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Genofol – Der Kristallplanet

Auf dem Planeten Genofol herrschte stets rosafarbenes Zwielicht, Dunkelheit und Stille. Kein Leben regte sich auf ihm. Gelegentlich drangen kleine Meteoriten in seinen Bereich ein, die wegen der fehlenden Atmosphäre nicht verglühten, dann aber durch Entladungen der Wolkenkratzer-großen, hexagonalen Säulenkristalle auf der Oberfläche mit Energieblitzen beschossen und pulverisiert wurden. Nur wenige Bereiche bestanden aus Gestein. Meist waren es Inseln aus Schlacke im riesigen Meer der Energiekristalle, aus denen der gesamte Planetoid zu bestehen schien..

Auf einer der größten Schlackeinseln war vor einigen Monaten ein Forschungsteam des Hauses Primus vom Planeten Karnak gelandet und hatte mit der Erforschung der Eigenschaften der Energiekristalle begonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es unmöglich dort zu landen. Erst nach jahrelangen Experimenten war es den Wissenschaftlern des Hauses Primus endlich gelungen, eine unbemannte Sonde auf der Oberfläche Genofols zu landen, ohne dass sie bei der Annäherung zur Planetenoberfläche ausfiel, oder direkt zerstört wurde. Mit den gewonnenen Daten war es möglich, einen entsprechenden Schutzschild zu entwerfen, der verhinderte, dass alles was sich Genofol näherte durch die Entladungen pulverisiert wurde.

Als Basislager wählte man einen Krater aus geschmolzenem Gestein, wo es anscheinend einem größeren Meteor gelungen war einzuschlagen. Von weitem schon konnte man die glimmende Beleuchtung der Druckkuppel sehen. Dort wohnten und arbeiteten die Wissenschaftler unter der Leitung Dr. Talhi Sungs. Das Team hatte eine große Menge Proben gesammelt und eine Reihe von Tests absolviert, die allesamt höchst erstaunliche Ergebnisse erzielten. Das Potential, das diese Energiekristalle boten, war noch gar nicht abzusehen, regte aber bereits die Fantasie der Mitarbeiter an und motivierte sie um so mehr, immer neue Ideen für weitere Tests zu entwickeln. Dr. Sung sah den Enthusiasmus mit Freude wachsen und ließ seine Leute gerne an der langen Leine, um das Testfeld und somit die gewonnenen Erkenntnisse möglichst weit zu dehnen.

Sung stand gerade an einem vor ihm schwebenden Grav-Tisch und verfasste die letzten Zeilen eines Berichts, den er noch heute an Herzog Limar Primus, seinen Herrn und Arbeitgeber senden wollte, da er schon zwei Wochen überfällig war. Und so war er voller Eifer und überschlug sich so oft mit seinen Worten, während seine Gedanken umherwirbelten, dass das Pad, in dem er den Bericht verfasste, ständig Verbesserungsvorschläge unterbreitete. Genervt rieb er sich die hohe Stirn und die pochende rechte Schläfe, schlug auf den Tisch und schluckte zum tausendsten Mal eine Verwünschung herunter . Doch meist sah er seine Fehler ein und nahm schließlich dankbar die Verbesserungsvorschläge an. Dann schrieb weiter:

...und schlage daher vor, eine Reihe der verschiedensten Größen von Tesla-Kristallen, die wir bereits für weitere Tests gesammelt haben, mit zur Forschungsstation auf Lhinnea zu nehmen. Dort gibt es für uns wesentlich mehr Möglichkeiten, deren Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten zu erforschen, als hier auf Genofol.

In Erwartung Ihrer Zustimmung,

ergebenst Doktor Talhi Sung

Doktor Sung hatte gar nicht bemerkt, dass er bereits den von ihm geprägten Begriff für die Energiekristalle verwendete. Da sie, anscheinend nie versiegende Energie zu liefern schienen, wählte er den Namen des Mannes, der schon Anfang des 20. Jahrhunderts auf der alten Erde, also 600 Jahre bevor man die Energiekristalle auf Genofol entdeckte, eine Vision von einem technischen Gerät hatte, welches Strom aus der Umgebungsenergie erzeugte. Ein genialer Kopf namens Nikola Tesla.

