Der Weg ist noch lange nicht das Ziel
Endlich!
Mein lang ersehntes freies Wochenende war
jetzt nicht mehr weit. Morgen früh sollte es los
gehen. Meine Tasche war für sämtliche Witte-
rungen ausreichend gepackt und vier Paar
Schuhe sollten hoffentlich genügen um für
drei Tage gut gerüstet zu sein.
Tät, tät, tät, dröhnte der Wecker und schreckte
mich aus meinem wohligen Traum. Noch ein
paar Schlummerminuten und ich stand gut
gelaunt auf, nichts ahnend, dass meine gute
Laune noch auf eine harte Probe gestellt wer-
den sollte.
Zum Frühstück musste ein doppelter Espresso
und ein alter Zwieback reichen, ebenso eine
Katzenwäsche und durchwuscheln der Haare.
Ich saß ja später sowieso nur im Auto und da
war mir mein Styling relativ egal. Hauptsache
bequem.
In meiner alten, zerlumpten Lieblings Jeans
und gemütlichen Boots stand ich nun abreise-
fertig im Hausflur.
Ein letzter Check, ob ich auch alles Wichtige
am Mann hatte, in meinem Fall an der Frau
und schon schloss ich die Tür von außen ab.
Im Auto wurde meine neuste Anschaffung, das
super Hightech Navi, vorschriftsmäßig an der
Halterung montiert.
Jetzt wartete ich auf den Startschuss. Gebannt
starrte ich auf mein Handy.
Da ... eine SMS, endlich. Ich konnte es kaum
noch erwarten. Doch was ich da las, konnte
ich nicht mal fehlerfrei aussprechen:
Oberfischbachhausen!
Wo um Himmels willen kann das sein?
Na gut, das war also das Ziel. Ich fütterte mein
Navi sorgfältig mit den Ziel Infos, vergewisserte
mich noch mal über die Richtigkeit der Einga-
be und startete den Motor.
So ein Navi ist schon phänomenal!
Ohne dieses Teil hätte ich auch niemals einem
Treffen in der hintersten Pampa zugestimmt.
Diese Art Treffen findet einmal im Jahr statt.
Kurz zur Erklärung:
Wir, das sind Jenny, Mona und ich, treffen uns
einmal im Jahr an einem Ort, den einer von
uns aussucht und dort etwas bucht, plant oder
vorbereitet und verbringen da das Wochenende
zusammen. Die anderen zwei wissen nicht was
oder wo.
Die Information wie die anderen zwei an den
geheimen Ort kommen werden per SMS am
Tag der Abreise mit geteilt.
Dieses Jahr war Mona dran. Bei Mona sollte
man schon im Alltag mit allem rechnen, doch
wenn sie die Möglichkeit dazu hat auch noch
etwas Besonderes auszuhecken, dann über-
schreitet sie leicht die Grenze des Machbaren.
Mit diesem Wissen und einem leicht mulmigen,
aber freudigem Gefühl machte ich mich auf
den Weg zur Autobahn. Nach ca. zwei Stunden
Autobahn und verschiedenen Abfahrten führte
mich mein neues Navi auf eine Bundesstraße,
die zwischen dichtem Wald, links wie rechts,
hindurchführte.
Alles schien im grünen Bereich.
Mein Gefühl bestärkte mich, richtig gefahren
zu sein, denn Oberfischbachhausen war sicher
keine Großstadt.
Also fuhr ich, immer brav der Stimme meines
Navis folgend der vorgegebenen Richtung.
Zahlreiche lange links, dann scharfe rechts
Kurven nahmen gar kein Ende.
Irgendwann bemerkte ich die Veränderung der
Bodenbeschaffenheit. Es wurde zunehmend
holpriger und bald fuhr ich durch ziemlich un-
wegsames Gelände.
»Hier war doch schon ewig keiner mehr!«,
bemerkte ich etwas irritiert.
Ob ich hier noch richtig war? Diese Gegend
kam mir irgendwie so unwirklich vor. Weit und
breit nichts außer Bäume, wohin ich blickte
und das schon seit gefühlten drei Stunden.
Plötzlich erklang die Stimme meines Navis,
»Bitte wenden, bitte wenden!«
»Was?«, schrie ich geschockt, »das kann jetzt
nicht dein Ernst sein?«
Wie sollte ich das anstellen? Der Weg auf dem
ich fuhr, war grade so breit wie mein Wagen!
Nach ungefähr zehn Minuten Weiterfahrt er-
gab sich an einer kleinen Lichtung die Mög-
lichkeit zu einer Pause.
Ich entschied die Einstellungen am Navi zur
Sicherheit zu prüfen.
In der Zwischenzeit war es ein wenig kühler
geworden und ich kramte meine Jacke aus der
Tasche und zog sie an. Da eine Tasse heißer
Kaffee auch nicht mehr Zeit kostete, füllte ich
mir noch einen Becher mit lecker duftendem,
heißen Kaffee.
