Cover

Always by your side

„Sammy, Tisch 7!“ ruft mir mein Dad im vollen Pub zu und ich drehe mich suchend um.

Ich entdecke die Gruppe junger Männer die nach mir winkt und steuere ihren Tisch an.

„Was kann ich euch bringen?“ ich lächle sie freundlich an.

„Vier Guinness und zwei Coke.“ Antwortet einer der Männer und ich nicke ihm zu.

„Einen kleinen Moment.“ Ich drehe mich um und steuere die Bar an. Es ist voll und ich muss mir meinen Weg mehr oder weniger mit sanfter Gewalt erkämpfen.

„Dad! Vier Guinness und zwei Coke!“ rufe ich ihm zu und er nickt kurz als Zeichen, das er mich verstanden hat, ehe er sich dann erst einmal einem Kunden an der Bar zuwendet.

„Na Sammy. Wie sieht es bei euch aus?“ werde ich von hinten umarmt und sehe nur Sekunden später in das strahlende Gesicht meiner großen Schwester.

„Wie soll es am Samstagabend hier schon aussehen?“ ich drücke sie fest an mich.

Ich entlasse sie aus meinem Griff, greife hinter die Theke und reiche ihr eine schwarze lange Schürze.

Bitte.“ flehe ich sie an und sie grinst kopfschüttelnd.

„Ich weiß schon, warum mich Matt jedes Mal warnt, wenn ich auf einen Samstag her komme.“ Sie schnappt sich die Schürze und ich schicke ihr einen Handkuss, ehe ich meine Getränkebestellung entgegen nehme und zum Tisch bringe.

„Hier eure Guinness Jungs und natürlich die beiden Cokes.“ Ich stelle alle Gläser ab. „Zusammen?“ ich sehe in die Runde und einer der Männer nickt.

„Ja, das übernehme ich.“ Er sieht mich fragend an.

„27 Euro.“ Kommt es nach ein paar Sekunden von mir.

„Stimmt so.“ er reicht mir einen 10 und einen 20 Euro Schein.

„Danke.“ Ich schenke ihm mein schönstes Lächeln und gehe dann zum Nachbartisch.

Der Samstagabend im Porters ist ein Kampf, Sandycove hat nur 500 Einwohner, aber ich habe das Gefühl am Samstagabend kommen sie alle zu uns…

Unser Publikum ist bunt gemischt, junge Leute, alte Leute, Fischer, Geschäftsleute… alles was Sandycove eben zu bieten hat.

„Letzte Runde!“ ertönt die Stimme meines Dads und er läutet mit der alten Schiffsglocke an der Bar.

Ich laufe nun von einem zum anderen Tisch, bringe die letzten Bestellungen an die Tische und endlich eine Stunde später verlassen die letzten Gäste das Pub. Erleichtert schließe ich hinter ihnen ab und atme tief durch.

Wieder einmal ein Samstagabend überstanden...

Ich setze mich an den Tresen und sehe Ava dankbar an.

„Du hast mich gerettet.“ Ich atme tief durch und sehe zu meinem Dad „Wir müssen für Freitag und Samstag jemanden einstellen. So geht das nicht.“

„Ich weiß Süße…“ er sieht mich müde an „Ich weiß…“

„Mach dir keine Gedanken Daddy, bis ihr jemanden habt, springe ich ein.“ Ava beugt sich über den Tresen und gibt unserem Dad einen Kuss auf die Wange. „Ich muss los, Matt gibt sonst eine Vermisstenanzeige auf.“ Sie zwinkert mir zu und drückt auch mir einen Kuss auf die Wange.

Ich beginne die Kasse zu machen und reibe meine Schläfen.

In der Woche der Bürojob und am Wochenende noch hier arbeiten, das schlaucht auf die Dauer, aber im Grunde genommen kenne ich es ja nichts anders.

Es war irgendwie schon immer so...

„Alles gut mein Süße?“ fragt mein Dad besorgt und ich nicke abwesend.

Ich lege ihm alles hinter den Tresen, schließe das Geld im Tresor ein und bringe die Bücher ins Büro. Als ich wieder nach vorne komme ist mein Dad gerade fertig mit fegen und nimmt mich in den Arm.

„Ich danke dir so sehr meine Süße.“ er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich schließe meine Augen und lege meinen Kopf auf seine Brust, er riecht leicht nach Rauch, nach Guinness und nach Pfefferminz. Das ist der typische Geruch meines Dads, allein der gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit.

„Geh schlafen mein Liebling.“ Sagt er sanft und lässt mich los. „Wir sehen uns morgen in der Kirche.“ Erinnert er mich und ich nicke schwach.

Egal wie spät es auch wird, das ist kein Grund den sonntäglichen Gottesdienst ausfallen zu lassen, der ist ihm heilig und das weiß ich auch.

Ich laufe langsam die 20 Minuten zu meiner Wohnung, als ich am Hafen vorbei komme legen bereits die ersten Fischerboote ab und hier und da winke ich den Fischern die ich kenne kurz zu.

„Guten Morgen Sam!“ ertönt eine Stimme von einem der Boote und ich erkenne Luke, einen guten Freund, auf der Brücke seiner Fiona.

„Guten Morgen Lucky Luke!“ rufe ich zurück und schicke ihm einen Handkuss. Obwohl ich zu weit weg bin, weiß ich, das er die Augen verdreht, er hasst es das ich ihn Lucky Luke nenne, er meint das klingt albern...

Ist vielleicht auch albern, aber im Grunde genommen weiß ich, dass ich ihm damit immer ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.

„Schlaf schön!“ er winkt mir zu und ich lächle.

„Guten Fang. Wir sehen uns Montag!“ damit setze ich meinen Weg fort.

Ach ja, Luke ist nicht ein guter Freund, nein er ist auch indirekt mein Chef. Eigentlich ist sein Dad Patrick mein Chef, aber Luke übernimmt nach und nach dessen Aufgaben bei OGF, bei O'Grady Fish.

Dann stehe ich auch schon vor meiner Wohnung, ich hebe die Morgenzeitung auf und trete ein.

In diesem Haus sind nur zwei Wohnungen, die sich jeweils auf zwei Etagen erstrecken. Unten sind die Küche, das Wohnzimmer und ein Esszimmer, oben sind das Schlafzimmer, zwei kleine Zimmer und das großzügige Bad.

Es ist ein altes Haus, mit niedrigen Decken und Sprossenfenstern, ein typisches Fischerhaus eben.

Ich liebe es hier zu wohnen und kann mir nicht vorstellen wo anders zu leben...

Wo anders als in unserem kleinen Fischerdorf.

Denn im Grunde genommen ist Sandycove genau das.

Ein kleines verschlafenes Fischerdorf.

Ich nehme mir die Morgenzeitung und setze mich kurz in die Küche. Ich brauche immer ein paar Minuten um die Nacht abzuschütteln und meistens blättere ich die Zeitung dafür durch...

Ein Artikel auf der letzten Seite erregt meine Aufmerksamkeit und kaum das ich die Überschrift gelesen habe beginnt mein Herz wie verrückt in meiner Brust zu schlagen.

 

ERNEUT TOTE BEI GEFECHTEN UM DEN GAZASTREIFEN

 

Gestern Morgen kam es in Bureji, nahe dem Gazastreifen, erneut zu blutigen Gefechten bei denen 6 Soldaten ihr Leben lassen mussten.

Wie am Abend mitgeteilt wurde handelt es sich bei einem der Soldaten um einen irischen Staatsbürger. Nach Auskunft des Irish Defence Forces (IDF) handelt es sich bei dem getöteten Soldaten um den 26jährigen Second Lieutenant Jake MacKenna von den Special Forces des Army Ranger Wing Kilnare.

MacKenna wuchs in Sandycove auf und war ein angesehenes Mitglied der dortigen Gemeinde.

Das IDF spricht den Familienangehörigen das tiefste Mitleid aus und erklärt, dass der Leichnam im Laufe der nächsten beiden Tage vom Bruder des Opfers, Captain Taylor MacKenna, nach Irland überstellt wird.

 

Darunter ist ein großes Bild von Jake, er sieht mit seinen hellblauen Augen ernst in die Kamera und mit all seinen Abzeichen und Orden sieht er so wahnsinnig erwachsen aus. Seine blonden Haare sind fast vollständig unter seinem Barett versteckt und ich schüttele fassungslos meinen Kopf, als ich die Zeile unter dem Bild lese.

 

Second Lieutenant Jake MacKenna († 26)

 

Daneben ist ein kleines Bild von Taylor in seiner dunkelblauen Paradeuniform, auch er sieht ernst in die Kamera und seine dunkelblauen Augen scheinen einen zu durchbohren. Seine dunkelbraunen Haare schauen am Rand seiner Mütze ein wenig heraus und ich lasse die Zeitung sinken.

Meine Kehle schnürt sich zu und ich habe das Gefühl keine Luft zu bekommen.

Ich erinnere mich noch, was für Raufbolde beide gewesen waren, ehe sie sich für die militärische Laufbahn entschieden haben und ich muss es wissen… ich bin mit ihnen aufgewachsen.

Das war, weiß Gott, nicht immer ein Spaß.

Jake und Taylor sind wie Brüder für mich und Ava und jetzt soll einer der Beiden nie wieder kommen?

Ich lege die Zeitung beiseite und das Gelesene arbeitet sich langsam in mein Gehirn vor.

Oh mein Gott, Jake ist tot.

Er ist tot...

Ehe ich darüber nachdenke, nehme ich mir meinen Mantel wieder vom Haken und springe in mein Auto.

Ich muss zu Annie und Carl!

Ich fahre die 20 Minuten über die dunkle Landstraße hinaus zur Farm der MacKennas, es ist Licht im Inneren des Hauses und ich atme tief ein und aus. Ich parke eher schlecht als recht, stürme die Verandatreppen hoch und ich klopfe zaghaft.

„Oh Kleines!“ Annie wirft sich mir in die Arme und ich streiche ihr beruhigend über den Rücken.

„Es tut mir so leid.“ Sage ich leise.

Eine Weile stehen wir so in der kalten Mailuft, ehe wir hinein gehen und Carl mir einen Kaffee hin stellt.

„Wann habt ihr es erfahren?“ ich sehe zu Carl.

„Gestern Abend…“ er sieht mich traurig an und ich gehe zu ihm und lehne meinen Kopf an seine Schulter. „Taylor hat angerufen.“ Fügt er leise hinzu.

„Wie geht es ihm?“ ich sehe kurz auf in seine grau blauen Augen.

„Ich weiß es nicht, er klang am Telefon sehr ruhig.“ Er zuckt leicht mit den Schultern.

„Wann kommt er?“ ich halte mich an ihm fest.

Carl ist so etwas wie mein zweiter Dad, ich vertraue ihm blind und es macht mich traurig ihn so zu sehen.

Er wirkt gebrochen… das Schlimmste was einem Mann passieren kann.

„Ich weiß es nicht, er konnte es nicht genau sagen.“ Carl atmet tief durch und ich klammere mich an ihn.

Ich möchte ihm so gerne Halt geben, aber ich weiß, ich werde nicht ausreichen.

Irgendwann löse ich mich von ihm, setze mich zu Annie auf die Couch und nehme sie in den Arm.

„Ich kann es nicht glauben….“ Weint sie.

„Ich auch nicht, sie waren doch erst Weihnachten hier.“ Ich nehme ihre Hand in meine.

„Sie waren so froh, endlich mal wieder zu Hause zu sein.“ Sie wischt sich eine Träne weg.

„Ich weiß…“ gebe ich zu.

Als die Beiden hier waren haben wir fast jeden Abend etwas zusammen unternommen, es war fast wie früher und die zwei Wochen gingen viel zu schnell vorbei.

Es wird mir plötzlich bewusst, dass es das letzte Mal war, das ich Jake gesehen habe...

Ich kann nicht weinen, alles in meinem Körper schreit danach, aber ich muss jetzt für Annie und Carl stark sein, weinen kann ich auch später.

Ich glaube, ich kann noch gar nicht wirklich begreifen, dass Jake wirklich nie wieder kommt.

In den letzten Jahren waren beide viel unterwegs, wenn es irgendwo in der Welt Schwierigkeiten gab, dann waren sie da.

Sie haben so oft ihr Leben riskiert.

Sie wussten, worauf sie sich einlassen, aber niemand hat damit gerechnet, dass es wirklich einen der Beiden treffen könnte.

Und jetzt?

Was ist von all dem übrig?

„Hast du überhaupt geschlafen?“ Carl sieht mich besorgt an und ich schüttele meinen Kopf.

„Ich habe die Zeitung gelesen und bin sofort zu euch.“ Erkläre ich ihm.

„Wir wollten dich nicht im Pub anrufen…“ er seufzt leise.

„Warum denn nicht? Ihr wart für mich, Dad und Ava da als Mum gestorben ist. Es ist doch selbstverständlich, das wir für euch da sind.“ Ich sehe ihn an und er nimmt meine Hand. „Jake und Taylor sind das was meinen Brüdern am nächsten kommt.“

Ich kann es kaum glauben, wie gefasst ich immer noch bin.

Mein Gott, Jake ist tot!

Mein Herz ist schwer wie Blei und ich habe das Gefühl ich bekomme kaum Luft in meine Lungen, dennoch erlaube ich mir nicht schwach zu sein.

Nicht jetzt!

„Danke, das du hier bist.“ Carl haucht mir einen Kuss auf die Stirn und holt mich so aus meinen Gedanken.

„Dafür nicht.“ Gebe ich zurück. „Wollt ihr später in die Kirche?“ ich sehe zu Annie und sie nickt energisch.

„Ja, ich will für meinen Sohn beten.“ Es klingt fast trotzig, aber ich weiß, wie wichtig der Glauben für sie ist.

Wie gesagt, Sandycove ist ein Fischerdorf, hier werden Traditionen und Glauben noch in Großbuchstaben geschrieben.

„Ich begleite euch.“ Sage ich gleich und Carl drückt wieder meine Hand.

Die Sonne geht langsam auf und taucht die Felder in goldenes, unwirkliches Licht.

„Fahr bitte noch zu dir, geh duschen…“ Carl zieht mich von meinem Stuhl hoch.

„Nein, ich bleibe hier.“ Ich sehe ihn verwundert über seinen Vorschlag an.

„Bitte Kleines…“ fügt er hinzu und sieht zu Annie „Ich kümmere mich um sie und wir treffen uns um 9 Uhr vor der Kirche.“

„Ja Kleines, geh duschen und mache dich ein wenig frisch.“ Bittet mich nun auch Annie und ich gebe mich geschlagen.

„Wenn was ist, dann ruft ihr mich sofort an.“ ich sehe Carl an und er nickt.

„Klar doch Kleines!“ verspricht er mir und bringt mich zum Auto.

„Ruf Dr. Ohlsen an, er soll sich Annie ansehen.“ Ich setze mich ins Auto und wieder nickt er.

„Wenn wir wieder da sind.“ Gibt er zurück.

„Wir sehen uns in zwei Stunden.“ Ich habe kein gutes Gefühl die Beiden alleine zu lassen, aber ich lege meinen Rückwärtsgang ein und fahre vom Hof.

Wieder bei mir angekommen, genehmige ich mir eine Dusche. Kaum das ich unter dem heißen Wasserstrahl stehe, breche ich in Tränen aus und sinke in der Badewanne zusammen.

Gott, Jake ist wirklich tot.

Er wird nie wieder kommen.

Ich werde sein lachen nie wieder hören, seine himmelblauen Augen werden mich nie wieder ansehen, er wird mich nie wieder ärgern…

Ich sitze bestimmt eine halbe Stunde auf dem Boden in der Badewanne während das warme Wasser auf mich hinab prasselt... ich weine und schluchze haltlos, aber ich kann nicht anders.

Einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben wird nie wieder kommen.

Dann schaffe ich es wenigstens meine Haare und mich zu waschen, ich nehme mir ein Handtuch von der Heizung, wickele es fest um mich und trete vor den Spiegel. Meine sonst so strahlend grünen Augen sind rot unterlaufen und geschwollen, aber wie sollte es auch anders sein?

Er ist tot….

Aber auch sonst wäre es nicht wirklich verwunderlich.

Wie schon gesagt, ich arbeite 5 Abende die Woche im Pub und von Montag bis Freitag noch bei OGF. Ich mache die gesamte Buchhaltung, die Lohnbuchhaltung, allen anderen Bürokram und kümmere mich um den Verkauf der Ware. So ganz umsonst soll mein Abschluss an der Business School ja nicht gewesen sein und Luke gibt einen wirklich guten Chef ab.

Ich binde mir meine langen, hellbraunen Haare zu einem geflochtenen Zopf, ziehe eine schwarze Stoffhose und über mein schwarzes Top ein dunkelgrauen Pullover mit V-Ausschnitt an.

Ich nehme meinen Mantel vom Haken neben der Tür und trete in das schwache Sonnenlicht eines Sonntagmorgens im Frühling.

Wie kann die Sonne aufgehen?

Wie kann sich die Erde weiter drehen?

Wie kann alles so normal wirken, obwohl normal nie wieder möglich sein wird?

Ich gehe zu Fuß zur Kirche, ich benutze eigentlich selten mein Auto und laufe lieber, aber hier in Sandycove liegt auch alles relativ nah beieinander.

Meine Gedanken kreisen um Taylor.

Oh Taylor...

Wie geht es dir?

Hast du schon begriffen, was es bedeutet, dass Jake tot ist?

Musstest du es mit ansehen?

Bist du verletzt?

Ich bekomme langsam aber sicher Kopfschmerzen vom nachdenken, aber ich schaffe es einfach nicht mein Gedankenkarussell anzuhalten…

Vor der Kirche sehe ich Annie und Carl, ich überquere schnell die Straße und sehe die anderen, die vor der Kirche versammelt sind, an. Sie wissen nicht, wie sie damit um gehen sollen und sehen sich gegenseitig Hilfesuchend an.

Ich gehe geradewegs auf Annie zu und nehme sie wieder in den Arm.

„Geht es?“ frage ich leise und sie hält mich fest an sich gedrückt.

„Ich kann es einfach nicht glauben…“ schluchzt sie „... mein kleiner Junge kommt nie wieder nach Hause.“

„Ich weiß…“ ich streiche ihr über den Rücken und Carl sieht mich dankbar an.

„Hast du Dr. Ohlsen angerufen?“ frage ich ihn leise.

„Ja, er kommt am Nachmittag zu uns.“ Er sieht mich müde an.

Was kann einem als Eltern schlimmeres passieren, als das eigene Kind zu verlieren?

Hat es die Natur nicht eigentlich so vorgesehen, dass die Eltern vor den Kindern sterben?

Sollte es nicht so sein?

Tja, die Natur hat vergessen solche menschengemachten Katastrophen wie Kriege, Unruhen und Zerstörungen mit zu berechnen...

Pastor Mullahan tritt vor die Tür, reißt mich aus meinen Gedanken und bittet uns herein. Er drückt Annie und Carl sein Beileid aus, wir betreten die Kirche und setzen uns auf unsere Plätze.

Die Predigt ist ergreifend und ich habe Tränen in den Augen, als ich vor der Kirche meinen Dad, der Mal wieder zu spät dran war, in die Arme schließe.

„Wir müssen sehen, dass wir Annie und Carl irgendwie helfen.“ Er sieht mich traurig an und ich nicke. „Sie waren für uns da, als deine Mum starb, wir müssen…“ seine Stimme bricht ab.

„Ich weiß Dad. Ich war heute Nacht noch bei ihnen, ich fahre sie jetzt nach Hause und bleibe bei ihnen. Sag bitte Ava Bescheid und dann schlafe ein wenig.“ Ich streiche über seine unrasierte Wange.

„Danke Liebling.“ Er sieht mich hilflos an.

Mein Dad kann mit so etwas nicht umgehen, ich meine Menschen zu verlieren die ihm wichtig sind...

Er konnte schon mit dem Tod unserer Mum nicht umgehen, als ich 10 und Ava 12 war. Annie und unsere Mum waren seit Kindertagen beste Freundinnen gewesen und so waren es Sie und Carl die einsprangen und sich um uns kümmerten. Sie holten uns von der Schule ab und sorgten dafür, dass wir anständig angezogen waren und eine warme Mahlzeit am Tag bekamen. In den Ferien wohnten wir sogar ganz bei ihnen....

Mein Dad hatte den Pub und durch die Kosten der Beerdigung, die Miete für das Haus und alle weiteren Ausgaben hatte er anfangs wenig Zeit für uns. Annie und Carl halfen uns durch die schwere Zeit, aber ich mache meinen Dad keine Vorwürfe.

Er tat und er tut sein Bestes.

Ich winke ihm kurz zu, als er wieder in seinen alten Pick up steigt und quer durchs Dorf zu meinem Elternhaus fährt.

Ich gehe wieder zu Annie und befreie sie von der Traube Menschen, die sich um sie gebildet hat. Alle versuchen das Richtige zu tun, das Richtige zu sagen oder sich richtig zu verhalten.

Aber es gibt in dieser Situation kein Richtig und kein Falsch und ich sehe, dass das alles zu viel für sie und Carl ist.

„Ich fahre euch nach Hause.“ Ich sehe zu Carl und er nickt dankbar.

Nur das Schluchzen Annies durchbricht die Stille im Wagen, als ich ihn aus der Stadt hinaus und hin zur MacKenna Farm lenke.

Ich helfe Annie aus dem Auto, nehme ihr ihren Mantel ab, bringe sie ins Wohnzimmer und platziere sie auf der Couch.

„Leg dich ein bisschen hin.“ Ich sehe zu Carl, gehe an ihm vorbei in die Küche und stelle den Wasserkocher an.

„Ich kann doch jetzt nicht…“ setzt er an.

„Carl.“ Ich sehe ihn durchdringend an „Bitte, du brauchst Schlaf und weder dir noch Annie ist geholfen, wenn du dich nicht mehr auf den Beinen halten kannst.“

„Danke Kleine.“ gibt er seinen kurzen Prozess auf, drückt mir einen Kuss auf die Wange und steigt die Stufen hoch, oben ist das Schlafzimmer und auch die Zimmer der Jungs. Sogar ich und Ava haben jeweils ein Zimmer im Obergeschoss dieses Hauses…

Ich möchte so gerne weinen, aber ich kann nicht, ich fühle mich so angespannt und hilflos.

Ich gieße das heiße Wasser in die Tasse und versenke einen Beutel von Annies Lieblingstee darin. Oben höre ich wie Carl ins Schlafzimmer geht und kurz danach gedämpftes Schluchzen.

Er will so gerne stark sein...

Aber er ist nur ein Vater, der einen seiner Söhne verloren hat.

Er hat alles Recht der Welt zu weinen, zu trauern und zu leiden. Ich will ihm gerne helfen, aber ich weiß, egal was ich tue, den Schmerz kann ich weder ihm, noch Annie, noch Taylor nehmen.

Mein Taylor, mein Held in strahlender Rüstung.

Ich besinne mich, ich bin jetzt hier um Annie und Carl beizustehen und Taylor, wenn er denn endlich ankommt...

Leise gehe ins Wohnzimmer uns sehe, dass Annie auf der Couch eingeschlafen ist. Ich breite eine Decke über ihr aus, schließe die Tür und gehe zurück in die Küche. Ich stütze meine Arme auf der Arbeitsplatte ab und sehe über die Felder.

Wie oft sind wir über diese Felder bis zu den Klippen geritten?

Wir alle... Taylor, Jake, Ava und ich.

Ich wünsche mir die Zeit zurück in der wir einfach nur Kinder waren. Sicherlich nicht die einfachsten, aber unbeschwert und frei. Annie und Carl haben, nachdem wir alle unsere Wege gegangen sind, die Pferde nach und nach verkauft, jetzt gibt es auf der Farm nur noch 2 Stück. Clover und Hornet, beides in die Jahre gekommene irisch Tinker Hengste... Die gutmütigsten und liebsten Pferde auf der ganzen Welt. Ab und an verschlägt es mich wieder in den Sattel und Annie ist dankbar, dass die Beiden so etwas Bewegung bekommen. Natürlich sind sie den ganzen Tag auf der Koppel, aber ab und zu kann ein Ausritt nicht schaden.

Ich ziehe mir meine Strickjacke über und gehe über den Hof zu den Stallungen. Heute Morgen hat Carl sie nicht raus gelassen und ich schiebe das große Gatter auf.

Clover kommt sofort zu mir und schmiegt sich an mich.

„Na mein Großer.“ flüstere ich und streichele ihn über seine schwarzen, weichen Nüstern.

Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel und dieses Wetter passt so gar nicht zu einem Tag wie heute.

Jedenfalls nicht in meiner Welt...

Es müssten schwarze, schwere Wolken am Himmel sein und es müsste stürmen und regnen.

Das würde eher passen, aber es ist wie es ist...

„Geh' schon.“ ich schicke ihn auf die Weide zu Hornet und schließe das Gatter wieder. In meinem Hals sitzt ein riesiger Kloß und ich weiß, ich werde irgendwann wieder weinen müssen, denn dieses Gefühl erdrückt mich beinahe. Leider hat das weinen heute Morgen nicht die erhoffte Erleichterung gebracht, denn das war bei weitem nicht genug...

Ich wische mir kurz über die Augen, ich muss was tun, ich muss mich ablenken.

Ich gehe wieder zurück ins Haus, im Flur bleibe ich vor einem gerahmten Foto stehen und streiche vorsichtig über das kühle Glas. Es zeigt uns alle. Ich und Jake müssen damals 16 gewesen sein. Jake steht lässig an den Koppelzaum gelehnt, Ava und ich sitzen auf einem Strohballen direkt vor ihm und Taylor umarmt mich von hinten.

Wir alle lachen, wir sind glücklich...

Werden wir jemals wieder glücklich sein?

Ohne ihn?

Im Moment ist das kaum vorstellbar für mich.

Ich entschiede mich eine Gemüsesuppe zu kochen, ich muss mich mit etwas beschäftigen was ich gut kann und Suppe kochen kann ich wirklich gut. Ich hole das frische Gemüse aus der Vorratskammer und beginne mechanisch das Gemüse kleine zu schneiden und in den Topf zu werfen. Immer wieder halte ich in meinen Bewegungen inne und hoffe, dass das alles nur ein schlechter Traum ist und ich endlich aufwache.

Als die Suppe vor sich hin köchelt, beschließe ich auch noch die Wäsche zu machen. Annie und Carl haben für so etwas im Moment keinen Kopf und wer weiß, wann es ihnen besser geht. Der Trockner ist fertig und ich lege alles fein säuberlich zusammen und stelle eine neue Maschine an. Als ich die Treppe aus dem Keller wieder hoch steige, da lächelt er mich auch hier von unzähligen Fotos an.

Ich bleibe vor meinem Lieblingsbild stehen.

Es zeigt ihn am Tag unseres Abschlusses und er strahlt in die Kamera. Ich versuche mir jede kleine Einzelheit seines Gesichtes einzuprägen, ich habe Angst, dass ich irgendwann vielleicht vergesse wie er ausgesehen hat...

Man lebt in der Annahme, das einen geliebte Menschen niemals allein lassen, dabei vergisst man, das die Entscheidungen nicht bei den Menschen selbst liegt.

Jake hat es sich nicht ausgesucht mit 26 Jahren zu sterben.

Die Suppe ist fertig und langsam beginnt es draußen zu dämmern. Wir haben den ersten Tag ohne ihn beinahe überstanden. Carl und Annie schlafen immer noch, aber sie brauchen Schlaf, die nächsten Tage werden anstrengend und werden ihnen physisch und psychisch alles abverlangen.

Als es leise klopft eile ich schnell zur Tür, denn ich will nicht das Annie und Carl aufwachen.

„Hey.“ Ava und Matt stehen in der Tür und ich mache einen Schritt zur Seite, damit sie rein kommen können.

Ava hat geweint, ihre Augen sind ganz rot und auch jetzt hat sie Mühe ihre Fassung zu wahren. Fest drückt sie mich an sich und ich streiche ihr sanft über den Rücken.

„Wo sind sie?“ sie sieht sich suchend um.

„Carl ist oben und schläft und Annie ist auf der Couch eingeschlafen.“ Erkläre ich ihr und sie folgen mir in die Küche.

„Du machst Suppe?“ Matt sieht mich fragend an und nimmt mich in den Arm.

„Hmmm.“ Ich nicke nur und versuche mich von ihm los zu machen.

„Wie geht es dir?“ er hält mich weiterhin fest und ich sehe ihn traurig an.

„Ich weiß nicht.“ Gebe ich zu und er lässt mich los, damit ich die Suppe umrühren kann.

Ava setzt sich und ich spüre, wie sie jeden meiner Schritte beobachtet.

„Ich will es nicht wahr haben…“ sie schüttelt den Kopf und leise Tränen laufen über ihr Gesicht.

„Ich auch nicht.“ Sage ich leise.

Matt setzt sich neben sie und zieht sie in seine Arme, gedankenverloren beobachte ich die Beiden.

Die Beiden sind schon so lange ein Paar, das ich manchmal gar nicht genau weiß, wann das mit den Beiden begonnen hat und ab wann es ernst wurde... Sie kennen sich quasi seit dem Sandkasten und gingen zusammen mit Taylor in die gleiche Klasse, während Jake und ich zwei Klassenstufen unter ihnen waren. Das erste Date hatten sie in der Abschlussklasse, dann gingen sie nach Dublin um zu studieren und kamen vor drei Jahren als Informatiker und Lehrerin zurück. Sie heirateten noch im gleichen Jahr und immer wenn ich sie sehe, dann kann ich an die große... an die Eine Liebe glauben.

Auch wenn sich bei mir selbst in der Richtung nicht viel tut.

Sie sind jetzt seit knapp 2 Jahren verheiratet und ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, ehe sie eine kleine Ava oder einen kleinen Matt bekommen, denn das fehlt noch zu ihrem perfekten Glück.

Ich sehe zur Uhr.

Die Zeit läuft...

Man kann sie nicht anhalten.

„Möchtet ihr was essen?“ ich sehe wieder zu den Beiden und sie nicken stumm.

Ich fülle jedem etwas auf und nehme mir dann auch einen Teller aus dem Schrank, mein Blick schweift über den Hof, auf dem gerade ein Auto hält.

Als ich sehe, wer aussteigt, da lasse ich den Teller fallen und schlage meine Hände vor den Mund.

„Taylor.“ Flüstere ich, stürme aus der Küche, reiße die Tür auf und laufe auf ihn zu.

Er sieht schlecht aus, seine blauen Augen habe jegliches Strahlen verloren und als er mich sieht, da hat er Tränen in den Augen. Er trägt seine Uniform, wie eigentlich immer, wenn er von einem Einsatz kommt. Aber dieses Mal kommt er nicht einfach nur von einem Einsatz zurück, er kommt um seinen Bruder zu beerdigen.

Seinen kleinen Bruder.

Ich werfe mich in seine Arme und er drückt mich fest an sich, er hält sich an mir fest und ich schlinge meine Arme fest um ihn.

„Danke.“ Sagt er leise und seine Stimme ist nicht mehr wie ein Windhauch.

„Oh Taylor!“ ich vergrabe mein Gesicht an seinem Hals.

Jetzt, da ich ihn sehe beginnen die Tränen zu laufen.

Er ist wirklich hier, aber Jake wird nie wieder kommen.

Das macht es wahrhaftig.

Vorher war immer noch das was wäre wenn Spiel möglich gewesen.

Was, wenn es nur eine Verwechslung war?

Ich drücke ihn fest an mich und seine starken Arme pressen mich an seine Brust.

Es war schon immer so, dass ich einen besonderen Draht zu Taylor und Ava einen besonderen zu Jake hatte, obwohl es Altersmäßig genau anders herum hätte sein müssen. Aber ich war immer Taylors kleines Mädchen, er hat mich beschützt und den bösen Jungs, die es wagten mir das Herz zu brechen, auch mal im Gegenzug die Nase gebrochen…

Er streicht mir über den Rücken und ich schluchze leise.

„Wo sind Mum und Dad?“ fragt er leise.

„Annie schläft im Wohnzimmer und Carl schläft oben.“ Sage ich leise und will ihn nicht los lassen.

Ich brauche ihn, aber ich sehe ein, das er mich jetzt genauso, wenn nicht noch mehr braucht und schließlich lasse ich ihn doch los. Mir wird bewusst wie kalt es ist und das ich nur in Socken und nur mit einem T-Shirt hier draußen stehe.

Ich atme tief durch, sammele mich, wische meinen Tränen weg, nehme seine Hand und ziehe ihn ins Haus.

Auch Ava fällt ihm um den Hals und Matt drückt ihn kurz an sich, ehe er ihm seine Uniformjacke und seine Mütze abnimmt, während ich ihn in die Küche bugsiere.

Er wirkt gefasst, aber ich weiß genau, so stark wie er jetzt tut, ist er bei weitem nicht.

Aber Taylor MacKenna kann man nicht zwingen seine Gefühle zu offenbaren, das ist, als würde man versuchen einen Tresor mit nichts weiter als seinen bloßen Händen zu öffnen.

Natürlich ohne die Kombination zu kennen.

„Suppe?“ ich sehe ihn an und er schluckt schwer.

„Gerne mein Stern.“ Ein müdes Lächeln umspielt seine Lippen erreicht aber seine Augen nicht.

Wie auch sein Dad, steht Taylor als gebrochener Mann vor mir…

Es ist schrecklich nur hilflos daneben zu stehen und nichts machen zu können, was es ihnen erleichtert.

Ich fülle ihm Suppe auf und kehre dann die Scherben von meinem Teller auf.

„Wo ist Jakie?“ Ava sieht zu Taylor, dieser rührt in seiner Suppe herum.

Jakie… Nur Ava und Annie haben ihn so genannt, bei jedem anderen konnte Jake es nicht leiden.

Nicht einmal bei mir oder seinem Bruder. Er hat immer gesagt, er kommt sich dann so klein vor. Allerdings hat das niemanden abgehalten aus Samira Sam und Sammy, und aus Avangeli Ava zu machen.

Nur Taylor ist dabei gut weg gekommen.

Das er mich mein Stern nennt, ist ein Überbleibsel aus unserer Kindheit.

Ich glaube, er nennt mich nur bei meinem Namen, wenn wir uns gestritten haben oder er etwas sehr Wichtiges, Bedeutendes zu sagen hat… Aber selbst dann nennt er mich Sammy. Ich glaube Samira hat er mich in meinem ganzen Leben vielleicht ein oder zwei Mal genannt, als wir uns gestritten haben...

Leider weiß man diese Kleinigkeiten als Kind nicht zu schätzen und als Erwachsener sehnt man sich danach.

Taylor rührt weiter in der Suppe herum und sieht Ava kurz an.

Ich kenne ihn zu gut, er hat keinen Hunger.

Er will einfach nur nicht reden.

„Ich habe ihn zu Seamus bringen lassen, sie werden sich um die Beerdigung kümmern.“ Sagt er nach ein paar Sekunden und Ava schluchzt auf.

Ich atme tief durch, wenn ich jetzt auch wieder anfange zu weinen, dann ist keinem geholfen…

„Taylor.“ Annie steht in der Tür und Taylor springt sofort auf. Er läuft zu ihr, nimmt sie in den Arm und drückt sie an sich.

„Mum.“ Flüstert er leise.

Sie sieht ihn unter Tränen an und nimmt sein Gesicht in ihre Hände. „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.“

Ich sehe zur Treppe, auch Carl ist auf und geht zu seinem Sohn und seiner Frau, um sie in die Arme zu schließen.

„Ava? Kannst du bei Seamus vorbei fahren und dich um die Beerdigung kümmern? Du weißt was Jake wollte.“ Ich sehe sie bittend an und sie nickt schwach.

„Ich kümmere mich um die Trauerfeier.“ Ich nehme mein Handy und begleite Ava und Matt nach draußen.

Taylor, Annie und Carl brauchen jetzt einen Moment für sich alleine.

Ich verabschiede mich kurz von Ava und erkläre ihr, dass ich erst einmal hier bleiben werde.

„Ich weiß nicht, ob ich es heute zu Dad schaffe. Kannst du, wenn du bei Seamus fertig bist, mit ihm wegen der Trauerfeier reden?“ ich sehe sie bittend an.

„Aber du wolltest doch…“ setzt sie an.

„Sie brauchen einen Moment für sich.“ Ich deute aufs Haus „Ich gehe gleich wieder rein, bitte Ava.“

„Okay Sammy, aber bitte…“ sie verstummt und sieht hilfesuchend zu Matt.

„Sam, das lässt dich alles nicht so unberührt wie du tust.“ Er nimmt mich in den Arm „Pass einfach auf dich auf.“ Beschwört er mich.

„Annie und Carl brauchen mich jetzt.“ Gebe ich zurück und mache mich los. „Und noch viel wichtiger ist… Taylor braucht mich.“

„Ja, aber du kannst nicht für sie mit stark sein.“ Ava streicht mir meinen Pony aus dem Gesicht.

„Wer denn dann?“ ich zucke mit den Schultern und Beide schweigen.

„Okay...“ haucht Ava schließlich „Ruf mich einfach später an, ja?“ sie steigt ins Auto und ich nicke leicht.

Langsam gehe ich zum Haus zurück und trete leise ein. Annie, Carl und Taylor haben sich ins Wohnzimmer zurück gezogen und ich mache erst einmal Tee.

Ich weiß genau welchen Tee jeder mag und wie er ihn mag. Ich stelle sie auf ein Tablett, damit ich die drei Tassen alle mit einem Mal mit bekomme, leise betrete ich das Wohnzimmer und Taylor sieht erstaunt auf.

„Ich dachte, du bist gegangen.“ Sagt er leise.

„Nein, ich bleibe hier.“ Ich stelle die Tassen vor jedem auf den Tisch. „Wenn ihr Hunger habt, ich habe eine Gemüsesuppe gemacht. Die, die du so gerne isst.“ Ich sehe zu Annie und sie nickt schwach.

„Ich danke dir Kleines.“ Carl nimmt meine Hand und ich setze mich zu ihm auf die Couch.

