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Abschlussarbeit
zur Erlangung der Magistra Artium
im Fachbereich Neuere Philologien
der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Institut für Deutsche Sprache und Literatur II

Die Autorin Annette von Droste-Hülshoff in der literarischen Öffentlichkeit der Restaurationszeit

Gutachter: Prof. Gisbert Lepper

Einreichungsdatum: 16. November 1994




Vorbemerkung



I. Frauen und Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts


Restaurationszeit - Die politische Entwicklung
Biedermeier, Junges Deutschland, Vormärz - Die Literatur
Die Situation der Schriftstellerinnen
Das Frauenbild der Restaurationszeit
Der Umgang mit schreibenden Frauen

II. Annette von Droste-Hülshoff in der literarischen Öffentlichkeit


Publikationen und Rezeption in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert
Der weibliche Einfluss auf Leben und Werk der Droste
„Deine gehorsame Tochter“ – Die Frauen in der Familie
„Frisch voran!“ „Nur Muth gefaßt!“ – Die Freundinnen
Die Droste zwischen Frauenrolle und Emanzipationsbewegung

III. Das Frauenbild Annettes von Droste-Hülshoff im Spiegel ihrer Werke


Die junge Droste
Spätere Werke

Zusammenfassung


Literaturverzeichnis



Vorbemerkung



Annette von Droste-Hülshoff, die „größte deutsche Dichterin“ (1), war Westfälin, Katholikin, Biedermeierdichterin, Adelsfräulein. Lange Zeit sind ihre Werke ausschließlich unter diesen Vorzeichen rezipiert worden, wurde die Dichterin unter einer oder mehreren dieser Rubriken eingeordnet.

Die bis heute gültigen Festlegungen Annettes von Droste-Hülshoff auf ein bestimmtes Bild gingen zum Teil von ihrem unmittelbaren Freundeskreis aus: Christoph Bernhard Schlüter bemühte sich nach dem Tod der Freundin, ihren Ruf als katholische Dichterin zu festigen; Levin Schücking entwarf und propagierte das Bild von der westfälischen, konservativen Schriftstellerin adliger Abstammung. (2) Die Literaturhistoriker des 19. Jahrhunderts griffen diese „Rubriken“ auf: Da ist von der „Katholikin und Aristokratin“(3) die Rede; Annette von Droste-Hülshoff wird in die „Reihe der religiösen Lyriker“ (4) eingruppiert.

Diese Einordnung der Dichterin setzt sich in der Literaturgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts fort. Josef Jansen rechnet die Droste dem literarischen Biedermeier zu und sieht sie neben Eduard Mörike, August von Platen, Nikolaus Lenau, Jeremias Gotthelf, Franz Grillparzer, Karl Immermann und Adalbert Stifter. (5) Das „betont konservativ-katholische Element“ (6) stellt Gerd Müller in den Mittelpunkt der Drosteschen Werke, gleichzeitig weist er auf die starke regionale Prägung ihrer Dichtung hin. (7)

Westfälin, Katholikin, Aristokratin – all das war Annette von Droste zweifellos, all diese Faktoren prägten ihr Leben und ihre Dichtung. Sie war aber auch eine Frau – und als solche litt sie unter dem Korsett der Rollenerwartung, das die patriarchale Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ihr aufzwang.

Die Droste verstieß gleich mehrfach gegen diese Erwartungen: Sie blieb, unüblich für ihre Zeit, ledig; sie schrieb Gedichte und Prosa, was nicht dem „weiblichen Betätigungsfeld“ zugerechnet wurde. Und: Sie veröffentlichte ihre Werke und wagte damit den Schritt von ihrem privaten Schreibsekretär in die Öffentlichkeit und damit unter die Augen der (männlichen) Kritiker.

Das Schreiben, mehr noch das Publizieren war im 19.Jahrhundert reine Männersache. Frauen, die sich mit dichterischen Ambitionen „in die Öffentlichkeit drängten“, wurden mit Hohn und Spott bestraft, ihre Weiblichkeit (8) wurde angezweifelt:

„Ihr könnt darauf schwören, daß das Kontingent der Weiber, welche sich unberufenerweise in die Öffentlichkeit drängen, entweder aus häßlichen und hysterischen alten Jungfern – denen es aus physiologischen Gründen verziehen sein mag – oder aus saloppen Hausfrauen und pflichtvergessenen Müttern bestehe, deren Haushaltsbücher – wenn sie überhaupt welche führen – in Unordnung, deren Stuben, Küchen, Speisekammern und Weißzeug- schränke im Tohuwabohu-Zustand, deren Modistinnen-Rechnungen groß, aber unbezahlt und deren Kinder physisch und moralisch ungewaschen sind.“
(Johannes Scherr, 1875) (9)



Anders als im Mittelalter, als Lesen und Schreiben als berufsständische Fähigkeiten auf den Klerus beschränkt waren, beherrschten männliche Schriftsteller seit dem 17. Jahrhundert die literarische Öffentlichkeit. Autorinnen, die mit eigenen Publikationen hervortraten, waren gezwungen, gegen einen enormen männlichen Widerstand anzukämpfen und Schmähungen wie die eines Johannes Scherr über ihre angebliche „Unweiblichkeit“ und damit ihre gesellschaftliche Ächtung in Kauf zu nehmen, sich mit einem Pseudonym vor derartiger Kritik zu schützen – oder zu schweigen, die Feder gänzlich niederzulegen, zumindest aber jegliche Bestrebungen nach einer öffentlichen schriftstellerischen Entfaltung aufzugeben.

Die Droste hat nicht nur ihr Leben lang geschrieben, viele ihrer Gedichte wurden auch zu ihren Lebzeiten veröffentlicht (freilich unter Bedingungen, die Männer für sie aushandelten). Die Dichterin hat sich somit gegen den Widerstand der patriarchalen Gesellschaftsordnung durchgesetzt – wenngleich sie sich äußerlich den konservativen Regeln ihrer Zeit, die von Restauration, Biedermeier und gewaltsamer Unterdrückung liberaler Publikationen geprägt war, angepasst hat.

Knapp 140 Jahre nach ihrem Tod, in den 80er Jahren, wurde Annette von Droste-Hülshoff als Forschungsziel der feministischen Literaturwissenschaft entdeckt. Schriftstellerinnen wie Ulla Hahn, Sarah Kirsch, Irina Korschunow und andere erblicken in der Dichterin ihre „Kollegin“ und „rebellische Schwester“ (10), schreiben über sie aus dem Blickwinkel der Vertrauten, der Freundin, der Schwester im gemeinsamen „Protest gegen die Männerwelt“ (11).

Wie aber reagierte die Öffentlichkeit in den Jahren der Restauration auf die literarische Tätigkeit Annettes von Droste? Wie sahen die Widerstände – in der größeren Öffentlichkeit ebenso wie im Familien- und Bekanntenkreis – aus, gegen die die Dichterin sich durchsetzen musste? In welcher Form hat sich die Droste mit diesen Widerständen, die ständisch-patriarchal geprägt waren, auseinandergesetzt?

Diesen Fragen möchte ich in meiner Arbeit nachgehen. Ich werde zunächst einen Überblick über den historischen Hintergrund der Zeit von 1815 bis 1848 geben und die Bedingungen herausarbeiten, unter denen Dichter in dieser Epoche der Restauration geschrieben haben. Ich gehe auf das Frauenbild dieser Zeit und auf die besondere Situation von Schriftstellerinnen ein.

Eine umfangreiche Untersuchung zur öffentlichen Präsenz Annettes von Droste im 19. Jahrhundert hat Winfried Woesler vorgelegt. Anhand seiner Arbeit, in der er Rezensionen und Publikationen aus dem Zeitraum von 1838 (dem Erscheinungsjahr des ersten Droste-Gedichtbandes) bis 1900 zusammengetragen hat, lässt sich die Reaktion der Öffentlichkeit des vorigen Jahrhunderts auf das literarische Schaffen der Schriftstellerin nachvollziehen. (12)

Den Begriff der „Öffentlichkeit“ möchte ich aber noch weiter fassen und darin auch die Reaktionen aus dem engeren und weiteren Familien- und Bekanntenkreis der Dichterin einbeziehen. Als Freunde und Förderer werden vor allem immer wieder Anton Mathias Sprickmann, Christoph Bernhard Schlüter und Levin Schücking genannt; ich möchte diesen männlichen Bekannten die Bedeutung und den Einfluss der Droste-Freundinnen gegenüberstellen, die, zum überwiegenden Teil selbst literarisch tätig, die Probleme schreibender Frauen aus eigener Anschauung kannten. Frauen wie Katharine Busch, Elise Rüdiger, Adele Schopenhauer, Sibylle Mertens-Schaaffhausen, Wilhelmine von Thielmann und Amalie Hassenpflug spielten eine große Rolle im Leben der Dichterin. Inwieweit haben sich diese Frauen untereinander solidarisiert, sich gegenseitig unterstützt, um in der „Männerdomäne“ Literatur besser bestehen zu können?

Anhand ausgewählter Werke der Autorin möchte ich schließlich die literarische Verarbeitung und Auseinandersetzung Annettes von Droste mit den Problemen ihres Frauen- und Schriftstellerinnendaseins aufzeigen. Lassen sich in ihrer Literatur gleichermaßen Aspekte der Anpassung wie Aspekte der Rebellion erkennen? Welche Frauenbilder finden sich in ihren Werken wieder? Und welchen Standpunkt vertritt sie in der zeitgenössischen Debatte um schreibende Frauen?

Die Auseinandersetzung mit einer Schriftstellerin aus feministischem Blickwinkel birgt auch immer die Gefahr, ihre Werke um des eigenen Erkenntnisinteresses willen in eine bestimmte Richtung zu interpretieren und die Dichterin selbst somit für feministische Zielsetzungen zu instrumentalisieren; kurz: aus ihr eine feministische Kämpferin, Rebellin oder frühe Mitstreiterin zu machen, die sie womöglich gar nicht war, vielleicht sogar weit von sich gewiesen hätte. Ich werde deshalb ausdrücklich nicht nur die „rebellische“ Seite der Droste aufzeigen, sondern ebenso auf ihre Anpassung an die Normen ihrer Zeit eingehen.

Anmerkungen zum Kapitel „Vorbemerkung“:



1) Zwar war die Droste bei ihrem Tod fast völlig vergessen, doch schon 1896, als aus Anlaß ihres 100.Geburtstages ein Denkmal auf der Kreuzschanze in Münster eingeweiht wurde, galt sie als Deutschlands größte Dichterin.

2) Vgl. Monika Salmen, Annette von Droste-Hülshoff und die moderne Frauenliteratur. Bensberg,1987. S. 18.

3) Otto Lange: Literaturgeschichtliche Lebensbilder und Charakteristiken. Biographisches Repertorium der Geschichte der deutschen Literatur. Berlin, 1870. S. 38.

4) Wilhelm Fricke: Tabellen zur Geschichte der deutschen Literatur und Kunst. Leipzig, 1870. S.32.

5) Josef Jansen: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts. Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen, 1982. S. 22.

6) Gerd Müller: Deutsche Literatur im 19. Jahrhundert I, ca. 1800-1848. Bern, 1990, S. 51.

7) Müller, S. 37.

8) Als „weiblich“ propagiert wurden u. a. Tugenden wie Demut, Gehorsam, Bescheidenheit, Pflichterfüllung im Haushalt und bei der Kindererziehung.

9) Johannes Scherr, 1848. Ein weltgeschichtliches Drama. Leipzig, 1875. Bd. 2, S. 175 f.

10) Vgl. Walter Gödden (Hg.): Dichterschwestern. Prosa zeitgenössischer Autorinnen über Annette von Droste-Hülshoff. Paderborn, 1993. S. 10.

11) Ebd. Vgl. auch Bodo Plachta (Hg.): „Ein Lasso aus klingenden Steinen“. Gedichte an und über Annette von Droste-Hülshoff. Münster, 1986 – Irene Ferchl (Hg.): „Der Droste würde ich gerne Wasser reichen“. Gedichte über Annette von Droste-Hülshoff. Konstanz, 1987.

12) Winfried Woesler: Modellfall der Rezeptionsforschung: Droste-Rezeption im 19. Jahrhundert. Dokumente / Analysen / Bibliographie. 3 Bde., Frankfurt/Main, 1980.



I. Frauen und Literatur
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts



Restauration - Die politische Entwicklung



Unter dem Begriff „Restauration“ wird in der deutschen Geschichtsschreibung der Zeitraum von 1815 bis zur Revolution im März 1848 bezeichnet – eine Phase, die von der gewaltsamen Unterdrückung aller liberalen und nationalen Strömungen durch die europäischen Machthaber, insbesondere durch den österreichischen Fürsten Clemens Lothar Wenzel von Metternich, gekennzeichnet ist. Als namensgebende Veröffentlichung dieser Zeit wird das staatsrechtliche Werk „Restauration der Staatswissenschaft“ (1816/37) des Berner Patriziers Carl Ludwig von Haller angesehen.

Versteht man unter „Restauration“ die Wiederherstellung ehemals vorherrschender Zustände, so spiegelt der Begriff die Verhältnisse der Zeit von 1815 bis 1848 nicht ganz treffend wider. Reinhard Rürup merkt in seinem Buch „Deutschland im 19.Jahrhundert“ an, dass eine Restauration im Sinne von „Wiederherstellung der älteren gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse kaum stattgefunden“ (1) habe; Dieter Langewiesche („Europa zwischen Restauration und Revolution“) sieht die Verhältnisse in den deutschen Staaten zu dieser Zeit durch den Begriff „Restauration“ ebenfalls „nur unzureichend charakterisiert“. (2)

Die Hauptintention der Metternichschen Politik – und in diesem Sinne versteht und verwendet die Geschichtsschreibung den Begriff „Restauration“ – war vielmehr das „Bewahren“ (3), der Stillstand, das Verhindern jeglichen gesellschaftlich-politischen Fortschrittes. Die Wiederherstellung der Verhältnisse vor der napoleonischen Fremdherrschaft oder vor der Französischen Revolution wurde zwar zunächst angestrebt, erwies sich aber als nicht realisierbar.

Nachdem Napoleon im März 1814 in Paris abgedankt hatte, trafen sich die Staatsmänner der Siegermächte am 30. Mai 1814 in Wien, um über die Neuordnung Europas zu verhandeln. An dem Wiener Kongress nahmen Österreich, Preußen, Russland, Großbritannien, Schweden, Spanien und Portugal teil. Der französische Außenminister Talleyrand bemühte sich auf dem Kongress um die Gleichberechtigung seines Landes im „neuen“ Europa. Geleitet wurde das Treffen vom österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich.

Zwar war das Hauptanliegen des Kongresses zunächst die „Wiederherstellung (Restauration) der vorrevolutionären Zustände“ (4); angesichts der grundlegenden Veränderung Europas durch die napoleonische Fremdherrschaft stellte sich jedoch bald heraus, dass eine solche Wiederherstellung alter Verhältnisse nicht überall möglich war.

Der auf dem Wiener Kongress gegründete „Deutsche Bund“ trat an die Stelle des 1806 aufgelösten „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Diese „lockere Föderation der deutschen Staaten“ (5) ohne gemeinsame Regierung setzte sich zusammen aus dem Kaiserreich Österreich, fünf Königreichen (Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg), einem Kurfürstentum (Hessen), 18 Herzog- und Großherzogtümern, 13 weiteren Fürstentümern und vier Städten. Insgesamt gehörten dem Deutschen Bund zu diesem Zeitpunkt rund 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner an.

Das einzige Organ dieses Zusammenschlusses war die Bundesversammlung in Frankfurt am Main, ein zwangloses Gesandtentreffen, „dem alle Voraussetzungen für eine aktive Politik fehlten“.(6)

Von diesem Ergebnis des Wiener Kongresses waren vor allem diejenigen in Deutschland enttäuscht, die sich eine nationale Einigung und eine Neuordnung der innerdeutschen Verhältnisse erhofft hatten. Die territoriale Neuordnung Europas war „im Stil traditioneller Kabinettspolitik“ (7) erfolgt; die Einlösung des preußischen Verfassungsversprechens, in dem die Einrichtung einer Volksvertretung angekündigt worden war, scheiterte in den Jahren zwischen 1810 und 1820 wiederholt am Widerstand der immer stärker werdenden konservativen Kräfte um König Friedrich Wilhelm III. Bis 1848 blieb das Verfassungsversprechen uneingelöst.

Zunächst jedoch war die Ausgangslage nach dem Wiener Kongress noch relativ offen. Die Bundesversammlung verfolgte nicht von Anfang an eine repressive Politik; es gab unter anderem Bestimmungen für größere Rechtssicherheit und Regelungen, die eine Chance zur politischen Liberalisierung beinhalteten. Die europäische Neuordnung legte „keineswegs einen Restaurationskurs fest“ (8). Das neue Europa sollte vielmehr charakterisiert sein durch „Sicherung des Erreichten und vorsichtige Reformbereitschaft.“ (9)

Während Preußen wirtschaftliche Reformen vorantrieb, ohne die Privilegien des Adels anzutasten, setzte man in Süddeutschland auf den Abbau aristokratischer Vorrechte. In ganz Deutschland wurde die Verwaltung zentralisiert und effektiver gestaltet, das Steuer- und Finanzsystem wurde verbessert. Die Bildungsreform, für die Wilhelm von Humboldt eingetreten war, entwickelte ein dreigliedriges Bildungssystem von der Elementarschule über das Gymnasium bis zur Universität. Humboldt war es dabei vor allem auf die „Erziehung zum mündigen Individuum in einer Gesellschaft freier Bürger“ (10) angekommen.

In Preußen wuchsen jedoch die „Widerstände gegen die konsequente Weiterentwicklung der bürgerlichen Gesellschaft“ (11). Die reaktionären Kräfte wurden stärker, und mit der Entlassung von Ministern, die sich um eine Verfassung bemüht hatten – darunter auch Humboldt –, endete 1819 die Reformära. Hatten Zar Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen sich bereits 1815 zur „Heiligen Allianz“ zusammengeschlossen und der „Brüderlichkeit der Völker [...] die Brüderlichkeit der christlichen Monarchen“ (12) entgegengesetzt, so erhob die Wiener Schlussakte von 1820 das „monarchische Prinzip zum obersten Verfassungsgrundsatz“. (13) Die Monarchen der „Heiligen Allianz“ hielten „die liberalen und nationalen Ideen des Westens von ihren Völkern fern“ (14), die restaurative Tendenz setzte sich durch und blieb für die folgenden drei Jahrzehnte im größten Teil Deutschlands vorherrschend.

Die Hauptfigur der Restauration, der österreichische Fürst Clemens Lothar Wenzel von Metternich, wusste den Deutschen Bund geschickt als Instrument für seine konservative Politik zu nutzen. Mit äußerster Härte ließ Metternich, Oberhaupt des Deutschen Bundes, alle nationalen und liberaldemokratischen Bewegungen verfolgen.

Die als drückend empfundene Fremdherrschaft durch Napoleon hatte in den Deutschen ein Nationalgefühl geweckt, das in dieser Form vorher unbekannt war. 1807 hatte Johann Gottlieb Fichte in Berlin seine „Reden an die deutsche Nation“ gehalten; der als „Turnvater“ bekannt gewordene Friedrich Ludwig Jahn hatte einen „schroffen, fremdenfeindlichen Nationalstolz“ (15) verbreitet. Der Wiener Kongress (mit seinem aus Sicht nationaler und liberaler Kräfte äußerst dürftigem Ergebnis) und die „Heilige Allianz“, die zum verhassten Symbol der konservativ-reaktionären Entwicklung wurde, hatten das wachsende Nationalgefühl der Deutschen und die sich immer weiter verbreitenden demokratischen Ideen nicht berücksichtigt, die von der Französischen Revolution geschürt worden waren.

Proteste gegen die restaurative Politik des Deutschen Bundes gingen vor allem von den Studenten aus, die sich 1818 zur „Allgemeinen deutschen Burschenschaft“ zusammenschlossen. Die zunehmende politische Radikalisierung der Burschenschaft gipfelte im Jahre 1817 zunächst im Wartburgfest. Aus der 300-Jahr-Feier der Reformation wurde eine politische Demonstration, als Studenten einige Symbole des Heeres sowie den Code Napoléon, Preußische Polizeigesetze, Bücher von Carl Ludwig von Haller und August von Kotzebue verbrannten. Zwei Jahre später wurde der als „Vaterlandsverräter“ angesehene Schriftsteller Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand ermordet.

Metternich nutzte dieses Ereignis, um mit besonderer Härte gegen die oppositionellen Kräfte vorzugehen. Zusammen mit seinem pressepolitischen Helfer Friedrich von Gentz legte er dem in Karlsbad tagenden Ministerkongress Gesetze zur Unterdrückung der freien Presse und der Universitäten vor; in einem „mehr als fragwürdigem Eilverfahren“ (16) nahm die Bundesversammlung am 20. September 1819 die „Karlsbader Beschlüsse“ an.

Im „Preßgesetz“ hieß es (17):

“§ 1: Solange als der gegenwärtige Beschluß in Kraft bleiben wird, dürfen Schriften, die in der Form täglicher Blätter oder heftweise erscheinen, deßgleichen solche, die nicht über 20 Bogen im Druck stark sind, in keinem deutschen Bundesstaate ohne Vorwissen und vorgängige Genehmhaltung der Landesbehörden zum Druck befördert werden. [...] § 6: [...] Die Bundesversammlung soll außerdem befugt sein, die zu ihrer Kenntniß gelangenden [...] Schriften, in welchem deutschen Staate sie auch erscheinen mögen, wenn solche, nach dem Gutachten einer von ihr ernannten Commission, der Würde des Bundes, der Sicherheit einzelner Bundesstaaten oder der Erhaltung des Friedens und der Ruhe in Deutschland zuwiderlaufen, ohne vorhergegangene Aufforderung, aus eigener Autorität [...] zu unterdrücken [...]“
(Protokolle der Bundesversammlung 1819)



Damit stand die deutsche Presse unter einer Zensur nach einheitlichen Grundsätzen. Zeitungen, Zeitschriften und Bücher mit einem Umfang von weniger als 20 Druckbogen (320 Seiten) unterlagen einer Vorzensur. Von 1819 bis 1828 bestand die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, die die Aufgabe hatte, alle verdächtig erscheinenden Publikationen zu überwachen. Die Karlsbader Beschlüsse wurden 1824 erneuert, in den frühen 30er Jahren noch einmal verschärft und galten formal bis 1848; sie „kennzeichnen die 20er Jahre [und] im weiteren Sinne die Zeit bis 1848 als Zeitalter der Restauration.“ (18) Sie wurden in den einzelnen deutschen Ländern unterschiedlich gehandhabt: In Österreich, Baden, Nassau und Preußen wandte man die Zensurgesetzgebung mit aller Schärfe an, in Bayern und Württemberg ging man eher lässig damit um.

Bereits vor 1819 waren Zeitungen und Zeitschriften der restaurativen Zensur zum Opfer gefallen, so zum Beispiel Joseph Goerres' 1814 gegründeter „Rheinischer Merkur“ (Koblenz) und die „Kölnische Zeitung“ des Verlegers Marcus DuMont, der im Mai 1817 darauf verzichtete, die von der Zensur beanstandeten Stellen durch andere, politisch unbedenkliche Berichte zu ersetzen. Das Ergebnis war eine Titelseite der Ausgabe vom 4. Mai 1817, auf der außer dem Zeitungskopf und der Überschrift „Deutschland“ keine Zeile gedruckt war.

Eigene Wege versuchte der württembergische König Wilhelm I. zu gehen, indem er der restaurativen Zensur Anfang 1817 ein eigenes Pressegesetz für sein Land entgegensetzte (19):

„Wir haben, um der freyen Mittheilung der Gedanken und Einsichten durch den Druck, keine andere Schranken, als die durch das Verboth der Gesetze bedingten, entgegenzusetzen, und dadurch Unsern Unterthanen einen Beweis Unserer Gesinnungen und Unsere Vertrauens, daß diese Freyheit nicht werde mißbraucht werden, zu geben [...] und verordnen hierdurch:§. 1. Alle bisher erlassenen Gesetze und Verordnungen, welche die Druck- und Lesefreyheit, überhaupt die Ausübung des Polizeirechts über Bücher, Zeitschriften und Zeitungen betreffen, sind durch gegenwärtige Verordnung aufgehoben.§. 2. Es ist daher erlaubt, alles ohne Censur drucken zu lassen und alles Gedruckte zu verbreiten, deßen (!) Inhalt nicht durch gegenwärtiges Gesetz oder künftig im verfassungsmäßigen Wege errichtete Gesetze für ein Verbrechen oder Vergehen erklärt wird [...].“
(König Wilhelm I. von Württemberg, Regent seit 1816)



Unter dem Druck des Deutschen Bundes musste sich der württembergische Landesherr später dem einheitlichen Zensurgesetz fügen.

Die Presse der Restaurationsepoche bestand nach 1819 aus offiziellen Hof- und Staatsorganen, staatlichen Anzeigern und politisch neutralen, „farblosen“ (20) Zeitungen. Als Ausnahme sei Cottas „Allgemeine Zeitung“ (Augsburg) erwähnt, die, „in einem ruhig objektiven Stil, auf einem keineswegs unprofilierten Kurs der Mitte geschrieben“ (21), überregionale Bedeutung erreichte. Aber auch diese Zeitung musste Zugeständnisse machen; so veröffentlichte Cotta ab 1832 keine Berichte mehr von Heinrich Heine, der als erklärter Gegner der Restaura-tionspolitik ins Visier der konservativen Überwachungsorgane geraten war.

Mit den Karlsbader Beschlüssen begann 1819 in Deutschland „ein Zeitalter der politischen Verfolgung, der Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte, der Denunziation und Anpassung, des zumindest teilweisen Rückzugs in eine bürgerliche Privatsphäre, der ,biedermeierlichen‘ Politikferne“ (22).

Biedermeier, Junges Deutschland, Vormärz - die Literatur



Winfried Freund zeichnet ein Stimmungsbild der Deutschen, in welchem „zunehmende Kollektivierung und persönliche Enttäuschung angesichts einer reaktionären Politik“ (23) vorherrschten. In dieser Situation entstand eine Literatur, die der allgemeinen Stimmungslage des Landes entsprach und die vor allem dem „Weltschmerz“, der „Unruhe“, der „Zwiespältigkeit“ und der „Schwermut“ (24) Ausdruck verlieh, die auch die Dichter bewegten.

Der gewaltsame Umsturz 1789 in Frankreich wurde für die darauffolgende unsichere Zeit der Kriege und der Fremdherrschaft verantwortlich gemacht. Nachdem die Hoffnungen auf Freiheit und nationale Einheit enttäuscht worden waren, wuchs die Sehnsucht nach einem System, das Ordnung und Stabilität garantierte. Die restaurative Politik Metternichs erschien vielen Schriftstellern als ein Bollwerk gegen erneute Veränderungen mit ungewissem Ausgang, als Schutz vor Bestrebungen, wie man sie nach der Französischen Revolution erleben musste.

1850 erschien eine Gedichtsammlung des Mediziners Adolf Kussmaul und des Schriftstellers Ludwig Eichrodt mit dem Titel „Gedichte des schwäbischen Schullehrers Gottlieb Biedermann und seines Freundes Horatius Treuherz“. Der Begriff „Biedermann“ oder „Biedermeier“ wurde zum Synonym für die resignierten, der Wirklichkeit abgewandten, ihr Heil in der intakten Familie suchenden Deutschen in der Zeit zwischen 1815 und 1848.

Die Literatur dieser Zeit war geprägt von „Gelassenheit, Beruhigung, Ordnung, Stille“ (25), man wandte sich von der öffentlichen Welt und von der großen Politik ab, hin zum „Kleinen, Nahen, Erfahrbaren: Heimat, Familie, Volk, Arbeit, Religion, Privatheit“ (26). Rückzug in das Private, in die Idylle der eigenen vier Wände, die Hinwendung zum Christentum (Jeremias Gotthelf), zur Natur (Eduard Mörike) oder auch zum Humor (Ferdinand Raimund, Johann Nepomuk Nestroy) waren die charakteristischen Züge dieser Biedermeier-Literatur, deren Motive der Privatsphäre entnommen waren und die den öffentlichen Lebensbereich weitgehend aussparte.

Der Arbeits- und besonders der Familienbereich – wo das Leben in überschaubaren, geordneten Bahnen verlief – war die literarische Plattform der Biedermeier-Dichtung. Das Haus als „intakte kleine Welt“ (27), die eigene Familie als „überschaubare soziale Ordnung“ (28) boten einen Rahmen für den Rückzug „in die Innerlichkeit des Individuums“ (29). Josef Jansen spricht von einer „existentiellen Zerrissenheit, die sich in einem sentimentalen Weltschmerzgefühl abreagiert“ hat. Er sieht in der „melancholischen Welterfahrung einen Grundzug der zeitgenössischen Literatur.“ (30) Gerd Müller verweist auf die zwischen 1815 und 1830 stetig ansteigende Selbstmordrate als Indiz für die Resignation, die viele Deutsche angesichts der gesellschaftspolitischen Entwicklung erfasst hatte. (31)

Der konservative Grundzug der Biedermeier-Literatur, die allem Neuen, jeder Veränderung misstrauisch gegenüberstand, ist jedoch, wie Gerd Müller ausführt, nicht mit einer Blindheit für die Realität zu verwechseln. Die biedermeierlichen Dichter litten ebenso unter den Folgen der Restaurationspolitik „wie die Masse der übrigen Betroffenen“ (32); man sah jedoch in der Metternichschen Politik das kleinere Übel gegenüber der Alternative einer unruhigen Revolutions- und Kriegszeit.

Dem „Charakter intimer Kommunikation“ (33) entsprachen die Genres des Biedermeier: Briefe, Tagebücher, Gedichte, Lebenserinnerungen waren die vorherrschenden literarischen Formen. Anstelle der „großen weltanschaulichen Entwürfe der klassischen und idealistischen Periode begnügte man sich mit epischen und lyrischen Kleinformen“ (34): Sprüche, Gedichtzyklen, Balladen, Versgeschichten, Märchen und Idyllen prägten die literarische Szene. Die beliebteste Buchform des Biedermeier war das periodisch erscheinende Taschenbuch, das „das Bedürfnis einer stetig wachsenden Leserschaft nach abwechslungsreicher Unterhaltung und Belehrung“ (35) stillte.

Typisch für das literarische Biedermeier war die Regionalität. Als sei das Interesse an der literarischen Welt außerhalb des eigenen territorialen Umkreises erlahmt, bildete sich beispielsweise die „Schwäbische Schule“ (Friedrich Rückert, Gustav Schwab, Justinus Kerner) heraus. Die Werke Eduard Mörikes waren geprägt vom protestantischen Württemberg; Annette von Droste-Hülshoff schrieb zahlreiche Gedichte über das katholische Westfalen, und Jeremias Gotthelf war vom calvinistischen Berner Oberland inspiriert.

Zu den Faktoren, die die Entwicklung der Literatur in dieser Epoche bestimmten, gehört indessen auch die Erfindung der Schnellpresse und der Papiermaschine in den 20er Jahren. Sie ermöglichten es, Druckerzeugnisse massenhaft und damit billiger herzustellen und zu verkaufen. Der Ausbau des literarischen Marktes wurde außerdem von der fortschreitenden Alphabetisierung der Unterschichten geprägt, aber auch beim wirtschaftlich immer stärker werdenden Bürgertum stieg das Informationsbedürfnis und förderte den Journalismus.

Diese Entwicklungen veränderten auch die soziale Stellung des Schriftstellers, der nicht mehr in erster Linie auf Mäzene oder auf einen bürgerlichen Beruf angewiesen, sondern nunmehr den ökonomischen Bedingungen des Marktes unterworfen war. Mit der Gründung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler schufen sich die Verleger 1825 in Leipzig einen immer stärker werdenden Interessenverband.

Thomas Nipperdey rechnet die Dichtung des Biedermeier formal zur „nachklassischen und nachromantischen Literatur der Restaurationszeit und des Vormärz, die nicht der eigentlichen Oppositionsliteratur der 30er und 40er Jahre zuzurechnen ist.“ (36) Zur Oppositionsliteratur zählen die Schriften des „Jungen Deutschland“, dessen zentrales Ziel die Freiheit des Geistes war. Der Begriff „Junges Deutschland“ tauchte erstmalig 1834 in Ludolf Wienbargs Kieler Vorlesungen „Ästhetische Feldzüge“ auf. Die jungdeutschen Autoren, zumeist 30- bis 40jährig, lehnten das restaurative System und seine Literatur ab. Sie wandten sich gegen Goethe und die Spätromantiker, die sie als „geistige Exponenten“ (37) der Restaurationsliteratur ansahen, aber ebenso gegen Vertreter der eigenen Generation wie den einflussreichen Literaturkritiker Wolfgang Menzel (1798–1873), der als ehemaliger Burschenschaftler ein Verfolgter des Metternichschen Repressionsapparates, aber in den Augen der Jungdeutschen von einem „kleinlic8hen und intoleranten Nationalismus“ (38) geprägt war.

Wichtigste Vertreter des Jungen Deutschland waren Karl Gutzkow (1811–1878), Ludolf Wienbarg (1802–1872), Heinrich Laube (1806–1884), der sich später allerdings von den Ideen der Jungdeutschen distanzierte, Ludwig Börne (1786–1837), der 1830 nach Paris emigrierte, Heinrich Heine (1797–1856), der ihm 1831 nach Paris nachfolgte, und Theodor Mundt (1808–1861). Viele der Jungdeutschen gaben eigene Zeitschriften heraus, da-runter Karl Gutzkow („Telegraph für Deutschland“, Hamburg).

Die liberale Bewegung in Deutschland war von der Juli-Revolution 1830 in Frankreich erneut angefacht worden. In einzelnen deutschen Staaten kam es zu Unruhen; 1832 versammelten sich süddeutsche Demokraten in Hambach/Pfalz, wo sie Ideen einer nationaldeutschen Demokratie proklamierten. Der Deutsche Bund reagierte darauf mit weiteren Einschränkungen der Presse- und der Versammlungsfreiheit.

War das Hauptanliegen der Jungdeutschen die „Gewinnung einer freien und in jeder Beziehung unabhängigen Individualität“ (39), so sahen sie in der Literatur einen Gebrauchsgegenstand, ein „Kampfmittel“ (40) zur Erreichung ihrer liberalen Ziele. Das Junge Deutschland war davon überzeugt, dass das Land einer geistig-moralischen Erneuerung bedurfte. Vor diesem Hintergrund entstanden literarische Essays, politische Lyrik und kritische Gesellschaftsromane; die Prosa wurde zur vorherrschenden literarischen Form, wodurch die Schriften des Jungen Deutschland ein breiteres Publikum erreichten. 1835 ging der Deutsche Bund verschärft gegen das Junge Deutschland vor. Mit dem Bundesbeschluss vom 10. Dezember 1835 wurden die Schriften der Jungdeutschen verboten (41):

„Nachdem sich in Deutschland in neuerer Zeit, und zuletzt unter der Benennung ,das junge Deutschland‘ oder ,die junge Literatur‘, eine literarische Schule gebildet hat, deren Bemühungen unverholen (!) dahin gehen, in belletristischen, für alle Classen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören: so hat die deutsche Bundesversammlung – in Erwägung, daß es dringend notwendig sey, diesen verderblichen, die Grundpfeiler aller gesetzlichen Ordnung untergrabenden Bestrebungen durch Zusammenwirken aller Bundesregierungen sofort Einhalt zu thun [...] sich zu nachstehenden Bestimmungen vereiniget: 1. Sämtliche deutschen Regierungen übernehmen die Verpflichtung, gegen die Verfasser, Verleger, Drucker und Verbreiter der Schriften aus der unter der Bezeichnung ,das junge Deutschland‘ oder ,die junge Literatur‘ bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich Heinr. Heine, Carl Gutzkow, Heinr. Laube, Ludolph Wienbarg und Theodor Mundt gehören, die Straf- und Polizei-Gesetze ihres Landes, so wie die gegen den Mißbrauch der Presse bestehenden Vorschriften, nach ihrer vollen Strenge in Anwendung zu bringen, auch die Verbreitung dieser Schriften, sey es durch den Buchhandel, durch Leihbibliotheken oder auf sonstige Weise, mit allen ihnen gesetzlich zu Gebot stehenden Mitteln zu verhindern.“
(Protokolle der deutschen Bundesversammlung 1835)



Gerade durch diese Zensurmaßnahmen und die namentliche Nennung der führenden Jungdeutschen erreichte aber die Literatur des Jungen Deutschland auch eine gewisse Popularität. Ihre Vertreter flohen vor der Verfolgung durch den Polizeistaat Metternichs: Wienbarg ging 1835 nach Helgoland, Georg Büchner emigrierte im gleichen Jahr nach Straßburg. Heinrich Laube wurde 1837 verhaftet.

In Deutschland schritt inzwischen die Industrialisierung weiter voran. Die Folgen waren soziale Entwurzelung, Wohnungsnot, Kinder- und Frauenarbeit unter schlimmsten Bedingungen. Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Armut prägten die Situation der Bevölkerung. Die Löhne waren wegen des Überschusses an Arbeitskräften besonders niedrig, die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen in den 30er und 40er Jahren stark an.

Die Autoren des Jungen Deutschland hatten die soziale Not, aber auch die nationale Bewegung weitgehend vernachlässigt. Zu Beginn der 40er Jahre – dem Beginn des Vormärz, der der Revolution vom März 1848 vorausging – wurden sie abgelöst von einer neuen Schriftstellergeneration, die diese Themen aufgriff. Hauptvertreter dieser vormärzlichen Literatur waren Ferdinand Freiligrath (1810–1876), Georg Herwegh (1817–1875), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), Franz Dingelstedt (1814–1881) und der junge Gottfried Keller (1819–1890). Ihre politische Lyrik, in der sie sich gegen die absolutistische Willkür, gegen Vorrechte des Adels und gegen kirchlichen Machtmissbrauch wandten und die unpolitische Einstellung des biedermeierlichen Bürgers anprangerten, für den sie ökonomische und politische Rechte einforderten, brachten die Vormärz-Dichter in Form von Flugblättern und Plakaten unters Volk. Viele von ihnen mussten in den folgenden Jahren ins Ausland emigrieren, darunter Herwegh (1842) und Freiligrath (1845).

Trotz der staatlichen Repression setzten sich liberale und nationale Ideen, verstärkt durch die sozialen Probleme, mehr und mehr im Bürgertum durch. Die Publizistik spielte bei der Entstehung einer politischen Öffentlichkeit eine große Rolle; Flugschriften (wie die 1838 von Joseph Goerres herausgegebene Schrift „Athanasius“), Zeitungen und politische Literatur bereiteten den Boden für die 48er-Revolution. Die Initialzündung ging wiederum von Frankreich aus, wo im Februar 1848 Arbeiter- und Studentenunruhen den König zur Abdankung zwangen. Drei Tage später forderten Bürger auf einer Versammlung in Mannheim Pressefreiheit, Schwurgerichte, Vereins- und Versammlungsfreiheit und die Einberufung eines deutschen Parlamentes. Am 13. März 1848 dankte Metternich in Wien ab; am 18. März kam es zu Barrikadenkämpfen in Berlin.