In weiser Voraussicht hatte ich mir eine Ther-
moskanne mit Kaffee eingepackt.
So rutschte ich in eine gemütliche Stellung auf
dem Sitz, holte das Navi aus der Halterung und
legte es auf meinen Schoss.
Als ich dann nach meinem Kaffeebecher griff,
passierte es!
Knall, funk, peng! Alles auf einmal. Es wurde
kurz taghell und dann war auch schon alles
vorbei.
Es roch nach verbranntem Kaffee und ange-
schmorten irgendwas. Nachdem ich wieder zu
atmen begann, realisierte ich das Ausmaß des
kleinen Feuerwerks. Mein Kaffee war auf der
Hose und mein Navi zeigte kein Lebenszeichen
mehr. Alles, was ich noch sehen konnte, war ein
nasser Bildschirm. Da half kein klopfen, herum
wirbeln, drauf schlagen oder flehend betteln.
Mein armes Navi war tot!
Zum Glück hatte ich ja immer noch mein Han-
dy, dessen Gebrauch in dieser Außnahmesitu-
ation sicher erlaubt war.
Doch wie das in der hintersten Hinterwäldler
Landschaft so ist, kann man davon ausgehen,
dass die Netzabdeckung, zumindest die meines
Mobilfunk Anbieters, in dieser Region noch nie
geprüft wurde.
Ja für wen auch, Waldtiere kommunizieren nun
mal nicht über Handys.
Als ich über meine Lage nach dachte, fiel mir
auf, dass ich in den letzten zwei Stunden keine
Menschenseele bemerkt hatte.
Kein Gegenverkehr, keine Spaziergänger, nein
nicht mal irgendwelche Ortsschilder oder Weg-
weiser.
Vielleicht hatte ich auch bloß nicht darauf ge-
achtet, da ich meine ganze Aufmerksamkeit
der sympathischen Stimme meines Navis wid-
mete.
Ich beschloss den Wagen zu wenden und nach
Gefühl zu fahren. Nach meinem Gefühl!
Nach zahllosen vor und rückwärts Gängen,
gelang mir es schließlich mein Auto zu drehen.
Doch anstatt das mir vielleicht einige Bäume,
Lichtungen oder Gabelungen bekannt vor ka-
men, schien alles, Meter für Meter gleich aus-
zusehen. Jetzt war es klar, ich hatte mich total
verfahren.
Nach ungefähr zwanzig Minuten kam ich an
eine Gabelung, an der jedoch kein Schild oder
sonst irgendetwas stand.
Mein erster Gedanke war Links, fahr links!
Doch da ich aus Erfahrung weiß, dass wenn
es zwei Möglichkeiten gibt, ich immer erst die
falsche nehme, entschied ich mich für rechts.
Das ist so bei mir:
Zum Beispiel mache ich Tabletten Päckchen
immer zuerst an der Seite auf, wo der Beipack-
zettel um die Tabletten gelegt ist.
Wenn zwei Kugelschreiber auf dem Tisch
liegen, nehme ich den mit der leeren Mine ...
Daher habe ich mir angewöhnt, mich als Erstes,
für meine zweite Wahl zu entscheiden.
Mein Weg, der mich in den nächsten Stunden
noch einige Male an Abzweigungen und Gabe-
lungen führte, schien endlos.
Immer wenn es zwei Möglichkeiten gab abzu-
biegen, entschied ich mich für den zweiten Ge-
danken.
Ich kenne mich und kann mich auf die Eigen-
arten an mir verlassen.
Hätte ich nicht so aufmerksam der Stimme des
Navis gelauscht, dann hätte mich mein Gefühl
sicher schon eine Weile früher sanft beschli-
chen und mich eine Art von Unbehagen spüren
lassen.
Da ich mich aber blind auf die Anweisungen
einer fremden Stimme verließ, war ich jetzt
verlassen.
Irgendwann, es begann schon zu dämmern,
kam ich auf eine mir bekannte Strecke. Da ich
für heute Abenteuer genug hatte, entschied ich
mich, nach Hause zu fahren.
Zu Hause angekommen rief ich Mona an und
teilte ihr mit, dass ich leider erst morgen früh
losfahren könne, da mir etwas Unerwartetes
dazwischen gekommen sei. Was, das gestand
ich ihr nicht.
Ich bat sie mir die genaue Wegbeschreibung
einmal zu geben und musste feststellen, dass
ich nur einige Hundert Meter von unserem
Treffpunkt entfernt war, als das kleine Feu-
erwerk mein nagelneues Navi tötete.
Fazit: Höre immer auf dich selbst, denn du
kennst dich am besten!
Texte: Bilder & Text Copyright © Nicki Cross
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2011
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