Annie und Taylor sitzen uns in den großen Sesseln gegenüber, jeder in seinem eigenen Schmerz versunken.

„Wie ist es passiert?“ fragt Annie plötzlich leise.

„Wir waren auf Patrouille...“ beginnt Taylor.

Oh mein Gott, er war dabei...

„... Wir waren fast mit unserer Runde fertig, als plötzlich das Feuer auf uns eröffnet wurde und eine Sprengsatz genau unter dem ersten Fahrzeug... Unter dem, in dem Jake saß... explodierte.“ seine Stimme klingt monoton und nicht nach ihm und als ich ihn ansehe, da sehe ich, das er seine Hände so fest in einander verschlungen hat, das seine Fingerknöchel weiß hervor treten.

Dann breitet sich Stille aus... diese Stille macht mich wahnsinnig, aber ich weiß, ich kann nichts dagegen tun.

Ich bin hier, allein das zählt.

Eine knappe Stunde später hole ich neuen Tee und gehe dann auf die Veranda, um kurz mit meinem Dad zu telefonieren.

Ava war schon bei Seamus und die Trauerfeier ist für nächsten Samstag angesetzt.

„Hi Dad.“ melde ich mich und schlinge meine Arme um mich.

„Hi meine Süße. Wie geht es dir?“ erkundigt er sich sofort besorgt.

„Es geht irgendwie.“ weiche ich aus „Hast du schon mit Ava gesprochen? Bestell das Essen bei Jamie, ich denke du musst circa 100 Leute einplanen.“ Ich reibe meine Schläfen.

„Mach ich meine Süße, die Getränke habe ich schon bestellt.“ Antwortet er und ich bin froh, dass er die Sache im Griff hat.

„Danke Dad, ich muss wieder rein. Ich melde mich bald wieder. Ich liebe dich.“ ich atme tief durch.

„Ich dich auch meine Süße.“ antwortet er und legt auf.

Dann wähle ich Ava an, sie scheint sich so weit es geht mit Seamus einig geworden zu sein.

Die grundlegenden Entscheidungen müssen aber noch von Carl und Annie abgesegnet werden, Seamus will morgen gegen Mittag vorbei kommen.

Ich bekomme Kopfschmerzen und ich merke langsam aber sicher, dass mich die Müdigkeit einholt. Nachdem ich auch dieses Gespräch beendet habe rufe ich Luke an.

Ich kann morgen nicht arbeiten…

Nicht nach diesem Tag, nicht nachdem was passiert ist...

„Gott Sam. Wo bist du?“ fragt er, als er gleich nach dem ersten Klingeln ran geht.

„Bei Annie und Carl.“ Gebe ich zurück.

„Ich habe es mir fast gedacht, das mit Jake ist schrecklich. Richte ihnen unser aufrichtiges Beileid aus.“ Ich höre seine Anteilnahme in der Stimme. Ich weiß ganz Sandycove sitzt der Schock in den Knochen.

Ich atme tief durch „Luke kann ich...“ setze ich schließlich an.

„Sam ich kenne dich gut genug um zu wissen, das du noch eine Weile bei ihnen bleiben wirst.“ unterbricht er mich.

„Ja, ich wollte wenigstens bis zur Beerdigung am Samstag hier bleiben.“ erkläre ich ihm. „Meinst du, das ist für Patrick und dich in Ordnung?“

„Aber sicher, mach dir keine Gedanken um meinen Dad, ich kläre das alles. Nimm dir diese Woche frei und nächste Woche sehen wir dann weiter.“ bietet er mir an.

„Ich danke dir Luke.“ erwidere ich erleichtert.

„Dafür doch nicht Sam. Melde dich, wenn du was brauchst.“ Ich kann deutlich hören, dass er sich Sorgen um mich macht.

„Mach ich. Bye.“ Damit lege ich auf und sehe hinauf in den Himmel.

Dort oben funkeln Millionen von Sternen und ich möchte so gerne daran glauben, dass einer dieser Sterne Jake ist…

Als meine Mum starb, hat mir Ava immer erzählt sie ist ein Stern und ich habe jede Nacht zum Himmel geschaut und mit ihr gesprochen.

Bis ich irgendwann hinter die Lüge gekommen bin.

Ich glaube, das nennt man Erwachsen werden…

Aber Taylor hat mich dann getröstet, er sagte, dass egal ist an was wir glauben möchten, geliebte Menschen verlassen uns nie ganz. Seitdem war ich sein Stern, denn egal wo er auf der Welt ist und egal wo ich bin, wir wissen, das wir füreinander da sind.

„Was machst du hier draußen?“ Carl kommt zu mir und ich drehe mich erschrocken zu ihm um. „Tut mir leid.“ entschuldigt er sich sofort.

„Ich musste noch einige Telefonate erledigen.“ ich nicke leicht „Dad, Ava, Luke...“ erkläre ich ihm.

„Ach Kleines…“ er nimmt mich in den Arm und ich merke, wie viel an Selbstbeherrschung es mich kostet nicht zu weinen. „… Ich danke dir, dass du da bist. Aber du solltest dich jetzt auch mal hinlegen und versuchen etwas zu schlafen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Hmmm…“ ich nicke leicht.

„Ich gehe jetzt mit Annie zu Bett und versuche, dass wir etwas Schlaf bekommen.“ Er sieht mich an und ich nicke erneut.

Ich höre wie er die Tür hinter mir schließt und starre weiter in die Sterne.

„Mum? Pass auf Jake auf.“ Flüstere ich leise, ich wische mir eine Träne, die sich aus meinem Augenwinkel gestohlen hat, schnell beiseite und gehe leise wieder ins Haus.

Ich gehe ins Wohnzimmer, Taylor sitzt auf der Couch und hat seinen Kopf auf seine Hände gestützt. Ich gehe zu ihm, setze mich neben ihn und ziehe ihn in meine Arme.

Er lehnt seinen Kopf an meine Schulter und ich spüre seine Tränen.

„Alles wird gut.“ Flüstere ich und sein Schluchzen erfüllt den Raum.

Wird wirklich alles wieder gut?

Aber was sagt man in so einem Moment?

Mir selbst schnürt die Trauer fast die Luft ab und ich habe das Gefühl gleich zu ersticken.

Ich halte ihn in meinem Armen und von Taylor, meinem Beschützer und strahlenden Held, ist nichts mehr übrig. Dieser Taylor hat seinen kleinen Bruder verloren und ich weiß nicht, ob er jemals damit klar kommen wird.

Ich kenne ihn gut genug um zu wissen, dass er sich die Schuld gibt.

Egal wer wirklich die Verantwortung, für das was geschehen ist, hat... In seinen Augen wird immer er der Schuldige sein.

Die Schluchzer werden leiser und ich bemerke irgendwann, dass er in meinen Armen eingeschlafen ist. Ich streiche ihm durch seine dunkelbraunen Haare und versuche ihn mit der Wolldecke zuzudecken ohne ihn zu wecken, dann lehne ich mich zurück und auch mir fallen die Augen zu.

Mein Nacken tut weh, mein linker Arm ist taub und ich kann mich nicht bewegen…

Ich komme leicht hoch und brauche einen Moment um mich zu orientieren. Taylor sitzt neben mir auf der Couch und hat sein Gesicht wieder in seinen Händen verborgen.

Ich richte mich auf und lege meinen Arm um ihn.

Er hält sich an mir fest und ich habe das Gefühl, wenn ich nicht hier wäre, dann würde er fallen… und dann ungebremst und mit voller Wucht auf dem Boden aufschlagen.

„Ich bin da.“ Flüstere ich und er schluchzt leise.

Ich halte ihn einfach nur fest und lasse ihn die Kämpfe mit sich selbst ausfechten.

Ich kann ihm nicht helfen, ich würde es so gerne tun, aber ich kann nicht.

Carl kommt leise herein und Taylor sieht auf, als er das knarren der Fußbodendielen hört.
„Ich gehe schnell duschen.“ Er wischt sich über die Augen, lässt mich abrupt los und stürmt aus dem Zimmer.
„Wie geht es ihm?“ fragt Carl besorgt als Taylor außer Hörweite ist.

„Nicht gut.“ Gestehe ich ihm.

„Ich danke dir so sehr Kleines.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ihr seid meine Familie, wo sonst sollte ich sein?“ ich räume die Decke weg und falte sie ordentlich zusammen.

„Hast du schon geweint?“ fragt er leise und ich lasse die Decke sinken.

„Ja, aber der Schmerz lässt nicht nach.“ Gebe ich zu.

„Oh Kleines.“ Er zieht mich fest in seine Arme.

„Mach dir bitte um mich keine Sorgen...“ ich zwinge ihn mich anzusehen „Annie und Taylor brauchen dich.“

„Wie du schon sagtest, du bist ein Teil dieser Familie...“ setzt er an.

„Ja, aber ich komme klar.“ versichere ich ihm, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und gehe in die Küche.

Ich beginne den Geschirrspüler auszuräumen, als es klingelt und ich zur Tür eile. Gabriel und Vera, die Eltern von Annie sehen mich mit Tränen in den Augen an und ich bitte sie herein.

„Gabe...“ ich nehme zu erst ihn in den Arm, dann wende ich mich seiner Frau zu „Vera.“ auch sie drücke ich kurz an mich und sie reicht mir einen Auflauf.

Warum bringen immer alle was zu Essen mit?

„Es ist so furchtbar...“ schluchzt Vera „Wo sind Annie, Carl und Taylor?“

„Carl ist im Wohnzimmer, Annie ist noch oben und Taylor duscht gerade.“ ich deute auf das Wohnzimmer. „Ich bringe euch gleich einen Tee.“

Während ich den Auflauf in die Küche bringe, gehen die Beiden ins Wohnzimmer und sehe zur Treppe. Annie steht auf halber Höhe und sieht mich müde an.

Ich gehe ihr entgegen und als sie am unteren Ende ankommt, nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände.

„Ich danke dir so sehr.“ flüstert sie.

„Das brauchst du nicht.“ ich lege meine Hände auf ihre. „Wenn ihr was braucht, dann sagt mir bitte Bescheid.“ ich deute auf die Küche „Ich mach jetzt erst einmal Tee und Kaffee.“ ich nicke ihr zu und sehe wie sie ebenfalls ins Wohnzimmer geht.

Dann geht es Schlag auf Schlag und alle möglichen Verwandten fallen mit Aufläufen, Kuchen und Pasteten ein.

Ich koche kannenweise Tee und Kaffee und obwohl ich auf der einen Seite dankbar bin, das sie sich so sehr um Annie, Carl und Taylor sorgen, so befürchte ich, dass denen das schnell zu viel wird.

Wieder einmal klingelt es und ich stehe plötzlich Seamus gegenüber.

Ach, ja Ava hatte ja gesagt, das er heute vorbei kommen wollte.

„Seamus.“ ich reiche ihm meine Hand.

„Samira.“ er erwidert meinen Händedruck.

„Es ist gerade kein guter Zeitpunkt, oder?“ er sieht auf die unzähligen Autos.

„Es wird nie einen guten Zeitpunkt geben.“ ich bitte ihn herein. „Ich hole sie eben, setz dich an den Küchentisch und bediene dich mit Kaffee oder Tee.“ ich nicke ihm zu.

Leise betrete ich das Wohnzimmer, alle haben mehr oder weniger einen Platz gefunden, sie unterhalten sich gedämpft und ab und an ist ein leises Schluchzen zu hören.

Carl und Annie sitzen auf der Couch und ich arbeite mich zu ihnen durch.

„Carl? Annie?“ ich bleibe vor der Couch stehen und beide sehen auf „Seamus ist hier.“ sage ich entschuldigend.

„Seamus?“ Vera sieht mich verständnislos an.

„Der Bestatter, es müssen noch einige Sachen besprochen werden.“ erkläre ich ihr.

„Dann komme ich eben mit...“ setzt sie an.

„Das ist wirklich lieb gemeint, aber Carl, Annie und Taylor sollten das alleine machen.“ halte ich sie zurück und sie wirft mir einen strafenden Blick zu. Dann sehe ich mich um, entdecke Taylor und winke ihn zu mir.

„Wärt ihr bitte alle so nett und gebt ihnen einen Moment Ruhe in der Küche?“ ich sehe in die Runde „Ich bringe euch eine frische Kanne Kaffee und eine frische Kanne Tee, aber bitte lasst ihnen ein paar Minuten.“ bitte ich inständig.

„Woher weißt du auf einmal, was das Beste für sie ist?“ ein älterer Mann, den ich nicht einmal kenne, sieht mich durchdringend an.

„Weil sie uns besser kennt, wie die Meisten von euch.“ sagt Taylor plötzlich und ich sehe ihn überrascht an.

„Aber...“ unternimmt Vera einen neuen Versuch.

„Grandma, ich liebe dich wirklich, aber bitte Halte dich da raus...“ Taylor sieht sie lange an und Annie schluchzt leise „... Deine Tochter hat ihren Sohn verloren, nicht du. Sie weiß, was er wollte.“ er legt den Arm um Annie und sie gehen in die Küche.

Ich folge ihnen und komme kurz darauf mit zwei Kannen zurück. Ich stelle sie auf den großen Esstisch, sehe mich erneut um und gehe dann durch die Hintertür raus an die frische Luft. Obwohl mir in meinem dünnen Pullover kalt ist gehe ich in Richtung Koppel und sofort kommt Clover zu mir. Mir fällt ein, das die Beiden heute bestimmt noch kein frisches Heu bekommen haben und ich gehe, während Clover neben mir her trabt, in Richtung Stall. Ich hole frisches Heu, fülle die Tränke auf und hole auch ein paar Mohrrüben. Ich reiche ihm welche und auch Hornet kommt nun gemächlich angetrabt.

„Ich komme später wieder.“ verspreche ich den Beiden leise und will mich zum gehen umdrehen.

Starke Arme umfassen mich und ich zucke vor Schreck zusammen, dann erkenne ich wer mich in seine Arme zieht und drehe mich langsam in seinen Armen um.

„Hey...“ ich nehme sein Gesicht in meine Hände „Geht es einigermaßen?“

Seine dunkelblauen Augen sehen mich hilfesuchend an, ich sehe die Tränen in ihnen glitzern und streiche sanft über seine Wange.

„Alles wird gut.“ flüstere ich.

„Nein... es wird nie wieder gut.“ seine Stimme klingt verbittert.

„Oh doch Taylor. Glaub mir...“ wieder zwinge ich ihn mich anzusehen „Egal wie unwahrscheinlich es dir im Moment erscheint, es gibt immer ein Morgen.“ versichere ich ihm.

„Ich will nicht, das es ein Morgen gibt.“ er macht sich von mir los.

„Taylor...“ ich will seine Hände nehmen, doch er schüttelt sie ab.

„Nein Samira.“ sagt er energisch, er macht einen Schritt von mir weg und ich zucke zurück, gerade so als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst.

Sofort wird sein Gesicht reuevoll „Es tut mir leid Sammy, aber ich will nicht morgen früh aufwachen und wissen, das sich nichts geändert hat. Ich will nicht wissen, das Jake tot ist. Ich will die Bilder nicht mehr sehen, ich will den Schmerz nicht mehr spüren.“

„Ich will dir so gerne sagen, dass der Schmerz verschwindet, aber das stimmt nicht.“ ich gehe wieder auf ihn zu und er sieht mich traurig an „Aber ich verspreche dir, dass es besser wird. Es wird erträglich und es tauchen auch wieder Farben in deiner schwarzen Welt auf.“

„Woher kannst du dir so sicher sein?“ braust er auf und geht wieder ein paar Schritte von mir weg.

„Weil ich das durch gemacht habe.“ sage ich nur und zucke mit den Schultern.

„Es tut mir leid...“ lenkt er ein.

„Es ist Okay.“ versichere ich ihm, aber er schüttelt den Kopf.

Er dreht sich um und geht schnellen Schrittes in die Garage. Ich laufe ihm so schnell ich kann hinterher, aber ich sehe nur noch wie er in sein Auto stiegt und dann an mir vorbei fährt.

„Taylor!“ rufe ich ihm hinterher, doch außer seinen Rücklichtern sehe ich schon bald nichts mehr.

Dann sehe ich Avas Wagen die Auffahrt hoch kommen.

„Sag mal, war das gerade Taylor?“ sie steigt aus und ich fahre mir durch die Haare.

„Ja.“ ich versuche angestrengt nach zu denken.

„Wo wollte er so schnell hin?“ sie sieht mich fragend an.

„Ich habe keine Ahnung.“ gebe ich zu.

„Das ist nicht gut...“ denkt sie laut.

„Nein Ava, das ist ganz und gar nicht gut.“ pflichte ich ihr bei.

Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren, dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich weiß, wo er hin will...

Es gibt nur einen Ort.

Ich laufe ins Haus und suche in meiner Jacke nach meinem Autoschlüssel.

„Kannst du hier bleiben?“ ich sehe Ava bittend an.

„Aber sicher. Ich habe gerade mit Seamus telefoniert und er sagte mir, das es besser wäre, wenn ich vorbei komme, da es Annie, Carl und Taylor nicht gut geht.“ erklärt sie mir.

Langsam beginnt sich Dunkelheit über Sandycove zu legen, ich sehe ins Wohnzimmer und Ava folgt meinem Blick.

„Sie brauchen Ruhe.“ ich halte endlich meinen Autoschlüssel in der Hand und betrete zusammen mit Ava das Wohnzimmer.

„Es war wirklich nett, das ihr alle nach Annie, Carl und Taylor gesehen habt...“ beginne ich und alle sehen mich an „Aber sie brauchen ein wenig Ruhe.“

„Samira...“ Vera funkelt mich an.

Es scheint so, als wären wir heute nicht derselben Meinung.

„Sammy hat Recht.“ Carl erhebt sich „Wir danken euch, dass ihr alle gekommen seid, aber Annie und ich brauchen einfach ein wenig Zeit für uns.“ er sieht mich dankbar an.

„Gut, dann gehen wir eben.“ Vera presst ihre Lippen zusammen.

Ich kenne sie, ich kenne sie lange genug. Sie will nur das Beste für ihre Familie, aber im Moment ist Ruhe einfach das Beste.

Annie und Carl brauchen Zeit.

Die Zeit heilt alle Wunden mag vielleicht nicht stimmen, aber die Zeit macht den Schmerz erträglicher...

„Passt du bitte auf, das sie alle gehen?“ ich sehe zu Ava und sie nickt „Mach Annie noch einen Tee und sorge dafür, das sie und Carl zu Bett gehen.“ bitte ich sie eindringlich.

Vera will an mir vorbei gehen und ich halte sie leicht am Arm fest.

„Vera, es tut mir leid, aber ich weiß, wie schlimm es gerade jetzt für sie ist. In den nächsten Tagen werden so viele Menschen um sie herum sein und es beginnt erträglich zu werden, aber die richtigen schlimmen Tage kommen erst dann, wenn die anderen beginnen zu vergessen. Dann solltest du für sie da sein.“ sage ich leise zu ihr und ihr Gesicht entspannt sich.

„Es tut mir leid Sam, aber diese ganze Situation ist...“ sie sucht nach dem richtigen Wort.

„Diese Situation ist tragisch.“ ich zucke leicht mit den Schultern und sie nimmt mich in den Arm.

„Es tut mir wirklich leid.“ flüstert sie mir ins Ohr.

„Es ist Okay.“ beruhige ich sie und sie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ich bin froh, dass du ein Auge auf sie hast.“ sie seufzt leise.

„Kommst du morgen wieder?“ frage ich hoffnungsvoll „Ich brauche Unterstützung um Carl, Annie und Taylor aus der Schusslinie zu halten.“ bitte ich sie.

„Aber natürlich Sam.“ sie haucht mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke.“ damit mache ich mich vollends von ihr los, werfe Ava einen kurzen Blick zu und laufe zu meinem Auto.

Ich starte den Motor und habe meine Mühe und Not im Rückwärtsgang vom Hof zu kommen, aber schließlich kann ich wenden und fahre, nachdem ich Sandycove durchquert habe, den Feldweg hoch zu den Klippen. Ich atme tief durch, als ich Taylors dunkelblauen Volvo stehen sehe und parke meinen schwarzen Golf neben seinem Wagen. Ich springe aus dem Auto und sehe mich suchend um.

Ich sehe ihn weiter hinten an den Klippen stehen, schlinge fröstelnd meine Arme um mich und laufe zu ihm. Es ist wie immer windig hier und der Wind rauscht in meinen Ohren, als ich ihn endlich erreiche.

„Taylor...“ setze ich an, als ich noch ein paar Meter von ihm entfernt bin.

Er dreht sich überrascht zu mir um „Keinen Schritt weiter...“ er sieht mich durchdringen an und ich weiß, seine Worte sind keine leere Drohung.

„Gut, wie du willst...“ ich stelle mich ein Stück weiter weg von ihm ebenfalls an den Rand „Wenn du springst, dann springe ich auch.“ meine Stimme klingt längst nicht so sicher wie ich es gerne hätte und ich hoffe inständig, er merkt nicht, welche Angst ich habe.

„Warum?“ er sieht mich ungläubig an.

„Weil du einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben bist.“ ich sehe zum Horizont „Und weil ich nicht diejenige sein will, die Annie und Carl sagt, das sie auch noch dich verloren haben. Sie haben schon Jake verloren, sie würden es nicht ertragen dich auch noch zu verlieren... Und ich auch nicht.“

„Sammy...“ er schließt gequält seine Augen, denkt dann einen Moment nach und macht dann endlich einen Schritt zurück.

Auch ich mache einen Schritt zurück, gehe zu ihm und halte mich an ihm fest.

„Niemals Taylor... niemals.“ flüstere ich.

„Ich weiß nicht weiter.“ gesteht er mir.

„Dann sprich mit mir...“ ich lege meine Hand auf sein Herz und spüre es heftig schlagen „...Was geht in dir vor? Was willst du?“ flehe ich ihn an.

„Ich will das Jake wieder da ist und es zerreißt mich, das ich mein Versprechen Mum und Dad gegenüber nicht einhalten konnte.“ gesteht er mir.

„Welches Versprechen?“ ich neige meinen Kopf leicht zur Seite.

„Ich habe Mum versprochen immer dafür zu sorgen, dass Jake gesund und munter nach Hause kommt.“ er beißt sich auf die Unterlippe.

„Es ist war nicht deine Schuld.“ ich nehme sein Gesicht in meine Hände.

„Es fühlt sich aber so an.“ seine Augen suchen die meinen und ich schlucke schwer.

Er ist verloren, verloren in seiner Trauer, seiner Scham und seinen Selbstzweifeln...

„Ich werde immer für dich da sein.“ verspreche ich ihm.

„Warum?“ er schüttelt sachte mit seinem Kopf, doch ich halte sein Gesicht weiterhin fest.

„Weil ich ohne dich nicht hier wäre.“ ich sehe zu ihm auf „Ich wäre nicht ich.“

Sei Blick ruht auf mir, dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände, beugt sich langsam zu mir und küsst mich innig.

„Mein Stern.“ flüstert er.

In meinem Kopf schlagen die Gedanken Purzelbäume, was passiert hier gerade?

Mein Herz rast beinahe schmerzend in meiner Brust, meine Lippen brennen von seinem Kuss und in meinem Kopf dreht sich alles.

Seine Zunge verlangt zögerlich Einlass und trotz allem was im Moment dagegen spricht, lasse ich ihn gewähren und schlinge meine Arme um seinen Nacken.

Nach ein paar Minuten stehen wir atemlos vor einander.

„Wir fahren jetzt nach Hause.“ sage ich sicherer als ich mich fühle und schlinge wieder meine Arme um mich.

Verdammt ist das kalt...

Wir gehen zu unseren Autos.

„Kann ich bei dir mit fahren?“ er sieht mich bittend an „Ich habe noch nicht getankt und bin auf Reserve hierher gefahren.“

„Aber sicher.“ ich entriegele meinen Wagen und er steigt auf der Beifahrerseite ein.

„Können wir zu dir fahren?“ seine Frage klingt unsicher und ich sehe ihn prüfend an.

„Wir haben alle nach Hause geschickt...“ setze ich an.

„Darum geht es nicht, ich kann seinen Anblick im ganzen Haus heute einfach nicht mehr ertragen.“ flehentlich nimmt er meine Hand.

„Okay, aber ich muss kurz Ava anrufen.“ ich hole mein Handy aus der Hosentasche und wähle Ava an.

„Gott Sammy, hast du Taylor gefunden?“ fragt sie sofort.

„Ja, habe ich... Wir sind bei den Klippen in Lower Cove. Kannst du heute Nacht bei Carl und Annie bleiben? Ich nehme Taylor mit zu mir.“ erkläre ich ihr ohne Umschweife.

„Aber sicher. Kommst du morgen dann mit ihm hierher?“ sie klingt überrascht, aber sie weiß auch, das jetzt Fragen nicht unbedingt angebracht sind.

„Ja, wir kommen morgen Vormittag. Ich hab' dich lieb.“ damit lege ich auf, schnalle mich an und starte den Motor.

Die 20 Minuten bis zu mir schweigen wir Beide und er starrt gedankenverloren aus dem Fenster.

So gerne würde ich ihm helfen, ich würde beinahe alles tun, um seinen Schmerz erträglich zu machen...

Als wir bei mir ankommen, befeuere ich erst einmal den Kamin, denn ich bin durch gefroren und brauche dringend Wärme.

Taylor zieht sich seine Jacke aus, setzt sich auf die Couch und schließt müde seine Augen.

„Ich gehe schnell duschen, dann sollten wir zu Bett.“ ich lege meine Hand auf seine Schulter und er nickt leicht. „Willst du auch duschen?“

„Nein, schon Okay.“ lehnt er ab und ich gehe hoch.

Als ich unter der Dusche stehe und die Wärme langsam in meinen Körper kriecht, da befühle ich meine Lippen.

In diesem Kuss von ihm lag so viel...

Es ist nicht so, dass Taylor und ich es nie probiert haben, aber ich war 16 und er 19, es hielt nur ein paar Monate und dann merkten wir, dass es nicht funktioniert, nicht so, wie wir uns das gewünscht haben...

Nach dem Duschen ziehe ich mir ein langes Shirt und Hotpants an, binde meine nassen Haare im Nacken zusammen und gehe wieder runter.

Er steht am Fenster und sieht hinaus auf den Hafen. Leise trete ich hinter ihn.

„Taylor…“ ich lege meine Hand in seinen Nacken.

„Bitte nicht mein Stern…“ bittet er mich inständig und dreht sich zu mir um.

„Sprich mit mir…“ ich nehme seine Hand in meine und sehe ihn bittend an.

„Ich kann nicht.“ Seine Stimme versagt ihm und ich ziehe ihn in meine Arme, dann sehe ich auf und nehme sein Gesicht in meine Hände. „Ich werde da sein, wenn du reden kannst.“ Verspreche ich ihm.

Er nickt leicht und betrachtet mich einen Moment eingehend.

Er legt seine Hand sanft unter mein Kinn und ich schaue überrascht auf. Dann fährt seine Hand mein Kinn entlang in meinen Nacken und er beugt sich über mich.

Seine Lippen treffen auf meine und ich schmecke seine Verzweiflung.

Dieser Kuss ist nicht wie der an den Klippen, dieser Kuss ist unbeherrscht und wild und ich bekomme kaum Luft. Seine andere Hand gleitet unter in meine Hotpants und legt sich auf meinen nackten Po.

Was passiert hier gerade?

Ich weiß, es geht ihm hier nicht um mich, es geht ihm darum sich lebendig zu fühlen…

Bin ich bereit mich dafür benutzen zu lassen?

Sein Kuss endet plötzlich und ich sehe ihn an.

In seinen Augen liegt seine ganze Verzweiflung.

Habe ich nicht gesagt, ich werde alles tun, damit sein Schmerz erträglich wird?

Ja, denn ich will nicht, dass er irgendeine daher gelaufene Frau dafür benutzt...

Ich ziehe ihn zu mir und nun bin ich diejenige die ihn küsst. Ich öffne sein Hemd Knopf für Knopf und ziehe es ihm aus der Hose. Mein Herz hämmert in meiner Brust als ich ihm über seine streiche. Ich öffne auch den Gürtel, den Knopf und den Reißverschluss seiner Hose.

Er hebt mich hoch und wir setzen uns auf die Couch, unablässig massieren seine Hände meinen Po und ich seufze leise. Er lässt mich aufstehen und zieht mir stürmisch meine Hotpants aus, ehe er sich von seiner Jeans und seinen Boxershorts befreit. Dann setzt er sich wieder und zieht mich auf seinen Schoss. Er zieht mir mit einer fließenden Bewegung mein T-Shirt über den Kopf und massiert fast schon grob meine Brüste. Dann spüre ich ihn in mir...

Hart, unnachgiebig, stürmisch und an der Grenze des Erträglichen dringt er ungestüm in mich ein.

Ich halte mich an ihm fest, sehe ihn kurz an... er hat seine Augen geschlossen und ich erzittere, als er in mir kommt und mich an sich presst um mich zu küssen.

„Mein Stern...“ flüstert er leise.

„Ich bin da.“ ich rutsche von seinem Schoss, angele mir eine Decke und lege meinen Kopf auf seine Brust.

„Es tut mir so leid...“ beginnt er.

„Nein Taylor, ich weiß, das das hier nichts mit Gefühlen zu tun hat.“ unterbreche ich ihn.

„Aber...“ setzt er erneut an.

Ich sehe auf, lege meinen Zeigefinger auf seine Lippen. „Wir sind Freunde und werden es auch immer bleiben.“ hauche ich, nehme meinen Finger runter und küsse ihn sanft. „Komm, wir gehen ins Bett. Noch eine Nacht auf einer Couch halte ich nicht aus.“ ich stehe auf, ziehe mir mein T-Shirt über und schlüpfe in meine Hotpants, während er sich seine Shorts anzieht. Dann reiche ich ihm meine Hand und wir gehen hoch in mein Schlafzimmer.

Er legt sich ins Bett und ich kuschele mich an ihn. Plötzlich rollen der Schmerz und die Trauen wie eine Welle über mich und ich versuche die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.

„Mein Stern.“ Flüstert er.

Ich schluchze leise und er dreht mich in seinen Armen zu sich um.

„Es ist Okay.“ Flüstert er und ich lehne mich erschöpft an ihn.

Meine Tränen laufen stumm über meine Wangen und ich halte mich an ihm fest.

Mein Körper zittert und ich bin nicht in der Lage es zu kontrollieren, er streicht mir beruhigend über den Rücken und als ich aufsehe, da sehe ich, dass auch er weint.

Wir halten uns aneinander fest, weinen leise und versuchen jeder auf seine Art damit umzugehen. Irgendwann schlafe ich erschöpft in seinen Armen ein...

Als ich wach werde, da bahnt sich das Licht des neuen Tages bereits den Weg durch meine weißen leichten Vorhänge. Taylor hält mich immer noch in seinen Armen und ich streiche ihm sanft seinen Pony aus dem Gesicht. Verschlafen, mit roten Augen sieht er mich an und küsst mich stürmisch.

Ich lasse es geschehen, gebe mich ihm hin und liege eine halbe Stunde später schwer atmend in seinen Armen.

„Mein Stern, wir sollten...“ er kneift seine Augen zusammen und ich lege meinen Kopf auf seine Brust.

„Du willst dich lebendig fühlen und wenn es das ist, was du brauchst, dann bin ich da Taylor.“ versichere ich ihm.

Wie sehr ich mir selber damit weh tue, will ich nicht wahr haben...

Ich sehe auf die Uhr, schon kurz nach 10 Uhr.

„Wir sollten zu Mum und Dad.“ er entwindet sich meiner Umarmung und ich sehe, wie er sich seine Shorts anzieht und dann runter geht. Ich atme tief durch, rappele mich dann ebenfalls auf und folge ihm, nachdem ich mich angezogen habe.

Als ich ins Wohnzimmer komme, hat auch er sich angezogen und sieht mich prüfend an.

In seinem Blick liegt so viel.

Verzweiflung.

Trauer.

Scham.

„Es ist Okay.“ ich gehe zu ihm und nehme ihn in den Arm.

„Du bist mein Stern in dunkler Nacht.“ er küsst meine Stirn.

„Ich bin immer hier.“ versichere ich ihm.

Eine Weile stehen wir einfach da, halten uns aneinander fest und schweigen.

„Ich nehme meinen Ersatzkanister mit und wir fahren bei der Tankstelle vorbei, dann können wir dein Auto gleich abholen.“ ich löse mich von ihm, ziehe mir meine Jacke über und schlüpfe in meine Turnschuhe.

„Danke.“ flüstert er und zieht sich ebenfalls seine Jacke an, ehe er sich seine Turnschuhe anzieht.

Wir fahren schweigend zur Tankstelle und füllen den Ersatzkanister auf, ehe wir zu den Klippen fahren.

„Fährst du vor?“ ich sehe ihn fragend an.

„Fahr schon mal zu Mum und Dad, ich fahre erst einmal tanken.“ er weicht meinem Blick aus.

„Taylor.“ ich gehe zu ihm und lege meine Hand auf seine Wange.

„Ich fühle mich, als ob ich zerbrochen bin.“ flüstert er.

„Gib dir Zeit. Wie schon gesagt, der Schmerz wird nie ganz verschwinden, aber er wird erträglich.“ versichere ich ihm.

„Ich danke dir mein Stern, ich danke dir so sehr.“ er beugt sich zu mir und küsst mich innig „Ich bin froh und so unendlich dankbar, das du meine Freundin bist.“ setzt er an.

„Ja, wir sind Freunde, du bist mein bester Freund.“ ich schenke ihm ein kleines Lächeln.

Ja, wir sind Freunde.

Beste Freunde.

Mehr nicht.

Er braucht mich und ich bin da...

Ich lasse ihn los und gehe zu meinem Auto, während er in seines einsteigt. Ich fahre vor ihm vom Parkplatz und schlage dann den Weg in Richtung der Farm ein, während ich im Rückspiegel sehe, wie er in die andere Richtung fährt.

Als ich parke, kommt sofort Ava aus dem Haus gestürzt.

„Was ist los?“ sie zieht mich in ihre Arme.

„Dr. Ohlsen ist hier, Annie geht es nicht gut.“ sie schließt gequält ihre Augen „Wo ist Taylor?“

„Er ist noch eben tanken, aber er ist bestimmt auch gleich hier.“ ich lege meinen Arm um sie und wir steigen die drei Stufen der Veranda hoch.

Ich sehe sie an und sehe die Tränen in ihren Augen, sie kann mit alledem nicht umgehen.

„Fahr' nach Hause Ava, ich bleibe hier.“ ich sehe sie lange an.

„Aber...“ beginnt sie.

„Nein Ava, dir geht es nicht gut. Matt soll sich ein bisschen um dich kümmern.“ ich ziehe sie fest in meine Arme „Magst du mir von zu Hause ein paar Sachen bringen? Das habe ich total vergessen.“ bitte ich sie.

„Aber sicher. Ich komme heute Abend vorbei.“ wir betreten das Haus und sie nimmt sich ihren Autoschlüssel von der Kommode im Flur.

„Ich bewundere dich.“ sagt sie leise und ich sehe sie überrascht an.

„Warum?“ frage ich verständnislos.

„Du schaffst es stark zu sein.“ gibt sie zu.

„Glaub' mir Ava, das ist nicht immer ein Vorteil.“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange, reiche ihr ihre Jacke und sehe ihr hinterher wie sie zu ihrem Auto geht. Ich winke ihr kurz zu und schließe dann die Tür.

Leise gehe ins Wohnzimmer, komisch seitdem Jake tot ist schleiche ich durch dieses Haus, es ist irgendwie so, das man kein lautes Geräusch machen will. Dr. Ohlsen sieht auf, als ich rein komme und Carl kommt sofort zu mir.

„Es geht ihr nicht gut.“ er sieht mich verzweifelt an.

„Ich bin da und ich gehe auch nirgendwo hin.“ ich nehme ihn in den Arm.

„Danke Samira.“ Dr. Ohlsen steht auf, packt seine Sachen zusammen und reicht mir eine Schachtel Tabletten. „Das sind Schlaf- und Beruhigungstabletten. Jeden Abend eine.“

„Danke Dr. Ohlsen.“ ich nicke leicht.

„Am Samstag vor der Beerdigung komme ich noch einmal vorbei, ich bin mir sicher, für diesen Tag wird sie etwas stärkeres brauchen.“ er nimmt seine Jacke von der Stuhllehne und Carl setzt sich zu Annie, während ich ihn zur Tür begleite.

„Das IDF hat angerufen, Jake bekommt eine Militärbeerdigung und sie stellen Taylor mit sofortiger Wirkung vom aktiven Dienst frei.“ erklärt er mir auf dem Weg nach draußen und ich sehe ihn verwundert an.

„Warum stellen sie ihn frei?“ frage ich leise.

„Er hat seine Dienstzeit abgeleistet und sie haben Angst, das er nach den Vorfällen nicht mehr voll Einsatzfähig ist.“ er seufzt leise. „Er bekommt eine Abfindung, volle psychologische Unterstützung und einen vom IDF vermittelten Job.“

„Das wird ihm den Boden unter den Füssen weg ziehen.“ ich schüttele meinen Kopf.

„Er ist ja nicht aus dem Dienst entlassen, er behält seinen Dienstgrad und ob irgendwann ganz aussteigen will, das bleibt seine Entscheidung. Wie geht es ihm denn?“ er legt seine Tasche auf den Rücksitz und sieht mich prüfend an.

„Schlecht.“ antworte ich wahrheitsgemäß.

„Ich bin froh, dass du ein Auge auf alles hast. Ruf mich an, egal zu welcher Zeit.“ er nickt mir zu und ich erwidere es schwach.

Als er gerade vom Hof fährt kommt Taylor und ich sehe in seinem Gesicht sofort, das er die Neuigkeiten vom IDF schon erfahren hat.

Er steigt aus und ich gehe zu ihm.