König Friedrich Wilhelm IV. ließ einen Tag später die Truppen aus Berlin abziehen und versuchte erfolglos, in einer Rede „An mein Volk und an die deutsche Nation“ auf die Geschehnisse Einfluss zu nehmen.
Am 18. Mai 1848 trat in Frankfurt am Main die Nationalversammlung zusammen mit dem Ziel, eine gesamtdeutsche Verfassung auszuarbeiten. Die Versammlung bestand aus Abgeordneten aller deutschen Bundesstaaten, hauptsächlich Juristen, Verwaltungsbeamten und Professoren, sowie einem Bauern. Arbeiter waren unter den Abgeordneten nicht zu finden. Frauen durften auf gesondert ausgewiesenen „Damenplätzen“ lediglich als Zuschauerinnen teilnehmen, obgleich sie sich zahlreich an der demokratischen Bewegung, an den Barrikadenkämpfen in Wien und Berlin und damit an der Revolution von 1848 beteiligt hatten.


Die Situation der Schriftstellerinnen



Das Frauenbild der Restaurationszeit



Jean-Jacques Rousseau prägte mit seinen Ansichten über Weiblichkeit und Männlichkeit das Frauenbild auch in Deutschland bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Im 5. Buch seines Erziehungsromans „Emile“ (1762) stellte der französische Schriftsteller die These von der „natürlichen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern“ (42) auf. Während Rousseau den Männern Geist, Stärke und Tätigkeit bescheinigte, reduzierte er die Frauen auf Gefühl und Schwäche. Aus diesen naturgegebenen Wesensunterschieden folgerte er, dass die Frau sich dem Mann unterwerfen müsse. „So muß sich die ganze Erziehung im Hinblick auf den Mann vollziehen“ (43), forderte Rousseau und legte den Wirkungskreis der Frau auf die Häuslichkeit fest: „Außerhalb des Hauses wirkt sie überall lächerlich [...] Ihre Würde ist es, nicht gekannt zu sein, ihre Ehre ist die Achtung ihres Mannes, ihre Freuden liegen im Glück ihrer Familie.“ (44)

Das Frauenbild Rousseaus prägte die ihm folgenden Beschäftigungen mit dem Thema Frau nachhaltig, es wirkte „auf Kant, Herder, Schiller, auf die Pädagogik um die Wende zum 19. Jahrhundert, auf einschlägige kulturphilosophische Schriften.“ (45) Johann Heinrich Campes „Väterlicher Rath für meine Tochter“ (1789), ein Erziehungsprogramm für Mädchen, klärte in Vater-Tochter-Dialogform darüber auf, dass die wahren weiblichen Verdienste „A. Nicht in schimmernden Kunstfertigkeiten B. Nicht in Gelehrsamkeit und Schriftstellerei [...]“ bestehen, „Sondern in solchen Eigenschaften, Fertigkeiten und Geschicklichkeiten, welche der dreifachen Bestimmung des Weibes – der zur Gattin, zur Mutter und zur Vorsteherin des Hauswesens – gemäß sind.“ (46) Campes Buch wurde ein Bestseller.

Entstanden ist dieses Frauenbild im Zusammenhang mit sozialen und ökonomischen Veränderungen im 18. Jahrhundert. Die einsetzende Industrialisierung brachte auch die Trennung von Arbeitsstätte und Wohnraum mit sich. Aus der Trennung von beiden Lebensbereichen folgte eine schärfere Abgrenzung von Privat- und öffentlichem Leben, das sich vor der Haustür abspielte und an dem in der Regel ausschließlich der Mann teilnahm. Die familiäre Rollenstruktur hatte sich geändert, es entstand das Leitbild von der fleißigen, kinderreichen und immer tätigen Hausfrau, das „im gesellschaftlichen Bewusstsein für lange Zeit Bestand haben sollte.“ (47)

In der Restaurations- und Biedermeierzeit, als Familie und Häuslichkeit besonders große Bedeutung erlangten, kam das Frauenideal der fleißigen, gehorsamen, sparsamen Gattin, Mutter und Hausvorsteherin voll zum Tragen. Wurde die Familie als Gegengewicht zum rauher werdenden, von Industrialisierung und technischem Fortschritt geprägten Alltag angesehen, so kam der Frau analog die Rolle des sanftmütigen, beruhigenden, disziplinierten und tugendlichen Gegenparts zum Mann zu, dessen berufliches und öffentliches Engagement dagegen immer lebhafter wurde. Bewegung, Unruhe und Fortschritt (mit seinen positiven wie negativen Auswirkungen) sollten ausschließlich vor der Haustür stattfinden.

Die typische Biedermeierfrau wird als „Herrin des Hauses“ beschrieben, die als äußeres Zeichen dieser Rolle den Schlüsselring am Rockbund trug, die Wirtschaft führte, die Vorratshaltung plante, viele Dinge des täglichen Gebrauchs selbst herstellte, ihre Töchter in Haushaltsführung und Handarbeit unterwies, um sie auf die Ehe vorzubereiten, und möglichst sparsam mit dem Budget umging. (48) Nach Ingeborg Weber-Kellermann waren die Frauen ganz auf das Innere der Familie konzentriert; für die Entfaltung anderer Fähigkeiten blieben weder Zeit noch Muße. (49)

Ute Frevert betont dagegen, dass das „oft zitierte Biedermeieridyll der sich unaufhörlich und einzig und allein um Haushalt und Kinder sorgenden bürgerlichen Frau nur selten der Wirklichkeit entsprach.“ (50) So wurden die schweren Arbeiten (Scheuern, Ofenputzen, Waschen) in der Regel an Hausmädchen delegiert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte nahezu jede bürgerliche Familie ein bis zwei Küchen- oder Stubenmädchen; bei vielen gehörten noch ein Knecht, eine Zofe und ein Kindermädchen zum Haushalt. (51)

Ute Frevert führt zudem an, dass Frauen durchaus am öffentlichen Leben teilnahmen. Die Männer hatten sich – gerade weil das Engagement für die große Politik verboten war – eine bürgerliche Öffentlichkeit geschaffen, in der sie sich in kulturellen, kirchlichen und wissenschaftlichen Gruppierungen, in Kriegs-, Turn-, Schul- oder Wohltätigkeitsvereinen betätigten. Da Frauen in diesen bürgerlichen Vereinigungen keine Chance zur Mitwirkung bekamen, engagierten sie sich in anderen Bereichen: In „Patriotischen Frauenvereinen“, die noch aus der Zeit der Befreiungskriege stammten, kümmerten sie sich um Arme und Kranke, unterstützten Wöchnerinnen, richteten Suppenküchen und Armenschulen ein und betreuten weibliche Strafgefangene. 1832 gründete Amalie Sieveking in Hamburg den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“; 1836 entstand in Kaiserwerth der „Rheinisch-Westfälische Diakonissenverein“, der evangelische Krankenpflegerinnen ausbildete und damit einen neuen Frauenberuf schuf.

Das Engagement der Frauen in diesen Vereinen entsprach zwar nicht ganz dem Biedermeierideal von der nicht-öffentlichen, auf den eigenen häuslichen Bereich beschränkten Frau; es widersprach ihm aber auch nicht: Die Frauen dehnten ihre familiären Pflichten einfach aus auf andere, fremde Familien und wahrten somit die Grenzen des weiblichen Betätigungsfeldes.

Zahlreiche Frauen waren gezwungenermaßen berufstätig: Töchter aus Unterschichtsfamilien hatten meist ein mühsames, hartes und schlecht bezahltes Arbeitsleben als Dienstmädchen, Näherinnen, Wasch- oder Bügelfrauen vor sich. 1816 waren in Preußen 29 % der weiblichen Bevölkerung über 14 Jahren erwerbstätig; 1846 waren es 25,6 % (nicht eingerechnet sind dabei Frauen, die selbständig oder im Betrieb ihres Mannes arbeiteten). (52)

Gelehrsamkeit war bei Frauen verpönt. Schon Rousseau hatte postuliert: „Gelehrsamkeit wirkt lächerlich und abartig bei Frauen, da wahre Verstandes- und Vernunftarbeit in ihnen nicht angelegt ist.“ (53) Immanuel Kant hatte Gelehrsamkeit bei Frauen mit dem Verlust weiblicher Reize gleichgesetzt (54). Arthur Schopenhauer war trotz seiner geistreichen und schriftstellernden Mutter und Schwester der Auffassung, dass die Frau nicht zum Denken veranlagt sei. (55) Der Schweizer Rechtsgelehrte Johann Caspar Bluntschli vertrat noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Meinung über „Blaustrümpfe“ (56), die der allgemeinen Auffassung während der Restaurationsepoche entsprach (57):

„Geistreiche Frauen, die mit Männern wetteiferten, waren mir unangenehm [...] ich möchte um keinen Preis eine Frau, die mich an Verstand überträfe [...] In der Tat, die Schärfe und Stärke des Verstandes bleibt auf ewig der Vorzug der Männer. Frauen können sich nur von ferne annähern.“
(J. C. Bluntschli, 1884)



Es gab aber auch andere Stimmen. Theodor Gottlieb Hippel hatte 1792 in seiner Schrift „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ versucht, die geistige Ebenbürtigkeit und Gleichberechtigung der Frau zu erweisen (58):

„Wer dem weiblichen Geschlechte die Fähigkeit abspricht, das Ganze zu übersehen, Anordnungen für Königreiche zu treffen, sie im Großen auszuführen, weit aussehende Pläne zu umfassen, und kurz, ihre Begriffe bis zum Allgemeinen zu erheben, der verrät wenig Weltkenntnis, und schließt von den Geschäften des Details – denn größtentheils werden bloß diese den Weiber8n jetzt anvertrauet – auf ihre Fähigkeit.“
(Theodor G. Hippel, 1792)



In seiner „Idee zu einem Katechismus der Vernunft für edle Frauen“ (1798) hatte Friedrich von Schleiermacher den Frauen zugestanden, „nach der Männer Bildung, Weisheit und Ehre“ (59) zu streben. Amalia Holst hatte 1802 „Über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung“ geschrieben (60):

„Wenn wir aber zugeben müssen, daß die Weiber am Körper schwächer als die Männer sind, folgt hieraus denn schon die notwendige Schwäche des Geistes? Ist denn unser Gehirn anders als das der Männer organisiert? Noch bis jetzt hat dies kein Anatomiker zu behaupten gewagt. [...] Wenn wir denn einmal im Ernst erwacht sind, wenn wir feurig nach einer höhern Bildung streben, so bitte ich, uns das Werk nicht zu erschweren, sondern auf alle Weise zu erleichtern, weil sicher die Männer eben so viel dabei gewinnen als wir.“
(Amalia Holst, 1802)



Das erste Bildungsziel für Mädchen in der Restaurationszeit aber war das Erlernen der Fertigkeiten, deren Beherrschung man von der künftigen Hausfrau und Mutter erwartete. Schon kleine Mädchen wurden in diesen Bereichen „fast militärisch diszipliniert“. (61) Zu den hauswirtschaftlichen Fähigkeiten kamen gesellschaftliche, wie Klavierspielen, Singen, Zeichnen.

Verpflichtender Schulbesuch war für Mädchen nicht vorgesehen. Wer es sich leisten konnte, ließ seine Tochter zusammen mit den Brüdern von einem Privatlehrer unterrichten – auch Annette von Droste-Hülshoff und ihre Schwester Jenny profitierten vom Hauslehrer ihrer Brüder – oder schickte sie in ein Pensionat. Nach 1820 entstanden zunehmend „höhere Töchterschulen“ und Mädchenpensionate; das Hauptunterrichtsfach war Handarbeit, das Ziel die Ausbildung zur Gattin und Mutter. Dazu gehörte auch die Fähigkeit zur Repräsentation nach außen und zur gebildeten Konversation; zu diesem Zweck wurde den Mädchen eine „oberflächliche Allgemeinbildung“ (62) vermittelt. Von der Abiturprüfung (und damit auch vom Zugang zur Universität) blieben die Frauen ausgeschlossen.

Der Umgang mit schreibenden Frauen



Bildung, „die doch als wichtige Voraussetzu8ng zu poetischem Wirken anzusehen ist, scheint im wesentlichen vom Zufall, d. h. von den Familienumständen und dem Belieben des Vaters abhängig [gewesen] zu sein. Nahezu alle Frauen, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts [öffentlich] aufgetreten sind, hatten das Glück einer Erziehung, die völlig außergewöhnlich war.“ (63)

Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen (es fehlte nicht nur an Bildungschancen, sondern auch an Zeit und Räumlichkeiten zum ungestörten Arbeiten, an Kontakten zu Gleichgesinnten und an gesellschaftlicher Ermutigung und Anerkennung) griffen im 19. Jahrhundert sehr viele Frauen zur Feder. Carl von Schindel führte in seinem 1823–1825 erschienenen Buch „Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts“ (64) 550 deutschsprachige Autorinnen auf; Sophie Pataky verzeichnete in ihrem„Lexikondeutscher Frauen der Feder“ (65) 1898 bereits über 5000 deutsche Schriftstellerinnen. Elisabeth Friedrichs nennt für das 18. und 19. Jahrhundert rund 4000 deutschsprachige Autorinnen; sie betont, dass wahrscheinlich noch einmal die gleiche Anzahl von Schriftstellerinnen unter Pseudonym veröffentlichte. (66)

Hatte die weibliche Schriftstellerei im 18. Jahrhundert in der Regel auf der Basis einer gesicherten Familienexistenz stattgefunden, so brachte die Restaurationszeit eine wesentliche Veränderung mit sich: Schreiben wandelte sich von der gelegentlichen Freizeitbeschäftigung zur Berufsarbeit; die „Metternichsche Ära brachte der Frau die Schriftstellerei als Profession“. (67)

Die Schriftstellerinnen der ersten Jahrhunderthälfte entsprachen nur selten dem biedermeierlichen Idealbild einer Frau: Viele Autorinnen blieben unverheiratet (Karoline von Günderrode, Hedwig Zäunemann, Louise Brachmann, Betty Paoli, Annette von Droste-Hülshoff) oder ließen sich scheiden (Sophie Mereau, Caroline Schlegel, Amalie Caroline vonVoigt, Luise Aston). Häufig waren sie kinderlos wie Rahel Varnhagen von Ense oder Fanny Lewald; der „Beruf der Dichterin scheint mit der Mutterschaft in einem Konkurrenzverhältnis zu stehen.“ (68) Andere Autorinnen, wie Dorothea Schlegel, begannen erst mit dem Schreiben, als ihre Kinder bereits erwachsen waren.

Schreibende Frauen gehörten zumeist dem oberen Bürgertum an: „Eine Vielzahl von Quellen bestätigt, dass die wohlhabende und gebildete bürgerliche Schicht des oberen Mittelstandes, die schon lange als eigentliche literarische Trägerschaft erkannt wurde, unter geschlechtsspezifischer Perspektive zugleich als Nährboden für eine eigene ,weibliche‘ literarische Kultur angesehen werden kann“ (69), denn die Frauen dieser Schicht erlangten in der Regel eine umfassendere Bildung und verfügten über mehr Freizeit als Angehörige niedrigerer sozialer Schichten.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verhalfen Frauen dem literarisch-kulturellen Salon in Deutschland zum Durchbruch. Henriette Herz (1764–1847) hatte um die Jahrhundertwende den ersten literarischen Berliner Salon etabliert, der schnell zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Frühromantiker geworden war. Ebenfalls in Berlin unterhielt Rahel Varnhagen von Ense (1771–1833) in den 1820er Jahren einen Salon, in dem sich Frauen und Männer der Romantik und des Jungen Deutschland trafen. Man sprach über Politik, Philosophie und Geschichte, tauschte sich über literarische Werke und über Theater aus. Standesunterschiede waren in den Salons zweitrangig; geistreiche Gespräche wurden von Frauen und Männern gleichermaßen geführt. Einen Salon, in dem vorwiegend Frauen verkehrten, unterhielt die Schriftstellerin Sibylle Mertens-Schaaffhausen seit 1824 auf dem Rittergut Auerhof in Plittersdorf am Rhein. Johanna Schopenhauer war mit ihrer Tochter Adele dort ebenso zu Gast wie Ottilie von Goethe und Annette von Droste-Hülshoff. Renate Möhrmann verweist darauf , dass sich den in den Salons betriebenen „Emanzipationsluxus“ nur einige wenige Frauen leisten konnten; als „Leitbild für die ökonomisch abhängige Bürgersfrau [war er] unbrauchbar.“ (70) „Im Grunde genommen ging es den Frauen der Berliner Salons weniger um die weibliche Emanzipation im allgemeinen als vielmehr um den erweiterten Freiheitsraum einiger geistig hochstehender und origineller Frauen“ (71), urteilt Möhrmann.

Rahel Varnhagen wirkte durch ihren relativ unabhängigen Lebensstil emanzipatorisch auf viele Frauen ihrer Zeit. Auch die Lebensweise Bettines von Arnim (1785–1859), die keine „weibliche Zurückhaltung“ oder „abwartende Hingabe“ (72) kannte und ihr starkes politisches Interesse in mehreren Büchern dokumentierte, wirkte emanzipatorisch auf ihre Zeitgenossinnen. Wie viele schreibende Frauen litt Bettine von Arnim an der weiblichen Rollenzuweisung ihrer Zeit. 1804 schrieb sie an ihren Schwager Friedrich Carl von Savigny (73):

„Daß ich traurig bin, kannst Du Dir wohl leicht erklären. Soviel Lebenskraft und Mut zu haben und keine Mittel, ihn anzuwenden! [...] Mir überwältigt diese immerwährende rastlose Begier nach Wirken oft die Seele und bin doch nur ein einfältig Mädchen, deren Bestimmung ganz anders ist.“
(Bettine von Arnim, 1804)



Auch Annette von Droste-Hülshoff musste für ihr Recht auf schriftstellerische Betätigung patriarchale (und darüber hinaus auch adelständische) Schranken überwinden. Im Januar 1843 schrieb ihr Freund und Förderer Levin Schücking an seine Braut Louise von Gall (74):

“...bei uns [in Westfalen] hält man es für unanständig für eine Dame von Stande, wenn sie schriftstellert und mein gutes Dröstchen hat viele Kämpfe darum auszustehen gehabt.“
(Levin Schücking, 1843)



Frauen betätigten sich in der Restaurationszeit auch als Journalistinnen. Seit 1817 war Therese Huber regelmäßige Mitarbeiterin von Johann Friedrich Cottas „Morgenblatt für gebildete Leser“, sie musste ihre Artikel allerdings anonym oder unter einem männlichen Pseudonym verfassen. Später übernahm Therese Huber Leitung und Chefredaktion des „Morgenblattes“ – dessen Redakteure, mit denen sie nur schriftlich verkehrte, hielten sie für einen Mann. Als Therese Huber 1819 ihre gesammelten Erzählungen herausgab, äußerte sie sich im Vorwort über die Gründe ihrer bisherigen Anonymität (75):

„Daß die Schriftstellerin eine rüstige Hausmutter sein könne, wird dem Publicum zu glauben sehr schwer, deswegen verschwieg ich meine literarische Beschäftigung, solange das zu seyn mein Beruf war.“
(Therese Huber, 1819)



Friedrich Schillers (1759–1805) Gedicht „Die berühmte Frau“ (76) machte „den Horror des Jahrhunderts vor einer öffentlich tätigen, womöglich berühmten Frau“ (77) deutlich. In seinen Versen tauchten alle zu jener Zeit gängigen Vorurteile gegenüber schreibenden Frauen auf: Sie würden ihre Pflichten vernachlässigen, ihre Weiblichkeit verlieren und könnten dabei nichts gewinnen, denn auf dem männlichen Terrain der Schriftstellerei würden sie ohnehin nie an die Leistung der Männer heranreichen.

Bei Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) spielten Frauen zumeist die Rolle der Muse, der Schülerin oder der anonymen Mitarbeiterin. Gedichte von Marianne von Willemer gingen in Goethes „West-östlichen Divan“ (1819) ein, ohne dass ihr Name Erwähnung fand. Im Verborgenen arbeitete auch Caroline Schlegel, die ihrem Mann bei Shakespeare-Übersetzungen half. (78) Annette von Droste schrieb anonym Beiträge für Freiligrath und Schücking; noch 126 Jahre später äußerte sich Peter Berglar in seiner Droste-Biographie lobend über ihre „echt weibliche, sich gern unterordnende und anpassende Mitarbeit an Schückings literarischen Unternehmungen.“ (79)

Wenn Frauen schrieben, wurden ihre veröffentlichten Werke von den Kritikern zunächst daraufhin überprüft, ob sich die Schriftstellerin thematisch über die Grenzen ihrer Weiblichkeit hinausgewagt hatte. Allerdings waren die „echt weiblichen“ Themen nicht eindeutig definiert. Carl Barthel wollte die Autorinnen in der „Sphäre der engeren Häuslichkeit“ (80) wissen; Robert Prutz wies ihnen Natur- und Landschaftsbeschreibungen zu. (81) Rudolf Gottschall gewährte den Schriftstellerinnen die Beschäftigung mit sozialen, nicht aber mit politischen Themen. (82)

Formal waren für Dichterinnen „nach dem traditionellen Urteil vor allem Gattungen, die mit dem Gefühl und der privaten Sphäre zusammenhängen, allen voran die Lyrik“ (83), geeignet. Die weibliche Poesie bestand dementsprechend zumeist aus religiösen Gedichten, aus Natur- und aus Liebeslyrik; später kam mit Luise Aston (1814–1871) und Luise Otto-Peters (1819–1895) auch die politisch engagierte Lyrik hinzu. Zum lyrischen Genre der Frauen gehörten Träume, Phantasien, die Kindheit, Liebesglück und -unglück, Stimmungen in Abend- und Nachtliedern, Jahreszeiten, aber auch Reflexionen über das eigene Dichten. Neben der Lyrik zählten der Brief, das Tagebuch, die Erzählung und der Roman zu den „weiblichen“ literarischen Formen – „durchweg Gattungen von geringerem poetologischen Ansehen.“ (84)

Weit verbreitet unter schreibenden Frauen war die Briefkultur. Ihre Entwicklung begann im 18. Jahrhundert, dem „klassischen Zeitalter des Briefes, als die Briefleidenschaft grassierte und das Briefeschreiben zum Lebensinhalt wurde“. (85) Briefe waren für viele Frauen ein Einstieg in die literarische Tätigkeit; „das Schreiben von Briefen [war] für die literarisch interessierte oder tätige Frau ein Ersatz für untersagte schriftstellerische Produktion auf anderem Gebiet (z. B. dem Roman)“ (86). Dass das Briefeschreiben im Biedermeier so beliebt war, hat viel mit den Schranken zu tun, die den Frauen im literarischen Bereich auferlegt wurden. Seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es gedruckte Briefe von Frauen; 1835 erschien „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ von Bettine von Arnim.

Im Vormärz war nicht mehr die Salon- und Briefkultur, sondern der Roman das Forum, in dem die Schriftstellerinnen vermittelten, was sie bewegte: 1838 galt als das Durchbruchsjahr für den Frauenroman, der sich gezielt an Frauen wandte und die ungleiche gesellschaftliche Rollenverteilung thematisierte, wie Luise Mühlbachs „Erste und letzte Liebe“ und Ida Hahn-Hahns „Aus der Gesellschaft“ (87).

In der Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts spiegelte sich die literarische Rollenzuweisung wider. Auffällig ist zunächst, dass Schriftstellerinnen in der Regel nicht nach poetologischen oder historischen Prinzipien eingeordnet wurden. Carl Barthel widmete den „Literarischen Frauen“ in seiner Literaturgeschichte ein eigenes Kapitel; er zählte sie weder zur „Romantischen Schule“ noch zum „Jungen Deutschland“ oder zu den „Politischen Dichtern revolutionärer Tendenz“. Robert Prutz teilte die Schriftstellerinnen in die Kategorie „Dichtende Frauen“ ein. (88) Renate Möhrmann sieht die Literatur von Frauen durch solche Etikettierungen „auf die Boudoir- und Nähstubenebene“ reduziert. Weibliche Literatur muss sich „mit einer pauschalen Sonderkategorie zufriedengeben.“ (89)

Die Literaturhistoriker im 19. Jahrhundert waren sich darüber einig, dass schreibende Frauen nicht in der Lage seien, die literarische Größe der Männer zu erreichen. Rudolf Gottschall schrieb, dass „zu einem größeren Kunstwerk von plastischer Vollendung, das e i n e Idee harmonisch beseelt, die Darstellungsgabe der meisten Frauen nicht ausreicht“. (90) Carl Barthel gestand den Frauen zunächst zu, dass „das Weib eben so wie der Mann zur Poesie angelegt sei [...] da die Poesie ein allgemein-menschliches Erbtheil ist.“ (91) Voraussetzung für das öffentliche Auftreten einer Schriftstellerin war es nach Barthels Auffassung aber, dass sie „eben weiblich bleibt“ und „die Schranken, die [ihrem] Geschlechte von Natur und Sitte gezogen sind, nicht überschreitet“ (92):

„Halten sie als Schriftstellerinnen die Schranken dieses Berufs [...] inne, so werden sie immer als die naturgemäße Ergänzung zu der schriftstellernden Männerwelt gelten müssen; gehen sie aber als solche darüber hinaus, so fallen sie damit ohne weiteres in die Kategorie der emancipirten, d. h. der von ihrer wahren Natur abgefallenen Weiber, und erregen mit Recht mehr oder minder Anstoß [...] besonders sahen wir an einer Bettine von Arnim, welch einen unangenehmen Eindruck es macht, wenn Frauengemüther ihre innersten Geheimnisse so auf den offenen Markt stellen und die Gränzen (!) des weiblichen Anstandes und Berufes überschreiten.“
(Carl Barthel, 1858)



Zu den Schriftstellerinnen, die ihre weiblichen Grenzen überschritten, gehörten nach Barthels Auffassung neben Bettine von Arnim auch Ida Hahn-Hahn und Fanny Lewald, die „mit excentrischem Eifer [...] die äußerste Meinung ergriffen und ihre Krankhaftigkeit und Verschrobenheit auf Gebiete übertrugen, die wie das der Politik und Socialistik, gänzlich über der weiblichen Sphäre hinaus liegen.“ (93) Barthel bescheinigte Rahel Varnhagen eine „weibliche Eitelkeit“, die „im Ankämpfen gegen natürliche Verhältnisse den Schein des Ungewöhnlichen und Außergewöhnlichen erstrebt“; Ida Hahn-Hahns Reiseschilderungen lassen nach Barthel „das mildernde weibliche Element gerade am meisten vermissen“, der Autorin selbst wohne eine „krankhafte Emancipationssucht“ inne. Eine „ähnliche, verderbliche Wirkung“ schrieb Barthel Fanny Lewald zu, denn „nicht nur, daß [sie] die Sphäre der Weiblichkeit überschritt und sich ganz in die Socialistik versenkte“, Fanny Lewald thematisierte in ihren Romanen Gesellschaftskonflikte und bezog dabei eindeutig Stellung. Barthels Kommentar: „Wahrlich, solche Productionen, so viel Glänzendes sie auch übrigens im Raisonnement und in der Schilderung haben mögen, können, zumal wenn sie von einem Weibe kommen, nur abstoßen.“ (94)

Mehr Nachsicht zeigte Barthel mit Autorinnen, die „zwar nie die weibliche Sitte und Zucht verletzten und deshalb in vollsten Ehren genannt werden müssen, die aber wohl die Gränze (!) eiblicher Befähigung überschritten, indem sie sich auf die weite Bühne der Geschichte wagten.“ (95) Als Beispiel behandelte Barthel die Schriftstellerin Henriette Paalzow, in deren historischen Werken er als „Hauptgrundschwäche [...] die weibliche Unfähigkeit, den historischen Stoff zu bewältigen“ (96), zu entdecken glaubte.

Georg Gottfried Gervinus erwähnte die „sehr reiche amazonische Gruppe“ von Schriftstellerinnen nur am Rande (97):

„Denn was hat uns jene ganze Literatur Dauerndes, was hat sie uns Eigenes gegeben? Sie konnte nur die schönen Formen nachahmen, die Materien mußte sie immer aus dem Stocke der Männerliteratur hernehmen; denn was dächte man auch von dem Weibe, das sich in dem Leben selbst die reichen Erfahrungen sammeln wollte, die nur für eine mittelmäßige Schriftstellerin, wenn sie selbständig sein soll, nöthig wären?“
(Georg Gottfried Gervinus, 1853)



Wie Gervinus war auch Robert Prutz der Auffassung, dass Literatur von Frauen lediglich „rezeptiv, wiederholend“ sein könne, da die weibliche Natur an sich rezeptiv sei. Glückliche Frauen, die mit sich im Einklang seien, hätten keinerlei schriftstellerische Ambitionen (98):

„Wir haben unter unsern heutigen Frauen so viele Schriftstellerinnen, weil wir so viele unglückliche Frauen haben, in der Literatur suchen sie ihre Befriedigung, welche die Häuslichkeit, dieser nächste und natürlichste Boden des Weibes, ihnen nicht gewährt, sie flüchten in die Poesie, weil das Leben sie zurückstößt.“
(Robert Prutz)



In der Beurteilung von schriftstellernden Frauen waren sich Vertreter der verschiedenen geistesgeschichtlichen Strömungen, wie der Junghegelianer Prutz, der Liberale Gervinus, der Romantiker Joseph von Eichendorff und auch der Jungdeutsche Theodor Mundt, einig. (99) Mundt ließ in einem seiner Werke die Heldin sagen: „Ein Weib hat wenig Talent zum Schreiben und zum Darstellen von Natur erhalten.“ (100) Insgesamt zeichnen sich die Frauentypen in den jungdeutschen Romanen durch Hilflosigkeit, Hörigkeit und Irrationalität aus – zu diesem Ergebnis kommt Dagmar Lorenz in ihrem Aufsatz „Weibliche Rollenmodelle bei Autoren des Jungen Deutschland und des Biedermeier“. (101)

Die negative Kritik vieler Männer verfehlte bei schreibenden Frauen nicht ihre Wirkung. Sie sorgten sich um ihre weibliche Identität, die, glaubte man den Männern, durch das Schreiben verloren gehen konnte. Oft versuchten Frauen, ihre schriftstellerischen Ambitionen zu unterdrücken oder zumindest herunterzuspielen.

Autorinnen verletzten nicht nur das Ideal der sich einzig um die Familie bemühenden Frau; auch die als eine der höchsten weiblichen Tugenden bewertete Bescheidenheit ließen sie vermissen, wenn sie ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich machten. In Vorworten ihrer Bücher, die oftmals ein männlicher Herausgeber, manchmal auch die Autorin selbst schrieb, wurde häufig betont, dass die häuslichen Pflichten durch die Schriftstellerei nicht vernachlässigt worden seien – die Angst vor dem Ruf, eine schlechte Hausfrau zu sein, saß offensichtlich tief. (102)

Viele Schriftstellerinnen wählten einen anderen, sichereren Weg, der männlichen Kritik zu entgehen und trotzdem zu veröffentlichen: Sie publizierten entweder anonym – Annette von Droste-Hülshoff wählte für ihre erste Gedichtausgabe die halbanonyme Form und ließ lediglich ihre Initialen auf den Titel setzen – oder unter einem (vielfach männlichen) Pseudonym. Im Anhang ihres Lexikons hat Elisabeth Friedrichs rund 400 männliche Pseudonyme und die sich dahinter verbergenden Namen von Autorinnen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zusammengetragen. So schrieb Rosa Ludmilla Assing (1821–1880), die Nichte Varnhagens, unter dem Namen „Achim Lothar“; die Schriftstellerin und Übersetzerin Friederike Bäuerle (1817–1896) veröffentlichte ihre Werke als „Friedrich Horn“. (103)

Carl von Schindel deckte in seinem Lexikon alle ihm bekannten Pseudonyme auf. Er rechtfertigte dies damit, dass er als Historiker der Vollständigkeit und Wahrheit verpflichtet sei. (104) Eine Autorin, die Schindel nicht namentlich nennt, äußerte „die Furcht vor einem Publicum, wo hundert Männer darauf lauern, eine weibliche Feder lächerlich zu machen“ (105); Schindel zeigte Verständnis für den Wunsch nach Anonymität (106):

„Wer [mag] die Schüchternheit vor den Vorurtheilen, welche unser Geschlecht, oft vielleicht aus Stolz, oft wenigstens zu allgemein, gegen weibliche Schriftstellerei hegt, und vor der scharfen Kritik der Männer, die in unsern Zeiten die Gründlichkeit so oft durch einen den durch Wissenschaften gebildeten Geist nicht kleidenden Ton zu ersetzen sucht, mißbilligen? wer es also dem andern Geschlecht verdenken, wenn es auf alle Weise sich bemüht, bei seinen gelieferten Geistesproducten Anonymität zu behaupten, wäre es auch nur, um sich vor den Mißdeutungen, die ihm von dem schwesterlichen Verein vielleicht am schärfsten drohen, zu sichern?“
(Carl Schindel, 1823)



Die Kritik an den in die Öffentlichkeit „drängenden“ Autorinnen ging nicht nur von Männern aus. In welchem Maße das weibliche Rollenklischee auch bei Frauen verinnerlicht war, zeigt das Beispiel der Frauenrechtlerin Luise Otto-Peters. Auch sie verwies die schriftstellerisch ambitionierten Frauen auf das Gebiet der Gelegenheitsdichtung (107):

„Wen sein innerstes Bedürfnis zum Dichten treibt; wen die Empfindungen gleichsam unabweislich zum Liede überströmen: der dichte doch ja; singe, wie das Vöglein singt, weil es nicht anders kann, weil dies die schönsten Momente sind; dichte, die Angehörigen zu erfreuen, die Feier eines Festes zu erhöhen, Glückwünschen und Tröstungen den höhern Ausdruck zu geben; dichte in stillen Weihestunden, wie man betet, den Drang der Erhebung zu befriedigen; dichte, um den Blumenkranz zum Angebinde sinnige Deutung zu geben. Das ist der liebenswürdigste Dilettantismus, und neben der geheimen Selbstfreude am Schaffen belohnt ihn die Nachfreude und der Dank der Lieben. Aber zu beklagen ist, wer nach dem freundlichen Erfolg im Privatkreise noch einen solchen bei dem großen Publikum sucht, oder, weil eine Polterabendszene gelang, sich zum dramatischen Schaffen für die Bühne berufen hält. Unendliche Kränkungen und Täuschungen sind im Gefolge einer solchen Überhebung. Vor all' solcher Überhebung kann heutzutage nicht genug gewarnt werden.“
(Luise Otto-Peters, 1876)



Mit einer solchen Auffassung von „öffentlichen“ Frauen, wie sie in der Restaurationszeit üblich war, musste sich auch Annette von Droste-Hülshoff auseinandersetzen. Sie beschränkte sich nicht, wie die Familie verlangt hatte, auf Gelegenheitsdichtung. Damit setzte sie sich bewusst der Kritik der Verwandtschaft und der literarischen Öffentlichkeit aus.

Anmerkungen zum Kapitel „Frauen und Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“

1) Reinhard Rürup, Deutschland im 19.Jahrhundert, 1815–1871. Göttingen, 1984, S. 143.

2) Dieter Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution, 1815–1849. München,1985, S. 9.

3) Rürup, S. 143.

4) Heike Krüger, Mathias Münter-Elfner (Hg.), Schlaglichter der Weltgeschichte. Mannheim,1992, S. 293.

5) Rürup, S. 127.

6) Langewiesche, S. 8.

7) Ebd., S. 9.

8) Langewiesche, S. 9.

9) Ebd., S. 10.

10) Rürup, S. 137.

11) Ebd., S. 138.

12) Langewiesche, S. 11.

13) Ebd., S. 61.

14) Klaus Schulz, Deutsche Geschichte und Kultur. Königstein/Ts., 1987, S. 85.

15) Rürup, S. 120.

16) Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München,1983, S. 283.

17) Zitiert nach: Edda Ziegler, Literarische Zensur in Deutschland 1819–1848. Materialien, Kommentare. München [u. a.], 1983, S. 8ff.

18) Nipperdey, S. 284.

19) Zitiert nach dem Begleitheft zur Ausstellung „Der Weg zur freien Presse in Deutschland“ im Zeitungsmuseum Meersburg, 1994, S. 25.

20) Nipperdey, S. 591.

21) Nipperdey, S. 591

22) Rürup, S. 141.

23) Winfried Freund, Die Literatur Westfalens. Von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Paderborn,1993, S. 59.

24) Friedrich Sengle, Biedermeierzeit. Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution. Stuttgart, 1973. Bd. I, S. 2.

25) Nipperdey, S. 576.

26) Nipperdey, S. 576.

27) Müller, S.36.

28) Müller, S. 36.

29) Gert Sautermeister, Deutsche Erzählprosa der Restaurationszeit, in: Europäische Romantik III. Hg. von N. Altenhofer und A. Estermann. Wiesbaden, 1985, S. 90.

30) Jansen, S. 22.

31) Müller, S. 34.

32) Ebd., S. 37.

33) Jansen, S. 24.

34) Müller, S. 37.

35) Sautermeister, S. 86.

36) Nipperdey, S. 575.

37) Jansen, S. 25.

38) Müller, S. 138.

39) Müller, S. 148.

40) Ebd., S. 138.

41) Zitiert nach Ziegler, S. 13f.

42) Die Chronik der Frauen. Hg. von Annette Kuhn. Dortmund, 1992, S. 305.

43) Jean-Jacques Rousseau, Emile oder Über die Erziehung. Stuttgart, 1980, S. 733.

44) Rousseau, S. 818f.

45) Irmgard Roebling, Weibliches Schreiben im 19. Jahrhundert. In: Der Deutschunterricht 38, 1986, S. 36–56, hier S. 38.

46) Johann Heinrich Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter. Braunschweig, 1789, S.XVI.

47) Ingeborg Weber-Kellermann, Frauenleben im 19. Jahrhundert. München, 1988, S. 62.

48) Chronik der Frauen, S. 328.

49) Vgl. Weber-Kellermann, S. 49ff.

50) Ute Frevert, Frauen-Geschichte. Zwischen Bürgerlicher Verbesserung und Neuer Weiblichkeit. Frankfurt/Main, 1986, S. 68.

51) Vgl. Chronik der Frauen, S. 328.

52) Quelle: Jahrbuch für die amtliche Statistik des Preußischen Staats, Bd. II. Berlin, 1867, S. 251, 259ff.

53) Zitiert nach Roebling, S. 38.

54) Vgl. Immanuel Kant, Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764). In: Werke II. Vorkritische Schriften bis 1768. Hg. von Wilhelm Weischedel. Wiesbaden, 1960, 2.Teilbd., S. 852.

55) So schrieb er 1851 „Über die Weiber“: „Schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, daß das Weib weder zu großen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist. Es trägt die Schuld des Lebens nicht durch Tun, sondern durch Leiden ab ...“ , zitiert nach: Emanzipation und Literatur. Hg. von Hansjürgen Blinn. Frankfurt/Main, 1984, S.157.

56) Der Begriff „Blaustrumpf“ für eine gebildete Frau entstand, als Lady Elisabeth Robinson Montague um 1752 in London einen Salon führte,wo Frauen über Literatur, Geschichte und Philosophie diskutierten. Die gelehrten Frauen um Robinson Montague trugen blaue Wollstrümpfe statt der damals üblichen schwarzseidenen Strümpfe, um sich bewusst vom herrschenden Frauenbild abzugrenzen.

