glaub mir. Soll ich noch mit rein kommen?“ Ich nicke und in mir schreit alles Ja! Ich will mehr von ihm, er soll ganz rein kommen, in mir sein, mich ausfüllen, mir in die Augen blicken und mir sagen, dass er mich liebt. Seine Haut soll auf meiner kleben, Duft von Ekstase und Verbindung in der Luft schweben. Uns würde dieser unbeschreibliche Geruch einhüllen.
Keine Ahnung wie, doch sind wir bereits in meiner Wohnung und ich lass mich auf meine schwarze Ledercouch fallen. Schwarz und weiß, steril nennst du es, ich finde es modern. „Bier?“, fragst du mich, während du in der Küche verschwindest und uns das kühle alkoholische Getränk besorgst. Mein Kopf fällt zurück, die Augen hoch zur Decke gerichtet, erscheinst du in meinem Gesichtsfeld.
„Bist du verliebt?“, frage ich dich. Eine selbstmörderische Frage, falls du mit Ja antwortest.
„Hm, ja … aber das wird nix“, lächelst du halbherzig: „Ach, Davon, schon ein schöner Mist was?“ Du blickst zu mir hinab.
„Die ist doof, wenn sie dich nicht will. Du bist ein toller Kerl!“, kommt klar und mit Nachdruck, meine feste Überzeugung. Welch ein Glück ich hätte, wenn er mich … Der Gedanke muss weg, er nützt mir nichts, schadet mehr.
„Wie sieht sie aus?“, erklingt deine Stimme dicht neben mir, hast dich über die Lehne geschwungen und bist direkt neben mir zum Sitzen gekommen.
„Spielt das eine Rolle? Unerreichbar … lediglich in meinen Träumen darf ich …“ Schnell breche ich ab. Darf nicht erwähnen, dass es um ihn geht. Nein, Alan hätte kein Problem, wenn ich sagen würde, ich sei homosexuell, aber seien wir ehrlich … Wie soll er damit umgehen, dass er der Grund dafür ist? Herrje, ich muss mich ablenken, es hat alles keinen Sinn. „Oh ja, Träume sind toll. Das Gefühl der Haut, der Zunge, der Lippen, der Hände, überall am Körper. Küsse, Bisse, zarte Neckereien …“ Du legst den Kopf zurück, deine Augen schließen sich …
***
Seufzend lasse ich meinen Kopf auf die Rückenlehne sinken, vertiefe mich in meinen Traum. Wie schön es wäre, endlich von seinen Lippen kosten zu dürfen … Mein Atem stockt, bin wohl eingeschlafen, kann es spüren, doch so real wie noch nie. Will mich dem hingeben, darf aber nicht. Was ist, wenn mir ein Stöhnen entweicht und du es hörst?
Doch zu real dieser Traum, muss es genießen, die Chance ergreifen. Gebe mich den zarten Lippen hin, verschmelze mit ihnen, lass mein Stöhnen in der Mundhöhle verklingen. So echt, so real, so wundervoll. Ich will mehr, viel mehr, wage mich in meinen Traum zu fassen. Bleibt er so real oder ist es gleich vorbei? Da ist sie, samtige Haut, ein Stöhnen, Hände an meiner Wange … zu real, das kann nicht sein. Blinzeln, nur ganz vorsichtig, ich schlafe nicht, oder?
Erschrocken drücke ich mich zurück, weiche von dir. Ich will aufwachen, das ist nicht passiert, das kann nicht sein … Du senkst deinen Blick, atmest tief durch. „Entschuldige, es war nur so ... verführerisch.“ Verführerisch? Hast du das gerade wirklich gesagt?
Ich traue meinen Ohren nicht, das kann nicht wahr sein. Testen, genau, ich muss es testen. Noch nie hat mich jemand als verführerisch betitelt, das will ich genau wissen. Langsam nähere ich mich dir, deine Augen sehen mich verwirrt an. „Was war verführerisch?“
„Du!“, hauchst du fast nicht hörbar und kaum, dass dieses Wort deine Lippen verlassen hat, verschließe ich sie. Will dich schmecken, bewusst und mit allen Sinnen. Fühlen nicht vergessen, ertaste dein T-Shirt, lass meine Hände darunter gleiten. Wie ein Stromschlag erfasst es mich, durchläuft meinen Körper und lässt mein Herz kurzweilig innehalten.
„Alan, was wird das?“, entflieht es deinen Lippen, bevor ich sie wieder verschließe. Nicht reden, es ist nicht die Zeit dafür. Zu lange gewartet, brauche das jetzt. Meine Chance, wer weiß, wann du wieder nüchtern bist und mich abweisen wirst. Ich weiß, dass es kommt, bald, spätestens nach dieser Nacht, und doch ist es mir jetzt egal. Der Schritt ist getan, ich will mich nicht mehr stoppen. Hungrig bringe ich dich zum Liegen, will dich kosten wie keiner vor mir. Werde dir zeigen, was Liebe ist und was sie bewirken kann. Eine Nacht habe ich Zeit, dich zu überzeugen, dass ich der Mann deiner Träume bin.
***
Es ist unglaublich. Ich kann es nicht begreifen. Gerade noch dachte ich, du würdest mich schlagen, weil ich es wagte dich zu küssen, und nun? Nun spüre ich dein Gewicht auf mir. Deine zarten Hände, deine heißen Lippen und deine wachsende Erektion. Das ist unbegreiflich, mache ich dich an? Willst du mich?
So fühlen sich jedenfalls deine Gesten an, das Reiben deines Unterleibs an meinem. Du keuchst in meinen Mund, lässt mich deine Erregung trinken. Es schreit in meinem Inneren nach mehr, es ist meine Chance deine Erregung auszunutzen. Anders geht es nicht, eine einmalige Gelegenheit das zu bekommen, wonach ich mich schon ein Jahr sehne. Meine Härchen am ganzen Körper erheben sich, wollen mehr spüren, lassen einen wohligen Schauer über mich gleiten. Wie wundervoll, gib mir mehr.
Als hättest du meine Gedanken wahrgenommen, rutschst du an mir hinunter. Schiebst mein T-Shirt nach oben und lässt deine Zunge meine erhitzte Haut kosten. Ich verbrenne unter deinen kundigen Berührungen und weiß nur noch eins: Ich will mehr, viel mehr. Es reichen Blicke, um uns das zu sagen. Wortlos, du scheinst nicht reden zu wollen, erhebst dich, erlöst mich von deinem wundervollen Gewicht. Mein Schlafzimmer ist dein Ziel. Ich will für immer unter dir liegen. Begraben von deinem sehnigen Körper, der weichen Haut, welch Traum. So lange habe ich mich nach dieser Verbundenheit gesehnt, alles vorbereitet, falls dieser Tag kommen sollte.
Dein Blick ist überrascht, als ich meine Nachttischschublade öffne, und doch, die heiße Glut der Leidenschaft brennt weiter in deinen Augen. Keine Fragen, nur Taten zählen. Während deine Hand nach der Tube mit Gel greift, rutschst du an mir hinab, erkundest mich lüstern mit deinen Lippen und der Zunge. So muss der Himmel sein, obwohl mir so heiß ist, dass ich die Hölle vermute.
***
Jetzt oder nie. Ich muss es wagen, darf nicht zurückschrecken. Du bist vorbereitet, das lässt mich stocken. Wieso? War schon ein Mann vor mir an deinem berauschenden Körper und hat dich erobert? Gedanken hinfort, keine Zeit dafür. Ich werde dir alle Erinnerungen an einen anderen aus deinem Gedächtnis löschen. Nur ich habe dann einen Platz darin.
Meine Zunge taucht in deinen Bauchnabel, erobert ihn, während meine Finger deine Hose öffnen. Werde dein Glied erlösen, das sich darunter windet und um Freiheit fleht. Dank deiner Hilfe kann ich die Hose entfernen, ohne lange zu bitten. Schüchtern schaut deine Eichel empor, hat sich am Bund der Shorts einen Ausblick verschafft. Zuckend schlägt meine Zunge auf sie ein, kostet von dem ersten Tropfen, salzig und süß zugleich. Eine Droge, die eindeutig sofort süchtig macht.
Du keuchst auf, versuchst, dich unter mir fort zu winden und gleichzeitig presst du deinen Unterleib mir entgegen. Welch süße Qual. Lippen umschließen die Eichel, während auch die Shorts den Weg deine Beine hinab findet. Umso mehr Haut freigelegt wird, umso tiefer lass ich dich in mich fahren. Ich will dich, mit Haut und Haar, alles von dir, für immer. Saugend liege ich zwischen deinen Beinen, lass meine Finger deine Hoden ertasten und hinab wandern. Langsam, aber zielstrebig, bahne ich mir den Weg.
Lautlos öffne ich die Tube, lass mir das Gel auf die Finger spritzen und gleite abermals zwischen deine Pobacken. Feuriges Kribbeln durchzieht meinen Körper, sehnt sich nach mehr, sammelt sich in meinem Unterleib und möchte explodieren. Geduld, mahne ich mich selbst. Ich brauche Geduld. Will dich auskosten, mich unvergesslich machen.
Doch auch mit deiner Geduld ist es nicht weit her, du presst dich mir entgegen, nimmst mühelos meinen Finger auf, während dein Gesicht ein kurzes Verspannen anzeigt. Es ist nicht dein erstes Mal, dies wird mir nun bewusst. Was zählt das schon, denn nur ich werde in deiner Erinnerung bleiben. Meinen Namen wirst du stöhnen, keinen anderen. Unablässig streicht meine Zunge deinen Schaft entlang, während schon zwei Finger in dir für kleine Zuckungen sorgen. Bereite dich für mich vor, wirst mich spüren und nie wieder gehen lassen wollen. Wir beide werden zusammen Sterne sehen und jeden einzelnen zählen.
***
Du raubst mir den Verstand, bin dir willenlos verfallen. Spüre deine Finger in mir, deine Lippen und Zunge an mir. Berauschend, in Ekstase flüstere ich deinen Namen, will dich so sehr. Das Rascheln von Kleidung, die knisternde Verpackung, das Reißen derselben und deine Hände auf meiner brennenden Haut. Zärtlich und doch beharrlich drückst du meine Oberschenkel hoch. Positionierst dich dazwischen und suchst Zustimmung in meinen Augen.
Mehr als diese versuche ich dir zu vermitteln, doch du scheinst es nicht zu verstehen. Wieso auch, weshalb solltest du mich lieben? Du kannst jede und jeden haben. Doch jetzt gehörst du mir, für diese Nacht, die hoffentlich in die Ewigkeit einzieht. Brennend, drückend, und doch so verheißungsvoll ist der Schmerz, den dein Glied in mir verursacht. Mein gedehnter Muskel will protestieren, und doch nimmt er dich auf, saugt dich ein. Du füllst mich aus, bist tief in mir und verweilst. Schweißperlen treten hervor, dein Kehlkopf zeigt ein schweres Schlucken. „Du gehörst mir!“, formen deine Lippen. Nein, niemals hast du das gesagt, Hirngespinst. Deine Bewegungen setzen ein, mit jedem Stoß nimmst du mich mehr in Besitz. Lässt mein Denken sich ausschalten, lediglich das Notwendigste funktioniert noch. Atmen, ein, ein, aus, aus, ein … ich weiß es nicht mehr, alles egal, die kleine Ewigkeit zählt.
***
Du erdrückst mich, scheinst mich zerquetschen zu wollen. So wundervoll eng. Hast mich umschlossen, willst mich um meine Fassung bringen, warte nur, du bekommst alles. Keuchend liegst du unter mir, dein Atem ist unregelmäßig, überschlägt sich und versagt kurzweilig. Es kocht in mir. Will sich entladen, aber ich will es auskosten. Noch darf es nicht zu Ende sein. Muss diese Nacht mit in die Ewigkeit nehmen, sie soll nie enden. Sanft, aber so klar wie Wasser, dringt deine Stimme an mein Ohr: „Ich liebe dich!“ Mein Herz hält an, meine Bewegungen erstarren, und ich sehe in deine traumhaften Augen und lese. Lese so viel darin, dass es mein Herz antreibt, meine Bewegungen fortfahren lässt. Du gehörst mir, wirklich wahrhaftig nur mir! Ich lass mich gehen, fliege mit dir zu den Sternen. Spüre das Verengen deines Muskels und lass mich mitreißen. Du und ich, beste Freunde, Seelenverwandte, Blutsbrüder, Liebende. Es ist ein Traum, aus dem ich nicht mehr erwachen mag.
Leonard
Ich schloss die Lippen um die Öffnung der eiskalten Bierflasche und ließ die leicht bittere Flüssigkeit meine Kehle hinab laufen. Eindeutig, es schmeckte besser als der Kerl letzte Nacht! An den wollte ich nun wirklich nicht mehr denken. Was auch immer mich gestern überrannt hatte, es hatte einen Blackout verursacht und mich zu einem willigen Stück Fleisch werden lassen, das sich nicht nur den Hintern aufreißen ließ, sondern auch den Mund.
Abermals kippte ich das Bier in mich, um den Geschmack von der Nacht zu vergessen. Hundert Prozent hatte man mir was ins Getränk geschüttet, davon war ich mehr als überzeugt. Nun ja, es war nicht der schlechteste Fick meines Lebens gewesen, aber der beste eben auch nicht. Sein Ejakulat schien sich in meinem Hals festgesetzt zu haben, was mir Übelkeit einbrachte. Ehrlich, ich hatte schon lang keinen Mann mehr im Mund, der so widerlich schmeckte. Eine Mischung aus Spargel, Rollmöpsen und Schokolade.
Ich hasse Schokolade! Doch auch wenn nicht, diesen Geschmack musste ich nun wirklich nicht haben. War auch nicht wirklich freiwillig, die Einnahme. Der Scheißkerl hatte mich nicht losgelassen und die Quittung bekam er prompt. Seine Schuhe wurden von meinem Erbrochenen übergossen und er flüchtete angewidert.
Das war gestern, heute ist eben heute und ich versuchte, die vergangene Nacht zu ertränken. Auf Ausgehen hatte ich keine Lust mehr und lud mir stattdessen ein paar Freunde ein. Diese klingelten auch alsbald und brachten ein paar Leute mehr mit. Auch wenn ich davon nicht sonderlich begeistert war, ignorierte ich die fremden Personen und machte es mir auf meiner Couch gemütlich. Es war eine angenehme Runde und selbst die unbekannten Männer waren mir nicht zuwider.
Einer war mir sogar sympathisch, dass ich einen musternden Blick nicht unterdrücken konnte. Blonde Haare, braune Augen und einen verdammt heißen schmalen Körper, irgendwoher kam er mir bekannt vor. Doch jegliche Aufnahme eines Blickkontakts unterband der Kerl und ignorierte mich stattdessen rigoros. Scheinbar war ich nicht sein Typ oder einfach nicht interessant genug. Was sollte es mich auch interessieren? Eben gar nicht und doch nagte es an meinem Selbstbewusstsein.
Ich war ein attraktiver Kerl, Anfang dreißig und konnte jeden haben. Ich sah aus wie ein Top und war doch Bottom, was ab und an etwas kompliziert war, aber sich regeln ließ. Vor allem wollten so manche Twinks auch gerne mal der Stecher sein, also war es schon okay. Gut, ich kam so nicht immer auf meine Kosten, aber das ließ sich ändern, ich brauchte nur den richtigen Kerl. Ja, Leonard Silber wollte es wagen, eine feste Beziehung.