„Davon geht die Welt nicht unter.“ ich zwinge ihn mich anzusehen.

„Was soll ich denn jetzt machen? Ich war mein ganzes Leben in der Armee.“ er schüttelt resigniert seinen Kopf.

„Das IDF wird dir helfen einen Job zu finden, der deinen Qualifikationen entspricht.“ versuche ich ihn aufzumuntern.

„Was wollte der Doc hier?“ wechselt er das Thema.

„Annie geht es schlecht.“ ich nehme seine Hand und ziehe ihn zum Haus „Sie braucht dich jetzt.“

Während ich Taylor ins Wohnzimmer schicke bringe ich die Küche in Ordnung, mache einen Einkaufszettel und mache etwas zum Mittag warm, da wir die Mittagszeit schon langsam überschreiten und sie etwas essen müssen.

Es ist immer noch diese gespenstische Stille im Wohnzimmer, als ich das Essen rein bringe und ich wage es kaum etwas zu sagen.

„Ihr müsst eine Kleinigkeit essen.“ flüstere ich und stelle die Teller auf dem Tisch ab.

„Und du?“ Carl sieht mich fragend an, als ich nur drei Teller auf den Tisch stelle.

„Ich fahre eben schnell einkaufen, ich kann später etwas essen.“ winke ich ab.

„Kleines...“ setzte er an.

„Nein Carl, es ist alles in Ordnung.“ versichere ich ihm eher halbherzig und gehe wieder in die Küche.

Carl ist mir gefolgt und dreht mich zu sich um, als ich meine Hände auf der Arbeitsplatte abstütze und über den Hof sehe.

„Komm schon Kleines.“ sagt er sanft.

„Es wird nie wieder so sein.“ flüstere ich.

„Was Kleines?“ er rückt mich ein Stück von sich weg.

„Alles.“ ich zucke leicht mit den Schultern „Ava wird nie wieder unendliche Diskussionen mit ihm darüber führen, was denn nun die richtige Antwort bei Trivial Persuit ist. Er wird nie wieder neben mir her zum Stall gehen und sich darüber lustig machen, wie ich versuche mit etwas Anlauf aufzusetzen. Taylor wird nie wieder der Selbe sein.“ ich sehe auf und ihm direkt in seine gütigen grauen Augen.

„Nein, aber damals nach dem Tod deiner Mum, da dachte dein Dad auch, ihr habt euer Lachen verloren. Und ja, ich will es nicht beschönigen, anfangs war es auch so, aber dann wurde es besser. Ihr habt wieder gelacht, ihr wart sogar wieder glücklich und ich bin mir sicher, wir überstehen das alles hier irgendwie. Wir brauchen Zeit und Unterstützung und ich werde niemals in Worte fassen können, wie dankbar ich dir bin, das du für uns da bist.“ er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Das ist selbstverständlich.“ ich schließe kurz meine Augen.

„Nein Kleines ist es nicht. Du siehst gar nicht, was für ein wundervoller, starker Mensch du bist.“ er lächelt leicht. „Aber auch die stärksten Menschen müssen sich Zeit geben zu trauern und sie müssen sich erlauben zu weinen.“ er streicht über meine Wange.

„Hmmm.“ ich nicke leicht.

Er greift in den Schrank neben dem Fenster und reicht mir seine Bankkarte.

„Ich bin in einer halben Stunde wieder da.“ verspreche ich ihm, nehme meine Jacke und stürze aus dem Haus.

Kaum das ich den Hof hinter mir gelassen habe, fahre ich links ran, lege meinen Kopf aufs Lenkrad und beginne zu schluchzen.

Die Trauer um Jake, die Sorge um Taylor, Annie und Carl...

Das alles schnürt mir die Kehle zu.

Nachdem ich 10 Minuten geweint habe, straffe ich meine Schultern und gehe wie versprochen einkaufen. Ich kaufe extra ein wenig mehr ein, nicht das ich morgen oder übermorgen wieder los muss. Mit meinen Einkäufen sollten wir bis Freitag oder Samstag hin kommen.

Als ich wieder auf den Hof fahre kommen Taylor und Carl raus und helfen mir alles rein zu bringen.

„Wo ist Annie?“ will ich sofort wissen, als ich Carl die erste Tüte reiche.

„Sie schläft. Taylor und ich haben sie ins Schlafzimmer gebracht.“ erklärt er mir und ich nicke abwesend.

„Möchtest du jetzt etwas essen?“ Carl sieht mich fragend an, während ich die letzten Sachen im Kühlschrank verstaue.

„Nein danke.“ winke ich ab „Ich gehe eben zu den Pferden, füttere sie und bringe sie in den Stall.“ ich ziehe mir meinen Pullover über und gehe an ihm vorbei nach draußen.

Ich hole Clover und Hornet von der Weide, nehme mir Zeit für sie, striegele sie und füttere sie, ehe ich sie in ihre Boxen bringe.

Clover stupst mich immer wieder an und ich sehe in seine wunderschönen dunkelbraunen Augen.

„Ich weiß mein Großer. Er fehlt mir auch.“ flüstere ich und lege meinen Kopf an seinen.

Ich spüre Hände auf meiner Hüfte und werde langsam umgedreht, doch statt etwas zu sagen beugt sich Taylor zu mir und küsst mich innig. Er hebt mich hoch und ich klammere mich an ihn, während wir zu den aufgestapelten Heuballen gehen und er mich absetzt. Er nestelt an seiner Jeans herum und ich helfe ihm dabei meine runter zu schieben, so dass er in mich eindringen kann. Er ist ungehalten, stürmisch und das hier hat wirklich nicht im Entferntesten mit Liebe zu tun. Als er seinen Höhepunkt erreicht hat sieht er mich an, streicht mit seinem Daumen über meine geschwollenen Lippen und zieht mich an seine Brust.

Meine Atmung beruhigt sich langsam und ich richte meine Sachen, was er mir gleich tut. Dann gehen wir ins Haus und kaum das ich die Küche betrete stellt mir Vera einen Teller auf den Tisch.

„Du isst jetzt was.“ sagt sie streng und ich setze mich gezwungener Maßen.

„Wann bist du gekommen?“ frage ich leise, während ich in meinem Essen herum stochere.

„Vor einer knappen Stunde. Ich habe dich bei den Pferden gesehen und wollte dir ein wenig Zeit für dich geben.“ sie setzt sich zu mir.

„Danke.“ ich schiebe mir unter ihren wachsamen Blicken ein Stück Kartoffel in den Mund.

Annie schläft den ganzen Nachmittag und Vera verabschiedet sich gegen Abend, aber sie verspricht am nächsten Tag wieder zu kommen.

Als es, kurz nachdem sie weg ist, klopft, gehe ich zur Tür und Ava steht vor mir. Demonstrativ hält sie eine kleine Tasche hoch und ich trete zur Seite, damit sie rein kommen kann.

„Carl ist im Wohnzimmer und schaut irgendeine Doku über irgendwelche Tiere.“ erkläre ich ihr. Carl liebt Dokumentationen über Tiere aller Art und sie lächelt leicht.

„Taylor?“ fragt sie.

„Hier.“ er steht auf, als wir in die Küche kommen.

„Hey.“ sie sieht ihn liebevoll an.

„Hey.“ erwidert er und man sieht deutlich wie müde er ist. „Ich bringe deine Tasche hoch.“ bietet er sich an, doch ich nehme sie Ava ab.

„Ich mach das später.“ ich will die Tasche weg stellen, doch er kommt zu mir, legt seine Hand auf meine, die den Tragegriff der Tasche fest umschließt.

„Ich mach das schon.“ sagt er leise und ich sehe auf, direkt in seine dunkelblauen Augen. Eine Weile sehen wir uns einfach an, dann lasse ich die Tasche los und er lächelt leicht.

„Siehst du.“ flüstert er mir ins Ohr „Hat nicht weh getan.“ damit geht er dann die Treppe hoch.

„Tu dir nicht weh.“ sagt Ava leise und ich sehe sie ertappt an.

„Was meinst du?“ frage ich nervös und reiche ihr ein Glas mit Limonade.

„Du weißt genau was ich meine.“ sie schenkt mir einen langen Blick. „Du liebst ihn, du liebst ihn schon immer.“

Ich bin nur für ihn da, er ist wie ein Bruder für mich.“ verteidige ich mich.

„Mag ja sein Sammy, aber wer ist nach alledem hier dann für dich da?“ sie legt ihren Kopf schief. „Wer sammelt dann die Scherben auf, die er unweigerlich hinterlässt?“

Ich schweige, ich meine, was soll ich auch sagen?

„Ich werde immer für dich da sein.“ sie steht auf, haucht mir einen Kuss auf die Haare und geht wieder zur Tür. „Ich muss nach Hause, Matt wartet mit dem Essen auf mich.“ sie winkt mir kurz zu, ehe sie dann geht.

Ich gehe an den Kühlschrank und hole mir eine Dose Cola raus ich kippe sie gerade in mein Glas als Taylor wieder runter kommt.

„Wo ist denn Ava?“ er sieht sich suchend um.

„Nach Hause, Matt wartet mit dem Essen.“ ich setze mich an den Tisch.

„Wollen wir meinem Dad ein wenig Gesellschaft leisten?“ er sieht mich prüfend an und ich nicke, nachdem einen großen Schluck von meiner Cola genommen habe.

Wir gehen zu Carl und ich setze mich neben ihn auf die Couch, während Taylor es sich auf dem Sessel gemütlich macht.

„Um welche Tiere geht es?“ frage ich und sehe weiterhin gespannt zum Fernseher.

„Kein Bestimmtes, nur um die Antarktis.“ er legt seinen Arm um mich und ich kuschele mich ein wenig an ihn.

Wir schauen die Sendung zu Ende, dann sieht mich Carl lange an, haucht mir einen Kuss auf die Stirn und steht auf.

„Wir sollten ins Bett.“ er streckt sich und ich nicke zustimmend.

„Ich räume auf.“ ich sammle die Gläser ein, während Carl und Taylor hoch gehen, dann stelle ich den Geschirrspüler an und gehe leise die Treppe hoch.

Ich gehe in mein Zimmer, hole mir mein Waschzeug und ein weites T-Shirt ehe ich ins Bad gehe, mir meine Zähne putze und meine Haare durchkämme. Dann trete ich wieder in den Flur und noch bevor ich mein Zimmer erreiche geht Taylors Tür auf und er zieht mich in sein Zimmer.

„Bleib bei mir heute Nacht.“ bittet er mich und küsst mich innig.

Wir gehen küssend zu seinem Bett und er legt mich vorsichtig ab. Er legt sich neben mich und ich sehe die Tränen in seinen Augen glitzern.

„Sex löscht den Schmerz nicht aus, er betäubt ihn höchstens.“ sage ich leise.

„Betäuben ist besser wie nichts.“ er küsst mich erneut und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken.

Als er in mich eindringt spüre ich die Tränen auf meiner Schulter und halte ihn ganz fest an mich gepresst.

Was tun wir hier?

Hilft ihm das Wirklich?

Hilft ihm das Überhaupt?

Dann merke ich wie sich mein Atem beschleunigt, dieses Mal will wohl nicht nur er einen Höhepunkt erreichen und ich beiße ihm zaghaft in die Schulter als ein Orgasmus über mich rollt und mich dann schwer atmend zurück lässt.

Dann kommt auch er und hält mich fest in seinen Armen.

Es tut mir auf unheimliche Art und Weise gut in seinen Armen zu liegen und mir gehen Avas Worte nicht aus dem Kopf.

Liebe ich ihn?

Liebe ich ihn so, wie eine Frau einen Mann liebt?

Oder eher wie eine Schwester einen Bruder liebt?

Oder wie eine Frau ihren besten Freund?

Im Moment fühlt sich das für mich alles gleich an...

Ich bin vor ihm wach und schleiche mich aus dem Zimmer unter die Dusche. Ich fühle mich müde, obwohl ich ausreichend schlafe und ich fühle mich ausgelaugt, obwohl ich eigentlich nicht wirklich viel mache.

Dann gehe ich in die Küche und treffe zu meiner Verwunderung auf Annie und meinen Dad.

„Dad? Was machst du denn hier?“ ich nehme ihn in den Arm.

„Ich habe seit 2 Tagen nichts von dir gehört.“ er sieht mich besorgt an.

„Aber Ava hat dir doch sicher gesagt, das es mir gut geht, oder?“ ich hole mir eine Kaffeetasse und setze mich zu ihm und Annie an den Tisch.

„Ja, das schon, aber ich wollte mich selber überzeugen und ich muss doch wissen wie es Annie und Carl geht.“ er greift nach Annies Hand und sie sieht ihn dankbar an.

Ich kann mir nur ungefähr vorstellen, wie schwer das für mein Dad sein muss, denn wie gesagt kann er mit solchen Situationen nicht umgehen und mit nicht umgehen, meine ich eigentlich, das er sie meidet und lieber flieht.

Daran sehe ich, wie viel ihm Annie und Carl bedeuten...

„Ist für morgen alles fertig?“ ich puste in meinen Kaffee und nehme zaghaft einen Schluck, viel zu oft habe ich mir schon meine Lippen verbrannt und so langsam denke ich, habe ich den Dreh raus.

„Ja, es ist alles bestellt, vorbereitet und ich habe noch zwei Kellnerinnen gefunden.“ er nickt mir zu.

„Danke Dad.“ ich atme erleichtert aus.

„Ja, danke Bryan.“ Annie sieht kurz auf.

Ich stehe auf, ich kann sie nicht so traurig sehen und weil ich einfach nicht weiß, was ich machen soll, so mache ich uns Frühstück.

Mein Dad bleibt noch und isst eine Kleinigkeit mit mir und Annie, dann kommt Taylor verschlafen die Treppe runter.

„Guten Morgen Bryan.“ begrüßt er meinen Dad und dann nimmt er seine Mum in den Arm. „Morgen Mum.“ flüstert er.

„Ich muss jetzt leider los.“ mein Dad räuspert sich und ich stehe mit ihm auf. Taylor lässt seine Mum los, dreht sich zu mir um und sieht mir in die Augen.

„Guten Morgen mein Stern.“ flüstert er und mein Herz macht einen kleinen Satz.

Nicht gut... nein wirklich nicht gut.

Ich sehe an mir runter, ich trage nur eine einfache Jeans, ein T-Shirt und einen dicken Pullover, aber das wird schon für einen Ausritt reichen.

„Ich gehe eben in den Stall und verschaffe Clover mal ein wenig Bewegung. Ist das Okay für euch?“ ich sehe zu Taylor und Annie und beide sehen mich verwirrt an, aber nicken dann zustimmend.

„Aber sicher Kleines.“ Carl steht oben an der Treppe und ich sehe überrascht auf.

„Frühstück ist fertig.“ ich nicke ihm zu, nehme mir meine Jacke und schlüpfe in meine Stiefel.

Ich gehe neben meinem Dad her zu seinem Auto.

„Geht es dir gut meine Süße?“ er legt seinen Kopf schief und ich streiche ihm über seine unrasierte Wange.

„Alles Okay Dad.“ versichere ich ihm.

„Ich liebe Dich Sammy.“ flüstert er und nimmt mich in den Arm, ehe er einsteigt.

„Ich dich auch Dad.“ ich schließe seine Autotür und gehe dann weiter in den Stall. Nachdem ich Clover und Hornet gefüttert habe sattele ich Clover und streiche ihm über seine aufgeblähten Nüstern. Clover war Jakes Pferd und er wird ihn nie wieder reiten können. Ich atme tief durch, führe ihn auf den Hof und setze auf.

Ich fliege mit ihm über die Felder, reite bis zu den Klippen und komme erst nach zwei Stunden wieder zurück.

Taylor erwartet mich am Tor des Stalls und nimmt mir die Zügel ab, als ich absitze.

„Was machst du hier draußen?“ frage ich verständnislos.

„Darf ich jetzt nicht mehr raus gehen?“ er legt seinen Kopf schief.

„Doch natürlich...“ ich nehme ihm die Zügel ab.

„Grandma ist da, sie sitzen alle zusammen und blättern in den alten Fotoalben.“ er presst seine Lippen zusammen. „Ich kann das nicht.“

„Es ist in Ordnung.“ sage ich leise, nehme Clover den Sattel ab und beginne ihn zu striegeln. Ich reiche Taylor eine Bürste und er holt sich Hornet, ist ja schließlich sein Pferd, und er beginnt ihn zu striegeln.

Er ist in Gedanken versunken und ich betrachte ihn eingehend. Seine dunkelbraunen Haare stehen ihm wild in alle Richtungen ab und er hat sich die letzten Tage nicht rasiert.

Er sieht unheimlich müde, geschafft und traurig aus.

Ich würde alles dafür geben, wenn er nur wieder der lustige, aufgedrehte Taylor sein könnte, aber ich habe Angst, diesen Taylor für immer verloren zu haben.

Dann entlassen wir die Beiden auf die Koppel und ich sehe in den wolkenverhangenen Himmel. Ich atme tief durch und Taylor umarmt mich von hinten. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und eine Weile stehen wir einfach so da und sehen in den Himmel.

„Mein Stern in dunkler Nacht.“ flüstert er.

„Du hast mich mein Stern genannt, weil ich so wütend auf Ava war, weil sie mich angelogen hat.“ ich schließe meine Augen.

„Ja, weil du mein Stern bist. Egal wo ich bin, du bist in meinem Herzen bei mir. So wie deine Mum.“ er legt seinen Kopf auf meine Schulter.

„Ja, wie meine Mum, aber auch wie Jake. Mir kommt es vor, als ob du nicht über ihn sprechen willst.“ ich zucke leicht mit den Schultern, er lässt mich abrupt los und stapft in Richtung Haus.

„Bleib stehen... Bitte.“ rufe ich ihm hinterher und tatsächlich bleibt er kurz vor der Veranda stehen.

„Es tut mir leid.“ ich komme bei ihm an, stelle mich vor ihn und sehe ihn mit Tränen in den Augen an, ich wollte ihn nicht wütend und schon gar nicht traurig machen.

„Ich kann das noch nicht. Vielleicht irgendwann, aber jetzt noch nicht. Das Einzige was ich sehe, wenn ich an ihn denke ist dieses gottverdammte Auto und wie es in einem Feuerball explodiert.“ er kämpft mit sich und ich sehe die tiefe Falte zwischen seinen Augen.

„Es tut mir so leid.“ ich streiche über seine Wange.

Ich bin froh, dass Vera da ist und sich um alles kümmert, während ich mit Taylor auf der Couch sitze. Er starrt ins Leere und ich auf den Fernseher, ohne auch nur irgendwas zu sehen.

Als ich am Abend in meinem Bett liege, legt er sich zu mir und weint. Er weint bitterlich und er zerreißt mir das Herz.

Wird der Taylor, den ich mal kannte, jemals wieder kommen?

Der Samstagmorgen beginnt schlimm, Annie geht es schlecht und wir müssen Dr. Ohlsen holen. Er gibt Annie die besprochene Spritze und Carl setzt sich zu ihr auf die Couch.

„Ich muss nach Hause, ich muss mich umziehen.“ Ich sehe zu erst zu Uhr, dann zu Carl und er nickt leicht.

„Ich fahre dich.“ Taylor kommt herein, er trägt seine Paradeuniform und ich schlucke schwer. Er ist frisch rasiert, seine Haare sind ordentlich nach hinten gegelt und da ist er wieder, wenigstens rein äußerlich:

Mein Ritter in strahlender Rüstung...

„Okay.“ Sage ich leise und nehme meinen Mantel von der Garderobe. Ich bin erschöpft von dieser Woche, so sehr ich mir auch wünsche, das Taylor sich endlich öffnet und mit mir über seine Gefühle spricht, so wenig weiß ich, ob ich damit umgehen kann.

Wir kommen zu seinem Auto und er streicht kurz über den dunkelblauen Lack. Jake und er haben dieses Auto geliebt. Eigentlich ist es nichts besonderes, ein Volvo V70 Kombi, aber die Beiden haben unheimlich viel Arbeit rein gesteckt und es auf ihre Art zu etwas besonderem gemacht. Dieses Auto ist mit allem Möglichen Schnick Schnack ausgestattet und hat in meinen Augen mehr Knöpfe wie das Cockpit eines Flugzeuges, aber da ich noch nie das Cockpit eines Flugzeuges gesehen habe, kann ich mich auch täuschen. Auf alle Fälle sind da eine Menge Knöpfe.

Sie hatte geplant, das Jake sich auch so ein Auto kauft und sie es dann auch fertig machen können, aber...

Jake ist nicht mehr da.

Er wird heute beerdigt.

Ich steige auf der Beifahrerseite ein und Taylor setzt sich stumm ans Steuer.

Ich halte das Schweigen nicht aus, ich lege meine Hand auf seinen Unterarm.

„Sprich mit mir Taylor.“ Bitte ich ihn leise.

„Worüber?“ er sieht stur auf die Straße.

„Über Jake.“ Hauche ich.

Plötzlich gibt er Gas und ich halte mich an meinem Sitz fest.
„Was machst du Taylor? Fahr bitte langsamer!“ flehe ich ihn an.

Doch er gibt noch mehr Gas und ich sehe auf das Tacho, 140 km/h… Hier sind 60 km/h und das nicht ohne Grund.

Tränen der Angst laufen über mein Gesicht.

Bitte Taylor, ich bitte dich…. Du machst mir Angst.“ Wimmere ich und er sieht mich an.

Er bremst scharf ab und fährt rechts ran.

Er springt aus dem Auto und tritt gegen den Reifen.

Ich versuche mich zu beruhigen und steige ebenfalls aus, meine Knie zittern als ich zu ihm gehe.

„Taylor?“ frage ich vorsichtig. Er steht am Straßenrand und hat seine Hände auf seine Knie gestützt.

Ich lege meine Hand auf seinen Rücken und er kommt hoch. Er sieht mich schockiert über sein eigenes Verhalten an.

„Es tut mir leid mein Stern.“ Flüstert er und zieht mich fest in seine Arme.

„Alles ist gut.“ Sage ich sicherer wie ich mich fühle und spüre seine Tränen an meiner Wange.

Er schweigt und ich weiß, es tut ihm wirklich leid.

Er weiß im Moment einfach nicht was er tut…

Nicht einmal ich weiß, was ich tue...

„Wir sollten jetzt zu dir.“ Er räuspert sich und steigt wieder ein.

Ich gehe um das Auto herum und setze mich ebenfalls wieder rein.

Als wir an meiner Wohnung ankommen begleitet er mich hinein und ich dusche kurz, ehe ich ein schwarzes, kurzes Kleid schlüpfe und meine Haare hoch binde.

Taylor sitzt am Küchentisch und starrt hinaus.

„Ich bin fertig.“ Sage ich leise und er sieht auf.

„Wir sollten gleich in die Kirche…“ er steht auf und reibt sich müde die Augen.

„Taylor.“ ich gehe zu ihm und sehe ihn bittend an.

Er beugt sich zu mir und küsst mich.

„Ich bitte dich mein Stern.“ flüstert er leise. „Zwinge mich nicht über ihn zu reden, nicht heute.“

„Okay.“ ich richte das Revers seines Jacketts und küsse ihn hauchzart.

Dann schlüpfe ich in meine Pumps und nehme meinen Mantel, selbst ein kleiner Kuss von ihm und meine Lippen pulsieren.

Was passiert mit uns?

Was passiert mit mir?

Im Auto sehe ich ihn von der Seite an, seine Haare sind verwuschelt und ich fahre durch sie hindurch. Er sieht mich an und sein Blick wirkt verloren und verwirrt.

„Ich bin immer da.“ Flüstere ich ihm ins Ohr und er nickt leicht.

Als wir an der Kirche ankommen, werde ich schon von Ava und meinem Dad erwartet.

„Ich werde jetzt mal ein paar Tage bei Carl und Annie bleiben…“ Ava nimmt mich in den Arm „… Ich habe zwei Wochen Urlaub und du musst wieder zur Arbeit.“ Sie sieht mich durchdringend an und ich nicke.

„Danke Ava.“ Sage ich ehrlich.

Ich muss mal wieder in meinem Bett schlafen, allein

Die Predigt für Jake ist ergreifend und als Taylor nach vorne geht und ein paar Worte sagt, da zieht sich mein Herz zusammen.

„… Ich habe meinen kleinen Bruder verloren. Ich habe meiner Mum und meinem Dad immer versprochen, das ich auf ihn aufpassen werde, aber ich konnte mein Versprechen nicht einhalten. Es tut mir leid Jake, ich liebe Dich.“ Er geht zurück zu seinen Eltern und ich schließe gequält meine Augen.

Wie lange will er sich die Bürde auferlegen Schuld zu sein?

„Wie geht es Taylor?“ mein Dad beugt sich zu mir.

„Ich weiß nicht.“ Gebe ich zu.

Wir begleiten den Trauerzug nach draußen, Jakes Urne wird beigesetzt und Taylor wird die irische Fahne fein säuberlich zusammen gefaltet gereicht.

Es ist so unwirklich, das alles, was von ihm übrig ist, in eine kleine Urne passt…

Mein Dad fährt Annie, Carl und Taylor nach der Beisetzung ins Porters während ich bei Matt und Ava mitfahre und wir kurz vor ihnen ankommen. Er hat alles vorbereitet, es ist eine beinahe unheimliche Stille, obwohl das Pub voll ist.

„Mein Stern…“ Taylor ist hinter mich getreten, als ich gerade ein paar Pints fülle und ich drehe mich zu ihm um.

„Wie geht es dir?“ frage ich leise.

„Ich brauch dich mein Stern, ich überstehe das hier alles nicht.“ Er sieht mich verzweifelt an.

Ich nehme mir den Schlüssel für den Weinkeller und ziehe ihn mit mir.

Kaum das wir den kleinen Raum betreten presst mich an sich und küsst mich stürmisch.

„Was genau tun wir hier eigentlich?“ er sieht mich atemlos an und schiebt den Träger meines Kleides über meine Schulter.

„Ich weiß es nicht.“ Gebe ich zu und öffne seine Hose. „Aber ich brauche das im Moment genauso sehr wie du.“

Er hebt mich hoch und liebt mich heftig auf einem der Weinfässer, ein leiser Schrei entweicht mir als er mit aller Kraft in mich eindringt.

Er sieht mich an und küsst mich verlangend.

Von Gefühlen ist keine Spur, nur die nackte Lust leitet uns, ich kralle mich an ihm fest und beiße mir so fest auf die Unterlippe, dass ich den metallischen Geschmack erst viel zu spät merke. Er kommt mit einem Seufzen und ich halte ihn an mich gepresst.

Nach ein paar Minuten lässt er mich los und richtet seine Sachen. Auch ich richte mein Kleid und versuche meine Haare in Ordnung zu bringen.

„Mein Stern…“ er steht unbeholfen vor mir.

Ich lege meine Hand an seine Wange. „Alles ist gut Taylor.“ Verspreche ich ihm.

Wem mache ich hier eigentlich was vor?

Es küsst mich flüchtig und geht dann wieder zu den anderen, während ich versuche meinen Herzschlag zu beruhigen.

Ich schließe kurz meine Augen, ich liebe ihn, aber mir ist immer noch nicht klar auf welche Art und Weise…

Aber der Sex hier, hat rein gar nichts damit zu tun.

Auch ich gehe wieder hoch und Ava sieht mich prüfend an.

„Wo warst du?“ fragt sie leise.

„Ich brauchte einen Moment für mich.“ Ich winke ab.

„Sammy...“ Sie hält mich kurz am Arm fest.

„Es ist Okay.“ Gebe ich zurück und schenke weiter Getränke aus.

Am Abend bin ich dann tatsächlich wieder in meinem Bett und als ich von meinem Wecker durch schrilles Piepen geweckt werde, da brauche ich eine ganze Weile um mich zu orientieren.

Ich beschließe nach einem kurzen Frühstück heute nicht in die Kirche zu gehen. Ansonsten lasse ich kaum einen Gottesdienst ausfallen, aber heute brauche ich Zeit für mich, um das was die letzte Woche alles passiert ist, annähernd zu verstehen.

Ich habe das Gefühl völlig neben mir zu stehen...

Ich ziehe mir meine schwarze enge Sporthose und mein hellblaues Laufshirt an, dann schlüpfe ich in meine schwarzen Laufschuhe und trete hinaus in den diesigen Sonntagmorgen. Ich laufe im schnellen Tempo durch die Stadt hinaus zu den Klippen und nachdem meine Lungen schon brennen und meine Beine schmerzen, da zwinge ich mich weiter zu laufen. Ich kann eigentlich nicht mehr, aber eine kleine Stimme treibt mich immer weiter an. Ich bin völlig fertig als ich nach 2 Stunden wieder zu Hause bin, nach einer kurzen Dusche verkrieche ich mich im Wohnzimmer, ich starre auf den ausgeschalteten Fernseher und denke nach.

Es ist so unwirklich.

Jake wird nie wieder kommen.

Er ist tot.

Taylor so wie ich ihn kannte, wird auch nie wieder kommen und das obwohl er lebt.

Das was ich von ihm noch habe ist die leere Hülle, die versucht sich mit meiner Hilfe und der Hilfe von Sex annähernd lebendig zu fühlen.

Als es vorsichtig klopft stehe ich auf und gehe zur Tür, verwundert stehe ich Sekunden später Taylor gegenüber.

„Was ist los? Ist was passiert?“ frage ich sofort besorgt.

„Ich brauche dich.“ flüstert er und ich ziehe ihn ins Innere meiner Wohnung.

Ich lasse ihn mich in den Arm nehmen, ich lasse ihn mein T-Shirt ausziehen und ich lasse ihn mich noch im Flur nehmen.

Hart, schnell und ohne Gefühle...

Atemlos sehen wir uns an.

„Was ist los?“ frage ich, nachdem sich meine Atmung etwas beruhigt hat und ich mir mein T-Shirt wieder über gezogen habe.

„Ich muss mir eine Wohnung suchen, ich halte das bei Mum und Dad nicht aus und das IDF will sich morgen wegen einem Job melden.“ er sieht mich an, zieht seine Shorts an und setzt sich auf die Couch.

„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ versuche ich ihm Mut zu machen.

„Hast du ein Bier?“ er seufzt leise und ich hole ihm ein Bier aus dem Kühlschrank.

Am nächsten Morgen muss ich das erste Mal wieder früh aufstehen und Taylor brummt neben mir, als ich mich aus seiner Umarmung befreie.

Ich gehe schnell duschen, mache mir einen Kaffee und schlüpfe in eine bequeme Jeans, Turnschuhe und ein Poloshirt. Ich ziehe mir gerade meinen Pullover über als Taylor die Treppe runter kommt.

„Wo willst du denn hin?“ er reibt sich die Augen.

„Ich muss mal wieder ins Büro, es war nett von Patrick und Luke mich letzte Woche frei zu stellen, aber ich will wieder arbeiten.“ ich sehe ihn an und deute auf die Kaffeemaschine. „Der Kaffee ist frisch und wenn du Dean Jenkins anrufst, dann kann er dir bestimmt wegen einer Wohnung helfen.“ ich deute auf den Zettel, den ich auf dem Küchentisch hingelegt habe. „Bis heute Nachtmittag.“ ich drücke ihm, mit einem Blick auf meine Uhr, einen Kuss auf die Wange und gehe hinaus in die kühle Mailuft.

Als ich im Büro ankomme kommt Luke sofort zu mir.

„Hey.“ er nimmt mich in den Arm.

„Hey.“ ich lasse mich von ihm drücken und sehe ihn dann an „Danke wegen letzter Woche.“

„Kein Problem.“ er winkt ab „Wie geht es denn Carl, Annie und Taylor?“

„Nicht gut, Taylor ist bei mir zu Hause.“ ich ziehe meine Jacke aus und hänge sie über meine Stuhllehne.

„Bei dir?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja, er hält es bei Carl und Annie im Moment einfach nicht aus. Er bekommt vom IDF einen Job hier in der Umgebung. Er ist aus dem aktiven Dienst befreit.“ erkläre ich ihm und fahre meinen Computer hoch.

„Du weißt, was du tust, oder?“ er legt seinen Kopf schief.

Bin ich so einfach zu durchschauen?

Ich sehe verwundert zu ihm und er lächelt.

„Komm schon Sam, du und Taylor. Ich kenne dich und ich kenne ihn.“ er seufzt leise.

„Es ist nichts, wir sind Freunde.“ winke ich ab.

„Rede dir ein was du willst.“ er lächelt milde.

„Luke.“ seufze ich.

„Was denn Sam... Er hat damals jeden der es wagen wollte, dich zum Abschlussball auszuführen Prügel angedroht, auch mir, wenn ich das so sagen darf und du würdest ohne mit der Wimper zu zucken für ihn durchs Feuer gehen. Du hast dich in deinem Leben ein einziges Mal geprügelt und wer war der Grund dafür?“ er sieht mich fragend an.

„Taylor.“ gebe ich zähneknirschend zu.

„Siehst du.“ triumphierend nickt er und ich verdrehe die Augen.

„Ich bin ein großes Mädchen.“ ich tippe mein Passwort ein „Und jetzt lass mich arbeiten, schließlich bezahlst du mich dafür.“

Es stimmt wirklich, ich habe mich in meinem Leben nur ein einziges Mal geprügelt und das war wegen Taylor.

Gott, noch heute wenn ich Amber Valentin sehe, dann bekomme ich kribbeln in den Fingern. Sie hat Taylor ausgenutzt und ihn dann fallen gelassen. Ich meine, das konnte ich ihr doch nicht durchgehen lassen oder? Schließlich hat Taylor ja auch das ein oder andere Mal meine Ehre verteidigt, ebenso wie Jake und eine Zeit lang war es schwer für mich und Ava überhaupt ein männliches Wesen zu finden, welches bereit war das Risiko eines Dates mit uns einzugehen. Ich gebe ja gerne zu, dass meine letzte Beziehung schon etwas her ist, aber Luke sieht Hirngespinste.

Taylor und ich sind Freunde.

Mit Sex.

Aber ohne tiefgründige Gefühle.

Oder?!

Ich schüttele mich und konzentriere mich dann endlich auf meine Arbeit. In der letzten Woche ist einiges liegen geblieben und ich bin froh, als ich am frühen Nachmittag endlich wieder System in allem habe.

Als ich nach Hause komme ist Taylor nicht da, aber er hat mir eine SMS geschrieben, dass er sich heute noch zwei kleine Wohnungen anschaut und dann noch ein Termin bei McGyllis, einer Speditionsfirma, hat.

Ich mache uns eine Kleinigkeit zu Essen und ziehe mich dann für meine Schicht im Porters um.

Es ist irgendwie wieder Normalität und ich frage mich, ob das richtig sein kann.

Jake ist seit 10 Tagen tot und ich gehe zur Normalität über?

Ich bin gerade auf dem Weg in die Bar, als mir Taylor an der Tür entgegen kommt.

„Und?“ frage ich sogleich.

„Ich habe eine Wohnung, drei Straßen von hier und ich habe einen Job als Logistikmanager bei McGyllis.“ er atmet tief ein.

„Das ist wunderbar.“ ich nehme ihn in den Arm „Ich muss ins Porters, aber Essen steht im Ofen.“

„Weißt du was? Ich komme eben mit.“ er legt seinen Arm um meine Schulter.

„Okay.“ ich lächle ihn an und er versucht wirklich es zu erwidern, aber so richtig gelingen will ihm das nicht.

Kaum im Pub angekommen möchte er gerne ein Bier und ich stelle ihm eines vor die Nase.

„Danke mein Stern.“ er nimmt einen großen Schluck und ich widme mich den anderen Gästen.

Als ich um 2 Uhr endlich Feierabend habe, nehme ich den ziemlich betrunkenen Taylor mit zu mir und lasse ihn auf meiner Couch seinen Rausch ausschlafen...

Dieses eine Mal.

Aus diesem einen Mal wird jeder Abend der kommenden Woche und als ich ihn am Samstagmorgen wecken will, da ist er nicht wirklich begeistert.

„Komm schon Taylor...“ ich rüttele sanft aber dennoch bestimmt an seiner Schulter. „Du musst aufstehen, dein Umzug steht heute an. Ava und Matt sind gleich da.“

„Oh bitte nicht.“ stöhnt er.

„Taylor.“ sage ich bestimmt und er öffnet langsam seine Augen.

Ich kann es immer noch nicht glauben, das diese Augen die mich jetzt blutunterlaufen ansehen, dieselben Augen sein sollen, die mir mal die Welt bedeutet haben. Das intensive blau wirkt irgendwie ausgeblichen, leer, stumpf und auch ansonsten ist er eher blass.

„Wie spät ist es?“ murmelt er verschlafen und reibt sich seine Augen.

„Viertel vor 10. In 15 Minuten sind Ava und Matt da.“ ich will von der Bettkante aufstehen, aber Taylor hält mich am Handgelenk fest.

„Es tut mir leid.“ er sieht mich reumütig an.

„Was genau Taylor? Du musst nach der letzten Woche schon etwas konkreter werden.“ ich seufze leise.

„Alles eben...“ er setzt sich auf und zieht mich in seine Arme. „Ich muss irgendwie sehen, das ich das alles irgendwie auf die Reihe bekomme.“

„Ja Taylor und dazu brauchst du meiner Meinung nach einen Psychologen und nicht bedeutungslosen Sex und jeden Abend Alkohol.“ ich entwinde mich seiner Umarmung.

„Ich bin noch nicht soweit.“ er atmet tief durch und ich sehe die Sorgenfalte auf seiner Stirn.

Ich kann ihm nicht böse sein, egal wie sehr ich es mir vornehme...

Er macht gerade eine so schwere Zeit durch und ich habe ihm versprochen an seiner Seite zu sein.

An den guten und an den weniger guten Tagen.

Es war eine harte Woche...

Erst musste er Annie und Carl sagen, dass er auszieht, was Beide aber eher gefasst ausgenommen haben, da er ja in Sandycove bleibt. Alles musste organisiert werden und er hat den Job bei McGyllis bekommen, obwohl ich ihm anmerke, dass das definitiv nicht das ist, was er möchte...