57) Johann Caspar Bluntschli, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Nördlingen, 1884; zitiert nach Weber-Kellermann, S. 52

58) Theodor Gottlieb Hippel, Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. In: Emanzipation und Literatur, S. 121–132, hier S. 121.

59) Friedrich von Schleiermacher, Idee zu einem Katechismus der Vernunft für edle Frauen. In: Athenaeum, Berlin 1798, Bd.1, Stück 2, S. 110.

60) Amalia Holst, Über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung. In: Emanzipation und Literatur, S. 149–154, hier S. 150, 153.

61) Weber-Kellermann, S. 55f.

62) Chronik der Frauen, S. 326.

63) Irmgard Scheitler, Frauen in der Literaturgeschichte vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Droste-Gesellschaft. N.F. 1, 1986/87, S. 9–37, hier S. 11.

64) Carl von Schindel, Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts. 3 Theile, Leipzig, 1823–25 (Nachdruck Hildesheim [u. a.], 1978).

65) Sophie Pataky (Hg.), Lexikon deutscher Frauen der Feder. 2 Bde. Berlin, 1898.

66) Elisabeth Friedrichs, Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon. Stuttgart, 1981.

67) Renate Möhrmann, Die andere Frau. Emanzipationsansätze deutscher Schriftstellerinnen im Vorfeld der Achtundvierziger-Revolution. Stuttgart, 1977, S. 44.

68) Scheitler, S. 31.

69) Günter Häntzschel, Für „fromme, reine und stille Seelen“. Literarischer Markt und „weibliche“ Kultur im 19. Jahrhundert. In: Deutsche Literatur von Frauen. Hg. von Gisela Brinker-Gabler. Bd. 2, S. 119–128, hier S. 120.

70) Möhrmann, S. 44.

71) Ebd.

72) Möhrmann, S. 34.

73) Zitiert nach Ursula Püschel, Mit allen Sinnen. Frauen in der Literatur. Leipzig, 1980, S. 54.

74) Vgl. Reinhold Conrad Muschler (Hg.), Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking. Leipzig, 1928, S. 142

75) Zitiert nach Scheitler, S. 24.

76) „Ein starker Geist in einem zarten Leib / Ein Zwitter zwischen Mann und Weib / Gleich ungeschickt zum Herrschen und zum Lieben / Ein Kind mit eines Riesen Waffen / Ein Mittelding von Weisen und von Affen! [...]“. In: Friedrich Schiller, Sämtliche Gedichte. Tl.1 (dtv Gesamtausgabe Bd. I), München, 1965, S. 133ff.

77) Scheitler, S. 23.

78) Vgl. Scheitler, S. 22.

79) Peter Berglar, Annette von Droste-Hülshoff. Reinbek, 1967, S. 96.

80) Carl Barthel, Deutsche Nationalliteratur der Neuzeit. Braunschweig, 1858, S. 562.

81) Robert Prutz, Die deutsche Literatur der Gegenwart, 2 Bde. Leipzig, 1870.

82) Rudolf Gottschall, Die deutsche Nationalliteratur des 19. Jahrhunderts, 4 Bde. Breslau, 1881

83) Scheitler, S. 27.

84) Scheitler, S. 27. Dass Frauen sich aber durchaus auch an die hoch angesehene Gattung Drama heranwagten, zeigt Anne Fleig ausführlich in ihrer Magisterarbeit „Untersuchungen zu dramatischen Werken von Autorinnen im ausgehenden 18. Jahrhundert“ (Marburg, 1992) auf.

85) Walter Gödden, Die andere Annette. Annette von Droste-Hülshoff als Briefschreiberin. Paderborn [u. a.], 1991, S. 80.

86) Gödden 1991, S. 80.

87) Vgl. Möhrmann, S. 44f.

88) Prutz, Bd. 2, S. 252. Diese literarische Einordnung nach der Geschlechtszugehörigkeit setzte sich im 20. Jahrhundert fort. So findet sich in Ernst Alkers „Die deutsche Literatur im 19.Jahrhundert (1832–1914)“ (Stuttgart, 1962) das Kapitel „Heldinnen der Feder“ (S. 117); Friedrich Sengle fasste die Dichterinnen unter der Überschrift „Der Damenroman“ zusammen (Bd. 2, S. 814).

89) Möhrmann, S. 3.

90) Gottschall, Bd. 4, S. 314.

91) Barthel, S. 562.

92) Barthel, S. 562.

93) Ebd., S. 562f.

94) Barthel, S. 563ff.

95) Ebd., S. 567.

96) Barthel, S. 568.

97) Georg Gottfried Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung. Leipzig, 1853, Bd. 5, S.328f.

98) Robert Prutz, Schriften zur Literatur und Politik. Hg. von Bernd Hüppauf. Tübingen, 1973, S.103–107, hier S. 105.

99) Eichendorff qualifizierte die zunehmenden Aktivitäten von Frauen im schriftstellerischen Bereich mit den Worten „Die Poesie ist unter die Weiber gekommen“ ab (Die deutsche Salon-Poesie der Frauen. In: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, 1847, Bd.19, S. 464). Irmgard Scheitler zeigt auf, dass sich Eichendorff in seiner Beurteilung von Schriftstellerinnen in auffälliger Weise von Gervinus beeinflussen ließ, indem er zum Teil identische, zum Teil frappierend ähnliche Formulierungen wählte wie Gervinus in seiner „Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen“ (vgl. Scheitler, S. 27).

100) Theodor Mundt, Madonna, oder: Unterhaltungen mit einer Heiligen. Leipzig, 1835, S.421.

101) In: Marianne Burkhard (Hg.), Gestaltet und Gestaltend. Frauen in der deutschen Literatur. Amsterdam, 1980, S. 155–184.

102) Vgl. Scheitler, S. 29.

103) Friedrichs, S. 9, 13.

104) Ebd.

105) Zitiert nach Schindel, S. XXII.

106) Ebd.

107) Luise Otto-Peters, Frauenleben im Deutschen Reich. Leipzig, 1876, S. 241.




II. Annette von Droste-Hülshoff in der literarischen Öffentlichkeit


1. Publikationen und Rezeption in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts



Die zu Lebzeiten veröffentlichten Werke Annettes von Droste-Hülshoff (eigentlich Anna Elisabeth, 1797–1848) fanden im zeitgenössischen Lesepublikum nur wenig Resonanz. Winfried Woesler sieht in der „zeitfernen Thematik“ (1) ihrer Dichtung die Hauptursache für deren geringe Popularität; dem Zeitgeist entsprach die engagierte Vormärz-Lyrik viel eher als die „konservative Grundhaltung“ (2) der Drosteschen Gedichte. Konservative Dichtung von Frauen war zudem fast nur in weiblichen Lesekreisen verbreitet, doch auch für dieses Publikum waren die Gedichte der Annette von Droste-Hülshoff nicht ganz geeignet – es fehlte die hingebungsvolle Liebesdichtung.

Auf der Wasserburg Hülshoff nahe Münster geboren, gehörte die Droste einer alteingesessenen Adelsfamilie an. Ihre Familie spielte eine wichtige Rolle bei den Publikationsplänen der Dichterin. Im westfälischen Adel galt es, ganz besonders für die weiblichen Familienmitglieder, als nicht standesgemäß, sich in der Öffentlichkeit darzustellen. Das Dichten Annettes von Droste war für die Familie eher eine Belastung; akzeptiert wurde es nur, wenn die Dichterin Werte wie Ordnung und Korrektheit verherrlichte (wie im Gedicht „Des alten Pfarrers Woche“). Am ehesten tolerierte die Verwandtschaft noch humoristische Unterhaltungs- und Gelegenheitsdichtung, eine Poesie, die die Dichterin jedoch nicht sehr schätzte. Als sie der Forderung der Familie nach dieser Art der Dichtung nicht nachkam, nahm man im Laufe der Zeit immer weniger Notiz von ihren „Schreibereien“. „Sie durfte sich literarisch betätigen, aber ohne den Anspruch auf eine freie, unabhängige Existenz als Schriftstellerin. In ihrer adeligen Umgebung hatte man Angst vor dichtenden ,Blaustrümpfen‘, die aus traditionellen Vorstellungen ausbrachen.“ (3)

Annette von Droste bemühte sich stets, auf die Bedenken der Verwandten Rücksicht zu nehmen. Dass sie ihre Gedichte dennoch publizieren und keine „dilettierende Gelegenheitsdichterin für die Literaturzirkel der Familie“ sein wollte, hatte sie 1818/19 ihrem zeitweiligen literarischen Förderer Anton Matthias Sprickmann, der Professor an der Universität Münster war, geschrieben. (4)

Standen die meisten Verwandten ihren öffentlichen Projekten skeptisch gegenüber, so erfuhr die Dichterin von Seiten ihrer Freundinnen und Freunde Ermutigung und Ansporn; der „Seiltanz“, den sie zwischen familiären Rücksichten und dichterischem Anspruch vollführen musste, hatte zwangsläufig Auswirkungen auf die Auswahl und die Anordnung ihrer publizierten Werke.

Die Droste war 41 Jahre alt, als ihr erster Gedichtband 1838 in Münster erschien. Der halbanonyme Titel „Gedichte von Annette Elisabeth v. D... H. ...“ war ein Zugeständnis, das die Autorin an ihre öffentlichkeitsscheue Mutter gemacht hatte, um deren Erlaubnis zur Herausgabe des Bandes zu bekommen – ihr Vater war bereits 1826 gestorben. Am 9. Februar 1838 schrieb sie an die Mutter Therese von Droste-Hülshoff: „... ich habe einen sehr artigen Brief von Hüffer [einem Verleger aus Münster] bekommen, der um den Verlag bittet, ich habe ihm denselben auch zugesagt, falls ich es herausgebe...“ (5) .

Was hier wie ein vages Vorhaben klang, war zu diesem Zeitpunkt bereits konkret geplant. Annette von Droste hatte sich seit längerer Zeit mit der Wahl eines Verlegers beschäftigt, hatte diese Frage brieflich mit der Freundin Adele Schopenhauer und dem Münsteraner Philologen Christoph Bernhard Schlüter (der seit 1834 an ihren literarischen Unternehmungen Anteil nahm) diskutiert. Bereits im Jahr zuvor hatte sie Schlüter zu überzeugen versucht, ihr Versepos „Das Hospiz auf dem großen St. Bernhard“ nicht in Münster herauszugeben (6):

„... ich wünsche noch immer das Gedicht anderswo herauszugeben, denn ich möchte, dass sein Renommee, gut oder schlimm, bereits gemacht wäre, eh es in den Kreis meiner Bekannten käme, da ich nicht darauf rechne, daß es hier sehr gefallen wird, für auswärts mache ich mir bessere Erwartungen und möchte meiner lieben Mutter, die im Grunde jedes öffentliche Auftreten scheut wie den Tod und nur zu empfindlich ist für die Stimme des Publikums, gern zuerst die möglichst angenehmsten Eindrücke gönnen.“
(Annette von Droste an Chr. B. Schlüter, 23. März 1837)



In dem langen Brief an die Mutter vom Februar 1838 wurde die Droste erst am Ende präzise, als es um die Erlaubnis zur Veröffentlichung ging: „Bitte, liebe Mama, antworte mir doch gleich, ob Du nichts gegen die Herausgabe hast, denn Hüffer hätte es gern gleich zur Ostermesse.“ (7) Auch bei den späteren literarischen Projekten konfrontierte Annette von Droste ihre Mutter immer nur mit den notwendigsten Informationen.

Berater und Vermittler des Gedichtbandes war Christoph B. Schlüter, den Annette von Droste zur Auswahl und Zusammenstellung der Werke bevollmächtigt hatte. Aus Rücksicht auf die Familie versuchte die Dichterin, einzelne Worte und Passagen noch während der Drucklegung zu ändern; im Juli 1838 bat sie Schlüter um eine Umformulierung (8):

„Wegen der geistlichen Lieder ist mir ein kleiner Skrupel gekommen, d. h. wegen einer Stelle. Wenn ich mich nicht irre, ist das Lied vom Feste des süßen Namen Jesu mit unter den zum Druck bezeichneten und jetzt fällt mir hintenach ein, daß in der letzten Strophe ein Ausdruck immer großen Skandal gegeben hat, und zwar unter meinen nächsten Angehörigen, die ich am wenigsten kränken möchte. Es heißt dort, ,und ich soll, o liebster Jesu mein, die Gesunkne, treulos aller Pflicht, dennoch deines Namens Erbin sein‘ et cet. Den Ausdruck Gesunkne wollten nun alle unpassend und doppelsinnig finden, und nach dem Sinne, den ich beim Schreiben allerdings nicht geahndet habe, sie aber als sehr naheliegend erklärten, kann es ihnen freilich keineswegs angenehm sein, ihn der beliebigen Auslegung eines ganzen Publikum anheimzustellen; ist der Druck also noch nicht soweit vorgerückt, so verändern Sie, ich bitte dringend, die Zeile dahin: ,ich die Arme, treulos aller Pflicht‘ oder, wenn Ihnen das nicht gefällt, auf andere beliebige Weise. Ich hasse nichts mehr als Verdruß im Hause.“
(Annette von Droste an Chr. B. Schlüter, 19. Juli 1838)



Die Reaktion der Verwandten auf ihre Werke hatte für Annette von Droste-Hülshoff größere Bedeutung als das Echo in der Öffentlichkeit. Die Dichterin erwartete im Verwandtenkreis keine positive Resonanz auf ihre Publikationen; besonders seitens der Familie von Haxthausen, den Angehörigen mütterlicherseits, die auf ihrem Anwesen im ostwestfälischen Bökendorf bei Paderborn oft Gäste aus dem literarisch-kulturellen Leben empfingen, rechnete die dichtende Nichte nicht mit guten Kritiken.

Über die Reaktion aus dem Familienkreis beklagte sich die Dichterin in einem Brief an ihre Schwester Jenny von Laßberg vom 29. Januar 1839 (9):

„Mit meinem Buche ging es mir zuerst ganz schlecht. Ich war in Bökendorf mit Sophie und Fritz allein, als es herauskam, hörte nichts darüber und wollte absichtlich mich auch nicht erkundigen. Da kömmt mit einem Male ein ganzer Brast Exemplare von der Fürstenburg an alles, was in Hinnenburg lebt, an Fränzchen, Asseburg, Diderich, Mimy, Anna und Ferdinand, Thereschen, Sophie. Ferdinand (Galen) gibt die erste Stimme, erklärt alles für reinen Plunder, für unverständlich, konfus und begreift nicht, wie eine scheinbar vernünftige Person solches Zeug habe schreiben können. Nun tun alle die Mäuler auf und begreifen alle miteinander nicht, wie ich mich habe so blamieren können. [...] Onkel Fritz war der einzige, den dies gar nicht rührte, und dem das Buch auf seine eigne Hand gefiel; doch wünschte ich mich tausendmal von dort weg.“
(Annette von Droste an Jenny von Laßberg, 29. Januar 1839)



Im selben Brief ging die Droste auf drei Rezensionen ein, in denen ihr Gedichtband sehr hervorgehoben worden war. Von Adele Schopenhauer erfuhr die Dichterin darüber hinaus, dass ihr Werk „in Jena großen Beifall finde; sie [Adele] müsse ihr Exemplar immer ausleihen“ (10) , und dass die Literaturkritiker O. B.L. Wolff und Gustav Kühne gegenwärtig je eine Rezension schrieben, von der Annette „keine so allgemeine Lobhudelei erwarten dürfte wie im ,Telegraphen‘ [Karl Gutzkow hatte dort die Gedichtausgabe sehr hervorgehoben], sondern Lob, Tadel und völlige Anerkennung, was mir gewiß auch das liebste sein würde. Was will ich mehr? Es ist fast zuviel für den Anfang, und ich fürchte, das schlimme Ende kömmt nach.“ (11)

Winfried Woesler verzeichnet insgesamt acht Rezensionen des ersten Gedichtbandes, davon drei aus der Feder Levin Schückings und eine von Elise von Hohenhausen, der Mutter von Annettes Freundin Elise Rüdiger. Walter Gödden zählt 15 Besprechungen der 38er Gedichtausgabe; „mindestens acht, vermutlich zehn [davon] stammten aus dem Bekanntenkreis der Dichterin oder wurden von diesem lanciert. Sie fielen entsprechend positiv aus.“ (12)

Rezensionen aus ihrem Freundeskreis stand die Dichterin skeptisch gegenüber, obgleich auch Levin Schücking nicht nur positive Worte über die Gedichte der Freundin fand. In einer Rezension, die im Oktober 1838 im „Telegraphen“ erschien, bezeichnete Schücking manche Verse als „zu matt“ und sah in anderen „einen unverantwortlichen Sprung vom großen Bilde zum kleinsten, zu dem wohl der Reim verführt hat“. (13)

Auch Karl Ferdinand Dräxler-Manfred meldete in seiner Rezension, erschienen in der „Kölnischen Zeitung“ vom 29. Oktober 1838, nicht nur Lob an: Annette von Droste-Hülshoff könne bei aller Schönheit ihrer Verse „durch Übereilung, Mangel an Feile [...] dem Vorwurfe eines unreifen Dilettantism sich mitunter nicht entziehen“ (14).

Ein anonymer Rezensent veröffentlichte am 28. September 1840 eine sehr negativ ausfallende Besprechung der Gedichtausgabe in den „Blättern für literarische Unterhaltung“ (15):

„Es erweckt gewöhnlich kein günstiges Vorurtheil, wenn sich eines Buches Verfasser nicht nennt; mit solchem ungünstigen Vorurtheile nahmen wir auch gegenwärtiges zur Hand, und leider ward es uns nicht benommen. [...] Im Gebiete der erzählenden Poesie sich ergehend, gibt sie zuerst in zwei Gesängen etwas breit und langweilig die Geschichte eines auf dem St.Bernhard erfrierenden Mannes, dann in gleicher Weise ,Des Arztes Vermächtniß‘, welches wohl spannen könnte, aber in der Behandlung ganz verfehlt ist, und zuletzt in Herzog Christian von Braunschweig ein Charakterbild aus dem dreißigjährigen Kriege [,Die Schlacht am Loener Bruch‘]. Da ihre Phantasie in Sprüngen geht und sie nicht im Stande zu sein scheint, ein Bild festzuhalten oder kunstgerecht zu gestalten, so sind auch die Naturbilder, die sie in einigen nachfolgenden Liedern aufstellt, nicht besser als die gereimten Anekdoten. In einigen geistlichen Liedern, die den Beschluß machen und Proben aus einem größeren Ganzen geben sollen, steigert sich die Mystik in Gedank' und Ausdruck manchmal bis zum Nonsens. Man erlasse uns die Belege für diese Behauptung.“
(Anonym, 28. September 1840)



In dieser Kritik, so die Einschätzung Karl Raabs, spiegelt sich die allgemeine Ablehnung wider, mit der die „Masse des Publikums“ (16) den Droste-Gedichten gegenüberstand. In eine Zeit des immer lauter werdenden Protestes auch der Schriftsteller gegen die restaurative Politik Metternichs passte keine „ruhige Schilderung und Malerei“; was man wollte, waren „Handlung und Spannung“ (17) in der Literatur.

Gustav Kühne, dessen Rezension von Adele Schopenhauer brieflich angekündigt worden war, äußerte sich im Berliner „Gesellschafter“ vom 19. August 1840 begeistert über die „wunderbare Ursprünglichkeit und Kraft der Anschauung, diese Malerei, diese spannende, dramatische Scenirung bei aller epischen Ruhe und Ausführlichkeit“ und ging dann näher auf ein größeres Gedicht ein (18):

„,Die Schlacht am Loener Bruch‘ (1623) giebt uns ein wildes, blutiges Bild aus dem dreißigjährigen Kriege. Wir hielten es für unmöglich, daß eine weibliche Feder diese Zeilen geschrieben, eine weibliche Phantasie diese schauerlichen Bilder, vor denen eines Mannes Sinn erbebt, geschaffen haben könnte, wenn wir es nicht genau wüßten, daß es so wäre.“
(Gustav Kühne, 19. August 1840)



Levin Schücking schrieb über das Versepos (19):

„Sie unternimmt ein Werk, wie es von einer Frauenhand nie unternommen ist, und in der Ausführung ist nicht der leiseste Strich, der die Frauenhand verriete.“
(Levin Schücking, 1862)



Es fällt auf, dass in den Besprechungen die Gedichte Annettes von Droste häufig mit dem Begriff „männlich“ umschrieben werden. „Das ,Männliche‘ in ihrem Werk wird meistens gelobt, oder es wird8 zur Erklärung für eine der Erwartung entgegenstehende Originalität der Sprache.“ (20) Levin Schücking verband die „weibliche Beobachtungsgabe“ der Dichterin mit einem „männlich klaren, ordnenden Verstand“ (21). Der Rezensent Karl Gottlieb Winkler zeigte sich um so stärker von der ersten Gedichtausgabe ergriffen, „als wir diese Kraft, diese Gedrängtheit, diese feurige und doch auch wieder so einfache Darstellung aus weiblicher Feder nicht erwartet hätten.“ (22)

In ähnlicher Weise äußerte sich Franz Fraling in einer Besprechung der Droste-Werke im Kasseler „Salon“ (23):

„Wenn ich ein geistiges Produkt von einer Dame zur Hand nehme, so wird mir jedesmal ganz unheimlich zu Muthe. Es erwacht ein Widerstreit, eine natürliche Abneigung in mir, die erst bekämpft, besiegt sein muß, bevor ich einem solchen mit wahrhaft empfänglichem Gemüthe zu begegnen im Stande bin. [...] Verschiedenen [der Schriftstellerinnen] ist neben der weiblichen Natur noch eine Dosis Männlichkeit verliehen und solche könnten immerhin etwas Tüchtiges leisten, wenn sie sich anstrengen, und vernünftigen Rath annehmen wollten. [...] Zur letztern rechnen wir Annette Elisabeth von Droste-Hülshoff, eine westphälische Dame, die es verdient, daß man ihr ein Weilchen seine Aufmerksamkeit schenkt.“
(Franz Fraling, Juni 1842)



Über die Ballade „Der Graue“, die Annette von Droste 1841 auf Vermittlung Adele Schopenhauers im „Frauen-Spiegel“ (einer Vierteljahrsschrift für Frauen, herausgegeben von Louise Marezoll (24) veröffentlicht hatte, schrieb Elise von Hohenhausen am 30. Mai desselben Jahres im Mindener „Sonntagsblatt“: „[...] der Graue, Ballade von Annette Elisabeth von D. H., besitzt die männliche Kraft und das schaurige Dunkel, wodurch mehrere Gedichte dieser Dame sich auszeichnen.“ (25)

Die literarische Qualität der Droste-Dichtung wurde offensichtlich durch die Betonung männlicher Attribute „nachgewiesen“; es entstand ein „Mythos von weiblicher Innerlichkeit, der effektvoll mit männlichem Formwillen und Stil verbunden“ (26) wurde. Das Geschlecht der Autorin und die Außergewöhnlichkeit ihrer Dichtung waren für die männlichen Kritiker offensichtlich nur auf diese Weise in Einklang zu bringen. Doch auch die Droste selbst maß die Qualität einer literarischen Arbeit unter anderem daran, ob die weibliche Autorschaft zu erkennen ist. An Elise Rüdiger schrieb sie (27):

„Denken Sie nicht, daß mir Ihr Aufsatz über Dingelstedt nicht gefällt, weil ich seiner zu erwähnen vergessen [habe], er ist ausgezeichnet geistreich geschrieben, und verräth wahrhaftig keine Frauenhand!“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, November 1845)



Annette von Droste-Hülshoff hatte mittlerweile mehrere Gedichte – sie veröffentlichte fortan bis auf wenige Ausnahmen unter ihrem vollen Namen – in Anthologien und Zeitschriften publiziert, darunter in der Ende 1838 erschienenen „Coelestina“, die von dem katholisch-konservativen Johann Baptist von Pfeilschifter herausgegeben wurde. Schlüter hatte das Gedicht „Des alten Pfarrers Woche“ an Pfeilschifter geschickt, der es gerne in seine Anthologie aufnahm. Die Dichterin unterrichtete nicht ohne Stolz ihre Mutter darüber, dass Pfeilschifter „ziemlich schwierig mit dem Aufnehmen sein soll“ und betonte sogleich, dass Schlüter das Gedicht „ohne mein Vorwissen“ (28) eingesandt hätte.

1841 hatte sich Annette von Droste mit mehreren Beiträgen, allerdings ohne Namensnennung, an dem Werk „Das malerische und romantische Westfalen“ von Ferdinand Freiligrath und Levin Schücking beteiligt. Anonym blieb auch ihr Beitrag „Der Meister des Dombau's“ für Levin Schückings „Der Dom zu Köln und seine Vollendung“, das 1842 in Köln erschien.

Levin Schücking hat den Kontakt zum Stuttgarter „Morgenblatt für gebildete Leser“ hergestellt, in dem die Droste von Februar 1842 bis September 1844 insgesamt 13 Gedichte veröffentlichte: „Der Knabe im Moor (16. Februar 1842), „Im Moose“ (4. März 1842), „Warnung an die Weltverbesserer“ (26. März 1842), „Gruß an ***“ (20. April 1842), „Die Taxuswand“ (12. August 1842), „Am Turme“ (25. August 1842), „Junge Liebe“ (6. September 1842), „Die Schenke am See“ (25. Februar 1843), und, nach längerer Pause, „Das Ich der Mittelpunkt der Welt“ (10. August 1844), „Spätes Erwachen“ (26. August 1844), „Die todte Lerche“ und „Lebt wohl“ (28. August 1844) sowie „Mein Beruf“ und „Das Haus in der Haide“ (14. September 1844).

Die öffentliche Resonanz auf diese Gedichte war verhalten; die meisten blieben unrezensiert. Eine Ausnahme war das konservative Gedicht „Warnung an die Weltverbesserer“, das in der „Karlsruher Zeitung“ und im „Westfälischen Merkur“ (Münster) erneut abgedruckt wurde – „das macht wohl die Tendenz, oder ist es soviel besser als die übrigen?“ (29), fragte die Autorin Levin Schücking in einem Brief vom 4. Mai 1842. Zwei Wochen später teilte sie ihm mit, dass „das einzige meiner Gedichte, was mir auswärts wirkliche Beachtung zuwege gebracht hat“, in Münster selbst negative Kritik bekäme; Elise Rüdiger hatte Annette zuvor von der „Unverständlichkeit“ berichtet, mit der das Gedicht dort aufgenommen worden sei. (30)

Der „wichtigste Erfolg“ (31) zu Lebzeiten Annettes von Droste-Hülshoff wurde ihre Kriminalnovelle „Ein Sittengemälde aus dem gebirgigten Westfalen“. Ursprünglich als Teil eines „Westfalenbuches“ geplant, in dem die Dichterin die Sitten und Gebräuche, Landschaft, Menschenschlag und Volksglauben ihrer Heimat literarisch darstellen wollte, wurde die Novelle in 16 Folgen vom 22. April bis zum 10. Mai 1842 im „Morgenblatt“ abgedruckt. Dessen Redakteur Hermann Hauff hatte dem Werk mit Einverständnis der Autorin den eingängigeren Titel „Die Judenbuche“ gegeben. Dass die Novelle als erstes Prosawerk der Dichterin Aufnahme im „Morgenblatt“ fand, „entsprach der novellistischen Richtung der Zeitschrift“ (32) und war von Levin Schücking arrangiert worden.

Die „Judenbuche“ bekam in der Öffentlichkeit ein „nicht geringes, aber auch nicht übermäßig großes Echo“ (33); im „Westfälischen Anzeiger“ wurde sie vom 1.Juni bis zum 13. Juli nachgedruckt. Ein anonymer Rezensent stellte die „Judenbuche“ in der Dresdner „Abend-Zeitung“ im Mai 1842 den Werken Immermanns an die Seite. (34) Annette von Droste kannte diese Rezension, am 5. September 1842 teilte sie deren Inhalt in einem Brief ihrer Schwester Jenny mit. (35) Stolz zeigte sich die Autorin auch über ein persönliches Lob über die „Judenbuche“ von dem Autor Karl Simrock, den sie in Bonn kennengelernt hatte. (36)

Wichtiger als Rezensionen von Fremden war der Droste die persönliche Anteilnahme der engsten Freundinnen und Freunde. Von Adele Schopenhauer erhielt sie eine briefliche Beurteilung, die die Dichterin wiederum Schücking mitteilte und damit zeigte, dass sie konstruktiver Kritik durchaus offen gegenüberstand. Die Freundin hatte über die „Judenbuche“ geschrieben: „Sie haben eine himmlische Wahrheit in Ihrer Darstellung; bloß etwas massenhafter gearbeitet wünschte ich die Geschichte, die Hauptmomente treten, dünkt mich, nicht scharf genug hervor“ (37).

Die überwiegend positiven Reaktionen auf die Kriminalnovelle hatten anscheinend auch die bislang skeptische Verwandtschaft für das schriftstellerische Talent der Droste eingenommen. In einem Brief an Schücking vom 15. November 1842 freute sie sich, dass die Novelle „endlich auch hier das Eis gebrochen und meine sämtlichen Gegner zum Übertritt bewogen“ (38) habe. Die Autorin selbst fand, „daß sich meine gedruckte Prosa recht gut macht, besser und origineller als die Poesie. [...] Es wird doch was Tüchtiges aus mir“ (39), schrieb sie am 4. Mai 1842 selbstbewusst an Levin Schücking.

Der zweiten Buchveröffentlichung, die 1844 bei Cotta erschien, ging eine für Annette von Droste schwierige Wahl eines passenden Verlegers voraus. Aus Bielefeld hatte sich bereits im April 1842 der Verlag Velhagen & Klasing angeboten, eine „noch junge, aber großartig auftretende Firma“ (40), wie die Dichterin im September 1842 an die Kölner Freundin Sibylle Mertens-Schaaffhausen schrieb. Adele Schopenhauer bemühte sich in Jena um einen Verleger; der Kölner DuMont bot sich an, und Levin Schücking nutzte seine Kontakte zu Cotta, um diesen schließlich als Herausgeber zu gewinnen.

Mehrere Zeitschriftenverleger baten Annette von Droste in dieser Zeit um Beiträge, darunter der Redakteur des Feuilletons der „Kölner Zeitung“, Püttmann, und ein Redakteur der Dresdner „Abend-Zeitung“ namens Steigmieder. Die Verlagsanfragen förderten das Selbstvertrauen der Autorin; dennoch antwortete sie fast nie persönlich auf solche Anfragen. Sämtliche Veröffentlichungen in Zeitschriften kamen durch die Vermittlung von Freundinnen oder Freunden zustande, durch Levin Schücking, Elise Rüdiger, Adele Schopenhauer und Schlüter. Möglicherweise stand die Droste dem Medium Zeitung wegen dessen „notwendigem Zuschnitt auf den literarischen und politischen Zeitgeschmack und dem weitaus höheren Verbreitungsgrad“ (41) eher zurückhaltend gegenüber. Zeitschriften setzten die Autorin in besonders starker Weise der Öffentlichkeit aus, was sie aus Rücksicht auf die Verwandtschaft zu vermeiden versuchte.

In einem Brief an Elise Rüdiger vom Juli 1843 machte die Droste anlässlich einer Anfrage der „Abend-Zeitung“ deutlich, wie sie dem deutschen Literaturbetrieb gegenüberstand (42):

„Wir bekommen hier eine Menge Journale – die Modezeitung – das Morgenblatt – den Telegraphen – Vaterland – Ausland – Königsberger Litteraturblätter – Wenn ich sehe, wie so Alles durcheinander krabbelt um berühmt zu werden, dann kömmt mich ein leiser Kitzel an meine Finger auch zu bewegen – Geduld! Geduld! – aber wenn ich dann wieder sehe, wie Einer kaum den Kopf über dem Wasser hat, daß schon ein Anderer hinter ihm einen Zoll höher aufduckt und ihn niederdrückt, – wie Heine schon ganz verschollen, Freiligrath und Gutzkow veraltet sind – kurz, die Celebritäten sich einander auffressen und neu generiren wie Blattläuse, – dann scheint mirs besser die Beine auf den (!) Sopha zu strecken, und mit halbgeschlossenen Augen von Ewigkeiten zu träumen. [...] Ach, Elise, Alles ist eitel! was hilfts mir, daß die Buchhändler meinen auch mich kurze Zeit dem Publikum als Zugpflaster auflegen zu können, um mich nachher, wie eine verbrauchte spanische Fliege, bey Seite zu werfen, – Das Abendblatt hat mir Anträge gemacht, recht vorteilhafte [...] Ich habe bis jetzt weder Zeit noch Lust gehabt den Brief zu beantworten, – vor zwanzig Jahren würde er mir den Kopf verrückt gemacht haben, jetzt sehe ich schon en perspective den Augenblick, wo man sich meine Beyträge verbitten oder auf den geringsten Preis herab drücken würde – so steht mein Entschluß fester denn je, nie auf den Effect zu arbeiten, keiner beliebten Manier, keinem anderen Führer als der ewig wahren Natur durch die Windungen des Menschenherzens zu folgen, und unsre blasirte Zeit und ihre Zustände gänzlich mit dem Rücken anzusehn [...]“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, Juli 1843)



Im September 1844 erschien bei Cotta in Stuttgart und Tübingen der zweite Lyrikband mit dem Titel „Gedichte von Annette Freiin von Droste-Hülshoff“. Neben einigen bereits 1838 veröffentlichten Gedichten waren in diesem Band die Zeitbilder („An die Schriftstellerinnen“, „Ungastlich oder nicht“ u.a.), die Heidebilder („Die Mergelgrube“, „Der Knabe im Moor“ u.a.), der Abschnitt „Fels, Wald und See“ mit „Die Schenke am See“, „Am Turme“ und anderen, Gedichte vermischten Inhalts (darunter die Widmungsgedichte an Elise Rüdiger, „Der zu früh geborene Dichter“, „Das Spiegelbild“), das Kapitel „Scherz und Ernst“ und einige Balladen („Der Graf von Thal“, Das Fräulein von Rodenschild“ u. a.) aufgenommen worden. Von dem Buchhonorar – Schücking hatte mit Cotta 500 Reichstaler ausgehandelt – kaufte sich die Autorin ein kleines Haus in Meersburg am Bodensee, das „Fürstenhäusle“.

Von der Verwandtschaft erwartete Annette von Droste auch diesmal keine positiven Reaktionen; sie begnügte sich aus diesem Grund mit lediglich drei Freiexemplaren (für sich, für ihre Schwester Jenny und für Levin Schücking), um nicht in die Verlegenheit zu geraten, weitere Exemplare an Verwandte verteilen zu müssen. (43)
Am 20. Dezember 1844, zwei Monate nach Erscheinen des Gedichtbandes, berichtete die Autorin ihrer Schwester von drei Rezensionen: eine sei von Joseph Christian von Zedlitz, eine weitere von dem Weimarer Kühne, „der berühmteste unter den Rezensenten und sehr streng“ (44) , und schließlich habe Franz von Kühnast eine Besprechung geschrieben. Die Vorbehalte männlicher Kritiker gegenüber schreibenden Frauen werden besonders in der Rezension von Joseph Christian von Zedlitz deutlich – er war Mitarbeiter der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“, in der er das Metternichsche System publizistisch vertrat (45):

„Wir gestehen offen daß wir im Allgemeinen keinen großen Geschmack an den lyrischen Ergüssen weiblicher Rhapsodien finden. [...] Es fehlt diesen Dichterinnen das meiste was zu ächter (!) Poesie gehört [...] In Anette (!) von Droste besitzt Deutschland eine Dichterin, der kein Erforderniß wahrer poetischer Begabung fehlt. [Ihre Gedichte] sind vollkommen weiblich in ihrem Kern, in ihrem Wesen, und doch dabei mit der männlichen Kraft des Ausdrucks gepaart. [...] Horchen wir wie tief und ächt der Herzschlag ist, der diese Gedichte belebt, dann fühlen wir bald wie entfernt d i e s e Sentimentalität von dem weichen Gefühlsbrei und der affectirten Zerrissenheit ist, die so viele Gedichtsammlungen unserer Tage, zumal weibliche, völlig ungenießbar machen.“
(Joseph Christian von Zedlitz, 26. November 1844)



Die Droste selbst hatte sich wenige Jahre zuvor in ihrem Gedicht „An die Schriftstellerinnen“ von jenem sentimentalen, „weichen Gefühlsbrei“ distanziert, der nach Zedlitz' Auffassung für viele zeitgenössische Dichterinnen typisch war.

Im folgenden Jahr erschienen mehrere Rezensionen Levin Schückings; am 9.März 1845 schrieb er in der „Allgemeinen Zeitung“, Annette von Droste-Hülshoff sei „uns fremder als alle ihre Schwestern, denn ihr Geist hat wirklich die Genialität eines Mannes“. Besonders hob Schücking „ihr poetisches Intuitionsvermögen, welches Frauen immer in geringem Grad besitzen“ (46), hervor. In einer anderen Besprechung Schückings im Juli 1845 in den „Monatsblättern zur Ergänzung der Allgemeinen Zeitung“ war zu lesen (47):

„Wenn man sonst einen Band Gedichte irgend einer Dame aufschlägt, so findet man gewöhnlich was man in allen früheren fand, [...] Dieser westfälischen Sängerin dagegen gebührt der Ruhm in die Frauenlyrik durchaus männlichen Ausdruck, entschlossene und energische Kürze und eine Fülle originaler Bilder und Gedanken gebracht zu haben [...]“
(Levin Schücking, Juli 1845)



Ein anonymer Rezensent in den Leipziger „Blättern für literarische Unterhaltung“ zeigte sich ebenfalls überrascht, dass Frauen zu hoher Poesie fähig zu sein scheinen (48):

„Läsen wir nicht auf dem Titel: ,Gedichte von Annette‘, wir würden glauben, ein Mann habe diese Verse geschrieben; und zu solchem Glauben wird man nicht geführt durch die lateinische Unterschrift einiger Gedichte, sondern mehr durch den Reichthum der Gedanken, durch die Tiefe der Reflexion, durch die Wahl der Bilder und die kräftig-männliche classische Sprache. Man lese z. B. S. 27 ,An die Weltverbesserer‘, und es wird Mühe machen, sich zu überzeugen, die Verse seien einer weiblichen Feder entströmt.“
(Anonym, 8. Juni 1845)



Joseph Eduard von Braun äußerte im „Neuen Europa“ (1845) seine Begeisterung über Annette von Droste, da sie „für die weichste Erscheinungsform der Poesie [...] den Geist und die Kraft des Mannes [mitbringt].“ (49) Über einen anderen Kritiker namens Wessenberg, der dafür bekannt war, dass er Frauenliteratur in der Regel kaum Beachtung schenkte, schrieb die Droste an Schücking: „Man sagt, er behandle Frauen gewöhnlich mit großer Geringschätzung und fast wie unmündige Kinder, mit mir aber hat er eine ehrenvolle Ausnahme gemacht.“ (50)

Die Dichtung der Droste passte ganz offensichtlich nicht in das Schema, nach welchem die Literatur von Frauen in der Restaurationszeit bewertet wurde. Dennoch galt sie den Literaturkritikern nicht als „Emancipirte“. Von ihren Gedichten der 1844er Ausgabe fanden jene besondere Beachtung, die „im Sinne einer Heimatkunst und als Vehikel zur Verfestigung ethisch-familiärer Werte rezipiert werden konnten.“ (51) Annette von Droste wurde vorwiegend als „schwärmerisch-fromme Katholikin“, als „ernst, gläubig und rein“, als „conservative Dichterin“ (52) beschrieben.