Diese Entscheidung war mir nicht leicht gefallen. Ich ließ mich gerne ficken und das bitte mit wechselnden Partnern, aber ab einem gewissen Alter sehnt man sich nach mehr und seit gestern war mir das mehr als bewusst.
Diese Art des Missbrauches, konnte man das so sagen? Ich fühlte mich zumindest missbraucht, als Fickstück und Blasmaul, gefiel mir nicht mehr. Ich wollte jemanden, der mich in den Arm nahm, nach meinen Wünschen fragte und mit mir über die Flanierstraße der Stadt stolzierte. So sah es aus. Das alles wollte ich, und zwar ganz schnell. Über Nacht war diese Entscheidung gefallen und wollte umgesetzt werden. Ich war schon immer ein Mensch der Taten, kein Mensch, der in der Wartezone des Lebens steht.
Abermals schweifte mein Blick über die Männer, die sich in meinem Wohnzimmer eingefunden hatten. Ich blieb wieder an dem Blonden hängen, der mich penetrant ignorierte. Die Entscheidung war gefallen, er sollte mein Lebenspartner werden.
Der gefiel mir, hechelte nicht, wenn er mich sah, und schien kein Interesse zu haben. Ja, der war der Richtige. Nur musste ich mehr über ihn wissen und sah neben mich. Dort saß Lars, einer meiner besten Freunde. „Wer ist das?“, fragte ich und zeigte ungeniert auf den blonden Kerl.
Erst irritiert, folgte Lars meinem Finger. „Bastian, der kleine Bruder von Chris. Gerade aus seinem Auslandsjahr zurückgekommen.“
Chris war mir sehr wohl bekannt, ebenfalls ein guter, langjähriger Freund, auch wenn er von meiner Art zu leben nicht viel hielt. „Auslandsjahr?“
„Er ist bei einer Firma für Webdesign tätig und hat ein Jahr in Australien gearbeitet. Was interessiert er dich? Ich dachte nie zweimal!“
Ich stockte, ich schluckte, ich sah meinen besten Freund mit großen Augen an. Innerlich spulte ich das Gehörte zurück: „Ich dachte nie zweimal!“… Lars denkt, neue Erkenntnis, aber ein Fortschritt. Nie, Definition von niemals, nicht, macht man nicht, möchte man nicht … gut verstanden! Zweimal … zwei … mehr als einmal … ich hatte Bastian schon im Bett?
Er hatte mich gevögelt? Wann? Meine Erinnerung sträubte sich, ein Bild aufzubauen, da war nichts zu machen.
„Ich hatte den schon? Wann?“, sprach ich es nun aus, statt nur zu denken. Vielleicht konnte mir Lars weiterhelfen. Der grinste mich unverschämt an, was eher einem Auslachen gleichkam, nur leise.
„Vor einem Jahr, kurz bevor er weg ist. Ich dachte, er hätte dich so gut gefickt, sagtest du zumindest mal!“ Scheinbar entschied sich mein Gehirn doch zu arbeiten und schaffte es auch mein Gedächtnis zu aktivieren, alles während Lars mir eine Erklärung schenkte.
Ein schüchterner blonder Kerl stand direkt neben mir, war von seinem Bruder an meine Seite gestellt worden, während er selbst sich in den Darkroom des Clubs begab. Bastian hatte seinem Bruder seufzend hinterher gesehen und mit dem Kopf geschüttelt. „Gönnst du es ihm nicht oder wärst du lieber reingegangen?“, durchbrach ich die nicht wirklich herrschende Stille.
„Hätte nichts dagegen, an seiner Stelle zu sein!“, antwortete er mir zwinkernd, gar nicht mehr schüchtern. Der Kerl hatte eindeutig nur das Aussehen eines schüchternen Mannes, aber hinter seinen Ohren war er sicherlich nicht grün.
Ein Gedankenblitz erfüllte mich … Chris war Top … „Du willst also ficken und nicht gefickt werden?“ Ja, man kann jetzt sagen, ich bin vulgär, stimmt auch, in meinen Beruf muss ich schon genug auf Aussprache und Verhalten achten. Ich arbeite in einem Immobilienbüro und da sieht man es nicht gerne, wenn die Mitarbeiter salopp daherreden.
„Eigentlich schon, aber schau mich an, ich gelte als Twink und nach der Meinung der Mehrheit habe ich meinen Arsch hinzuhalten!“
Diese Vorurteile waren mir mehr als bekannt, ging es mir ja nicht anders. Ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht. „Lohnt es sich denn, dass man dich oben liegen lässt?“, forderte ich ihn zu einem Blickduell raus.
Kess wanderte seine Hand an meinen Hintern, griff zu und schien zu überlegen. „Ich kann dir jetzt viel erzählen, das musst du schon selbst rausfinden!“ Das Angebot hatte ich nicht ablehnen können und drängte mich seiner Hand entgegen.
„Ich stehe nicht auf die dunklen Räume hier!“, flüsterte ich nahe an seinem Ohr und griff zwischen seine Beine, um ihn zu stimulieren. „Wohne fünf Minuten mit dem Taxi von hier ... in Ordnung?“
Ohne zu zögern nickte Bastian, trank sein Bier aus und zog mich raus. Der Kerl übernahm sofort die Führung, schleifte mich zum nächsten Taxi und wie versprochen, waren wir fünf Minuten später in meinem Appartement.
Der Blonde, der einen Kopf kleiner war als ich, übernahm auch jetzt die Führung und verdammt, ich weiß nicht, wie ich es vergessen konnte, aber er hatte mir eine Nacht beschert, die eindeutig unvergesslich war. Sein Blowjob war atemberaubend, sein Fingerspiel in mir brachte mich bald zum Abschuss.
Doch erst sein Schwanz schaffte es, mich zum Wimmern zu bringen, Flehen und Aufgeben … Wahnsinn, sag ich nur. Dass ein so feingliedriger Kerl wirklich so einen Kolben in seiner Hose versteckte, hätte ich nie geglaubt, auch wenn so mancher Film es einem weismachen wollte. Er hatte mich in die Hölle geschickt und dann in den Himmel katapultiert … es war Wahnsinn, doch wieso hatte ich es vergessen?
Auch diese Erinnerung tauchte wieder auf und ließ mich nach Luft schnappen. Als wir schweißgebadet nebeneinander lagen, zog er mich in seine Arme. Mein erster Impuls, ihn wegzustoßen, einen dummen Spruch zu lassen und ihm die Tür zu weisen, wurde von seiner Nähe einfach zum Verpuffen gebracht. Es fühlte sich atemberaubend an. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen; so erschöpft, wie er eigentlich war, stand aber auch mein Schwanz schon wieder.
Ich spürte zarte Lippen an meinem Nacken, Hände, die meine Haut liebkosten, und einen warmen Körper, der sich an mir rieb. Ich stand noch nie auf Küssen. Speichelaustausch war mir zuwider, aber ich gab gerne zu, Bastian wusste, was er tat. Es verursachte immer wieder ein Kribbeln, das mich um den Verstand brachte.
Bastian brauchte keine K.-o.-Tropfen, um mich gefügig zu machen, er brauchte nur seine sinnlichen Lippen. Wir raunten uns unverständliches Zeug an unsere Haut, was für mich bis heute im Nebel der Geilheit verschwunden war. Der nächste Morgen dagegen war niederschmetternd. Als ich erwachte, war es um mich kalt, der Duft der Nacht war am Verfliegen und kein Bastian weit und breit.
Mein Herz krampfte und mein Magen rebellierte. Tat das, was mein Herz nicht konnte, und schob den Mageninhalt meine Kehle hinauf. Es ging mir tagelang schlecht, ich hatte keinen Antrieb und keine Lust auf irgendwas, immer wieder erschienen diese braunen Augen vor mir, das spitzbübische Grinsen und die zarten Lippen erfühlte ich auf meiner Haut. Eine komische Phase hatte mich da gepackt, die ich mit Wodka, Whisky und vor allem viel Bier wegspülte und vielleicht meinen kurzen Gedächtnisverlust erklärte.
Scheiße, ging es mir da dreckig, den Grund hatte ich bis heute nicht ausgemacht, interessierte ja auch relativ wenig. Das Wahrscheinlichste war wohl, dass ich eine Magen-Darm-Grippe hatte. Mein Blick war nun fest auf Bastian geheftet, jetzt war ich noch mehr davon überzeugt, dass ich ihn wollte. Der Kerl sah heiß aus, hatte einen muskulösen und doch schmalen Körper und einen Schwanz, der jedem die träumerischsten Träume erfüllen konnte. Plötzlich erwiderte er meinen Blick, der mir mehr als einen Blitz entgegenschoss.
Verdammt, der Kerl war nicht gut auf mich zu sprechen. Wieso? Diese Frage brannte in mir, doch es war kein Rankommen an den Kerl. Wie ätzend war denn das? Ich schnappte mir das nächste Bier, ebenso kalt wie das zuvor, und ließ es meine Kehle hinab laufen. Erfrischend und aufheizend zugleich, bewirkte es bei mir ein trotziges Verhalten: Ich will Bastian! Tja, wie schon erwähnt, war ich nun mal nicht der Mann, der in einer Wartezone saß, ich handelte. Es waren inzwischen zwei Stunden vergangen; während alle lachten, saß Bastian immer noch da, verzog keine Miene und ignorierte mich eisern.
Ich stand wankend auf, ging geradewegs auf ihn zu, riss ihn am Arm hoch und schleifte ihn wortlos hinter mir her. Ein Raunen ging durch die Gesellschaft in meinem Wohnzimmer, doch keiner folgte uns. Auch wenn ich vernahm, dass Lars Chris zurückhielt.
Ich schloss hinter Bastian die Schlafzimmertür und presste mich dagegen. „Was ist los?“, fragte ich ihn, leicht lallend, konnte hinkommen, aber ich empfand es recht klar und deutlich.
Keine Antwort wollte ihm über seine Lippen kommen, die mich in ihren Bann zogen. „So Scheiße war unsere Nacht auch nicht, dass du jetzt tun musst, als kennen wir uns nicht!“, warf ich ihm vor die Füße und mich gleich mit. Scheiße ich hatte zu viel getrunken, das wurde mir da bewusst. So kniete ich mit einem Meter Abstand vor Bastian, der sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte, doch schnell wieder ernst wurde.
„Wir haben gefickt, was willst du noch? Deine letzten Worte waren schließlich:
„Morgen Früh bist du verschwunden!“
Das hatte ich nie gesagt, niemals, oder? Scheiße, möglich war es sicherlich. Schließlich sagte ich das jedem Kerl, der noch etwas länger liegen blieb. „Kann ich mich nicht mehr dran erinnern, entschuldige. Und deshalb bist du jetzt so sauer auf mich? Dein Blick sagt eindeutig, dass du mir am liebsten die Kehle aufschlitzen würdest!“
Abermals schmunzelte er, während ich mich wieder aufrappelte. Zu viel Bier, das meine Kehle befeuchtet hatte, eindeutig. „Und was ist heute mit dir los? Du hast nicht gerade den Ruf, einen vergangenen Stecher zur Rede zu stellen!“
Wahre Worte, das war sicherlich nicht meine Art, aber seit gestern wollte ich ja einen festen Partner, und das war auch neu. „Ich, nun ja, du bist schon ein heißer Kerl, und wieso sollte ich einen solchen abweisen?“
Ich wusste, mein Blick war selbstgefällig und arrogant. „Tja, und deshalb muss ich dich auch wollen? Vergiss es.“ Mit diesen Worten, drängte er mich von der Tür weg. „Dass du dich allerdings so nehmen lässt, wo du doch betont hattest, lieber daheim zu ficken, ist echt widerlich. In einer Gasse, die nach Urin stinkt und von Erbrochenem gekleistert ist, abartig.
Ich hätte dir mehr Geschmack zugetraut!“
Mit diesen Worten verschwand er aus meinem Schlafzimmer und gleichzeitig wohl auch aus meinem Appartement. Mir wurde schlecht, die Erinnerungen der letzten Nacht brachen über mich herein und mein Körper erzitterte. Zusätzlich der Gedanke, dass Bastian mich gesehen hatte, ließ mich eiligst ins Bad verschwinden. Mein Mageninhalt füllte die Kloschüssel, während eine Hand auf meiner Schulter Platz nahm. „Alles klar?“, hörte ich die Stimme von Lars.
Eine Antwort konnte ich nicht geben, gab dem würgenden Gefühl nach. Lars wartete ab, bis ich nicht mehr würgte, half mir aufzustehen und brachte mich dann ins Bett. Ich bekam noch mit, wie er galant die Besucher hinauskomplimentierte und dann zu mir kam. „Ich lege das Handy auf den Nachttisch, wenn was ist, ruf sofort an, okay?“
Mit Sicherheit hatte ich ihm eine befriedigende Reaktion gegeben, denn er ging. Ich blieb zurück, benässte wortlos mein Kopfkissen und wollte einfach alles vergessen.
Alles war in den letzten 24 Stunden passiert. Doch wie es so war mit Dingen, die man vergessen wollte, der Verstand ließ es nicht zu. Ich sah diesen Bär von einem Kerl vor mir, wie er mich angebaggert hatte.
Meine Ablehnung schien an ihm abzuprallen und irgendwann fand ich mich mit ihm in dieser stinkenden Gasse wieder, die Bastian erwähnt hatte. Tief stieß der Bär seinen Schwanz in meinen Rachen, während ich mit heruntergelassener Hose im Siff der Gasse kniete und um jeden Atemzug kämpfte. Wie ich dahin gekommen war, wusste ich nicht mehr. Wieso meine Hose an meinen Knöcheln hing, war mir ebenso schleierhaft.
Doch das Brennen meines Hinterns und die Schmerzen an meinen Gliedern ließen auf Sex deuten. Meine Arme waren so schwer, dass ich mich nicht wehren konnte, irgendwann resignierend aufgab und ihn walten ließ. Bis mein Magen rebellierte, als dieser fürchterliche Geschmack sich in meinem Rachen verteilte. Ich war selber schuld, hatte ich mich außerhalb meiner Arbeit doch ewig ficken lassen, war dies nur die logische Konsequenz. Wachsamkeit war mir ein Fremdwort und somit hatte ich es nicht anders verdient.
Leise, ohne einen Ton aus meiner Kehle dringen zu lassen, benässte ich das Kissen, in dem mein Gesicht gepresst war, und hoffte so, die Erinnerungen, den Scham und das Gefühl der Übelkeit loszuwerden.
Bastian
Wut wallte in mir hoch. Was für eine bescheuerte Idee von meinem Bruder, mich mit zu Leonard zu schleifen. Nun gut, gestern Morgen wäre ich sicherlich noch ziemlich angetan gewesen, doch bereits abends hatte ich für Leonard nur noch einen abfälligen Blick übrig. Ich hatte zugesehen, wie er sich ficken ließ. Angewidert abwenden konnte ich mich nicht, zu sehr fesselte mich dieser Anblick und schmerzte sogar leicht.
Ein Jahr war es her, dass ich ihn kennenlernte und hatte mir unser Treffen anders vorgestellt. Die ganze Zeit waren meine Gedanken immer wieder zu ihm gewandert, kein Mann konnte ihm Konkurrenz machen. Leonard war einfach zu perfekt. Mit seinen gut ein Meter neunzig muskulösen Körper, war er der Traum meiner schlaflosen Nächte. Doch ihn in der Nacht in dieser miefigen Gasse zu sehen, wo er sich erst von hinten, dann in den Mund nehmen ließ, hatte meine Achtung vor ihm sinken lassen.