Aber er bemüht sich, er bemüht sich wirklich und mehr kann und darf ich im Moment einfach nicht von ihm erwarten.

Ich streiche ihm seine Haare aus der Stirn und sofort entspannt sich sein Gesicht etwas.

„Sei bitte nicht böse auf mich.“ bitte er mich flehentlich.

„Ich bin nicht böse auf dich, ich mache mir Sorgen.“ ich hauche ihm einen Kuss auf die Stirn und deute auf die Badezimmertür. „Ab unter die Dusche.“ weise ich ihn an und ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht.

Ich mache das Bett, schlüpfe in eine bequeme Jeans und ziehe mir einen einfachen Sweater über mein T-Shirt. Ich binde meine Haare locker hoch und bin gerade fertig, als Taylor frisch geduscht aus dem Bad kommt.

„Fühlst du dich besser?“ ich reiche ihm eines seiner T-Shirts, die er bei mir im Schrank hat und er nickt erleichtert.

„Ja, ich fühle mich wirklich besser.“ er zieht sich das T-Shirt über, macht einen Schritt auf mich zu und zieht mich fest in seine Arme. Ich schließe meine Augen und einen kleinen Moment lausche ich nur seinen gleichmäßigen Atemzügen.

„Mein Stern.“ er sieht mich an und küsst mich innig.

Als es unten klingelt mache ich mich von ihm los und werfe ihm eine Jeans zu. „Zieh dich an, je eher wir anfangen, umso eher sind wir fertig.“ ich nicke ihm grinsend zu und öffne dann Matt und Ava die Tür.

„Guten Morgen!“ Matt strahlt mich an und nimmt mich in den Arm.

„Guten Morgen.“ erwidere ich lächelnd. „Man hast du gute Laune.“ necke ich ihn.

„Ich bin eben der geborene Morgenmensch.“ er zwinkert mir zu und ich nehme nun Ava in den Arm.

„Morgen Schwesterherz.“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und sie grummelt leise.

„Wie könnt ihr beide nur so gut zusammen passen, wenn ihr so unterschiedlich seid?“ ich sehe kopfschüttelnd zu Matt.

„Gegensätze ziehen sich an.“ antwortet er vielsagend und bedient sich erst einmal am Kaffee. Bevor er sich eine Tasse gönnt reicht er Ava eine und sie schenkt ihm einen dankbaren Blick.

„Wir sollten dann gleich mal Taylor abholen.“ denkt Matt laut nach.

„Brauchen wir nicht, er ist hier.“ sage ich wie nebenbei und Ava schenkt mir einen langen Blick.

„War er gestern wieder so lange im Porters?“ sie zieht eine Augenbraue hoch und ich nicke gequält.

„Es war eine harte Woche für ihn.“ versuche ich ihn zu verteidigen.

„Er muss sein Leben in den Griff kriegen.“ sie greift nach meiner Hand.

„Er versucht es, er versucht es wirklich.“ versichere ich ihr.

„Guten Morgen.“ in diesem Moment kommt Taylor die Treppe runter und nimmt erst Ava und dann Matt kurz in den Arm, ehe er sich einen Thermobecher aus dem Schrank angelt und ihn mit Kaffee füllt.

„Morgen Taylor. Wollen wir gleich los? Wie ich draußen sehe, habt ihr den Bus von Luke bekommen.“ Matt sieht zu Taylor und dieser nickt.

„Ja, Sammy hat ihn gestern mitbekommen, wir können ihn bis heute Abend haben.“ er sieht zu mir.

„Dann sollten wir wirklich los.“ ich klatsche in die Hände.

„Haben wir einen Plan?“ Ava sieht in die Runde und ich denke kurz nach.

„Die bestellten Möbel sind Donnerstag angekommen und müssen noch zusammen gebaut werden. Dann steht noch ein großer Teil bei Annie und Carl, das muss in die Wohnung... Ich denke, das bekommen wir hin.“ ich sehe zu Taylor und er nickt leicht lächelnd.

„Also gut, wir lassen euch Mädels bei der Wohnung raus und ihr beginnt mit dem Zusammenbau und ich und Taylor fahren zu Annie und Carl und holen die Sachen.“ bestimmt Matt und ich werfe ihm den Schlüssel vom Bus zu.

„Ava und ich gehen zu Fuß.“ bestimme ich und Ava stöhnt leise. „Komm schon Ava, du bist Sportlehrerin.“ ich schüttele lachend meinen Kopf und nehme meine Jacke vom Hacken.

„Erst einmal bin ich vordergründig Mathematik und Geschichtslehrerin und zweitens...“ erklärt sie mir ernst.

„Und Zweitens bringt dich ein kleiner Fußmarsch nicht um.“ vollende ich ihren Satz und öffne die Tür „Es regnet nicht einmal.“ ich sehe zu ihr und sie kommt seufzend zu mir.

„Hab ich dir schon mal gesagt, dass du nerven kannst?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Mehr wie einmal, aber Hey ich bin deine Schwester, du musst mich lieben.“ ich schließe hinter Matt und Taylor meine Haustür ab.

„Bis gleich.“ Matt gibt Ava einen kurzen Kuss.

„Bis gleich.“ ich winke Taylor und ihm hinterher, als sie in den Bus einsteigen und los fahren.

„Warum hat Taylor schon wieder bei dir geschlafen?“ Ava hakt sich bei mir unter und sieht mich lange an.

„Weil...“ setze ich an, verstumme aber.

„Bitte Sammy, ich will nicht, das er dir weh tut.“ sie bleibt stehen und sieht mich besorgt an.

„Ich kann auf mich aufpassen Ava, wirklich.“ ich ziehe sie weiter und sie atmet tief durch.

„Okay, aber bitte lass das nicht zur Gewohnheit werden.“ bittet sie mich.

„Nein keine Angst.“ versuche ich sie zu beruhigen und wir erreichen Taylors Wohnung. Als wir die Tür aufschließen und eintreten sehen wir uns erst um und dann an. In der ganzen Wohnung stehen Kartons und ich weiß jetzt schon, dass das kein Spaß wird.

„Auf in den Kampf.“ Ava legt ihre Jacke auf den Fenstersims in der Küche und ich folge ihrem Beispiel.

Dann sortieren wir die Kartons und bringen sie in die dafür vorgesehenen Zimmer. Die Wohnung ist nicht sehr groß, aber für Taylor völlig ausreichend. Ein kleines Schlafzimmer, eine relativ große Wohnküche, ein Bad mit Dusche und ein kleines Zimmer.

Nachdem wir das geschafft haben machen wir uns zu aller erst daran den Schlafzimmerschrank und das Bett aufzubauen und wir sind tatsächlich schon mit dem Schrank fertig, als Matt und Taylor mit der ersten Fuhre von Annie und Carl ankommen.

„Hey Mädels! Wow, ihr seid ja richtig gut.“ Taylor sieht uns lächelnd an, als er und Matt rein kommen und die Kartons mitten ins Wohnzimmer stellen.

„Hey Jungs, seid doch so gut und verteilt die Kisten gleich in die Zimmer, in die sie auch gehören.“ bittet Ava sie und die Beiden nehmen sich mit einem widerwilligen Stöhnen erneut die Kartons zur Hand. Matt kommt mit seinem ins Schlafzimmer und Taylor stellt seinen in das kleine Zimmer.

„Hast du dir jetzt schon überlegt, was da rein kommt?“ ich stehe hinter ihm und er dreht sich zu mir um.

„Keine Ahnung, erst einmal ein Schreibtisch und mein Computer. Vielleicht fällt mir irgendwann was besseres ein.“ er nickt mir zu und ich nehme seine Hand in meine.

Er nimmt sie hoch, haucht mir einen Kuss auf meine Fingerknöchel, sieht sich kurz um und küsst mich dann kurz auf den Mund.

„Ich danke dir.“ flüstert er.

„Dafür nicht.“ ich mache mich von ihm los und wir setzen unsere Arbeit fort.

Um kurz nach 18 Uhr muss ich mich verabschieden, da ich heute wieder eine Schicht im Porters habe, aber wir sind wirklich gut voran gekommen und es sieht beinahe schon wohnlich aus.

„Kommt ihr nachher noch ins Porters?“ ich ziehe meine Jacke an und sehe in die Runde.

„Mal schauen.“ Matt winkt mir zu.

„Eine Runde aufs Haus.“ locke ich ihn und er lacht leise.

„Bei einem solchen Argument.“ er zwinkert mir zu. „Bis später.“

„Bis dann.“ ich winke erneut in die Runde und kaum das ich im Porters bin, spannt mein Dad mich auch schon ein.

Bestellungen und Vorbereitung.

„Daddy, ganz ehrlich...“ ich seufze und fülle die Gläser auf.

„Ich weiß Kleines, ich suche ja schon, aber bisher habe ich noch niemanden gefunden.“ er legt seinen Arm um mich.

„Daddy, das sagst du seit einem Jahr.“ ich sehe ihn müde an „Ich kann das auf Dauer nicht.“ gebe ich zu. „Ich habe schon einen Vollzeitjob bei Paddy und Luke.“

„Ich rufe Montag nochmal bei der Jobvermittlung an.“ verspricht er mir.

„Ja, wenn sie niemanden Vollzeit haben, dann vielleicht erst einmal nur drei Abende die Woche, damit wäre dir und mir ja auch schon geholfen.“ ich nicke ihm zu.

„Mach ich, danke Süße.“ er drückt mir einen Kuss auf die Haare, ich räume weiter Gläser ein und bereite alles vor. Als wir um 20 Uhr aufschließen, kommen zuerst unsere Stammgäste und ich bin gerade damit fertig sie zu versorgen, als Ava, Matt und Taylor rein kommen.

„Na fertig?“ begrüße ich sie lächelnd und sie lassen sich geschafft an einen Tisch auf die Stühle fallen.

„Ja, nur noch Kleinkram.“ winkt Taylor ab. „Ich danke euch.“ er sieht wirklich dankbar in die Runde.

„Gern geschehen.“ Matt lächelt ihn an.

„Und wie versprochen hole ich euch jetzt eine Runde Guinness.“ ich zwinkere ihm zu und gehe hinter die Bar um das Bier zu zapfen.

„Ava, Matt und Taylor sind gerade rein.“ ich deute auf den Tisch, als mein Dad aus dem Keller kommt und er geht sofort zu ihnen.

Kurze Zeit später kommt er wieder zu mir. „Taylor sieht ganz gut aus. Geht es ihm besser?“ fragt er mich leise.

„Er ist auf einem guten Weg.“ ich sehe ihn an und lege meine Hand auf seine Wange. „Es ist lieb, dass du dir Sorgen machst.“

Ob er wirklich auf einem guten Weg ist, kann wohl nur die Zeit zeigen...

Ich hoffe es so sehr.

„Er ist wie ein Sohn für mich.“ gibt mein Dad nach ein paar Sekunden zu „Er hat mit dafür gesorgt, dass es dir und Ava gut ging als eure Mum starb.“

„Ich weiß und deshalb habe ich ihn auch im Blick.“ ich nicke ihm zu und er zieht mich kurz in seine Arme.

„Ich bin stolz auf dich.“ Nuschelt er und ich sehe lächelnd zu ihm auf.

„Danke Daddy.“

Ich nehme mir die drei Guinness und bringe sie an den Tisch.

„Kannst du dich einen Moment zu uns setzen?“ Ava sieht mich grinsend an.

In diesem Moment geht die Tür auf und eine Gruppe Fischer kommt herein.

„Vielleicht später.“ vertröste ich sie und gehe wieder hinter die Bar.

Endlich, eine knappe Stunde später ist es etwas ruhiger und ich lasse mich mit einem Seufzen neben Ava auf den Stuhl fallen.

„Na, worüber redet ihr gerade?“ ich sehe in die Runde.

„Ava möchte mir gerade durch die Blume mitteilen, dass sie meint ich trinke zu viel.“ Taylor sieht erst Ava und dann mich an.

„Taylor...“ setzt diese nun an.

„Nein Ava, ich habe dich verstanden.“ winkt Taylor ab „Ich gehe jetzt.“ er steht auf, drückt mir einen Kuss auf die Wange, nimmt sich seine Jacke und geht.

„Ava...“ ich seufze leise und sehe ihm hinterher.

„Komm schon, wenn ihm das niemand sagt, dann denkt er womöglich noch, es ist richtig.“ wehrt sie sich.

„Glaubst du ehrlich, er weiß nicht, das es so nicht weiter gehen kann?“ ich sehe sie an „Er muss sein ganzes Leben neu ordnen. Ihm ist das im Augenblick alles zu viel.“

„Verteidige ihn bitte nicht immer.“ Matt stöhnt leise auf.

„Wer wenn nicht ich? Wer dann?“ sage ich mehr zu ihm wie zu mir.

„Pass mir ja auf, das du dich nicht irgendwann selbst verlierst.“ bittet er mich inständig.

„Ich verliere mich nicht.“ winke ich ab und nehme mir einen Schluck vom meinem Guinness.

Eine knappe Stunde später verabschieden sich die Beiden und ich gehe wieder hinter die Bar.

„So letzte Runde!“ mein Dad läutet mit der Schiffsglocke und schnell geben alle noch eine Bestellung auf. Dann endlich leert sich das Pub allmählich und ich reibe mir die Augen.

„Geh nach Hause und ins Bett Süße.“ mein Dad nimmt mich in den Arm.

„Ich mach noch schnell die Abrechnungen und du kannst hier etwas aufräumen.“ ich nehme mir die Kasse und gehe nach hinten ins Büro.

Mir will Taylors verletzter Blick nicht aus dem Kopf und als ich endlich um 3 Uhr das Pub verlasse, da gehe ich nicht nach Hause, sondern schlage den Weg zu Taylor ein. Bei ihm brennt noch Licht und ich klopfe vorsichtig an die Tür. Nur Augenblicke später öffnet er mir und sieht mich überrascht an.

„Noch mehr Vorwürfe?“ stöhnt er und ich rieche, dass er noch mehr getrunken haben muss. Denn von den zwei Guinness bei uns hat er nicht eine solche Fahne...

„Nein.“ ich schiebe mich an ihm vorbei „Ich sehe das ein wenig anders wie Ava.“ ich drehe mich zu ihm um und mir fällt die halbleere Whiskyflasche auf dem Küchentisch auf.

Davon wird es nicht besser.“ ich nehme sie in die Hand.

„Ich kann im Moment keinen klaren Gedanken fassen.“ gibt er zu und kommt auf mich zu.

„Du brauchst Hilfe Taylor, Hilfe die ich dir nicht geben kann.“ ich schließe verzweifelt meine Augen.

„Ich brauche dich mein Stern.“ er kommt bei mir an und nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Ich brauche dich.“

„Taylor.“ versuche ich eher halbherzig mich zu wehren.

„Ich bitte dich.“ er küsst mich und ich schmecke den Whiskey.

Aber komischer Weise stört es mich nicht, auch wenn es das bestimmt sollte. Ich lege meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn dichter zu mir.

Mein Kopf sagt mir, dass das was ich tue falsch ist, aber jede Faser meines Körpers sagt mir, dass ich das ich will.

Das ich ihn will.

Langsam knöpft er meine Bluse auf und küsst hauchzart meinen Brustansatz, während ich ihm durch die Haare fahre. Dann hebt er mich hoch und ich umschlinge ihn mit meinen Beinen, schnell trägt er mich ins Schlafzimmer und legt mich auf seinem Bett ab. Dann sieht er mich einen Moment lang prüfend an, ehe er meine Jeans öffnet und mir meine Hose runter zieht.

„Wenn du das nicht genauso sehr wollen würdest wie ich, dann würdest du mich aufhalten.“ haucht er mir ins Ohr und ich schlucke schwer.

Er hat Recht.

Aber was bedeutet das?

Ich kann und will jetzt nicht darüber nachdenken, ungestüm ziehe ich ihn zu mir und er dringt kraftvoll in mich ein, während ich meine Fingernägel in seinen Rücken kralle. Seine Bewegungen sind schnell, unnachgiebig und beinahe schmerzhaft und nach nur ein paar Minuten sinkt er auf mich.

Schwer atmend und mit kreisenden Gedanken starre ich an die Decke, als er sich von mir runter rollt und mich fest in seine Arme schließt.

Ich finde kaum Schlaf und springe regelrecht auf, als mein Handy klingelt.

Ich bin etwas unkonzentriert auf Arbeit, aber zum Glück sieht Luke darüber hinweg.

Die Tage vergehen und Taylors Aussage geht mir nicht aus dem Kopf. Viel zu oft ist er im Pub und viel zu oft landen wir danach in meinem oder seinem Bett.

Er liegt neben mir und nimmt meine Hand fest in seine. „Wenn du das hier nicht mehr willst, dann sagst du es mir oder?“

Verwundert sehe ich zu ihm und versuche meine Atmung zu normalisieren.

„Ja natürlich.“ sage ich schnell.

„Du willst das genauso sehr wie ich, hab ich Recht?“ er versucht zu grinsen, aber seine Augen fallen ihm zu.

Wieder einmal eine Nacht, in der ich an die Decke starre und mir wünschte ich wüsste endlich eine Antwort auf meine Frage.

Liebe ich ihn?

So wie eine Frau einen Mann liebt?

Unruhig finde ich dann doch etwas Schlaf und am nächsten Morgen schleiche ich mich aus meinem eigenen Bett, ich gehe schnell duschen und setze mich dann auf die Bettkante, sanft streiche ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und da plötzlich wird es mir klar.

Er hat Recht, ich will das mit uns Beiden, aber ich will nicht nur den Sex, nein...

Ich will alles.

Ich liebe ihn.

Ich will ihm sagen können, dass ich ihn liebe und ich will, dass er es erwidert.

Aber ich weiß, so weit ist er noch lange nicht, zu schwer hängen die dunklen Wolken Jakes Verlustes über ihm.

Langsam öffnet er seine Augen und sieht mich verwundert an.

„Du bist schon angezogen.“ stellt er leise fest.

„Ja, ich war auch schon duschen.“ ich streiche ihm über die Wange. „Du musst jetzt auch aufstehen.“ ich deute zur Uhr „Bis bald Taylor.“ schnell hauche ich ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen und stehe dann auf.

Als ich im Büro ankomme sieht mich Luke eine ganze Weile einfach nur an, ehe er mich von meinem Stuhl hochzieht und mich nach draußen auf die Veranda zerrt.

„Was soll das Luke?“ ich starre ihn entgeistert an.

„Hast du heute Nacht zur Abwechslung mal alleine geschlafen?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Was geht es dich an?“ ich verschränke die Arme vor meiner Brust.

„Was es mich angeht?“ er seufzt leise „Ich sehe, wie du wegen ihm leidest. Gott, es ist jetzt wie lange her?“ er fährt sich durch die Haare.

„Fast 7 Wochen.“ sage ich leise.

„Wie oft in den letzten 7 Wochen habt ihr die Nacht zusammen verbracht? Wie oft i den letzten 7 Wochen hat er sich abends betrunken?“ Luke packt mich sanft an beiden Armen und ich sehe ihn an.

„Zu oft.“ flüstere ich. „Ich dachte, er fängt sich wieder.“

„Das hoffen wir alle, aber ich sehe, dass er dir nicht gut tut Sam. Du siehst müde aus, du bist unkonzentriert und du hast abgenommen.“ er zieht mich an seine Brust. „Ich bin dein Freund und als dein Freund sage ich dir, nimm Abstand von ihm.“ bittet er mich.

„Er hat nur mich.“ schluchze ich leise.

„Nein Sam, er hat so viele Menschen die sich um ihn Sorgen, aber er stößt alle vor den Kopf. Lässt er dich an sich heran?“ er streicht mir über den Kopf.

„Nein, so sehr ich es auch versuche.“ jetzt beginne ich zu weinen „Jeden Tag, verschwindet der Taylor den ich mal kannte ein kleines bisschen mehr und zurück bleibt eine Hülle, eine leere Hülle...“

„Er braucht Hilfe, professionelle Hilfe.“ Luke nimmt meine Hände in seine und ich bemerke mal wieder wie rau diese sind. „Du kannst ihm nicht helfen.“

„Aber ich kann ihn nicht einfach fallen lassen, das würde ihn zerstören.“ ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Das, oder er würde endlich aufwachen und verstehen, dass es so nicht weiter gehen kann.“ Luke drückt sanft meine Hände „Ich weiß nur, das ich dich nicht mehr leiden sehen kann, aber du wirst das tun, was du für richtig hältst, wie immer.“ er küsst meine Stirn „Ich bin da und ich hoffe, das weißt du.“ damit lässt er mich los und ich bleibe allein im Morgennebel Sandycoves zurück. Wir haben Ende August, der Sommer hat Irland voll im Griff, aber irgendwie ist das alles bedeutungslos geworden.

Ich sorge mich um Taylor, jeden einzelnen Tag...

Uns alle hat in den letzten Wochen Stück für Stück die Realität eingeholt, oder wir haben sie uns zurück erobert.

Aber nicht Taylor, er strauchelt und es ist nur eine Frage der Zeit bis er fällt.

Heute ist Freitag und morgen fängt endlich eine neue Kellnerin im Pub an, mein Dad hat endlich jemanden gefunden und ich bin dankbar, denn jetzt muss ich nur noch einen Tag in der Woche und gelegentlich am Wochenende aushelfen. Sie heißt Cheryl und ist schon ganz gut von mir in den letzten Tagen eingearbeitet worden und wenn ich ihr heute noch den Rest erklärt habe, dann darf sie morgen mal alleine ran. Ich werde heute später ins Pub kommen, denn ich bin zum Abendessen bei Annie und Carl eingeladen und ich ahne, dass es nicht nur darum geht mich lecker zu bekochen. Taylor lässt niemanden an sich heran und sie denken tatsächlich, dass er mich an seinen Gedanken und Gefühlen teil haben lässt.

Sie ahnen gar nicht, wie falsch sie damit liegen.

Ich stehe eine ganze Weile draußen uns starre auf die irische See.

Was soll ich nur tun?

Ich weiß nur, das ich es nicht übers Herz bringe Taylor den Rücken zu zu wenden, nicht jetzt und die Frage ist, ob ich es jemals kann.

Ich atme tief durch und gehe wieder ins Büro. Luke hat Recht, ich bin unkonzentriert und das muss sich ändern. Ich nehme mir die Lieferscheine der letzten Wochen und gehe erst nach Hause, als alles abgeheftet und sortiert ist.

Ich lege Luke eine kleine Notiz auf den Schreibtisch, ein einfaches kleines Danke. Ich weiß, dass er sich um mich sorgt, aber im Moment kann ich nicht aus meiner Haut.

Er hat wie sooft Recht, ich werde wie immer meine eigene Entscheidung treffen und dieses Mal fällt sie, wie eigentlich immer, zu Gunsten Taylors aus.

Noch ich bin ich nicht bereit ihn aufzugeben.

„Da bist du ja endlich Kleines!“ Carl nimmt mich in den Arm, kaum das ich aus meinem Auto ausgestiegen bin.

„Tut mir leid, ich bin spät dran, aber es hat heute im Büro etwas länger gedauert.“ ich sehe ihn entschuldigend an.

„Ist doch kein Problem.“ winkt er ab „Annie hat dir heute extra dein Lieblingsessen gekocht.“ er zwinkert mir zu, legt seinen Arm um meine Schultern und wir betreten das angenehm kühle Haus. So langsam habe ich nicht mehr das Gefühl durch dieses Haus schleichen zu müssen und es darf auch wieder in einer normalen Lautstärke gesprochen werden. Einzig die Bilder von Jake versetzen mir immer wieder aufs Neue einen kleinen Stich, aber Annie hat Recht, wir sollen und müssen uns an ihn erinnern.

Er ist tot, aber es ist ja nicht so, als hätte er nie existiert.

Es duftet herrlich nach Lamm als wir in die Küche kommen und sofort knurrt mein der Magen, heute hatte ich einfach keine Zeit für eine Mittagspause, ich musste einiges aufholen um Luke zu beweisen, dass ich immer noch eine gute Mitarbeiterin bin.

„Setzt dich Kleines.“ Annie zieht mich in ihre Arme und bugsiert mich sofort auf einen Stuhl, um mir dann einen Teller mit Lamm in Minzsauce vor die Nase zu stellen.

„Ich verhungere gleich.“ gebe ich lächelnd zu, als sich die Beiden zu mir setzen und wir uns die Hände zum Beten reichen.

Annie spricht ein kurzes Tischgebet, dann endlich bekommt mein Magen etwas zu essen und es schmeckt ausgezeichnet.

Satt und zufrieden lehne ich mich eine halbe Stunde später auf meinem Stuhl zurück.

„Spuckt es aus...“ ich sehe erst Annie und dann Carl an „Ich bin nicht nur wegen dem Essen hier. Also, was habt ihr auf dem Herzen?“

„Wir machen uns Sorgen um Taylor.“ gibt Carl zu.

„Das tue ich auch.“ ich seufze leise.

„Ich komme nicht mehr an ihn heran.“ Annie sieht mich traurig an.

„Ich auch nicht Annie und glaub mir, ich versuche wirklich mein Bestes.“ ich nehme mein Glas mit Eistee in die Hand und drehe es in der Sonne. Nach dem Morgennebel ist heute ein wunderbar sommerlicher Tag geworden und auch jetzt am frühen Abend ist es noch angenehm warm. „Er hat gesagt, er braucht Zeit und die habe ich ihm gegeben. Er hat gesagt, er wird irgendwann über Jake sprechen, aber ich warte immer noch.“

„Du siehst ihn beinahe jeden Tag.“ Carl nimmt meine Hand.

„Ja, meistens im Pub.“ gebe ich zu. „Er hat ein Problem und er ist nicht bereit sich helfen zu lassen. Bitte glaubt mir, ich versuche alles.“

„Das wissen wir und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar wir dir sind.“ Carl drückt kurz meine Hand.

„Immerhin geht er regelmäßig zur Arbeit und bisher sind sie wohl auch zufrieden mit ihm, aber ich weiß, das ihn das nicht glücklich macht.“ erneut seufze ich.

Ich trete seit Wochen auf der Stelle, körperlich lässt er mich an sich heran, aber sobald ich anfange etwas von seiner verschütteten Seele frei zu kratzen, da macht er dicht.

Meistens steht er dann einfach auf und geht zu sich, während ich traurig zurück bleibe.

„Du siehst ihn nicht nur in der Bar, oder?“ Annie betrachtet mich eingehend. „Du schläfst mit ihm.“

Ich schließe gequält meine Augen.

Wie konnte ich glauben ihnen was vor zu machen?

Sie haben mich mehr wie einmal morgens bei ihm gesehen und ihn mindestens genauso oft bei mir.

Sie können eins und eins zusammen zählen...

„Ich möchte nichts sagen, was du vielleicht nicht hören willst.“ antworte ich schließlich ausweichend.

„Liebst du ihn?“ kommt es zögerlich von ihr, nach ein paar Minuten des Schweigens.

Ich sehe auf, sehe in ihre Augen und erkenne so viel von Jake in ihr.

„Ja, ich liebe ihn, aber er ist nicht mehr der Mensch in den ich mich verliebt habe. Er ist ein anderer Taylor... Aber ich bin nicht bereit ihn los zu lassen.“ gestehe ich leise. „Noch nicht.“

„Über kurz oder lang muss er zu seinen Gefühlen stehen und du musst dann wissen, wie du damit umzugehen hast.“ Carl legt seinen Arm um mich „Ich liebe Taylor, Gott weiß, ich liebe ihn mehr wie mein Leben, aber Kleines, dich liebe ich auch, nicht weniger wie ihn, und ich habe Angst um dich. Taylor befindet sich auf einem Weg ins Ungewisse und ich will nicht, das er dich da mit rein zieht.“

„Ich lasse mich nicht rein ziehen, wir haben klare Grenzen.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

„Ja, aber wie weit bist du bereit deine eigenen Grenzen auszudehnen, wenn es um ihn geht?“ er legt seinen Kopf schief.

Tja, was soll ich darauf antworten?

Er hat ja Recht.

Ich habe meine Grenzen schon viel zu weit ausgedehnt.

Ich war nie der Typ für Sex ohne Gefühle, gut, um bei der Wahrheit zu bleiben, das bin ich jetzt immer noch nicht, denn bei mir sind Gefühle im Spiel.

Aber bei ihm?

Ich weiß es nicht.

In manchen kostbaren Momenten, wenn der wahre Taylor für einen kurzen Augenblick an der Oberfläche erscheint, dann bin ich mir sicher, dass er mich auch liebt.

Aber diese Momente sind so schnell vorbei, egal wie sehr ich versuche sie fest zu halten, wie eine Kerze die man auspustet wird der wahre Taylor wieder unter seinen Schuldgefühlen, dem Alkohol und dem belanglosen Sex verschüttet.

Ich frage mich, wann es zu spät ist, wann es für den Taylor den ich liebe kein Zurück mehr gibt.

„Du weißt, ich kann dir diese Frage nicht beantworten.“ ich sehe wieder zu Carl.

„Ja, weil du deine Grenzen schon lange erreicht und weit überschritten hast.“ erahnt er.

„Ja.“ ich reibe mir die Augen und fahre mir durch die Haare.

„Wir lieben dich Sammy, du bist wie unsere Tochter. Lass nicht zu, das er mit dir spielt.“ bittet mich Annie inständig.

„Ich gebe mir Mühe.“ versichere ich ihr und sehe zur Uhr. „Ich muss leider schon los.“

„Aber es ist doch erst kurz nach 8.“ Annie sieht mich nachdenklich an.

„Dad hat eine Kellnerin eingestellt, Cheryl. Sie ist echt gut, aber ich muss sie noch einweisen. Morgen werde ich meinen ersten freien Samstagabend seit Jahren haben und dafür bin ich gerne bereit heute noch etwas Zeit in sie zu investieren.“ ich zwinkere Annie zu und sie lächelt.

„Das kann ich natürlich verstehen.“

„Es war ein wundervolles Essen, ich danke euch.“ ich nehme Carl an der Tür in den Arm.

„Es war schön, dass du hier warst. Bestell Ava, Matt und Bryan liebe Grüße.“ Annie umarmt mich fest.

„Mache ich, ich bin morgen Abend bei Ava und Matt zum Essen eingeladen.“ grinse ich „Ich bin mir sicher, das Essen wird nicht so gut wie deins sein, aber immerhin, ich muss nicht selbst kochen.“ ich winke ihr zu.

„Wir lieben Dich Sammy und Clover vermisst dich!“ ruft mir Carl noch hinterher und ich schicke ihnen einen Luftkuss, ehe ich einsteige und in die Stadt fahre.

Vielleicht sollte ich morgen nochmal herfahren und mir Clover schnappen, ich muss ja irgendetwas mit meiner neuen Freizeit anfangen.

Im Pub angekommen hat Cheryl schon sehr gute Vorarbeit geleistet und es sind nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen. 10 Minuten bevor wir aufmachen kommt Ava und sieht mir bei den letzten Vorbereitungen zu.

„Bleibt es bei morgen Abend?“ Ava sieht mich fragend an, als ich die letzten Gläser einräume und mir prüfend umsehe.

„Ja sicher.“ ich schalte das Licht unter dem Tresen an.

„Bitte ohne Taylor.“ sie sieht mich bittend an. „Ich meine, er ist bestimmt sowieso hier.“

Sie hat ja Recht... Er verbringt seine Abende fast ausschließlich hier im Porters und es ist schon eine ganze Weile her, dass er an einem Abend noch nüchtern ist.

Es ist nicht einfach mit ihm umzugehen und es gibt Tage, an denen ich ihn nicht um mich herum haben kann.

Tage, an denen er alles in Frage stellt und mir das Gefühl gibt, ich tue nicht genug für ihn.

Er würde es nie sagen, aber ich fühle mich dann noch Hilfloser wie sonst.

„Nein, ich bringe ihn nicht mit.“ verspreche ich ihr und sie schenkt mir einen entschuldigenden Blick.

„Es tut mir leid Sammy, aber im Moment kann ich mit ihm nicht umgehen.“ gibt sie zu.

„Das kann wohl keiner.“ nuschele ich.

„Seht ihr euch noch immer so oft?“ will sie leise wissen.

Ich nicke nur.

„Und schon überlegt, was du morgen mit deinem ersten freien Samstag seit Jahren anstellen willst?“ wechselt sie schnell das Thema und ich grinse sie dankbar an.

„Carl sagte mir vorhin, das Clover mich vermisst, also werde ich, wenn ich ausgeschlafen habe, zu ihnen fahren und Clover etwas Bewegung verschaffen, dann werde ich mich einfach auf die Couch legen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, ehe ich mich dann irgendwann fertig mache und mich von meiner liebreizenden Schwester und ihrem Mann verwöhnen lasse.“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und sie klatscht Applaus.

„Ein sehr guter, ausgereifter Plan.“ sie beugt sich zu mir und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Bis morgen Abend, 19 Uhr.“

„Bis dann!“ ich winke ihr hinterher, als sie durch die Vordertür geht und diese gleich offen lässt.

Der Abend ist stressig aber ich sehe, dass Cheryl alles wirklich gut im Griff hat. Sie ist Mitte 30 und man merkt ihr deutlich an, dass sie sich durchsetzen kann. Eine überlebenswichtige Eigenschaft in einem Pub wie diesem, das habe ich bereits mit 18 gelernt. Ich habe also eher weniger zu tun und kann die vorläufige Abrechnung schon relativ früh fertig machen.

„Dein Stammgast ist da.“ Cheryl kommt ins Büro und zieht eine Augenbraue hoch.

Ich atme tief durch und erhebe mich langsam.

Da sitzt er und sieht mich an, deutlich sehe ich den umnebelten Ausdruck in seinem Gesicht, den er nur bekommt, wenn er schon mehr als ihm gut tut getrunken hat.

„Mein Stern.“ säuselt er, als ich vor ihm zum stehen komme.

„Wo warst du?“ frage ich kopfschüttelnd.

„Ich war mit Kollegen aus.“ er hat Schwierigkeiten mich zu fixieren.

„Dann hattest du genug für heute.“ erwidere ich sicher.

„Komm schon, noch ein Bier.“ er beugt sich über den Tresen.

„Nein Taylor.“ antworte ich sicherer als ich mich fühle.

„Bring ihn nach Hause.“ flüstert mir Cheryl ins Ohr und ich drehe mich zu ihr um.

„Wir haben noch zwei Stunden geöffnet.“ ich sehe mich im vollen Pub um.

„Bryan ist da und ich bekomme das hin, es bringt hier keinem was, wenn er jetzt eine Szene macht.“ sie deutet auf Taylor der anscheinend zu überlegen scheint, was er mit meiner Antwort anfangen soll.

Ich seufze leise „Danke.“ sage ich schließlich, schnappe mir meine Jacke und gehe um den Tresen herum.

„Komm Taylor.“ ich packe ihn und zu meiner Verwunderung lässt er anstandslos zu, das ich ihn nach draußen bugsiere.

„Wo wollen wir hin?“ lallt er und sieht sich um.

„Wir wollen nirgendwo hin, ich bringe dich nach Hause.“ ich lege seinen Arm um meine Schultern und bin froh, das er nicht so weit entfernt vom Pub wohnt.

Als ich endlich seine Wohnung aufschließe und ihn auf die Couch lege, da sieht er mich an und ich sehe mal wieder deutlich den Schmerz, die Scham und die Trauer in seinem Gesicht.

Ich beuge mich über ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Gute Nacht Taylor.“ hauche ich leise.

„Bitte bleib bei mir mein Stern.“ bittet er mich mit schwacher Stimme.

„Nein Taylor, du musst deinen Rausch ausschlafen.“ ich breite seine Wolldecke über ihm aus.

„Du bist böse auf mich.“ er sieht mich an, wie ein Reh, das in die Enge getrieben worden ist.

„Nein Taylor, ich bin nicht böse...“ ich streiche ihm durch die Haare „Ich mache mir Sorgen um dich.“

„Das will ich nicht.“ kommt es leise von ihm.

„Dann such dir Hilfe, stoß nicht alle Menschen weg, die dir wichtig sind.“ bitte ich ihn eindringlich.

„Ich kann nicht.“ ihm fallen die Augen zu.

„Du kannst.“ wispere ich, lege den Schlüssel auf den Tisch und gehe zu Tür. Ein letztes Mal drehe ich mich um und höre sein tiefes ein und ausatmen. „Du musst.“

Als ich endlich, nach einer heißen Dusche, in meinem Bett liege, da schlafe ich schon, bevor ich richtig liege.

Die letzten Wochen waren so anstrengend, das ich im Moment überall und zu jeder Zeit schlafen kann.

Die Sonne scheint hell in mein Schlafzimmer als ich aufwache und ich reibe mir erst einmal den Schlaf aus den Augen. Es ist kurz nach 11 Uhr und nachdem ich vergeblich versucht habe noch etwas länger zu schlafen, stehe ich auf und gehe in die Küche.

Ein Toast und ein Kaffee müssen reichen beschließe ich für mich selbst und ziehe mir kurze Jeansshorts und ein einfaches weißes Top an. Ich entscheide mich für meine alten, ehemals weißen Sneakers und nehme mir vorsichtshalber noch meine dunkelblaue Sweatjacke mit, ehe ich in die Augustsonne Sandycoves trete und mich auf den Weg zum Pub mache um mein Auto zu holen.

Die Straßen sind belebt und hier und da hebe ich die Hand zum Gruß, es ist ein so wunderschöner Tag und ich nehme mir fest vor, ihn einfach mal wieder zu genießen.

Als ich eine knappe halbe Stunde später auf den Hof der MacKennas fahre, da kommt Annie gleich aus dem Haus auf den Innenhof.

„Du schon wieder hier.“ lacht sie und nimmt mich in den Arm.

„Ja, Clover vermisst mich und ich möchte ihm gerne ein wenig Bewegung verschaffen.“ ich deute auf die Stallungen.

„Das ist schön, bei dem herrlichen Wetter genau das, was du brauchst.“ sie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ja.“ gebe ich zu und sie entlässt mich aus ihren Armen.