Von November 1844 bis April 1845 wurden vier Beiträge der Droste im Feuilleton der „Kölnischen Zeitung“ veröffentlicht: „Grüße“ (14. November 1844), „Im Grase“ (24. November 1844), „Die Golems“ (15. Dezember 1844) und, in fünf Teilen, „Volksglauben in den Pyrenäen“ (16. bis 22. April 1845). Alle Beiträge blieben unrezensiert.

Werner von Droste, der Bruder der Dichterin, untersagte schließlich die Mitarbeit bei der „Kölnischen Zeitung“ (53):

„Du schreibst, wie ich weiß, zu Zeiten im Feuilleton; dieses ist, so viel ich weiß, eine Zugabe zur Cöllner Zeitung. Außerdem daß ich nun schon mehrfach früher die Äußerung gehört daß man sich wundere wie Du Deine guten Sachen für ein Blatt hergeben könnest welches nur einer schlechten Zeitung8 zur Folie diene, so hat sich in neuerer Zeit die Tendenz der Cöllner Zeitung so verschlechtert, daß alle gut gesinnten Katoliken (!) öffentlich vor einigen Tagen durch die Historisch Politischen Blätter aufgefordert worden sind und es ihnen als Pflicht ans Herz gelegt worden ist ihre Mitwirkung einem Blatte zu versagen, welches nur darauf abgehe, die katolische Religion schlecht zu machen. Wenn ich deshalb schon früher gegen das Einsenden von Sachen ans Feuilleton war, so bin ich es jetzt gewiß und halte es für meine Pflicht, Dir die Lage der Sache mitzutheilen, damit Du Deine Ehre nicht unwissend im Stich lassest.
Dein treuer Bruder Werner
Du kannst Schücking nur gerade zu sagen, wenn Du eine Entschuldigung haben willst, daß ich die Veranlassung sey.“
(Werner von Droste an die Schwester Annette, 25. November 1845)



Gehorsam antwortete die Dichterin noch am gleichen Tag (54):

„Eben so herzlich danke ich Dir für Deine Warnung hinsichtlich des Feuilletons, ich bin ganz deiner Ansicht, und werde gewiß nichts mehr einsenden [...]“.



Im Verwandten- und Bekanntenkreis nahm man weiterhin „blutwenig Notiz“ (55) von Annette von Droste. Levin Schücking meldete sie dagegen am 5. März 1845, ihre Gedichte würden in Münster „gegen meine Erwartung sehr stark gelesen; ob gekauft, ist eine andere Frage.“ (56)

Das zweite zu Lebzeiten der Autorin veröffentlichte Prosawerk, die „Westfälischen Schilderungen aus einer westfälischen Feder“, erschien anonym in den „Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland“ im Herbst 1845. Annette von Droste-Hülshoff hatte im letzten Moment versucht, die Drucklegung zu verhindern, nachdem Guido Goerres, der Sohn Joseph Goerres', sie zur Veröffentlichung überredet hatte. Die Autorin war besorgt um die Reaktionen der Paderborner, deren Mentalität sie in dem Werk beschrieben hatte. Der Abdruck provozierte eine lokalhistorische Debatte, dessen Beteiligte die „Historisch-politischen Blätter“ als Forum nutzten.

Nachdem die Gedichte „Gastrecht“ und „Auch ein Beruf“ im „Rheinischen Jahrbuch“ (herausgegeben von Levin Schücking) neben Beiträgen von Schlegel, Gutzkow, Karl August Varnhagen von Ense, Simrock und Grün erschienen waren, nahm August Vilmar die Dichterin in seine „Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-Literatur“ (Marburg, Leipzig 1845) auf. Er beschränkte sich dabei auf die „allerdings gelungenen poetischen Erzählungen der Freiin“ (57).

Ende 1846 erschienen „Der sterbende General“ und „Sylvesterabend“ in Gottfried Kinkels „Vom Rhein – Leben, Kunst und Dichtung“. Die Kritiken waren verhalten; Roderich Benedix („Kölnische Zeitung“ vom 19. Dezember 1846) zollte der Dichterin zwar „größte Anerkennung“, meinte aber zugleich, „der einfache Gedanke dieses Gedichts [gemeint ist ,Sylvesterabend‘] wäre in einer kürzeren Behandlung noch schlagender gewesen.“ (58)

Für drei Gedichte – „Das Bild“, „Das erste Gedicht“ und „Durchwachte Nacht“ – die Annette von Droste-Hülshoff 1846 in Mathilde von Tabouillots „Producten der Rothen Erde“ veröffentlicht hatte, bekam sie lobende Kritiken. Ihr im folgenden Jahr in Woldemar Nürnbergers „Charitinnen“ publiziertes Gedicht „Gemüth“ blieb dagegen unbeachtet, ebenso „Der Schweizermorgen“, im Juni 1847 in „Monat-Rosen, Blätter aus Franken zu Unterhaltung und Belehrung“ des Herausgebers Ottmar Friedrich Schönhuth veröffentlicht.

Für Annette von Droste waren, so urteilt Bernd Kortländer, durchaus die Voraussetzungen gegeben, um schon zu Lebzeiten eine literarische Karriere zu machen. (59) Warum sie sich dagegen entschied, hing sowohl mit ihrer Auffassung von Dichtung und Literaturbetrieb zusammen wie mit dem Druck, den ihre Familie auf sie ausübte.

In ihren Briefen, in denen sie oft Verlegeranfragen und Beurteilungen ihrer Gedichte durch Dritte zitierte (besonders in denen an ihre Schwester und Levin Schücking), wird deutlich, dass die Droste stolz auf ihre literarischen Erfolge war. Zugleich entschuldigte sie sich aber meistens für ihr ausführliches Zitieren lobender Worte, um nicht als prahlende Dichterin dazustehen. Hier kamen der Gehorsam und die Zurückhaltung gegenüber der Familie ebenso zum Tragen wie die in der Restaurationszeit von (nicht nur adligen) Frauen geforderte Bescheidenheit und Demut.

In der Droste-Rezeption des 19. Jahrhunderts lässt sich die Festlegung der Autorin auf bestimmte literarische „Schubladen“ erkennen. Zwar könne bei den „Rezeptionsdokumenten zu Lebzeiten der Droste [...] noch nicht von einem eindeutigen Bild der Autorin gesprochen werden“ (60), beurteilt Monika Salmen die vorliegenden Ergebnisse der Rezeptionsforschung. Dennoch klang das Bild der konservativen Katholikin, wie gezeigt, schon vor dem Tod der Dichterin im Mai 1848 in der literarischen Öffentlichkeit an. Das wesentliche Merkmal der Droste-Rezeption in der ersten Jahrhunderthälfte aber war ihre Festlegung auf eine „männliche“ Kraft des Ausdrucks.

Thematisch, so das Urteil der Zeitgenossen, blieb die Dichterin fast immer innerhalb der den Frauen gesteckten Grenzen; die äußere Form dagegen bezeichneten die Kritiker als „männlich“, da sie Dichterinnen in der Regel keine gleichwertige poetische Ausdrucksstärke wie männlichen Schriftstellern zutrauten. Indem sie die Qualität der Droste-Gedichte mit einem „männlichen Anteil“ im Wesen der Autorin erklärten, hoben die Literaturkritiker den Widerspruch auf, den eine schriftstellerisch begabte Frau innerhalb ihrer restaurativen Welt-anschauung auslöste. Man sah in der Droste die „Ausnahmefrau“ und sprach damit zugleich den Frauen die Fähigkeit ab, eine eigene, ausdrucksstarke poetische Sprache zu entwickeln.

Christoph B. Schlüter, der schon zu Lebzeiten die geistlichen Droste-Gedichte als die bedeutenderen ansah (sie waren in die 38er Ausgabe nur auf sein Drängen aufgenommen worden), versuchte nach ihrem Tod, den Ruf der Dichterin als fromme Katholikin zu festigen. Später wurde die Droste im Kulturkampf zwischen der katholischen Kirche und dem preußischem Staat zum „Aushängeschild und Exempel katholischen Lebens“ (61) instrumentalisiert. Levin Schücking prägte in seiner Droste-Biographie das Bild einer unpolitischen Biedermeierdichterin. Für die Westfalen schließlich wurde sie zur Integrationsfigur und zu einer Art „Lokalheiligen“.

In „Die andere Annette“ schreibt Walter Gödden (62):

„Eine lange Kette unliebsamer Rezeptionszusammenhänge, die noch heute nachwirken, hat zu einem Zerrbild der Droste, teilweise sogar zu einem Kitschbild geführt. [...] Die noch heute ,marktführenden‘ romantisierenden und sentimentalen Droste-Deutungen unterschieben – gewollt oder ungewollt – Annette ein ,naives Bewusstsein‘.“
(Walter Gödden, 1991)



Elise Rüdiger bemühte sich nach 1848 besonders, die Droste als Vorbild für schreibende Frauen darzustellen. In ihrem Nachruf (63) schrieb sie:

„So ruhst Du denn und hast nun ausgesungen,
Du deutsches Weib mit männlich-kühnem Streben!
Du gabst der Welt, was je ein Weib gegeben,
Weil wie kein Mann Du nach dem Ziel gerungen.“



Die Autorin Betty Paoli ließ in eigenen Versen (64) erkennen, dass Annette von Droste Vorbildcharakter für andere schreibende Frauen ihrer Zeit hatte:

„Auch du dahin! O Gott allein nur weiß,
Was du mir galtst, wie hoch ich dich gehalten.
Wir standen uns im Leben fremd und fern,
Allein im wundersamen Reich der Dichtung
War mir dein Wort der ewig klare Stern,
Der mir das Ziel bestimmte und die Richtung.“



Weiblicher Einfluss auf Leben und Werk der Droste



„Deine gehorsame Tochter“ – Die Frauen in der Familie



Therese von Droste, die Mutter der Dichterin, war eine geistreiche und gebildete Frau. Durch ihr Vorbild lernte die Tochter, „dass einer Frau Bildung ansteht“ (65). In der Ehe mit Clemens August von Droste-Hülshoff spielte sie eindeutig die dominante Rolle, während ihr Gatte ein eher zurückhaltender, in sich gekehrter Mann war. Das Familienoberhaupt war – entgegen der Familienideologie der Restaurationszeit – die Mutter, nicht der Vater. Sie führte das Regiment, sie war die „moralische Instanz der Familie“ (66), war „nüchterner, praktischer, zupackender“ (67) als ihr Ehemann.

1841/42 beschrieb Annette von Droste ihre Eltern kaum verschlüsselt in der Erzählung „Bei uns zu Lande auf dem Lande“. Die Mutter, heißt es dort, sei „eine kluge, rasche, tüchtige Hausregentin, die dem Kühnsten wohl zu imponieren versteht und, was ihr zur Ehre gereicht, eine so warme, bis zur Begeisterung anerkennende Freundin des Mannes, der eigentlich keinen Willen hat als den ihrigen, daß alle Frauen, die Hosen tragen, sich wohl daran spiegeln möchten. – Es ist höchst angenehm, dieses Verhältnis zu beobachten; ohne Frage steht diese Frau geistig höher als ihr Mann, aber selten ist das Gemüt so vom Verstande hochgeachtet worden; sie verbirgt ihre Obergewalt nicht, wie schlaue Frauen wohl tun, sondern sie ehrt den Herrn wirklich aus Herzensgrunde, weiß jede klarere Seite seines Verstandes, jede festere seines Charakters mit dem Scharfsinn der Liebe aufzufassen und hält die Zügel nur, weil der Herr eben zu gut sei, um mit der schlimmen Welt auszukommen.“ (68)

Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass die Droste das kameradschaftliche Verhältnis ihrer Eltern schätzte, und dass eine gebildete, dem Mann geistig überlegene Frau für sie nichts Ungewöhnliches war. Von der Mutter erhielt sie den ersten Elementarunterricht; diese sorgte dafür, dass die Töchter Annette und Maria Anna (genannt Jenny) zusammen mit den jüngeren Brüdern Werner und Ferdinand von einem Hauslehrer unterrichtet wurden, sich die Bildung der Mädchen somit nicht auf das oberflächliche Wissen zukünftiger Ehefrauen beschränkte. Auch der Vater förderte den Bildungsdrang seiner Töchter, indem er sie in seine Hobbies (Ornithologie und Botanik) einbezog. Man hielt Annette von Droste „nicht ängstlich von der Wissenschaft fern, sondern erfreut[e] sich an dem aufgeweckten Kind“ (69).

Das Verhältnis zwischen der Dichterin und ihrer Mutter war nicht unproblematisch. Therese von Droste lenkte Schloss Hülshoff samt den Bediensteten, den Kindern und dem Ehemann. Sie forderte auch von den erwachsenen Töchtern absoluten Gehorsam. Als unverheiratete Frau blieb die Dichterin zeitlebens von ihrer Mutter, mit der sie nach dem Tod des Vaters 1826 auf den Witwensitz Rüschhaus bei Münster gezogen war, abhängig. Ausgedehnte Reisen, die die lebhafte Therese von Droste immer wieder zu Verwandten unternahm, trennten zwar Mutter und Tochter oftmals; aus den Briefen lässt sich jedoch ablesen, wie allgegenwärtig die Mutter für die Schriftstellerin stets war.

In der Sekundärliteratur wird der Einfluss, den sie auf das dichterische Schaffen ihrer Tochter ausübte, unterschiedlich bewertet. Levin Schücking äußerte sich über die Mutter-Tochter-Beziehung in einer Weise, in der sich die zur Restaurationszeit verbreitete Meinung über Frauen widerspiegelte (70):

„Die im ganzen mehr strenge als milde Erziehung hat einen doppelten Einfluss auf Annette von Droste ausgeübt, einen wohltätigen zuerst und dann einen nachteiligen. Sie hat alles unterdrückt und entfernt, was von Leidenschaftlichkeit und Exzentrizität in einem so begabten und phantasiereichen Charakter sich hätte entwickeln können und jeden jugendlichen Drang auf das Maß des edel Weiblichen zurückgeführt. Sie hat aber auch einem gewissen Unabhängigkeitsbewußtsein, welches dem Genius Bedürfnis ist, zu sehr die Flügel beschnitten [...]“
(Levin Schücking, 1862)



1887 beschrieb Hermann Hüffer die Mutter als strenge, aber liebevolle Förderin der literarischen Begabung ihrer Tochter, deren frühreifes Temperament sie positiv eingedämmt habe. (71) Herrschsucht, Ehrgeiz und Willensstärke Thereses, so urteilte dagegen Karl Busse 1903, hätten der Droste das Schreiben nur innerhalb der von der Mutter vorgeschriebenen Grenzen erlauben wollen. Die Tochter habe sich aus Furcht nicht gegen die mütterliche Autorität gewehrt und nie um ihre Eigenständigkeit gekämpft. (72)

Für Marga Wilfert (73) war der Einfluss der Mutter auf die Dichtung der Droste in kultureller und literarischer Hinsicht ein fruchtbarer. Spannungen sah Wilfert dort, wo die Tochter sich gegen den mütterlichen8 Moralismus und gegen deren Ehrgeiz, Annette zu einer standesgemäßen Lebensführung zu drängen, zu wehren versuchte.

Eine Untersuchung neueren Datums ist die Arbeit von Helma Scheer (74), die der Mutter die entscheidende Rolle im Leben der Dichterin zuschreibt. In Therese von Droste sieht Scheer eine Wächterin, die ihrer Tochter das Überschreiten der konventionellen Grenzen verbot – erfolgreich, denn gegen die Abhängigkeit von der Mutter habe die Tochter nicht revoltiert.

In dem Kindergedicht „Versprechen“ (75) wird deutlich, welche Bedeutung das mütterliche Wort für die Tochter gehabt haben mag:

„Gewiß, ich werde mich bemühn,
Nach Gottes Wort zu wandeln
Und so, wie du und Gott befiehlst,
Stets fromm und gut zu handeln.“



Aus der grammatikalischen Form des Verbs der dritten Zeile („befiehlst“) lässt sich möglicherweise der Stellenwert herauslesen, den der Gehorsam gegenüber der Mutter noch vor dem Gehorsam gegenüber Gott für Annette von Droste hatte. Auch eine Briefstelle an Schlüter macht ihre unterwürfige Haltung ihrer Mutter gegenüber deutlich. Sie beschreibt darin, dass sie im Rüschhaus sehr oft durch das Rufen der Mutter beim Dichten gestört worden ist (76):

„In der Tat war ich dessen so gewohnt, daß ich nicht muckste, in der Hälfte eines Verses abzubrechen; was mich manchen guten Gedanken oder manchen eben gefundenen Reim gekostet hat.“
(Annette von Droste an Chr. B. Schlüter)



Schon 1802, als Annette fünf Jahre alt war, hielt es Therese von Droste für angebracht, dass ihre geistig frühreife Tochter Unterricht bekam. Die Mutter betreute auch ihre ersten literarischen Gehversuche; die frühen Gedichte der Droste gerieten dementsprechend nach dem mütterlichen Geschmack. Das erste Gedicht der sieben Jahre jungen Dichterin wurde von der Mutter sorgfältig aufbewahrt.

Die Förderung durch Therese von Droste hatte Grenzen; sie wählte die Lektüre der Tochter nach moralisch-erbaulichen Kriterien aus: Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Heinrich Voß und Friedrich Leopold zu Stolberg gehörten zu den Schriftstellern, die die Mutter für angemessen hielt. Das Lesen in den Werken Schillers dagegen untersagte sie ihrer Tochter. Ein einziges Mal gelang es der jungen Dichterin, dieses Verbot zu umgehen und den abgeschlossenen Bücherschrank heimlich zu öffnen.

1829 bat Therese von Droste den Münsteraner Professor Schlüter, dessen streng katholische Weltanschauung ihn in ihren Augen zum adäquaten Mentor machte, um literarische Förderung der Tochter; dieser lehnte jedoch zunächst ab. Erst fünf Jahre später lernte er die Dichterin kennen und bemühte sich seitdem, den geistlichen Aspekt ihrer Dichtung besonders zu fördern.

1819/20 hatte Annette von Droste-Hülshoff mit der Arbeit an ihrem „Geistlichen Jahr“ begonnen. Ursprünglich war das Werk – geistliche Lieder, die sich rund um das Kirchenjahr drehten – als erbauliche Lektüre für die Großmutter Anna Maria von Haxthausen gedacht, die selbst religiöse Gedichte verfasste. Die Autorin bemerkte jedoch bald, dass sich ihre Verse nicht für die fromme Großmutter eigneten, da aus ihnen ein Bekenntnis des Seelenzustandes der Droste, die von Glaubenszweifeln gequält wurde, herauszulesen waren. Sie schenkte den ersten Teil des „Geistlichen Jahres“ der Mutter mit einem Brief, in dem sie erklärend auf die Problematik der Gedichte einging. Therese von Droste las das Werk und legte es kommentarlos in einen Schrank. Einige Tage später nahm die dichtende Tochter das „Geistliche Jahr“ wieder an sich und betrachtete es fortan wieder als ihr „geheimes Eigenthum“ (77).

Die Dichterin litt unter dem Desinteresse, das ihre Mutter gegenüber jenen ihrer Werke zeigte, die die Grenzen der ihr „erlaubten“ Dichtkunst überschritten. Stolz zeigte sich Therese von Droste über die Gelegenheitsdichtung ihrer Tochter; Annette sollte stets Gedichte zu besonderen Anlässen wie Geburts- oder Namenstagen im Familien- und Bekanntenkreis vortragen. Sobald jedoch die Gefahr bestand, dass die Lyrik ihrer Tochter über die familiären Kreise hinaus bekannt würde, zog die Mutter die „Notbremse“. Als der Münsteraner Herausgeber des poetischen Taschenbuchs „Mimigardia“, Friedrich Raßmann, im März 1809 die zwölfjährige Annette um literarische Beiträge bat, schritt Therese von Droste ein und untersagte ihrer Tochter jegliche Mitarbeit. Erst 41jährig trat die Dichterin erneut an ihre Mutter mit der Bitte um die Erlaubnis heran, ihre erste Gedichtausgabe bei Hüffer in Münster veröffentlichen zu dürfen.

Therese von Droste schickte zwei Exemplare dieses ersten Buches nach Meersburg am Bodensee, wo Jenny mit ihrem Mann Joseph von Laßberg auf der alten Dagobertsburg lebte, und schrieb dazu, die Gedichte
„scheinen mir sehr schön zu seyn [...] übrigens gefallen sie nicht überall, alles was zum Gelehrten Stand gehört, ist für sie eingenommen, auch in der gebildeten Bürgerwelt machen sie Glück, aber der Adel ist allgemein dagegen, sie behaupten sie wären unverständlich [...] ich glaube es verdrießt sie, daß ein adeliges Fräulein sich so öffentlichen Meynungen aussetzt.“ (78)

Man kann wohl davon ausgehen, dass sie hier auch ihrer eigenen Meinung Ausdruck verliehen hat; zumindest war ihr das Urteil der Verwandten und Bekannten überaus wichtig, und nicht selten schloss sie sich deren Auffassungen an. Annette von Droste wiederum legte großen Wert auf das Urteil ihrer Mutter: „Meiner Mutter Meinung hat allemal so großen Wert für mich, selbst wenn sie nicht die meinige ist.“ (79)

Die Dichterin akzeptierte die mütterliche Autorität und fügte sich meistens deren Wünschen und Forderungen, auch, wenn es um ihre literarische Arbeit ging. Ihrem Onkel berichtete sie über das Werk „Bei uns zu Lande auf dem Lande“ (80):

„Es schien mir gut, und doch verlor ich auf einmal den Mut, da ich meine lieben Eltern so deutlich darin erkannte, daß man mit Fingern darauf zeigen konnte. Das war eigentlich nicht meine Absicht. Ich wollte nur einzelne Züge entlehnen [...] Eben jetzt bin ich zu dem Entschlusse gekommen, es meiner Mutter vorzulesen, und ist sie es zufrieden, so schreibe ich weiter; wo nicht, so gebe ich es auf, und schreibe etwas anderes.“
(Annette von Droste an August von Haxthausen, 20. Juli 1841)



Einige wenige Male jedoch wehrte sie sich gegen die Bevormundung durch ihre Mutter, die von der Wahl der Bekanntschaften bis hin zum Briefwechsel das Leben ihrer Tochter überwachte und kommentierte.
Mit der Freundschaft, die sich zwischen der Droste und der Generalsgattin Wilhelmine von Thielmann entwickelt hatte, war die Mutter nicht einverstanden: Die Generalin galt als exzentrisch und hatte eine bewegte Vergangenheit. Annette von Droste gab jedoch den Kontakt zu Wilhelmine nicht auf.

Ähnlich verhielt es sich mit der Freundschaft zu der Schriftstellerin Sibylle Mertens-Schaaffhausen. Auch sie hatte den Ruf, eine sehr eigenwillige Persönlichkeit zu sein, die darüber hinaus ihren Pflichten als Frau in den Augen Thereses von Droste nur unvollkommen nachkam: Sibylle Mertens-Schaaffhausen war lesbisch, lebte nach dem Tod ihres Gatten mit Adele Schopenhauer zusammen. Auch diese Verbindung hielt die Dichterin zunächst aufrecht. Erst Unstimmigkeiten über die Beurteilung von Annettes schriftstellerischer Arbeit führten schließlich dazu, dass sie die Verbindung abbrach.

Zu Levin Schücking, dem Sohn ihrer Jugendfreundin Katharine Busch, hatte die Droste eine tiefe Zuneigung, die jedoch nicht publik werden durfte – Alters- und Standesunterschied waren zu groß, und selbst Gerüchte musste die Dichterin um jeden Preis vermeiden. Aus diesem Grund belog sie ihre Mutter, als sie ein mehrmonatiges Zusammensein mit Levin Schücking in Meersburg, ohne mütterliche Aufsicht, im Winter 1841/42 als Idee des Schwagers Laßberg ausgab, obwohl sie das Zusammentreffen selbst arrangiert hatte. Doch die Schuldgefühle, die die Droste wegen dieser Unaufrichtigkeit quälten, waren sehr groß; aus den Briefen an die Mutter aus dieser Zeit geht hervor, wie sehr sie um den Verlust der mütterlichen Liebe besorgt war.

Hatte Therese von Droste die Herausgabe der ersten Gedichtausgabe 1838 auch zögerlich gestattet, so stand sie den weiteren Veröffentlichungsplänen ihrer Tochter grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dennoch publizierte die Schriftstellerin im Verlauf ihres Lebens zwei Gedichtbände und zahlreiche Beiträge in Zeitschriften und Almanachen, setzte sich also in diesem zentralen Lebensbereich gegen ihre Mutter durch.

Mitunter nahm die Mutter Anteil an der literarischen Tätigkeit ihrer Tochter; so gab sie Ratschläge bei den Verhandlungen mit dem Verleger Cotta. Als im „Morgenblatt“ die „Judenbuche“ erschien, zeigte sie sich stolz: „Mama [fängt an] ganz stolz auf mich zu werden“, schrieb Annette von Droste am 15. November 1844 an Levin Schücking. (81)

Unterschrieb die Dichterin ihre Briefe an die Mutter noch über 40jährig mit „Deine gehorsame Tochter“, so unterzeichnete diese bis ins hohe Alter mit den Worten „Deine treue Mutter“. Rita Rosen sieht hierin nicht bloß eine Floskel, sondern einen Hinweis darauf, dass Therese von Droste ihre Tochter zeitlebens als Kind ansah, das es zu behüten galt. (82) Eine Loslösung voneinander, so beurteilt Rosen die Mutter-Tochter-Beziehung, gelang beiden nicht. Ihre Mutter war die „durchgängige Identifikationsfigur“, ein „perfektes Vorbild im Sozialisationsprozess der Tochter“ (83). Helma Scheer deutet eine Passage des Gedichtes „Mein Beruf“ (84) als kritische Selbstreflexion der Tochter:

„Wir leiden nach dem alten Rechte:
Daß wer sich selber macht zum Knechte,
Nicht ist der goldnen Freiheit wert. [...]
Nicht würdig sind wir bessrer Tage
Denn wer nicht kämpfen mag, der trage!
Dulde, wer nicht zu handeln weiß.“

Die Dichterin war sich der belastenden Beziehung zu ihrer Mutter bewusst; dafür spricht die Art und Weise, wie sie sie als Figur in ihren Werken verwendete. Helma Scheer ist der Meinung, die „Ressentiments, ihre Ambivalenzen gegenüber der Mutter [haben sich] in den Briefen nie, in der Prosa selten, in der Lyrik als der ihr eigensten Ausdrucksform dagegen offensichtlich durchgesetzt.“ (85) Die Droste präsentierte sich in den Briefen an die Mutter als gehorsame Tochter, aber „in den wenigen Gedichten, die über die Mutter verfasst wurden, wird diese nur schablonenhaft verarbeitet, es findet keine ehrliche Auseinandersetzung mit Empfindungen und Eindrücken statt.“ (86) Als Beispiel dafür kann das Gedicht „An meine Mutter“ (87) dienen:

„So gern hätt' ich ein schönes Lied gemacht
Von deiner Liebe, deiner treuen Weise,
Die Gabe, die für andre immer wacht,
Hätt' ich so gern geweckt zu deinem Preise.
Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,
Und wie ich auch die Reime mochte stellen,
Des Herzens Fluten wallten drüber her,
Zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.“

In Jenny von Laßberg hatte die Droste eine Verbündete innerhalb der Familie. Die ältere Schwester unterstützte die literarische Arbeit der Dichterin, wo sie konnte. In zahlreichen Briefen berichtete die Schriftstellerin Jenny über Rezensionen ihrer Gedichte, von denen sie gehört oder die sie gelesen hatte (88). Oft zitierte sie dabei die Besprechungen im Wortlaut oder dem Sinn nach und zeigte sich dabei so stolz und selbstbewusst, wie sie es ihrer Mutter gegenüber nie tat. Aber auch der Schwester gegenüber entschuldigte sich die Droste zumeist für ihren Stolz; Bescheidenheit als eine der wichtigsten „weiblichen“ Eigenschaften der Zeit hatte auch Annette von Droste verinnerlicht.

Jenny von Laßberg war die Ansprechpartnerin für die Dichterin, wenn es innerhalb der Familie zu Unstimmigkeiten kam. Über die Reaktionen aus dem Verwandtenkreis auf ihren ersten Gedichtband beklagte sich die Droste bei ihrer Schwester offenherzig. (89) Diese war stets interessiert an der literarischen Arbeit ihrer dichtenden Schwester. Die Droste schickte ihr 1840 das Taschenbuch „Coelestina“, in dem ihr Gedicht „Des alten Pfarrers Woche“ erschienen war. Ein Freiexemplar der Gedichtausgabe des Jahres 1844 hatte die Autorin für Jenny vorgesehen; ihrer Mutter wollte sie keines zukommen lassen.

In Briefen informierte die Dichterin ihre Schwester immer wieder über den Verlauf ihrer schriftstellerischen Projekte (90). Jenny sorgte dafür, dass ihrer Schwester während der mehrmonatigen Aufenthalte in Meersburg ein ruhiger Raum zum ungestörten Arbeiten zur Verfügung stand. Sie ermunterte die Dichterin, ihre Veröffentlichungspläne weiter zu verfolgen. An Levin Schücking schrieb sie (91):

„[...] reden Sie ihr doch auch zu, daß sie es [die Herausgabe des Gedichtbandes] thut; wäre sie hier geblieben, so hätte ich sie wohl antreiben wollen, aber jetzt ist niemand um sie der sich recht dafür interessirt; [...]“
(Jenny von Laßberg an L. Schücking, 3. November 1842)



„Frisch voran!“ „Nur Muth gefaßt!“ – Die Freundinnen



Im Leben der Dichterin spielten die Freundinnen eine große Rolle. Die Wichtigkeit dieser Freundschaften dokumentiert sich in zahlreichen Widmungsgedichten. Leider wird die Bedeutung der Frauenfreundschaften für Leben und Werk der Dichterin in der Sekundärliteratur nur unzureichend behandelt. Oftmals nur am Rande erwähnt, werden die Freundinnen gegenüber der detailliert dargestellten Beziehung zu Schücking in den Hintergrund gedrängt.

Umfangreiche Studien, die sich mit den Frauen im Leben der Droste beschäftigen, sind durchweg älteren Datums. Adele Schopenhauer war Gegenstand einer Dissertation von Anna Brandes aus dem Jahre 1929 (92); Heinz Hubert Houben beschäftigte sich 1935 mit Sibylle Mertens-Schaaffhausen (93) . Eine Arbeit über Elise Rüdiger schrieb Annelinde Esche 1939 (94).

Eine der ersten Freundinnen Annettes von Droste war Katharine Busch (1793–1831), die die 16jährige 1813 kennenlernte. Die Busch war zu dieser Zeit eine recht bekannte Schriftstellerin – allerdings eher im negativen Sinn, denn in Münster kursierten Spottzeichnungen über sie, da sie es als Frau gewagt hatte, mit ihren literarischen Arbeiten an die Öffentlichkeit zu treten. Für die Droste wurde die vier Jahre ältere Dichterin jedoch schon bald zum Idol, dem sie bewundernd gegenüberstand.

Katharine Busch hatte drei Gedichte in Friedrich Raßmanns „Mimigardia“ veröffentlicht. Später, im Jahre 1821, publizierte sie im „Rheinisch-westfälischen Musenalmanach“ sowie in der „Abendzeitung“ unter dem Pseudonym „Pauline zu Cl.“.

Das Zusammensein der beiden Frauen dauerte nur knapp ein Jahr. Katharine Busch heiratete 1813 Paulus Modestus Schücking und erklärte ihrer Freundin, dass sie das Dichten nunmehr aufgeben müsse. Sie war der Überzeugung, dass sie sich zwischen dem Leben als Dichterin und dem als Ehefrau entscheiden müsse, da sie „nur in einer Art ein ganzer Mensch“ (95) sein könne. Sie wählte das Leben als Gattin, Hausfrau und Mutter, auch wenn es ihr erklärtermaßen schwerfiel, und zog mit ihrem Ehemann ins abgeschiedene Emsland.
Annette von Droste-Hülshoff war vom Verhalten ihrer Freundin enttäuscht. Sie glaubte, dass Menschen wie sie und Katharine Busch zum Dichten geboren seien und dass keine Verpflichtung das angeborene Talent verdrängen sollte. (96)

Katharine Busch wird als die „erste Liebe“ der jungen Droste beschrieben; das eine Jahr ihrer intensiven Freundschaft bezeichnet Mary Lavater-Sloman als die „glücklichste Epoche ihres Daseins (97)“. Über das Verhältnis der beiden Dichterinnen zueinander gibt das Widmungsgedicht an „Katharine Schücking“ (98) Auskunft, das die Droste 1842 – mit einem zeitlichem Abstand von fast 20 Jahren – verfasste. „Du hast es nie geahndet, nie gewußt, / Wie groß mein Lieben ist zu dir gewesen“, beginnt die Dichterin darin und beschreibt ihr erstes Zusammentreffen als Begegnung zwischen ungleichen Poetinnen: Sie, „ein heftig Kind, / Vom ersten Kuß der jungen Muse trunken“, und Katharine Busch, „Westfalens Dichterin, und wie da floß / Durch mein bewegtes Herz ein selig Grauen.“

Zur Zeit dieser Begegnung hatte die Droste ihre ersten literarischen Erfahrungen mit dem unvollendet gebliebenen Trauerspiel „Bertha“ gemacht. Auch ihre folgenden Arbeiten, das Ritterepos „Walter“ (1818), der nicht fertig-gestellte Roman „Ledwina“ (1819), der erste Teil des „Geistlichen Jahres“ (1819/20) und „Das Hospiz auf dem großen St.Bernhard“, haben den literarischen Erfahrungshintergrund der Droste und damit ihr Verhältnis zur Freundin verändert: „Und was ich einst genannt des Lebens Mark, / Das fühlt' ich jetzt mit frischem Stolz mein eigen. / So scheut' ich es, als fromme Schülerin, / Dir wieder in das dunkle Aug' zu sehen, / Ich wollte nicht vor meiner Meisterin / Hochmütig, mit bedecktem Haupte, stehen.“

In der Zwischenzeit hatte die Dichterin ähnliches erleben müssen wie Katharine Busch, als diese mit ihren Werken vor die Öffentlichkeit getreten war: Die literarische Arbeit war im Verwandtenkreis zurückgewiesen worden; die Mutter hatte das „Geistliche Jahr“ keiner Beachtung gewürdigt, und die Familie hatte darauf bestanden, dass die erste Ausgabe 1838 nicht unter dem vollen Namen der Autorin erschien. Vor dem Hintergrund dieser gemeinsamen Erfahrungen mit der Reaktion der Umwelt war Annette von Droste zurückblickend weniger vom literarischen Ruhm als vielmehr durch das „persönliche Vorbild, [den] aufrechte[n] Gang“ (99) der Freundin fasziniert: „Und tief im Herzen hab' ich es erkannt, / Wie zehnfach größer du als deine Lieder.“

Viel wichtiger als der literarische Vorbildcharakter, so erkannte die Droste im Rückblick, war die Ermutigung der Freundin gewesen. Katharine Busch hatte die jüngere Dichterin aufgefordert, „sich nicht klein zu machen oder erniedrigen zu lassen, um den Weg der Schriftstellerin gegen die Bedenken und Vorurteile der Umwelt konsequent verfechten zu können.“ (100) Annette von Droste erinnerte sich 20 Jahre später daran: „Ein jedes Wort, durchsichtig wie Kristall / Und kräftig gleich dem edelsten der Weine, / Schien mir zu rufen: ,Auf! der Launen Ball, / Steh auf! erhebe dich, du Schwach' und Kleine!‘“

Die letzte Strophe des Widmungsgedichtes eröffnet schließlich, dass Katharine Schücking inzwischen gestorben war. Die Autorin verwendet hier den Lorbeerkranz als Metapher für die posthume Anerkennung durch die Umwelt: „Auch hör' ich, daß man einen Kranz gelegt / Von Lorbeer in des Grabes dunkle Moose“. Sie selbst wollte sich an den allgemeinen Lobreden nicht beteili-gen, sondern fühlte sich „zu einer Geste der Solidarität“ (101) gegenüber der ehemaligen Freundin und dichtenden Kollegin verpflichtet: „Doch ich, Kathinka, widme dir bewegt / Den Efeu und die dornenvollste Rose.“ Efeu steht hier als Symbol der Treue; die Rose mit vielen spitzen Dornen erscheint bei der Droste als Metapher für das schwere, kämpferische Leben einer dichtenden Frau.

In Münster hatte die Dichterin 1819 die um 25 Jahre ältere Wilhelmine von Thielmann (1772–1842) kennengelernt. Diese war als junge Frau mit ihrem Verlobten „durchgebrannt“ und durch die europäischen Kriegszonen gezogen, bevor sie sich mit Mann und Kind in Münster niederließ. Aufgrund ihrer bewegten Vergangenheit betrachtete Therese von Droste die Generalin nicht als angemessenen Umgang für ihre Tochter. Diese jedoch war begeistert von der intelligenten, geselligen und starken Frau, die unbeirrt ihren Weg gegangen war und sich sogar gegen ihre Eltern durchgesetzt hatte, was „Annette viel zu denken“ (102) gab. Indirekt war auch diese Freundschaft literarisch fruchtbar; Julie von Thielmann, die Tochter, half durch ihre Ortskenntnisse bei der Abfassung des „Hospiz auf dem großen St. Bernhard“. Nach dem Tod der Freundin bekannte die Droste, welche Bedeutung Wilhelmine von Thielmann für sie hatte: „Ich habe [...] ihr hinsichtlich meiner Geistesbildung sehr viel zu verdanken“ (103), schrieb die Dichterin an Elise Rüdiger.

Während eines Aufenthaltes bei Verwandten am Rhein 1825/26 lernte Annette von Droste die gleichaltrige Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797–1857) kennen. Mertens wird als urwüchsige, humorvolle und gebildete Frau beschrieben, die ein starkes Interesse für Altertumskunde sowie eine ausgeprägte Sammelleidenschaft (Antikes, Bilder, Kleinkunst) hatte. (104) Die Freundinnen hatten dieselben geistigen Interessen und führten ausgiebige Gespräche über Literatur und Philosophie.

Von Freunden und Bewunderern wurde Sibylle Mertens-Schaaffhausen die „Rheingräfin“ genannt. Die Bankiersgattin bildete „den Mittelpunkt eines illustren Kreises“ (105), durch den Annette von Droste Kontakte vor allem zu Bonner Professoren knüpfen konnte, darunter der Literaturhistoriker und Dichter August Wilhelm Schlegel, der Philosoph Ennemoser, der Naturforscher Eduard d'Alton und der katholische Theologe Georg Hermes. In diesem Kreis stellte die Dichterin einige ihrer Werke vor, die allgemeine Zustimmung fanden.

Ein weiterer Aufenthalt in Bonn 1830 brachte sie in eine „vereinnahmende Abhängigkeit“ (106) zur Mertens, da diese, inzwischen schwer erkrankt, eine Pflegerin benötigte. Die Dichterin kümmerte sich wochenlang um die kranke Freundin, versorgte deren Kinder und den Haushalt. Sie tat dies sowohl aus Zuneigung als auch aus Pflichtgefühl – als unverheiratete Tante wurde die Droste auch von der eigenen Familie wie selbstverständlich in Anspruch genommen, wenn es galt, einen kranken Angehörigen zu betreuen.