Aus war der Traum eines Mannes, der mich vom ersten Moment an verzaubert hatte. Der sich mir hingab und in dem ich mich verloren hatte. Dann sah ich ihn in dieser Gasse, wie er sich willig nehmen ließ, brutal und unnachgiebig. So hätte ich Leonard nie eingeschätzt. Seine verzückten Laute, als ich ihn liebkoste, wie er sich mir hingegeben hat, es war berauschend und einmalig. Leonard war der erste Mann, der akzeptierte, dass ich bin, wie ich bin. Der nicht versuchte die Rollen umzudrehen, sondern mir die Führung überließ, und dann so etwas.
Ich wollte es nicht mehr sehen, nicht mehr miterleben. Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Dieser Anblick, ich sah es immer noch vor mir. Willig lag Leonard über einer kleinen Mauer der Seitengasse, die hinter sich eine Treppe abwärts verbarg. Der Bär von einem Mann riss ihm förmlich die Hose von der Hüfte und schneller, als ich es wahrnehmen konnte, hatte er sich schon in ihm versenkt.
Hart und unnachgiebig grunzte der bärige Kerl seine Geilheit hinaus. Leonard schien eher im Stillen zu genießen. Obwohl ich ihn anders erlebt hatte. Es sah brutal aus, wie der Traum meines letzten Jahres immer wieder gegen die Mauer gestoßen wurde, bis sein Hintermann davon genug hatte. Er wandte Leonard um, drückte ihn auf die Knie und entfernte das Kondom. Das Gesehene ließ mich würgen, allein die Vorstellung einen Schwanz so tief in den Rachen gestoßen zu bekommen, verursachte bei mir Atemnot und einen Würgereiz.
Eilig hatte ich mich abgewandt und war verschwunden. Mit diesen Minuten war aus meinem Traum ein Alptraum geworden oder einfach verpufft, wie man es sehen wollte. Selbst mit meinen 27 Jahren war ich naiv wie ein Sechzehnjähriger. Ich schämte mich in Grund und Boden und ließ in dieser Nacht mehr als ein Bier meine Kehle befeuchten, unterdrückte jedes Gefühl in mir, bis ich in einen komatösen Schlaf fiel.
Der nächste Tag war auch nicht sonderlich erbauend, erst recht nicht, als mich Chris abholte und mit zu Leonard schleppte. Typisch großer Bruder, meinte er wirklich, mich zu jedem mitschleppen zu müssen, wieso auch immer.
Mich nervte es mehr, als es mich freute. Zwar mochte ich meinen Bruder wirklich gerne und war auch froh, die Akzeptanz von ihm zu haben, hatte mir immer wieder gut getan. Er führte mich in die Szene ein, stellte mir Männer vor, die wie wir homosexuell waren, und so konnte ich erste Erfahrungen sammeln, ohne eins auf die Fresse zu kassieren. Dass ich mit meinem typischen Aussehen eines Twinks nie als Top angesehen wurde, war der Nachteil, allerdings genoss ich auch diese Art von Sex. Es war eben nicht meine Favoritenrolle, aber gut, darum ging es nun nicht.
Kaum dass die Uhr neun zeigte, waren wir auf dem Weg zu Leonard. In mir wallte weiter die Wut, der Schmerz, was auch immer, der Nacht hoch. Ich wollte mir nichts anmerken lassen und dachte wirklich, es zu schaffen, bis Leonard mich in sein Schlafzimmer zog. Ich konnte die Hoffnung auf eine Wiederholung nicht unterdrücken, doch der leicht angetrunkene Zustand meines Gegenübers ließ anderes erahnen. Nun ja, es war eine Katastrophe, und ich nun wieder daheim, schmiss mich auf mein Bett und versuchte die Nässe aus meinen Augen zu vertreiben.
Ich war schließlich kein Mädchen, musste nicht rumflennen wegen einem Kerl, der es nicht wert war. Der jedem seinen Arsch hinhielt, solange er gefüllt wurde. Wie konnte ich nur so dämlich sein und mir Hoffnungen machen? Nein, ich hatte nie erwartet, dass er ein Jahr auf mich wartet, aber Hoffnungen hatte ich. Er war dreißig und ich dachte, dass die Vernunft Einzug halten würde. Gott, war ich dämlich. Ich wickelte meine Decke zusammen, schlang meine Glieder darum und träumte mich in meinen Traum, der mich seit einem Jahr verfolgte. Die erste und letzte gemeinsame Nacht von Leonard und mir.
Es war eine deprimierende Vorstellung und doch tat sie meinem Inneren so gut. Ich flüchtete mich in einen Traum, der nie Wirklichkeit werden würde, und doch war es der einzige Gedanke, der mir einen ruhigen Schlaf brachte. Erbärmlicher Bastian!, hatte selbst mein Verstand Mitleid mit mir und rügte mich sogleich. Der nächste Tag war auch nicht besser, meine Laune hatte wieder einen Tiefpunkt erreicht, wo mir besser keiner zu dumm kam.
So verbarrikadierte ich mich in meinem Büro und hoffte, dass mich meine Arbeit ablenken und keiner mich stören würde. Ab und an hatte wohl jemand was für mich übrig, so verbrachte ich wirklich den ganzen Montag in Ruhe und brachte sogar die Hälfte meiner angefallenen Akten dazu, in die richtigen Ordner zu gelangen. Müde rieb ich meine Augen, machte das Licht meines Büros aus und ging hinaus.
Ich fuhr nachhause und machte es mir mit einem Fertigessen vor dem Fernseher gemütlich. Toller Alltag, der sich nun über zwei Wochen hinzog. Bis auf die Wochenenden, in denen ich es aber vermied, vor die Türe zu gehen und stattdessen lieber mein Zimmer renovierte. Ich bewohnte zusammen mit meinem Bruder Chris eine Wohnung und da er meist nicht daheim war, konnte ich walten, wie ich wollte. Darum musste ich mich auch noch kümmern, ich wollte, brauchte meine eigenen vier Wände.
Zwar nahm Chris Rücksicht, brachte keinen Kerl mit hierher, doch wie lange sein Verständnis hielt, wollte ich nicht austesten. Mein Blick glitt über die Wohnungsausschreibungen, während ich eine nach der anderen ausstrich. Zu weit weg, zu teuer, zu klein, zu groß. Dann fand ich endlich eine Wohnung, die alles hatte, was ich suchte. Drei Zimmer, Küche, Bad, kleiner Balkon für gerade 650 warm. Gut, sie war am Rande der Stadt, aber ein Auto besaß ich und die Kilometer zur Arbeit konnte ich absetzen.
Der Preis kam mir zwar sehr günstig vor, aber ansehen kostete zum Glück nicht viel. Zeit und Sprit musste man ja mitberechnen, aber das war es mir wert.
Ich verabredete mit dem Immobilienbüro einen Termin für diesen Nachmittag, es war Samstag und die Sonne entfaltete ihre ganze Schönheit. Nur traf sie mich innerlich nicht, dort waren Regenwolken, die ihren Platz nicht räumen wollten. Ich war viel zu früh dran, was mir allerdings die Zeit ließ mich umzusehen. Es war ein Zweiparteienhaus, wo scheinbar beide Wohnungen noch frei waren. Einen Garten gab es nicht, dafür waren die „kleinen“ Balkone recht großzügig geschnitten.
Es würde für einen Tisch und eine Liege reichen und trotzdem konnte ich noch etwas meinen grünen Daumen spielen lassen, perfekt. Pünktlich zur vereinbarten Zeit fuhr ein schwarzer BMW vor, der neben meinem kleinen dunkelblauen Golf prachtvoll aussah. Ich wandte meinen Blick ab und wechselte so zu dem Fahrer, der gerade ausstieg. Der Immobilienmakler fuhr sich durchs Haar, griff nach einer Tasche auf der Rückbank und drehte sich dann zu mir.
Es durfte einfach nicht wahr sein und doch war es das. Ich hatte nicht gewusst, dass Leonard Immobilienmakler war, aber irgendwie hätte ich es mir denken können. Wieso sollte das Schicksal mir auch gut gesinnt sein, wenn es sich im Leid meiner Pechsträhne suhlen konnte? Eben, bot sich ja an. Ich reichte Leonard anstandshalber die Hand und stellte mich förmlich vor. „Guten Tag, ich bin Bastian Becker!“
„Es freut mich, Leonard Silber, bitte folgen Sie mir“, erwiderte er und ging geradewegs zur Haustüre.
„Leider ist die untere Wohnung schon vermietet, somit kann ich Ihnen nur die obere zeigen“, informierte mich Leonard und stapfte … nein, er schritt, elegant und mit wackelnder Hüfte, die Treppen hinauf.
Konnte er nicht wie ein Bauer gehen? Dann hätte ich ihm wenigstens nicht immer auf den Hintern sehen müssen. Die lebhafte Erinnerung, wie sich dieser in meiner Hand, um mein Gemächt anfühlte, war so deutlich, dass ich ein leises und doch viel zu lautes Seufzen nicht unterdrücken konnte. Leonard drehte sich kurz zu mir, einen Blick, der für mich nicht zu deuten war, warf er mir zu, um sich dann der Wohnungstür zu widmen.
Leicht stickige Luft schlug uns entgegen, als wir die Wohnung betraten. Eilig ging Leonard zur Balkontür, um diese aufzureißen, und ich sah mich derweil einfach um. Der Flur war recht groß, führte offen ins Wohnzimmer, dann gab es noch drei Zimmer mit Türen. Ich begab mich dahin, als auch schon der Makler hinter mich trat. „Die erste Türe links ist das Badezimmer.“ Mit diesen Worten griff er an mir vorbei und öffnete die Türe.
Ein Licht überfluteter Raum zeigte sich, mit weißen Wandfliesen und dunkelblauen Bodenfliesen. „Eine Dusche, eine Badewanne und Fußbodenheizung!“, erläuterte Leonard und ging schon zum nächsten Zimmer. Irgendwie hatte ich mir eine Besichtigung mit einem Makler anders vorgestellt. Im Fernsehen bemühten sie sich zumindest extrem um ihre Klienten. Aber wie alles in der nachgestellten Welt des Fernsehens konnte dies natürlich übertrieben sein.
„Hier finden Sie einen kleineren Raum, der sich als Gästezimmer oder Büro eignen würde!“, vernahm ich Leonard. Der Raum war wirklich nicht groß, aber ich sah schon mein Büro darin. Hier könnte ich sicher Arbeit mit nachhause nehmen und müsste nicht im Büro bleiben.“ Schlafzimmer, großzügig geschnitten und recht hell!“
Erst jetzt sah ich, dass Leonard von einem Blatt ablas, auch er sah meinen Blick und kniff die Augen zusammen. „Entschuldigen Sie, ich springe für einen Kollegen ein, ich kenne das Objekt nicht wirklich. Zumindest nicht die Wohnung hier.“
Diese Worte kamen dermaßen merkwürdig rüber, dass ich ihn kritisch betrachtete. „Das heißt? Die untere kennen Sie?“
„Die hab ich vor knapp einer Woche angemietet und bereite gerade meinen Umzug vor!“
Das saß, ich war sprachlos. Meine Hände suchten, um einen Sturz zu verhindern, nach Halt, den ich dann unweit an einer Wand fand. Leonard überging meinen kleinen Schwächeanfall und war schon im Wohnzimmer verschwunden. Ich schaffte den Weg dank der Wand auch, an der ich mich abstützte. Der Anblick des riesigen Raumes war atemberaubend. Eine riesige Fensterfront, die zum Balkon hinaus ging, ein Holzofen, und der Boden aus Echtholz.
Die durch eine Theke getrennte Küche war in Silber gehalten und sah einfach genial aus. Verdammt, verdammt, verdammt!, fluchte meine innere Stimme und sagte mir sogleich, dass ich die Wohnung abschreiben konnte. Wie sollte ich zur Ruhe kommen, wenn unter mir Leonard wohnte und sich wahrscheinlich jedes Wochenende vögeln ließ? Mein Innerstes würde zerreißen und ich zugrunde gehen. Nein, gewiss würde ich mir das nicht antun, eher unter einer Brücke schlafen.
Mein Blick schweifte durch die Wohnung und ich war den Tränen nahe. Diese Wohnung war ein Traum, perfekt, günstig, in einer ruhigen Lage … was wollte Leonard nur hier?
Die Frage, ob er es sich nicht anders überlegen könnte, schwirrte mir durch den Kopf, aber ich traute mich nicht, sie auszusprechen. Er passte hier nicht hin. Meine Gedanken waren nicht sehr freundlich, aber ich konnte sie nicht lenken, meinen Blick dagegen schon, als Leonard mich fragte, ob ich die Wohnung wollte.
„Ich denke nicht, obwohl sie wirklich fantastisch ist.“
„An was liegt es dann? An meiner miserablen Verkaufstechnik?
Es tut mir wirklich leid, ich hätte mich besser informieren sollen, doch leider ließ es die Zeit nicht zu. Ich hoffe sehr, dass es Ihnen nicht zu sehr aufstößt …“
Ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. „Das ist es nicht. Leonard, ich denke einfach, es wäre nicht gut, dass wir beide in einem Haus wohnen!“, wechselte ich wieder ins Du und hielt meinen Blick weiter gesenkt.
Ich vernahm ein bejahendes Grummeln. „Verstehe schon“, setzte er dann doch dran.
„Wie kommt es, dass du deine Wohnung in der Stadt für diese aufgibst?“ Mein Blick endete in seinem und ich traute dem nicht, was ich meinte, zu sehen.
Leonard sah anders aus, blass, seine Augen waren von Ringen untermalt und schienen nervös. Dies bestätigten mir auch seine Hände, die sich krampfend um die Mappe an seiner Brust gelegt hatten, dass die Knöchel weiß hervorschauten. Es schien einem Schutzschild gleichzukommen. Was war aus dem Mann geworden, der souverän ins Gesicht seines Gegenübers sah und von sich überzeugt war? Ich trat näher zu ihm, ließ meine Hand auf seinen Oberarm nieder. „Alles in Ordnung mit dir?“ Zeitgleich mit meiner Berührung zuckte er zusammen. Ich sah die Mappe auf dem Boden landen und spürte Sekunden später seine Faust auf meinem Auge. Es kam so überraschend, dass ich ihm erst noch hinterher sah, wie er fluchtartig die Wohnung verließ, bevor der Schmerz einsetzte.
Leonard
Schwer atmend, lehnte ich mich an die Hauswand und besah mir meine Faust, die immer noch geballt war. Ich hatte Bastian geschlagen … Nicht dass es für mich überraschend kam, jedoch dass es ausgerechnet Bastian traf. Am Mittag war es schon dazu gekommen, weswegen ich diese Hausbesichtigung machen musste. Es hatte meinen Kollegen getroffen, der mir mehr aus Quatsch auf den Hintern schlug. Mein Chef fand es nicht amüsant, beschimpfte ihn und hatte Verständnis für mich.
Dass es normal zwischen meinem Kollegen und mir war, konnte er nicht ahnen und ich wollte, nein, konnte es nicht richtigstellen. Mir hatte es die Sprache verschlagen. Seit zwei Wochen reagierte ich aggressiv, wenn mich jemand berührte, und versuchte deshalb jedem aus dem Weg zu gehen. Selbst Lars hätte es fast erwischt, doch dieser konnte sich rechtzeitig ducken, was er sicher seiner Boxleidenschaft verdankte.