„Taylor hat vor ein paar Minuten angerufen, er kommt heute zum Mittag vorbei.“ sie legt ihren Kopf schief.

„Das ist schön, genießt es einfach nur.“ rate ich ihr.

„War er gestern im Pub?“ fragt sie leise.

„Ja.“ ich atme tief durch und sie sieht mich besorgt an.

„Gib' ihm Zeit.“ bitte ich sie leise, obwohl ich nicht mehr weiß, ob ihm das wirklich hilft.

„Oh Sammy.“ erneut streicht sie mir eine Strähne hinters Ohr.

„Ich gehe zu Clover.“ ich mache mich vollends von ihr los und betrete kurz darauf den angenehm kühlen Stall.

Clover kommt sofort zu mir und ich streiche ihm über seine braunen, weichen, warmen Nüstern.

„Na mein Großer. Lust auf einen kleinen Ausritt?“ ich schmiege mich an ihn und er schnaubt leise.

Ich hole mir einen Sattel und mache ihn fertig, es ist berauschend, als ich 20 Minuten später aufsitze und im gemächlichen Schritt vom Hof in Richtung Klippen trabe.

Als wir etwas vom Hof entfernt sind gebe ich ihm die Sporen und wir reiten in einem atemberaubenden Tempo über die Felder, durch die kleinen Wälder und er stoppt erst, als wir an den Klippen sind.

Mein Herz hämmert so sehr in meiner Brust, das es fast schon weh tut und ich lege mich flach auf Clovers Rücken.

„Er fehlt mir so sehr, das ich kaum atmen kann.“ flüstere ich „Und ich habe Angst, das ich Taylor auch verliere.“ eine einzelne Träne tropft auf Clovers Mähne und er schnaubt, gerade so, als ob er das eben gesagte bestätigen will.

Ich lasse mich von seinem Rücken gleiten und wir schauen beide hinaus aufs Meer. Die Wellen brechen sich geräuschvoll an den schroffen, schwarzen Felsen und die weiße Gischt taucht für ein paar Sekunden auf, ehe die nächste Welle sie verschluckt.

Es wirkt beruhigend auf mich und ich schließe meine Augen und setze mich an den Rand, meine Beine baumeln über dem Abgrund und das erste Mal verstehe ich Taylors Beweggründe der Nacht, als er springen wollte. Es ist verlockend zu wissen, dass all der Schmerz, der Kummer, die Trauer und die Angst mit einem Schlag vorbei sind.

Clover zieht sich ins höhere Gras zurück und ich starre hinunter in die Brandung.

Kurz will ich tatsächlich der Versuchung nachgeben, aber dann begreife ich, dass ich dazu nicht in der Lage wäre.

Wie könnte ich das meinem Dad, Ava, Annie, Carl und Taylor antun?

Ich rutsche ein Stück zurück und umschlinge meine Beine mit beiden Armen.

Ich höre das andere Pferd erst als es sich zu Clover gesellt und beide laut wiehern. Ich drehe mich um und stelle verwundert fest, das Hornet neben Clover steht und hinter ihm Taylor auftaucht.

„Hi.“ er wirft mir einen langen Blick zu.

„Was machst du hier?“ frage ich verwundert und lege meinen Kopf schief.

„Mum hat gesagt, das du mit Clover ausgeritten bist und ich wollte Hornet auch mal etwas Bewegung gönnen.“ er streicht seinem schwarzem Hengst über die Nüstern.

„Du bist nicht einmal ausgeritten seit...“ ich verstumme und sehe wieder in die Ferne.

„Ja, ich weiß.“ er setzt sich neben mich. „Es tut mir leid.“ flüstert er.

„Was genau?“ ich seufze leise.

„Alles.“ er nimmt meine Hand in seine und ich sehe ihn an.

Da ist es wieder, dieses seltene aufblitzen des wahren Taylors.

„Du tust mir weh, wenn du dich jeden Abend betrinkst.“ ich starre auf unsere Hände.

„Ich will dir nicht weh tun.“ er lässt meine Hand los und zieht mich zu sich. „Ich danke dir so sehr, dass du an meiner Seite bist.“

„Ich habe dir versprochen, dass ich immer da bin und ich halte meine Versprechen.“ ich sehe zu ihm auf in seine wunderschönen tiefblauen Augen und lehne meinen Kopf an seine Schulter und er haucht mir einen Kuss auf die Haare.

„Manchmal stelle ich mir vor, er ist einfach noch da.“ sagt er leise und ich sehe ihn überrascht an.

Es ist das erste Mal das er von Jake spricht.

„Ich mir auch, dann sehe ich ihn mit Clover ausreiten und dann, wie fast immer bei dem Versuch Cowboymäßig abzuspringen, im Dreck landen.“ ich lächle leicht.

„Manchmal ist ihm das gelungen.“ er lacht leise. „Und dann sah es richtig spektakulär aus.“

„Ja und er hat wochenlang davon erzählt.“ füge ich hinzu.

„Ich vermisse ihn.“ er schluckt schwer.

„Ich ihn auch.“ ich hebe meinen Kopf und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Ohne dich würde ich untergehen.“ er presst mich an sich.

Ich weiß nicht, ob er ohne mich untergehen würde, denn das was Luke gesagt hat geht mir nicht aus dem Kopf.

Wacht er auf, wenn ich ihn zurück weise?

Oder fällt er noch tiefer?

Bin ich bereit es heraus zu finden?

Nein...

Nicht hier.

Nicht jetzt.

Er schiebt sanft mein T-Shirt ein Stück hoch und wir robben etwas von den Klippen weg. Liebevoll sieht er mich an und küsst mich innig während seine Hände unter mein T-Shirt wandern und meine Brüste durch meinen BH gefühlvoll massieren. Ich fahre ihm durch die Haare und küsse ihn gierig als ich ihm sein T-Shirt über den Kopf ziehe und mit meinen Fingern über seine Brust streiche. Er dreht mich auf den Rücken und zieht mir meine Shorts und meinen Slip aus, behutsam küsst er meinen Bauch und ich schließe die Augen.

Es fühlt sich so richtig an...

Und so anders als unsere bisherigen Male.

Ich beiße mir auf die Unterlippe, als er meine Brüste aus meinem BH befreit und mit seiner Zunge sanft meine Brustwarzen umkreist. Ich komme leicht hoch und öffne seinen Gürtel, grinsend steht er auf und befreit sich selbst von seiner Hose und seinen Shorts, dann setzt er sich ins Gras und hebt mich auf seinen Schoss. Ich halte mich an ihm fest als er in mich eindringt und lasse mich von seinem Rhythmus tragen. Meine Haare wehen im Wind um meinen Kopf herum und er nimmt mein Kinn in seine Hand, damit ich ihn ansehen muss. Ansonsten geht er beim Sex dem Augenkontakt eher aus dem Weg, umso erstaunter bin ich, als ich in seine Augen sehe und er mich zärtlich küsst.

So könnte es vielleicht immer sein...

...wenn Jake nicht gestorben wäre

...wenn Taylor mich so lieben würde wie ich ihn.

...wenn ich nicht genau wüsste, das dieser Taylor schon in ein paar Augenblicken wieder verschwunden ist.

Leise Tränen tropfen auf seine Schulter und er sieht mich lange an.

„Ich brauche dich mein Stern.“ haucht er mir ins Ohr und weitere Tränen hinterlassen eine salzige Spur auf meinem Gesicht.

Er zieht das Tempo an und ich merke, wie sich in mir ein Höhepunkt zusammenbraut, ehe ich weiß wie mir geschieht überrollt er mich und lässt mich zitternd in seinen Armen zurück. Auch er kommt und presst mich auf seine Mitte. Atemlos halte ich mich an ihm fest und sehe über das Meer.

Er lehnt sich zurück und ich lege meinen Kopf auf seine Brust.

„Im Sonnenlicht sehen deine Augen aus wie zwei Smaragde.“ flüstert er mir ins Ohr. „Ich möchte nicht, dass du weinst.“

„Taylor...“ meine Stimme zittert „Was sind wir?“ frage ich leise und merke augenblicklich wie er sich versteift und mich von sich schiebt.

„Wir waren uns einig.“ er zieht sich an und würdigt mich keines Blickes.

„Taylor bitte.“ flehe ich ihn an.

„Nein, wir waren uns einig.“ wiederholt er.

Ich springe auf, ziehe mir schnell meinen Slip und mein T-Shirt an und laufe zu ihm. Bevor er aufsetzen kann drehe ich ihn zu mir und küsse ihn unter Tränen.

„Es tut mir leid.“ weine ich und lege meine Hände auf seine Wangen.

„Was genau?“ er hält meine beiden Handgelenke fest.

„Ich wollte das nicht sagen, ich weiß, dass es hierbei nur um den Sex geht. Keine Gefühle.“ schluchze ich.

„Warum weinst du dann?“ er fixiert mich kühl und ich erkenne, das der “neue“ Taylor wieder das Ruder übernommen hat.

„Weil ich nicht möchte, das du böse auf mich bist.“ ich sehe ihn bittend an.

„Ich bin dir nicht böse.“ er lässt meine Handgelenke los und ich schlinge meine Arme um seinen Hals.

Er hält mich einfach nur fest und ich schluchze leise.

Wem mache ich hier was vor?

Er wird mich nie lieben.

Er nimmt das, was ich ihm angeboten habe.

Bedingungslosen, bedeutungslosen Sex.

Nachdem ich mich beruhigt habe ziehe ich mich zu Ende an und zurre Clovers Sattel fest.

„Du solltest noch etwas weg bleiben, Annie und Carl sind nicht dumm.“ sage ich leise und setze auf.

„Wir sehen uns.“ er nickt mir zu und ich reite so schnell ich kann zurück zum Hof. Ich habe gerade Clover auf die Weide entlassen als Carl zu mir kommt.

„Du hast geweint.“ stellt er leise fest und ich presse meine Lippen aufeinander.

„Ich muss los, Ava und Matt erwarten mich in einer knappen Stunde.“ ich weiche seinem Blick aus und hänge den Sattel an den dafür vorgesehenen Platz.

„Sammy...“ setzt er an.

„Bitte nicht Carl, bitte bitte nicht.“ winke ich ab und steige in mein Auto.

Zuhause angekommen gehe ich duschen und schlüpfe in ein hellblaues, leichtes Sommerkleid. Meine Haare lasse ich offen über meine Schultern fallen und meinen Augen gönne ich etwas Wimperntusche und nachdem ich noch einen Hauch Rouge aufgetragen habe nicke ich mir zufrieden zu.

So wird es gehen.

Als ich bei Ava und Matt klingele, öffnet mir Matt und nimmt mich fest in den Arm.

„Schön dich mal wieder hier zu haben.“ er zieht mich ins Haus und sofort rieche ich, das irgendetwas mit Avas Essen nicht stimmen kann.

„Was ist passiert?“ flüstere ich Matt zu und er verkneift sich ein lachen.

„Der Braten ist nicht nur durch, er ist Holzkohle.“ gibt er zu. Ich sehe in Richtung Küche und Ava steht mit Tränen in den Augen in der Tür.

Ich lasse Matt los und nehme sie in den Arm.

„Du hast es versucht.“ ich nehme ihre Gesicht in meine Hände und wische ihre Tränen weg.

„Pizza?“ fragt sie kleinlaut und ich lächele sie an.

„Ich liebe Pizza.“ sage ich grinsend und auch sie lächelt wieder.

„Ich hole welche aus dem Tiefkühler.“ bietet sich Matt an, haucht Ava einen Kuss auf die Haare und geht in den Keller.

„Hawaii, wenn ihr habt.“ rufe ich ihm hinterher.

„Ich weiß…“ kommt es lachend zurück.

Eine Stunde später sind die Pizzen verdrückt und ich lehne mich auf der Couch zurück. Ich beobachte Ava und Matt und runzele die Stirn.

„Warum kann mich eigentlich niemand ohne Hintergedanken zum Essen einladen.“ ich verdrehe die Augen und beide sehen mich ertappt an. „Ich sehe es euch an der Nasenspitze an. Was ist los?“ ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Also...“ Ava holt tief Luft und ich ziehe eine Augenbraue hoch.

Auf noch einen Vortrag über mich und Taylor habe ich nun wirklich keine Lust.

„Matt und ich bekommen ein Baby, ich bin schwanger.“ sagt sie schließlich und strahlt mich an.

„Was?“ ich springe auf und nehme sie in den Arm. „Das ist wunderbar. Herzlichen Glückwunsch.“ ich lege meine Hand auf ihren Bauch. „Wann?“

„Wann es entstanden ist oder wie es entstanden ist?“ Matt tut als müsse er nachdenken und ich nehme auch ihn fest in den Arm.

„Nein du Spinner, wann es soweit ist.“ ich knuffe ihn liebevoll.

„Stichtag ist der 3. Dezember.“ Ava kann gar nicht aufhören zu strahlen.

„Ich freue mich so für euch.“ ich nehme beide in den Arm und halte sie ganz fest. „Weiß es Dad schon?“

„Ja, wir haben es ihm heute Nachtmittag gesagt, er ist total aus dem Häuschen.“ kichert Ava.

„Kann ich mir vorstellen.“ gebe ich zu.

„Aber warte mal, wir haben schon Ende August, dann musst du ja schon in der...“ ich denke angestrengt nach.

„Ich bin in der 22. Woche.“ sie sieht mich entschuldigend an „Wir haben es zwei Tage nach Jakes Tod erfahren und irgendwie war nie der passende Moment.“

„Okay...“ ich drücke sie erneut an mich „So etwas musst du mir sagen Ava.“ flüstere ich und sie nickt sachte an meiner Schulter.

„Es tut mir leid Sammy.“ haucht sie.

„Eine kleine Ava oder ein kleiner Matt?“ frage ich versöhnlich. Ich verstehe ihre Beweggründe und ich gebe zu, ich hatte in den letzten Monaten viel um die Ohren. Wir alle hatten viel um die Ohren, aber ich wünschte sie hätte es mir früher gesagt.

„Wissen wir noch nicht.“ grinst Matt „Aber ich tippe auf einen kleinen Matt.“

„Neee....“ Ava macht sich von mir los „Eine kleine Ava.“

Dann setzen wir uns wieder und ich kann nicht aufhören zu lächeln.

Ein Baby für Matt und Ava!

Wahnsinn!

„Was meintest du vorhin, das dich keiner ohne Hintergedanken einlädt.“ will Matt wissen und reicht mir ein Glas Wein, während er Ava ein Glas Wasser reicht.

„Ich war gestern bei Annie und Carl zum Essen und die haben mich auch die ganze Zeit so angeschaut wie ihr Beide.“ gebe ich zu und nehme einen Schluck von dem Wein.

„Was wollten sie?“ hakt Ava nach und das Lächeln aus meinem Gesicht verschwindet.

„Taylor.“ sage ich nur.

„Seht ihr euch immer noch so häufig?“ will sie wissen und ich nicke stumm.

„Sam...“ setzt Matt an.

„Bitte keine Predigten.“ ich hebe meine Hand.

„Pass auf dich auf.“ sagt er nur leise und ich nicke erneut.

Ich versuche es.

Ich versuche es wirklich.

Am nächsten Tag fahren wir Drei zu Annie und Carl und auch diese sind von den Babynews ganz begeistert und Ava und Matt bekommen jetzt schon mehr gute Ratschläge, als sie jemals brauchen werden.

Der Sommer hat uns alle in seinem Würgegriff. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal im Sommer so warm war und dabei haben wir schon Ende August.

Als ich Mittwoch das Büro verlasse steht Taylor am Steg und sieht übers Meer.

„Was machst du hier?“ frage ich als ich auf ihn zugehe und er dreht sich ertappt um.

„Ich wollte dich sehen.“ gibt er zu.

„Warum?“ ich komme bei ihm an.

„Du bist meine beste Freundin.“ er nimmt meine Hand.

„Sam!“ Luke kommt aus dem Gebäude und sofort lässt Taylor meine Hand los.

Innerlich schlucke ich schwer und starre kurz meine Hand an.

„Habe ich was vergessen?“ ich sammele mich und drehe mich zu Luke um.

„Deinen Urlaubszettel.“ er reicht mir ein Stück Papier.

„Danke.“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Hallo Taylor.“ begrüßt er ihn und dieser hebt die Hand zum Gruß. „Wie geht es dir?“ fragt er freundlich, gut so freundlich wie eben möglich.

„Danke gut.“ Taylor versucht sich zu einem Lächeln durchzuringen.

„Bis morgen.“ Luke nickt mir zu.

„Ja, bis morgen und nochmal danke.“ ich wedele mit dem Zettel und er schenkt mir ein lächeln.

„Urlaub?“ Fragt Taylor als wir nebeneinander her in Richtung meiner Wohnung gehen.

„Ja, ich fahre nächste Woche ein paar Tage zu Aimee nach Galway.“ erkläre ich ihm.

„Warum sagst du mir so etwas nicht?“ wir sind an meiner Wohnung angekommen.

„Ohne Bedingungen. Ohne Verpflichtungen.“ ich zucke mit den Schultern.

„Wie lange bist du weg?“ wie selbstverständlich betritt er zusammen mit mir die Wohnung und setzt sich auf die Couch.

„Eine Woche.“ ich stelle meine Handtasche ab, nehme mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und reiche ihm auch eine.

„Komm her.“ bittet er mich leise und klopft neben sich auf die Couch.

Ich weiß, wenn mich jetzt zu ihm setze, dann wird er mich küssen, dann werden wir miteinander schlafen und dann wird er gehen. Wahrscheinlich ins Pub...

Trotzdem setze ich mich, lasse mich von ihm in den Arm nehmen und küssen und bilde mir einen Moment ein, das das was ich hier mache nicht total selbstzerstörerisch ist.

Für ihn bin ich Mittel zum Zweck.

Das Mittel, was ihn einen Moment spüren lässt, dass er am Leben ist und nicht zusammen mit Jake gestorben ist.

Eine Stunde später sitze ich alleine auf meiner Couch und starre auf die geschlossene Wohnungstür. Er ist gegangen und so sehr ich mir wünschen würde ich würde nicht Recht behalten, so sehr weiß ich, das er jetzt bei Cheryl an der Bar sitzt und trinkt.

„Musst du morgen wirklich nach Galway?“ fragt er lallend, als er am Sonntagabend bei mir vor der Tür steht.

„Ja, ich muss mal raus.“ ich will die Tür schließen, doch er stellt seinen Fuß dazwischen.

„Ich brauche dich.“ seine Augen suchen die meinen.

„Und ich brauche einfach eine kleine Auszeit.“ gebe ich zu.

Hiervon?“ er zieht mich unvermittelt in seine Arme, presst mich an sich und küsst mich stürmisch.

„Taylor...“ versuche ich mich wehren, doch er bugsiert mich ins Innere meiner Wohnung und gibt der Tür einen Schubs, so dass sie ins Schloss fällt.

Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich weiterhin verlangend.

Ich fechte in meinem Inneren Kämpfe aus.

Gut gegen Böse.

Richtig gegen Falsch.

Engel gegen Teufel.

Dann fährt er mir sanft durch die Haare, seine andere Hand gleitet an meiner Seite hinunter und ich seufze leise.

„Ich brauche dich.“ haucht er mit belegter Stimme und ich gebe meine abwehrende Haltung auf, lege eine Hand in seinen Nacken und die andere auf seinen Rücken.

„Ich brauche dich auch.“ wispere ich.

Er hebt mich an und trägt mich hoch in mein Schlafzimmer, seine Augen suchen erneut die meinen und ich erkenne, dass er gar nicht so betrunken ist wie ich dachte.

Als ob es einen Unterschied macht...

Betrunken oder sehr betrunken.

Es ist schlecht.

„Ich liebe dich.“ seine Stimme ist nicht mehr wie ein Hauchen und ich sehe ihn mit aufgerissen Augen an.

„Wie bitte?“ flüstere ich, als er beginnt meine Bluse aufzuknöpfen.

„Du bist mein Stern in dunkler Nacht.“ er küsst sanft meinen Bauch und ich stöhne auf.

Ich lasse mich fallen, treibe dahin und genieße seine Zärtlichkeit und weiß doch genau, dass es falsch ist.

Er läuft davon.

Aber wie lange kann er noch laufen, ehe seine Trauer, seine Schuldgefühle und seine Scham ihn erneut einholen?

Ich liege fest in seinen Armen als ich wach werde und befreie mich vorsichtig aus seiner Umarmung. Doch augenscheinlich nicht vorsichtig genug und er sieht mich verschlafen an.

„Ich wollte dich nicht wecken.“ ich küsse ihn sanft „Ich mache mich jetzt auf den Weg.“

„Bitte bleib.“ er zieht mich zurück in eine Umarmung.

„Taylor. Erinnerst du dich, was du heute Nacht zu mir gesagt hast?“ ich setze mich erneut auf.

„Was meinst du?“ er sieht mich verwirrt an.

„Taylor du hast gesagt, das du mich liebst.“ ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen.

„Sammy...“ er fährt sich durch die Haare „Wir sind beste Freunde, ich dachte, du weißt...“

„Ich weiß Taylor.“ unterbreche ich ihn unwirsch, stehe auf und schlinge meine Decke um mich.

Im Bad stütze ich meine Hände auf dem Waschbecken ab und merke, wie die Tränen zu laufen beginnen.

Zaghaft klopft es an der Tür und ich zucke zusammen.

„Es tut mir leid mein Stern, ich dachte wir sind uns einig.“ kommt es zögerlich von draußen.

„Wir sind uns einig Taylor.“ ich versuche meiner Stimme einen monotonen Klang zu geben.

Ich gehe schnell duschen und ziehe mir ein einfaches Sommerkleid an. Taylor ist zur Arbeit gefahren und es ist mir auch Recht ihn jetzt nicht noch sehen zu müssen. Ich nehme meine gepackte Tasche und mache mich auf den Weg nach Galway. 3 Stunden später klingele ich bei Aimee, einer sehr gute Freundin aus Kindertagen und sie öffnet mir strahlend die Tür.

„Hi Sammy!“ sie nimmt mich fest in den Arm.

„Hi Aimee!“ ich versuche zu lächeln.

„Komm rein. Es ist so schön, dass wir uns endlich mal wieder sehen. Es ist viel zu lange her.“ sprudelt es aus ihr heraus „Du kennst ja noch nicht einmal Ian.“

„Wow Aimee, du zerdrückst mich.“ japse ich und sie lässt mich los.

„Sorry.“ sie grinst schief „Komm rein.“ sagt sie erneut und zieht mich ins Innere des Hauses.

Obwohl ich Aimee in den letzten Jahren nur ein oder zwei Mal im Jahr gesehen habe, schreiben wir uns regelmäßig SMS und jedes Mal wenn wir uns sehen, da ist es so, als wären nicht Jahre vergangen sondern nur Tage. Dafür liebe ich sie. Auch dafür das sie mir verzeiht das ich mich im letzten halben Jahr gar nicht gemeldet habe und erst letzte Woche spontan anrief und fragte ob ich vorbei kommen kann.

Sie hat sofort ja gesagt, ohne Fragen....

Das ist Aimee.

„Wow, ist das schön.“ ich drehe mich um meine eigene Achse und bestaune das Haus in das sie und ihr Freund vor knapp einem Jahr eingezogen sind. Natürlich hat sie mir dutzende Fotos geschickt, aber jetzt alles richtig zu sehen ist doch noch einmal was anderes.

Das Haus ist wunderschön.

Helle Farben, alles auf einander abgestimmt in dezenten Blautönen und hier und da ein paar kräftige Akzente.

„Es hat gewisse Vorteile mit einem Innenarchitekten zusammen zu sein.“ sie nimmt mir meine Tasche ab und grinst breit.

„Scheint so.“ nicke ich anerkennend.

„Komm, ich zeige dir das Gästezimmer.“ sie führt mich eine breite Treppe hinauf und ich finde mich Augenblicke später in einem gemütlichen Gästezimmer wieder. Ein großes Bett in der Mitte des Zimmers, zwei kleine Nachtschränke und eine Kommode, alles in wunderschönen Grüntönen und perfekt auf das helle Holz abgestimmt.

„Dein Lager für die nächsten Nächte. Ich hoffe es gefällt dir.“ sie sieht mich fragend an und ich nicke begeistert.

„Das ist so schön und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue hier zu sein.“ ich setze mich auf die Bettkante und streiche über die Patchworkdecke.

„Ich mich erst und jetzt...“ sie hält mir ihre Hand hin und ich ergreife sie noch leicht zögerlich „Gehen wir shoppen!“ Ihre hellbraunen Augen strahlen mich voller Tatendrang an und ihre rotbraunen Locken hüpfen auf und ab als sie mir voller Elan zu nickt.

„Was?“ lache ich.

„Komm schon, Sammy in der großen Stadt Galway.“ sie zwinkert mir zu. „Das will ich ausnutzen und deine Garderobe kann bestimmt ein oder zwei neue Teile gebrauchen.“

„Damit könntest du Recht haben.“ stimme ich ihr zu.

Aimee hat das seltene Talent jeden sofort mit ihrer guten Laune anzustecken und sie ist genau das, was ich jetzt brauche.

Einfach mal wieder ich sein.

Ich gebe zu, Galway ist größer wie Sandycove, aber dass Aimee es schafft mich tatsächlich bis zum späten Nachmittag durch gefühlte 100 Läden zu schleifen, erstaunt sogar mich.

Aber ich lache, ich kichere und ich bin einfach mal wieder Sam.

Es fühlt sich fast schon befremdlich an, aber es tut so gut...

Geschafft kommen wir mit etlichen Tüten bepackt wieder zu ihr und ein junger Mann empfängt uns in der Tür.

„Hi, ich bin Ian.“ er hält mir seine Hand hin und ich hebe meine beiden voll bepackten Hände entschuldigend hoch.

„Wie diese Frau es immer wieder schafft in dieser Stadt etwas zu finden, was sie noch nicht hat, bewundere ich immer wieder aufs Neue.“ er zwinkert mir zu.

„Hallo Schatz.“ Aimee drückt ihm einen Kuss auf den Mund und wir lassen im Flur unsere Tüten fallen. „Dieses Mal ging es ja nicht um mich, Sammy brauchte wirklich mal ein paar neue Sachen.“ wehrt sie sich und er lacht leise.

„Hallo, ich bin Sam.“ da ich jetzt beide Hände frei habe reiche ich ihm eine und er grinst.

„Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen.“ er ergreift sie und strahlt mich an. „Und wie ich meine bezaubernde Freundin kenne, hat sie dir keine Pause gegönnt und ihr müsst am verhungern sein. Also war ich so frei und habe Pizza bestellt.“ er sieht mich abwartend an und ich nicke dankbar. Ian ist in etwas so groß wie Aimee und damit ein Stück grösser wie ich selbst, er hat blonde, etwas längere Haare und wasserblaue Augen, er ist durch trainiert ohne zu überladen zu wirken, alles in allem eine Person in deren Nähe man sich sofort wohl fühlt.

So verbringen wir meinen ersten Abend in Galway mit einer Pizza auf der Terrasse und ich beginne langsam aber sicher mich zu entspannen.

Ich weiß, dass ich Aimees Kreuzverhör nicht ewig aus dem Weg gehen kann, aber ich bin froh, das sie mir diesen ersten Abend gönnt ohne zu hinterfragen, warum ich hier bin.

Denn eines ist ihr glasklar, ich bin nicht ohne Grund hier...

Dafür kennt sie mich viel zu gut.

Auch wenn sie schon seit fast 8 Jahren hier in Galway wohnt, weil sie es mit 18 gar nicht erwarten konnte der Enge Sandycoves zu entkommen, so sind wir trotz alle dem sehr gute Freundinnen geblieben. In den ersten Jahren war sie noch oft zu Hause, aber wie gesagt in den letzten 4 Jahren haben wir uns nicht wirklich oft gesehen.

Tatsächlich lässt sie mich auch die nächsten drei Tage einfach nur ich sein. Sie zeigt mir Galway, ich lerne Ian etwas besser kennen und wir fahren zu den Cliffs of Moher.

Es ist so schön und so entspannend...

Am Donnerstagabend ist Ian beim Fußballtraining und wir gehen auf die Terrasse um die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu genießen.

Sie sieht mich lange an und ich drehe meinen Eistee in den Händen.

„Wie geht es dir Sammy?“ fragt sie leise.

„Keine Ahnung.“ gebe ich zu.

„Was ist los?“ sie setzt sich zu mir auf die Bank und nimmt meine Hände in ihre.

„Es ist kompliziert.“ ich kaue auf meiner Unterlippe.

„Sprich mit mir.“ bittet sie mich flüsternd.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“ ich sehe sie an und die ersten Tränen steigen mir in die Augen.

„Von vorne ist am Besten.“ sie lächelt aufmunternd.

Ich denke einen Moment nach „Keine Verurteilungen, keine Vorwürfe und keine Predigt.“ bitte ich sie und sie nickt leicht. „Als Jake gestorben ist und Taylor zurück gekommen ist, da wollte er von den Klippen springen.“ ich ziehe meine Beine an und sie streicht mir über den Rücken.

„Das ist furchtbar.“ flüstert sie und ich nicke.

„Er brauchte mich, er brauchte jemanden an dem er sich fest halten kann, jemanden der ihn zu nichts drängt, jemanden der ihm zeigt, das er noch am Leben ist.“ ich schlucke schwer. „Ich bin dieser Jemand für ihn.“

„Was genau bedeutet das?“ Aimee legt ihre Stirn in Falten.

„Wir schlafen miteinander.“ hauche ich.

„Oh Sammy.“ sie streicht mir über den Kopf.

„Anfangs brauchte ich das, glaube ich, genauso sehr wie er, aber dann begannen sich meine Gefühle zu ändern.“ gestehe ich ihr „Ich habe mich in ihn verliebt. Aber ich kann den Mann, der er geworden ist nicht ernsthaft lieben. Er betrinkt sich... Oft, sehr oft.“ ich schluchze leise. „Er stößt jeden weg, der ihm zu nahe kommt. Luke meint, ich muss ihn fallen lassen, damit er aufwacht, aber ich kann das einfach nicht. Was, wenn er nicht aufwacht, sondern nur noch weiter abrutscht?“ ich sehe sie unter Tränen an.

„Also erstens einmal muss ich dich korrigieren...“ beginnt sie einfühlsam „... Du hast dich nicht erst in ihn verliebt, du liebst ihn schon immer. Jeder hat es schon in der Schule gesehen, nur ihr Beide selbst nicht. Ihr liebt euch schon so lange ich denken kann.“

„Oh nein Aimee, er liebt mich nicht.“ winke ich ab „Er macht mir bei jeder nur möglichen Gelegenheit klar, das wir nur beste Freunde sind und das wir keine Verpflichtungen oder Ansprüche an den anderen haben. Ich bin für ihn Mittel zum Zweck.“

„Willst du dich denn dafür benutzen lassen?“ sie zwingt mich sie anzusehen.

„Ich will lieber, das er mich benutzt, bevor er irgendeine daher gelaufenen Frau benutzt.“ gebe ich zu.

„Oh Sammy und was bringt es dir? Schau dich an.“ sie schüttelt langsam mit dem Kopf „Du bist blass, erschreckend dünn und man sieht dir auf 100 Meter an, dass es dir nicht gut geht. Ich gebe es ungern zu und er darf es nie erfahren, aber Luke hat womöglich Recht. Er muss vielleicht erst merken, wie es ohne dich ist, um wach zu werden.“

„Ich kann ihn nicht fallen lassen.“ weine ich.

„Ich weiß.“ sie nimmt mich in den Arm. „Sammy, ich bewundere dich so sehr. Ganz Sandycove ist imponiert davon, was du für Carl und Annie getan hast, aber bitte vergiss nicht, das auch DU wichtig bist. Denn im Endeffekt musst du nur dir selber Rechenschaft ablegen.“

„Ich habe nur das für Annie und Carl getan, was sie für Ava, meinen Dad und mich getan haben.“ ich mache mich von ihr los „Ich habe Angst Taylor zu verlieren, ich habe solche Angst, das der Taylor, den ich liebe nie mehr wieder kommt. Ich habe Angst, dass er mich nie lieben wird. Nicht so, wie ich ihn liebe... Gleichzeitig habe ich Angst davor, was er mit mir macht, das er mich immer wieder zwingt mich zwischen gut und böse zu entscheiden und ich mich für ihn fast immer für böse entscheide. Das ich toleriere was er tut und wie er sich verhält. Ich erkenne mich manchmal selbst nicht.“

„Sammy.“ sie streicht mir über die Wange „Du liebst ihn so sehr, das du an das Gute in ihm glauben willst, aber ich bitte dich, wie lange willst du das noch tun?“

„Ich weiß es nicht, deswegen bin ich hier. Ich weiß selber, dass ich irgendwann aufgeben muss, aber ich weiß auch, dass ich dann erst einmal aus Sandycove weg muss.“ ich schluchze trocken.

„Du kannst jederzeit her kommen.“ versichert sie mir. „Jederzeit.“ wiederholt sie und drückt meine Hand.

„Danke Aimee und danke, das du mich nicht verurteilst.“ ich sehe sie dankbar an.

„Wer liebt ist nicht immer Zurechnungsfähig.“ sie drückt mich an sich.

Aimee sorgt dafür dass ich am Samstag und Sonntag nicht einmal Zeit habe weiter über mein Drama mit Taylor nachzudenken, denn sie schleppt mich tatsächlich erst mit zu einem Fußballspiel von Ian und anschließend noch in eine Cocktailbar.

Ich bin wirklich traurig, als ich mich Sonntagnachmittag verabschieden muss.

„Wenn irgendetwas ist, dann rufst du an, ja?“ sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände.

„Versprochen.“ ich nicke leicht.

„Immer.“ sie nimmt mich in den Arm und ich drücke sie an mich.

„Bye Sam, bei uns ist immer ein Zimmer für dich frei.“ Ian legt seinen Arm um meine Schultern und legt meine Tasche auf den Rücksitz.

„Ich weiß es sehr zu schätzen.“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Aimees Freunde sind auch meine Freunde...“ er hält mir die Autotür auf „Und ich gebe zu, ich mag dich.“ er zwinkert mir zu und ich grinse.

„Dito.“ gebe ich zurück und er schließt die Tür.

Ich schnalle mich an, winke den Beiden kurz zu und fahre dann aus der Einfahrt.

Auf dem Weg zurück nach Sandycove höre ich nicht einmal Radio, denn mein Kopf ist zum zerbersten voll mit Gedanken, Gefühlen und der Frage, was ich tun soll.

Ich habe mich erst einmal entschieden, dass ich weiter versuchen werde, dass Taylor sich öffnet, dass er endlich anfängt über seine Gefühle, seine Ängste und seine Schuldgefühle zu sprechen.

Ein guter Plan… finde ich.

Vorerst…

Als ich am Pub vorbei komme widerstehe ich der Versuchung hinein zu gehen nur unter Darbietung all meiner Willenskraft, aber ich will die Erholung nicht gleich wieder zerstören...

Tatsächlich sehe ich Taylor erst am Mittwoch, als er mich von der Arbeit abholt.

„Hi.“ die Hände tief in den Taschen vergraben, sieht er mich unsicher an.

„Hi.“ erwidere ich leise.

„Warum hast du dich nicht gemeldet?“ er kommt zu mir und zieht mich in seine Arme.

„Taylor, ich muss dir keine Rechenschaft ablegen.“ erinnere ich ihn.

„Aber Freunde melden sich bei Freunden, wenn sie wieder kommen.“ er presst mich an sich. „Du hast mir gefehlt.“
„Was genau hat dir gefehlt Taylor?“ ich mache mich von ihm los.

Du.“ sagt er nur und ich sehe in seine dunkelblauen Augen.

Damit gebe ich mal wieder nach...

Ich weiß, ich mache es nicht besser, aber ich kann Lukes Ratschlag einfach nicht befolgen.

Der Spätsommer schenkt Irland mehr Sonne, als wir es alle gewohnt sind und ich erkämpfe mir Freiräume von Taylor, ich versuche ihn mit sanfter Gewalt dazu zu bekommen, sich endlich zu öffnen.

Der Schuss geht nach hinten los.

Wie schon erwähnt einen Tresor mit bloßen Händen zu knacken, ohne die Kombination zu kennen, wäre wahrscheinlich erfolgreicher...

Ihn wirklich auf Abstand halten gelingt mir aber im Gegenzug auch nicht.

Zu groß ist meine Hoffnung meinen Taylor wieder zu bekommen und je länger ich mir das vormache, umso eindeutiger wird es, das er wahrscheinlich nie wieder kommt.

Äußerlich ist er immer noch der Mann den ich liebe, aber im Inneren ist er zerbrochen und ich schaffe es nicht, die Scherben zusammen zu setzen.

Ich lebe wie in einer Seifenblase, keine Gute, das gebe ich gerne zu, aber in meiner Seifenblase bin ich sicher und geschützt.

Nach dem wundervollen Spätsommer folgt ein milder Herbst, die Bäume fangen langsam aber sicher an ihre bunten Kleider anzuziehen und hier und da fällt schon ein Blatt Richtung Boden.

Avas Bauch wächst von Tag zu Tag und das kleine Leben macht sich mit kräftigen Tritten bemerkbar, es ist erstaunlich zu was der menschliche Körper in der Lage ist. Manches Mal ist es so stark zu sehen, dass ich denke, dass es an Körperverletzung grenzen muss.

Aber Ava genießt jede einzelne Minute, sie freut sich über jeden Tritt, jeden Schluckauf und jedes neue Bild nach einem Ultraschall und ich freue mich mit ihr.

Ich treibe dahin, an manchen Tagen habe ich das Gefühl ich bin Zuschauer in meinem eigenen Leben und Taylor verlangt immer und immer wieder die Entscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch und zwischen Moralisch und Unmoralisch von mir.

Ich wähle Böse, Falsch und Unmoralisch...

Wie lange kann das noch so weiter gehen?