In dem Gedicht „Nach fünfzehn Jahren“ (107) gedachte sie dieser schwierigen Zeit:

„Wie hab' ich doch so manche Sommernacht,
Du düstrer Saal, in deinem Raum verwacht!
Und du, Balkon, auf dich bin ich getreten,
Um leise für ein teures Haupt zu beten [...]
Mein Haupt so müde daß es schwamm wie trunken,
So matt mein Knie daß es zum Grund gesunken!“

In der letzten Strophe betrauert die Dichterin die inzwischen abgekühlte Freundschaft zwischen zwei alt gewordenen Frauen:

„Sie schaun sich an, du nennst es vielleicht kalt,
Zwei starre Stämme, aber sonder Wank
Und sonder Tränenquell, denn sie sind krank,
Ach, beide krank und alt!“

Als Sibylle Mertens eine Abschrift der zum Druck bestimmten Gedichte der Droste samt beigelegten Kritiken Adele Schopenhauers und Eduard d'Altons unauffindbar verlegt hatte, zeigte sich die Dichterin sehr verstimmt. Ein Brief an die Mertens vom 19. Februar 1835 enthielt deutliche Worte: Annette von Droste beschwerte sich darin über die mangelnde Unterstützung durch die Freundin. (108) Vermutlich erfuhr die Dichterin nie, dass die Kölner Freundin sich stets bemüht hatte, negative Kritiken von ihr fernzuhalten. In ihrem Tagebuch notierte die Mertens: „... und so ging ein inniges Verhältnis fast auseinander, weil ich die allerliebsten Verse meiner Freundin weniger geeignet fand für den Druck und die Öffentlichkeit, als für die Schreibtafel und das Ohr eines befreundeten Kreises.“ (109)

Als sie sich 1837 in Bonn wiedersahen, war die alte Freundschaft merklich abgekühlt. Nach ihrem letzten Zusammentreffen 1843 in Rüschhaus, bei dem die Freundschaft nicht in alter Form erneuert werden konnte, zog Sibylle Mertens nach Italien.

Auf ihrer dritten Reise an den Rhein (1830/31) lernte die Droste Johanna Schopenhauer (1766–1838) und deren Tochter Adele (1797–1849) kennen. Beide hatten mehr als 20 Jahre in Weimar gelebt, wo Adele im Hause Goethe erzogen worden war. 1829 übersiedelten sie mit Unterstützung durch Sibylle Mertens, die sie ein Jahr zuvor kennengelernt hatten, nach Bonn.

Für Annette von Droste wurden die kunstverständigen und belesenen Schopenhauers zu einer „direkte[n] Verbindung zur Weimarer Klassik“ (110). Besonders die gleichaltrige Adele entwickelte schnell ein starkes Interesse an der Dichtkunst der Droste, die wiederum sehr viel Wert auf deren gutes literarisches Urteil legte. Die Freundschaft zwischen den beiden Frauen „wirkt still und scheint auf intellektueller Anziehung zu gründen“ (111). Unübersehbar waren die Ähnlichkeiten in ihrer beider Leben: Auch Adele Schopenhauer litt unter einer dominanten Mutter, die ihre Tochter stets bevormundet hat.

In literarischen Fragen wurde sie zur kompetenten Ansprechpartnerin für die Dichterin. „Aus den wenigen überlieferten Bruchstücken der Korrespondenz geht hinreichend hervor, dass die Droste bei ihren Projekten den literarischen Rat der Freundin suchte.“ (112) Adele Schopenhauer verfügte zudem über gute Kontakte zur literarischen Szene in Weimar und Jena. Dort bemühte sie sich um einen Verleger für den ersten Gedichtband; gegen die Wahl Hüffers als Herausgeber äußerte sie starke Bedenken und behielt letztlich damit recht.

Im Gegensatz zu den Verwandten spornte die Schopenhauer ihre dichtende Freundin immer wieder an („Also, liebe Nette, frisch voran!“ (113) und versuchte, sie über die ablehnende Haltung der Familie hinwegzutrösten (114):

„Ich könnte Sie um ihr gewaltiges Talent beneiden, wenn ich mir irgend ein Talent wünschte. Lassen Sie die gute Tante Sophie und die Vettern reden, lachen Sie herzhaft, beschwichtigen Sie die Tante mit den allmählich ruhig urtheilenden Männern vom Fach und vor Allem lassen Sie sich nicht irre und nicht ernst machen. Es kann keine artigere Komödie geben, als diese Scenen, die Sie mir erzählen; schreiben Sie sie selbst als Komödie à la Molière auf, lassen Sie sich amusiren (!), indem Sie selbst aus sich herausgehen. Bald ist dieses Geplänkel beschlossen, den Leuten fällt etwas anderes ein, derweilen haben hier im Norden Andere ihr Buch gelesen und nun kommt erst die richtige Kritik.“
(Adele Schopenhauer an Annette von Droste)



Die Kritik, die Adele Schopenhauer an ihren Arbeiten übte, verstand die Droste als konstruktive Anteilnahme. Ihre „Ratgeberin in poetischen Fragen“ (115) war „dermaßen resolut mit mir, daß ich wohl von keiner Person im Leben soviel Unangenehmes zu hören bekommen habe.“ (116) Clemens Heselhaus bezeichnet die Schopenhauer als das „literarische Gewissen der Droste“ (117).

Ihre eigene schriftstellerische Karriere begann Adele Schopenhauer erst spät; 1841 erschien ein Stück aus den drei Jahre darauf in Leipzig geschlossen publizierten „Haus-, Wald- und Feldmärchen“ im „Frauen-Spiegel“ (118). Für diese Zeitschrift hatte sie auch Gedichte der Droste vermittelt, die an Levin Schücking über die literarische Arbeit der Freundin schrieb (119):

„Ich glaube, in Prosa könnte Adele etwas ganz Artiges leisten: beliebte Damenlektüre, von Männern freilich wenig beachtet; [...] Kraft hat sie nicht, aber Geschmack, und jene minutiöse Zierlichkeit, die Frauen ebenso anziehend wie der männlichen Kritik fatal ist.“
(Annette von Droste an L. Schücking, 27. Dezember 1842)



1844 folgte Adele Schopenhauer der von ihr geliebten Sibylle Mertens-Schaaffhausen nach Italien. Erst 1848, wenige Tage vor dem Tod der Droste, kehrte sie nach Deutschland zurück.

Im Sommer 1837 kam es zu einem Wiedersehen zwischen der Dichterin und einer weiteren wichtigen Frau in ihrem Leben, Amalie Hassenpflug. Sie hatten sich bereits 1818 in Kassel kennengelernt. Während ihres gemeinsamen Aufenthaltes in Bökendorf 19 Jahre später intensivierte sich die Freundschaft.
Amalie Hassenpflug (1800–1871), die Tochter des Kasseler Regierungspräsidenten Johannes Hassenpflug, hatte von etwa 1809 bis in die 30er Jahre engen Kontakt zu den Brüdern Grimm, zu deren Märchensammlung sie zahlreiche Stücke beisteuerte. Unter ihren Initialen A. H. veröffentlichte sie den Roman „Margarethe Verflassen. Ein Bild aus der katholischen Kirche“. (120)

Der Droste war Amalie Hassenpflug eine fachkundige Gesprächspartnerin; die Dichterin profitierte in literarischer Hinsicht von ihrer Freundin. Wesentliche Anregungen für die Westfalen-Erzählung „Bei uns zu Lande auf dem Lande“ gingen von der Hassenpflug aus.

Nach dem Wiedersehen in Bökendorf entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischen den Freundinnen – allein für die zweite Hälfte des Jahres 1837 sind sieben Briefe der Droste an Amalie Hassenpflug nachgewiesen; erhalten sind jedoch nur zwei Briefe von 1839, die übrigen verbrannte „Malchen“ auf Bitten der Absenderin. Die Anteilnahme der Kasselerin an ihrer literarischen Arbeit wird in einem Brief der Dichterin an Schlüter deutlich (121):

„Leider bin ich mit Malchen in allem, was Kunst und Poesie betrifft, [nicht einer] Meinung, da sie einer gewissen romantischen Schule auf sehr geistvolle, aber etwas einseitige Weise zugetan ist; [...] sie wird mich aber nie in ihre Manier hineinziehn, die ich nicht nur wenig liebe, sondern auch gänzlich ohne Talent dafür bin, was sie verstockterweise nicht einsehn will. [...] In meinen Gedichten glaubt sie ein gutes Talent auf höchst traurigem Wege zu sehn, namentlich die ,Schlacht am Loener Bruch‘ ist ihr durchaus fatal, sie nennt es ,eine ganz verfehlte Arbeit auf höchst widerhaarigem Terrain‘. Da sie mich aufrichtig liebt und Großes mit mir im Sinne hat, so quält sie mich unermüdet und mit Bitten, die einen Stein erweichen sollten, von meinen Irrwegen abzulassen. Das ist eine harte Nuß!“
(Annette von Droste an Chr. B. Schlüter, 13. Dezember 1838)



1838 trafen die beiden Frauen erneut in Bökendorf zusammen; bis 1843 setzten sie ihren Kontakt brieflich fort, dann zog Amalie Hassenpflug mit ihrem Bruder Hans Daniel Ludwig nach Berlin. Annette von Droste verfasste mehrere Gedichte für die Kasseler Freundin. In „Locke und Lied“ (122), das im Winter 1841/42 in Meersburg entstand, beschrieb die Dichterin das gegenseitige Vertrauensverhältnis:

„Meine Lieder sandte ich dir,
Meines Herzens strömende Quellen,
Deine Locke sandtest du mir,
Deines Hauptes ringelnde Wellen“

Diese Zeichen gegenseitiger Zuneigung waren nach Jahren des Getrenntseins verblasst. Die Verbindung zwischen den Freundinnen aber war stark genug, um die zeitliche und räumliche Distanz zu überdauern:

„Und du klagtest: Verblichen sei
Die Farbe der wandernden Zeichen; [...]
Auch deine Locke hat sich gestreckt,
Verdrossen, gleich schlafendem Kinde,
Doch ich hab' sie mit Küssen geweckt,
Hab' sie gestreichelt so linde,
Ihr geflüstert von unserer Treu'
Sie geschlungen um deine Kränze,
Und nun ringelt sie sich aufs neu'
Wie eine Rebe im Lenze.“

Nach dem Umzug nach Berlin brach der Kontakt zwischen den Freundinnen ab. Auf dem Meersburger Friedhof liegt Amalie Hassenpflug, die ebenfalls unverheiratet blieb, neben der Dichterin begraben.
Die „wohl intimste Freundin der Droste“ (123) in deren letztem und zugleich literarisch produktivsten Lebensjahrzehnt war Elise Rüdiger (1812–1899). Die 15 Jahre jüngere Münsteranerin war in der Atmosphäre des literarischen Salons ihrer Mutter, Elise von Hohenhausen, aufgewachsen; sie selbst war bereits vor ihrer Bekanntschaft mit der Droste schriftstellerisch tätig gewesen. Das „Mindener Sonntagsblatt“ hatte einige ihrer Arbeiten veröffentlicht. Nach dem Tode ihres Mannes lebte die Rüdiger von ihrer publizistischen (oft anonymen) Tätigkeit.

In Münster unterhielt Elise Rüdiger einen literarischen Zirkel, in dem außer den Autorinnen Luise von Bornstedt und Henriette von Hohenhausen (einer Tante Elise Rüdigers) auch Levin Schücking und Annette von Droste-Hülshoff verkehrten. Bei den sonntäglichen Treffen sprach man über Literatur und las sich gegenseitig die eigenen sowie Werke von Karl Immermann, Ida Hahn-Hahn, George Sand, Honoré de Balzac und Ferdinand Freiligrath vor. Autoren des Jungen Deutschland wurden in dem Kreis nicht sehr geschätzt. Angeregt durch die Diskussionen der „Hecken-Schriftstellergesellschaft“, wie die Droste den Zirkel nannte, begann Elise Rüdiger, Rezensionen für Zeitschriften zu schreiben, bevorzugt über die Werke von Hahn-Hahn oder Sand, aber auch über Adele Schopenhauer. In den meisten ihrer Kritiken erwähnte sie auch die Autorin Annette von Droste-Hülshoff und stellte sie als herausragendes Vorbild für schreibende Frauen dar. (124)

Die Dichterin wusste die literarischen Gespräche in Münster sehr zu schätzen. Zwar schrieb sie eine Satire auf den Schriftsteller-Zirkel („Perdu!“, ein Lustspiel, auf das ich später näher eingehen werde). Als jedoch Ferdinand Freiligrath in Münster weilte und die kleine Gesellschaft demonstrativ keines Besuches für würdig empfand, verteidigte sie den Kreis engagiert.

Der literarische Austausch mit Elise Rüdiger war sehr intensiv; brieflich wurden Neuerscheinungen diskutiert. Die langjährige Freundschaft, die sich aus diesem Austausch entwickelte, gründete „auf gemeinsamen literarischen Interessen und menschlichem Vertrauen“ (125). Zahlreiche Briefe belegen die tiefe Verbundenheit der Droste mit der Freundin. Die Dichterin sah in Elise Rüdiger „mein anderes Ich, oder vielmehr meine abhanden gekommene Hälfte, da Sie grade Alles haben, was mir fehlt“ (126).

Offensichtlich hatten die Frauen kurz nach Erscheinen des zweiten Gedichtbandes ein gemeinsames Buchprojekt – eine Sammlung von Novellen – geplant, das jedoch nicht zur Ausführung kam: „Ich hoffe jetzt auch endlich ernstlich an unsre gemeinschaftliche Arbeit zu kommen“, schrieb die Droste am 21. März 1845 und beruhigte Elise Rüdiger: „Quälen Sie sich nicht zu sehr mit dem Gedanken an Ihre Aufgabe dabey, lieb Herz, – meine Stoffe sind so weitläufig, daß sie doch ein ziemlich dickes Buch ausfüllen werden, und einige Portraits von Ihrer Hand, um die Einförmigkeit angenehm zu unterbrechen, werden hinlänglich seyn“. (127)

Die Anteilnahme der Rüdiger an den Droste-Publikationen war groß, wie ein Brief an Schücking zeigt, in dem die Dichterin über ihre Freundin schrieb (128):

„Sie freut sich an jedem meiner kleinen Triumphe dreimal mehr, als wäre er ihr selbst zuteil geworden, sammelt alle einzelnen Lobsprüche wie Kleinode, schrieb mir sogleich ein Stück Briefes ihrer Mutter ab, worin diese meine ,Judenbuche‘ hochstellt etc.“
(Annette von Droste an L. Schücking, 15. November 1842)



Elise Rüdiger machte der Dichterin stets Mut („Nur Muth gefaßt, mein Liebchen! Sie sind nicht die Erste und werden nicht die Letzte seyn, der die Dornenkrone zum Lorbeerkranz wird“) (129), vermittelte Droste-Beiträge für die „Kölnische Zeitung“ und rezensierte mehrfach die Werke ihrer dichtenden Freundin. Diese versuchte ihrerseits, den schriftstellerischen Arbeiten von Elises Mutter zu einem breiteren Publikum zu verhelfen. Sie stellte der „Kölnischen Zeitung“ einige ihrer eigenen Gedichte unentgeltlich zum Abdruck zur Verfügung, wofür das Blatt im Gegenzug die Hohenhausen-Erzählung „Die Gattin – Eine Alltagsgeschichte“ gegen Honorar veröffentlichte. Ohne diese Unterstützung durch die Droste hätte Elise von Hohenhausens Werke keine Aufnahme im Feuilleton der „Kölnischen Zeitung“ gefunden. (130)

Elise Rüdiger verstärkte ihre Rezensionstätigkeit nach dem Tod der Dichterin. Dabei setzte sie sich, wie Claudia Belemann urteilt, „kaum mit der Drostschen Lyrik auseinander“ (131) ; stattdessen konzentrierte sie sich darauf, das Bild einer herausragenden Frau zu vermitteln, deren Vorbild es nachzueifern gelte. Ihr „Anliegen [...] besteht darin, die Droste zur Identifikationsfigur für Frauen zu erheben.“ (132) Elise Rüdiger beschrieb die Dichterin in ihren Aufsätzen stets als außergewöhnlich begabte und gebildete Frau und betonte auch deren wissenschaftliche Interessen stärker als die männlichen Biographen. Sie wies auf die Eigenschaften und Fähigkeiten der Dichterin hin, die für eine Frau dieser Zeit nicht selbstverständlich waren – auf ihr musisches Talent, ihre sprachliche Begabung, auch auf ihre Freundschaften mit geistreichen Frauen.

Elise Rüdiger vermittelte das Bild der intelligenten, „selbstbewußt allein lebende[n] Naturforscherin“, während Schücking die Droste als verzweifelte, einsame Frau darstellte, die in Natur und Religion Trost und Halt gesucht habe. Diesem Mythos von der enttäuschten Frau stellte sich die Rüdiger entgegen, indem sie die ehemalige Freundin „als bewußt entgegen den weiblichen Normen handelndes Subjekt“ (133) beschrieb. Elise von Hohenhausen stellte dieses Portrait in einen weiteren Zusammenhang, als sie 1850 schrieb, die Droste „nähert sich sehr den amerikanischen Dichterinnen, die in einer neuen Ordnung der Dinge, in völliger Unabhängigkeit von der Männerwelt lebend, auch sentimentale Liebe und Hingebung nicht kennen.“ (134)

Elise Rüdiger stellte die Ehelosigkeit der Droste als „bewußtes Wollen“ (135) dar; Levin Schücking dagegen verstand „die Zurückgezogenheit der Dichterin als idyllischen Konservativismus und Ignoranz gegenüber der fortschreitenden Zeit.“ (136) Er verglich sie mit „einer mittelaltrigen Nonne, die schwermüthig durch die Hallen ihres Klosters wandert, die in tiefstem Unbefriedigtsein bald den Pflanzen, den Blumen, den Steinen ihre Geheimnisse abfragt und bald, da Alles still und stumm für sie bleibt, sich schluchzend zu den Füßen des Altares niederwirft.“ (137) Über die Einstellung der Dichterin zur Ehe gibt eine Äußerung ihrer Schwester Jenny Auskunft: „Wenn Annette sich über den Ehestand aussprach, so war es nur, um zu sagen, daß sie dafür nicht tauge, weil sie zu wenig Gesundheit und zu viel Unabhängigkeitssinn habe.“ (138)

Laut Walter Gödden hat Elise Rüdiger die weitaus meisten Aufsätze über die Dichterin verfasst (139) ; Winfried Woesler dokumentiert jedoch nur 41 Beiträge von ihr, während er 140 Besprechungen von Levin Schücking und 85 von Schlüter verzeichnet. In seiner Droste-Biographie von 1862 erwähnt Schücking die Rüdiger überhaupt nicht, obgleich er sich bei der Abfassung unter anderem auf ihre Arbeiten stützte.

Von Literaturwissenschaftlern wurden ihre Aufsätze über die Dichterin oft als nicht „wissenschaftlich benutzbar“ (140) dargestellt, weil man sie lediglich als idealisierende Schilderungen ansah. Karl Raab schrieb über Elise Rüdiger (141):

„Ihre zum Kultus gesteigerte Verehrung, ihr Hang zur Illusion und Romantik schuf ein Persönlichkeitsbild, das noch lange seine Spuren hinterlassen hat, dann aber durch das Erscheinen [der] Briefe Annettens zerschlagen wurde.“
(Karl Raab, 1930)



Gerade in den Briefen der Droste lässt sich jedoch die romantische Seite dieser Freundschaft ablesen (142):

„Wie nüchtern mir Münster ohne Sie vorkömmt, – und Rüschhaus auch – das ist dann Alles nichts mehr, und das einfältige Abendroth braucht gar nicht mehr durch die Eichen zu scheinen, wenn S i e es nicht mitsehn können.“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, 17. Juni 1845)



Dass die Arbeiten Elise Rüdigers kaum ernstgenommen wurden und werden, sie selbst fast völlig aus dem Blickfeld der Droste-Forschung verschwunden ist, stellt nach Ansicht von Claudia Belemann eine „gezielte Ausgrenzung weiblicher Bezugslinien“ (143) dar. Während die (zweifellos große) Bedeutung Levin Schückings für die Dichterin nicht zuletzt durch seine Droste-Biographie in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte (er betonte darin die zahlreichen Gedichte, die an ihn adressiert waren), wird das ebenso herzliche Verhältnis zwischen der Dichterin und Elise Rüdiger nur selten thematisiert, ihre Bedeutung für die literarische Arbeit – und die der anderen Droste-Freundinnen – spielen in der Sekundärliteratur zumeist eine untergeordnete Rolle.

Annette von Droste hatte für die zweite Buchveröffentlichung mehrere Konzepte zur Anordnung ihrer Gedichte notiert. In einem der letzten Verzeichnisse stellte sie „Mein Beruf“, „Meine Todten“ und „Katharine Schücking“ an den Anfang des Bandes. Ortrun Niethammer erkennt hierin eine programmatische Aussage. „Denn die Droste fragt ja in den Gedichten: was will ich (Mein Beruf) – wo komme ich her (Meine Todten) – welche sind meine Vorbilder (Katharine Schücking).“ (144)

Levin Schücking warf diese Anordnung (mit dem Einverständnis der Dichterin) um und gruppierte die drei Arbeiten unter den „Gedichten vermischten Inhalts“ ein. Offensichtlich übersah oder ignorierte er die Bedeutung dieser Gedichte. Er unterband die „programmatische Bezugnahme der Droste auf ein weibliches Vorbild unter verkaufspolitischen Aspekten“ (145). Elise Rüdiger dagegen hat die Bedeutung der Widmungsgedichte für die Autorin ermessen; sie erkannte die „weibliche Traditionsbindung“ (146) der Droste. Durch Schückings Auseinanderreißen des einleitenden Miniatur-Zyklus „geht der Charakter des Vorworts als richtungsweisende Lesart für die gesamte Gedichtausgabe verloren.“ (147) Bis heute wurde keine Ausgabe nach dem von der Autorin aufgestellten Verzeichnis herausgegeben; den Entscheidungen von Schücking und Schlüter wird offensichtlich auch heute noch mehr Wert beigemessen als den Überlegungen der Dichterin selbst.

Auch an Elise Rüdiger sind mehrere Gedichte gerichtet. Wie in den Briefen wird auch in den Versen deutlich, welch hohen Stellenwert die Rüdiger für die Autorin hatte. Annette von Droste fühlte eine Art von Seelenverwandtschaft zu ihrer Freundin. In dem Gedicht „An ***“ (148) schrieb sie:

„So, wenn ich schaue in dein Antlitz mild,
Wo tausend frische Lebenskeime walten,
Da ist mir, als ob Natur mein Bild
Mir aus dem Zauberspiegel vorgehalten“

Am 19. November 1843 verfasste die Droste das Widmungsgedicht „An Elise“ (149); dort heißt es in der zweiten Strophe:

„Zu alt zur Zwillingsschwester, möchte ich
Mein Töchterchen dich nennen, meine Sprossen,
Mir ist, als ob mein fliehend Leben sich,
Mein rinnend Blut in deine Brust ergossen.“

46jährig denkt die Droste mit Wehmut an ihre frühen Freundinnen zurück, um deren Lebenslauf sie sie offensichtlich nicht beneidet (150):

„Was ist aus meinen Jugendfreundinnen geworden? – die Eine Hälfte ist ganz in Haus, Wirthschaft, Mann und Kindern aufgegangen, – die Andre jetzt gräuliche alte Jungfern, an denen weder Götter noch Menschen Freude haben können, und in denen nicht mehr Poesie ist wie in einer getrockneten Pflaume.“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, September 1843)



Die Droste zwischen Frauenrolle und Emanzipationsbewegung



Als die Kinderzeit für Annette von Droste zu Ende war und man von ihr Anpassung an die weibliche Rolle erwartete, die die Restaurationszeit für junge Damen ihres Standes vorsah, „eckte“ sie im Familienkreis zunehmend an. Hatte man die kindlich unbeschwerte Art, mit der sie ihre Talente präsentierte, noch akzeptiert, so nannte man ihr Verhalten nun „vordringlich, stolz, exaltiert, heftig – eben unweiblich“ (151). Das Mädchen versuchte, seiner Rolle gerecht zu werden; es bemühte sich, dem Vorbild der stillen Schwester Jenny näherzukommen. Widerstrebend beschäftigte sich die junge Droste mit dem Stickrahmen und wurde sehr wütend, wenn der jüngere Bruder Werner eine abfällige Bemerkung über solcherlei „niedere“ Mädchenbetätigungen machte. (152)

Die Droste entsprach nicht dem weiblichen Ideal ihrer Zeit, sie war nicht anschmiegsam, sanft, häuslich und bescheiden. Schon sehr früh war sie sich ihrer Talente bewusst und provozierte ihre Umwelt „durch ihr für damalige Zeit zu selbstbewusstes Auftreten“ (153). Sie war „keine Dame der charmanten Biedermeierzeit, auch hatte sie nichts Umgarnendes [...] weibliche Rührseligkeit und Sentimentalität“ (154) lagen ihr fern. Die Droste, schreibt Doris Maurer, „ist kein bequemes junges Mädchen, sie wird auch niemals eine bequeme Tochter, Verwandte oder Freundin werden“ (155) .

Vor allem männliche Verwandte, wie die Onkel in Bökendorf, reagierten ablehnend auf ein solches Verhalten einer Frau. Der Kommentar des Ham-burger Kaufmannes Friedrich Beneke, der Anfang 1820 als Gast von Annettes Onkel Werner von Haxthausen in Bökendorf weilte und dort die Bekanntschaft der jungen Dichterin machte, soll beispielhaft deren Wirkung auf die männliche Umwelt verdeutlichen. Die Droste, notierte Beneke 1820 in sein Tagebuch, „ist überaus gescheit, talentvoll, voll hoher Eigenschaften und dabei doch gutmütig; ihr ist aber zu stark hofiert, sie hat dadurch den Eitelkeitssinn zu stark entwickelt, ist eigensinnig und gebieterisch, fast männlich, hat mehr Verstand als Gemüt, ist Dichterin, witzig usw. [...]“ (156)

Annette von Droste-Hülshoff bemerkte die Ablehnung und reagierte darauf sehr selbstbewusst. Sie fragte Beneke geradeheraus: „Lieber Herr, Sie scheinen etwas gegen mich zu haben; bitte, sagen Sie mir doch, was halten Sie denn eigentlich von mir?“ (157) Als Beneke der jungen Frau „unweibliches“ Verhalten vorwarf, war sie zunächst gekränkt, lud ihn dann zu einem langen Spaziergang ein, bei dem sie ihm Näheres über sich erzählte. Was sie ihm schilderte, ist unbekannt; vermutlich sprach sie auch über das problematische Verhältnis zu ihrem Onkel Werner. Sicher ist, dass sie dem Kaufmann daraufhin sehr sympathisch wurde, denn er verschob ihretwegen sogar seine Abreise, um sie am nächsten Tag noch einmal sehen zu können. (158)

Auf das selbstbewusste Auftreten der jungen Dichterin reagierte auch Wilhelm Grimm, der oft zu Gast in Bökendorf war, mit Ablehnung. Seinem Bruder Jacob schrieb er am 28. Juli 1813: „Es ist schade, daß sie etwas Vordringliches und Unangenehmes in ihrem Wesen hat [...] sie wollte durchaus brillieren und kam von einem ins andere.“ (159) Sein Verhältnis zu der Autorin war so zwiespältig, dass sie ihm sogar im Traum begegnete, wie er später einer seiner Cousinen schilderte (160):

„Sie war ganz in dunkle Purpurflamme gekleidet und zog sich einzelne Haare aus und warf sie in der Luft nach mir; sie verwandelten sich in Pfeile und hätten mich blind leicht machen können“.



Irmgard Roebling ist der Bedeutung dieses Traumes nachgegangen: Die Purpurflamme als Bekleidung der Droste „lässt sie als Inkarnation von Geist, Leben und Gefahr zugleich erscheinen“ (161), während ihre Haare als allgemein-kulturelle Metapher für Weiblichkeit „zu aggressiven Objekten entfremdet“ (162) werden, an denen der Träumer zu erblinden droht. „Die Traumsymbolik verrät deutlich, dass der Mann hier eine Bedrohung im zentralen Selbstwertgefühl erfährt“ (163) – durch eine gebildete, geistreiche Frau.

Die Droste litt unter der ablehnenden Haltung der Männer. Noch 47jährig erinnerte sie sich „voller Schmerzen an die ständigen Ermahnungen und Verhaltensvorschriften ihrer Onkel und deren Besucher, an die Vorhaltungen über ihr unweibliches, unbequemes Benehmen und die Beeinflussbarkeit der Mutter, die sich das Urteil der Verwandtschaft stets zu eigen machte“ (164).

Während in Frankreich die Saint-Simonistinnen (165) seit 1832 die vermutlich erste feministische Frauenzeitschrift „La femme libre“ – ein Forum für ihre Forderungen nach sozialer und rechtlicher Gleichstellung der Frau – herausgaben, wurden solche Bestrebungen im Nachbarland sogar von Autoren des Jungen Deutschland wie Karl Gutzkow „als die albernste Idee des Jahrhunderts“ (166) verworfen. Gutzkow und andere Jungdeutsche brachten den Begriff der Emanzipation vielmehr in Zusammenhang mit der von ihnen geforderten sexuellen Freizügigkeit, indem sie hierfür die Parole „Emanzipation des Fleisches“ ausgaben. Dies führte dazu, dass viele Frauen, die um ihre Gleichberechtigung kämpften, die Bezeichnung „Emanzipierte“ weit von sich wiesen.

Annette von Droste war im Standesdenken des westfälischen Adels tief verwurzelt; den Forderungen nach Abschaffung der adligen Privilegien, nach Völkerfreiheit und Pressefreiheit, diesen „bis zum Ekel gehörten Themas (!) der neueren Schreier“ (167) stand sie äußerst skeptisch gegenüber. Die Ideen der Jungdeutschen waren für sie „eine schwindelhafte Gesinnung, leeres Geschwätz und Irreführung der Menschen“ (168). Zwar war die Droste nie ein „politisierendes Frauenzimmer“ (169); über die politischen Ereignisse hielt sie sich aber stets auf dem laufenden. Auch die beginnende Frauenbewegung beobachtete die Dichterin aufmerksam und mit Misstrauen. Sie begriff das Engagement für Gleichberechtigung von Frauen und Männern ebenso als „Richtungslosigkeit“ (170) wie die vom Jungen Deutschland und den Vormärz-Lyrikern vertretenen Forderungen nach gesellschaftlicher Neuordnung.

Die Dichterin hing an der althergebrachten Ordnung, sie teilte in gewisser Weise die Angst vieler biedermeierlicher Deutscher vor Veränderungen, weil sie in ihren Augen möglicherweise mehr negative als positive Folgen für die Gesellschaft haben könnten. So setzte sie auch der Frauenemanzipation enge Grenzen, fürchtete, in der Frauenbewegung seien „ordnungsfeindliche Kräfte“ (171) am Werk. Sie hielt nichts von „Weiber[n]“, die „turnieren im Männerkleid“ (172). Die Dichterin versuchte stattdessen, ihren individuellen Freiheitsdrang „in eigener Zuständigkeit zu klären“ (173).

Den Begriff der „Emanzipation“ lehnte die Droste ab. Ihre Anmerkungen zu einer Novelle der Hohenhausen machen ihr äußerst zwiespältiges Verhältnis zur Frauenemanzipation deutlich (174):

„Streichen Sie, z. B. bey Erwähnung des Hegel nur das einzige Wort ,studirt‘ und setzen dafür ,gelesen‘, – Eine Dame, die auftritt als ,Hegelstudirende‘ macht auf der Stelle den Eindruck von Pretention – und dies liegt weit weniger im Hegel als im Studiren; [...] Derselbe Fall ist mit der ,Emancipation der Frauen‘, ihre Mutter legt zwar dem Worte einen ganz anderen Sinn unter, aber es wäre besser sie hätte sich zur Deutlichmachung ihrer Wünsche eines anderen Ausdrucks bedient, als des einmal verhaßten, der dem Bilde der Tante Traut gleich einen unangenehm männlichen Zug giebt (besonders mit dem Hegelstudiren vereint), den ihre vortrefflichen Eigenschaften späterhin kaum verwischen.“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, 9. April 1845).



Obwohl die Dichterin selbst Schwierigkeiten hatte, dem Weiblichkeitsideal zu entsprechen, hatte sie es doch verinnerlicht. Einerseits lehnte sie es ab, die „Rechte der Männer in ihrer Gesamtheit für die Frauen einzuklagen“ (175). Zugleich missbilligte sie aber die „von Männern mit stets wachsender Unmenschlichkeit dominierte gesellschaftliche Realität, in der Frauen das Recht verweigert wird, als Frau ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“ (176) Sie hielt Frauen eher als Männer für fähig, eine humane und (im Sinne eines gesitteten Zusammenlebens) geordnete Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Levin Schücking dokumentierte diese Auffassung der Dichterin in einem Brief an seine Verlobte Louise von Gall (177):

„In vielen Beziehungen halte ich die Frauen des Regierens für unfähig; worüber ich mich immer wütend mit der Droste gezankt habe, die meint, es könne eine Frauenregierung nur glückbringend sein ...“
(Levin Schücking, März 1843)



Anmerkungen zum Kapitel „Annette von Droste-Hülshoff in der literarischen Öffentlichkeit“




1) Woesler 1980, S. 996.

2) Woesler 1980, S. 996.

3) Wilhelm Gössmann, Annette von Droste Hülshoff. Ich und Spiegelbild. Zum Verständnis der Dichterin und ihres Werkes. Düsseldorf, 1985, S. 15.

4) Die Briefe der Annette von Droste-Hülshoff. Gesammelte Ausgabe. Hg. von Karl Schulte Kemminghausen, 2 Bde. Jena, 1944, hier Bd. I, S. 20f., 28f.

5) Briefe I, S. 280.

6) Briefe I, S. 358.

7) Briefe I, S. 280.

8) Briefe I, S. 291f.

9) Briefe I, S. 337f.

10) Briefe I, S. 338.

11) Briefe I, S. 338.

12) Walter Gödden, Ihr Leben, ihr Wesen, ihr Werk. In: Annette von Droste-Hülshoff. Wie sie lebte / Wie sie war / Was sie schrieb. Hg. von Rainer A. Krewerth. Münster, 1990, S.14–43, hierS. 40.

13) Woesler I, 1, S. 15.

14) Ebd., S. 20.

15) Ebd., 1, S. 28.

16) Karl Raab, Annette von Droste-Hülshoff im Spiegel der zeitgenössischen Kritik. Münster,1933, S. 12.

17) Ebd.

18) Woesler I, 1, S. 26.

19) Levin Schücking, Annette von Droste. Ein Lebensbild. Hannover, 1862. (Nachdruck Stuttgart, 1992), S. 62.

20) Woesler II, S. 1109.

21) Muschler, S. 20.

22) Woesler I, 1, S. 31.

23) Woesler I, 1, S. 35f.

24) Marezoll finanzierte mit der Zeitung den Lebensunterhalt für sich und ihre Schwestern; Adele Schopenhauer hatte die Droste um Unterstützung dieses Projektes durch literarische Beiträge gebeten. Die Dichterin war der Bitte gerne nachgekommen.

25) Woesler I, 1, S. 31.

26) Salmen 1987, S. 19.

27) Ursula Naumann (Hg.), „Mein lieb lieb Lies“. Briefe der Annette von Droste-Hülshoff an Elise Rüdiger. Frankfurt/Main [u. a.], 1991, S. 174.

28) Briefe I, S. 306.

29) Briefe II, S.17.

30) Briefe II, S. 39.

31) Viktor Zmegac (Hg.), Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 2 Bde. Königstein, 1978, Bd. 1, S. 248.

32) Walter Huge, Die Prosa der Droste im Urteil des 19. Jahrhunderts. In: Kleine Beiträge zur Droste-Forschung, 1974/75. Hg. von Winfried Woesler. Dülmen/Westf., 1974, S. 50–68, hierS. 51.

33) Huge 1974, S. 51.

34) Woesler I, 1, S. 35.

35) Briefe II, S. 61.

36) Briefe II, S. 78.

37) Briefe II, 107.

38) Briefe II, S. 109.

39) Ebd., S. 15.

40) Ebd., S. 90.

41) Bernd Kortländer, Zeitschriftenherausgeber an die Droste. Briefe aus der Autographensammlung der Dichterin. In: Kleine Beiträge zur Droste-Forschung, 1972/73. Hg. von Winfried Woesler. Dülmen/Westf., 1973, S. 100–118, hier S. 114.

42) Zitiert nach Naumann, S. 75f.

43) Vgl. Brief an Levin Schücking vom 17. Januar 1844. Briefe II, S. 268.

44) Briefe II, S. 368.

45) Woesler I, 1, S. 43f.

46) Woesler I, 1, S. 49.

47) Woesler I, 1, S. 52.

48) Ebd., S. 50.

49) Ebd., S. 56.

50) Briefe II, S. 77.

51) Woesler II, S. 1130.

52) Woesler I, 1, S. 13, 39, 49.

53) Zitiert nach Karl Schulte Kemminghausen / Winfried Woesler, Annette von Droste-Hülshoff. München, 1981, S. 34.

54) Ebd.

55) Brief an Jenny von Laßberg, 20. Dezember 1844. Briefe II, S. 368.

56) Briefe II, S. 381.

57) Woesler I, 1, S. 56.

58) Woesler I, 1, S. 63.

59) Vgl. Kortländer 1973, S. 116.

60) Monika Salmen, Das Autorbewusstsein Annette von Droste-Hülshoffs. Frankfurt/Main [u. a.], 1985, S. 28f.

61) Woesler II, S. 1003.

62) Gödden 1991, S. 8.

63) Der Nachruf erschien am 10. September 1848, knapp vier Monate nach dem Tod der Droste, im „Westfälischen Merkur“. Zitiert nach Woesler I, 1, S.118.

64) Betty Paoli, Zwei Dichterinnen. In: Dies., Nach dem Gewitter. Leipzig 1850.

65) Roebling, S. 41.

66) Gödden 1991, S. 31.

67) Doris Maurer, Annette von Droste-Hülshoff. Ein Leben zwischen Auflehnung und Gehorsam. Bonn, 1982, S. 14.

68) Annette von Droste-Hülshoff, Bei uns zu Lande auf dem Lande. In: Sämtliche Werke. Hg. von Clemens Heselhaus. München, 1966, S. 955.

69) Maurer, S. 16.

70) Schücking, S. 22.

71) Vgl. Hermann Hüffer, Annette von Droste-Hülshoff und ihre Werke. Gotha, 1887.

72) Vgl. Karl Busse, Annette von Droste-Hülshoff. Bielefeld [u. a.], 1903.

73) Marga Wilfert, Die Mutter der Droste. Eine literaturhistorische und psychologische Untersuchung in Hinblick auf die Dichterin. Diss. Münster, 1942.

74) Helma Scheer, Die Droste – ein androgynes Paradigma. Magisterarbeit 1982.

75) Annette von Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. Frankfurt/Main, 1988, S. 594.

76) Zitiert nach Fritz Böttcher, Frauen im Aufbruch. Frauenbriefe aus dem Vormärz und der Revolution von 1848. Darmstadt, 1979, S. 74.