Natürlich versuchte mein bester Freund herauszufinden was mit mir los war, doch konnte ich nichts sagen. Immer nach solch einer Attacke zog ich mich zurück und versuchte mir selbst bewusst zu machen, dass ich so nicht reagieren durfte. Was war nur mit mir geschehen? Nie war ich aggressiv oder gar ein Schläger gewesen, eher das Gegenteil, und nun? Ich erkannte mich selbst nicht wieder.
Mit einer Hand auf dem lädierten Auge, die andere umschloss meine Mappe, erschien Bastian an der Haustür. Ich sah ihn schluckend an, suchte nach einer Entschuldigung, doch nichts wollte über meine Lippen kommen.
„Leonard, was ist los mit dir?“, sprach er mich an. Besorgnis schwang in seiner Stimme mit, genau wie Unverständnis.
„Ich … ich … es tut mir leid … ich … ich wollte das nicht, wirklich“, zwang ich mir hinaus und verdrängte das Wasser in meinen Augen.
Ich durfte nicht anfangen zu heulen, wie käme das denn bitte rüber? Nein, das ging nicht. So ließ ich mich hinab sinken und versteckte mein Gesicht an meinen Knien. Am liebsten wäre ich weggefahren, doch das Zittern, was meinen Körper erfasst hatte, ließ es nicht zu. Mochte sein, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verloren hatte, aber sicher nicht über meine Vernunft.
Bastian verharrte neben mir, legte dann meine Mappe neben mich und während ich noch hoffte, er würde sich verdrücken, setzte er sich zu mir. „Leonard, was ist los? Ist irgendwas passiert?
Was habe ich falsch gemacht, um das verdient zu haben?“ Er nahm die Hand von seinem Auge und erschrocken zog ich die Luft ein. Das Auge war angeschwollen und verfärbte sich langsam.
„Oh Mist … Komm, ich bring dich zu einem Arzt oder ins Krankenhaus …!“
Lächelnd runzelte er die Stirn und mein Herz machte einen Satz. Er lächelte mich an, seine braunen Augen funkelten im Sonnenlicht und ich war mir sicher, noch nie schönere gesehen zu haben. „Du machst dir Gedanken um mein Auge, also war es schon mal nicht persönlich gemeint.
An was liegt es dann?“ Abermals erhob er seine Hand in Richtung meines Armes, was meinen Körper zum Verkrampfen brachte. „Weil ich dich berührt habe?“ Beide sahen wir uns überrascht an.
Bastian hatte mich durchschaut. Ehe er weitere Schlüsse ziehen konnte, sprang ich auf, schnappte mir meine Mappe und verschwand. Mit immer noch zittrigen Fingern fischte ich in meiner Hosentasche nach meinem Schlüssel. Gerade so gelang es mir, im Auto zu verschwinden und es zu starten, bevor Bastian am Auto war. Ich musste weg, weit weg und außerhalb der Reichweite von dem Mann, der mein Herz zum Stolpern brachte.
Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, woran meine Reaktion auf körperliche Nähe oder Berührungen lag. So saß ich abends am Computer und versuchte, was zu finden. Berührungsangst nannte es ein Online-Therapeut … so ein Schwachsinn; was ich da las, traf nicht auf mich zu. Weder hatte ich mit meinen Eltern oder sonstigen Bezugspersonen Probleme noch eine verkorkste Kindheit, wo ich Nähe nicht erlernt hatte … Doch dann erblickte ich: Angst vor Kontrollverlust, mangelndem Vertrauen, im Falle eines Missbrauchs kann das Leben stark beeinträchtigt werden.
Die Angst vor Berührungen, mit dem Gedanken, dass jeglicher Kontakt zu dem Einen führen könnte, kann Angstzustände mit sich führen. Selbst wenn dem Geist bewusst ist, einen Fehler zu begehen, reagiert der Körper anders, aggressiv und unberechenbar. Eine Therapie kann Abhilfe schaffen. Ein Missbrauch, egal welcher Art, ist nicht zu unterschätzen.
Langzeitschäden sind nicht ausgeschlossen und können das Leben erschweren, las ich und schüttelte den Kopf. Ich war nicht ... Das war kein … War ich missbraucht worden? Auch das gab ich in die Suchmaschine ein: falsch oder böse gebrauchen, warf die Maschine mir entgegen.
Mir wurde schlecht, allein der Gedanke, was das hieß, ließ meinen Magen rebellieren. Ich rannte zur Toilette, doch es gab nichts, was ich der Schüssel vor mir geben konnte.
Das Essen fiel mir schwer und ich flüchtete mich in eine Melancholie der Trauer, die ich bisher auf Bastian geschoben hatte. Er war aber nicht der Grund, das wurde mir jetzt bewusst. Die eine Nacht, die nun zwei Wochen hinter mir lag, hatte mein Leben verändert, mich zu einem anderen Menschen gemacht.
Langsam drang es in die letzten Gehirnwindungen vor und auch in mein Bewusstsein: Leonard Silber war missbraucht worden. Wäre es nicht so traurig und ernst, hätte ich gelacht. Stattdessen sackte ich auf die kühlen Fliesen meines Badezimmers und zitterte. Ich musste schnellstens aus dieser Wohnung raus, schoss es mir durch den Kopf, und ehe ich mich versah, fing ich an, die Kartons zu packen, die ich mir gestern besorgt hatte.
Ich wusste auch zu diesem Zeitpunkt, dass ich es zu verdrängen versuchte, nicht wahrhaben wollte, was passiert war. Die Ausreden in meinem Kopf waren klar und deutlich: Ich hatte es provoziert. Ich war zu unachtsam. Ich wollte gefickt werden und genau das hatte der Typ gemacht. Und doch konnte ich genauso dagegen halten. Ich wollte den Kerl nicht haben. Konnte nicht annehmen, dass mir jeder XY-Typ was ins Glas schmeißen würde, und den Kerl, der mich vögelte, durfte ich mir selbst aussuchen.
Ein Nein, war ein Nein. Trotzdem verdrängte ich alles, egal welche Gedanken aufkeimten, ich erdrückte sie unter der Last des Umzugs. Ich wollte fort aus der Stadt. Nicht mehr in dem Gewusel wohnen und endlich Ruhe haben.
Direkt beim ersten Besuch des Hauses, hatte ich eine innerliche Ruhe verspürt, die mich den Mietvertrag schneller unterschreiben ließ, als mein Verstand reagieren konnte. Ich fühlte mich gut mit der Entscheidung und wusste, es war die richtige. Dieses Haus würde mir das bieten, was ich brauchte, Entspannung, Ruhe und Geborgenheit, wenn nur … ja wenn nur der Umstand nicht wäre, dass noch eine Wohnung zu vergeben war.
Bastian in dieser zu sehen, war einem Traum gleich gekommen. Ich hatte keine Angst vor ihm, auch wenn ich auf seine Berührung recht grob reagiert hatte. Seine Augen glänzen zu sehen, als er durch die Wohnung ging, hatte mir ein warmes Gefühl beschert, doch wusste ich, dass es nie so kommen würde. Zwischen uns war einiges schiefgelaufen, oder?
Eigentlich ja nicht, wir hatten einen One-Night-Stand und der hatte uns beiden gefallen. Konnte sein, dass ich etwas grob gewesen war, mit meiner Forderung, aber deshalb konnte man nicht gleich von „schiefgelaufen“ reden. Wieso wollte er also nicht mit mir in einem Haus wohnen?
Auch diesen Gedanken verdrängte ich und begab mich daran, die mittlerweile gefüllten drei Kartons des Wohnzimmers in meinen Wagen zu bringen. Einen Anruf, und eine Stunde später fuhr Lars vor, mitsamt Chris und einem Kleinbus. Distanziert begrüßte mich mein bester Freund: „Hey Leo, wieso willst du das schon heute machen, ich dachte erst in einer Woche?“
Chris sah irritiert zwischen uns umher, die Distanz kannte er nicht, doch hielt er sich wortlos dran und ging stattdessen mit nach oben.
„Weiß auch nicht, hat mich auf einmal gepackt!“, erwiderte ich und zuckte mit den Schultern. Innerlich hoffte ich, er würde es mir glauben, auch wenn seine Augen was anderes sagten. Lars kannte mich schon viel zu lange. Ich würde ihm irgendwann was sagen müssen, doch solange ich es hinauszögern konnte, machte ich das auch.
Als mein Chef mich anrief und mir zu meiner gelungenen Vermittlung gratulierte, zuckte ich zusammen. Herr Bastian Becker hatte die Wohnung also genommen. Ein Stein fiel mir von meinem Herzen und mein Blick wanderte zu Chris, der gerade mit Lars im Kleinbus vor meinem neuen Zuhause vorfuhr. Dieser sah irritiert zum Haus. „Hier wohnt mein Bruder auch bald.“ Ob er mit uns sprach oder eher mit sich selbst, konnte ich nicht sagen.
Interessierte mich auch recht wenig, denn ich war darauf bedacht meine Wohnung einzurichten. Die Maler, die ich beauftragt hatte, waren schon fertig, und das war auch mein Glück. So konnten wir innerhalb eines halben Tages alles herbringen. Mit einem Bier bedankte ich mich um Mitternacht bei meinen beiden Helfern, die so spontan geholfen hatten. Müde und fertig verabschiedeten sie sich auch bald und ich sah mich um. Gerade einmal der Wohnzimmer- und der Schlafzimmerschrank standen.
Die Küche war schon drin gewesen und wie die von Bastian in Silber gehalten. So begab ich mich daran, mein Bett aufzubauen, und hoffte es noch zu schaffen, bevor mein Körper seinen Schlaf forderte.
Ich hatte es nicht geschafft, doch zum Glück hieß mich die Couch willkommen und so war die Nacht nicht ganz so schlimm. Den nächsten Tag war ich voller Tatendrang und räumte eine Kiste nach der anderen aus, bis lediglich mein Bett noch unvollständig zusammengebaut da stand. Ich brauchte Hilfe, alleine würde ich es nicht schaffen, ohne dass es aus der Verankerung brach.
Seufzend sah ich auf die Uhr, die mittlerweile Nachmittag zeigte, schnappte mir ein eiskaltes Bier und setzte mich auf meine Terrasse. Sie war genauso groß wie Bastians zukünftiger Balkon und ebenso von einem Geländer umrandet.
Ich genoss die Sonnenstrahlen und schloss die Augen, als ich ein Auto heranfahren hörte. Ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht, das war sicher Lars, der meinte nach mir schauen zu müssen und wusste, dass ich Hilfe brauchte.
Hierin jedoch ich hatte mich getäuscht, denn nicht Lars’ Ford Kombi fuhr vor, sondern ein älteres Model eines dunkelblauen Golfs hielt vor dem Haus. In mir setzte sich ein freudiges, wenn auch beängstigendes Kribbeln frei. Ich sah, wie Bastian ausstieg, einige Eimer, vermutlich Farbe, aus dem Kofferraum hievte und dazu noch andere Mal-Utensilien.
Sein Körper war in einen Blaumann gesteckt und seine Haare von einem Käppi an den Kopf gepresst, und doch sah er gut aus. Mein Blick wanderte über seinen Körper und sogleich sah ich ihn nackt vor mir. Welch ein Anblick, der mich erregte, doch auch Panik auslöste. Ein komisches, gemischtes Gefühl, dass mich erzittern ließ. Und dann sah er mir in die Augen, ein sanftes Lächeln überzog sein Gesicht und er nickte. So eine simple Geste, die mehr als tausend Worte sagte.
Bastian
Ich wusste, dass Leonard hier war, hatte es mit einkalkuliert und freute mich ihn zu sehen. Seit gestern war mir so einiges durch den Kopf gegangen. Seine Reaktion hatte in mir Fragen aufgeworfen und ich ahnte, mit meiner Vermutung recht zu haben. Irgendwas war passiert, was in ihm diese Reaktionen hervorrief. Man konnte mich einen Idioten nennen, dass ich die Wohnung, gegen jede Warnung meines Verstands angenommen hatte.
Aber irgendwas in mir hatte Leonard ausgelöst, dass ich in seiner Nähe sein wollte. Ich kam nicht dagegen an, das war mir bewusst. Meine Gefühle für diesen rüpelhaften Kerl, der mir gestern ein stattliches Veilchen verpasst hatte, waren seit einem Jahr penetrant in mir verankert. Ich hasste und genoss es zugleich. Als Chris mir gestern mitteilte, dass Leonard schon umziehen wollte und Lars dessen Hilfe dafür brauchte, wäre ich am liebsten auch mitgekommen, doch getraut hatte ich mich nicht.
Wer hätte schon sagen können, wie Leonard reagieren würde? So hatte ich wach im Bett gelegen und mich gefragt, was genau passiert sein konnte. Es gab einige Möglichkeiten, von einem Überfall bis zu einem Missbrauch, doch konnte ich mir keins wirklich vorstellen. Leonard war ein stattlicher Mann und konnte sich wehren.
Man sah ihm seine sexuelle Veranlagung nicht an und ich wusste von Freunden, dass er es auch nicht an die große Glocke hing, auch wenn er es nicht verleugnete. Leonard war kein Paradiesvogel, wie es so manche in unseren Kreisen gab, also was sollte passiert sein?
Ohne eine Antwort hatte ich mich am Abend noch auf zum Baumarkt gemacht, um mir Mal-Utensilien zu besorgen. Es war wohl die beste Ausrede in der Wohnung aufzutauchen und gleichzeitig auch etwas produktiv zu sein. Ich hatte den Vertrag eine Stunde nach meiner Begegnung mit Leonard unterschrieben und auch gleich den Schlüssel erhalten, somit stand meinem Vorhaben nichts im Wege.
Leonard erwiderte mein Nicken und doch sah ich seine Hand, die die Flasche fest umschloss. Es kam einer Erwürgung gleich, wenngleich es kein wirkliches Opfer gab. Löste ich diese Reaktion aus? Ich wusste es nicht und hoffte inständig, dass die Antwort Nein war. In mir brannte es, ihn anzusprechen, doch was ich sagen sollte, war mir nicht klar. Ein einfaches Hallo war sicher nicht das Richtige, somit blieb ich stumm.
Gerade hatte ich meinen Blick von ihm genommen, als ich sein Räuspern vernahm. „Bastian, wenn es nicht zu viel verlangt ist, könnte ich dich vielleicht bitten, mit anzupacken? Ich bekomme mein Bett nicht alleine aufgebaut und möchte Lars und Chris nicht nerven, nach gestern.“ Ehe ich antworten konnte, bewegte sich mein Kopf schon zu einem Nicken. Vielleicht auch besser so, mein Ton wäre sicher von Freude geschwängert gewesen.
Leonard lächelte erfreut, stellte sein Bier ab und ging über die Balkontür nach drinnen, um mir zu öffnen. Ich vermied jegliche Berührung, versuchte nicht allzu dicht an ihn zu kommen, während wir das Bett aufbauten. Manchmal war es unvermeidlich, dicht aneinander zu gehen, doch ließ ich ihn den Schritt tun und das schien Leonard weniger zu stören als eine Berührung von meiner Seite.
Ein ziemlich seltsames Verhalten, aber ich nahm es hin, was blieb mir auch sonst übrig und auf ein weiteres blaues Auge war ich wirklich nicht scharf. Zumindest schien sein Verhalten wirklich nichts mit mir zu tun zu haben, was mich sehr beruhigte. Innerhalb von einer Stunde stand das Bett, war mit Lattenrost und Matratze versehen und wir saßen auf dem Balkon mit jeweils einer Flasche Bier. Die kühle, herbe Flüssigkeit lief meine Kehle hinab und war bald zu herb, als ich an Leonards Geschmack dachte.