An einem Tag Anfang Oktober, da zerplatzt meine Seifenblase und ich pralle ohne Schutz auf den harten Boden der Realität.

Einfach so.

Ohne Vorwarnung.

„Ich muss heute etwas früher gehen.“ ich sehe zu Luke und er nickt.

„Kein Problem.“ winkt er ab und ich reibe meine schweißnassen Hände aneinander. „Wo musst du hin?“ fragt er wie nebenbei und ich erstarre in meiner Bewegung.

„Nichts dramatisches, es lässt sich nur nicht verlegen.“ winke ich ab und merke, wie sehr meine Stimme zittert und somit meine Lüge enttarnt.

„Was ist los Sam?“ Luke steht von seinem Schreibtisch auf und kommt zu mir.

„Nichts Luke, wirklich nicht.“ ich versuche mich auf meinen Computer zu konzentrieren.

„Sam, ich kenne dich besser als du denkst. Du bist seit 3 Tagen total neben der Spur.“ er setzt sich auf meine Tischkante.

„Luke, ich muss... ich habe...“ stottere ich und Tränen verschleiern mir die Sicht.

„Okay Sam.“ er sieht mich bestürzt an, steht auf und nimmt mich in den Arm „Geh nach Hause, so bringt das hier nichts.“

„Aber...“ setze ich an.

„Bitte Sam, fahr zu Ava, rede mit ihr aber friss es nicht weiter in dich rein. Du siehst echt Scheiße aus.“ er zwingt mich ihn anzusehen „Ich kann dich nicht zwingen mir zu sagen, was los ist, aber du musst mit jemanden reden.“

„Danke.“ schluchze ich leise.

Er hilft mir in meine Strickjacke und reicht mir meine Handtasche, dann begleitet er mich noch zu meinem Auto.

„Fahr vorsichtig und nimm dir morgen frei.“ er haucht mir durch das geöffnete Fenster einen Kuss auf die Stirn und ich starte den Motor.

Ich schlage den Weg zu Ava ein, aber eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich wirklich mit ihr reden will.

Oder kann.

Schließlich, eine knappe Stunde später, stehe ich dann doch an ihrer Haustür und drücke ich auf die Klingel. Nur Sekunden später sieht sie mich mit großen Augen an.

„Was ist los?“ Fragt sie sogleich und zieht mich ins Haus. Zum Glück ist sie schon im Mutterschutz und hat frei, denn jetzt wo ich sie sehe, merke ich, dass ich wirklich mit ihr reden muss.

Die letzten 3 Tage waren die Hölle auf Erden.

Ich habe Mist gebaut.

Auf ganzer Linie.

Ich sehe sie nur an und breche in Tränen aus.

„Gott Sammy...“ sie nimmt mich in den Arm und bugsiert mich zur Couch. „Was ist los?“ sie streicht mir über den Kopf und ich schluchze auf.

„Weißt du, dass Jake heute genau 5 Monate tot ist?“ ich sehe sie unter Tränen an.

„Ja, heute ist der 2. Oktober.“ sie schluckt schwer „Aber ich weiß auch, dass dich das nicht so aus der Fassung bringt. Was hat er getan?“

Sie muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass es nur er sein kann, der mich so aus der Fassung bringt.

„Ich hatte dich gebeten, auf dich aufzupassen.“ sie nimmt meine Hand in ihre.

„Ich weiß.“ schluchze ich.

„Du musst endlich einsehen, das du ihm nicht helfen kannst, wenn er sich nicht helfen lassen will.“ sie drückt mich wieder an sich.

„Das weiß ich, aber...“ ich verstumme und schluchze haltlos.

„Aber was?“ sie schiebt mich behutsam von sich weg.

„Ich bin… schwanger.“ hauche ich.

„Oh Sammy.“ sie zieht mich wieder in ihre Arme.

„Ich habe immer meine Pille genommen, wirklich immer.“ schniefe ich „Aber meine Periode ist überfällig, also habe ich vor drei Tagen einen Test gemacht. Ava, ich bin in der 8. bis 9. Woche.“

„Warum kommst du denn erst jetzt zu mir?“ sie zieht mich in ihre Arme.

„Ich musste das irgendwie begreifen und du und Matt ihr habt mich immer und immer wieder gebeten auf mich auf zu passen… und jetzt?“ erneut entweicht ein Schluchzen meiner Kehle.

„Was willst du tun?“ fragt sie vorsichtig.

Ich sehe sie an, lege meine Hand auf ihren Babybauch und kaue auf meiner Unterlippe.

„Du willst es behalten, oder?“ es ist eher eine Feststellung wie eine Frage und ich sehe ihr in die Augen.

„Was kann das Baby dafür?“ frage ich leise.

„Gar nichts.“ sie nickt mir zu „Wir bekommen das hin Sammy.“

„Aber was sage ich ihm?“ ich sacke kraftlos zusammen.

„Ich weiß es nicht.“ gibt sie zu. „Hast du dir schon einen Termin beim Arzt geholt?“

„Ja, in einer Stunde bei Dr. Salzman.“ gebe ich zu.

„Ich komme mit. Du gehst jetzt hoch, wäscht dir dein wunderschönes Gesicht, straffst deine Schultern und dann schauen wir weiter.“ sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn, noch zögerlich gehe ich hoch ins Badezimmer und mache mich etwas frisch.

Ich lasse Ava zur Praxis von Dr. Salzman in Waterland, der Nachbarstadt von Sandycove, fahren und sie hält meine Hand fest, während ich alle Fragebögen ausfülle und darauf warte aufgerufen zu werden.

Immer und immer wieder sehe ich zur Uhr, es ist als würde die Zeit still stehen.

„Atmen nicht vergessen Sammy.“ Ava drückt meine Hand und ich sehe sie entschuldigend an.

„Samira Porter?“ eine junge Ärztin kommt ins Wartezimmer und ich stehe auf.

„Kann ich mit rein kommen?“ fragt Ava und sie nickt freundlich.

„Kommen sie rein Miss Porter, machen sie bitte zu erst ihren Bauch frei und legen sie sich auf die Untersuchungsliege.“ weist sie mich an, ich schiebe mein Top hoch und lege mich auf die Liege.

Mein Herz hämmert so sehr in meiner Brust, das ich meine, sie müsse es hören.

„Sie hatten also vom 01. bis zum 06. Juni diesen Jahres das letzte Mal ihre Periode?“ fragt sie mich lächelnd und ich nicke stumm.

„Sie haben mit einer Mikropille verhütet?“ will sie nun wissen.

„Ja und ich habe nie auch nur eine vergessen.“ Tränen steigen in mir auf.

„Ganz ruhig Miss Porter, ich schaue jetzt erst einmal, ob der Test Recht hat und dann sehen wir weiter.“ sie nickt mir aufmunternd zu, schaltet das Gerät rechts neben mir ein, verteilt ein kaltes Gel auf meinem Bauch und konzentriert sich auf den Monitor vor ihr.

„Herzlichen Glückwunsch Miss Porter.“ sie strahlt mich an und einzelne Tränen laufen über mein Gesicht. „Meinen Berechnungen nach sind sie in der 9. Woche.“

Ich schluchze leise und sie sieht mich mitfühlend an. „Miss Porter, sie haben auch noch die Möglichkeit das Kind nicht auszutragen.“ sagt sie zögerlich. „Ich kann ihnen einen Termin bei einer sehr guten Beratungsstelle ausmachen.“

Ich schüttele langsam meinen Kopf.

„Nein danke, ich werde das Baby bekommen.“ sage ich sicher.

Sicherer wie ich mich fühle und sie nickt verständnisvoll.

„Hören sie mal...“ sie drückt einen Knopf an dem Gerät und ein klopfendes, eher tuckerndes Geräusch ertönt. „Das ist der Herzschlag ihres Babys.“ sagt sie leise und ich schließe meine Augen.

Es schnürt mir die Kehle zu.

Es ist ein Wunder.

Ein solches Wunder, das ich es noch gar nicht begreifen kann.

„Es sieht alles sehr gut aus.“ sie stoppt den Ton und das Bild, druckt etwas aus und reicht mir ein Tuch, damit ich mir das Gel abwischen kann.

„Ich verschreibe ihnen Folsäure und Eisen, gerade im ersten Schwangerschaftsdrittel ist es sehr wichtig.“ sie drückt mir, nachdem ich mich aufgesetzt habe, ein Rezept in die Hand und reicht mir dann meinen Mutterpass. „Der errechnete Geburtstermin ist der 9. Mai. Wenn sie Fragen haben, oder Hilfe bei der Bewältigung der Situation brauchen, dann rufen sie jederzeit an. Ansonsten sehe ich sie in 4 Wochen zur Untersuchung. Nochmals herzlichen Glückwunsch Miss Porter.“ sie reicht mir ihre Hand und ich stehe wie fern gesteuert auf.

Ava legt sofort beschützend den Arm um mich und ich realisiere erst, dass ich mich tatsächlich bewegt habe, als wir wieder im Auto sitzen.

„Anfang Mai.“ hauche ich.

„Ja, das nennt man wohl Schicksal.“ sie nimmt meine Hand in ihre.

„Ich dachte wirklich, ich habe meine Gefühle für ihn im Griff.“ flüstere ich.

„Oh Sammy, was Taylor angeht, da hattest du deine Gefühle noch nie im Griff. Nur Gott allein weiß warum, aber du liebst ihn... Schon immer.“ sie seufzt leise „Er hat sich nicht im Griff.“ spricht sie das aus, was wahrscheinlich alle in Sandycove denken.

„Er wird irgendwann aufwachen und sich bewusst werden, das er sich ändern muss.“ erwidere ich hoffnungsvoll.

„Vielleicht, aber wann Sammy?“ sie hält meine Hand weiterhin fest.

Ich zucke nur mit den Schultern, auf diesen Augenblick warte ich schon seit Monaten...

„Wir fahren jetzt erst einmal nach Hause, ich mache dir einen Tee und du musst eine Kleinigkeit zum Mittag essen, dann sehen wir weiter.“ sie nickt mir zu und ich erwidere es schwach.

Meine Hand liegt auf meinem Bauch.

Noch niemals in meinem Leben habe ich eine so tiefe und innige Liebe, wie zu diesem kleinen Wesen empfunden und das macht mir Angst. Mehr Angst wie alles andere in meinem bisherigen Leben.

Was kann ich ihm oder ihr bieten?

Was möchte ich für ihn oder sie?

Ava stellt mir gerade eine Tasse hin, als Matt nach Hause kommt. Er sieht erst mich und dann Ava an, dann verschränkt er die Arme vor der Brust und fixiert mich.

Was hat er gemacht?“ will er wissen und ich sehe zu Ava.

„Wann bitte soll ich ihm das gesagt haben?“ sie zieht eine Augenbraue

hoch.

„Gott Sam, ich bin nicht blind.“ Matt sieht mich lange an „Du und Taylor... und das nicht erst seit gestern. Keine Ahnung wie lange, aber es war abzusehen, das er dir das Herz bricht.“

„Seit er wieder hier ist.“ gebe ich auch ihm gegenüber zu und er zieht scharf Luft ein „Aber wir waren uns einig, das wir Freunde sind und bleiben und nur ab und zu...“ ich schließe meine Augen.

Das war von Anfang an eine dumme Idee.

Aus einem guten Gedanken, nämlich dem ihm helfen zu wollen, entstanden, aber stümperhaft und zu meinem Nachteil in die Tat umgesetzt.

„Sammy ist schwanger.“ sagt Ava leise und Matt reißt seine Augen auf.

„Oh Sam.“ er fährt sich durch die Haare als ich aufsehe. „Weiß er es? Ich meine, hast du es ihm im nüchternen Zustand gesagt?“ ein leicht zynischer Unterton schwingt in seiner Stimme mit.

„Nein.“ antworte ich leise. „Er ist nicht bereit dazu.“

„Aber was willst du tun?“ er setzt sich zu mir.

„Ich werde Lukes Ratschlag befolgen, ich werde ihn zwingen müssen mir zu sagen, was er für mich empfindet und davon mache ich abhängig was weiter passiert.“ ich seufze leise.

„Du machst deine Zukunft davon abhängig, wie er empfindet?“ Matt sieht mich prüfend an.

„Ja.“ sage ich leise „Wenn er mich liebt, dann sage ich ihm das ich schwanger bin, ich schleife ihn zu einem Psychiater und sonst wo hin... Hauptsache er bekommt Hilfe. Liebt er mich nicht, dann ziehe ich das alleine durch, dann muss ich sehen, dass ich mein Leben neu ordne und das kann dann nicht hier in Sandycove passieren.“ denke ich laut nach.

„Aimee?“ fragt Ava leise und ich nicke.

„Wahrscheinlich. Ich kann nicht hier bleiben und sehen, wie er sich weiter kaputt macht.“ ich stütze meinen Kopf auf meine Hände.

„Ich denke, das ist der einzig richtige Weg.“ gibt Ava leise zu.

„Mag sein, aber es zerreißt mir das Herz.“ ich schlucke schwer. „Ich muss den richtigen Zeitpunkt abpassen, um mit ihm zu reden.“

„Oh Sammy, es tut mir so leid.“ Ava nimmt mich erneut in den Arm. „Ich weiß, wie sehr du ihn liebst.“

„Woher willst du das wissen?“ ich sehe sie an und wische trotzig meine Tränen weg.

„Weil ich sehe, wie du ihn ansiehst und weil niemand sonst das alles mitmachen würde.“ sie sieht mich traurig an.

„War es falsch von mir?“ frage ich leise.

„Was?“ Matt setzt sich auf den Couchtisch um mit mir auf Augenhöhe zu sein.

„Mit ihm zu schlafen, als er so verletzlich war? Ihm das anbieten und im Herzen zu wissen, das ich mich damit selbst verletze?“ ich sehe auf und er lächelt ganz zaghaft.

„Nein Sam. Du hast das getan, wovon du geglaubt hast, dass es Richtig ist. Du hast nur versucht zu helfen, das ist niemals falsch.“ er schenkt mir einen liebevollen Blick.

„Es fühlt sich falsch an.“ gebe ich zu.

Alles fühlt sich falsch an!

Ich lege meine Hand beschützend auf meinen Bauch.

„Nein.“ Ava legt ihre Hand auf meine.

Ich würde ihr so gerne glauben, aber ich sehe ja, wo ich jetzt bin.

Ich bin schwanger und habe keine Ahnung, ob Taylor jemals zu seinen Gefühlen, wenn sie denn da sind, stehen wird.

Ich möchte es meinem Dad gerne so schnell wie möglich sagen, auch wenn ich dafür ein paar Einzelheiten auslassen muss, also machen wir uns am späten Abend auf den Weg ins Pub.

Unser Dad ist mehr wie erleichtert, als wir rein kommen, denn Cheryl hat alle Hände voll zu tun und schafft es kaum, alle zu bedienen. Ich schnappe mir also eine Schürze und packe unter den wachsamen Augen von Matt und Ava mit an.

Ich bin schwanger und nicht krank.

Gerade Ava müsste doch wissen, dass es ein Unterschied ist.

Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.

Meistens zu mindestens...

Okay, ich habe mich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, ich gebe es zu.

Um kurz nach 23 Uhr betritt Taylor das Pub und ich denke fast mein Herz springt mir aus der Brust, da ich gerade an den Tischen bediene bringt ihm Cheryl sein gewünschtes Bier und einen Kurzen.

Ich sehe zu Ava und Matt und Matt deutet mit dem Kopf auf ihn.

Er hat Recht, wozu warten?

Es ändert nichts.

Aber erst einmal muss ich wenigstens etwas warten, bis es ruhiger ist, denn ich will keine Szene vor all den Menschen.

Um kurz vor 2 Uhr leert sich das Pub und nur Taylor und zwei weitere Stammgäste sind noch da.

Cheryl ist hinten bei Dad und macht die Abrechnungen mit ihm, als mich Taylor zu sich winkt.

„Eine Runde auf mich…“ bestellt er und ich schüttele langsam meinen Kopf.

„Bitte Taylor…“ flehe ich ihn an.

„Schenk nach, Okay? Mehr verlange ich gar nicht von dir.“ Sagt er im scharfen Ton und ich schenke nach.

Ich meine, was soll ich sonst tun?

Matt steht auf, klatscht in die Hände und sieht sich um „So Leute, Schluss für heute.“ ruft er laut.

„Komm schon mein Stern, noch ein Bier.“ Taylor beugt sich über den Tresen.

„Nein Taylor…“ sage ich mit fester Stimme.

„Warum tust du mir das an?“ er schlägt mit der flachen Hand auf den Tresen und ich zucke vor Schreck zusammen.

Dann sammele ich mich und sehe ihn bittend an „Weil ich möchte, dass du dein Leben endlich wieder lebst. Ich möchte, dass du dein Leben in den Griff bekommst. Mein Gott, Jake ist tot, aber DU lebst.“ Meine Stimme zittert leicht und er sieht mich kopfschüttelnd an.

„Wofür? Nenn mir einen Grund, warum ich das tun sollte?“ fragt er verächtlich.

„Für mich?“ flüstere ich.

„Samira, du weißt so gut wie ich, das das mit uns Beiden nichts zu bedeuten hat.“ Winkt er ab und ich zucke erneut zusammen.

Allein, das er mich Samira nennt ist schlimmer wie jede Ohrfeige.

„Warum sagst du dann, dass du mich liebst…“ ich starre auf den Tresen.

„Keine Ahnung und daran erinnere ich mich nicht einmal mehr.“ Sagt er kalt und ich merke, wie sich die ersten Tränen ihre Weg bahnen.

„Sag, dass du nichts für mich empfindest und ich werde dich nie wieder behelligen.“ Ich sehe auf. „Nie wieder.“

Er denkt einen Moment nach, dann seufzt er leise „Du bist eine Freundin und hin und wieder haben wir Sex, mehr nicht.“

„Das ist dein letztes Wort dazu?“ ich stütze meine Arme auf dem Tresen ab und sehe ihm direkt in die Augen.

„Ja.“ seine Augen wirken so kalt und unnahbar wie noch nie und ich nicke langsam.

„Du bist nur noch ein Schatten deiner selbst. Jake würde dich, für das was du tust und für das, was aus dir geworden ist, verachten. Du denkst, du kannst weg laufen, aber ich sag dir mal was... Deine Schuldgefühle und deine Trauer werden dich immer wieder einholen und ab jetzt musst du dir jemand anderen suchen, der dich dann im Arm hält, der dich versucht zu trösten und der zu jeder Tages- und Nachtzeit für dich da ist. Denn mich wirst du nie wieder sehen.“ meine Stimme zittert, Ava tritt neben mich und legt ihren Arm beschützend um mich.

„Was soll das? Du weißt so gut wie ich, dass wir uns einig waren, ich brauche dich, um ab und zu mal zu spüren, das ich lebe.... Mehr. Ist. Da. Nicht. Und. Wird. Es. Nie. Sein.“ seine Stimme klingt monoton, abweisend und feindselig und jedes Wort schneidet sich in meine Seele wie mit ein glühend heißes Schwert.

Ein leises Schluchzen entweicht meiner Kehle und ich presse meine Hand auf den Mund um nicht laut zu schluchzen.

„Raus Taylor.“ Avas Stimme klingt drohend und er erhebt sich ohne Widerworte.

„Das war doch von Anfang an klar.“ murmelt er und will an Matt vorbei gehen.

„Sie hat was Besseres wie dich verdient.“ Matt schüttelt verachtend seinen Kopf.

„Was soll das denn heißen?“ Taylor dreht sich zu ihm um.

„Das du ihrer nicht Wert bist.“ sagt Matt mit fester Stimme. „Sie hat so Recht, Jake wäre einfach nur enttäuscht von dir. Denn diese Person hier hat nichts mehr mit dem Taylor gemein, den wir mögen und achten. Du bist einfach nur noch eine verzerrte, bemitleidenswerte Hülle von dem was dich ausmacht.“

Taylor geht auf ihn zu und will ihm tatsächlich eine verpassen, aber Matt ist schneller und vor allen Dingen nüchtern und schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht.

„Matt NEIN!“ ich renne um den Tresen herum und beuge mich zu Taylor, der zu Boden gegangen ist, runter. Er blutet aus der Nase und ich will ihm seine Haare aus der Stirn streichen.

„Fass mich nicht an.“ knurrt er nur und ich weiche vor Schreck einen Schritt zurück.

„Taylor...“ unternehme ich einen letzten kläglichen Versuch.

„Du hast mich gehört Samira Porter.“ er sieht mich mit einem wütenden Ausdruck an und wischt sich das Blut von der Nase.

Ich weiche noch einen Schritt zurück und starre ihn an, dann drehe ich mich um und setze mich auf den erstbesten Stuhl.

„Raus MacKenna.“ brummt Matt, dann höre ich Taylors ächzen und schließlich fällt die Tür ins Schloss und Matt schließt hinter ihm ab.

„Es tut mir so unendlich leid Sammy.“ Ava setzt sich zu mir und ich schluchze trocken an ihrer Schulter.

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ weine ich.

„Du liebst ihn.“ Stellt sie sachlich fest.

„Ja, aber er deutlich klar gemacht, das ich ihm nichts bedeute.“ Ich sehe auf und wische mir trotzig meine Tränen weg. „Ich glaube, er ist nicht mehr fähig jemanden zu lieben. Taylor ist weg und wird nie wieder kommen, Jake hat ihn mit sich genommen.“ flüstere ich leise.

„Ihr bekommt ein Kind.“ Sie zwingt mich sie anzusehen.

„Nein Ava, ich bekomme ein Kind. Er soll machen, was er für Richtig hält. Wenn er meint, er muss sein Leben wegschmeißen, dann kann und will ich ihm dabei nicht auch noch zusehen.“ Ich schüttele meinen Kopf. „Ich habe die Verantwortung für diesen kleinen Menschen.“ ich lege meine Hand auf meinen Bauch „Ich muss alles was in meiner Macht steht tun, damit sie oder er alles hat was es braucht. Und an aller erster Stelle braucht das Baby eine Mum die ihr Leben im Griff hat und nicht eine die jemanden hinterher läuft, der sie nicht will.“

„Du willst also wirklich aus Sandycove weg?“ Matt kommt zu uns und sieht mich prüfend an.

„Ja, ich telefoniere morgen mit Aimee. Sie kann mir bestimmt eine Unterkunft besorgen und zur Not schlafe ich erst einmal ein paar Nächte bei ihr.“ ich stehe auf.

„Ist das nicht etwas überstürzt?“ Ava sieht mich flehend an.

„Nein Ava, je eher desto besser.“ ich schlucke schwer „Ich muss mit Dad reden.“

Wie aufs Stichwort kommt er mit Cheryl aus dem Büro und sieht bestürzt zu mir.

„Warum weinst du Kleines?“ er kommt zu mir, zieht mich in seine Arme und sieht mich besorgt an.

„Daddy, ich muss weg aus Sandycove. Ich fahre zu Aimee nach Galway.“ ich sehe zu ihm auf. „Ich werde nicht wieder kommen.“

„Aber...“ setzt er an.

„Daddy ich kann es dir jetzt nicht erklären, aber ich kann nicht eine Minute länger hier in Sandycove bleiben.“ meine Stimme zittert und er sieht hilfesuchend zu Ava.

„Sie hat Recht Dad, sie muss weg von allem hier. Das ist im Moment das Beste für sie.“ Ava streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

„Wann?“ er sieht von mir zu Ava.

„Ich kümmere mich noch heute um alles. Morgen fahre ich.“ sage ich leise und Matt und Ava nicken mir zu.

Matt nimmt meine Hand. „Wir bekommen das hin.“ verspricht er mir und ich schluchze leise.

„Wie lange willst du bei Aimee bleiben? Warum willst du nicht wieder kommen?“ mein Dad sieht mich verwirrt an.

Lange Daddy.“ antworte ich ausweichend.

„Aber Süße...“ versucht er es erneut.

„Es ist das Beste, bitte vertrau mir Daddy.“ bitte ich ihn.

Da bin ich jetzt also.

Ich gebe für Taylor mein ganzes Leben auf.

Einfach alles.

Aber so kann es nicht weiter gehen.

Hier zu bleiben wäre einfach nicht richtig.

Nicht für mich.

Nicht für ihn.

Und schon gar nicht für unser Baby.

„Ich kann nichts tun, um dich umzustimmen, oder?“ ein letzter kläglicher Versuch von meinem Dad.

„Nein Daddy.“ gebe ich zu und er presst mich an sich.

„Wir sollten nach Hause.“ sagt er nach einer kleinen Weile. „Kommt ihr mit zu mir?“ er sieht zu Ava und Matt. „Was hast du mit deiner Hand gemacht?“ er geht zu Matt und betrachtet dessen Hand. Wie ich jetzt erst sehe hat sich Matt anscheinend weh getan, seine Fingerknöchel sind angeschwollen und beginnen sich leicht lila und blau einzufärben.

„Ach nichts.“ er winkt ab.

„Taylor.“ Nuschelt sich mein Dad in seinen Bart und reicht Matt ein Geschirrhandtuch mit Eiswürfeln. „Sollte die Schwellung beheben.“ brummt er und geht uns voran nach draußen.

Vor der Bar verabschieden wir uns alle kurz von Cheryl und ehe ich mich versehe liege ich das erste Mal seit Jahren in meinem alten Kinderzimmer im Bett. Ich liege beinahe die ganze Nacht wach und starre an die Decke, an der hunderte dieser bei Nacht leuchtenden Sterne kleben. Die hat Taylor zu meinem 16. Geburtstag an die Decke geklebt und schmerzlich wird mir erneut bewusst, dass ich diesen Taylor wohl für immer verloren habe.

Jake und Taylor sind tot, jeder auf seine Weise und es zerreißt mich. Schluchzend rolle ich mich zusammen und wünsche mir nichts sehnlicher, wie die Zeit zurück drehen zu können zu meinem 16. Geburtstag.

Damals dachte ich zwar auch meine kleine Welt ist nicht perfekt, aber mit Abstand betrachtet war sie das...

Ich sehe Taylor strahlend am Morgen in mein Zimmer stürmen und mich aus dem Bett schmeißen, denn immerhin ist so ein 16. Geburtstag etwas besonders. Nur wir beide sind zu den Cliffs of Moher gefahren, er hat mich in irgendeinem Imbiss zu Fish und Chips eingeladen und als wir am frühen Nachtmittag zurück gekommen sind, da hat er sich für mehrere Stunden in mein Zimmer zurück gezogen während ich mit Ava, meinem Dad, Annie, Carl, Jake und ein paar Freundinnen meinen Geburtstag im traditionellen Sinne gefeiert habe. Zum Glück wird es im Februar ja schon früh dunkel und als er endlich wieder runter kam und mir seine Hand hin hielt, da tanzten tausend Schmetterlinge in meinem Bauch. Er führte mich die Treppe rauf, hielt mir meine Augen zu und bugsierte mich sanft in mein Zimmer.

Dann nahm er seine Hände weg und überall strahlten mich diese kleinen Sterne an. Genau über meinem Bett hatte er mit den Sternen My brightest Star geschrieben. Ich sah ihn mit großen Augen an und er lächelte, ein solches Lächeln bei dem ich nicht anderes konnte als wie es zu erwidern.

„Jetzt ist deine Mum auch bei dir, wenn am Himmel mal Wolken sind und egal wo ich auf der Welt bin, du schaust hoch und ich bin bei dir. Immer.“ flüsterte er leise, ich fiel ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch.

Dann kamen die beiden Monate in denen wir uns an so etwas wie einer Beziehung versuchten. Wir scheiterten kläglich und wir verloren niemals ein Wort darüber. Warum weiß ich auch nicht, aber wahrscheinlich war es dieser Moment, unser erster Kuss, in dem mir klar wurde, das ich ihn liebe... weit mehr als einen Bruder. Aber ich versuchte es abzuschütteln, verabredete mich mit anderen Jungs, ging aus und hatte meinen Spaß. Soweit das mit Jake und Taylor als Aufpasser eben möglich war.

Mit diesen Bildern vor meinem inneren Auge schlafe ich schließlich irgendwann vor Erschöpfung ein...

Als ich wach werde rufe ich zuerst Aimee an und natürlich kann ich zu ihr kommen. Sie weiß, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, aber sie hat so viel Taktgefühl zu warten, bis ich bei ihr bin um mich dann auszufragen. Ich gehe duschen und schlüpfe in eine Jeans und ein T-Shirt, Sachen die ich zum Glück immer bei meinem Dad liegen habe. Als ich in die Küche komme machen Matt und mein Dad Frühstück und Ava sitzt am Tisch, ihr Gesicht in beiden Händen vergraben. Ich gehe zu ihr und hauche ihr einen Kuss auf die Haare.

Sie zuckt leicht zusammen und sieht mich mit roten Augen an.

„Die Herren der Schöpfung machen Frühstück?“ flüstere ich ihr zu und tatsächlich huscht ein Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht.

„Das wird ein Brunch, hat mir Dad erklärt.“ sie deutet auf unseren Dad der gerade Rührei macht. Er und Matt haben mich noch gar nicht zur Kenntnis genommen und ich lege meinen Arm um Ava um sie etwas zu beobachten.

„Keine Kirche heute?“ frage ich leise.

„Nein uns ist nicht danach.“ sie zuckt mit den Schultern.

„Danke.“ ich nehme ihre Hand in meine und drücke sie ganz sanft.

Dann dreht sich Matt zu uns um.

„Du bist ja wach.“ er grinst leicht und stellt mir eine Tasse Tee hin. „Brunch ist gleich fertig.“

„Lieb von euch.“ ich schicke ihm und meinem Dad einen Handkuss und die beiden decken auf. Die Stimmung beim Essen ist eher gedrückt und ich zwinge mir nur ein Brötchen runter weil ich weiß, das Ava und Matt mich beobachten.

„Ich bin nur in Galway, in drei Stunden könnt ihr bei mir sein.“ versuche ich wohl eher mir selbst Mut zu machen.

„Hast du schon mit Aimee gesprochen?“ Ava sieht auf und ich sehe, das Tränen in ihren Augen schimmern.

„Ja, gleich nach dem aufstehen. Ich kann erst einmal zu ihr und wenn ich alles geklärt habe, dann komme ich noch mal kurz her und ziehe einen sauberen Schlussstrich.“ ich stochere in meinem Rührei herum.

„Sag mir nur eins...“ mein Dad sieht mich durchdringend an „Hat es etwas mit Taylor zu tun?“

Ich senke meinen Blick und das ist für ihn schon Antwort genug.

„Es tut mir leid Süße, aber wenn er nicht sieht, wie wundervoll du bist, dann hat er dich einfach nicht verdient.“

„Oh Daddy...“ ich lasse meine Gabel sinken „Ich bin schwanger von ihm.“ hauche ich.

Er schließt kurz seine Augen „Und wie ich dich kenne, soll weder er noch Annie und Carl etwas davon erfahren, oder?“ erahnt er.

„Das wäre mir am liebsten.“ gebe ich zu. „Ich will dich nicht bitten...“ beginne ich.

„Du musst mich nicht bitten meine Süße, was du wem sagst, das ist deine Entscheidung und ich gebe zu, nachdem wie sich Taylor in letzter Zeit verhalten hat, kann ich dich verstehen und ich verstehe sogar warum du Annie und Carl nichts sagen willst.“ gibt er zu.

„Ich will nicht, das sie Taylor Vorwürfe machen.“ sage ich und er nickt.

„Aber du verabschiedest dich von ihnen, oder?“ er greift nach meiner Hand, die auf meinem Schoss liegt.

„Ja, ich fahre morgen, bevor ich nach Galway fahre, bei ihnen vorbei. Luke habe ich auch schon angerufen. Er meint, ich soll mir eine Auszeit nehmen und wenn ich wirklich sicher bin, was ich will, dann soll ich mich melden.“ ich atme tief durch.

„Du weißt, das du für den Jungen den ultimativen Liebesbeweis erbringst, oder?“ mein Dad schluckt schwer.

„Ein Liebesbeweis?“ ich sehe ihn verständnislos an.

„Ja Süße, du gibst alles auf, damit er aufwacht.“ er nickt mir zu.

„Das ist kein Liebesbeweis.“ winke ich ab „Ich habe nur endlich erkannt, dass es so nicht weiter gehen kann. Schon gar nicht unter diesen Umständen.“ ich lege meine freie Hand auf meinen Bauch.

„Du schaffst alles, was du willst. Du bist die Tochter deiner Mum.“ sagt er liebevoll. „Wir sind immer für dich da und in diesem Haus ist immer Platz für dich. Für euch.“

„Ich danke dir Daddy.“ ich drücke seine Hand und Ava schluchzt leise.

„Bitte Ava, nicht weinen.“ bitte ich sie inständig.

„Ich ertrage es nicht, das du gehst.“ weint sie, ich stehe auf und gehe zu ihr.

„Ich gehe nicht von dir weg. Ich muss gehen und du weißt, ich muss das für mich tun.“ ich lege meine Hand unter ihr Kinn und zwinge sie mich anzusehen „Du bist und bleibst einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Mensch, in meinem Leben.“

„Ich werde dich so sehr vermissen.“ sie steht auf und nimmt mich in den Arm.

„Ich dich auch.“ ich schlucke tapfer meiner eigenen Tränen runter und sehe zu Matt „Habt ihr Zeit zu mir zu fahren und ein paar Sachen einzupacken?“

„Immer.“ er nickt und beginnt den Esstisch abzuräumen.

„Ich mach das schon, fahrt ihr los.“ winkt mein Dad ab.

„Danke Daddy.“ ich gehe zu ihm und drücke ihm einen Kuss auf seine kratzige Wange.

Die Fahrt zu meiner Wohnung ist eher schweigsam und dort angekommen packe ich die wichtigsten Dinge in Kartons.

Drei Kartons.

Es ist merkwürdig wie man sein Leben auf drei Kartons reduzieren kann, alles andere packen wir auch so weit ein und ich schreibe schnell eine Kündigung meiner Wohnung. Ich habe mit der Kündigungsfrist noch 6 Wochen um mich um alles zu kümmern, das sollte ausreichend sein. Ich denke Dean wird mir da schon entgegen kommen, immerhin ist er nicht nur mein Vermieter, sondern auch ein Freund meines Dads.

Wir sind am späten Nachmittag wieder bei meinem Dad und da Sonntag ist und das Pub zu hat, verbringen wir den Abend zusammen mit Matt und Ava. Wir reden nicht viel, aber alles was gesagt werden musste, wurde ja auch gesagt.

Als ich mich am nächsten Morgen von meinem Dad, Matt und Ava verabschiede endet es in einem Tränenmeer.

Aber ich habe eine Entscheidung getroffen und muss dazu stehen.

Ich hoffe nur, sie hat bei Taylor auch den gewünschten Effekt.

Er muss aufwachen und sein Leben auf die Reihe bekommen.

Es wird nie ein UNS geben, aber wir beide haben unabhängig voneinander ein schönes Leben verdient.

Was er daraus macht, bleibt jetzt ganz allein ihm überlassen.

Ich habe getan, was ich tun konnte und wahrscheinlich noch mehr wie das.

Ich habe alles von mir gegeben...

Aber jetzt ist Schluss, ich kann nicht mehr.

Dann fahre ich zur Farm der MacKennas und Carl sieht mich erstaunt an, als ich klopfe und er mir die Tür öffnet.

„Was machst du denn hier? Wir haben euch gestern in der Kirche vermisst.“ er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und wir gehen in die Küche, wo Annie gerade das Mittagessen vorbereitet.

„Wir hatten viel zu tun.“ antworte ich ausweichend „Ich wollte mich verabschieden.“ ich sehe zu Carl und Annie hält in ihrer Bewegung inne und kommt zu mir.

„Wie meinst du das?“ sie legt ihren Kopf schief.

„Ich gehe weg aus Sandycove.“ ich zucke entschuldigend mit den Schultern und Annie schlägt ihre Hände vor den Mund.

„Es ist wegen Taylor, oder?“ sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Er hat dir weh getan, oder?“

Mir steigen Tränen in die Augen und ich nicke ganz langsam.

„Oh Kleines.“ sie zieht mich in ihre Arme „Wo willst du denn jetzt hin?“

„Zu einer Freundin.“ antworte ich ausweichend.

„Wir bitten dich, gehe nicht.“ Annie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Ihr werdet das doch klären können.“

„Nein Annie, dieses Mal nicht.“ ich lege meine Hände auf ihre und schüttele traurig mit dem Kopf „Ich brauche einen Neustart.“

„Aber Kleines, Sandycove ist dein Zuhause.“ Carl streicht mir sanft über die Wange.

„Mag sein, aber ein Zuhause wo es mir nicht gut geht, ist auch kein wirkliches Zuhause...“ ich atme tief durch „Es geht mir hier schon lange nicht mehr gut.“ gestehe ich.

„Taylor muss...“ setzt Annie an.

„Nein Annie, er muss gar nichts.“ wehre ich ab und merke wie die ersten Tränen langsam über meine Wange laufen und salzige Spuren hinterlassen.

Wie viel kann ein Mensch eigentlich weinen?

Muss nicht irgendwann mal Schluss sein?

„Mum? Dad?“ die Haustür fliegt auf und Taylor steht in der Tür, als er mich sieht atmet er tief durch. Er hat ein ordentliches Veilchen von Matt und Carl sieht ihn skeptisch an.

„Sammy...“ sagt er leise, als er sieht, dass ich weine.

„Ich muss los. Ich komme euch bald wieder besuchen. Habt bitte ein Auge auf Dad und Ava.“ ich nehme erst Carl und dann Annie in den Arm

„Kleines...“ setzt Carl an.

„Nein Carl, es ist alles gesagt, alles getan und ich habe wirklich alles versucht.“ ich schüttele meinen Kopf und wische meine Tränen weg.

Ich dränge mich an Taylor vorbei nach draußen, doch er hält mich am Arm fest und ich sehe ihn überrascht an.

„Was willst du Taylor MacKenna?“ obwohl ich es nicht will zittert meine Stimme.

„Was hast du vor?“ fragt er leise.