Schließlich legte er einen Datenordner an, in dem er alle bisherigen Testergebnisse einfügte und den er dann durch den Primus-Verschlüsselungsgenerator schickte. Bisher war nicht bekannt geworden, dass es irgendjemandem gelungen wäre, diesen Veschlüsselungs-Algorythmus zu knacken. Abschließend fügte er noch ein paar spektakuläre Bild- und Videoaufnahmen der zuletzt gefundenen Kristallhöhle hinzu. Doch weiter kam Sung nicht mehr.

Er hörte ein reißendes Geräusch und spürte ein unangenehmes Knacken in seinen Ohren, dem ein lautes schrilles Pfeifen folgte. Sofort war ihm klar, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Vor sich sah er umherwirbelnde Papiere und Gegenstände und die verschreckten Gesichter seiner Assistenten. Sie starrten ungläubig auf Etwas, das sich hinter ihm zutrug. Dann geriet alles außer Kontrolle. Die entweichende Luft zog bereits an seiner Kleidung während er, wohl eher aus Instinkt, die Sendetaste seines Pad betätigte und sich umdrehte um nach der Quelle des Chaos zu sehen.

Er erkannte einen größer werdenden Spalt in der Hülle der Druckkuppel, der aussah wie ein gefräßiges Maul, das sich anschickte, alle in der Kuppel befindlichen Gegenstände in sich hinein zu saugen. Sein Magen krampfte sich zu einem Klumpen zusammen, als er die Folgen blitzschnell abwägte. Er erkannte hinter der semitransparenten Außenwand, dass im rosafarbenen Zwielicht Genofols die Silhouetten mehrerer Druckanzüge zu erkennen waren und ahnte Schlimmes.

Während Sung durch den immer weniger werdenden Sauerstoff die Sinne zu schwinden begannen, beobachtete er, wie eine dieser Silhouetten sich durch einen weiteren Spalt ins Innere der Druckkuppel zwängte. Mit seinen letzten klaren Gedanken erkannte er ein Wappen auf dem Brustpanzer des Eindringlings. Es zeigte einen schwarzen Drachen auf rotem Hintergrund. Das Wappen des Hauses Butin. Hinter ihm schrien seine Assistenten, im Kampf um die verschwindende Atemluft und den geringer werdenden Luftdruck, panisch durcheinander. Einige versuchten noch sich in einen Druckanzug zu retten, doch alles ging viel zu schnell. Viel mehr gab es für Sung nicht mehr. Er drehte sich mit letzter Kraft seinem Pad zu und drückte, während er in sich zusammen zu sinken begann, eine Drei-Tasten-Kombination, die eine Selbstzerstörung des Datenträgers und der Pufferspeicher bewirkte. Dann umfing ihn Kälte und er wurde bewusstlos, ohne den Schmerz zu spüren, als eine Laserlanze in seinen Rücken und durch seinen Brustkorb fuhr um vorne wieder hinaus zu treten.

Die Eindringlinge machten keine Gefangenen. Gnadenlos strichen weitere Laserlanzen durch die Kuppel und zerschnitten dabei Technische Geräte genauso leicht wie Fleisch und Knochen. Nach wenigen Minuten erloschen die Lanzen. Übrig geblieben war ein Haufen aus Schrott und Leichenteilen. Die Angreifer in Druckanzügen entfernten sich aus den Überresten der Forschungskuppel bis auf einen. Dieser eine schaute noch einmal auf den angerichteten Schaden und das verspiegelte Visier verbarg ein teuflisches und äußerst zufriedenes Grinsen. Er beugte sich über die Reste Dr. Sungs, schnitt ihm mit einem Skalpell in die blutverschmierte rechte Schläfe und hebelte anschließend einen kleinen metallischen Gegenstand daraus hervor. Mit einem Ruck war es heraus und die hauchdünnen optischen Glasfaserleitungen abgerissen. Nachdem der geborgene Gegenstand in einer Tasche im Anzug verstaut war, aktivierte er eine faustgroße Mini-Lightium-Granate, stellte den Wirkungsradius ein und warf sie achtlos mitten in das Chaos hinein. Dann drehte er sich um und ging fort, ohne sich noch einmal umzusehen.