Ob er wirklich noch so schmeckte, konnte ich sicherlich nicht mehr sagen und doch meinte ich es noch zu wissen. Leicht salzig, herb und unverwechselbar nach Kokos. Eine merkwürdige Kombination und doch hatte sie mich gefesselt. Ich hatte alles versucht den Geschmack nachzuahmen, doch war es mir nie gelungen und nun saß er neben mir. In trauter Zweisamkeit genossen wir das Bier und sahen uns die Nachmittagssonne an. Wir schwiegen, aber es war nicht unangenehm. Es war ein Schweigen, das mehr sagte, als es tausend Worte tun konnten. Leonard hatte nichts gegen mich, doch irgendwas verschloss er in seinem Inneren, was er vermutlich selbst nicht wahrhaben wollte.
Doch besser, ich durfte hier sitzen, mit ihm schweigen, als gar nicht in seiner Nähe sein, und ich würde den Teufel tun, es mir mit einer Frage zu verderben.
„Du musst streichen?“, durchbrach Leonard nach fast einer halben Stunde die Stille.
„Ich möchte. Es ist ja geweißt worden, aber ich möchte doch etwas Farbe haben“, antwortete ich lächelnd und umschloss abermals den Hals meines Bieres mit meinen Lippen. Bewusst nahm ich Leonards Blick wahr, der auf meinen Lippen hing. Ich verharrte einen Moment länger in dieser Position, schluckte somit mehr der Flüssigkeit, als ich vorhatte, und verschluckte mich auch noch.
Hustend setzte ich die Flasche ab und kämpfte um jeden Atemzug. Ein fester Schlag auf meinen Rücken ließ mich endlich durchatmen und das Bier ausspucken, was sich in meine Luftröhre verirrt hatte. „Danke!“, keuchte ich.
„Gerne doch, ich bin dir wohl schuldig, dass ein Schlag von mir dich nicht verletzt!“ Betreten sah Leonard zu Boden.
„Verheilt auch wieder, mach dir keine Gedanken. So, ich sollte wohl mal an die Arbeit gehen, sonst wird das nichts mit meinem Umzug am Wochenende.“ Ich erhob mich und er ebenso.
„Kann ich dir vielleicht helfen? Ich hab es zwar von einer Firma machen lassen, aber bin recht gut darin, nur hat mir die Zeit gefehlt.“
Abermals nickte ich einfach zur Antwort. Um Mitternacht machte ich mich auf den Weg zu Chris’ Wohnung. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und war zufrieden mit meiner Leistung, falsch, mit unserer Leistung. Leonard hatte nicht zu viel von sich behauptet, er konnte wirklich streichen. Der Zeilenhintergrund der Küche, war nun mintgrün und sagte mir ausgesprochen gut zu. Leonard war zu Beginn etwas skeptisch gewesen, doch dann recht angetan, dass er sich gleich auch in meinem Wohnzimmer daran machte, kleine Akzente mit dieser Farbe zu streichen.
Ich hatte eigentlich vorgehabt dort ein Rot zu verwenden, aber musste einsehen, dass ich damit falsch gelegen hätte. Leonard war anders, als ich ihn kennengelernt hatte. Nicht überheblich, keine Spur eines Großmauls, er war einfach nett, sympathisch und hilfsbereit.
Als ich diese Facetten vor meinem Bruder erwähnte, hatte er die Augenbrauen verblüfft empor gezogen und nachgefragt, ob wir vom gleichen Leonard sprachen. Das war der Fall, auch wenn er an meinen Worten zweifelte. Es war mir egal, ich wollte mir darum keine Gedanken machen, wollte einfach in mein Bett fallen und in Gedanken den Stunden der Zweisamkeit nachhängen. Dass in mir wieder Hoffnung aufkeimte, war sicherlich nicht verwunderlich, doch seine Veränderung sagte mir zu.
In der Woche konnte ich sogar auf Leonards Hilfe bauen. Immer wenn ich nach Feierabend auftauchte, hatte er einen Blaumann an und half mir tatkräftig. So war meine neue Wohnung schon Mittwoch fertig gestrichen und ich musste sehen, dass ich Möbel auftrieb. Da besaß ich nämlich gar nichts. Ein Glück, dass ich Lars ebenso kannte, der mit mir freiwillig am Freitag in ein Möbelhaus fuhr, dazu den Kleinbus seines Arbeitgebers ausgeliehen hatte. So fuhren wir zusammen zu einem Geschäft und schlenderten durch die Reihen der aufgebauten Möbel.
„Hast du Leonard die Woche getroffen?“, fragte mich Lars in der Wohnzimmerabteilung, wo ich mir eine Eckcouch, Schrank und einen Tisch aussuchte.
„Ja, jeden Tag. Er hat mir beim Streichen geholfen.“
Nickend nahm Leonards bester Freund meine Antwort wahr. Zusammen gingen wir in die Badabteilung und während ich mir gerade Gedanken über die Handtuchfarbe machte, stellte er seine nächste Frage: „Du kennst ihn noch nicht so gut wie ich, aber ist dir vielleicht auch etwas an ihm aufgefallen?“
Ich entschied mich für ein dunkles Blau, dass den Bodenfliesen ähnelte. „Er ist freundlicher geworden, redet nicht mehr so von oben herab. Sein Wesen hat sich verändert!“
„Genau und er ist irgendwie merkwürdig, wenn man ihn berührt.“ Mein Blick huschte erstaunt zu Lars, ihm war es also auch aufgefallen.
„Das habe ich auch bemerkt, solange ich ihn nicht berühre, ist alles in Ordnung, weißt du wieso?“, stellte ich die Frage, die ich eigentlich an Leonard hätte richten sollen.
„Ich habe keine Ahnung, dachte, du könntest mir was sagen. Schließlich ist er erst so, seitdem ihr zwei im Schlafzimmer wart, an diesem Abend …“
Gerade war ich dabei, mir die Badmöbel zu notieren, die mir zusagten, als ich stockte und zu Lars sah. „Das hat gewiss nichts mit mir zu tun. Er geht ganz normal, nun ja, relativ normal mit mir um. Irgendwas stimmt nicht mit ihm und es mag sein, dass irgendwas im Schlafzimmer es ausgelöst hat, aber sicherlich habe ich nichts damit zu tun. Es kommt mir eher so vor als …“
„Wäre etwas passiert, was Unschönes, worüber er nicht sprechen möchte!“, beendete Lars meinen Satz und nickte.
Schweigend traten wir in die Schlafzimmerabteilung und suchten dort alles zusammen, was ich benötigte. Neben einem Bett, mit passenden Nachtschränken und Kleiderschrank, auch Bettwäsche. Da Leonard mein Schlafzimmer mit dunkelroten Akzenten versehen hatte, entschied ich mich für die passende Bettwäsche und ebensolchen Läufern, die farblich sicherlich zu den weißen Möbeln passten. Nachdem ich auch alle Utensilien für die Küche hatte, fuhren wir zu mir.
Leonard saß auf seiner Terrasse und lächelte uns zu. „Kann ich euch helfen?“
„Klar, du faule Socke, mach dich her!“, lachte Lars und öffnete den Bus. Dieser war randvoll und wahrscheinlich überladen, aber wir waren heil hier angekommen, ein Glück. Zwei Stunden schleppten wir die ganzen Einzelteile nach oben. Nun gut, wir machten auch einmal Pause für eine Stunde, aber das hatten wir wirklich verdient.
Nachdem sogar abends um acht alle meine Möbel aufgebaut waren, verschwanden Lars und Leonard, nach tausendfachem Dank, von mir. Zufrieden lehnte ich mich an die Flurwand, die zum offenen Wohnzimmer führte, und lächelte befriedigt. Es war besser gelaufen als erwartet.
Leonard
Ich musste mich Lars nun stellen, das war mir bewusst, auch wenn ich es am liebsten vermieden hätte. Mein bester Freund folgte mir in meine Wohnung, wo er sich erschöpft auf das Sofa fallen ließ. Ein Bier würde unser Gespräch eröffnen, wie es sooft der Fall gewesen war.
Was keiner wusste, war, dass ich mir Hilfe gesucht hatte. Musste ich doch einsehen, dass ich sie brauchte. Ich konnte noch nicht von nennenswerten Erfolgsergebnissen reden, aber akzeptierte endlich, was geschehen war. Der Missbrauch war als Vergewaltigung zu betiteln und hatte in mir eine Furcht vor Berührungen ausgelöst, ebenso vor Menschenansammlungen.
Doch meine Therapeutin meinte, ich sollte es meinem besten Freund sagen. Menschen, die mir am nächsten standen und darunter litten oder denen es eben auffiel. Das waren wohl nur Bastian und Lars, doch dem Ersten wollte ich es wirklich nicht erzählen. Schließlich hatte dieser die Tat gesehen und ob er mir nun glaubte, stand in den Sternen geschrieben und zwar in einer längst vergessenen Schrift, die keiner entziffern konnte.
Lars sah mir zu, wie ich das Bier öffnete, Salzstangen in ein Glas füllte und mich dann zu ihm setzte. Sein Blick war fragend, doch statt etwas zu sagen, biss er in eine Salzstange und spülte die zerkauten Krümel seine Kehle hinunter. Erst dann bedachte er mich mit seinen Worten. „Erzählst du mir mal, was mit dir los ist?“, stellte er nun die Frage und bevor ich auch nur aufschauen konnte, fasste er mir an den Arm. Ich zuckte zusammen, ballte meine Faust, konnte jedoch einen Schlag unterdrücken. In meinem Kopf kam es einem Mantra gleich: Er tut dir nichts, er tut dir nichts.
„So, und wag es nicht, mir zu sagen, es sei nichts!“, forderte Lars mich auf zu reden. „Vor genau drei Wochen ist etwas passiert.“
Ich suchte nach Worten, wie ich es aussprechen konnte, ohne zu zittern oder gar mich verängstigt zusammenzukauern, wie es immer in der Therapie war. Doch dann entschied ich mich für die unverblümte Variante, mit allen Konsequenzen. „Vor genau drei Wochen hat mir ein Kerl im Club etwas ins Getränk gekippt. Vermutlich K.-o.-Tropfen. Dann hat er mich vergewaltigt.
Ich wurde erst wieder klar im Kopf, als er mir seinen Schwanz in den Rachen rammte, konnte mich aber nicht wehren. Seither habe ich Panik davor, wenn mich jemand berührt, vermeide Menschenmengen und plage mich mit Albträumen herum, dass ich keine Nacht richtig schlafe. Seit Montag bin ich in Therapie und hoffe, das kann mir helfen. Ich habe jetzt drei Wochen Zwangsurlaub, bin krankgeschrieben, weil mein Arzt meint, es sei unzumutbar, dass ich mich momentan mit anderen Menschen umgebe.
Und auch wenn ich weiß, dass du mir nie etwas Derartiges antun würdest, würde ich dich am liebsten zusammenschlagen, sobald du mich anfasst!“ Die Worte waren raus, genau wie das Wasser in meinen Augen. Tränen rannen meine Wange hinunter und ich konnte sie nicht unter Kontrolle bringen.
Lars sah mich sprachlos an, während ich den Flüssigkeitsverlust dank Bier auffüllen konnte. Irgendwann fand mein bester Freund seine Sprache wieder. „Verdammte Scheiße, wer war das?“
„Ich weiß es nicht. Hab ihn vorher noch nie gesehen. Das Einzige, was ich noch weiß, es war ein Bär von einem Kerl.“
„Mensch, Leo, wieso hast du nichts gesagt? Vielleicht hätte ich dir helfen …“
„Nein, hättest du nicht. Das ist eine Sache, die ich mit mir selbst ausmachen muss. Da kann mir momentan keiner helfen. Ich weiß, dass ich nicht schuld bin und akzeptiere, was passiert ist. Nehme es wahr, auch wenn es mich in ein Loch zieht!“
Lars schluckte hart, nahm einen großen Schluck Bier. „Das ist Wahnsinn, das kann einfach nicht passiert sein. Es ist so, so … ich weiß auch nicht. Entschuldige, ich verstehe es einfach nicht. Das so etwas wirklich passieren kann, hier, bei uns …“
Ich verstand ihn nur allzu gut. Wie oft las man es in der Zeitung, aber es war weit weg, betraf einen nicht. Doch nun sah es anders aus. „Schon okay.
Ich kann es nicht ändern, muss es irgendwie hinbekommen, wieder ich selbst zu werden, aber das dauert und ich hoffe, du hast die Nerven, darauf zu warten!“
„Auf dich werde ich immer warten. Du bist mein bester Freund!“ Seine Hand landete auf meiner Schulter und ich ließ das Mantra wieder meine innere Ruhe beschwören.
„Scheiße, tschuldige, ehrlich, daran muss ich mich erst gewöhnen. Sonst ist alles klar bei dir? Ich meine, hast du was davongetragen? Körperlich.“
„Nein, zum Glück nicht.“ Er atmete erleichtert aus. So war es mir auch gegangen, nachdem der erste HIV-Test negativ war, einer stand in drei Wochen noch aus, um ganz sicher zu sein, aber man hatte mir eine 90%ige Sicherheit gegeben, dass ich nicht infiziert war. Ich klammerte mich daran und betete jeden Abend. Auch wenn ich sonst nicht gläubig war und Gott homosexuelle Menschen angeblich nicht tolerierte, wie die Kirche meinte, hatte ich trotzdem Hoffnung.
Mein bester Freund blieb nicht mehr lange, ich sah ihm seine Gedanken an, die durch seinen Kopf fegten. Auch für ihn war es ein Schock und damit musste er erst einmal umgehen lernen. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in mir breit. Der erste Schritt war schwer gewesen und doch tat er unheimlich gut. Ich musste mich nicht mehr vor Lars rechtfertigen, Ausreden suchen, wieso ich wie reagierte oder plötzlich nicht mehr mit ausgehen wollte. Das vereinfachte mir mein Verhalten und machte Platz für andere Gedanken.
Von oben kam ein Poltern, dann ein Fluch und ein Wehlaut. Eilig sprang ich auf und stürmte die Treppen hinauf. Die Tür war noch offen und somit der Zugang nicht versperrt. Eilig suchte ich die Zimmer ab und fand Bastian dann im Badezimmer, mitsamt dem Spiegelschrank lehnte er an der Wand. Die Ecke des Schrankes hatte sich in sein, mittlerweile, blass lila Auge gebohrt und ich ahnte, dass es abermals einen Farbwechsel mitmachen musste. Schnell nahm ich Bastian den Hängeschrank ab und hing diesen direkt auf.
„Danke, ich bin gerutscht und hab den Halt verloren.“ Mit einem schmerzverzerrten Gesicht hielt er sein Auge. Zusammen gingen wir in meine Wohnung, wo ich ihm einen Eisbeutel reichte und ihn auf dem Sofa platzierte, während ich abermals zwei Bier öffnete.
Eine Kühlung half sicherlich von innen, ebenso wie von außen. So saßen wir da, im Einklang des Schweigens, und tranken unser Bier. Es war schon merkwürdig wie gut das Schweigen tat, wenn man zusammen saß. Selten hatte ich es so genossen wie mit Bastian. Vor einer Woche hatte ich den Mann neben mir als meinen zukünftigen Lebenspartner gesehen, davon war ich mittlerweile abgekommen. Meine Therapeutin riet mir, erst mich selbst zu finden, statt mich in eine Beziehung zu stürzen, nur weil ich der Ansicht war, dass sie mir helfen könnte.