„Das geht dich nichts an.“ ich mache mich unwirsch von ihm los „Nichts was mein Leben betrifft, wird dich jemals wieder was angehen. Ich habe dir gesagt, dass ich dich nie wieder behelligen werde und ich stehe zu meinem Wort.“ damit steige ich die Verandastufen hinunter und gehe zu meinem Auto.

„Warte doch.“ ruft er mir hinterher.

„Nein, ich will nicht mehr warten.“ ich sehe ihn ein letztes Mal an „Du hast dich entschieden und das habe ich auch.“ ich winke Carl und Annie kurz zu, steige ein und fahre vom Hof.

Ich weine die ganze Fahrt nach Galway und als ich bei Aimee ankomme muss ich ein schreckliches Bild bieten.

Sie stellt keine Fragen, nimmt mich einfach in den Arm und lässt mich weinen.

Ian ist so taktvoll, das er Aimee und mich alleine lässt und sich zu einem Freund verabschiedet.

Zusammen gekauert liege ich gefühlte Stunden später auf der Couch und mein Herz schmerzt so sehr, das ich denke, es ist in tausende Einzelteile zersprungen.

„Ich wage es kaum zu fragen, aber du kehrst Sandycove wegen Taylor den Rücken, oder?“ Aimees hellbraune Augen mustern mich und ich nicke schwach.

„Ich bekomme ein Kind von ihm.“ flüstere ich.

Was? Oh mein Gott!“ sie schlägt die Hände vor den Mund.

„Ja, er weiß es nicht, Annie und Carl wissen es nicht und so soll es bleiben.“ sage ich eindringlich. Immerhin hat sie ja auch Familie in Sandycove und wenn etwas in unserem Fischerdorf funktioniert, dann ist es die Klatschabteilung „Ich bitte dich Aimee.“ flehe ich sie an.

„Natürlich.“ sie nickt mir zu und nimmt mich wieder in den Arm „In welcher Woche bist du?“

„In der 9. Der Termin ist am 9. Mai.“ ich sehe sie an und ein kleines Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht.

„Herzlichen Glückwunsch.“ sie sieht mich prüfend an und auch ich lächle zaghaft unter Tränen. „Was hast du jetzt vor?“

„Ich weiß es nicht...“ ich zucke ratlos mit den Schultern.

„Willst du hier in Galway bleiben?“ sie zieht mich in ihre Arme.

„Ja.“ sage ich schwach.

„Okay, wir brauchen ein Plan Sammy. Ein Plan ist immer gut.“ sie rückt mich ein Stück von sich weg.

„Einen Plan?“ ich sehe sie mit großen Augen an „Im Moment überfordert es mich weiter als wie bis morgen zu denken.“

„Dafür hast du ja mich.“ sie nickt sicher, steht auf und holt einen Block nebst Stift.

„Aimee...“ setze ich an.

„Nein Sammy, es geht jetzt um dich und dein Leben. Du hast es lange genug Taylor untergeordnet. Du bekommst ein Baby und das soll einen stabilen Rahmen haben.“ bestimmt sie.

„Okay.“ gebe ich nach.

Sie hat ja Recht, ich muss mein Leben auf die Reihe bekommen. Hier zu sitzen und zu weinen bringt mich nicht weiter.

„Also gut...“ sie tippt sich mit dem Stift an die Lippe „Zu aller erst müssen wir uns um eine Wohnung und einen Job kümmern. Wegen einer Wohnung rufe ich morgen, Seth, einen Freund von Ian an, er ist Makler und wenn ich ihn um einen Gefallen bitte, dann wird er ihm mir kaum ausschlagen.“ denkt sie laut nach „Du brauchst etwas in einer ruhigen Lage, mit mindestens 2 Zimmern, denn das Baby braucht ein Kinderzimmer. Vielleicht mit etwas grün drum herum und richtig gut wäre es hier in Salthill, dann habe ich dich in der Nähe.“

„Aimee, ich glaube, das liegt nicht in meinem finanziellen Rahmen.“ gebe ich zu bedenken. Die Gegend hier sieht teuer aus und ich bin mir sicher sie ist es auch...

Ich habe ja noch nicht einmal einen Job.

„Das lass mal meine Sorge sein.“ winkt sie ab. „Dann brauchst du einen Job, mit deinem Abschluss an der Business School sollte Ian mit seinen Kontakten leicht was finden.“

„Ich bin schwanger.“ erinnere ich sie.

Und? Das heißt ja nicht, das du nicht arbeiten kannst, oder? Sie müssen halt nur einkalkulieren, das du in ein paar Monaten erst einmal in den Mutterschutz gehst.“ sie winkt erneut ab.

Bei ihr klingt das so einfach...

Weiß sie, was da alles auf mich zu kommt?

„Okay, das sind die größten Aufgaben und dann dürfen wir natürlich nicht vergessen uns um dein geschundenes Herz zu kümmern.“ sie sieht mich liebevoll an.

„Oh Aimee, es ist gebrochen, alles andere bekomme ich bestimmt auf die Reihe, aber mein Herz wird sich nicht so schnell davon erholen.“ wieder steigen mir Tränen in die Augen.

„Sammy.“ sie zwingt mich sie anzusehen „Gebrochene Herzen heilen zwar langsam, aber sie heilen.“ verspricht sie mir.

„Wie soll ich es jemals heilen? Ich werde ihn immer sehen, wenn ich unser Baby ansehe und ich werde mich jeden Tag daran erinnern, das ich es selbst verschuldet habe.“ ich wische über meine Augen.

„Du hast gar nichts verschuldet.“ sie nimmt meine Hände in ihre „Du hast versucht ihm zu helfen, du hast alles gegeben und das Baby wird dich vielleicht an ihn erinnern, aber es wird ein wunderbarer, eigenständiger Mensch sein. Ein Mensch der dir sein Leben verdankt und der dich bedingungslos lieben wird.“ versichert sie mir.

Es klopft leise an die Wohnzimmertür und Ian kommt vorsichtig herein.

„Ist bei euch alles gut?“ fragt er besorgt.

„Sammys Herz ist gebrochen, sie wird hierher nach Galway ziehen und braucht eine Wohnung und einen Job.“ Aimee sieht ihn an und er nickt erstaunt.

„Nichts was wir nicht hinbekommen können.“ sagt er sicher.

„Sie hat ein Detail ausgelassen.“ ich sehe zu Aimee „Ich bin schwanger.“

„Herzlichen Glückwunsch.“ er kommt zu uns, zieht mich in seine Arme und nimmt sich Aimee ihre Liste zur Hand „Das ist doch kein Problem, sondern ein Grund sich zu freuen. Dann wird unsere Mission umso wichtiger.“ er zwinkert mir zu und ich wische meine letzten Tränen weg.

Ich habe genug geweint.

Ich muss aufstehen und kämpfen.

Für mich.

Für mein Baby.

„Wegen der Wohnung sollten wir Seth Bescheid sagen.“ er sieht zu Aimee und sie nickt bestätigend.

„Ja, am besten hier in Salthill.“ fügt sie hinzu und Ian nickt zustimmend.

„Ja und wegen einem Job frage ich Hailey mal ob sie bei Green & Ross jemanden suchen.“ er schreibt eine Notiz auf die Liste.

„Ich danke euch.“ sage ich leise.

„Dafür nicht und jetzt sollten wir alle ins Bett, es ist schon kurz nach Mitternacht und ich glaube nicht, das wir jetzt noch viel ausrichten können.“ er sieht erst mich und dann Aimee an.

„Ich bringe dich hoch.“ bietet sie sich an doch ich winke ab.

„Es geht schon.“ ich stehe auf und nehme sie in den Arm.

„Ich danke euch wirklich.“ flüstere ich.

„Dafür sind Freunde da.“ versichert sie mir und Ian haucht mir einen Kuss auf die Haare.

„Wir bekommen das hin.“ er schenkt mir ein gütiges Lächeln und ich ziehe mich, nachdem ich mich kurz frisch gemacht habe, ins Gästezimmer zurück.

Ich starre die Decke an und versuche mir vorzustellen wie mein Leben in einem Jahr aussehen wird, aber alles was ich sehe, wenn ich meine Augen schließe, ist Taylors Gesicht.

Verschlossen.

Kalt.

Unnahbar.

Ohne einen Funken Liebe im Blick.

Irgendwann übermannt mich der Schlaf und als ich wach werde, muss ich erst einmal realisieren wo ich bin und warum ich hier in. Dann stürzt alles auf mich ein und ich rolle mich zusammen.

Eine ganze Zeit liege ich einfach so auf dem Bett, doch dann rappele ich mich auf und tapse ins Bad. Nach einer kurzen Dusche fühle ich mich etwas besser und als ich in die Küche komme staune ich nicht schlecht, denn Aimee und Ian sitzen am Küchentresen und sehen mich an, als ich herein komme.

„Müsst ihr nicht arbeiten?“ frage ich verwirrt.

„Wir haben uns frei genommen.“ erklärt Ian mir, geht an den Küchenschrank, stellt mir eine Schüssel hin und füllt sie mit Müsli. Dann holt er Milch und ein Glas Orangensaft und deutet auf den Stuhl neben seinem.

„Frühstück.“ sagt er eindringlich und ich setze mich perplex.

„Ihr müsst doch nicht….“ Setze ich an.

„Doch Sammy, keine Widerrede…. Also gut Murmeltier.“ Aimee grinst mich an und ich erhasche einen Blick auf die große Küchenuhr.

Was?

Kurz nach 12 Uhr?

„Sorry.“ stammele ich und schiebe mir verlegen einen Löffel Müsli in den Mund.

„Schon Okay.“ grinst sie „Wir haben unseren Freund Seth erreicht und er denkt Anfang nächste Woche hat er zwei, drei Objekte die du dir anschauen kannst. Er verzichtet auf seine Courtage und versucht mit den Vermietern wegen der Miete zu verhandeln.“

Mit großen Augen sehe ich sie an.

„Was?“ japse ich.

So schnell habe ich mein Leben hier nicht solche Formen annehmen sehen.

„Ja und Hailey, eine Freundin von mir, die in einer großen Werbeagentur arbeitet hat dir am Donnerstag ein Vorstellungsgespräch besorgt und keine Angst, sie wissen das du schwanger bist, aber deine Zeugnisse habe sie überzeugt.“ Ian zwinkert mir zu.

„Meine Zeugnisse?“ echoe ich.

„Ja, ich habe bei Luke angerufen und er hat mir alles zu gemailt.“ Aimee deutet auf eine Mappe auf dem Tisch „Nebst einem 1a Zeugnis für dich.“

„Wow.“ ich schlucke schwer.

„Ja und dabei sind wir auch erst um 10 Uhr aufgestanden.“ Ian sieht mich zufrieden mit sich an.

„Ich kann euch niemals genug danken.“ verlegen streiche ich mir meinen Pony aus der Stirn.

„Hör jetzt auf Sammy.“ Aimee deutet auf meinen O-Saft, den ich mit einem Zug leere „Wir machen es gerne und ich freue mich, dich wieder in meiner Nähe zu haben.“

„Es ist eine Umstellung.“ gebe ich zu.

Ich wollte nie weg aus Sandycove, das ist mein Zuhause, da kenne ich jeden und da ist mein Herz.

„Salthill ist ruhig und beschaulich, so eine große Umstellung wird es nicht werden.“ versucht Aimee mich zu beruhigen. „Ich habe übrigens auch schon mit Ava telefoniert und ihr gesagt, das du wohlbehalten angekommen bist und das es dir den Umständen entsprechend gut geht.“
„Danke Aimee.“ ich atme tief durch.

Ich habe gestern total vergessen Ava wenigstens eine SMS zu schreiben, sie muss sich Sorgen gemacht haben.

„Ich habe ihr auch versichern müssen, das ich auf dich aufpasse und dafür sorgen werde, das es dir an nichts fehlt.“ fügt sie hinzu.

„Sie macht sich Sorgen.“ sage ich eher zu mir wie zu ihr.

„Verständlicher Weise, du bist im Moment nicht gerade bekannt dafür, auf dich aufzupassen.“ sie grinst schief.

„Nicht wirklich.“ gebe ich zu.

„Gut, für heute haben wir schon viel geschafft...“ Ian klatscht in die Hände „Was halten die Damen von einem Ausflug ins Spa?“

„Ja!“ jubelt Aimee sogleich und ich sehe Ian verwundert an.

„Wir sind Mitglied in einem Golfclub und haben da so einige Vorteile.“ lächelt er „Los komm, Jacke anziehen und dann steht Erholung auf dem Programm.“

Sein Vorschlag gefällt mir, es ist vielleicht das, was ich jetzt brauche.

Ein wenig Ruhe und Entspannung.

Moment Mal Golfclub?

„Ihr spielt Golf?“ frage ich plötzlich verwundert und Aimee lacht los.

„Wer sagt denn dass man Golf spielen muss um in einem Golfclub zu sein?“

„Der Name? GOLFclub?!“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Ich kann golfen, ab und zu lasse ich mich auch zu einer Runde überreden, aber Aimee ist unterirdisch schlecht.“ Ian deutet auf Aimee und sie sieht ihn strafend an.

„Komm schon…“ grinst er.

„Ja, er hat Recht, ich bin echt schlecht….“ Gibt sie schließlich zu „… Aber ich bin nicht im Golfclub um zu golfen, ich genieße das Spa und das Fitnessstudio.“ Sie zwinkert mir zu und ich grinse.

Als wir den Golfclub erreichen staune ich nicht schlecht, die Eingangshalle ist riesig und Ian besorgt mir einen Besucherausweis für einen Tag.

„So, dann wünsche ich den Ladies einen angenehmen Aufenthalt.“ Er zwinkert mir zu und geht dann in Richtung Fitnessstudio während mich Aimee in Richtung Spa zieht.

„Guten Tag die Damen, was können wir ihnen heute Gutes tun?“ werden wir von einer älteren Frau empfangen.

„Eine Tiefenmassage, Hot Stones und Gesichtsbehandlung.“ Bestellt Aimee für uns und ich sehe sie mit großen Augen an. „Wenn schon, denn schon.“ Lacht sie.

Die Dame reicht uns Bademäntel und deutet auf zwei kleine Umkleidekabinen.

„Jeremy und Ellis haben Zeit für sie.“ Erklärt sie uns freundlich und ich folge Aimee durch das in Naturtönen und mit vielen Pflanzen eingerichtete Empfangszimmer.

„Ausziehen, Unterwäsche anlassen und Bademantel über.“ Aimee zwinkert mir zu und betritt eine der Kabinen und ich folge ihrem Beispiel und betrete die andere Kabine. An der Wand sind drei kleine Schränke angebracht und ich ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus und schlüpfe in den Bademantel um dann auf der anderen Seite des Raumes aus der Tür zu treten.

„Hallo, ich bin Jeremy, meine Kollegin hat sich deiner Freundin angenommen und ich werde mich um dich kümmern.“ Er lächelt mich freundlich an. „Ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich dich duze.“ Fügt er noch schnell hinzu und ich nicke verblüfft.

„Dann komm.“ Er deutet auf eine Massageliege, ein paar Meter weiter ist seine Kollegin schon dabei Aimee einzuölen und diese schenkt mir ein seliges Lächeln.

„Du wirst es lieben.“ Prophezeit sie mir.

Ich lege meinen Bademantel ab und lege mich auf die Liege… und Gott, Aimee hat Recht, es ist himmlisch und ich entspanne mich unter Jeremys fachkundigen Händen.

Ich schließe meine Augen und versuche meine Zukunft nicht ausschließlich schwarz zu sehen.

Ich bin 26.

Ich wohne jetzt hier in Galway.

Ich habe ein vielversprechendes Vorstellungsgespräch.

Ich schaue mir nächste Woche Wohnungen an.

Ich bekomme ein Baby.

Es könnte Schlimmer sein...

Okay, mein Herz ist nicht nur gebrochen, sondern in tausend Einzelteile zerschmettert, aber ich hoffe wirklich an dem Spruch 'Die Zeit heilt alle Wunden' ist wenigstens etwas Wahres dran.

Bis dahin muss ich wohl mit dem Schmerz, den allein sein Name bei mir auslöst, leben.

Irgendwie.

Nach der Massage komme ich das erste Mal in den Genuss von Hot Stones, heiße Steine die auf Akkupressurpunkte gelegt werden und eine wohltuende Schwere in mir auslösen… das möchte ich jeden Tag.

Nach der anschließenden Gesichtsbehandlung fühle ich mich wirklich entspannt und beinahe ausgeglichen.

Am Abend kocht uns Ian etwas und ich muss sagen, er ist ein wirklich guter Koch, ich werde mir wohl ab und an bei ihm etwas abschauen, denn bisher sind meine Kochkünste eher dürftig.

Ich kann mein Baby ja nicht nur von Suppe ernähren...

Am nächsten Tag bin ich allein im Haus, denn Aimee und Ian sind zur Arbeit. Ich finde ein Frühstück in der Küche vor und daneben ein Zettel, das ich ja alles aufessen soll.

Obwohl ich nicht wirklich hungrig bin und ich weiß, dass mich ja niemand kontrollieren kann, esse ich trotzdem wenigstens etwas Müsli und trinke brav den Orangensaft. Dann setze ich mich vor den Fernseher, aber eigentlich folge ich dem Programm nicht wirklich, sondern starre die Wand hinter dem Fernseher an. Ian kommt schon kurz nach 12 Uhr nach Hause und ich fühle mich ein wenig ertappt, das ich noch nichts anderes außer frühstücken und fernsehen getan habe.

„Wie geht es dir?“ er lässt sich neben mir auf die Couch plumpsen.

„Es ist alles ein wenig viel.“ gebe ich zu.

„Kann ich verstehen.“ er kaut auf seiner Unterlippe „Ich habe gestern noch etwas mit Aimee geredet und glaub mir Sam, wir werden alles dafür tun, das du es hier in Galway gut hast.“ verspricht er mir.

„Das ist wirklich lieb von euch.“ ich schlucke schwer, ziehe meine Beine an und umschlinge sie mit meinen Armen.

„Aimee meint auch, das wir dir irgendwann in den nächsten Monaten auf jeden Fall ein neues Auto kaufen sollten, nichts gegen dein Auto...“ er grinst als ich erschrocken aufblicke. Bisher hat mein Golf mir gute Dienste geleistet. „... Aber ehrlich Sam, ich habe Angst, das das Ding in seine Einzelteile zerfällt, wenn ich es auch nur zu lange anschaue und über kurz oder lang wird es wahrscheinlich auch etwas zu klein werden. Wo willst du denn da einen Kinderwagen rein bekommen?“

„Okay, ein weiterer Punkt auf der Liste, ein neues Auto.“ ich seufze leise.

„Aber das hat noch etwas Zeit, sag mir einfach Bescheid. Ich habe ein paar Kontakte, wenn du weißt, was du dir vorstellst, dann lässt sich das auch finden.“ versichert er mir.

„Ich hätte gerne irgendwann einen Volvo.“ sage ich leise.

„Einen Volvo? Eine sehr gute Wahl, ein sicheres und zuverlässiges Auto.“ er nickt zustimmend.

„Ja, einen V70 Kombi, dunkelblau.“ ich kaue an der Nagelhaut meines kleinen Fingers.

„Da steckt mehr dahinter, oder?“ fragt er vorsichtig nach und ich nicke leicht.

Es ist vielleicht total bescheuert und ich werde mich so noch mehr an Taylor erinnern, aber auch an Jake und den will ich unter keinen Umständen vergessen.

Ich habe Angst, dass er irgendwann nur noch eine blasse Erinnerung ist...

Das hat er nicht verdient, er war wie ein Bruder und ich will, nein ich muss mich an ihn erinnern, denn ich werde bestimmt nicht oft zu Annie und Carl fahren und sein Gesicht dort auf den unzähligen Bildern sehen. Ich brauche etwas anderes und wenn ich schon ein neues Auto brauche, warum denn nicht so ein Auto wie er und Taylor?

„Ich versuche mein Möglichstes und da es ja noch etwas Zeit hat, wird es vielleicht was.“ Ian legt seinen Arm auf mein Knie „Du solltest deine Beine nicht so anziehen, das Baby braucht Platz.“ witzelt er und tatsächlich huscht mir ein Lächeln übers Gesicht und ich lasse meine Beine wieder über die Couchkante sinken.

„Das Baby ist in etwa so groß wie eine Weintraube.“ Erkläre ich grinsend.

„Trotzdem braucht es Platz.“ Er zwinkert mir zu „Und wie sieht es aus? Hunger?“ er sieht mich prüfend an und ich nicke leicht.

Eigentlich habe ich immer noch keinen Hunger, aber ich muss ja ab und zu was essen, das Frühstück hält nicht ewig vor.

„Sehr gut.“ lobt er mich „Wir werden uns jetzt Beide in der Küche versuchen. Aimee hat in einer Stunde Feierabend, das heißt sie ist in 1 ½ Stunden zu Hause. Bis dahin bekommen wir vielleicht was Leckeres gezaubert.“ er steht auf und hält mir seine Hand hin.

„Du kannst richtig gut kochen.“ ich ergreife seine Hand „Ich muss mir wohl ein paar Tricks von dir zeigen lassen, denn ich bin kochtechnisch eher unterentwickelt.“ ich zwinkere ihm zu und wir gehen gemeinsam in die Küche.

„Dann wollen wir mal...“ er klatscht in die Hände und ehe ich mich versehe finde ich mich in einem Ian-Crashkurs im Kochen wieder.

Aber es macht Spaß, es lenkt mich ab und Aimee ist vollends zufrieden mit unserer Leistung.

Am Donnerstagmorgen schlüpfe ich in eine dunkelblaue Jeans, eine weiße Bluse und einen schwarzen Blazer, das ist irgendwie das einzige, was einem Vorstellungsgespräch annähernd gerecht wird und da Ian mir eine wirklich detaillierte Wegbeschreibung da gelassen hat, bin ich pünktlich in der Werbeagentur Green & Ross. Ich gehe zum Empfang und eine freundliche ältere Dame sieht mich fragend an. Sie hat kupferrotes Haar, ist etwas rundlich und strahlt Ruhe und Wärme aus. Sie ist mir auf den ersten Blick sympathisch.

„Wie kann ich ihnen helfen?“ sie legt leicht ihren Kopf schief und ich atme kurz durch.

„Mein Name ist Samira Porter, ich habe ein Vorstellungsgespräch.“ meine Stimme klingt piepsig und ich ärgere mich über mich selbst.

„Ah ja, Miss Porter.“ sie strahlt mich an und scheint meine Unsicherheit einfach zu übergehen „Mr. Ross erwartet sie.“ sie steht auf und deutet mir an ihr zu folgen.

Sie klopft an eine Milchglastür, wartet aber nicht ab ob jemand was sagt und bugsiert mich in ein großes Büro.

„Michael? Miss Porter ist hier.“ sie deutet auf mich und hinter einem imposanten Schreibtisch erhebt sich ein Mann mittleren Alters, mit grauem Haar und weißen Schläfen.

„Es freut mich sie kenne zu lernen Miss Porter, ich bin Michael Ross.“ er reicht mir seine Hand und ich ergreife sie eilig.

„Die Freude ist auf meiner Seite. Vielen Dank, das sie sich Zeit für mich nehmen.“ beeile ich mich zu sagen und meine Stimme hat schon wieder etwas von ihrer Selbstsicherheit zurück bekommen.

„Danke Eileen.“ er nickt der älteren Dame freundlich zu. „Ich rufe dich, wenn wir was brauchen.“

„Aber sicher.“ sie macht auf dem Absatz kehrt und schleißt die Tür hinter sich.

„Nehmen sie Platz Miss Porter.“ er deutet auf einen Stuhl gegenüber seinem eigenen und ich setze mich.

Auch er nimmt wieder Platz und zieht eine kleine Mappe aus einem Stapel Unterlagen, der auf seinem Schreibtisch liegt.

„Sie haben wirklich sehr gute Zeugnisse und eine schon fast einer Heiligsprechung gleichkommende Beurteilung ihres letzten Arbeitgebers...“ er blättert in der Mappe „Luke O'Grady von OGF in Sandycove.“

„Ja, seit meinem Abschluss habe ich für ihn und seinen Vater gearbeitet.“ ich lächle unsicher.

„Und wenn ich ihn richtig verstehe, dann haben sie die Lohnabrechnung, die Terminkoordination und die Kundenbetreuung übernommen und sich nebenbei noch um den Verkauf und Einkauf gekümmert.“ er nickt anerkennend.

„Ja.“ sage ich nur.

Was soll ich auch sonst sagen?

„Warum hören sie bei OGF auf?“ er mustert mich kurz.

„Ich ziehe hierher nach Galway.“ antworte ich knapp.

„Und sie werden nächstes Jahr im Mai Mutter? Herzlichen Glückwunsch.“ er lächelt freundlich.

„Vielen Dank. Ja das stimmt, genau deswegen habe ich mich entschlossen hierher zu kommen und Ian Lowers war so nett mir das Vorstellungsgespräch zu besorgen.“ ich falte meine Hände auf meinen übereinander geschlagenen Beinen.

„Ich kenne Ian Lowers leider noch nicht persönlich, aber Hailey schwärmt in den höchsten Tönen von ihm. Aber ganz ehrlich Miss Porter mit ihren Zeugnissen hätten sie eigentlich keinen Fürsprecher nötig.“ er nickt anerkennend. „Ich würde ihnen gerne eine Stelle als Koordinationsleiterin anbieten. Sie müssten Kundentermine, Besprechungen und andere Termine von mir und meinem Kollegen koordinieren und abstimmen. Des Weiteren würde ich gerne unserer Lohnbuchhaltung in ihre Hände legen. Was halten sie davon?“ er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Sie geben mir einen Job?“ frage ich erstaunt.

„Aber sicher Miss Porter, sie sind qualifiziert, effizient und...“ er beugt sich vor und blättert erneut in der Mappe „... ach ja, hier haben wir es zielstrebig, gewissenhaft und durchsetzungsfähig. Genau das brauchen wir hier. Also wenn sie wollen, dann willkommen im Team vom Green & Ross.“ er hält mir seine Hand hin.

„Vielen Dank.“ ich schüttele die angebotene Hand.

„Bis sie in den Mutterschutz gehen würden wir sie Vollzeit einstellen und danach finden wir bestimmt eine angemessene Stundenzahl.“ er drückt einen Knopf auf seinem Telefon „Eileen, machst du bitte einen Arbeitsvertrag für Miss Porter fertig? 36 Stunden und Gehalt angepasst.“

„Aber sicher Chef.“ ertönt es sogleich.

„Ich danke ihnen wirklich sehr Mr. Ross.“ ich atme erleichtert aus.

„Du musst noch lernen dir selbst zu vertrauen Samira.“ wieder lächelt er. „Ich darf doch Samira sagen, oder? Wir sind hier nicht so förmlich. Ich bin Michael und zu Frank solltest du nicht Mr. Green sagen, sonst denkt er immer sein Dad steht hinter ihm und da dieser schon seit ein paar Jahren tot ist, erschrickt er sich jedes Mal fast zu Tode.“ er zwinkert mir zu.

„Sam bitte, Samira werde ich nur äußerst selten genannt.“ ich lache leise „Vielen Dank Michael, ich werde dich nicht enttäuschen.“ verspreche ich ihm.

„Kannst du am 20. Oktober anfangen? Ich weiß, das ist ein komisches Datum, aber deine Vorgängerin ist seit dem 01. Oktober in Rente und Eileen weiß langsam nicht mehr wo ihr der Kopf steht. Reichen 14 Tage um alles zu klären?“ er sieht mich lange an.

„Aber sicher.“ ich nicke leicht und Eileen kommt wieder zusammen mit ihrem Klopfen herein und reicht ihm ein paar zusammen geheftete Blätter.

Er setzt schwungvoll seine Unterschrift drunter und reicht mir die Blätter.

„Bring den unterschriebenen Vertrag am 20. mit, dann kannst du dich gleich selbst darum kümmern.“ er zwinkert mir zu.

„Danke Michael.“ ich nehme meinen Arbeitsvertrag an mich und stehe auf.

„Bis in 14 Tagen.“ er nickt mir zu.

„Bis dann.“ ich verlasse zusammen mit Eileen das Büro.

„Willkommen bei Green & Ross.“ sie strahlt mich wieder an.

„Danke, wow, das ging mal schnell.“ ich sehe auf den Vertrag in meiner Hand.

„Ja, aber Michael verlässt sich bei Vorstellungsgesprächen immer auf sein Bauchgefühl und wenn es stimmt, dann macht er Nägel mit Köpfen.“ sie geht wieder hinter den Anmeldungstresen.

„Das merke ich.“ ich verstaue den Vertrag in meiner Handtasche.

„Dann sehen wir uns bald ja täglich und ich danke dir, das du mir die Lohnbuchhaltung und noch andere Sachen abnimmst.“ sie lächelt glücklich.

„Gern geschehen.“ ich knöpfe meinen Blazer zu.

„Immer gern Samira.“ sie winkt mir kurz zu.

„Sam bitte.“ sage ich noch schnell und sie nickt grinsend, ehe ich in den Fahrstuhl steige.

Auf dem Weg zu Ian und Aimee kaufe ich noch schnell etwas ein und als ich wieder im Haus bin versuche ich mich an einem Rezept aus Ians scheinbar unerschöpflichem Repertoire an leckeren Rezepten. Hier und da fluche ich zwar, aber alles in allem schmeckt es wirklich gut.

„Sammy? Hast du gekocht?“ Aimee kommt in die Küche und sieht mich erstaunt an.

„Tada!“ ich deute auf den Ofen in dem der Auflauf gerade seinen letzten Schliff bekommt.

„Riecht es nach Süßkartoffel-Brokkoli-Hähnchen-Auflauf?“ auch Ian sieht mich erstaunt an.

„Ja, ich war mal so frei und bin an deine Rezepte gegangen.“ ich sehe ihn entschuldigend an.

„Kein Problem, das riecht wirklich gut.“ lobt er mich.

„Wenn es dann auch schmeckt.“ ich sehe zum Ofen.

„Das finden wir in ein paar Minuten raus. Ich zieh mir schnell was bequemes an.“ er deutet auf seinen Anzug.

„Komm, ich deck den Tisch.“ Aimee nimmt mir die Teller, die ich gerade aus dem Schrank genommen habe, ab.

Es schmeckt gut, es schmeckt wirklich richtig gut...

„Wie ist dein Gespräch bei Green & Ross gelaufen?“ Ian lehnt sich satt und zufrieden zurück und ehrlich gesagt erstaunt es mich, dass sie mich nicht gleich mit Fragen gelöchert haben.

„Ich habe ab dem 20. einen Job, einen gut bezahlten, wenn ich das so sagen darf.“ ich lege meinen Arbeitsvertrag auf den Tisch.

„Super!“ jubelt Aimee, steht auf und drückt mich an sich.

„Ja, Michael, Mr. Ross, war sehr nett und Luke scheint mir ein Zeugnis geschrieben zu haben, was mich zu einer fleißigen Heiligen macht.“ ich verdrehe leicht die Augen.

„Green & Ross sind gut, sie sind sehr gut.“ Ian überfliegt den Arbeitsvertrag. „Und mit knapp 20 Mitarbeitern nicht so groß, das es einer Fabrik gleich kommt.“

„Ja und ich danke euch, das ihr mir das ermöglicht habt.“ ich sehe beide dankbar an.

Wir feiern meinen kleinen Erfolg mit Kindersekt und Popcorn vor dem Fernseher und als ich im Bett liege, da wird mir plötzlich mal wieder bewusst, warum ich das hier alles tue.

Oh Taylor.

Warum kannst du mich nicht lieben?

Ich weine mich, wie die Tage vorher auch schon in den Schlaf und Aimee, Ian und ich verbringen fast das ganze Wochenende im Haus, da es draußen wie aus Eimern regnet und wir nach der ereignisreichen Woche einfach etwas Ruhe brauchen.

Montag hat sich Aimee frei genommen, damit wir uns mit Seth, dem Immobilienmakler, treffen können. Er holt mich und Aimee ab, so fahren wir nur mit einem Auto und müssen nicht nach 2 Parkplätzen Ausschau halten. Seth fährt in einem Mercedes Cabrio vor, muss ich wirklich mehr sagen?

Ein Cabrio?

Ernsthaft?

„Hallo, ich bin Seth.“ stellt er sich vor als er sich galant aus seinem Auto schwingt, er entblößt strahlend weiße Zähne, die mich einen Augenblick beinahe irritieren.

„Ich bin Sam. Danke, das du mir hilfst.“ ich reiche ihm meine Hand.

„Für Aimee tue ich fast alles.“ er zwinkert ihr zu.

„Du bist zu gut zu mir.“ lacht sie und wir gehen zu seinem Auto um ein paar Straßen weiter zu fahren. Zu Fuß sind es höchstens 10 Minuten und ich frage mich, ob wir nicht einfach hätten laufen können, aber wahrscheinlich hat er noch mehr Termine und Zeit ist ja bekanntlich Geld.

„Also auf die schnelle habe ich zwei Objekte.“ Er dreht sich zu mir um, da ich es vorgezogen habe auf dem Rücksitz Platz zu nehmen. „Eine 2 ½ Zimmer Wohnung, 68 m² mit einem kleinen Balkon, Sicht aufs Meer und Tiefgarage für 750 Euro warm noch ein paar Straßen weiter und dieses Objekt hier.“ er deutet auf das Mehrfamilienhaus vor dem wir stehen „Tiefgarage, zwar keinen Balkon dafür aber eine Badewanne, 3 Zimmer, 55 m², Blick in einen wunderschönen Park und 550 Euro warm. Ich dachte, wir starten hier und wenn diese Wohnung nichts ist, dann schauen wir uns die andere an.“ er nickt mir zu und ich erwidere es.

Wir steigen alle aus und er schließt die Haustür auf, die Wohnung liegt nur eine halbe Treppe hoch und als er aufgeschlossen hat, lässt er mich zu erst eintreten.

Die Wohnung ist freundlich und hell, alles ist frisch weiß gestrichen und der Laminatboden sieht sehr neu aus. Der Flur ist nicht sehr groß, aber eine Garderobe sollte hinein passen, rechts vom Flur geht die Küche ab, die wie ich fest stelle komplett ausgestattet ist, was mir entgegen kommt, da ich nicht weiß, ob mein Erspartes reichen würde um eine Küche komplett einzurichten. Links vom Flur ist das Bad, hellblaue Fliesen, eine Badewanne, eine Toilette, ein Waschbecken und ein Anschluss für eine Waschmaschine.

Mehr braucht man ja auch nicht, oder?

Geradeaus kommt man ins Wohnzimmer mit einer bodentiefen Fensterfront und einem wirklich schönen Ausblick in den besagten Park, vom Wohnzimmer aus kommt man in die beiden fast identisch großen Zimmer, die dann wohl Kinderzimmer und Schlafzimmer werden könnten. Die Wohnung ist wirklich sehr schön, auch wenn sie niemals mit dem Fischerhauscharme meiner Alten mithalten kann...

Ich mochte die niedrigen Decken, die frei gelegten Balken und die rau verputzten Wände.

„Und gefällt sie dir? Sie ist ab sofort bezugsbereit. Die Kaution sind 3 Monatsmieten und wie mit Ian und Aimee besprochen entfällt die Courtage.“ Seth sieht mich fragend an.

„Ja, sie ist wirklich schön. Die andere Wohnung müssen wir uns nicht noch anschauen.“ ich versuche mich zu einem ehrlichen lächeln durchzuringen. „Ich nehme sie.“

„Es freut mich, das sie dir gefällt.“ er erwidert mein lächeln, also muss es wohl halbwegs ehrlich rüber gekommen sein. „Willst du den Mietvertrag gleich unterschreiben? Dann kann ich dir die Schlüssel schon mitgeben.“

„Ja danke, das wäre toll.“ ich sehe zu Aimee „Habt ihr am Wochenende vielleicht Zeit und Lust...“

„Wir helfen dir, Ehrensache.“ unterbricht sie mich.

Dann setze ich meine Unterschrift das zweite Mal in nur einer Woche auf ein Dokument welches mein Leben hier in Galway Formen annehmen lässt.

„Die Kontonummer steht auf deinem Exemplar.“ er deutet auf besagte Nummer.

„Danke, ich werde die Kaution heute noch überweisen.“ verspreche ich ihm.

„Gern geschehen.“ er reicht mir einen Schlüsselbund. „Die Einfahrt zur Tiefgarage mit 3 Parkplätzen ist links neben dem Haus, aber vor der Tür sind auch 2 Parkplätze. Es wohnen 4 Parteien im Haus, es sollte sich also einrichten lassen, das du immer einen Parkplatz bekommst.“ er lächelt beinahe eine Spur zu freundlich, wir verlassen die Wohnung und steigen wieder ins Auto.

Auf dem Weg zurück zu Aimee und Ian unterhalten sie die Beiden und ich sehe aus dem Fenster.

Ich wohne jetzt also wirklich in Galway...

Ian ist begeistert, das alles so schnell geklappt hat und am Samstagmorgen machen wir uns auf den Weg nach Sandycove um meine Möbel abzuholen, einen Teil habe ich mir im Internet bestellt, aber ich es gibt viele Stücke an denen ich hänge und die ich unbedingt abholen muss. Außerdem muss ich meine Wohnung Besenrein hinterlassen und Dean seinen Schlüssel zurück bringen.

Da wir schon um 8 Uhr los gefahren sind, stehe ich kurz nach 11 Uhr in meinem alten Wohnzimmer und meine Hand gleitet über mein weißes Ledersofa, während Ian und Aimee dabei sind schon die ersten Kartons in den von mir gemieteten Umzugswagen zu laden. Es tut mir weh, den Ort den ich so sehr liebe, den ich mein Zuhause genannt habe, zurück zu lassen.

„Geht es?“ Aimee legt ihren Arm um meine Schultern.

„Ja, es ist nur einfach nicht das, was ich mir für mein Leben vorgestellt habe.“ gebe ich zu.