77) Annette von Droste schilderte diese Begebenheit ihrer Tante Anna von Haxthausen in einem Brief vom März 1821; vgl. Briefe I, S. 61.

78) Zitiert nach Walter Gödden, Annette von Droste-Hülshoff. Leben und Werk. Eine Dichterchronik. Frankfurt/Main [u. a.], 1994, S. 259f.

79) Zitiert nach Maurer, S. 91.

80) Briefe I, S. 547f.

81) Briefe II, S. 109.

82) Vgl. Rita Rosen, Zur Bedeutung der Mutter-Tochter-Beziehung im Leben der Droste. In: Niethammer / Belemann 1993, S. 139–158, hier S. 154f.

83) Rosen, S. 154.

84) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. S. 325f.

85) Scheer, S. 7.

86) Rosen, S. 157.

87) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. S. 371.

88) Vgl. Briefe I, S. 358, 536; Briefe II, S. 61, 156, 368.

89) Vgl. Briefe I, S. 337.

90) Vgl. Briefe I, S. 131 (über „Das Hospiz auf dem großen St. Bernhard“ und „Des Arztes Vermächtnis“), S. 538 (über „Die Judenbuche“ und den zweiten Teil des „Geistlichen Jahres“)

91) Zitiert nach Gödden, 1991, S. 48.

92) Anna Brandes, Adele Schopenhauer in den geistigen Beziehungen zu ihrer Zeit. Frankfurt/Main, 1929.

93) Heinrich Hubert Houben, Die Rheingräfin. Das Leben der Kölnerin Sibylle Mertens-Schaaffhausen. Essen, 1935.

94) Annelinde Esche, Elise Rüdiger geb. von Hohenhausen. Ein Bild ihres Lebens und Schaffens. Emsdetten, 1939.

95) Mary Lavater-Sloman, Annette von Droste-Hülshoff. Einsamkeit und Leidenschaft. München, 1950, S. 56f.

96) Vgl. Lavater-Sloman, S. 57.

97) Lavater-Sloman, S. 50.

98) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 96ff. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „Katharine Schücking“ nach dieser Ausgabe zitiert.

99) Bodo Plachta, Widmungsgedichte der Droste an schreibende Frauen. In: Sprachkunst 18, 1987, 2. Halbbd. Wien, 1987, S. 169–180, hier S. 174.

100) Plachta 1987, S. 174.

101) Ebd.

102) Lavater-Sloman, S. 78f.

103) Brief vom 4. September 1843. Briefe II, S. 221.

104) Vgl. Berglar, S. 51.

105) Gödden 1993, S. 93.

106) Maurer, S. 67.

107) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. S. 153f. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „Nach fünfzehn Jahren“ nach dieser Ausgabe zitiert.

108) Vgl. Briefe I, S. 139f.

109) Zitiert nach Clemens Heselhaus, Annette von Droste-Hülshoff. Werk und Leben. Düsseldorf, 1971, S. 78.

110) Christa Kalthoff-Pticar, Annette von Droste-Hülshoff im Kontext ihrer Zeit. Briefliche Zeugnisse zum Zeitgeschehen und zum Selbstverständnis der Dichterin. Frankfurt/Main, 1988, S.32.

111) Maurer, S. 73.

112) Gödden. In: Krewerth (Hg.), S. 35.

113) Zitiert in einem Brief der Droste an Schücking vom 15. November 1842. Briefe II, S. 107.

114) Zitiert nach Gödden 1991, S. 47.

115) Maurer, S. 74.

116) Zitiert nach Maurer, S. 74.

117) Heselhaus 1971, S. 81.

118) Vgl. Kortländer, Annette von Droste-Hülshoff und die deutsche Literatur. Kenntnis, Beurteilung, Beeinflussung. Münster, 1979, S. 340f.

119) Briefe II, S. 124.

120) Vgl. Gödden, Ein neues Kapitel Droste-Biographie. Die Freundschaft der Droste mit Anna von Haxthausen und Amalie Hassenpflug in ihrem biographischen und psychologischen Kontext anhand neuen Quellenmaterials. In: Droste-Jahrbuch 1 (1986/87), S. 157–172, hier S. 164.

121) Briefe I, S. 316f.

122) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. S. 129f. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „Locke und Lied“ nach dieser Ausgabe zitiert.

123) Claudia Belemann, Verzweifelte Nonne oder forschende Norne? Zur Ausgrenzung weib-licher Traditionsbildung in der Droste-Rezeption. In: Niethammer / Belemann (Hg.), S.91–103, hier S. 92.

124) Vgl. Kortländer 1979, S. 318.

125) Walter Nigg, Wallfahrt zur Dichtung. Annette von Droste-Hülshoff, Jeremias Gotthelf, Nikolai Gogol. Zürich [u. a.], 1966, S. 22.

126) In einem Brief vom 4. September 1843; zitiert nach Naumann, S. 80.

127) Zitiert nach Naumann, S. 137.

128) Briefe II, S. 102.

129) Zitiert nach Naumann, S. 98.

130) Vgl. Kortländer 1979, S. 320.

131) Belemann, S. 98.

132) Salmen 1985, S. 61.

133) Belemann, S. 100.

134) Elise von Hohenhausen, Annette Freiin von Droste-Hülshoff, Dichterin zu Meersburg am Bodensee. In: Nekrolog der Deutschen. Weimar 1850, zitiert nach Woesler I, 1, S. 126.

135) Belemann, S. 100.

136) Ebd. Vgl. auch Levin Schücking, Annette von Droste. Eine Charakteristik. In: Vom Rhein, Essen 1847; zitiert nach Woesler I, 1, S. 57ff. Annette von Droste hatte die Veröffent-lichung dieses biographischen Aufsatzes noch kurz vor der Drucklegung zu verhindern versucht.

137) Levin Schücking, Annette von Droste. In: „Kölnische Zeitung“ Nr. 34, 8. November 1852; zitiert nach Woesler I, 1, S. 142.

138) Zitiert nach Norgard Kohlhagen, „Sie schreiben wie ein Mann, Madame!“ Schriftstellerinnen aus zwei Jahrhunderten. Hamburg, 1993, S. 33f.

139) Vgl. Walter Gödden, Stationen der Droste-Biographik. In: Droste-Jahrbuch 2 (1988–90). Hg. von Winfried Woesler. Paderborn, 1990, S. 126.

140) Gödden, Stationen der Droste-Biographik, S. 127.

141) Raab, S. 96.

142) Brief an Elise Rüdiger; zitiert nach Naumann, S. 142.

143) Belemann, S. 92.

144) Ortrun Niethammer, Die programmatischen Einleitungsgedichte zur 1844er Gedichtausgabe der Droste. In: Niethammer / Belemann, S. 55–62, hier S. 56.

145) Belemann, S. 103.

146) Ebd.

147) Niethammer, S. 56.

148) Zitiert nach Naumann, Gedichte von Annette von Droste-Hülshoff an Elise Rüdiger und Henriette von Hohenhausen. In: Dies. (Hg.), „Mein lieb lieb Lies“, S. 248.

149) Ztiert nach Naumann, S. 249.

150) Ebd., S. 79.

151) Roebling, S. 42.

152) Vgl. Lavater-Sloman, S. 27.

153) Maurer, S. 31.

154) Nigg, S. 28.

155) Maurer, S. 31.

156) Zitiert nach Karl Schulte Kemminghausen, Neue Droste-Funde. In: Westfalen 5, 1932, S.151–173, hier S. 151ff..

157) Zitiert nach Maurer, S. 29f.

158) Vgl. Maurer, S. 30.

159) Zitiert nach Berglar, S. 33.

160) Zitiert nach Roebling, S. 42.

161) Ebd.

162) Ebd.

163) Ebd.

164) Maurer, S. 45.

165) Ursprünglich Frauen aus dem Kreis um Claude-Henri de Saint-Simon (1760–1825), die die Emanzipation der Frau als wesentliche Voraussetzung für eine positive Veränderung der Gesellschaft betrachteten.

166) Karl Gutzkow, Die Philosophie der Geschichte. Zitiert nach: Chronik der Frauen, S. 331.

167) In einem Brief an Elise Rüdiger vom Januar 1846; zitiert nach Naumann, S. 182.

168) Nigg, S. 102.

169) Ebd., S. 99.

170) Plachta 1987, S. 178.

171) Ebd.

172) „Der Strandwächter am deutschen Meere und sein Neffe vom Lande“, Vs. 19. In: Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 199ff.

173) Gössmann 1985, S. 205.

174) In einem Brief an Elise Rüdiger vom 9. April 1845. Briefe II, S. 386.

175) Plachta 1987, S. 178.

176) Ebd., S. 179.

177) Muschler, S. 216.


III. Das Frauenbild Annettes von Droste-Hülshoff im Spiegel ihrer Werke



Die junge Droste



Die allgemeine Erwartungshaltung der restaurativen Öffentlichkeit gegenüber Frauen, mehr aber noch die Rücksicht auf ihre Familie und deren Standeskonventionen erlaubten es der Dichterin nicht, ein relativ unabhängiges Leben wie beispielsweise Bettine von Arnim oder Rahel Varnhagen zu führen. Schon in jungen Jahren war Annette von Droste stets um einen Ausgleich der Interessen bemüht; ihr Leben, obgleich es äußerlich ereignislos erscheint, stand deshalb schon früh unter einer ständigen Spannung.

Zwar gelang es ihr später, sich kleinere Freiräume zu erkämpfen – etwa, indem sie ohne mütterliche Aufsicht an den Rhein reiste oder einen unbeschwerten Winter mit Levin Schücking in Meersburg verbrachte. Sie fürchtete aber ständig, ihre „ganze so langsam und mühsam erkämpfte Freiheit (insofern ich die passive Nachsicht der Meinigen mit meiner Weise zu sein und mich zu den Menschen zu stellen so nennen darf)“ (1) zu verlieren.

In ihren Versen fand die Dichterin die innere Unabhängigkeit, um die sie im Alltag so mühsam kämpfen musste. Obwohl auch ihr Dichten unter Aufsicht stattfand, nahm sich Annette von Droste die Freiheit, ihre Sehnsüchte, Wünsche und Ansichten poetisch zu verarbeiten, auch wenn diese nicht immer den Konventionen genügten. „Wer genau hinschaut“, stellt Ursula Homann fest, „entdeckt in ihren Versen zaghafte Versuche, die eigene Rolle zu unterlaufen.“ (2) Aber auch die Verinnerlichung gesellschaftlicher Normen und eine fast unterwürfige Anpassung klingen in ihren Werken an.

Annette von Droste-Hülshoff war 16 Jahre alt, als sie sich 1813 an einem Drama versuchte. Geplant waren drei Aufzüge; die Dichterin schrieb jedoch nur eineinhalb Akte. Das Fragment gebliebene Stück trägt den Titel „Bertha oder Die Alpen“. Interessant sind im Zusammenhang mit der Frage nach dem Frauenbild der jungen Dichterin vor allem die Charakterisierungen der weiblichen Hauptfiguren. Ich gebe zunächst einen kurzen Überblick über den Gang der Handlung:

Die Titelfigur Bertha, Tochter des Reichsgrafen Adalbert von Löwenstein, hat sich in den Schweizer Musikanten Eduard Felsberg verliebt, der auf dem Landsitz ihrer Eltern zu Gast ist. Felsberg erwidert ihre Gefühle, doch beide sind sich der Standesunterschiede bewusst, die eine Verbindung unmöglich machen. Löwenstein hat zudem bereits die Heirat seiner Tochter Bertha mit einem Grafen arrangiert, die seinen Karriereplänen dienlich ist.

Die Dichterin hat fünf weibliche Hauptfiguren entworfen, die jede einen bestimmten Frauentyp darstellen. Neben der Titelheldin treten ihre Mutter (die Reichsgräfin), ihre Schwester Cordelia, die Cousine Laurette sowie deren Mutter, die Ministerin, auf.

Die Ministerin, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter bei der Verwandtschaft Löwenstein zu Besuch ist, wird im Laufe des Stückes als oberflächliche, egoistische und außerordentlich ehrgeizige Frau geschildert. Energisch verfolgt sie das Ziel, ihre Tochter Laurette zur Königin zu machen. Als diese sich im Garten von der Sonne bräunen lassen will, weist ihre Mutter sie zurecht und offenbart dabei ihre ehrgeizigen Pläne: „Du bist so zart, so weiß und rot, ich dachte / Dich als des Hofes Königin zu schauen, / Mit deiner Schönheit alle überstrahlend. / Und nun willst meine Freude du vereiteln, / Willst meines Herzens einz'gen Wunsch zerstören?“ (3)

Die Ministerin hat sich den höfischen Normen angepasst; sie beteiligt sich an dem höfischen Intrigenspiel, das Laurette ihren Cousinen anschaulich schildert. Sie hinterfragt ihre Rolle als Frau an der Seite des Ministers, von dem sie sich widerstandslos zurechtweisen lässt, in keiner Weise. Die ihr zugewiesenen Funktionen erfüllt sie gewissenhaft und findet offensichtlich Gefallen an ihrer Frauenrolle.

Die Reichsgräfin wird als pflichtbewusste Mutter von Bertha und Cordelia geschildert. Auch sie achtet darauf, die Grenzen ihrer weiblichen Sphäre nicht zu verletzen. Im Gegensatz zur Ministerin leidet die Reichsgräfin unter dem herrschenden Frauenideal, das sie zur Untertanin ihres Mannes macht. Ihre gedankliche Auflehnung gegen ihn spricht sie jedoch nur aus, als sie allein und sehr aufgebracht ist: In einem Monolog offenbart sie ihre wahren Gefühle gegenüber ihrem Mann und den gesellschaftlichen Zwängen:

„Nur bittre Stunden gabst du mir! Du hast
Den Leidenskelch gefüllt mir dargereicht,
Und ohne Murren trank ich ihn, doch schon'
O schone meines zarten Kindes! Ha!
Es ist auch dein Kind, dein Blut! Doch es ist
Ja jegliches Gefühl in dir erstorben,
Kann wohl noch Vaterliebe in dir wohnen?
Zum wüt'gen Tiger habt ihr mich gesellt,
Ihr, die ich Eltern nannte. Kein Erbarmen
In Eurer Brust! Endloser Marter gabt
Ihr kalt mich hin! O, hätt' ich lieber doch
Den Tod erduldet!“

Diese Offenheit vor sich selbst ist jedoch nur von kurzer Dauer. In ihren Töchtern versucht die Reichsgräfin die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben frühzeitig zu unterdrücken, um ihnen die Enttäuschung und Verbitterung zu ersparen, mit der sie selbst zu leben gelernt hat. Gegenüber Bertha schlüpft die Mutter sogleich wieder in ihre demütige Frauenrolle, verteidigt sie sogar und vertritt im Dialog mit der Tochter ein Ideal von Weiblichkeit und Männlichkeit, das der Restaurationszeit entspricht. Während Bertha für sich das Recht in Anspruch nimmt, an Bildung und geistiger Betätigung teilzuhaben und zugleich den Männern Gefühl und Sinn für die Schönheit der Natur zugesteht, versucht die Mutter, ihr eine solche Auffassung auszureden:

„Reichsgräfin. [...] nicht zu vergleichen ist der Sinn
Des zarten Weibes mit des Mannes Geist. [...]
Bertha. [...] O sie sindNicht alle so, die Männer! Nein, gewiß,
Nicht alle. Mancher faßt in voller Brust
Sie noch, die heil'gen Freuden der Natur,
Und gibt mit ganzer Seele sich der Lust,
Die aus dem Schönen ihm entsprießt. Nicht wahr,
Es gibt noch deren, Mutter? Saget ja,
Ich bitt' Euch, sonst – ich kann nicht anders – muß
Ich dies Geschlecht verachten.“

Die Reichsgräfin, die noch kurz zuvor die Lieblosigkeit ihres Mannes beklagt hat, weist ihre Tochter schroff zurecht:

„Reichsgräfin (unwillig). Töricht Kind,Wohl gibt's, bestrahlt von feindlichem Gestirn,
Der Unglückssöhne, denen Weibersinn
Gab die Natur und das Geschlecht versagt,
Die unstet wankend in des Schicksals Hauch
Nicht der Empfindung raschen Strom besiegen,
Daß hin er reißt die schwache Beute, sie
Zerschellt am nächsten Felsen.“

Der Dialog zwischen Mutter und Tochter zeigt, dass die Reichsgräfin nach dem kurzen Ausbruch ihrer Gefühle wieder zu Gehorsam und Demut gegenüber Mann und Konventionen zurückgefunden hat und die ihr vorgegebenen Verhaltensmuster nicht verlässt. Sie ist nicht in der Lage, sich aus ihrem passiven, leidvollen Dasein zu befreien; sie orientiert sich an der traditionellen Entgegensetzung von „männlichen“ und „weiblichen“ Eigenschaften und richtet ihr Handeln danach aus. Überschneidungen zwischen männlichem und weiblichem Verhalten verurteilt sie scharf: Männer, die nicht ihrem Idealbild entsprechen, gelten in ihren Augen als weibisch und sind „Unglückssöhne“; Frauen, die ihre Grenzen überschreiten (wie Bertha), müssen auf den richtigen Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Zudem bewertet sie männliche Charakterzüge höher als weibliche Eigenschaften. Eine wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter hat in der Vorstellungswelt der Reichsgräfin keinen Raum.

Berthas Schwester Cordelia verkörpert das von ihrer Mutter definierte Frauenideal. Sie wird als stille, demütige, bescheidene und ängstliche junge Frau geschildert, die ihre weibliche Rolle ohne Widerstand annimmt. Cordelia hegt keine Zweifel an ihrer Lebensform, sie zeigt sich gegenüber den Eltern wie den gesellschaftlichen Konventionen stets gehorsam. Sie ist häuslich und fleißig, von ihrer Cousine Laurette wird sie darum spöttisch „Hausmütterchen“ genannt. Mit ihrer vom Vater arrangierten Verheiratung findet sie sich schnell ab und bereitet sich darauf vor, ein Leben im Schatten ihres zukünftigen Mannes zu führen.

Cordelia wurde im Kloster erzogen. Sie hat sich die Lebensanschauung und das Geschlechterbild ihrer Äbtissin zu eigen gemacht:

„Der Muth und edle Freyheit ziert den Mann
Allein dem Weibe ziemet Sittsamkeit
So sagte oftmals die hochwürd'ge Frau,
Beym wilden Hofgetümmel König Carls
Da baut ich meine eig'ne kleine Welt [...]
In meinem Reiche [...] bey meinem Rahmen
Und so erhielt ich meine Seelenruh‘.“

Die junge Frau sieht sich selbst als mit einem „Gemüth“ ausgestattet, „das keine bange Sorge kennt / Und nur im Kreise holder Häuslichkeit / Für sich und seine stillen Pflichten lebt“. Cordelia glaubt wie ihre Mutter, dass Bertha sich von ihrer weiblichen Bestimmung entfernt habe und auf den richtigen Weg zurückgeführt werden müsse. Zu Beginn des Dramas versucht sie, ihre ernste, immerzu nachsinnende Schwester zu weiblichen Beschäftigungen wie Handarbeit zu bewegen; diese zeigt jedoch keinen Sinn dafür. Cordelia wird daraufhin energisch:

„Zu männlich ist dein Geist, strebt viel zu hoch
Hinauf, wo dir kein Weiberauge folgt;
Das ist's, was ängstlich dir den Busen engt
Und dir die jugendliche Wange bleicht.
Wenn Weiber über ihre Sphäre steigen,
Entfliehn sie ihrem eig'nen bessern Selbst:
Sie möchten aufwärts sich zur Sonne schwingen
Und mit dem Aar durch duft'ge Wolken dringen
Und stehn allein im nebelichten Tal.
Wenn Weiber wollen sich mit Männern messen,
So sind sie Zwitter und nicht Weiber mehr
.Zwar bist du, Bertha, klüger viel wie ich,
Denkst tiefer viel, bist älter auch an Jahren,
Doch glaube dieses Mal nur meinen Worten,
Das gute Weib ist weiblich allerorten.“

Laurette, die Cousine, wird als „kalt und freudlos“ beschrieben. Sie gleicht ihrer Mutter, ist ebenso ehrgeizig und legt großen Wert auf Äußerlichkeiten. Eine Charakterisierung Laurettes erfährt man durch Cordelia, der die Cousine „recht artig“ erscheint, „recht wohlerzogen / Und auch recht lieb und hold. Im Anfang zwar / Schien zu verschlossen mir ihr Blick, nicht gnugsam offen / Die Miene und zu überdacht die Worte“. Während Cordelia ihr Misstrauen verloren hat, bleibt Bertha ihrer Cousine gegenüber skeptisch: „Es widersteht mir wirklich ihr Gesicht“.

Laurette schildert – scheinbar empört – das intrigante Leben am Hofe und die Eitelkeit der dort lebenden Menschen und zeichnet damit in Wahrheit ihr eigenes Abbild. Später erfährt man durch ihre Mutter, dass Laurette selbst „so eitel ja, / Wie sonst am Hofe keine“ ist; sie intrigiert im Laufe des Dramas selbst, wenn sie versucht, Eduard Felsberg für sich zu gewinnen. Laurette verfolgt dieses Ziel jedoch nicht aus Liebe, sondern weil sie es nicht ertragen kann, dass der Musikant ganz offensichtlich Bertha ihr vorzieht:

„Er würdigt mich nicht eines Blicks, Der Stolze, und so trunken hing noch gestern
Sein Aug' an Berthas dämmernder Gestalt.
Ihr wähnt Euch unbemerkt, Ihr Sichern. Ha!
Ihr kennt nicht mein durchdringend helles Schaun. [...]
Begnüge dich mit deinen Phantasien,Verrückte Schwärmerin, und überlaß
Gescheitern Leuten dieses Mannes Liebe.
Was red' ich? Lieb' ich ihn? (Nachsinnend)
Nein, wahrlich nicht!
Ich fühl' es klar, ich lieb' ihn nicht, doch ist's
Verdrießlich mir, daß solch ein stolz Gemüt
Sich fesseln läßt von solcher schwachen Hand.“

Laurette entlarvt sich in diesem längeren Monolog als berechnende und eitle Frau. Zwar ist sie nicht von passiver Hingabe wie Cordelia, sondern von listiger Tatkraft. Sie sucht aber ebenfalls die männliche Anerkennung und steht der ihr vorgeschriebenen Frauenrolle kritiklos gegenüber.

Die Protagonistin Bertha wird als gebildete, phantasievolle und ernste junge Frau dargestellt. Sie beweist einen höheren Wissensstand als ihr Bruder Ferdinand, wenn sie über die Zeit des Kaisers Karl spricht, und der Bruder sich an den Vater wenden muss: „Ist's wahr, mein Vater?“ Bildung und schöne Künste sind für Bertha überaus wichtig; sie will sich nicht damit abfinden, dass diese Lebensbereiche den Männern vorbehalten sein sollen. Für sie ist es selbstverständlich, dass eine Frau ihren Geist beschäftigt. Gegenüber ihrer Mutter muss sie sich dafür verteidigen:

„Reichsgräfin. Doch so allein in deiner Kammer, nur
Von Bildern deiner wilden Phantasie
Umschwebt und denen, die du etwa dir
Gesogen aus den düsteren Legenden
Der alten Fabelzeiten, sieh, das zieht
Hinweg dich aus des Lebens stillem Kreise, [...]
Bertha (Feurig). Und was wär' die Welt, wenn nicht
Der Odem der Begeistrung sie durchwehte?
Was Großes, Schönes nur das Erdrund hält,
Geht aus von ihr, ist der Begeistrung Kind.
Reichsgräfin. Sie wirkt verschönernd in des Mannes Hand,
Und wirkend bringt das Große sie hervor.“

Im Gegensatz zu Laurette macht sich Bertha nichts aus dem Liebeswerben von Männern, für die sie nichts empfindet. Den Grafen Reihersdorf, mit dem ihr Vater sie verheiraten will, lässt sie kurzerhand stehen, weil sie in dessen selbstgefälligem Reden „die Albernheit / Nicht mehr ertragen [...]“ kann.
Von ihrer Schwester wird Bertha als klüger und erfahrener, als „ernst und still gedankenvoll“ beschrieben. Die häuslichen Betätigungen Cordelias genügen ihr nicht:

„Cordelia. Laß deine Hand die feine Nadel führen,
Und unter ihr entblüh' ein schönes Bild,
Wenngleich im Anfang dir es widerstrebt
Und dich hinwegreißt von dem blanken Rahmen; [...]
Bertha. Sind deine seidnen Fäden stark genug
Aus finsterm Bergschacht den versunknen Schatz
Hinauf ans helle Tageslicht zu ziehn? [...]
Bei deinem farbigen Gewebe kann
Ich keine Ruhe finden; ganz allein
In meinem stillen Träumen liegt mein Glück.
Ich hab' auch meine schönen, zarten Bilder,
Doch trag' ich in dem vollen Herzen sie
Und nicht auf Schirmen und buntfarb'gen Kleidern.“

Der Grundkonflikt, die unerfüllbare Sehnsucht Berthas nach einem unabhängigen, selbstbestimmten Leben, ihr Ideal von Frauen und Männern, das der Realität nicht zu entsprechen scheint, und die daraus folgende Ausweglosigkeit ihrer Situation, klingt bereits in dem Harfengesang der ersten Szene an. Die Protagonistin offenbart darin ihren Seelenzustand: „Wie ist mir so weh, was durchbebt mir die Brust / Mit unbekanntem Verlangen! / Es füllt mir die Seele mit inniger Lust / Und doch mit unendlichem Bangen.“

Die Harfe, in der Regel von Töchtern aus höheren Schichten gespielt, wurde im 19. Jahrhundert hauptsächlich als Orchesterinstrument, besonders in der dramatischen Musik, eingesetzt. Sie übernahm darin unter anderem die musikalische Darstellung von Apotheosen, also Vergöttlichungen, Entrückungen in andere, höhere Sphären.
Berthas Harfengesang führt gleich zu Beginn in den Grundkonflikt des Dramas ein; die erste Szene lässt sich auch als „Exposition in der Exposition“ betrachten. Was die Harfe ihr bedeutet, schildert Bertha ihrer Schwester und Laurette mit den Worten:

„Ja, meine Harfe ist mir jetzt mein alles,
Sieh, wenn der Schmerz die Seele mir durchzittert,
Dann spielt mein Finger in der Harfe Saiten,
Und ihr entschwebt ein klagender Gesang.
In Tränen löst sich auf der tiefe Schmerz,
Und lispelnd hallt ihr silberheller Klang
Mir sanften Frieden in das kranke Herz.“

Cordelia dagegen glaubt, dass der Harfenklang die schmerzvollen Empfindungen in Bertha erst weckt:

„O, deine Harfe, o, die mordet dich
Und tönt mit ihren silberhellen Saiten
Dir diese Träume in dein banges Herz!“

Bertha verteidigt ihr Instrument wie eine enge Freundin und betont noch einmal:

„Sieh, meine Harfe ist mir jetzt mein alles,
Das, was dir deine farb'gen Bilder sind;
Sie tönt mir Ruh' in meine kranke Seele
Und tauet Balsam in die Wunden mir. [...]
Ich bitte, Cordchen, laß mir meine Freude!“

Für Cordelia ist der Harfenklang ein „süßes Gift“, für Bertha bedeutet er die Freiheit der Gedanken. Als Laurette und Cordelia sich über „weibliche“ Betätigungen (die Stickarbeit Cordelias) unterhalten, wirkt Bertha abwesend; sie beteiligt sich nicht an dem Gespräch, sondern lehnt sich gedankenverloren an ihre Harfe, als suche sie daran Halt.

Sie kann die Rollenerwartung, die von Männern wie von Frauen an sie gestellt wird, nicht erfüllen. Dies stürzt sie in den inneren Konflikt, einerseits ihrem Pflichtgefühl und ihrem anerzogenen Gehorsam gegenüber den Eltern nachzukommen zu wollen und andererseits ihre Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit zu stillen. Beides ist für sie unvereinbar. Ihrer Schwester Cordelia gegenüber gesteht sie:

„O Teure, oft seh' ich dein ruh'ges Leben,
Dein frommes, unschuldiges, stilles Wandeln
Mit trüben Blicken an und möchte gerne
Dir gleichtun, aber, ach, ich kann es nimmer!
Mein Geist ist unstet, und hinweggezogen
Wird er gewaltsam wie von Meereswogen.“

Da Bertha nicht dem herrschenden Frauenideal entspricht und auch ihre Auffassung von Männern, wie im Dialog mit der Mutter deutlich wird, vom allgemeinen Männerideal abweicht, fühlt sie sich unverstanden und verunsichert. Sie flüchtet vor der Realität in die Musik, in Geschichte und Kunst, vor allem aber in ihre Welt der Phantasie, denn für ihre Probleme sieht sie in der Gegenwart keine Lösung. Zuletzt steigert sie sich in eine Todessehnsucht hinein, da ihr das Sterben als letzter Ausweg erscheint.

Im Umgang der männlichen Hauptfiguren mit den Frauen zeigt sich deren Dominanz im streng patriarchalen Gesellschaftssystem der Restaurationszeit. Als sich der Reichsgraf und der Minister in der dritten Szene über Kunstwerke unterhalten und ihre Gattinnen zum Teil abweichende Meinungen äußern, werden diese schroff zurechtgewiesen: „Du kommst vom Text, das paßt hier nicht hinein“. Auch der junge Ferdinand, obgleich weniger gebildet als Bertha, ist sich seiner privilegierten Stellung gegenüber den Schwestern bewusst und verhält sich entsprechend überheblich, wenn er Cordelia einfach unterbricht: „[...] und nun schweig ein wenig“.

Annette von Droste bewertet die Ministerin und deren Tochter eindeutig negativ. In den Regiebemerkungen charakterisiert sie Laurette als „auffahrend“, „boshaft“, nach außen hin stets lächelnd, dabei „für sich voll Ingrimm“. Ihre Mutter, vom Ehemann als „gespenstisch bleich, gleich abgelegten Schatten [...] gelb und abgewelkt“ beschrieben, versucht nur halbherzig, ihren Ehrgeiz zu verbergen. Sie stellt ihre Tochter bewusst vor anderen bloß, was diese „verlegen“ und „erzürnt“ macht. Laurette selbst sucht sich die vermeintlich schwächere Bertha als Opfer ihrer ehrgeizigen Pläne aus. Beide – Laurette und ihre Mutter – verkörpern den Frauentyp der intriganten, eitlen Hofdame.

Die Reichsgräfin, deren wahre Gefühle sich nur dem Publikum offenbaren, ist „erschüttert“, als sie sich ihr Leben offen und klar vor Augen führt. Sie muss sich selbst Mut machen, um in der bisherigen Form als gehorsame Gattin weiterleben zu können; die Regiebemerkung „sich ermutigend“ nach dem Monolog deutet darauf hin.

Cordelia wird als hilfsbereite und liebende Tochter und als engste Freundin Berthas dargestellt. Sie bemerkt die Seelenqualen ihrer Schwester als erste und versucht, sie von ihren trüben Gedanken abzulenken. Cordelia kennt und versteht jedoch die Sehnsucht, das „unbekannte Verlangen“ Berthas nicht, ihre gutgemeinten Ratschläge können dieser nicht helfen. In ihrer stillen und bescheidenen Art erinnert sie stark an Jenny, die Schwester der Dichterin.

Die Sympathie Annettes von Droste liegt bei der Titelfigur. Bertha erkennt, dass ihre Frauenrolle sie einschränkt und ihr die Gestaltung ihres Lebens aus der Hand nimmt; als einzige der weiblichen Charaktere des Dramas wehrt sie sich gegen diesen Zwang. Sie stößt überall an Grenzen, die ihrem Geschlecht gezogen sind. Bertha selbst kann das Ziel ihrer Sehnsüchte nicht eindeutig formulieren; das Drama beschreibt diese Wünsche, indem sie sie auf Berthas Bruder Ferdinand überträgt. Dieser findet Verständnis, als es ihn zu Abenteuern in ferne Länder drängt:

„Laßt mich hinaus; mir wird die Burg zu enge,Und draußen winkt das Leben nur dem Kühnen; [...]Minister. [...] Daß dir ein feurig Herz im Busen schlägt,Daß dich's hinaustreibt in die weite Welt,Das fass' ich wohl, auch freut's mich, denn es deutetAuf tät'ges Wirken im gereiften Mann.“

Dem jungen Mann wird gestattet, was man Bertha verwehrt, nämlich, seine Wünsche nach Unabhängigkeit und Abenteuer auszusprechen. Hier wird auch die Sehnsucht Berthas beschrieben, zugleich legt der letzte der zitierten Verse einen derartigen Wunsch als „männlichen“ Wesenszug fest.

Die Autorin wählte die geschlossene Form des Dramas; die Handlung ist auf eine kleine Anzahl von Figuren konzentriert. Die Szenen folgen dem chronologischen Ablauf des Geschehens, der Ort der Handlung – das Landgut Löwenstein – bleibt stets derselbe. Die Figuren gehören dem höheren Adel, also einer geschlossenen gesellschaftlichen Schicht an. Zwar kommen auch Angehörige niedriger Schichten vor, jedoch nur in Form von Bediensteten, die den höheren Status der Hauptpersonen noch mehr betonen. Die einzige Ausnahme bildet hier Berthas Amme Katharina. Sie und Bertha führen in der achten Szene des ersten Aktes einen längeren Dialog, in dem man über die Art ihrer Beziehung informiert wird. Dies ist zugleich die einzige Szene, in der Standesbarrieren – an mehreren Stellen des Dramas thematisiert – keine Gültigkeit haben. Nur Bertha ist dazu imstande, sie zu vergessen – ihre Mutter hat sich entfernt, als der Besuch der Amme angekündigt wurde. Nur die Titelfigur kann die geschlossene Gesellschaft, der sie angehört, zumindest zeitweise verlassen. Ihr Gespräch mit der Amme, das den herzlichen, freundschaftlichen Charakter ihres Verhältnisses zeigt, wird in einer eher legeren, volksnahen Sprache geführt, die den adligen Verwandten Berthas fremd, ihr selbst aber geläufig ist.
Die geschlossene äußere Form des Dramas korrespondiert mit der in sich geschlossenen Adelsgesellschaft und darin wiederum mit einer Entgegensetzung von Weiblichkeit und Männlichkeit, die für jeden Menschen einen bestimmten, seinem Geschlecht entsprechenden Platz vorsieht. Grenzüberschreitungen – zwischen den Ständen wie zwischen den Geschlechtern – sind tabu.

Der erste Akt, bestehend aus zwölf Szenen, kann als Exposition betrachtet werden. Alle Hauptfiguren treten auf und werden hinreichend charakterisiert; die Dichterin stellt in ihnen verschiedene Lebensformen und -anschauungen gegenüber (weibliche Demut und weiblichen Freiheitsdrang, höfisches und Landleben, Bescheidenheit und stolze Eitelkeit). Zwei Handlungsstränge entwickeln sich – die unglückliche Liebe zwischen Bertha und Eduard Felsberg und die politische Intrige des Reichsgrafen, über die man in der zwölften Szene Näheres erfährt – und verknüpfen sich am Ende des ersten Aktes, in dem Bertha zum Spielball der intriganten Karrierepläne ihres Vaters wird.

Die Titelfigur des Romans hat viele Charakterzüge und Eigenschaften der Dichterin. Bertha leidet, ebenso wie die Autorin, unter einer „schwächlichen Gesundheit“. Beide sind Angehörige einer Landadelsfamilie, deren starre Konventionen ihr Leben einengen. Auch die Dichterin flüchtet sich in eine Welt der Phantasie, sie unternimmt weite Spaziergänge, wendet sich der Musik und der Literatur zu.

In der Protagonistin werden Konflikte thematisiert, die bereits die 16jährige Annette von Droste quälten. Das Pflichtgefühl besonders der Mutter gegenüber einerseits und das Drängen nach Bildung, nach Reisen in fremde Länder, nach mehr Selbstbestimmung und größerer Unabhängigkeit auf der anderen Seite beherrschten das Leben der jungen Dichterin schon früh. Als ihr Onkel Werner von Haxthausen aus Wien zurückkehrte, wo er 1815 am Kongress teilgenommen hatte, beneidete die Droste ihn glühend um seine Erlebnisse in der großen Welt der Politik und Geselligkeit. Im Februar 1819 gestand sie ihrem damaligen literarischen Mentor Anton Mathias Sprickmann ihr „wunderliches, verrücktes Unglück“ (4):

„Entfernte Länder, große, interessante Menschen, von denen ich habe reden hören, entfernte Kunstwerke und dergleichen mehr haben alle diese traurige Gewalt über mich. Ich bin keinen Augenblick mit meinen Gedanken zu Hause, wo es mir doch sehr wohl geht; und selbst wenn Tage lang das Gespräch auf keinen von diesen Gegenständen fällt, seh' ich sie jeden Augenblick, wo ich nicht gezwungen bin, meine Aufmerksamkeit angestrengt auf etwas andres zu richten, vor mir vorüberziehn, und oft mit so lebhaften, an Wirklichkeit grenzenden Farben und Gestalten, daß mir für meinen armen Verstand bange wird. Ein Zeitungsartikel, ein noch so schlecht geschriebenes Buch, was von diesen Dingen handelt, ist imstande, mir die Tränen in die Augen zu treiben; und weiß gar jemand etwas aus der Erfahrung zu erzählen, hat er diese Länder bereist, diese Kunstwerke gesehn, diese Menschen gekannt, an denen mein Verlangen hängt, und weiß er gar auf eine angenehme und begeisterte Art davon zu reden, o! mein Freund, dann ist meine Ruhe und mein Gleichgewicht immer auf längere Zeit zerstört, ich kann dann mehrere Wochen an gar nichts andres denken, und wenn ich allein bin, besonders des Nachts, wo ich immer einige Stunden wach bin, so kann ich weinen wie ein Kind, und dabei glühen und rasen, wie es kaum für einen unglücklich Liebenden passen würde.“
(Annette von Droste an A. M. Sprickmann, 8. Februar 1819)

Das Drama erhält seinen autobiographischen Charakter auch durch die Ähnlichkeiten einzelner Figuren mit Personen aus der direkten Umgebung der Droste – Cordelia ähnelt Jenny, die resolute Reichsgräfin erinnert an die Mutter Therese von Droste, Berthas Bruder trägt denselben Namen wie der jüngste Bruder der Dichterin, und Berthas Amme Katharina widerfuhr das gleiche Schicksal wie Maria Katharina Plettendorf, der Amme Annettes von Droste. Zu ihr hatte die Dichterin ein besonders herzliches Verhältnis, wie es sich auch im Drama widerspiegelt, „beide unterhielten sich [oft] in plattdeutscher Sprache traulich und lange“ (5). Die Droste pflegte die alte Frau im Rüschhaus bis zu deren Tod im Jahre 1845.

Ende 1814 arbeitete die Dichterin noch an ihrem Drama; an Sprickmann schrieb sie im Dezember, sie hoffe „es gegen den Frühling fertigzubekommen. Ich wollte, es stände sogleich auf dem Papiere, wie ich es denke; denn hell und glänzend steht es vor mir in seinem ganzen Leben, und oft fallen mir die Strophen in großer Menge bei; aber bis ich sie alle geordnet und aufgeschrieben habe, ist ein großer Teil meiner Begeisterung verraucht [...]“ (6)

Die Autorin war nach einiger Zeit nicht mehr von der Qualität ihres Stückes überzeugt. An Sprickmann schrieb sie im Februar 1819, „der Stoff ist übel gewählt“, auch wenn das Drama „mitunter ganz gute Stellen“ (7) enthalte.