Sie hatte sicherlich recht und doch konnte ich nicht verhindern, dass meine Blicke immer wieder zu diesem Mann gingen. Bastian war ein Mann, der mein Herz dazu brachte, wegen einem einfachen Lächeln, doppelt so schnell zu schlagen. Seine braunen Augen hinterließen das Gefühl, dass er bis auf den Grund meiner Seele sehen konnte. Als wüsste er bereits alles und wartete darauf, dass ich es ihm sagte. Sicherlich wäre es gar nicht mal so schwer gewesen, es ihm zu sagen, und doch hinderte mich eine innere Blockade daran.
Gegen zehn verabschiedete sich Bastian, versprach zur Vorsicht seine Türe nicht abzuschließen, was ich ebenso nicht tat. So konnte ich schneller nach oben laufen, falls was sein sollte. So war es gedacht, doch es sollte anders kommen. Denn in dieser Nacht lief ich nicht zu ihm, sondern er zu mir. Zum ersten Mal bekam einer meine Albträume mit, in denen ich schrie.
Was sonst nur mich selbst weckte, hatte auch Bastian aufgeschreckt, was ich, als ich aufwachte, in seinen Augen sah. Besorgt sah er mich an und meine Hand lag in seiner. Kein Mantra war nötig, ich sah ihn einfach an und wusste, dass er mir nichts tut. Es war lächerlich, das war mir bewusst, meinem besten Freund traute es mein Geist zu, aber den Kerl, mit dem ich nur einmal im Bett war und gerade eine Woche verbracht hatte, dem schien ich zu vertrauen. „Alles in Ordnung, Leonard?“
Ich konnte nicht antworten oder nicken, sah ihn einfach nur an und versank in seinen braunen Augen. Eine Antwort blieb ich ihm schuldig, denn als ich morgens erwachte, wurde mir erst bewusst, dass ich noch einmal eingeschlafen war. Und Bastian? Der saß auf seinen Unterschenkeln neben dem Bett und hielt meine Hand. Sein Kopf lag auf der Matratze und ich konnte mir vorstellen, was für Schmerzen er beim Aufwachen haben musste. Doch im Moment gönnte ich mir den Anblick in sein Gesicht.
Seine Augen waren entspannt geschlossen, sein lädiertes Auge abermals geschwollen, aber es würde dieses Mal wohl nicht so schlimm werden wie das vorher. An sich sah Bastian noch jung aus, auch wenn uns gerade drei Jahre trennten. Seine Lippen waren in einem sanften Rot getaucht, das mich an Radieschen erinnerte, und schimmerten glänzend, als sei er sich gerade mit der Zunge drüber gefahren. Ich wollte ihn so gerne küssen, seinen Geschmack in mir aufnehmen, und ehe ich mich versah, näherte ich mich ihm. Hauchzart, mehr war die Berührung nicht, und doch öffnete Bastian zeitgleich die Augen. Die Überraschung lag in seinen Augen, doch auch ein Lächeln, bis er sich bewegte, da verzog sich sein Gesicht vor Schmerzen.
„Du hättest nicht auf dem Boden schlafen müssen!“ Ich sah ihn weiter an, während mir die Röte ins Gesicht schlich.
„Hab es gar nicht gemerkt, bin einfach eingeschlafen. Aber wenn du mir als Entschädigung einen Kaffee anbieten möchtest, hätte ich nichts dagegen.“
„Ehrensache!“, erwiderte ich, löste meine Hand aus seiner und sprang aus dem Bett.
Ich fühlte mich ausgeschlafen, energiegeladen und seit Langem mal wieder wirklich gut. Bei diesen Gedanken stockte ich, sah über meine Schulter auf Bastian, der sich mit knackenden Gelenken aufrichtete. War er der Grund gewesen? Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich wusste schon das nächste Gesprächsthema mit meiner Therapeutin. Mir war bewusst, dass ich mich nur auf mich konzentrieren sollte, und doch war die Nähe zu Bastian eine Wohltat für meine Seele.
„Und Ihre Frage an mich ist jetzt, ob Sie warten müssen oder ihn sich schnappen dürfen?“ Meine Therapeutin sah mich schmunzelnd an, als ich ihr die Sachlage geschildert hatte. „Herr Silber, wieso wollen Sie mit Bastian zusammen sein?“
„Er bringt mir eine innere Ruhe, nimmt Rücksicht, ohne zu wissen, was passiert ist. Bastian ist ein gut aussehender Mann und ich fühl mich sehr wohl bei ihm.“ Wie ich solche Sätze aus meinem Mund hasste, diese Frau machte ein Weichei aus mir. Nun gut, es half irgendwie auch, aber das musste ich nicht zugeben.
„Eine ziemlich egoistische Einstellung, meinen Sie nicht?“ Dabei zog sie ihre Brille auf die Nasenspitze und sah mich über den Rand hinweg an. Ich knickte ein, natürlich war es egoistisch, kein Gedanke war zu Bastian gegangen, ich konnte doch nicht erwarten, dass er mich auch mochte.
„Aber ich mag ihn so gerne und er mich doch scheinbar auch, oder etwa nicht?“ Angst schlich in mir hoch und ließ mich Professor Georg anblicken.
„Einen Moment … Unsere Stunde ist vorbei …“ Die Frau war ja wohl die Höhe, wie konnte sie mich jetzt darauf aufmerksam machen?
„Herr Silber, wo wir hier privat zusammensitzen, sag ich Ihnen was, dass ich als Therapeutin nicht sagen würde. Wenn Ihnen Bastian gut tut, dann versuchen Sie es. Aber seien Sie sich bewusst, dass es trotzdem zu ungewollten Reaktionen kommen kann. Nach Ihrer Erzählung kann man wirklich davon ausgehen, dass Bastian Sie mag, und ich hoffe für Sie, dass er Ihr Halt werden kann. Doch seien Sie fair und berichten ihm, was passiert ist, denn sonst könnte es zu unschönen Problemen kommen!“
Hatte ich nicht eine grandiose Therapeutin? Sagte ich ja schon immer. Lächelnd nickte ich und machte mich auf den Heimweg. Voller Tatendrang machte ich meine Wohnung sauber und lauschte nach einem Geräusch von oben. Es war Samstag. Ja, samstags ging ich zur Therapie, momentan sogar noch dienstags, doch sobald ich wieder arbeiten würde, wäre samstags der einzige Tag, wo es mir zeitlich möglich war.
Bastian
Ich war gerädert, mein Körper rebellierte bei jeder Bewegung und ich hätte mir selbst in den Hintern getreten, wenn das Anheben meines Beines nicht so wehgetan hätte. Wie dämlich war ich eigentlich, mich einfach neben das Bett zu setzen und dort zu nächtigen. Stimmt nicht, ich hatte gesessen, nur damit Leonard nicht alleine war. Sein Anblick am Morgen hatte mich bald entschädigt. Gut gelaunt, ausgeschlafen und ohne diese hässlichen Augenringe hatte er mir entgegen geblickt. Was waren dagegen schon ein paar schmerzende Knochen?
So gönnte ich mir eine Badewanne voll Schaumwasser und genoss die Entspannung, die durch meinen Körper schlich. Ich spürte immer noch seine Lippen auf meinen und schloss voller Genuss die Augen. Scheiß auf jeden guten Vorsatz, dass ich ihn endlich abschreiben sollte, lang lebe die Erkenntnis, dass ich mich Hals über Kopf in ein ehemaliges Machoarschloch verliebt hatte und es gut fand. Ich genoss das Gefühl, welches mich erfüllte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch, das Kribbeln, das durch meine kompletten Gliedmaßen verlief.
Eins der schönsten Gefühle der Menschheit, hatte meine Oma immer gesagt, ist das, wenn man sich verliebt. Dachte ich vor einem Jahr noch, dass ich verliebt sei, übertrafen diese Gefühle jetzt alles, sodass es mich selbst überraschte. Als ich gerade die soeben getätigten Einkäufe in den Kühlschrank räumte, sah ich Leonard vorfahren. Mein Herz schlug fest in meiner Brust und ich musste mich abhalten, nach unten zu rennen. Er wirkte gelassen, lächelte und seine gute Laune steckte mich selbst von der Entfernung an.
Ich nahm sein Rumoren wahr und begab mich auch tatkräftig daran meine Möbel auszupacken, die ich gestern erst gestellt hatte. Heute würde ich meine Sachen bei Chris abholen und dann war der Einzug perfekt. Die Einweihungsfeier würden Leonard und ich zusammen geben, wir hatten den gleichen Freundeskreis und so bot es sich an.
So störte ich Leonard bei seiner … was auch immer er tat, nicht und machte mich auf den Weg zu meinem Bruder, um mein Hab und Gut abzuholen. Chris hatte schon in weiser Voraussicht einiges gepackt und erwartete mich. Der Blick, der mich bei meiner Ankunft traf, sagte mir eindeutig, dass ich nicht nur meine Sachen abholen würde. Zusammen setzten wir uns zu einem Kaffee in seine Küche und ohne Umschweife fing er an:
„Bastian, ich weiß, du brauchst deine eigenen vier Wände, aber meinst du wirklich, es ist so gut, dass du ausgerechnet mit Leonard zusammenziehst?“
Schmunzelnd sah ich meinen großen Bruder an. „Nun ja, wenn man es korrekt sieht, beziehe ich eine eigene Wohnung, lediglich im gleichen Haus.“
„Mag ja sein, aber ihr seid die letzte Zeit nur zusammen. Kann ja sein, dass sich Leonard etwas verändert hat, und dass du ihn magst, steht auf deiner Stirn geschrieben.“ Was ich tat, durfte einfach nicht wahr sein, ich wischte über meine Stirn und blickte dann auf meine Handfläche.
„Genau das meine ich. Bastian, er ist kein Mann für eine Beziehung. Leonard liebt One-Night-Stands und wird sich diesbezüglich niemals ändern, auch wenn es dir momentan so vorkommt. Kleiner, versteh bitte meine Sorge!“
Kleiner! Ich hätte ihn für das Wort schlagen können. Sicherlich, ich war der Jüngere von uns, doch gerade zwei Zentimeter trennten unsere Körpergröße und das zu meinen Gunsten. „Ich denke, dass ich alt genug bin, um zu wissen, was ich tue. Leonard hat sich komplett geändert, ist zurückhaltender, immer bereit zu helfen und stellt seine Belange nach hinten. Er hat mich nicht einmal angemacht.“
„Ja eben, er hat dich schon im Bett gehabt, nie zweimal, das war schon immer sein Motto!“ Es war mir zu dumm, mit ihm zu diskutieren. Chris kannte Leonard nicht wie ich.
Doch wie es so war, streute man Samen, keimte auch eine Pflanze und die von Chris hatte einen faden Beigeschmack. So fuhr ich mit trüben Gedanken, vier Kartons und zwei Säcken zurück in meine neue Wohnung. Sofort war Leonard da und half mir die Sachen in die Wohnung zu tragen. „Hast du Lust gleich mit mir zu essen? Ich mache Lasagne und würde danach gerne noch was erzählen“ Sein Lächeln ließ mein Herz drei Schläge mehr bewältigen und ich nickte lediglich.
Die Aussicht auf ein gutes Essen und ein Gespräch ließen alle keimenden Pflanzen eingehen. Ich räumte schnell die Kisten aus, die hauptsächlich Bücher, CDs und DVDs beherbergten. Schloss meine Musikanlage an und verstaute die Wäschesäcke im Schlafzimmer, die konnte ich später ausräumen. Schnell noch unter die Dusche und schon stand ich vor Leonards Wohnungstür und klopfte. Lächelnd öffnete er mir, bat mich mit einer eleganten Geste herein und führte mich in die Küche. Die Theke war gedeckt und es kam mir romantisch vor. Zwei Kerzen auf der Theke ließen seine Augen beim Essen erstrahlen und meine Gefühle intensiver werden.
Ich sah es förmlich vor mir, wie er mir seine Zuneigung gestand und mich um eine Nacht bat. Unsere Münder würden sich finden und verschlingen, während unsere Finger einander erkunden. Ein heißes Kribbeln durchfuhr meinen Körper und ließ meine Mitte erwachen. Lächelnd räumte Leonard den Tisch ab, nahm unser Bier und gemeinsam setzten wir uns auf seine Couch. Hier war es auch viel gemütlicher und wenn er mir seine Zuneigung mitteilte, konnte ich ihn direkt auf dieser zurück drücken.
„Also Bastian, es fällt mir schwer das zu erzählen, gerade weil du es bist und ich dich wirklich mag“, begann Leonard und ich bekam schweißnasse Hände. Gleich war es soweit. „Du bist ein besonderer Mann, bei dem ich mich wohlfühle, dem ich Zuneigung entgegen bringe, die nicht üblich für mich ist.“ Oh sprich weiter, es war Balsam für meine Seele. „Selbst deine Berührungen kann ich annehmen, obwohl es momentan nicht normal ist, was dein blaues Auge ja schon zeigt. Doch in den letzten Wochen ist so viel passiert und diese eine Nacht hat mein Leben verändert!“
Er sprach mir aus der Seele, unser Wiedersehen hatte auch meins zu einer Wendung geführt, die ich so nie erwartet hatte. „Die Nacht, als du mich mit diesem Typen in der Gasse gesehen hast …“ Jetzt lief es irgendwie falsch. „… sah anders aus, als es wirklich war. Ich vertraue dir das an, weil ich überzeugt bin, dass du mir helfen kannst. Du kannst mein Vertrauen genießen und ich weiß, du wirst es nicht ausnutzen.“ Irgendwie kam ich nicht mehr recht mit und das schien er mir am Gesicht ablesen zu können. „Der Kerl in der Gasse hat mich mit K.o.-Tropfen gefügig gemacht und mich vergewaltigt.“
Es fehlte ein Knall, der mich weckte, denn dies konnte nur ein Traum sein. So blickte ich in Leonards Augen und wartete auf eine weitere Erklärung, doch es kam nichts. Er schwieg beharrlich und spielte nervös mit seinen Fingern. Vergewaltigt!, hallte es in meinem Kopf. Ich sah die Szene vor mir, wie Leonard über der Mauer lag, sich nehmen ließ, ohne einen Ton. Seine verschleierten Augen, als er zu Boden gedrückt wurde und den Schwanz in den Mund geschoben bekam.
Das konnte nicht wahr sein, ich hatte doch keine Vergewaltigung beobachtet und nicht eingegriffen, oder? Mein Blick wanderte in seine blauen Augen, zu seinem fast schwarzen Haar und dann wusste ich, was los war. Er würde mir gleich Vorwürfe machen … nein … das passte nicht zu dem vorher Erwähnten. Zuneigung, Vertrauen, all diese Worte hatte er erwähnt, doch was jetzt?
„Es tut mir leid, ich habe es nicht erkannt!“ Ich schluckte hart.
„Wie denn auch? Wäre ja nicht mal untypisch für mich gewesen, nicht wahr? Aber Bastian, ich will wieder frei leben können, wieder der Alte werden, und nur du kannst mir dabei helfen!“ Hörten seine Worte sich zuerst noch so gut an, nahm ich nun sein wahres Verlangen wahr. Er wollte wieder er werden, mit allem Drum und Dran, und ich sollte helfen? Wie denn? Ich wollte nicht, dass er wieder dieses Arschloch wird, machohaft und selbstgefällig.