Er sah nicht mehr, wie sich das Lightium in der Granate zu entzünden begann. Wie es einen lautlosen Glutball bildete der sich bis auf zwanzig Meter im Durchmesser ausbreitete um dann in sich zusammenzufallen. Mit Ihrem extrem heißen Feuer hatte die Mini-Lightium-Granate alles und jeden geschmolzen und eingeäschert.

Nichts war übrig geblieben. Nur glühende Schlacke.

 

* * *

 

In einer kleinen Höhle, etwa 6 Kilometer entfernt von der Forschungskuppel und der Katastrophe, die sich dort abspielte, waren der Geologe Astin Decker und der Techniker Marlo Tuengo gerade dabei, die letzten Kristall- und Gesteinsproben in das Lastenshuttle zu laden und zu sichern, als das Com-Modul in den Helmen ein lautes Knistern von sich gab. Es klang wie statisches Rauschen. Dann folgte ein kurzes, lautes Knacken und dann blinkte die Anzeige die besagte, dass das Signal zum Com-Terminal verloren gegangen war. Es folgte ein automatischer Suchlauf der Com-Hardware und schließlich schaltete sich die Anzug zu Anzug Verbindung an. Auf der rechten Seite des zweigeteilten Displays in seinem Helmvisier sah Decker, dass nur eine der sieben Empfangseinheiten grün blinkte und in Reichweite war. Natürlich die von Tuengo. Er stand ja kaum zwei Meter von ihm entfernt. Doch die Statusanzeige für das Terminal blieb rot. Ebenso die anderen sechs Statusanzeigen. Er stutzte und fragte sich, was das zu bedeuten hatte.

»Was zum Teufel ist denn jetzt los? He Marlo, was zeigt denn dein Com an?«, fragte Decker und drehte sich ihm zu.

»Ich weiß nicht recht. Die Anderen sind nicht mehr da. Ich meine... , äh, … keine Verbindung mehr zu allen Anderen. Sieht aus wie ein Systemausfall der Terminal-Einheit.«

Tuengo drehte sich nun seinerseits Decker zu und bediente sein Armpad. Dann ließ er beide Arme sinken und schaute verwundert zu Decker hinüber.

»Ich kontrolliere die Com-Einheit im Shuttle. Mal sehen was die sagt.«

Decker folgte Tuengo in die Shuttle-Schleuse und sah zu, wie dieser die Kontrolleinheit bediente. Tuengo ließ einen Statuscheck des Bordsystems durchlaufen und startete dann einen manuellen Com Suchlauf. Doch das Ergebnis war das gleiche.

» Was denkst Du? Ist das eine dieser Störungen, die immer mal wieder auftreten?«, fragte Decker.

» Ich habe keine Ahnung, was da los sein könnte. Aber wir sind hier ohnehin fertig. Wir könnten uns also auf den Weg begeben und nachsehen. Vielleicht haben die den Akkumulator wieder überlastet und damit einen Systemausfall herbeigeführt«.

Aber man sah seiner Mimik an, dass er daran nicht wirklich glaubte. »Aber ich glaube nicht, dass es sich um eine Störung handelt wie sie manchmal vorkommen. Das hier scheint ein richtiger Systemausfall zu sein.«

»Aber müssten nicht in diesem Fall deren Anzug-Coms ebenfalls automatisch anspringen?«, fragte Decker.

»Nein. Da die Com-Einheiten der Druckanzüge nur aktiv sind, wenn sie in Benutzung sind. Ohne Träger können sie sich nicht selbstständig hochfahren.«

»Okay. Dann brechen wir auf, wenn wir die letzten beiden Kisten gesichert und registriert haben.«

Gesagt getan. Decker und Tuengo sicherten die Kisten im Laderaum des Shuttles, scannten deren Barcodes ein und luden dann die aktualisierte Ladeliste in den Bordrechner hoch. Somit war alles komplett und es fehlte nur noch, Dr. Sungs so genanntes Handgepäck, das er aber wahrscheinlich mit in die 'Odyssee', den Kleinraumer nehmen würde, mit dem das Wissenschaftliche Team den Rückweg nach Karnak antreten würde. Karnak, die Heimatwelt der Familie Primus.