Im Februar 1816 verfasste Annette von Droste das Gedicht „Unruhe“ (8):

Unruhe


Laß uns hier ein wenig ruhn am Strande,
Phoibos' Strahlen spielen auf dem Meere.
Siehst du dort der Wimpel weiße Heere?
Reis'ge Schiffe ziehn zum fernen Sande.
Ach, wie ists erhebend, sich zu freuen
An des Ozeans Unendlichkeit!
Kein Gedanke mehr an Maß und Räume
Ist, ein Ziel, gesteckt für unsre Träume;
Ihn zu wähnen dürfen wir nicht scheuen
Unermeßlich wie die Ewigkeit.
Wer hat ergründet des Meeres Grenzen,
Wie fern die schäumende Woge es treibt?
Wer seine Tiefe,Wenn mutlos kehret
Des Senkbleis Schwere, Im wilden Meere
Des Ankers Rettung vergeblich bleibt?
„Möchtest du nicht mit den wagenden Seglern
Kreisen auf dem unendlichen Plan?“
O, ich möchte wie ein Vogel fliehen,
Mit den hellen Wimpeln möcht' ich ziehen,
Weit, o, weit, wo noch kein Fußtritt schallte,
Keines Menschen Stimme widerhallte,
Noch kein Schiff durchschnitt die flücht'ge Bahn.
Und noch weiter, endlos, ewig neu
Mich durch fremde Schöpfungen voll Lust
Hinzuschwingen fessellos und frei –
O, das pocht, das glüht in meiner Brust.
Rastlos treibts mich um im engen Leben,
Und zu Boden drücken Raum und Zeit,
Freiheit heißt der Seele banges Streben
Und im Busen tönts Unendlichkeit.

Stille, stille, mein törichtes Herz!
Willst du denn ewig vergebens dich sehnen,
Mit der Unmöglichkeit hadernde Tränen
Ewig vergießen in fruchtlosem Schmerz?
So manche Lust kann ja die Erde geben,
So liebe Freuden jeder Augenblick.
Dort stille, Herz, dein glühend heißes Beben,
Es gibt des Holden ja so viel im Leben,
So süße Lust, und ach! so seltnes Glück.
Denn selten nur genießt der Mensch die Freuden,
Die ihn umblühn, sie schwinden ungefühlt,
Sei ruhig, Herz, und lerne dich bescheiden;
Gibt Phoibos' heller Strahl dir keine Freuden,
Der freundlich schimmernd auf der Welle spielt?
Laß uns heim vom feuchten Strande kehren!
Hier zu weilen, Freund, es tut nicht wohl;
Meine Träume drücken schwer mich nieder;
Aus der Ferne klingts wie Heimatslieder,
Und die alte Unruh' kehret wieder –
Laß uns heim vom feuchten Strande kehren,
Wandrer auf den Wogen, fahret wohl!
Fesseln will man uns am eig'nen Herde,
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum,
Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde,
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!

Das Gedicht scheint an die Worte Berthas anzuknüpfen: „Mein Geist ist unstet, und hinweggezogen / Wird er gewaltsam wie von Meereswogen“. Der Ort des Geschehens ist hier ein Strand, von dem aus die Schiffe auf dem Meer beobachtet werden. Die Autorin verwendet das Bild vom Strand als Ausgangspunkt für Träumereien von Freiheit und Ferne in mehreren ihrer Gedichte.

Besonders auffällig ist die rhythmische Unregelmäßigkeit, die sich durch alle elf Strophen des Gedichts zieht. Die Verwendung des Plural in der ersten Strophe stellt klar, dass es sich um einen Dialog zwischen zwei vertrauten Menschen handelt – an die Stelle des lyrischen Ich tritt ein chorisches Wir. Man sitzt gemeinsam am Strand, sieht den dahinziehenden Schiffen nach und sucht Entspannung. Angenehme Ruhe wird auch von der äußeren Form dieser Strophe, deren vier Zeilen eine gleichmäßige Metrik mit umarmendem Reim aufweist, vermittelt.

Die zweite Strophe deutet bereits die aufkommende innere Unruhe an: Das Betrachten der Schiffe, die in die Ferne ziehen, hat nicht die eigentlich geplante beruhigende Wirkung, sondern weckt stattdessen das Verlangen nach Freiheit und Abenteuer. Das „Ziel“ der Träume ist die Aufhebung von „Maß und Räume[n]“, die das eigene Leben einschränken. Zugleich wird das regelmäßige Versmaß der ersten Strophe verlassen; die sechs (statt zuvor vier) Zeilen verstärken den Eindruck der wachsenden Unruhe.

Die Unendlichkeit des Meeres wird zum Sinnbild einer nicht zu stillenden Sehnsucht, die beide Menschen gleichermaßen erfasst hat. In der siebenzeiligen dritten Strophe wird wiederum die Rhythmik verändert; mehrere Zeilensprünge und ein ungewöhnliches Reimschema verstärken den Eindruck von Bewegung, von innerer Unruhe und starken Gefühlsausbrüchen.

Die lyrischen Figuren lassen ihrer Phantasie freien Lauf und steigern sich mit einer zunehmenden Leidenschaftlichkeit in ihre Wunschvorstellung hinein. Die ersten beiden Zeilen der vierten Strophe erinnern an die Dialogform des Gedichtes; die direkte Rede verstärkt außerdem die dramatische Lebendigkeit der Gefühle, von denen beide beherrscht werden. Zugleich bekommt das Gespräch hier einen Bekenntnischarakter: Man gesteht sich gegenseitig die eigene Sehnsucht nach Freiheit, die dadurch nicht gedanklich, also „heimlich“ bleibt, sondern deutlich ausgesprochen wird.

Auch die vierte Strophe weist einen anderen Rhythmus auf als die vorhergehenden Strophen. Worte wie „fliehen“, „ziehen“, „weit“, „durchschnitt“, „flücht'ge Bahn“ vermitteln Bewegung und Schnelligkeit. Der rauschhafte Traum von Freiheit – hier symbolisiert durch den Vogel – wird intensiver, die innere Unruhe noch größer. Alle Schranken, die die Bewegungsfreiheit einengten, sind überwunden.

Verstärkt wird dieses Drängen durch die erste Zeile der fünften Strophe („Und noch weiter ...“), bevor die Sehnsucht schließlich ihr Ziel findet, nämlich „fessellos und frei“ zu leben. Der Gedankenstrich, mit dem diese Worte von der nachfolgenden Zeile abgetrennt werden, unterstreicht ihre wesentliche Bedeutung. Die beiden Adjektive korrespondieren (negativ) mit den Substantiven „Maß und Räume“, deren Aufhebung in der zweiten Strophe als „Ziel“ bezeichnet wird.

Die fünfte Strophe findet zur vierzeiligen Form zurück und weist den geläufigeren Kreuzreim auf. Das Ziel der Träume ist benannt; in der letzten Zeile wird die innere Unruhe auch körperlich spürbar („O, das pocht, das glüht in meiner Brust“).

Die nächste Strophe jedoch scheint die Träumenden unsanft zu wecken; abrupt holt der Gedanke an den Alltag sie ein. Der Realität, dem „engen Leben“ können sie nicht entfliehen – die Beschränkungen, die ihnen das Idealbild ihrer Zeit auferlegt, sind wieder gegenwärtig. Der Höhenflug in der Phantasie ist zu Ende, die beiden fühlen sich wieder „zu Boden“ gedrückt. Fast kleinlaut formulieren sie noch einmal das Ziel ihrer Wünsche: „Freiheit heißt der Seele banges Streben“.

Wie die erste bestehen auch die sechste und siebte Strophe aus jeweils vier Zeilen. Die siebte Strophe hat darüber hinaus den umarmenden Reim mit der ersten Strophe gemeinsam. In beiden ist von der Suche nach Ruhe, nach Beruhigung der aufgewühlten Sinne die Rede. Man erkennt die bittere Realität und ermahnt sich selbst dazu, sich nicht zu tief in unerfüllbaren Wünschen zu verlieren. Entsprechend klingt der erste Satz dieser Strophe wie ein Befehl; die Wortwiederholung („Stille, stille“) wirkt beschwörend. Verstärkt wird der Eindruck noch durch das Ausrufezeichen. Wie schon im Drama „Bertha“ wird auch hier das Sichverlieren in unerfüllbare Träume als „töricht“ bezeichnet.

In der achten und neunten Strophe, jeweils fünfzeilig, sprechen sich die lyrischen Figuren selbst Mut zu, indem sie sich auf die kleinen Freuden des Alltags zu besinnen versuchen. Doch erscheint diese Ermutigung eher halbherzig; die Selbstermahnung („Sei ruhig, Herz, und lerne dich bescheiden“) zeigt, dass man sich der Beschränkungen durchaus bewusst ist. Auffällig ist eine Wortwiederholung („Freuden“) in der ersten und vierten Zeile, die auf das immer Wiederkehrende, auf die Eintönigkeit des Alltags hindeutet und der neunten Strophe zugleich einen beschwörenden Charakter verleiht. In der nächsten Strophe steigert sich dieser Eindruck, indem hier nicht nur der Begriff „wohl“ (in der zweiten und siebten Zeile), sondern der gesamte erste Satz in der vorletzten Zeile wörtlich wiederholt wird. Den beiden fällt es offensichtlich schwer, sich vom Strand – dem Ausgangspunkt ihrer Wunschträume – loszureißen; zwar wollen sie „heim [...] kehren“, doch das innere Zuhause scheint in der Ferne zu liegen, aus der es „wie Heimatslieder“ klingt.

Wiederholt wird in der achten Strophe auch die Erinnerung an „Phoibos' Strahlen“ auf dem Meer, deren Betrachten zu Beginn des Gedichtes die Unruhe geweckt hatte. In der vorletzten Strophe wird „die alte Unruh'“ wieder entfacht; ein Kreislauf deutet sich an – verstärkt durch die erneute Steigerung auf sieben Zeilen in dieser Strophe. Der Strand wird nun als „feucht“ beschrieben; die Flut scheint zu steigen, das Wasser kommt näher und berührt offensichtlich schon die Füße – das Meer wirkt nun bedrohlich. Die Verabschiedung („Wandrer auf den Wogen, fahret wohl!“) klingt wie eine schweren Herzens gemachte Absage an die unerreichbaren Träume von einem selbstbestimmten Leben, für die es im Alltagsleben keinen Platz gibt.

Die Heimkehr vom Strand ist die Rückkehr in eine Welt, die als eng und bedrückend – im krassen Gegensatz zu „fessellos und frei“ – empfunden wird. In der letzten Strophe scheinen sich die Freundinnen – das Bild vom „Herde“ weist sie nun als Frauen aus – noch einmal gegen ihre Bevormundung aufzulehnen, indem sie diese klar als Ursache ihrer Unzufriedenheit benennen.

Dass es die weibliche Rollenzuschreibung ist, gegen sie rebellieren, macht der „Herd“ als weibliches Betätigungsfeld deutlich. Auch könnte sich der Plural („uns“, „unsre“) über die beiden Freundinnen hinaus ganz allgemein auf Frauen beziehen – zumindest auf jene, die, wie Annette von Droste-Hülshoff, unter den patriarchalen Einschränkungen ihrer Lebensweise gelitten haben. Das Gedicht „mahlt den Zustand meiner Seele vollkommen, obschon diese fast fieberhafte Unruhe mit Verschwinden meines Uebelbefindens einigermaßen sich gelegt hat“ (9), schrieb sie an Sprickmann, dem sie die Verse schickte.

Die Dichterin verwendet in der vorletzten Zeile das Wort „Herz“, das „für die ganze Schöpfung Raum“ hat. Sie benutzt das Rousseausche Geschlechterbild (die Frau ist für das Gefühl, der Mann für die Verstandesarbeit „zuständig“), indem sie seine Bedeutung verschiebt: Niemand wird den Frauen das „Herz“ absprechen – und damit die Wünsche und Sehnsüchte, die darin ganz offensichtlich Platz finden.

Die vierzeilige letzte Strophe weist, ähnlich wie die erste, eine regelmäßige Metrik auf. Während die erste Strophe auch in der äußeren Form Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, die im folgenden einer bewegten Unruhe weichen, vermittelt die letzte Strophe eine andere Art der Ruhe: Die Ursache des Leidens ist erkannt, die Verantwortlichkeit liegt nicht bei den Freundinnen selbst, die sich kein schlechtes Gewissen oder „Wahn“-Vorstellungen einreden lassen wollen. Die letzte Strophe enthält eine entschlossene Verteidigung dessen, was als Recht eines jeden Menschen betrachtet wird: Ein Leben in Selbstbestimmung und Freiheit.

Die Auseinandersetzung der jungen Droste mit der fesselnden Frauenrolle ihrer Zeit wirkt leidenschaftlich und entschlossen. Dennoch werden die kämpferischen Ausbrüche am Ende eingedämmt, die lyrischen Figuren fügen sich schließlich in das Unabänderliche – eine Konsequenz, die sich später in den Arbeiten der über vierzigjährigen Autorin fortsetzt.

Spätere Werke



Im Winter 1841/42, im Alter von 44 Jahren, verfasste Annette von Droste das Gedicht „Am Turme“ (10). Sie lebte zu dieser Zeit mit Schücking in Meersburg – fern der mütterlichen Aufsicht, weit weg vom Normenkorsett der westfälischen Adelsgesellschaft. Die Dichterin genoss in diesen Monaten eine Freiheit und Unbeschwertheit, wie sie es nicht wieder erlebt hat.

Am Turme



Ich steh' auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh' ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht' ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!

Und drüben seh' ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh' auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöwe streifen.

Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär' ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar
Und lassen es flattern im Winde!

Das Beobachten der Umgebung vom hohen Turm aus weckt im lyrischen Ich die Sehnsucht nach einem freien, unbeschwerten und selbstbestimmten Leben. Aus der Vogelperspektive, von einem Standort aus, der einen weiten Überblick erlaubt, wird die Welt ringsherum – und zugleich das eigene Dasein betrachtet. Das Reflektieren des eigenen Lebens führt zu Traumbildern, zu Erlebnissen, die in der Phantasie stattfinden. Die Realität wird der Illusion, das reale Handeln (stehen, sehen) dem Wunsch (möchten) gegenübergestellt.

Der innere Aufbau des Gedichtes entspricht dieser Antithese: In den jeweils ersten Hälften der achtzeiligen Strophen befindet sich das lyrische Ich auf dem Turm, von welchem aus es Wasser, Wellen und Schiffe betrachtet. Standort und Perspektive wechseln in der zweiten Hälfte einer jeden Strophe; das Wunschbild wird stärker und überdeckt die Realität. Zugleich vermittelt die Wortwahl Bewegung und Dynamik, die sich jeweils zum Strophenende hin steigern.

Die Autorin wählt (wie in vielen ihrer Gedichte) ein einfaches Kreuzreimschema. Reim, Hebungszahl und Versausgang alternieren gleichmäßig: vier- und dreihebige Verse wechseln ab, zugleich findet sich die beliebte Versfußform des Kadenzwechsels, also des regelmäßigen Wechsels von männlichem und weiblichem Versausgang. Die Zäsur nach der Hälfte einer jeden Strophe wird durch das Reimschema und durch entsprechende Satzzeichen (Punkt oder Semikolon) verdeutlicht. Der Kreuzreim, der jeder Strophenhälfte ein festes Gefüge gibt, und die Interjektion („O“) verstärken die Zweiteilung der Strophe noch.

Das metrische Schema unterstützt den stürmischen Drang des Gedichtes; mit Ausnahme der Pause in jeder Strophenmitte vermitteln Metrik und Satzbau einen zügigen Ablauf der Handlung. Das Fehlen von Nebensätzen in den ersten drei Strophen verleiht der drängenden Bewegung noch mehr Ausdruck. Eine dynamisierende Wirkung erzielt die Dichterin, indem sie Partizipien als Attribute verwendet („schreiend“, „flatternd“, „tobend“, „spielend“, „kämpfend“, „zischend“, „brandend“). Auch die vielen Zeilensprünge in den ersten drei Strophen vermitteln Unruhe und Bewegung. Ein Emjambement ist stets gekoppelt mit einem Motiv der Bewegung, mit Bildern aus dem Bereich der elementaren Naturkräfte, mit Jagd- und Seefahrtsmotiven.

Turm und hoher Balkon erlauben einen guten Überblick und erwecken darüber hinaus den Eindruck von Unerreichbarkeit, Wehrhaftigkeit. Das kleine Turmzimmer, das die Droste in Meersburg bewohnte, gestattete ihr tatsächlich den Rundumblick auf den Bodensee und galt ihr als eigenes kleines Reich, in dem sie ungestört arbeiten und träumen konnte. Einen Balkon gab es dort jedoch nicht. Die Dichterin könnte mit diesem Phantasiebild eine wehrhafte Brüstung ebenso im Sinn gehabt haben wie eine Art Sprungbrett, von dem aus sie aus der realen Enge in die Weite ihrer Träume hinaus – und damit gleichsam in ein anderes Leben – springen kann.

Das Personalpronomen „Ich“ wird im ersten Satz selbstbewusst an den Anfang gestellt. Dreimal wird „Ich“ oder „Mir“ als Versauftakt verwendet. Der Vergleich mit einer Mänade, einer „Rasenden“ (ursprünglich die Bezeichnung für die ekstatischen Frauen im Gefolge des Dionysos), verhilft zu einem Einblick in den Seelenzustand des lyrischen Ich.

Der Sturm, der im offen getragenen Haar wühlt, wird als „Fant“ beschrieben, als junger, leichtfertiger und verspielter Bursche also, der sich nicht um Frisuren, womöglich auch nicht um Regeln oder Konventionen schert und gerade dadurch sympathisch wirkt. Herausfordernd wird der Wunsch nach einem Kräftemessen mit dem wilden Element ausgedrückt; der entschlossene Ruf „Auf Tod oder Leben“ könnte mit der einzig wünschenswerten Alternative „Tod oder Freiheit“ verglichen werden. Zugleich klingen hier aggressive Untertöne durch, die sich durch das gesamte Gedicht ziehen. Der Kampf mit den Elementen, die Meute von Jagdhunden mit ihrem „Geklaff und Gezisch“, das Schiff, das gegen die Wellen kämpft und das Feldzeichen (Wimpel) schaffen eine Atmosphäre von Aggression, was auf eine Zwangssituation hindeutet. „Das lyrische Ich [...] steht unter starkem Druck, so dass die Befreiung nicht ohne Kampf gedacht werden kann.“ (11)

Das Phantasiebild des gefahrvollen Kampfes mit dem Sturm – Metapher für das Ringen um Freiheit – beginnt mit der leidenschaftlichen Interjektion „O“ und endet mit einem Ausrufezeichen. Der drängende Charakter des Freiheitswunsches wird hierdurch noch deutlicher gemacht. Mit diesem Ziel der verstärkenden Betonung verwendet die Dichterin das Ausrufezeichen am Ende der ersten, zweiten und vierten Strophe. Lediglich die dritte Strophe wird mit einem Punkt beendet – eine Abweichung, auf die ich an späterer Stelle zurückkomme.

Zu Beginn der zweiten und dritten Strophe wird durch distanzschaffende Begriffe („drunten“, „drüben“) der Bezug zur Realität wiederhergestellt; das jeweilige Wunschbild der vorangehenden Strophe scheint in die Ferne zu rücken. Zugleich regt das Betrachten der Realität erneut die Phantasie an. Die Parallele zum rund 25 Jahre früher verfassten Gedicht „Unruhe“ ist hier unverkennbar. Wieder ist das Betrachten von Strand und Meer der äußere Anlass, der die Träume von Freiheit und Abenteuer, von einem selbstbestimmten Leben weckt.

Die „Wellen“, aus der Vogelperspektive beobachtet, erinnern an „spielende Doggen“ – kräftige Tiere mit einem großen Bewegungsdrang, vor der das lyrische Ich keinerlei Angst zeigt. Im Gegenteil, es fühlt sich der „tobende[n] Meute“ verbunden; in seiner Phantasie springt es hinab ins Wasser, um sich mit den ausgelassenen Tieren zu „tummeln“. Hier bekommt der Balkon seine Funktion als Sprungbrett in eine Phantasiewelt.

Die Position der passiven Beobachterin wird verlassen; sie springt mitten hinein in das Geschehen. Einfaches Betrachten und Phantasieren genügt ihr nicht mehr, sie wird selbst zur aktiv Handelnden. Das Wasser – der Bodensee wird im Gedicht zum grenzenlos erscheinenden Meer erweitert – ist Symbol für Entgrenzung und zugleich die Bühne, auf der sich die Träume abspielen. Doch das beschriebene Geschehen behält den Charakter des Irrealen, indem es deutlich als Wunschbild („möcht' ich“) benannt wird.

Marita Fischer sieht in dem naturwidrigen Bild des in nördlicheren Meeren beheimateten Walrosses inmitten von Korallen (die in südlicheren, warmen Gewässern gedeihen) ein Adynaton, einen Hinweis darauf, dass das lyrische Ich „die Wirklichkeit korrigieren will.“ (12) Zugleich lässt die Spannung hier nach, was sich auf semantischer Ebene durch das Wort „lustig“ (im Gegensatz zur ersten Strophe: „Auf Tod und Leben“) ausdrückt.

Nachdem auch die dritte Strophe zunächst Distanz zum Geschehen geschaffen hat („drüben“), weckt das Betrachten eines im Wasser tanzenden Schiffes – ähnlich wie im Gedicht „Unruhe“ – zunächst die Sehnsucht nach abenteuerlichen Reisen. Die Bedeutung des Schiffes geht aber noch darüber hinaus: „Wimpel“ und vor allem „Standarte“ werden als Symbole für eine feste Überzeugung, für die man zu kämpfen bereit ist, verwendet. Das lyrische Ich will vor Ort, an Bord des „kämpfenden Schiff[es]“ sein, mehr noch, es möchte das „Steuerruder ergreifen“. Die Droste, deren Leben stets von anderen Menschen gelenkt wurde, benutzt dieses Bild, um auszudrücken, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen will. Die Freiheit des Handelns wird auch durch die Seemöwe symbolisiert, die in sicherer Entfernung über den tosenden Fluten schwebt.

Anders als die übrigen endet die dritte Strophe nicht mit einem Ausrufezeichen, sondern mit einem weniger betonenden Punkt. Mit Blick auf die letzte Strophe kann diese Abweichung als syntaktische Darstellung der Rückkehr in die Realität interpretiert werden. Auch das letzte Wort der dritten Strophe („streifen“) könnte die Funktion haben, den Übergang von der Phantasie zur Wirklichkeit anzudeuten, vermittelt es doch im Vergleich zu den übrigen Verben eine gewisse Ruhe und Beruhigung. Es fehlt in diesem Bild („Wie eine Seemöwe streifen“) der ansonsten vorhandene kämpferische Grundton.

In der letzten Strophe vollzieht sich mit der Rückbesinnung auf die Realität auch ein Wechsel im inneren Aufbau des Gedichtes. Plötzlich werden die Wunschbilder in der ersten Strophenhälfte thematisiert, während die letzten vier Verse die als bedrückend empfundene Realität schildern.

Das Verlangen nach einem selbstbestimmten Leben wird in der letzten Strophe noch einmal zusammengefasst. Wieder werden Personalpronomen gehäuft verwendet, doch im Unterschied zur ersten Strophe stehen sie nicht mehr selbstbewusst am Versbeginn. Erstmals benutzt die Dichterin hier den Konjunktiv – die zuvor geäußerten Wünsche standen im Indikativ. Das konjunktivische „Wär' ich“ verdeutlicht den fiktiven, irrealen Charakter der Wunschvorstellungen. Das lyrische Ich erkennt, dass es auf ein freies, unabhängiges Leben – dessen Voraussetzung die männliche Geschlechtszugehörigkeit zu sein scheint – verzichten muss. Erfüllbar ist die Freiheitssehnsucht nur für einen Mann, nicht jedoch für eine Frau, von der man Passivität, Unmündigkeit und „artiges“ Warten auf einen Mann, der das Ruder in die Hand nimmt, erwartet.

Die Rückkehr zum Indikativ in den letzten vier Versen verweist wiederum auf die (nun akzeptierte) Realität. Diese Zeilen antworten auf die vorangehende Strophenhälfte, aber auch auf die jeweils zweite Hälfte aller übrigen Strophen: Das Verb „muss“ tritt an die Stelle von „möchte“.

Mit der Wortwahl schafft die Autorin hier eine Antithese, die das Gedicht abrundet, denn die erste Hälfte der Anfangsstrophe steht den letzten vier Zeilen gegenüber: Aus dem „Sturm“ wird ein „Wind“, die ungestüme „Mänade“ wird zum „artigen Kinde“. Das lyrische Ich, das zu Beginn selbstbewusst und herausfordernd steht, muss am Ende sitzen; es hat sich vom aktiven in ein passives Ich verwandelt („lassen es flattern im Winde“). Resignation tritt an die Stelle von kämpferischer Selbstbehauptung. Das lyrische Ich fügt sich in die Zwangssituation, was sich auch im langsamer werdenden Rhythmus dieser Strophe, besonders der letzten Zeile, ausdrückt.

Die Selbstbescheidung am Schluss ist nur oberflächlich gesehen eine Niederlage gegen die Macht der Konventionen. Am Ende steht, wie Monika Salmen meint, „ein bescheidener, wichtiger Gewinn“ (13): Die Dichterin hat ihre Wünsche und Sehnsüchte nicht beschämt versteckt, sondern sich offen zu ihnen bekannt, wodurch sie „innere Freiheit gewonnen“ (14) hat. Darüber hinaus setzt sie sich gegen die Bevormundung durch – wenn auch nur „heimlich“. Verbieten lässt sie sich das Träumen von Unabhängigkeit offensichtlich nicht. Das Gedicht wird so zum „Dokument einer Frau, die nicht zu den ,gezähmten Haustieren‘ gerechnet werden kann.“ (15)

Doch das Gedicht stellt die Frauenrolle an sich nicht infrage. Die Unverrückbarkeit des Status quo aufgrund einer patriarchalisch begründeten Ordnung wird anerkannt, seine Unveränderbarkeit beklagt. Eine mögliche individuelle Veränderung entgegen dem restaurativen Geschlechterklischee wird erst gar nicht in Betracht gezogen. Hartwig Schultz weist darauf hin, dass sich in dieser Konsequenz die allgemeine Zeitproblematik widerspiegelt. Die Entsagungshaltung, die Resignation und der Schwermut, das Sichfügen in die vermeintliche Unveränderlichkeit der eigenen Situation – von Friedrich Sengle als „Seelenzustand der Restaurationsepoche“ (16) bezeichnet – finden sich in der resignierenden letzten Strophe von „Am Turme“ wieder. Das Gedicht thematisiert somit nicht nur einen individuellen, sondern zugleich den gesellschaftlichen Konflikt einer ganzen Epoche.

Möglicherweise ist sich die Droste durch die Lebensumstände zum Zeitpunkt des Entstehens von „Am Turme“ ihrer Unfreiheit besonders bewusst geworden. Vielleicht hat die räumliche Distanz zur Heimat und damit zu den gesellschaftlichen Regeln dazu beigetragen, dass die Dichterin ihre Gefühle offener und deutlicher äußern konnte. Neben den persönlichen Erfahrungen hat, glaubt Bernd Kortländer, „wohl auch die zeitgenössische Diskussion um Frauenemanzipation für dieses Gedicht Bedeutung gehabt.“ (17)

Über die Reaktion der literarischen Öffentlichkeit auf das Gedicht gibt eine Besprechung Auskunft, die am 28. Dezember 1844 im „Westfälischen Merkur“ erschien (18):

„Man könnte darin einen geheimen Kampf männlicher Kraft des Denkens und Handelns mit angeborener oder errungener weiblicher Milde finden. Fast möchte man im Verlauf der Darstellung zweifeln, welcher Richtung der Sieg bleibt. Da gibt die letzte Strophe Aufschluss. Diesmal stehen die männlich kräftigen Gedanken an der Spitze, die weiblich zarteren bilden den Schluss. Mag das absichtlich von der Dichterin so gewählt seyn, mag unbewusst ihr Genius sie dahin geführt haben ...“
(Franz von Kühnast, Dezember 1844)



Das Verlangen nach Freiheit thematisierte die Droste auch in den Gedichten „Mein Beruf“ und „Auch ein Beruf“, auf die ich hier nur kurz eingehe.

1845 verfasste die Schriftstellerin das Gedicht „Auch ein Beruf“. Ihre Freundin Amalie Hassenpflug, der die Verse zugedacht waren, musste zu diesem Zeitpunkt nach Italien reisen, um dort einen kranken Verwandten zu pflegen. Die beiden Frauen mussten deshalb schweren Herzens voneinander Abschied nehmen.
In dem Gedicht wird die Wut formuliert, die die Droste angesichts der Abhängigkeit unverheirateter Frauen von Familie und deren Vorschriften überkommen hat. In der zweiten Strophe heißt es (19):

„Von keines Herdes Pflicht gebunden,
Meint jeder nur, wir seien grad'
Für sein Bedürfnis nur erfunden,
Das hilfsbereite fünfte Rad.
Was hilft es uns, daß wir frei stehen,
Auf keines Menschen Hände sehen?
Man zeichnet dennoch uns den Pfad.“

Den „Versen voller Auflehnung“ (20) folgt am Ende jedoch die Rückbesinnung auf Demut, Bescheidenheit und Gehorsam. Nachdem sich der Zorn über die Fremdbestimmung Luft gemacht hat, werden die Freundinnen im Gedicht durch ein Sinnbild an ihre „eigentliche Rolle“ erinnert. Eine einzeln stehende Linde bietet ihnen und einigen anderen Schutz vor einem Unwetter. „Beschämt, mit hocherglühten Wangen“ (21) werden sie sich bewusst, dass sie – wie der Baum – ihre Aufgabe darin zu erfüllen haben, hilfsbedürftigen Menschen beizustehen. Sie schämen sich dafür, mit ihrem Schicksal gehadert zu haben.

In „Mein Beruf“, in dem die Droste ihr Selbstverständnis als Dichterin darstellt, ist im Zusammenhang mit ihrem Frauenbild besonders die erste Strophe interessant (22):

„,Was meinem Kreise mich enttrieb,
Der Kammer friedlichem Gelasse?‘
Das fragt ihr mich, als sei, ein Dieb,
Ich eingebrochen am Parnasse.
So hört denn, hört, weil ihr gefragt:
Bei der Geburt bin ich geladen,
Mein Recht, so weit der Himmel tagt,
Und meine Macht von Gottes Gnaden.“

In einem älteren Entwurf des Gedichtes aus dem Winter 1841/42 wählte die Autorin den Begriff „Spindel“ statt „Kreise“. Der spezifisch weibliche Lebenszusammenhang wird durch diese ursprüngliche, später aus unbekannten Gründen geänderte Lesart deutlicher. (23) Die Droste reagiert hier also auf den Vorwurf, durch ihr Dichten dem weiblichen „Kreise“ (Lebensbereich) entflohen zu sein. Sie ist sich der Normenverletzung bewusst, steht aber selbstbewusst zu ihrem Werdegang.

Aus dem Gedicht geht gleichwohl hervor, dass es nicht ihre eigene Entscheidung, sondern ein göttlicher Ruf gewesen sei, der sie Dichterin werden ließ. Ausdrücklich gesteht sie „Mann oder Weib“ (24) das Recht zu, einem solchen Ruf zu folgen. Damit legt sie zugleich die Verantwortung für ihre eigene Berufswahl in die Hände einer höheren Macht – eine Position, die es ihr erspart, sich für ihr Dichten rechtfertigen zu müssen.

Als publizierende Schriftstellerin geriet Annette von Droste ganz besonders mit dem Frauenideal ihrer Zeit in Konflikt. Den Buchveröffentlichungen ging jeweils eine lange Vorbereitungsphase voraus, in der die Dichterin einen großen Teil ihrer Energie darauf verwenden musste, die familiären Widerstände nach und nach zu brechen.

Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf schreibende Frauen thematisierte die Droste in „Perdu! oder Dichter, Verleger und Blaustrümpfe“ (25), einer Komödie in einem Akt, entstanden im Sommer und Herbst 1840. Die Dichterin reagierte mit dem Lustspiel auf die Aufforderungen ihrer Umgebung, sich im humoristischen Genre zu versuchen – ihr Talent zu komischen Schilderungen hatte sie oftmals in originellen Gelegenheitsgedichten bewiesen. Levin Schücking betonte auch hier den „männlichen“ Charakter dieses Talentes (26):

„Der Humor ist ein Gebiet, das den Frauen fast ganz verschlossen ist. Nur ausnahmsweise verstehen sie ihn; echt humoristische Schöpfungen aber sind nie von einem Frauengeist ausgegangen. Nur bei Annette von Droste waltet ein echt humoristisches Element, eine wirkliche Naturanlage für humoristische Auffassung.“
(Levin Schücking, 1862)



Statt der eigenen Familie, wie es Adele Schopenhauer vorgeschlagen hatte, nahm die Droste in „Perdu!“ den Literaturbetrieb mit seinen eitlen Dichtern und belächelten Schriftstellerinnen satirisch aufs Korn. Ort des Geschehens ist der Buchladen des Verlegers Wilhelm Speth, wo sich nach und nach drei Schriftstellerinnen, zwei Dichter sowie ein Rezensent einfinden. Man ist höflich, macht sich gegenseitig Komplimente und gibt sich interessiert; hinter vorgehaltener Hand jedoch, nur für die allgegenwärtige Verlegertochter Ida und für das Publikum hörbar, fallen deutliche Worte: Man neidet einander den Erfolg und hält herzlich wenig vom dichterischen Talent des anderen.

In den einzelnen Figuren lassen sich Charakterzüge von einzelnen Personen aus dem literarischen Umfeld der Droste erkennen. Es scheint, als trete der Münsteraner Literaturzirkel nahezu geschlossen in „Perdu!“ auf. Die exaltierte, sehr von sich eingenommene Schriftstellerin „Claudine Briesen“ ähnelt Louise von Bornstedt; die ältere Autorin Henriette von Hohenhausen, eine Tante Elise Rüdigers, lässt sich in „Johanna von Austen“ wiedererkennen. Levin Schücking spielt die Rolle des geschätzten Rezensenten „Seybold“, der sich nebenbei als Dichter versucht – mit wenig Erfolg. Schückings Freund, der Autor Ferdinand Freiligrath, wird in der Figur des berühmten, aber unzuverlässigen Dichters „Sonderrath“ portraitiert. Auch sich selbst hat die Droste eine Rolle zugedacht; am Ende des Einakters tritt sie als „Anna von Thielen“, Schriftstellerin und „Blaustrumpf vom Stande“, auf.

Nicht zuletzt wegen dieser Parallelen wurde das Stück im Münsteraner Zirkel ausgiebig diskutiert und stieß dort auf Ablehnung, was kaum überraschen kann. Annette von Droste äußerte sich in einem Brief an ihren Onkel darüber (27):

„Mein Lustspiel, worin ich höchstens e i n e r Persönlichkeit (der Bornstedt) zu nahe getreten sein konnte, ist auch von meinem Kreise förmlich gesteiniget und für vollständiges Pasquill auf sie alle erklärt worden, und doch weiß Gott, wie wenig ich an die guten Leute gedacht habe. Schücking und die Rüdiger waren die einzigen, die nichts Anstößiges darin fanden, obwohl beiden auch ihre Rollen zugeteilt wurden, und zwar letzterer eine höchst fatale.“
(Annette von Droste an A. von Haxthausen, 20.7.1841)



Bernd Kortländer erklärt diese widersprüchliche Aussage damit, dass die Dichterin mit ihrer Komödie einerseits „zwar ein allgemeines Anliegen verfolgte, für die Darstellung selbst aber reale Figuren vor Augen hatte“ (28). Auch die folgende Äußerung der Droste über den Münsteraner Literaturzirkel legt nahe, dass dieser als Vorbild für die Komödie diente (29):

„Denn, lieb Herz, diesen durfte man doch nur aus der Ferne betrachten, hinter den Kulissen sah es überall peinlich aus.“
(Annette von Droste an E. Rüdiger, 29.7.1845)



Unklar ist, welche Rolle die Droste für Elise Rüdiger vorgesehen hatte; möglicherweise die der Verlegertochter Ida Speth, die sich während des gesamten Stückes im Hintergrund aufhält und nur an einer Stelle einen längeren Dialog mit dem sehr arrogant auftretenden Dichter Wilibald führt. In diesem Gespräch werden unterschiedliche Standpunkte gegenüber schriftstellernden Frauen dargelegt.

Der erfolglose Autor Theofried Wilibald steht schreibenden Frauen äußerst ablehnend gegenüber. Das Buch Claudine Briesens bezeichnet er abfällig als „Weiberarbeit“ und fährt fort: „[...] da wird mir schon ganz miserabel, die sollen bei ihrem Strickstrumpfe bleiben.“ (30) Ungeachtet der Tatsache, dass er selbst mit seinem jüngsten Werk eine literarische Niederlage einstecken musste, fühlt sich Wilibald qua Geschlecht zum Schreiben privilegiert. Nachdem eine negative Besprechung seiner Gedichte veröffentlicht wurde, drängt Wilibald den Verleger, den verantwortlichen Rezensenten nicht weiter zu beschäftigen.

Im Gespräch mit Ida Speth vertritt Wilibald die Meinung, Frauen seien nicht in der Lage, seine tiefe Dichtkunst zu verstehen (31):

„Wilibald: Hören Sie, Fräulein, ich glaube, um die Gedichte so recht, ich meine so in tiefstem Grunde aufzufassen, muß man doch wohl – ein Mann sein.
Ida (sieht beleidigt auf).Wilibald: Das dürfen Sie nicht übel nehmen, Fräulein; manches ist eben für Männer geschrieben, und die Frauen haben ja auch ihr geistiges Departement, wo wir mit unserem Urteile zu kurz kommen.“

Ida Speth bringt den eitlen Dichter daraufhin in große Verlegenheit, indem sie auf die negative Rezension über dessen jüngste Veröffentlichung hinweist (32):

„Ida (gereizt): Nun, ich mache keine Ansprüche auf literarisches Urteil, ich sage über Sie nach, was ich von Männern gehört habe, die urteilen aber ebenso wie ich.
Wilibald (schüttelt ironisch den Kopf): Dieses Mal doch nicht.
Ida: Doch, und Männer vom Fach.“

Wilibald gerät in arge Bedrängnis; er versucht, die Verlegertochter davon abzuhalten, im „Abendblatt“ nach eben jener Besprechung zu suchen, um die peinliche Situation abzuwenden. Die Szene endet mit einem Triumph Idas über den nun gar nicht mehr so selbstsicheren Dichter Wilibald.