Doch in mir keimte das schlechte Gewissen auf, ich hatte zugelassen, dass dieser bärige Kerl ihn … ich wollte es nicht aussprechen, geschweige denn denken. „Du willst wieder der Alte werden?“ Ein Nicken bestätigte meine Frage. „Und wie soll ich dir dabei helfen?“
„Ich brauche die Sicherheit, das Vertrauen zu einer Person und nur du kommst infrage. Geh mit mir eine Beziehung ein, es muss nicht lange dauern, nur solange, bis ich wieder leben kann.“ Mein Herz krampfte, der verdorrte Keimling von Chris blühte wieder auf und mein Herz setzte aus.
Einmal in den Himmel und dann zurück in die Hölle, konnte ich das? Sollte ich auf Zeit eine Beziehung mit Leonard eingehen, um sein Selbst wieder herzustellen? Was würde aus mir werden, konnte ich das verkraften? War das überhaupt der richtige Weg, um ihm zu helfen? Mein Herz nahm die Hoffnung wahr, endlich ans Ziel zu gelangen. Mein Verstand zeigte mir einen Vogel und erinnerte mich an die Schmach, welche mir nach einer gewissen Zeit kommen würde.
Ich war überfordert, alles was ich gewollt hatte, hätte ich erfüllen können, um in wenigen Tagen, Wochen, eventuell Monaten auf dem Boden der Tatsachen aufzuschlagen. Lautlos stand ich auf, stellte mein Bier ab und verschwand in meine Wohnung. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken und diese beinhaltete nicht, Leonard darüber zu informieren.
Leonard
Irritiert sah ich Bastian nach. Wie hieß es so schön: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Doch hätte ich wirklich eine solche bevorzugt. Mein Herz setzte aus, Wasser sammelte sich in meinen Augen. Meine Vermutung so an ihn ranzukommen, ihn überzeugen zu können, dass er sich genau wie ich eine Beziehung miteinander wünschte, ging den Bach runter. Lieblos heruntergespült wie ein toter Fisch in der Toilette. Bastian wollte mich nicht, dabei dachte ich wirklich … hatte gehofft, dass er es lernen könnte. Lernen mich zu mögen, mir zu vertrauen und mir Zuneigung der besonderen Art entgegenzubringen.
Ich fand meine Idee erstklassig, über die Mitleidsschiene ans Ziel zu kommen. Doch hatte ich es nicht erreicht. Bastian war kein Kerl, wie ich sie kannte, er war besonders, herzlich und verdammt realistisch. Wahrscheinlich suchte er mir schon die Nummern einiger Therapeuten raus. Das hätte ich ihm wohl besser auch gesagt, dass ich bereits in Therapie war. Müde schlurfte ich ins Schlafzimmer, entkleidete mich und kroch unter die Decke. Mein letzter Halt, meine letzte Hoffnung konnte ich begraben.
„Erschreck dich nicht, ich bin es nur!“ Nur vage nahm ich die Worte wahr, die sich in mein verschlafenes Hirn schummelten. Ich spürte einen Arm, der mich umfasste, einen Körper, der sich an meinen schmiegte.
„Bastian?“ Verschlafen sah ich nach hinten und sah in seine braunen Augen.
„Ich werde dir helfen, wir reden morgen drüber, okay? Jetzt schlaf!“, hauchte er mir einen Kuss auf die Lippen und zog mich an sich ran. Nur kurz verspannte sich mein Körper, verkrampfte mein Geist, bis es mich durchdrang. Bastian war bei mir und kam meiner Bitte nach. Lächelnd schloss ich meine Augen, schmiegte mich vertrauensvoll in die Umarmung und schlief wieder ein.
Trotz zweier erschreckenden Traumfrequenzen hatte ich gut geschlafen und als wäre ich noch im Traum gefangen, durfte ich Bastian beobachten. Dieser schlief noch, neben mir, hielt mich fest und gab mir innere Ruhe. Es war der schönste Anblick, den ich je sehen durfte. Mein Herz schlug hart in meiner Brust, wollte vor lauter Freude sein Heim verlassen. Sanft streifte ich Bastian durch die Haare, hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Müde blinzelte er, lächelte verschlafen und ließ mich los. „Guten Morgen“, murmelte er und stieg aus dem Bett. Sofort wurde mir kalt, ich wollte ihn wieder bei mir haben, mich an ihn schmiegen und seine Nähe spüren.
„Ich werde es tun, aber nur, wenn du dir eine Therapie suchst“ Er meinte seine Worte der Nacht ernst. Nun wurde also darüber gesprochen.
„Ich bin bereits in einer Therapie!“, entgegnete ich ihm. Überrascht fuhr sein Kopf zu mir.
„Und die hat dir gesagt, dass es eine gute Idee sei, dass wir beide eine Beziehung eingehen?“ Ungläubig sah er mich an. Lügen kam nicht infrage.
„Nicht direkt, aber dass ich egoistisch sein soll und mich wohlfühlen muss. Vertrauen brauch und einen Halt. Ich vertraue dir, Bastian, und weiß, du kannst mein Halt sein!“ Er nickte, schwieg, seufzte, nickte abermals und ich vermutete, dass er etwas mit sich selbst ausmachte.
Eine Stunde später saßen wir auf meinem Balkon zum gemeinsamen Frühstück, genossen die Sonne, die unsere Körper wärmte. „Wie stellst du dir das genau vor?“ Nur kurz ging Bastians Blick zu mir, bevor er sich die zwei Hälften seines Brötchens schmierte. „Du hattest bestimmt schon eine Beziehung!“ Ein Nicken seinerseits bestätigte meine Annahme.
„Ich nicht, aber ich würde es gerne erfahren. Ist es nicht so, dass man viel zusammen ist, gemeinsam ausgeht und die Zweisamkeit genießt?“
Ein Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. „Ja, so ist das wohl. Doch jede Beziehung ist anders. Leonard, ich möchte wissen, was du dir vorstellst!“, wurde er ernst und trank einen Schluck Kaffee.
„Ich dachte, dass wir viel Zeit miteinander verbringen. Essen gehen, zusammen ausgehen. Ich möchte ohne Panikattacken wieder in einen Club können, dort mit dir tanzen und etwas trinken. Eventuell, also, wenn das nicht zu weit geht, etwas Nähe von dir spüren!“
Sein Blick senkte sich auf den Teller vor ihm und eine leichte Röte zierte seine Wangen. „Kuscheln, oder mehr?“
„Im Moment reicht mir Kuscheln, aber ich will nicht ausschließen, dass es auch mal mehr sein darf!“ Nun war es an mir verlegen zu werden.
Noch nie hatte ich ein solches Gespräch geführt. Bisher wollte ich aber auch noch nie einen Lebenspartner, und mittlerweile fragte ich mich, ob es richtig war, was ich mir hier ausmalte. War es wirklich so einfach eine Beziehung einzugehen, auf eine solche fingierte Art? Der richtige Weg war es sicher nicht und doch, was blieb mir übrig? Dass Bastian mich mochte, stand außer Frage, aber der Unterschied war eben, dass mein Herz für ihn Saltos machte, während seins gediegen in seiner Brust bummerte.
Doch scheinbar hatte ich für meinen neuen „Lebenspartner“ alles zufriedenstellend erläutert, denn kaum, dass wir den Tisch abgeräumt hatten, beschloss dieser, dass wir bei dem Wetter ins Schwimmbad sollten. Unbehagen machte sich in mir breit. War ich wirklich schon soweit? Was wäre, wenn ich dort eine Attacke bekam? Ich malte mir die schlimmsten Szenen aus, doch packte wie befohlen meine Sachen.
Unbehaglich trat ich aus der Umkleidekabine und fand mich direkt vor Bastian wieder. Sein wohlgeformter Körper war braun gebrannt, seine Muskeln definiert. Sein Blick wanderte über meinen Körper und er sog scharf die Luft ein. Die Male der Vergewaltigung prangten immer noch auf meinem Körper, auch wenn ich sie mir nie ansah, wusste ich es genau.
Zwei Abschürfungen an den Hüften und verblasste blaue Flecke an den Schultern waren immer noch zu sehen. „Ich könnte mir in den Arsch treten!“, entfuhr es Bastian.
„Du konntest es nicht wissen. Sollen wir?“, lenkte ich dann ab. Es war ein entspannender Tag, wir lagen gemeinsam auf einer Decke, berührten einander kaum sichtbar. Auf dem Rücken, waren es lediglich unsere Arme, auf dem Bauch unsere Ellenbogen und doch war seine Gegenwart allgegenwärtig. Und das blieb weiter so, mittlerweile seit genau drei Wochen. Ein unbekanntes Gefühl hatte sich in mir breit gemacht, welches mir Wärme und Geborgenheit schenkte und mich auch wieder zur Arbeit gehen ließ.
Meine Therapeutin war überrascht über meinen neuen Lebensmut und gratulierte mir dazu. Ich war selten so entspannt gewesen, hatte mich wohlgefühlt und freute mich in meine Wohnung zu kommen. Jeden Abend saßen wir zusammen, aßen, lachten, sprachen über den Tag. Wir setzten uns gemeinsam vor den Fernseher und lehnten uns aneinander. Diese Nähe war berauschend, und langsam wünschte ich mir mehr als hauchzarte Küsse und Streicheleinheiten.
Immer wieder verirrte sich mein Blut in untere Regionen, verlangte nach Aufmerksamkeit, doch ich konnte es Bastian nicht sagen. Auch wenn wir mittlerweile wirklich offen miteinander sprachen, bekam ich es nicht über die Lippen. Niemals hatte ich etwas erklären müssen, zumindest nicht, wenn es um Sex ging. In einer Gruppentherapie mit anderen Missbrauchsopfern hatte ich so viel wahrgenommen, was mich wirklich schockierte.
Sie dachten nicht mal mehr an Sex, wollten keine Änderung an ihrem Verhalten, was ich nicht verstehen konnte. Für mich war nichts entspannender, als bei Bastian zu sein. Mich in seine Arme zu legen und seine Nähe, Wärme und Geborgenheit zu genießen. Mein Blick wanderte zu Bastian und irritiert bemerkte ich, dass auch seiner auf mir lag. Doch nicht auf meinem Gesicht, er musterte mich, auf eine ganz gewisse Art, die mir genau sagte, an was er dachte.
Als er meinen Blick auffing, schoss ihm augenblicklich die Hitze ins Gesicht. „Entschuldige …“, suchte er nach Worten. Doch ich ließ ihn keine weiteren Worte finden, langsam beugte ich mich zu ihm hinüber, raubte seinen Lippen einen intensiven Kuss. Wir schwiegen, genossen die berauschenden Küsse. Immer weiter drückte er mich zurück, dass ich bald unter ihm zu liegen kam. Ich kämpfte gegen meine innere Anspannung an, gegen die Hirngespinste, die mir sagten, dass ich es nicht zulassen durfte. Dabei sehnte ich mich so danach.
Ich wollte berührt werden, seine Nähe intensivieren und mich mit ihm in einer erotischen Szene verlieren. Doch schien Bastian es zu bemerken, trat auf die Bremse und beließ es bei Berührungen oberhalb der Kleidung. Es war ein Anfang und gleichzeitig so kindisch. Ich hatte schon so oft Sex gehabt, in jeder nur erdenklichen Variante. Selbst SM hatte ich probiert, aber für mich als nicht interessant eingestuft.
Ich wollte mehr, wollte ihn in mir spüren, zergehen vor Lust. Allein die Vorstellung, wie er sich in mich schieben würde, mein enger Muskel ihn willkommen hieß und mein Innerstes in Flammen aufging, brachte mich bald zum Abschuss.
Vielleicht waren es auch Bastians Hände, die meinen Körper aufheizten, mich über dem Stoff meiner Hose stimulierten und mich zum Flehen brachten. Ich flehte um Erlösung, wollte mich ihm hingeben, er sollte mich ausfüllen. Doch Bastian sah es nicht ein, rieb weiter über meine Härte. „Noch nicht, du bist noch nicht so weit“, hauchte er mir ins Ohr und umspielte dieses mit der Zunge. „Heute musst du dich hiermit zufrieden geben!“ Sein Atem war abgehackt, auch an ihm gingen die Berührungen nicht spurlos vorbei.
Der Griff um meinen Schwanz wurde fester und intensiver, dass ich schon bald den erlösenden Schrei von mir geben konnte. Bastian war das Beste, was mir je passieren konnte, das wurde mir jeden Tag bewusst. Seine zärtliche Art und seine Ausdauer, waren atemberaubend. Manches Mal glaubte ich gar, er könnte doch tiefere Gefühle für mich haben. Doch wieso sollte er? So ein hübscher Mann, dazu mit Herz und Verstand versehen, hatte sicher kein Interesse an so einem wie mir.
So schön die letzten Wochen auch waren, wurde mir bewusst, was für ein Arsch ich die letzten Jahre war. Hatte mich aufgeführt wie das letzte Arschloch, hatte jeden genommen, der einigermaßen passabel aussah und das Wichtigste vergessen. Ich hatte vergessen, was wirklich im Leben zählte: Liebe! Dieses Gefühl, was Bastian bei mir verursachte, hatte eine enorme Wichtigkeit in meinem jetzigen Leben gewonnen. Und dennoch war ich mir bewusst, dass er es nicht erwidern musste oder gar tat. Meine innere Stimme teilte es mir bei jeder Gelegenheit mit und es deprimierte mich. Doch der ausschlaggebende Punkt, unsere Absprache zu beenden, kam durch einen Clubbesuch.
Das erste Mal seit dem Vorfall war ich wieder in den Club gegangen. Nervös huschten meine Augen umher, um zu sehen, ob „er“ da war. Doch scheinbar hatte ich Glück und dazu noch Bastian an meiner Seite, der mir beruhigend über den Rücken fuhr. Das blieb allerdings nicht unbemerkt. Hatten wir es bisher nicht an die große Glocke gehangen, dass wir eine „Beziehung“ hatten, sahen uns nun unsere Freunde und Chris, Bastians Bruder. Der zu erwartende Urknall traf mich doch etwas überraschend.
Mehr als eine Stunde war vergangen, Bastian gerade auf dem Weg zu den Toiletten, als mich Chris schnappte. Panik stieg in mir hoch, als er mich an die Wand etwas abseits presste. Auch wenn er kleiner war als ich, hatte Chris mehr Muskelmasse zu bieten, so war es ein Leichtes für ihn, mich an der Wand zu halten. „Was hast du mit meinem Bruder vor?“ Seine Stimme war rau und unheilvoll.
„Wir sind zusammen!“, keuchte ich gepresst. Meine Fäuste waren geballt und ich wusste nicht, wie lange ich mir noch einreden konnte, dass Chris keine Gefahr war.
„Du und eine Beziehung? Mag sein, dass Bastian dir die Scheiße abnimmt, ich aber nicht. Du lässt die Finger von meinem Bruder, verstanden? Du versaust doch nur sein Leben!“
Diese Worte trafen mich schwerer, als es ein Schlag hätte können. Ich schluckte, unterdrückte den Impuls mich loszureißen und sah Chris in die Augen. „Ich mag deinen Bruder wirklich.“
„Und wenn, du hältst für jeden den Arsch hin, als würdest du je treu sein können. Sobald du wieder aus deiner Laune zu deinem Ich gefunden hast, schreibst du ihn eh ab. Also lass die Finger von ihm, das hat er nicht verdient. Der Kleine ist verliebt in dich und lässt es sich nicht ausreden. Also hör auf, mit ihm zu spielen. Wenn du nur etwas Herz hast, wirst du es tun, oder ich breche dir jeden verdammten Knochen in deinem Körper!“
Ich fühlte nichts, ich sah nichts und dachte nichts. Alles in mir war ungewöhnlich ruhig, seit ich aus dem Club verschwunden war. Wortlos, klammheimlich hatte ich mich davon geschlichen, wie ein elendiger Feigling. „Sobald du wieder aus deiner Laune zu deinem Ich gefunden hast, schreibst du ihn eh ab.“ Mein altes Ich … wollte ich dahin noch einmal zurück? Zu einem Ich, was mir das Ganze überhaupt erst eingebrockt hatte?
