- kurze Winterskizze -
gestern in der Nacht hatte es dem Winter gefallen
die Stadt verschwenderisch zu puderzuckern
jetzt locken mich die frühen Strassen
mit ihrer schönen Lüge von Unschuld
der Dreck ist erstmal weg
Müll und Scheisse im Flockenversteck
auch der Krach ist erstmal weg
auf dem kalaschnikowschen Lauf der Welt
steckt ein Schalldämpfer aus Zuckerwatte
unter meinen Schuhen knirscht ruhig der Schnee
als ich im Park so meine Runden stapfe
in kleinen Fetzen weht mir weich und leise
das Lachen und Jauchzen
einiger Kinder durchs Haar
die stürzen sich ein Stückchen weiter
auf ihren Schlitten von einem Hügel
runter ins Vergnügen
und werfen sich zwischendurch gegenseitig
weisskalte Bälle an ihre Mützenköpfe
zielen mit ihren Schneekugeln auch auf Bäume
und auf diese Parkbank dort
mit der eingeschneiten Skulptur
treffsicher sind sie, sie treffen und treffen
bis plötzlich die Skulptur für Aufregung sorgt
als sie langsam zu kippen beginnt
und sich als ein Mensch entpuppt
dem das Kornblut in den Adern gefroren war
gestern in der Nacht hatte es dem Winter gefallen
eine Hoffnung aufs ewige Eis zu legen
der Rettungswagen fährt mit dem Toten
langsam und ohne Blaulicht aus dem Park
und während über mir eine Krähe fliegt und schreit,
als hätte sie Nietzsche gelesen
wirft sich gegenüber der Parkbank ein Kind
rücklings in den Schnee
und macht einen Engel
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(c) Mone Hartman 2013
http://monehartman.com
Texte: Mone Hartman
Bildmaterialien: Mone Hartman
Tag der Veröffentlichung: 13.12.2013
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