Schließlich verließen sie die Glitzerwelt der Kristallhöhle und begaben sich auf den Weg zur Kuppel. Sie bestiegen das Grav-Board, mit dem die beiden auch hierher gefahren waren, fuhren die Grav-Einheit und das schützende Sperrfeld hoch. Tuengo übernahm die Steuerung und stand ganz vorne an einem schmalen Pult mit Steuerkonsole. Er löste sein Arm-Pad vom Druckanzug und steckte es in die extra dafür vorgesehene Dockingstation in der Konsole, während sich Decker an einem Stehsitz festgurtete. Als das Grav-Board langsam zu steigen begann, erhöhte Tuengo den Schub und das Board entfernte sich von der Höhle, die sich auf einer kleinen Schlackeinsel befand. Bald befanden sie sich über dem Kristallmeer und schwebten in weiten Bögen um die größten Kristalltürme herum.

Die Kristalle hatten die verschiedensten Größen und flimmerten im Zwielicht. Hier und da waren kleine Lichtbögen zu sehen. Es war ein atemberaubender Anblick. Auch nach Monaten auf Genofol hatte das Schauspiel nichts von seiner Faszination verloren.

Schließlich näherten sie sich dem Krater, in dessen Sole sich die Kuppel befand und Tuengo verlangsamte die Fahrt um besser sehen zu können, denn das Sperrfeld verzerrte die Sicht ein wenig. Er reduzierte den Schub weiter bis das Board schließlich stillstand.

»Oh mein Gott, Decker!«, gab Tuengo mit entsetztem Tonfall von sich.

»Was ist denn los?«, fragte Decker, löste seinen Gurt und stellte sich neben Tuengo, um besser sehen zu können, was Tuengo so erschreckte.

»Was zum Teufel...?«, entfuhr es Decker. Er griff Tuengo in die Steuerung und ließ das Board soweit absinken, dass sie gerade noch sehen konnten, was sich in Ihrem Blickfeld tat. Dann aktivierte er über sein Armpad ein Helmdisplay mit einer vergrößerten Ansicht des Blickfeldes. Er zoomte so nah wie möglich heran und konnte nicht glauben, was er dort sah.

Die Druckkuppel existierte nicht mehr. Dort wo sie gestanden hatte, glühte der Boden und Blitze züngelten darüber hinweg. Im Hintergrund sah er mehrere fremde Druckanzüge in einem Shuttle verschwinden. Deckers Gedanken rasten wild umher und versuchten irgendein Szenario zurecht zu legen, was hier geschehen sein konnte. Vor allem aber fragte er sich, wer die Fremden waren und wie sie hier auf Genofol hatten landen können. Dann rasten seine Gedanken wieder zu der Katastrophe, die sich dort abgespielt haben musste.

Plötzlich baute sich ein Sperrfeld um das fremde Shuttle auf und es hob langsam beschleunigend ab. Es steigerte die Beschleunigung und flog in die entgegengesetzter Richtung von ihnen davon.

Tuengo erwachte aus seiner Starre, schluckte schwer und blickte zu Decker. Seine Hände zitterten stark und er atmete fast keuchend.

»Oh mein Gott. Was ist hier passiert? Wer waren die? Und wo sind Sung und die Anderen?«

Decker schaute seinerseits zu Tuengo. »Vielleicht wurden sie entführt. Aber wer...? Und Sie benutzen unsere Sperrfeldtechnik. Wer könnte das gewesen sein.«

»Lass uns hin fliegen und nachschauen, Decker.« sagte Tuengo und beugte sich über das Steuerfeld.«

Decker blieb nun vorne bei Tuengo stehen und hielt sich fest, während das Board mit einem leichten Summen an Höhe gewann.

Das fremde Shuttle war schon nicht mehr zu sehen. Tuengo flog trotz der Vorkommnisse sehr

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Andreas Spira
Bildmaterialien: Rita Thielen / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 07.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1036-8

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