„Der Kleine ist verliebt in dich und lässt es sich nicht ausreden“ war das Nächste, was mich gefangen hielt. Bastian war verliebt in mich … Bastian in mich. Ich strahlte und fluchte zugleich. In Kombination der zwei Sätze von Chris erinnerte ich mich an meine Ansprache zur Beziehung zu Bastian. Ich sagte ihm, dass ich wieder der Alte werden wollte. Ich war wohl der letzte Arsch auf Gotteserden und hatte es verdient. Zu blind für die Welt und die Liebe. Was musste er nur denken? Dass ich ihn brauchte, um mich wieder von Typ X und Y ficken zu lassen? Wahrscheinlich, denn ich nahm nach meiner Ansprache und der von Chris selbst nichts anderes an. Mein Herz zog sich zusammen, setzte aus, um dann in einem doppelten Tempo loszulegen.
Ich hatte mir alles verscherzt, wie sollte ich das wieder gut machen? Würde mir Bastian glauben, wenn ich ihm sagen würde, dass ich Gefühle für ihn hatte, die mehr waren als nur reine Zuneigung? Ich bezweifelte es stark.
So würde mir nur eins übrig bleiben: Ich fing bei Null an.
Bastian
Wenn Chris nicht mein Bruder gewesen wäre, ich hätte ihn geschlagen und zwar nicht nur einmal. Seine Ansage bei Leonard war idiotisch, sein Verhalten erbärmlich und sein Beschützerinstinkt mir gegenüber das Allerletzte, zumindest in der Art. Als ich hörte, dass er Leonard an die Wand genagelt hatte, war es mir eiskalt den Rücken runter gelaufen. Mein „Freund“ hatte sicher Höllenqualen durchgemacht, ich wollte mir nicht mal ausmalen, wie es ihm nun ging. Eilig machte ich mich auf die Suche, wollte ihn finden und beschützen. Ich hatte mich in den letzten Wochen in ihm verloren.
Ich liebte den ehemaligen Macho und wollte ihn nicht mehr hergeben. Zuhause schien Licht, doch als ich in seine Wohnung trat, war von ihm nichts zu sehen. Wir schlossen unsere Wohnungstüren nicht ab, es reichte die Haustüre gegen unliebsame Gäste zu verriegeln. So waren die Wohnungen meist sogar in der Nacht offen, damit der eine zum anderen gehen konnte. Je nachdem, wer am meisten nach Nähe verlangte.
Meine Gedanken fuhren Achterbahn, wo sollte Leonard nur sein? Ich fuhr die Straßen der Discotheken ab, bis ich ihn fand. Er lehnte an einer Wand, mit heruntergelassenen Hosen und zitterte am ganzen Leib. Hinter ihm ein Kerl, der sich bereit machte, sich in ihm zu versenken. Das durfte einfach nicht wahr sein, nicht schon wieder. Eilig sprang ich aus dem Wagen und rannte hinüber. Der Typ hinter Leonard sah unsicher zu seinem Sexpartner. „Bist du sicher, du zitterst!“, hörte ich seine tiefe Stimme fragen.
„Tu es einfach!“, raunte mein einjähriger Traum von einem Mann, während die ersten nassen Spuren auf dem Gesicht zu sehen waren.
Ich trat näher, tippte dem armen Wicht von unsicherem Top auf die Schulter und schüttelte mit dem Kopf, bedeutete ihm, dass Leonard zu mir gehörte. Erleichtert nickte mein Gegenüber, dessen Penis nicht mal ansatzweise den Streifegrad hatte, um Sex zu haben. So packte er sein Geschlecht weg und verschwand.
Leonard wartete auf das Eindringen seines Hintermannes und ich wollte, dass er eine Lehre aus dieser bescheuerten Situation zog. Zwei Finger verschwanden zwischen meinen Lippen, wurden reichlich benetzt von Speichel, als ich sie zwischen seine Backen gleiten ließ. Das Zittern von Leonards Körper nahm zu, seine Knie wurden weniger standfest und er wimmerte ein Nein. Ich ließ meine Finger von seinem Hinterteil gleiten und umarmte ihn stattdessen.
„Komm, wir fahren heim!“, hauchte ich in seinen Nacken. Erschrocken wandte sich Leonard um, zog sich hastig die Hose wieder an. „Ich … ich bin so … ich bin das Allerletzte … ich … ich …“ Wäre dieser Anblick nicht so traurig, ich hätte wohl gelacht. Doch vor mir stand ein gebrochener Mann, der sich selbst nicht mehr kannte und sein wundervolles Wesen nicht mehr sehen wollte. Seine Wunden waren noch offen und würden ohne eine anständige Behandlung auch nicht mehr heilen, dessen war ich mir mehr denn je bewusst.
Epilog
Bastian
(ein Jahr später)
Einen Klinikaufenthalt, viele Therapiestunden und ein Jahr später stand ich mit Leonard auf meinem Balkon. Wir sahen dem Sonnenuntergang zu, hatten jeder ein Bier in der Hand und ließen das eiskalte, herbe Getränk unsere Kehlen hinab laufen. Wir hatten seit dem Erlebnis dieser einen Nacht, in der er sich eingestand, nicht damit klarzukommen, nicht mehr über uns geredet. Unser einziges Augenmerk lag auf seiner Gesundheit.
Trotzdem war ich so oft es ging an seiner Seite, half ihm bei der Bewältigung seines Kummers, hielt ihn, wenn er zusammenbrach, lachte mit ihm, wenn er einen Witz erzählte, oder schwieg mit ihm, wenn er nicht reden wollte. Seine Therapie war noch lange nicht abgeschlossen, jedoch auf einmal wöchentlich reduziert worden. Leonard hatte wieder in seinen Beruf zurückgefunden und machte weiter, wo er aufgehört hatte. Außer bei uns.
Ich sehnte mich nach einer Berührung seinerseits, die nichts mit der Therapie oder einem Zusammenbruch zu tun hatte. Doch fordern konnte ich es nicht, es musste von ihm kommen. Meine Hände hatten mehr Schwielen als in den Zeiten meiner Jugend, als ich meine Sexualität entdeckte. Doch auch das nahm ich in Kauf. Ich hatte es ehrlich gesagt versucht, war in spezielle Clubs gegangen, doch konnte ich es nicht. Es fühlte sich falsch an, einen anderen Mann mit dem gewissen Blick zu bedenken. Und so war ich immer heimgefahren, ohne Sex gehabt zu haben, ohne mich anfassen zu lassen, ich konnte es nicht.
„Alles in Ordnung Bastian?“ Leonards Stimme entriss mich meinen Gedanken und ließ mich lächeln.
„Aber sicher. Und bei dir? Wie war die Gruppentherapie?“
„Sehr gut, ich kann mich berühren lassen, ohne dass ich weiß, wer es ist!“ Er strahlte wie ein Kind zu Weihnachten. Seit letzter Woche hatte sich einiges geändert. Der Täter, der bärige Kerl, war verhaftet worden. Es hatte die Tageszeitungen gefüllt. Leonard hatte ihn nie angezeigt, jedoch andere, und dann wurde er auf frischer Tat ertappt.
Diese Tatsache hatte Leonard einen Schritt weiter gebracht, sein Lächeln zurückkommen lassen, was mich mehr denn je freute. Er fühlte sich sicher und das zeigte sein Auftreten. Gerade Haltung und den Schalk im Nacken machten ihn fast zu dem Menschen, den ich vor zwei Jahren kennengelernt hatte. Doch wünschte ich mir, dass er nie wieder so werden würde. Ich wollte meinen Leonard behalten, den herzensguten, hilfsbereiten Mann mit den strahlend grünen Augen.
„In der Gruppentherapie … da meinte Simone …“ Simone war eine Frau, die den Missbrauch ihrer Kindheit bewältigte und meinen tiefsten Respekt hatte. Sie lebte ihr Leben, zeigte weder Angst noch verbarg sie diese. Simone war einfach eine starke Frau, die sich trotzdem, wie sie es nannte, die Schwäche zugestand, eine Therapie zu brauchen. „Sie meinte, ich solle mit dir reden. Es wäre viel ungeklärt zwischen uns. Bastian, wärst du bereit mit mir über uns zu reden?“ Seine Frage kam so zögernd, dass ich seine Angst vor einer Verneinung greifen konnte; wie er das von mir denken konnte, verstand ich nicht.
„Natürlich“, erwiderte ich so und setzten uns im Haus zusammen auf das Sofa.
„Damals, also das vor einem Jahr, als ich wollte, dass der Kerl mich nimmt … ich wollte mir beweisen, dass ich wie früher sein kann.
Ich wollte dich nie verletzen, im Gegenteil … ich dachte, wenn ich es durchziehe, könntest du wieder dein Leben … leben, ohne mich, ohne dass ich dich verletzen kann.“
Sanft legte ich meine auf seine zitternde Hand, beruhigend streifte ich darüber. „Auch wenn ich dir das schon oft gesagt habe, sage ich es gerne wieder. Du hättest nie auf das hören sollen, was Chris zu dir gesagt hat. Du weißt genau, dass er es nicht besser wusste.“
„Auf gar nichts hören, was er mir gesagt hat?“ Nervös biss sich Leonard auf die Unterlippe.
„Du hast mir nie erzählt, was er genau zu dir gesagt hat, und Chris macht den Mund ebenso wenig auf. Also wenn du eine Antwort möchtest, dann müsstest du es mir sagen!“
Sein Blick endete in meinem und ich konnte es erkennen, ich las es, bevor er es aussprach und mein Herz stockte. „Dass du in mich verliebt seiest. Hatte er damit recht?“
Ich schüttelte automatisch den Kopf, was Leonard stocken ließ, ihm stand die Verletzung durch meine Geste ins Gesicht geschrieben. „Er hatte nicht damit recht … er hat es immer noch. Seit zwei Jahren denke ich nur an dich, kein Mann kann dir den Rang ablaufen, doch ich weiß, dass du nicht mono...“ Weiter kam ich nicht, da lag Leonard auf mir und küsste mich verlangend.
Leonard
Seine Worte waren die letzte Schicht Wundsalbe, die mein Herz brauchte, um zu heilen. Bastian war in mich verliebt, immer noch, seit zwei Jahren. Ich war ausgehungert, wollte ihn schmecken, mich an ihn schmiegen und seine Nähe nicht mehr missen. Viel zu lange, aus Scham und Selbstzweifel, hatte ich darauf verzichtet. Lediglich wenn ich einem Zusammenbruch nahe war, kam er mir näher und ich dachte bis heute, dass es Mitleid sei.
Doch das war es nicht. Bastian Becker war in Leonard Silber verliebt. Ich hätte es in die Welt hinausschreien können vor lauter Glück. Ich presste mich an ihn, ließ meine Hände über seinen Körper gleiten und küsste ihn fast bewusstlos, bis wir beide auf dem Boden lagen. Die Couch war nicht breit genug gewesen und mir war es egal, wo ich ihn in den Armen hielt, Hauptsache ich durfte es wieder.
Bastian stöhnte auf, als sich mein Knie zwischen seine Beine schob, um seinen Schritt zu stimulieren. Sein berauschender Anblick ließ auch die letzte Sicherung in meinem Kopf zerspringen und mich dem hingeben, wonach ich mich seit Langem sehnte. Meine Hoffnung war nur, dass ich dazu schon bereit war. Atemlos erhob sich Bastian und reichte mir die Hand. „Nicht hier!“, hauchte er an meine sich ihm nähernden Lippen und führte mich ins Schlafzimmer.
Hektik brach in mir aus, ich zerrte an seiner Kleidung, während meine Hände unaufhörlich zitterten, ich wollte ihn so sehr. Endlich verbunden sein, mit dem Blick in seine grünen Augen, in denen die Zuneigung zu mir geschrieben stand. Bastian übernahm die Führung, entkleidete erst sich und fing dann an, meinen Körper zu befreien. Jeder entblößte Fleck wurde von seiner Zunge erkundet, was mich scharf die Luft einsaugen ließ. Langsam führte er mich rückwärts zum Bett und stieß mich auf den Rücken, um über mich zu krabbeln. Heiß verschlang ich seine Lippen, genoss es, seine Härte an meiner zu spüren. Wir rieben uns verlangend aneinander, seufzten uns die Lust in die Münder. Es war atemberaubend, ich spürte keine Angst oder ein unwohles Gefühl.
Alles schien einfach zu perfekt zu sein. Doch als Bastian seine Hand zum Nachtschrank führte, ging ein kaum merkliches Zittern durch meinen Körper, was leider nicht der Lust zuzuschreiben war. Scheinbar hatte es Bastian nicht mal bemerkt, ich wusste nicht, ob es mir recht war oder nicht, doch ich wusste, dass ich diesen Schritt gehen wollte. Vereint, miteinander verbunden, das war mein sehnlichster Wunsch. Er rutschte von meinen Beinen, die ich automatisch spreizte, sein Mund liebkoste meine Oberschenkel, ließ seine Lippen von seinen Händen ablösen, als er sich ohne Umschweife an meinen Schwanz begab.
Bastian nahm ihn in seinen Mund. So tief in diesem versunken zu sein, ließ mich aufkeuchen. Ich schluckte hart und versuchte nicht gleich zu kommen, wollte mehr von diesen Gefühlen, die mir den Verstand raubten. Mein Kopf fiel zurück und ich genoss, was er mit mir tat. Seine heiße Mundhöhle, in die ich mich versenken durfte, und seine Hände, die mich unablässig streichelten. Gerade als ich mich fragte, ob er mich nicht mal vorbereiten wollte, stockte mein Atem.
Seine Finger überzogen mein Glied mit einem Kondom, um danach das Gleitgel an seinem Eingang zu verteilen. Bastian schloss meine Beine und rutschte über sie, hinauf zu meiner Hüfte, um sich langsam, mit einem Blick in meine Augen, auf mir aufzuspießen.
Mein Körper erzitterte, dieses Mal vor Leidenschaft und reiner Selbstbeherrschung, um nicht gleich zu kommen. Bastian war eng, sein Gesicht voller Liebe zu mir, sodass sich bereits kurz nach unserer Vereinigung alles in mir zusammenzog. Immer tiefer sank er auf mir, nahm meinen Schwanz in sich auf und ritt mich, dass mir Hören und Sehen verging. Ich vergaß alles um mich rum, genoss das Gefühl der Verbundenheit und schnappte immer wieder nach seinen Lippen.
Erschöpft fiel Bastian auf mich, nuschelte unverständliche Worte an meine Brust, bis ich sie klar und deutlich vernahm. „Ich bin nicht mehr in dich verliebt … ich liebe dich!“
Dass es bei mir genauso war, bewies ich ihm die Nacht noch und jeden weiteren Tag, wo er an meiner Seite ist. Ob wir ewig zusammen bleiben werden, kann ich nicht sagen, doch eins weiß ich: Ich werde jeden Tag genießen, als wäre es mein letzter.
Texte: Rigor Mortis
Bildmaterialien: Rigor Mortis
Lektorat: Brigitte Mel
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2013
Alle Rechte vorbehalten