Die Figur der Ida Speth ist die einzige, die in allen Szenen des Aktes präsent ist. Zumeist sitzt sie handarbeitend abseits hinter einem Vorhang – eine Perspektive, die ihr (ähnlich wie dem Publikum) erlaubt, die Lügen der anderen zu erkennen. Sie tritt stets freundlich auf und wahrt die Interessen ihres Vaters während seiner Abwesenheit. Besonders zu Johanna von Austen (Henriette von Hohenhausen) hat sie ein herzliches Verhältnis.
Idas Mutter, Klara Speth, erscheint zu Beginn des Stückes zum ersten und einzigen Mal; durch sie werden die nachfolgend auftretenden Figuren eingeführt und charakterisiert. Die Ehefrau des Verlegers wird als auf symphatische Weise resolut und bestimmend dargestellt; die Regiebemerkungen beschreiben sie als „spottend“, „mit humoristischem Zorne“ (33), aber auch als „freundlich“ (34) und liebevoll gegenüber ihrem Mann, der die Werke erfolgloser Schriftstellerinnen und Schriftsteller verlegt und sich durch seine Gutmütigkeit in den Ruin zu bringen droht. Wilhelm Speth ist von seiner Frau sehr angetan:

„[...] ein kapitales Weib! Alles lebt und kribbelt an ihr. Einen Verstand! einen Witz! und eine Darstellungsgabe! Hui – wenn die schreiben wollte, die würde was anders an den Tag bringen als meine Blaustrümpfe [...]“ (35)
Zu „seinen“ Blaustrümpfen gehört die Schriftstellerin Claudine Briesen. Die Regiebemerkungen charakterisieren sie mit den Worten „theatralisch“, „argwöhnisch“, „mit leichter Bosheit“ und „mit Pathos“ (36). Bescheidenheit ist der Autorin fremd; unaufgefordert liest sie laut aus ihrem Buch vor. Sie weiß geschickt zu agieren, um ein Ziel zu erreichen: Den Dichter Wilibald, der eigentlich nichts von ihrer Dichtkunst hält, bringt sie durch falsche Komplimente schließlich dazu, eine positive Rezension über ihr Buch zu schreiben. Mit ihrer Diplomatie schafft es die Briesen sogar, dass der ziemlich uninteressiert wirkende Friedrich Sonderrath plötzlich als Bewunderer ihrer Dichtkunst dasteht. Der Schriftstellerin gelingt es, alle anwesenden Männer auf ihre Seite zu bringen.

Die Autorin Johanna von Austen wird als „klein und dürr, gebückt vor Altersschwäche, aber lebendig in ihren Bewegungen“ (37) beschrieben. Sie beteiligt sich an dem Spiel der falschen Komplimente, bleibt selbst aber bescheiden und zurückhaltend. Die „Verfasserin vieler geschätzter Poesien“ (38) gibt sich vornehm, sie verwendet häufig französische Ausdrücke. Von Claudine Briesen wird sie als „fataler Blaustrumpf du bon vieux temps“ (39) bezeichnet. Ihr vertrauter Umgang mit Ida Speth deutet darauf hin, dass die Droste in der Figur der Ida Elise Rüdiger, die Nichte der Hohenhausen, portraitiert hat.

Die Loyalität Schückings zur Droste wird in einem Dialog des Rezensenten Seybold mit Sonderrath deutlich. Seybold, als „kleines Pferdchen“ (40) beschrieben (die Droste nannte auch Schücking oft so), setzt sich sehr für die Dichterin Anna von Thielen ein, wofür ihn Sonderrath verspottet (41):

„O Himmel! Seybold hat sich einen Blaustrumpf angeschnallt, eine literarische Freundin!
Seybold (verlegen): Du kennst die Frau nicht.
Sonderrath: O Gott, o Gott, ich kenne Blaustrümpfe genug! Ich mag diesen nicht noch dazu kennen. [...]
Seybold (allmählich heftiger werdend): Eine Frau, sage ich dir, die mehr Talent hat als wir beide zusammengenommen.“

Die Parallelen zwischen Anna von Thielen und der Droste werden deutlich, wenn Seybold und der Verleger sich über sie unterhalten (42):

„Seybold: Ich habe der Frau von Thielen manche Verbindlichkeit, und sie hat sich schwer zur Veröffentlichung entschlossen. [...]
Speth: Ein bedeutendes Talent, wenn Sie wollen; aber es scheint ihr auch so gar nichts daran gelegen, ob sie verstanden wird oder nicht. Mit ein paar Worten, mit einer Zeile könnte sie zuweilen das Ganze klarmachen, und sie tuts nicht. [...]
Seybold: Das habe ich ihr auch schon gesagt.
Speth: Und sie tuts doch nicht! Was ist das? Eigensinn? Ich wette, die Frau ist reich und in glänzenden aristokratischen Verhältnissen.
Seybold: Das haben Sie getroffen.“

Die Droste formuliert in diesem Dialog den Vorwurf der Dunkelheit und Undeutlichkeit, den die Mitglieder des Literaturzirkels gegen ihre Gedichte immer wieder erhoben hatten.

Die Autorin schmückt die Figur der Anna von Thielen mit Eigenschaften, die sie selbst vermisst; die Thielen ist „geradezu ein Wunschbild“ (43) der Droste: „eine große schöne Frau“, die von Seybold so geliebt wird, dass dieser „roth“ wird „wie ein Krebs“. Annette von Droste maß nur etwa 150 Zentimeter und empfand sich selbst keineswegs als schön.

Dass Anna von Thielen in dem Buchladen kurzentschlossen ein Werk der „ausgezeichneten Schriftstellerin“ Jane Baillie für den hohen Preis von drei Talern kauft, veranschaulicht zum einen ihre guten finanziellen Verhältnisse. Darüber hinaus wird hier eine reale Autorin (Johanna Baillie) (44) und eine ihrer literarischen Figuren (Jane De Montfort) zu einer Person verschmolzen – ein Hinweis auf die Identifizierung der Droste mit ihrer Figur Anna von Thielen. Und schließlich kann der Kauf des Buches einer „Kollegin“ vor dem Hintergrund der negativen Äußerungen über Schriftstellerinnen in den vorangegangenen Szenen auch als Geste der Solidarität verstanden werden.

Ähnlichkeiten zwischen der Droste und ihrer literarischen Figur bestehen in der Kurzsichtigkeit beider und vor allem in der bescheidenen Art der Thielen, die ihr Manuskript auf der Stelle zurückzieht, als sie das zögerliche Verhalten des Verlegers bemerkt. Hierin unterscheidet sich Anna von Thielen von allen anderen schriftstellerisch tätigen Personen des Stückes. Wie viele Briefe der Droste zeigen, war sie selbst stets besorgt, sie könne ihrem Verleger finanziellen Schaden zufügen. Für sie war es überaus wichtig, dass auch der Herausgeber ihrer Gedichte von der Qualität derselben überzeugt ist. Schriftstellerische Eitelkeit, wie sie die Droste von vielen Autoren ihrer Zeit kannte, war ihr selbst fremd.

Die Form des Dramas ermöglicht die Darstellung verschiedener Standpunkte. Die Droste hat von dieser Möglichkeit in jungen Jahren im Trauerspiel „Bertha“ und als reife Frau in der Komödie „Perdu!“ Gebrauch gemacht. In der Komödie formuliert ein erfolgloser Schriftsteller die negative Haltung der Restaurationsgesellschaft gegenüber schreibenden Frauen und wird gleich darauf selbst zum Gespött des Publikums gemacht. Auch einige Dichterinnen werden zur Zielscheibe der Drosteschen Ironie, doch weicht ihr negatives Verhalten – Stolz, Eitelkeit, Unehrlichkeit – nicht von dem ihrer männlichen Kollegen ab. Am Ende des Stückes hat niemand bekommen, was er oder sie wollte – auf dem satirisch dargestellten „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ fallen alle Chancen schließlich in sich zusammen („Perdu!“).

In einem Gedicht aus dem Winter 1842/43 wandte sich die Droste „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ (45). Sie notierte die Verse auf demselben Manuskriptblatt wie das zur gleichen Zeit entstandene Widmungsgedicht an Katharine Schücking. Es gehörte zur Arbeitsweise der Autorin, themengleiche Werke auf zusammenhängenden Blättern niederzuschreiben – in diesen beiden Gedichten befasste sie sich mit der Problematik schriftstellerisch tätiger Frauen. Der ursprüngliche Titel lautete „An die Blaustrümpfe“.

An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich



Ihr steht so nüchtern da gleich Kräuterbeeten,
Und ihr gleich Fichten, die zerspellt von Wettern, –
Haucht wie des Hauches Hauch in Syrinxflöten,
Laßt wie Dragoner die Trompeten schmettern;
Der kann ein Schattenbild die Wange röten –
Die wirft den Handschuh Zeus und allen Göttern;
Ward denn der Führer euch nicht angeboren
In eig'ner Brust, daß ihr den Pfad verloren?

Schaut auf! zur Rechten nicht – durch Tränengründe,
Mondscheinalleen und blasse Nebeldecken,
Wo einsam die veraltete Selinde
Zur Luna mag die Lilienarme strecken;
Glaubt, zur Genüge hauchten Seufzerwinde,
Längst überfloß der Sehnsucht Tränenbecken;
An eurem Hügel mag die Hirtin klagen
Und seufzend drauf ein Gänseblümchen tragen.

Doch auch zu Linken nicht – durch Winkelgassen,
Wo tückisch nur die Diebslaternen blinken,
Mit wildem Druck euch rohe Hände fassen
Und Smollis Wüstling euch und Schwelger trinken –
Der Sinne Bacchanale, wo die blassen
Betäubten Opfer in die Rosen sinken,
Und endlich, eures Sarges letzte Ehre,
Man drüber legt die Kränze der Hetäre.

O dunkles Los! o Preis mit Schmach gewonnen,
Wenn Ruhmes Staffel wird der Ehre Bahre!
Grad', grade geht der Pfad, wie Strahl der Sonnen,
Grad', wie die Flamme lodert vom Altare,
Grad', wie Natur das Berberroß zum Bronnen
Treibt mitten durch die Wirbel der Sahare!
Ihr könnt nicht fehlen: er, so mild umlichtet,
Der Führer ward in euch nicht hingerichtet.

Treu schützte ihn der Länder fromme Sitte,
Die euch umgeben wie mit Heil'genscheine,
Sie hielt euch fern die freche Liebesbitte
Und legte Anathem auf das Gemeine.
Euch nahte die Natur mit reinem Schritte,
Kein trunkner Schwelger über Stock und Steine;
Ihr mögt ihr willig jedes Opfer spenden,
Denn Alles nimmt sie, doch aus reinen Händen.

Die Zeit hat jede Schranke aufgeschlossen,
An allen Wegen hauchen Naphtablüten,
Ein reizend scharfer Duft hat sich ergossen,
Das Leben stürmt auf abgehetzten Rossen,
Die noch zusammenbrechend haun und wüten.
Ich will den Griffel eurer Hand nicht rauben:
Singt, aber zitternd, wie vom Weih' die Tauben.

Ja, treibt der Geist euch, laßt Standarten ragen!
Ihr wart die Zeugen wild bewegter Zeiten,
Was ihr erlebt, das läßt sich nicht erschlagen,
Feldbind' und Helmzier mag ein Weib bereiten;
Doch seht euch vor, wie weit die Schwingen tragen,
Stellt nicht das Ziel in ungemeßne Weiten,
Der kecke Falk ist überall zu finden,
Doch einsam steigt der Aar aus Alpengründen.

Vor allem aber pflegt das anvertraute,
Das heil'ge Gut, gelegt in eure Hände,
Weckt der Natur geheimnisreichste Laute,
Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende;
Des Tempels pflegt, den Menschenhand nicht baute,
Und schmückt mit Sprüchen die entweihten Wände,
Daß dort, aus dieser Wirren Staub und Mühen,
Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen.

Ihr höret sie, die unterdrückten Klagen
Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne.
Wer hat sie nicht gehört in diesen Tagen,
Wo nur ein Gott, der Gott im eig'nen Hirne?
Frischauf! – und will den Lorbeer man versagen,
O Glückliche mit unbekränzter Stirne!
O arm Gefühl, das sich nicht selbst kann lohnen!
Mehr ist ein Segen als zehntausend Kronen!

Die Droste spricht hier zwei Gruppen von Schriftstellerinnen an, die sie in ironischer Weise charakterisiert. Da sind zum einen die progressiven, draufgängerischen, selbstbewusst und lautstark auftretenden Dichterinnen des deutschen Vormärz oder auch des Nachbarlandes wie die Französin George Sand, die, wenn sie leidenschaftlich ihre Gleichberechtigung einfordern, wie „Dragoner“ ihre „Trompeten schmettern“ lassen. Im Vergleich dazu erscheinen die empfindsamen, nüchternen, sentimentalen Autorinnen des biedermeierlichen Deutschland als blasse „Kräuterbeete“, die statt in eine Trompete in „Syrinxflöten“ hauchen „wie des Hauches Hauch“.

In der zeitgenössischen Frauenliteratur Deutschlands, Frankreichs und auch Englands kannte sich die Droste gut aus. Für die französische Literatur à la George Sand (eigentlich Aurore Dupin, 1804–1876) hatte sie nur wenig übrig; in einem Brief an Elise Rüdiger äußerte sie sich über die Französin: „[...] es ist eben die Sand! – schön und wahr im Einzelnen, excentrisch im Ganzen.“ (46)

Der satirische Ton, mit dem die Dichterin ihre „Kolleginnen“ beschreibt, sowie die Anrede („ihr“) verdeutlichen ihre distanzierte Haltung zu beiden Typen von Schriftstellerinnen. Auch die Wahl der für die Frauenliteratur jener Zeit üblichen trivialen Sprache wirkt ironisch. Ganz offensichtlich fühlt sie sich den beschriebenen Autorinnen überlegen. „Ressentiment kommt auf, zumal die Droste als dichterisch tätige Frau davon betroffen war, dass die Frauendichtung ihrer Zeit ins Sentimentale oder Agitatorische abzusinken drohte.“ (47)

Die Dichterin wirft den Frauen vor, nicht dem eigenen Gewissen und Wertgefühl zu folgen und sich stattdessen den oberflächlichen Zeitgeist zum „Führer“ zu wählen. Die letzten beiden Verse der ersten wie auch der folgenden Strophen erhalten durch das Reimschema besonderes Gewicht: Die Droste wählt den Stanzenreim (abababcc) mit durchgehend weiblichen Versausgängen, um den ersten sechs ironisch-beschreibenden Zeilen die letzten beiden Verse der Strophe gegenüberzustellen, in denen sie der eigenen Meinung ganz ernsthaft und unironisch Ausdruck verleiht. Der satirischen Beschreibung wird also die eigene Position gegenübergestellt, was in der Metrik seine Entsprechung findet. Der Stanzenreim gliedert die Strophe in zwei Teile. Darüber hinaus verleiht der „festliche Charakter der Stanze“ (48) dem Gedicht den Charakter einer offiziellen Verlautbarung oder Rede, in der die Dichterin offene und deutliche Worte an ihre „Kolleginnen“ richtet.

In der zweiten und dritten Strophe wird die ironische Charakterisierung fortgesetzt (das „Gänseblümchen“ steht der „Hetäre“ gegenüber), bevor die Autorin in der vierten Strophe eine weitere, dritte Position beschreibt, die auf religiös-konservativen Vorstellungen vom Schriftstellerinnen-Dasein beruht. Unklar ist, ob die Droste hier ihren eigenen Standpunkt offenbart. Monika Salmen vertritt die Auffassung, dass die Autorin hier noch nicht ihr eigenes „Dichterbewusstsein“ aufdeckt, sondern zunächst die Probleme darstellt, die ein solcher religiös-konservativer Anspruch aufwirft. (49)
In der sechsten Strophe zeigt die Droste die Verlockungen der liberaler werdenden Zeit auf. Sie spielt auf die kämpferischen Töne der von ihr aus kritischer Distanz beobachteten Vormärz-Literatur an und warnt vor einem oberflächlichen Streben nach Mode, Zeitgeist und Ruhm. Die Dichterin selbst konnte es sich leisten, sich nicht den literarischen Strömungen ihrer Zeit zu unterwerfen. Sie war – anders als die meisten ihrer schriftstellerisch tätigen Zeitgenossen – nicht auf die Einkünfte aus ihrer Arbeit angewiesen. Dieses Privilegs war sich die Droste durchaus bewusst (50):

„Ein Schriftsteller ums liebe Brod ist nicht nur Sklave der öffentlichen Meinung, sondern sogar der Mode, die ihn nach Belieben reich macht oder verhungern läßt, und wer nicht gelegentlich sein Bestes und am tiefsten Gefühltes, Ueberzeugung, Erkenntniß, Geschmack, verläugnen (!) kann, der mag sich nur hinlegen und sterben, und der Lorbeer über seinem Grabe wird ihn nicht wieder lebendig machen.“
(Annette von Droste)



Die Droste gesteht den Frauen das Recht zu, sich in dem Konflikt zwischen „weiblicher“ Zurückhaltung einerseits und engagierter Stellungnahme andererseits frei zu entscheiden. Keinesfalls will sie ihnen das Recht absprechen, sich literarisch zu äußern; sie mahnt jedoch zugleich zu verantwortlichem schriftstellerischen Arbeiten.

In der siebten Strophe ruft die Dichterin dazu auf, von den Möglichkeiten der Zeit Gebrauch zu machen und die eigene Position engagiert zu vertreten. Doch sogleich folgt eine Warnung vor Selbstüberschätzung, wird die zugestandene Freiheit wieder eingeschränkt. Der leidenschaftliche wird von einem mahnenden Ton abgelöst, die engen Grenzen weiblicher Existenz werden sichtbar. In den letzten beiden Strophen erfolgt eine Rückbesinnung auf das konservative Frauenklischee. Die Rolle der Frau als Gattin und Mutter wird geradezu beschworen; Heim und Herd, die als einzig legitimes Betätigungsfeld für Frauen zuvor noch überwunden zu sein schienen, rücken wieder in den Mittelpunkt der weiblichen Existenz. Die Droste vertritt hier ein biedermeier-liches Frauenideal: Die Besinnung auf die weibliche Rolle, die Pflege und Wahrung der Natur als Aufgabe der Frau stehen im Gegensatz zum leidenschaftlichen Aufruf der siebten Strophe zu selbstbewusster und öffentlicher Stellungnahme. Fortschrittliche und konservative Positionen wechseln ab; Wilhelm Gössmann bezeichnet das Gedicht als „grüblerisches Durcheinander von Naturbestimmung und individuellem Freiheitsdrang“ (51). Die Droste, glaubt er, wechselt hier die Positionen, „um nicht einer modischen Oberflächlichkeit zu verfallen, aber auch nicht einem biederen Frauenbild.“ (52)

Der Widerspruch, der in diesem Gedicht zutage tritt, ist nach Monika Salmens Ansicht „wohl ein Signal für die biographisch bedingte, zwielichtige schriftstellerische Situation“ (53) der Droste. Dem geistigen Aufbruch, der sich in ihren Versen dokumentiert, werden im Leben der Dichterin immer wieder äußere Grenzen gesetzt – durch die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht wie zum Adelsstand mit den damit verbundenen Verhaltensnormen. In diesem Gedicht stellt die Autorin Werte wie Geradlinigkeit und Unabhängigkeit von öffentlichen Meinungen als erstrebenswert dar und beschwört zugleich das Rousseausche Frauenideal, das die Epoche prägte. Dadurch wirkt das Gedicht verwirrend – Clemens Heselhaus nennt es den Versuch, „blaustrümpfig zu den Blaustrümpfen zu reden.“ (54)

Die Meinung der Droste über Schriftsteller bezieht sich auf Frauen und Männer gleichermaßen. Dennoch wird im oben besprochenen Gedicht deutlich, dass Dichterinnen darüber hinaus auch dem weiblichen Rollenklischee zu genügen haben. Die Droste kann oder will das biedermeierliche Frauenideal nicht übergehen. Die Position der Dichterin fußt auf religiös bedingten moralischen Grundwerten. Sie lässt einen kämpferischen Standpunkt ebenso zu wie eine zurückhaltende, sich auf traditionelle Normen besinnende Sichtweise. Über allem steht die Verantwortlichkeit, der sich schriftstellerisch tätige Menschen aus Sicht der Droste stets bewusst sein sollen. „Sie stellte ihren konservativ katholischen Glauben über alles und spürte zugleich abgrundtiefe Zweifel“ (55) , stellt Wolfgang Poeplau im Zusammenhang mit der Entstehung des „Geistlichen Jahrs“ fest. Diese Zwiespältigkeit, in der die Droste gefangen war, offenbart sich auch in ihren Gedichten „An die Schriftstellerinnen“, „Am Turme“ und „Unruhe“.

Levin Schücking dagegen entdeckte offensichtlich keine Widersprüchlichkeit im Empfinden der Dichterin. Er schrieb (56):

„Trotz aller männlichen Kraft bleibt sie streng innerhalb der Schranken der Weiblichkeit, und des Frauenberufs, die Sitte zu hüten, eingedenk; in dieser Beziehung enthält das schöne Gedicht ,An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich‘ ihr treu befolgtes Glaubensbekenntnis.“
(Levin Schücking, 1862)




Anmerkungen zum Kapitel „III. Das Frauenbild Annettes von Droste-Hülshoff im Spiegel ihrer Werke“



1) In einem Brief an Elise Rüdiger vom Juli 1841; Briefe I, S. 542.

2) Ursula Homann, Die Droste – eine rebellische Dichterin. In: Der Literat 27, 1985, S. 5f.

3) Annette von Droste-Hülshoff, Werke und Briefe. Hg. von Karl Martin Schiller. 3 Bde. Meersburg, 1928, Bd. 3, S. 227f. Auch im folgenden wird aus dem Drama „Bertha“ nach dieser Ausgabe zitiert.


4) Zitiert nach Heselhaus 1971, S. 34.

5) Karl Schulte Kemminghausen / Winfried Woesler, Annette von Droste-Hülshoff. München, 1981, S. 13.

6) Droste-Hülshoff, Werke und Briefe, S. 379.

7) Ebd.

8) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 641ff. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „Unruhe“ nach dieser Ausgabe zitiert.

9) Zitiert nach Herbert Kraft, Annette von Droste-Hülshoff. Reinbek, 1994, S. 42.

10) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 78f. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „Am Turme“ nach dieser Ausgabe zitiert.

11) Hartwig Schultz, Form als Inhalt. Vers- und Sinnstrukturen bei Joseph von Eichendorff und Annette von Droste-Hülshoff. Bonn, 1981, S. 198.

12) Marita Fischer, Annette von Droste-Hülshoff: Am Turme. In: Rupert Hirschenhauer, Albrecht Weber (Hg.), Wege zum Gedicht. München [u. a.], 1956, S. 216–220, hier S.220.

13) Salmen 1987, S. 30.

14) Salem 1987, S. 30.

15) Christa Wolf, Der Schatten eines Traumes – Karoline von Günderrode. Ein Entwurf. In: Dies., Kein Ort. Nirgends. Darmstadt, 1988, S. 143–207, hier S. 168f.

16) Sengle, I, S. 6.

17) Kortländer 1979, S. 230.

18) Zitiert nach Woesler I, 1, S. 45f.

19) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 325ff.

20) Maurer, S. 88.

21) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 327.

22) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 92ff., hier S. 92.

23) Vgl. Gössmann 1985, S. 66f.

24) Gössmann 1985, S. 92.

25) Droste-Hülshoff, Sämtliche Werke, S. 1037ff. Auch im folgenden wird aus „Perdu!“ nach dieser Ausgabe zitiert.

26) Schücking, S. 97.

27) Briefe I, S. 548.

28) Kortländer 1979, S. 315.

29) In einem Brief an Elise Rüdiger; zitiert nach Gödden 1991, S. 219.

30) Perdu!, S. 1053.

31) Perdu!, S. 1059.

32) Perdu!, S. 1059

33) Perdu!, S. 1044.

34) Perdu!, S. 1046

35) Perdu!, S. 1047.

36) Perdu!, S. 1060ff.

37) Perdu!, S. 1068.

38) Perdu!, S. 1078.

39) Perdu!, S. 1078.

40) Perdu!, S. 1067.

41) Perdu!, S. 1088.

42) Perdu!, S. 1095f.

43) Kraft, S. 7.

44) Johanna Baillie (1762–1851), eine englische Schriftstellerin, verfasste mehrere Theaterstücke („Plays on the Passions“, deutsch „Die Leidenschaften“, 1806).

45) Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte, S. 22ff. Auch im folgenden wird aus dem Gedicht „An die Schriftstellerinnen“ nach dieser Ausgabe zitiert.

46) In einem Brief vom September 1843; zitiert nach Naumann, S. 83.

47) Gössmann 1985, S. 24.

48) Wolfgang Kayser, Kleine deutsche Versschule. Tübingen [u. a.], 1992, S. 48.

49) Vgl. Salmen 1987, S. 31.

50) Zitiert nach Gödden 1991, S. 93.

51) Gössmann 1985, S. 84.

52) Gössmann 1985, S. 204.

53) Salmen 1987, S. 31.

54) Heselhaus, S. 227.

55) Wolfgang Poeplau (Hg.), Annette von Droste-Hülshoff. Meine Lieder werden leben. Wuppertal, 1992, S. 58.

56) Schücking, S. 98.


Zusammenfassung



„Die Droste schreibt wie ein Mann“ – darin waren sich die Literaturkritiker der Restaurationszeit einig. Die ausdrucksstarke Poesie der Dichterin passte nicht in das Klischee, das die literarische Öffentlichkeit für Schriftstellerinnen vorsah und das auch Annette von Droste selbst verinnerlicht hatte. In keinem ihrer zahlreichen bislang bekannten Briefe wehrte sie sich gegen die Bezeichnung „männliche Dichterin“. In ihren Werken verwendete sie oft ein lyrisches Er, „um jene Intensität auszudrücken, die sie in sich gespürt hat.“ (1) Die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuern, das große Fernweh und das Streben nach einem selbst- bestimmten Leben sind stets verknüpft mit einer männlichen Figur – mit dem Bruder Ferdinand in „Bertha“, mit dem Jäger und dem Soldaten in „Am Turme“. Die männliche Identität war bei der Droste unverzichtbare Voraussetzung, um die angesprochenen Wünsche zu verwirklichen. Als einzige Konsequenz blieb daher die Resignation. Denn dass eine Frau ihre Freiheitsbestrebungen realisiert, war auch für die Droste unvorstellbar, passte nicht in ihr Weltbild.

Annette von Droste entsprach auf den ersten Blick in vielerlei Hinsicht dem Frauenideal ihrer Zeit. Als Mitglied des westfälischen Adels hatte sie die konservativen Wertmaßstäbe, mit denen sie erzogen worden war, schon in jungen Jahren verinnerlicht. Sie versuchte stets, den weiblichen Tugenden der Restaurationszeit – wie Bescheidenheit, Gehorsam, Demut – zu entsprechen, auch wenn ihr dies oft schwerfiel. Sie akzeptierte die Definitionen ihrer Zeit von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“. Sie überließ die Verhandlungen mit ihren Verlegern stets einem männlichen Freund und betrachtete Rezensionen von Frauen im Vergleich zu Besprechungen männlicher Kritiker als minderwertig.

Sie fügte sich der geforderten Unterordnung innerhalb der Familie, ließ sich vom jüngeren Bruder vorschreiben, in welchen Zeitungen sie ihre Gedichte zur Veröffentlichung bringen durfte, und blieb zeitlebens die gehorsame Tochter, das „artige Kind“ ihrer Mutter.

Doch es gab auch immer wieder Ausbruchsversuche aus den Abhängigkeitsstrukturen, in denen die Droste sich bewegen musste. Einige wenige Male wehrte sie sich gegen die mütterliche Bevormundung. Mühsam schuf sie sich einen kleinen Freiraum; zäh und unnachgiebig setzte sie im Laufe der Jahre durch, dass man sie – die ehelose Dichterin, die mit häuslicher Arbeit nichts anzufangen wusste – akzeptierte, wie sie war.
Annette von Droste, urteilt Wolfgang Poeplau, „fand nie die Kraft, [...] selber ihres Glückes Schmied zu sein. Ihre Auflehnung gegen das Schicksal war immer nur ein dichterischer Kampf“ (2). Monika Salmen konstatiert eine „Diskrepanz zwischen Leben und Werk“ (3); die Droste habe sich nur in ihrer Dichtung, nicht aber im Leben einen Freiraum verschafft.

Dies ist meiner Meinung nach nicht ganz richtig. Betrachtet man die Briefe der Droste, in denen sie sich fast durchweg als angepasstes Adelsfräulein präsentierte, so überrascht es fast, gegen wieviele Normen die Dichterin in ihrem alltäglichen Leben tatsächlich verstoßen hat. Ihre umfassende Bildung ging weit über das übliche Maß auch adliger Frauen hinaus. In einer Zeit, in der die Ehe als selbstverständlicher Lebensweg jeder Frau angesehen wurde, blieb die Droste unverheiratet. Gegen enorme Widerstände betätigte sie sich literarisch und wagte sogar den Schritt in die Öffentlichkeit, was sowohl gegen ständische wie gegen patriarchale Normen verstieß. Entgegen der in der Sekundärliteratur oft vertretenen Auffassung, die Droste sei am politischen Tagesgeschehen nicht interessiert gewesen, äußerte sie mehrfach unmissverständlich ihre ablehnende Haltung gegenüber der liberalen Bewegung und deren „Rhetorik und Demagogie“ (4) – sie nahm demnach durchaus Anteil an den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ihrer Zeit.

Obwohl die Droste also in zentralen Bereichen ihres Lebens nicht den Erwartungen der Restaurationsgesellschaft entsprach, wird in der Sekundärliteratur zumeist die äußere Anpassung der Dichterin besonders betont und ihren Werken – als angeblich einzig sichtbarem Ausdruck ihrer Unabhängigkeitsbestrebungen – gegenübergestellt.
Tatsächlich finden sich, wie ich dargestellt habe, sowohl im Leben der Droste als auch auch in ihren literarischen Arbeiten „viele Belege für emanzipiertes Bewusstsein und weiblichen Freiheitsdrang“ (5). Dabei wirkt die Droste als junge Frau trotziger und kämpferischer, als in ihrem letzten Lebensjahrzehnt. In den frühen Arbeiten lässt sich ihr Schwanken zwischen empörter Auflehnung und schlechtem Gewissen, den Pflichten nicht zu genügen, deutlich ablesen. Auch in diesen Werken klingt schon die Resignation an, die in den Gedichten der Vierzig- bis Fünfzigjährigen, dem „Tagebuch ihres inneren Lebens“ (6), bestimmend wird. Im alltäglichen Leben jedoch bestand die Droste mit zunehmendem Alter „immer fester auf ihrem Recht, in einem stets sehr eng gesteckten Rahmen ihr eigenes Leben zu führen und ihre dichterische Arbeit zu tun.“ (7)

Die Autorin stellt weder in ihren frühen noch in den später verfassten Werken das herrschende Frauenideal infrage. Die patriarchalische Ordnung wird anerkannt, und auch das Leiden unter ihr führt nicht zu der Konsequenz, gesellschaftliche Veränderung anzustreben. So sieht keine ihrer literarischen Frauenfiguren einen Ausweg aus der leidvollen Lebenssituation, sie resignieren oder wünschen sich, wie Bertha, den Tod. Die Protagonistinnen nehmen erst gar nicht den Kampf um ihre Interessen auf. Zwar können Standesgrenzen teilweise überwunden werden, niemals aber wird die patriarchale Hierarchie ernsthaft angegriffen. Die Droste entwirft in ihren Werken keine utopischen Gegenbilder, sondern sie reflektiert und verarbeitet ihre Erfahrungen und Bedürfnisse, um sich am Ende mehr schlecht als recht mit den Machtverhältnissen zu arrangieren – ein „Happyend“ gibt es nicht. „Partielle Anpassung und Unterwerfung – als Strategie, als Schutz oder auch ganz unproblematisiert als verinnerlichte Verhaltensnorm – waren zumeist der Preis, der bezahlt wurde, um an einer oder mehreren Stellen aus der Rolle zu fallen“ (8), beschreibt Sigrid Weigel den Weg, den viele Autorinnen des 19. Jahrhunderts gegangen sind.

Der beginnenden Frauenbewegung mit ihren Forderungen nach Gleichberechtigung stand die Droste skeptisch gegenüber. Ihre Bestrebungen zielten eher auf individuelle Selbständigkeit, auf Unabhängigkeit von einem Mann und (was den Bereich der Dichtung anging) von der Familie, und weniger auf die allgemeine Verbesserung der Lage der Frauen. Annette von Droste war keine frühe Feministin. Dennoch kann man „Ansätze für ein Bewusstsein von der Solidarität unter Frauen“ (9) bei der Dichterin entdecken, wenn man die rege Anteilnahme und zum Teil tatkräftige Unterstützung bei literarischen Projekten betrachtet, die sie, ihre Freundinnen und ihre Schwester sich gegenseitig gewährten. Die Droste ermutigte Frauen wiederholt, sich literarisch zu äußern – und schränkte dieses Recht zugleich im Rahmen ihrer konservativen Grundwerte ein.

Annette von Droste, schreibt Doris Maurer, „vereint kämpferische und resignative Züge, erscheint leise und zurückgezogen, aber auch trotzig und voll Protest, anlehnungsbedürftig und dann wieder schroff, voller Selbstbewusstsein und doch voller Demut.“ (10) Die Dichterin, die seit dem Beginn ihres öffentlichen Auftretens von Literaturkritikern und -historikern immer wieder in Rubriken eingeordnet wurde und wird, passt einfach in keine Schublade. Und darum kann es auch nicht gehen: Eine feministische Betrachtung der Literaturgeschichte „darf nicht die Form von Aschenputtels [...] Sortierarbeit annehmen: die guten ins (Frauenbewegungs-)Töpfchen, die schlechten werden den Netzen männlicher Geschichtsschreibung überlassen; produktiv wird [eine feministische] Parteilichkeit vielmehr, wenn die Texte und Lebensgeschichten historischer Frauen – ihre Widersprüchlichkeiten, Probleme, ihre Fehler und auch ihr Scheitern eingeschlossen – als Lehrmaterial für Frauen gelesen und untersucht werden.“ (11)

Eine frauenspezifische Sicht auf Leben und Werk Annettes von Droste fördert eine neue, eine „dritte“ Position zutage. Jenseits der Entgegen- setzung von leisen, sentimentalen Dichterinnen auf der einen und lautstark fordernden, emanzipierten Autorinnen des Vormärz auf der anderen Seite, bewegte sich die Droste auf einem – konfliktreichen – Mittelweg. Eine ausgewogene Literaturgeschichtsschreibung sollte diese Vielschichtigkeit ihres Wesens akzeptieren, statt Annette von Droste-Hülshoff einseitig zu vereinnahmen – weder im Sinne der braven, frommen, konservativen Biedermeierdichterin noch als kämpferische, feministische „Schwester“.

Anmerkungen zum Kapitel „Zusammenfassung“



1) Gössmann 1985, S. 19.

2) Poeplau, S. 58f.

3) Salmen 1987, S. 9.

4) Vgl. Ronald Schneider, Realismus und Restauration. Untersuchungen zu Poetik und epischem Werk der Annette von Droste-Hülshoff. Kronberg/Ts., 1976, S. 22.

5) Gödden, in: Krewerth, S. 16.

6) Heselhaus 1966, S. 1129.

7) Maurer, S. 31.

8) Sigrid Weigel, Der schielende Blick. In: Dies. / Inge Stephan (Hg.), Die verborgene Frau. Berlin, 1985, S. 83–137, hier S. 89.

9) Plachta 1987, S. 177.

10) Maurer, S. 43.

11) Weigel, S. 84.


Literaturverzeichnis



Das Verzeichnis der verwendeten Literatur gliedert sich in zwei Rubriken: Liste A umfasst in chronologischer Reihenfolge die meiner Arbeit zugrundeliegenden Ausgaben mit Werken und Briefen Annettes von Droste- Hülshoff. Liste B enthält in alphabetischer Reihenfolge die von mir benutzte Sekundärliteratur.


A. Werk- und Briefausgaben



Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking. Hg. von Reinhold Conrad Muschler. Leipzig, 1928.

Annette von Droste-Hülshoff, Werke und Briefe. Hg. von Karl Martin Schiller, 3 Bde., Bd. 3: Prosadichtungen. Meersburg, 1928.

Die Briefe der Annette von Droste-Hülshoff. Gesamtausgabe in zwei Bänden. Hg. von Karl Schulte Kemminghausen. Jena, 1944.

Annette von Droste-Hülshoff, Sämtliche Werke. Hg., in zeitlicher Folge geordnet und mit Nachwort und Erläuterungen versehen von Clemens Heselhaus. München, 1966.

Annette von Droste-Hülshoff, Sämtliche Gedichte. Mit einem Nachwort von Ricarda Huch. Frankfurt/Main, 1988.

Annette Freiin von Droste-Hülshoff, „Mein lieb lieb Lies!“ – Briefe der Annette von Droste-Hülshoff an Elise Rüdiger. Nach den Handschriften hg. und mit einem Nachwort versehen von Ursula Naumann. Frankfurt/Main [u.a.],1992.


B. Verwendete Sekundärliteratur



Alker, Ernst, Die deutsche Literatur im 19. Jahrhundert (1832–1914). Stuttgart, 1962.

Altenhofer, Norbert / Estermann, Alfred, Europäische Romantik, 3 Bde., Bd.III: Restauration und Revolution. Wiesbaden, 1985 (= Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Hg. von Klaus von See, Bd. 16).

Annette von Droste-Hülshoff, Ihre Neuentdeckung als Frau und Autorin. Tagung der Evangelischen Akademie Iserlohn in Zusammenarbeit mit der Droste-Gesellschaft e.V., Münster, 1984.

Arnim, Bettine von: Aus meinen Leben. Frankfurt/Main, 1982.

Barthel, Carl, Deutsche Nationalliteratur der Neuzeit. Braunschweig, 1858.

Belemann, Claudia, Verzweifelte Nonne oder forschende Norne? Zur Ausgrenzung weiblicher Traditionsbildung in der Droste-Rezeption. In: Ortrun Niethammer / Claudia Belemann (Hg.), Ein Gitter aus Musik und Sprache, S.91–103.

Berglar, Peter, Annette von Droste-Hülshoff mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek, 1967.

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Bluntschli, Johann Caspar, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Nördlingen, 1884.

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Bovenschen, Silvia, Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/Main, 1979.

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Gaier, Ulrich, Annette von Droste-Hülshoff und ihre literarische Welt am Bodensee. Marbach a.N., 1993 (Marbacher Magazin 66/1993, Sonderheft für die Droste-Gedenkstätten in Meersburg/Bodensee, Deutsche Schillergesellschaft. Hg. von Ulrich Ott)

Gervinus, Georg Gottfried, Geschichte der deutschen Dichtung, 5 Bde., Leipzig, 1853.

Gödden, Walter, Annette von Droste-Hülshoff. Leben und Werk. Eine Dichterchronik. Frankfurt/Main, 1994.

Gödden, Walter, Dichterschwestern. Prosa zeitgenössischer Autorinnen über Annette von Droste-Hülshoff. Paderborn [u. a.], 1993.

Gödden, Walter, Die andere Annette. Annette von Droste-Hülshoff als Briefschreiberin. Paderborn [u. a.], 1991.

Gödden, Walter, Ein neues Kapitel Droste-Biographie. Die Freundschaft der Droste mit Anna von Haxthausen und Amalie Hassenpflug in ihrem biographischen und psychologischen Kontext anhand neuen Quellenmaterials. In: Droste-Jahrbuch 1 (1986/87). S. 157–172.

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Impressum

Texte: Cover: Haus Rüschhaus. Foto: Monika Gemmer. Kleines Bild: AvD auf einem Gemälde von Johann Joseph Sprick, 1838
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2010

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