„Alles kommt so, wie es kommen soll.“ sie haucht mir einen Kuss auf die Wange.

„Hey.“ kommt es leise von der Tür und ich sehe überrascht auf.

Ava und Matt stehen in der Tür und ich laufe zu Ava um sie an mich zu drücken.

„Du fehlst mir so sehr.“ weint sie.

„Du mir auch.“ ich schlucke schwer.

Es ist schwer für sie, manchmal denke ich, sogar noch schwerer wie für mich. Mein Dad versucht alles um sie abzulenken, aber so richtig gelingen will ihm das nicht.

„Wie geht es denn meiner kleinen Nichte?“ ich lege meine Hand auf ihren Bauch. Beim letzen Ultraschall hat es sich endlich gezeigt, dass es ein kleines Mädchen wird und beide sind total aus dem Häuschen. Ava hat so viele Sachen in rosa gekauft, das ich fast denke sie wird der Farbe sehr schnell überdrüssig werden. Sie hat nur noch knappe 8 Wochen vor sich und ich kann es gar nicht erwarten die Kleine endlich kennen zu lernen.

„Es geht ihr gut, sehr gut sogar.“ sie legt ihre Hand auf meine. „Wie geht es euch?“

„Uns geht es gut.“ ich ziehe sie erneut in meine Arme.

Noch nie waren Ava und ich so lange und weit voneinander getrennt. Als sie in Dublin studiert hat, habe ich kurzerhand mein Studium auch nach Dublin verlegt und wir waren beide fast gleichzeitig fertig und sind zurück nach Sandycove gegangen.

Ich gebe so viel auf und weiß nicht einmal, ob es das wert ist. Ich schiebe sie ein Stück von mir weg und sehe sie prüfend an.

„Er hat bei McGyllis gekündigt.“ sagt sie leise und ich schließe verzweifelt meine Augen.

„Aber Annie sagt, er ist endlich zu einem von IDF empfohlenen Psychiater gegangen und dieser hat ihn erst einmal stationär einweisen lassen. Er ist in einer Klinik in Bray.“ führt sie weiter aus und ich öffne meine Augen langsam wieder.

„Dann hat das alles vielleicht den gewünschten Effekt.“ flüstere ich.

„Wir hoffen es alle.“ gibt sie zu.

„Hoffnung.“ hauche ich und lasse sie endgültig los. „Ich muss mit anpacken, ich kann Aimee und Ian nicht alles alleine machen lassen.“ ich sehe mich entschuldigend um.

„Wir helfen dir.“ sagt Matt und umarmt mich kurz.

„Meine Schwester rührt hier nicht einen Finger.“ ich sehe zu Ava und sie hebt die Hände.

„Ich nehme mir Plastikdosen und alles was ich auch mit einer Hand tragen könnte.“ sie lächelt ganz zaghaft.

„Ava...“ ermahne ich sie.

„Um es mit deinen Worten zu sagen: Ich bin schwanger, nicht krank.“ sie streckt mir die Zunge raus und nimmt sie ein paar Kissen von der Couch.

Sage und schreibe 2 Stunden später ist alles verladen und ich stehe in meiner leeren Wohnung und sehe hinaus auf die irische See.

„Willst du Dean den Schlüssel heute noch vorbei bringen?“ Ava ist unbemerkt von mir hinter mich getreten.

„Ja, er muss mir meine Kaution so schnell wie möglich zurück überweisen.“ ich nehme meine beiden Wohnungsschlüssel in die Hand und betrachte sie wehmütig.

„Ich bewundere dich.“ flüstert sie und ich drehe mich langsam zu ihr um.

„Oh nein Ava.“ ich schüttele vehement meinen Kopf „Ich bin nicht zu bewundern, ich bin zu bemitleiden. Ich habe mir vor gemacht ihm helfen zu können und bin gescheitert, genau genommen sogar mehr wie einmal. Ich verlasse mein Zuhause... Da ist nichts Bewundernswertes dran.“

„Du bist gerade mal zwei Wochen in Galway, du hast einen Job, eine Wohnung und Gott Sammy, du ziehst das wirklich durch.“ sie umschließt meine Hand in der die beiden Schlüssel liegen.

„Glaub mir, ich würde alles dafür geben, wenn ich das nicht hätte machen müssen.“ ich entziehe ihr meine Hand. „Bestell Daddy liebe Grüße.“

Mein Dad hat gemeint, das er zu viel zu tun hat und deswegen nicht hier sein kann, aber ich weiß, er kann mich einfach nicht gehen sehen.

„Das mache ich.“ verspricht sie mir.

„Mir fehlt das alles hier.“ ich sehe mich ein letztes Mal um und dann schließe ich hinter uns Beiden die Tür ab.

„Du fehlst uns. Komm zurück.“ sie wirft mir einen bittenden Blick zu.

„Ich kann nicht, ich kann einfach nicht.“ ich zucke resigniert mit den Schultern.

„Wir müssen langsam los.“ Ian sieht uns entschuldigend an.

„Weißt du was Sam?“ Matt kommt zu uns „Ich bringe den Schlüssel bei Dean vorbei.“ bietet er sich an.

Erst will ich ablehnen, aber dann nicke ich und lege ihm die Schlüssel in seine geöffnete Hand.

„Danke Matt.“ ich nehme ihn in den Arm „Wenn es los geht, dann rufst du mich sofort an. Verstanden?“ ich lasse ihn los und er nickt traurig „Ich möchte gerne dabei sein.“ sage ich nachdrücklich.

„Ich weiß.“ er drückt mich erneut kurz an sich. „Aber wir werden uns bestimmt vorher sehen.“

„Bis bald.“ flüstere ich.

„Bis bald.“ haucht er mir ins Ohr.

Ich nehme dann nochmal kurz Ava in den Arm und steige dann schnell in den Umzugswagen.

Ich schaffe es nicht einmal den beiden zu zu winken.

Ich kann Ava nicht mehr weinen sehen, es bricht mir das Herz.

Ich starre stur geradeaus, als wir das Ortsschild von Sandycove passieren und die Landstraße Richtung Galway fahren.

„Wenn du reden willst...“ setzt Aimee an und ich sehe kurz zu ihr.

„Er wurde stationär aufgenommen und hat eine Therapie angefangen.“ sage ich leise.

„Das ist gut. Hoffen wir mal das Beste.“ sie nimmt kurz meine Hand.

„Hoffnung.“ flüstere ich.

Das ist alles was bleibt.

Hoffnung.

Hoffnung, dass Taylor endlich sein Leben wieder in den Griff bekommt.

Hoffnung, dass ich mich irgendwann nicht mehr entwurzelt fühle.

Hoffnung, dass ich das Richtige für mich, für ihn und für unser gemeinsames Kind tue.

In meiner neuen Wohnung angekommen beginne ich automatisch alles irgendwie in die Zimmer zu verteilen und sehe mich prüfend um, nachdem alle Kartons und Möbel an dem erst einmal vorläufigen Platz stehen.

„Ziemlich weiß hier.“ stellt Ian fest und legt seinen Arm um meine Schulter.

„Hmmm.“ ich nicke und nehme mir den ersten Karton zur Hand.

„Komm Sam, nicht mehr heute.“ er schließt den Karton wieder.

„Irgendwann muss ich anfangen.“ gebe ich zu bedenken.

„Ja, aber jetzt bringen wir das Auto weg und ich lade dich und Aimee zum Chinesen ein.“ er legt seine Hand auf meine und ich seufze tief.

Weglaufen wird die Arbeit schon nicht, damit hat er Recht.

„Okay.“ sage ich leise.

„Braves Mädchen.“ lobt er mich und bugsiert mich nach draußen.

Das Abendessen wird eher schweigsam und kaum das wir wieder bei Aimee und Ian zu Hause sind gehe ich hoch und lege mich hin. Der Tag heute war auf so viele Arten und Weisen anstrengend und so sehr ich es auch nicht möchte, ich mache mir Sorgen um Taylor.

Geht es ihm gut?

Bekommt er endlich die Hilfe die er braucht?

Am nächsten Morgen ist Ian schon weg, als ich mich zum Frühstück zu Aimee geselle.

„Wo ist Ian denn hin?“ ich nehme einen Schluck Orangensaft und sehe sie fragend an.

„Fußball.“ sie verdreht die Augen und ich grinse.

„Gut zu wissen, das auch er nicht perfekt ist.“ erwidere ich und hole mir Müsli aus dem Schrank.

„Es gibt Schlimmeres wie einen fußballbegeisterten Freund.“ sie lächelt leicht.

Ich setze mich und starre in mein Müsli.

„Ja, einen Freund der lieber Alkohol trinkt und nichts für einen empfindet zum Beispiel.“ flüstere ich verbittert.

„Sammy, tue das nicht.“ sie greift über den Tisch nach meiner Hand. „Zerfleische dich nicht selbst, das ist er nicht wert.“

„Egal wie oft ich mir das einrede...“ ich schlucke schwer „Es ist schwer dem Herz zu sagen, dass es aufhören soll einen Menschen zu lieben.“

„Du findest irgendwann den Mann, der dich auf Händen trägt, der dich ohne wenn und aber liebt und der zu schätzen weiß, was für eine wundervolle Person du bist.“ versucht sie mich zu trösten.

„Ich habe alles gegeben... Alles und trotzdem war es nicht genug.“ ich sehe sie an „Wie soll ich jemals wieder an die Liebe glauben?“

„Gib deinem Herzen Zeit zu heilen.“ sie drückt meine Hand und ich nicke leicht.

„Es wäre schön zu wissen, wie lange es dauert bis dieser dumpfe Schmerz aufhört.“ flüstere ich.

„Das kann ich dir leider auch nicht sagen, aber immerhin hat Lukes Ratschlag gewirkt. Taylor bekommt endlich Hilfe.“ sie sieht mich traurig an.

„Ja, ich denke das ist gut.“ gebe ich zu.

„Was hältst du von einem Spa Besuch?“ sie steht auf und hält mir ihre Hand hin.

„Ich muss in meiner Wohnung noch was schaffen.“ Gebe ich zu bedenken.

„Glaubst du, das läuft weg?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Wohl eher nicht.“ Gebe ich zu.

„Na also, dann lassen wir uns jetzt erst einmal verwöhnen.“ Sie hält mir immer noch ihre Hand hin, nach kurzem Zögern ergreife ich sie und wir gehen nach oben um uns anzuziehen.

Eine knappe Stunde später hält sie vor dem Golfclub und drückt mir eine Karte mit meinem Namen in die Hand.

„Seit wann habe ich denn eine Karte?“ ich starre erst die Karte und dann Aimee an.

„Unser Umzugsgeschenk für dich, so kannst du dir, immer wenn dir danach ist, etwas Erholung und Entspannung gönnen.“ sie lächelt mich an. „Und wenn das Baby da ist, dann kannst du vielleicht die Vorzüge des Fitnesscenters gebrauchen.“ Sie zwinkert mir zu. „Ian und ich machen dann auch gerne den Babysitter.“

„Wow, ich danke euch…“ ich nehme sie dankbar in den Arm und sie winkt ab „Danke.“ Widerhole ich „Vielleicht nehme ich bei Ian ein paar Golfstunden?“ ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

„Vielleicht sollten wir das Beide mal machen? Soll ja entspannend sein.“ sie steigt lachend aus und wir huschen im kalten Regen hinein ins Clubgebäude.

Nachdem wir unsere Karten vorgezeigt haben, gehen wir uns umziehen und als ich im Bikini vor dem Spiegel stehe, da nehme ich zum ersten Mal meine kleine Wölbung wirklich wahr. Meine Finger gleiten über meinen Bauch und ich lächle zaghaft.

Ich werde eine Mum werden und ich werde mein Bestes geben, um diesem Baby eine gute Mum zu sein.

Ich werde ihm oder ihr alles geben.

Nachdem wir uns in der Sauna und im Whirlpool entspannt haben lädt mich Aimee zum Essen ein und wir fahren zu einem Italiener, bei dem es laut ihrer Aussage die beste Pizza in ganz Irland gibt. Die Pizza ist wirklich sehr lecker und ich lehne mich 30 Minuten später pappsatt zurück.

„Wenn ich weiter so gut esse, dann platze ich bald.“ ich streiche über meinen Bauch.

„Das Baby hat auch Hunger.“ grinst Aimee.

„Das Baby ist nicht einmal 5 cm groß, es kann noch gar nicht hungrig sein.“ erwidere ich lächelnd.

Aimee bezahlt, trotz Proteste meinerseits, unsere Rechnung und wir steigen in ihr Auto, als sie dann den Weg zu meiner neuen Wohnung einschlägt sehe ich sie skeptisch an.

„Was hast du denn jetzt vor?“ will ich wissen.

„Mal schauen, was wir die nächsten Tage noch machen müssen, in ein paar Tagen beginnt dein neuer Job und bis dahin sollte schon alles fertig sein.“ sie sieht mich prüfend an und ich nicke.

„Ich will nicht viel machen.“ gebe ich zu „Hier und da vielleicht ein wenig Farbe, aber sonst?“ ich zucke mit den Schultern.

„Sammy, das ist dein Zuhause, du solltest es dir so schön wie möglich machen.“ sie parkt vor meinem Haus und sofort fallen mir die vielen Autos auf.

„Sagte Seth nicht, ein Parkplatz sollte kein Problem sein?“ ich sehe vielsagend zu Aimee und wir steigen aus um in unaufhörlichen Regen zum Haus zu laufen.

Ich schließe schnell die Haustür auf und wir steigen die 5 Stufen hoch zu meiner Wohnungstür. Als ich den Schlüssel im Schloss herum drehe wird diese von innen geöffnet und ich sehe überrascht in Ians Gesicht.

„Überraschung.“ er zieht mich in die Wohnung und ich schlage meine Hände vor den Mund.

Er hat alles streichen lassen und seinem Innenarchitektencharme freien Lauf gelassen. Alles ist in Blautönen aufeinander abgestimmt und die Akzente hier und da lassen mich beinahe vergessen, das ich mich nicht mehr in meinem kleinen Fischerdorf, sondern in einer Stadt befinde. Er hat sich wirklich unglaubliche Mühe gegeben mir mein altes Zuhause hierher zu holen und mir treten Tränen in die Augen. Ein paar Männer huschen schnell an uns vorbei und ich ahne wem die Autos vor der Tür gehören.

„Gefällt es dir?“ fragt Ian leise.

„Es ist wunderschön.“ ich schluchze auf „Ich danke dir Ian.“ ich falle ihm um den Hals.

„Das Beste hast du noch nicht gesehen.“ er nimmt meine Hand und zieht mich durch den Flur in eines der beiden gleichgroßen Zimmer.

„Wow, das ist so wunderschön.“ ich starre mit offenen Mund das liebevoll eingerichtete Kinderzimmer an. Auch hier ist alles im maritimen Stil gehalten und hier und da mit kindgerechten Accessoires ergänzt worden, das Bettchen ist so wunderschön. Es ist eine Wiege, wie ich fest stelle, als ich den Rand berühre und sie leicht schaukelt. Sie sieht aus wie ein Ruderboot und im Blickfeld des kleinen Menschen, welcher hier in absehbarer Zeit wohnen wird, hängt ein Mobile mit Seesternen und glitzernden Wellen.

„Da du ja noch nicht weißt, ob es ein Junge oder Mädchen wird, habe ich es neutral gehalten.“ erklärt mir Ian und ich falle ihm weinend um den Hals.

„Das kann ich niemals wieder gut machen.“ schluchze ich.

„Beginne dich zu Hause zu fühlen und lächle ab und zu, dann bin ich zufrieden.“ er streicht über meinen Rücken.

Aimee kommt zu uns und auch sie ziehe ich zu mir. Eine Weile stehen wir einfach so da und ich kann mein Glück über solche Freunde gar nicht fassen.

„Willst du heute das erste Mal in deiner neuen Wohnung schlafen?“ Aimee sieht mich fragend an und ich nicke.

„Ja, aber ich möchte noch mein Auto und meine Sachen von euch holen.“ ich sehe mich um.

„Falls du deine persönlichen Sachen vermisst, es stehen noch 3 Kartons im Schlafzimmer. Ich denke, das solltest du selber machen.“ Ian sieht mich an und ich nicke.

Wir fahren zu Aimee und Ian und ich packe meine Taschen und sammle alles ein, was ich in den letzten 2 Wochen bei ihnen verstreut habe.

„Wenn du was vergessen hast, dann bringe ich es dir morgen vorbei.“ verspricht mir Aimee und nimmt ich in den Arm, als ich alle Taschen verstaut habe und bereit bin “auszuziehen“.

„Danke.“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange „Ich danke dir so sehr.“

„Dafür nicht Sammy, ich habe Ava versprochen mich gut um dich zu kümmern. Du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und ich tue es gerne.“ erklärt sie mir.

„Trotzdem danke.“ ich kaue auf meiner Unterlippe und nehme Ian in den Arm.

„Du bist toll Ian.“ hauche ich.

„Du bist auch nicht schlecht.“ grinst dieser und ich steige in mein Auto und fahre die 5 Minuten zu meiner Wohnung.

Als ich meine Taschen hoch bringe und mich umsehe, da fühle ich mich zwar noch immer nicht zu Hause, aber ich fühle mich in der Umgebung, die Ian für mich geschaffen hat, wohl.

Ich räume meine Taschen in meinen Schlafzimmerschrank und nehme mir dann die drei Kartons vor, die am Fußende meines Bettes stehen. Als ich den ersten Karton öffne, da fällt mir ein Foto von Ava, Jake, Taylor und mir in die Hände und ich sinke schluchzend aufs Bett.

Ich habe wirklich alles hinter mir gelassen, aber im Grunde genommen bin ich nicht bereit ein neues Leben zu beginnen, da ich im Grunde genommen mein altes Leben wieder haben möchte.

Ich möchte am liebsten die Zeit zurück drehen, ich möchte die Zeit zurück in der ich noch ich selbst war und in der meine zusammen gewürfelte Familie noch an einem Stück war.

Aber das geht nicht.

Es ist wie es ist...

Ich brauche eine ganze Zeit ehe ich mich beruhigt habe und zu mindestens einen Karton in der Wohnung verteile.

Dann gehe ich das erste Mal in meiner neuen Wohnung ins Bett und versuche etwas Schlaf zu bekommen. Wenn es hoch kommt, dann schlafe ich gerade mal 4 Stunden, denn mein Gedankenkarussell lässt sich nicht anhalten oder auf Pause stellen.

Dementsprechend müde empfange ich am nächsten Morgen Aimee und wir verteilen den Rest meiner persönlichen Habseligkeiten in der Wohnung. Es ist schön und beinahe habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich es nicht so zu schätzen weiß, wie ich es eigentlich sollte.

In den nächsten Tagen ist Aimee fast den ganzen Tag bei mir und manchmal frage ich mich, wer von uns Beiden hier eigentlich wohnt.

Aber jeden Abend, wenn sie zu Ian fährt, dann weiß ich, dass ich hier wohne.

Allein.

Einen Tag bevor mein neuer Job startet habe ich mir endlich einen Gynäkologen gesucht und mache mich noch am gleichen Vormittag auf den Weg. Die Praxis macht einen netten, gepflegten Eindruck, auch wenn sie mir mit ihren weißen Ledermöbeln, den weißen Stühlen und dem hellblauen Linoleumboden ein wenig zu steril wirkt.

„Hallo, mein Name ist Samira Porter, ich habe einen Termin bei Dr. Klein.“ melde ich mich am Empfang und bekomme einen Patientenfragebogen ausgehändigt. Nachdem ich diesen ausgefüllt habe, werde ich gebeten im Wartezimmer Platz zu nehmen und ich setze mich auf eines der drei Ledersofas und starre hinaus in die Innenstadt Galways.

„Miss Porter? Dr. Klein hat jetzt Zeit für sie.“ eine junge Sprechstundenhilfe kommt herein und führt mich in eines der Behandlungszimmer.

„Will? Miss Porter.“ sie deutet mir an Platzt zu nehmen und verschwindet beinahe geräuschlos.

„Guten Tag Miss Porter, ich bin Dr. William Klein.“ ein Mann um die 40 reicht mir seine Hand und ich schüttele sie.

Er setzt sich dann mir gegenüber und klickt an seinem Computer herum.

„Sie sind zu Routineuntersuchung hier?“ fragt er nach ein paar Sekunden.

„Ja, meine bisherige Frauenärztin meint, ich sollte alle 4 Wochen zur Kontrolle. Ich war zwar erst vor knapp drei Wochen bei ihr, aber da ich gerade umgezogen bin und alles etwas stressig ist, möchte ich sicher gehen, das alles in Ordnung ist.“ erkläre ich ihm und knete nervös meine Finger.

„Kein Problem Miss Porter, machen sie bitte ihren Bauch frei und legen sie sich auf die Behandlungsliege.“ bittet er mich und ich folge seinen Anweisungen.

Dann setzt er sich auf einen Hocker neben der Liege und schaltet sein Ultraschallgerät an, er verteilt kaltes Gel und fährt dann mit dem Schallkopf über meinen Bauch.

„Hier ist ihr Baby Miss Porter.“ sagt er und deutet auf den Monitor.

Wahnsinn, es sieht aus wie ein kleines Gummibärchen.

Mein Gummibärchen.

„Es ist 4,9 cm lang und alles sieht zeitgerecht entwickelt für die 11. Woche aus. Der Termin bleibt bei dem 9. Mai.“ er lächelt mich an.

„Vielen Dank Dr. Klein.“ er reicht mir ein Tuch zum abwischen und druckt ein paar Bilder aus, ehe er die Daten in meinem Mutterpass einträgt und ihn mir reicht.

„Haben sie noch genug Folsäure und Eisen?“ fragt er, als er die Daten in den Computer eingibt.

„Ja, ich habe beides noch.“ ich nehme meinen Pass wieder an mich und verstaue ihn in meiner Handtasche.

„Sehr gut, ich möchte sie dann gerne in 4 Wochen wieder sehen.“ er hält mir seine Hand hin „Machen sie bitte mit der Schwester am Empfang einen Termin aus.“

„Mache ich, einen schönen Tag noch.“ ich schüttele seine Hand und trete hinaus in den Flur. Ich hole mir einen neuen Termin und fahre dann nach Hause. Dort angekommen nehme ich eines der neuen Ultraschallbilder und befestige es mit einem Magneten am Kühlschrank. Dieses kleine Wesen ist der Grund warum ich all das tue und ich möchte immer daran erinnert werden.

Aimee kommt heute mal nicht vorbei, aber dafür bombardiert sie mich mit SMS, ebenso wie Ava und nachdem ich fast 2 Stunden mit Ava telefoniert habe, mache ich mir etwas zu essen und lege meine Sachen für meinen ersten Arbeitstag raus.

Ich bin mehr wie aufgeregt, als ich am nächsten Morgen die Räume von Green & Ross betrete.

„Guten Morgen Sam!“ Eileen begrüßt mich strahlend und ich entspanne mich ein kleines bisschen. „Komm, ich zeige dir dein Büro.“ sie winkt mich zu sich und wir gehen einen Gang entlang, ehe sie eine Tür öffnet.

„So hier sind wir. Leider kann ich dir heute nicht so viel zeigen, aber versuch dich ein wenig mit dem Computersystem auseinander zu setzen. Heute Mittag ist Besprechung mit allen Mitarbeitern und du wirst vorgestellt, bis dahin kannst du tun und lassen was du willst.“ sie zwinkert mir zu und ich sehe mich um.

Ein großer, schwerer Schreibtisch aus Echtholz, ein Bürostuhl, ein großer Aktenschrank und ein Ausblick auf den Corrib, der Fluss der Galway quasi teilt.

Wow, das ist mal ein Büro...

Ich habe mein eigenes Büro.

„Danke Eileen.“ ich sehe sie wirklich dankbar an „Wo und wann ist denn die Besprechung?“

„Um 12:30 Uhr. Keine Angst, ich hole dich ab.“ sie sieht mich entschuldigend an, als das Telefon klingelt und ich nicke ihr zu, ehe sie davon stürmt.

Ich setze mich und logge mich mit dem Passwort, welches mit einem Post it an meinem Computer befestigt ist ein. Ich stelle schnell fest, dass das System ähnlich wie dem bei OGF aufgebaut ist und beginne sogleich ein paar Termine zu koordinieren.

Ich sehe überrascht auf als es klopft und Eileen im Türrahmen steht.

„Bist du soweit?“ fragt sie grinsend und ich stehe auf, um ihr zu folgen.

Es sind schon allerhand Menschen in einem großen Konferenzraum als wir eintreten und nachdem 5 Minuten später wohl alle da sind, setzen wir uns.

„Hallo zusammen, bevor wir richtig starten möchte ich euch unsere neue Koordinationsleiterin vorstellen...“ Michael sieht mich an „Das ist Samira, gerne Sam.“ er zwinkert mir zu „Sie ist gerade aus Sandycove, einem kleinen verschlafenen Fischerdorf, hierher in die große Stadt Galway gezogen. Sie hat beeindruckende Zeugnisse vorzuweisen und nimmt sich mit sofortiger Wirkung der Terminkoordination und der Lohnbuchhaltung an. Solltet ihr irgendwelche Anmerkungen oder Fragen haben, dann wendet euch bitte an sie.“

Ich hebe kurz meine Hand und winke leicht verschüchtert in die Runde.

„Sam, das sind Rachel, Annie, Frank, John, Katie, Jessica, Kevin, Hailey und Dan. Wer was macht und warum, das findest du sicherlich über kurz oder lang selber raus.“ er lacht leise „Sam wird bis April 36 Stunden die Woche arbeiten, dann wird sie erst einmal in den Mutterschutz gehen, aber sie kommt anschließend zurück und wir finden einen Einigung wie viele Stunden sie dann arbeitet.“ er nickt mir zu und ich erwidere es dankbar.

Dann werden die Termine der gesamten Woche besprochen und ein paar Kunden mit ihren Eigenheiten erläutert.

Die Besprechung dauert ganze 3 Stunden und ich strecke mich ein wenig, als wir endlich wieder aufstehen können.

„Du bist schwanger?“ Eileen tritt neben mich.

„Ja, in der 12. Woche.“ erkläre ich ihr.

„Herzlichen Glückwunsch.“ sie nimmt mich in den Arm. „Bist du deswegen hierher gezogen?“

„Kann man so sagen.“ weiche ich aus.

„Oh, das klingt nicht gut.“ sie legt ihren Kopf schief, doch ich winke ab.

„Glaub mir Eileen, das ist eine lange Geschichte.“ gebe ich zu.

Wir betreten mein Büro und sie setzt sich neben mich auf einen kleinen Drehhocker um mir die Feinheiten des Systems zu erklären.

Um kurz nach 17 Uhr verlassen wir als die Letzten das Büro und fahren gemeinsam in die Tiefgarage.

„Morgen bringst du dir ein ordentliches Frühstück mit.“ ermahnt sie mich „Und zum Lunch gehen wir beide zusammen was essen.“

„Eileen...“ setze ich an.

„Keine Widerrede. Ich habe 6 Kinder bekommen und bin 3fache Großmutter, ich weiß, was werdende Mummys brauchen und oberste Priorität ist eine ausgewogene, regelmäßige Ernährung.“ sie sieht mich mahnend an.

„Okay.“ gebe ich mich schließlich geschlagen.

Zufrieden lächelnd verabschiedet sie sich von mir und ich muss sagen, dass ich sie wirklich sehr mag. Sie erinnert mich an meine Mum und an Annie, ich bin dankbar eine so liebe Kollegin zu haben, das wird es mir hier wahrscheinlich wirklich erleichtern.

Die ersten beiden Wochen rasen in einem ungeheuren Tempo an mir vorbei, der Job ist zwar stressig, aber er macht mir Spaß. Ich fühle mich gebraucht und das ist genau das, was ich brauche, um nicht alles anzuzweifeln.

Am Freitag lädt mich Eileen nach der Arbeit zum verspäteten Lunch ein um unsere ersten beiden überstandenen Wochen zu feiern und wir gehen in ein wirklich nettes, kleines Bistro nicht weit weg vom Büro. Wir waren zwar ab und zu in der Mittagspause essen, aber hier waren wir bisher noch nicht.

Wir bekommen einen Tisch in einer Nische und bestellen uns erst einmal etwas zu essen und zu trinken.

„Und wie gefällt dir Galway bisher?“ sie sieht mich fragend an.

„Gut, ich habe eine wirklich schöne Wohnung…“ ich lege meinen Kopf leicht schief „Mein neuer Job fordert mich zwar heraus, aber das Team ist toll.“ ich zwinkere ihr zu.

„Das klingt irgendwie so, als wärst du nicht freiwillig hier.“ bemerkt sie.

„Nicht ganz freiwillig.“ gebe ich zu.

„Der Vater des Babys?“ rät sie ins Blaue und ich nicke leicht.

„Ja, es ist ein verworrene, lange Geschichte.“ ich schlucke schwer.

„Willst du es mir erzählen?“ sie nickt mir aufmunternd zu.

Gerade will ich verneinen, als unser Essen gebracht wird und sie mich mitfühlend ansieht.

„Ich weiß nicht, ob du es verstehst. Bisher habe ich noch nie versucht, es jemanden, der nicht jeden Involvierten kennt, zu erzählen.“ ich zucke mit den Schultern.

„Jetzt isst du erst einmal deine Pasta und dann versuchen wir es einfach. Okay?“ macht sie mir Mut und ich probiere meine Pasta.

Sie ist gut, aber bei weitem nicht so gut, das ich dieses Bistro als mein Lieblingslokal wählen würde. Trotzdem esse ich unter Eileens wachsamen Augen fast auf und lehne mich zurück.

„Noch ein Glas Rotwein.“ bestellt sie beim Kellner, als dieser unsere Teller abräumt.

„Wenn du wirklich meine Geschichte anhören willst, dann wirst du eine Flasche und nicht nur ein Glas brauchen.“ stelle ich sachlich fest und der Kellner sieht mich an.

„Also gut, eine Flasche Bordeaux für mich und eine Flasche stilles Zitronenwasser für meine reizende Begleiterin.“ sie sieht zum Kellner und dieser nickt ihr zu.

„Wie kommst du eigentlich nach Hause?“ ich sehe sie mahnend an.

„Ich lasse mich von Michael abholen.“ sie zuckt grinsend mit den Schultern. „Mein Göttergatte kann auch ab und zu mal was für mich tun.“

„Michael, wie in Michael Ross?“ ich sehe sie erstaunt an.

Gott, ich arbeite seit 2 Wochen mit ihr zusammen und ich weiß nicht, dass sie die Frau meines Chefs ist?

„Ja und sieh mich nicht so an, Michael und ich sind seit fast 30 Jahren verheiratet und glaub mir, eine Sonderstellung, weil ich die Frau eines der Chefs bin, habe ich nicht und will ich auch nicht haben.“ sie winkt ab. „Ich bin weiterhin nur Eileen.“ bittet sie mich.

„Wow.“ sage ich nur und sie lacht leise.

Der Kellner bringt unsere Getränkebestellung und Eileen sieht mich abwartend an.

„Wo fange ich am Besten an?“ denke ich leise nach.

„Am Anfang am Besten.“ rät sie mir und ich seufze.

Wenn das doch nur so einfach wäre...

„Also gut, ich versuche es...“ ich atme tief durch „Meine Mum starb als ich 10 und meine große Schwester Ava 12 Jahre alt war. Der Tod meiner Mum riss meinem Dad den Boden unter den Füssen weg und Ava und ich wären sicherlich in bodenlose gefallen, wenn nicht die beste Freundin meiner Mum eingesprungen wäre. Annie.“ ich sehe zu Eileen und sie nickt mir aufmunternd zu. „Wir verbrachten viel Zeit bei ihr und ihrer Familie. Ihrem Mann Carl und ihren Söhnen Jake und Taylor. Mein Dad hat eine Bar und neben allem anderen war wenig Zeit für Ava und mich.“ Eileen sieht mich skeptisch an „Aber er ist ein toller Dad, er hat alles versucht und mir und Ava fehlte es nie an etwas, aber er war nicht zu stolz die Hilfe anzunehmen, die ihm angeboten wurde. Ich und Ava bekamen eine zweite Familie inklusive zweier Brüder. Taylor ist im gleichen Alter wie Ava und Jake war in meinem Alter, es passte irgendwie zusammen, obwohl ich schon immer mehr an Taylor und Ava mehr an Jake hing. Unsere strahlenden Ritter.“ ich lächle leicht. „Ich glaube, ich liebe Taylor schon mein ganzes Leben und immer mehr wie man einen Bruder liebt, aber ich wollte es nicht sehen, nicht wahr haben.“ ich zucke mit den Schultern „Sie waren beide Raufbolde wie aus dem Bilderbuch und als sie beide zur Armee gingen, da begannen sie sich ihre Hörner abzustoßen.“ ich lächle leicht „Sie waren bei den Special Forces und so unglaublich stolz darauf. Am 2. Mai diesen Jahres kam Jake bei den Gefechten um den Gazastreifen ums Leben und Taylor hat es mit angesehen.“ ich schlucke schwer „Taylor kam nach Hause, aber alles was ihn ausmachte war irgendwie zusammen mit seinem kleinen Bruder gestorben. Ich war für ihn, Annie und Carl da, denn immerhin waren sie auch da gewesen als Ava, mein Dad und ich sie gebraucht haben. Taylor suchte Halt und ich gab ihm den Halt den er brauchte. Ich gab alles von mir...“ meine Stimme versagt und Eileen greift nach meiner Hand und ich räuspere mich „Er begann zu trinken, doch ich wollte ihn nicht aufgeben, zu sehr hoffte ich, das es für ihn nicht nur um belanglosen Sex geht und er vielleicht für mich fühlen könnte, was ich für ihn fühle. Vor sechs Wochen erfuhr ich, dass ich schwanger von ihm bin und stellte ihn vor die Wahl. Ganz oder gar nicht. Er entschied sich für gar nicht und so habe ich ihm nichts von dem Baby erzählt und bin hierher gekommen. Aimee eine sehr gute Freundin, mit der ich schon zusammen im Sandkasten gespielt habe, hat mir geholfen hier Fuß zu fassen und tja, da bin ich nun. Mit gebrochenem Herzen, aber mit einem Leben, welches langsam Formen annimmt.“ ende ich und sehe sie unsicher an.

„Sam, es tut mir so leid.“ sagt sie ergriffen.

„Das Leben geht weiter und ein Gutes hatte es zu mindestens. Taylor ist jetzt in Behandlung.“ ich atme tief durch.

Ich will nicht wieder weinen.

Ich weine viel zu viel.

Ich will das nicht mehr.

„Du bist eine mutige, starke und wunderbare junge Frau Sam.“ sagt sie leise.

„Ich wünschte ich wäre es.“ ich lächle schwach.

„Oh nein Sam, du bist es, nur siehst du das jetzt noch nicht.“ macht sie mir Mut „Alles wird sich fügen, alles wird so kommen wie es kommen soll. Das mag dir im Moment nicht wirklich helfen, aber ich verspreche dir, irgendwann siehst du, das es so hat sein sollen.“

Ich nehme einen großen Schluck von meinem Zitronenwasser und sie lächelt leicht.

„Als Michael dich eingestellt hat, hat er zu mir gesagt, dass du eine außergewöhnliche junge Frau bist, aber dass er spürt, dass du in deinem jungen Leben schon viel durch gemacht hast. Er hat eine wirklich gute Menschenkenntnis.“ sie nickt mir zu.

„Ja, scheint so.“ ich lächle ebenfalls leicht.

„Konzentriere dich auf das hier und jetzt.“ rät sie mir „Und wenn irgendetwas ist, dann bin ich da.“

„Danke Eileen, es war gut mal alles los zu werden. Es jemanden Unbeteiligten zu erzählen rückt es irgendwie in ein anderes Licht.“ gebe ich zu.

„Darum geht es.“ sie lächelt aufmunternd „Manchmal ist ein neuer Blickwinkel gar nicht so verkehrt. Und wie ich das sehe, so hast du die richtige Entscheidung getroffen.“

„Es kommt mir nur falsch vor.“ ich drehe mein Glas in meinen Händen.

„Im Moment vielleicht noch, aber ich versichere dir, das ändert sich.“ sie prostet mir zu „Auf dich und dein Baby.“

Ich erhebe mein Glas ebenfalls und wir lassen sie klirrend aneinander stoßen.

Ich bin erst kurz vor Mitternacht zu Hause und das ist eine der wenigen Nächte in denen ich mich nicht in den Schlaf weine.

Ich will das einfach nicht mehr.

Das kostet mich zu viel Kraft und brauche jetzt alles an Kraft.

Den Samstag verbringe ich damit mir schon einmal eine Liste für die Weihnachtsgeschenke anzulegen. Ich weiß, es ist erst Anfang November, aber ich plane so etwas lieber im Voraus und habe meistens schon Anfang Dezember alle Geschenke zusammen. Tatsächlich bestelle ich schon ein paar Sachen und komme nach einem sehr guten Film viel zu spät ins Bett.

Der November geht eher ereignislos von statten, ich bin im Büro bestens eingearbeitet, Eileen schaut mir bei jeder Mahlzeit, die ich auf Arbeit zu mir nehme, über die Schulter und macht jeden Tag einen frischen Salat für mich und stellt mir morgens die Dose auf den Schreibtisch. Ich bin ihr dankbar, dass sie sich so um mich sorgt. Aimee, Ian und ich verbringen beinahe jedes Wochenende zusammen, so ist es dann Aimee die mich mit Argusaugen überwacht und Ava Bericht erstattet. Ava und Matt haben mich mit unserem Dad auch schon besucht und sind von Ians Verschönerungen meiner Wohnung ganz angetan. Meine Vorsorgeuntersuchung Ende November beweist wie gut sie alle auf mich aufpassen, denn ich habe 2 kg zugenommen und dem Baby geht es blendend. Vielleicht erfahre ich bei der nächsten Untersuchung im neuen Jahr was es wird und ich freue mich riesig.

Mein Handy klingelt am Sonntagmorgen dem 4. Dezember so penetrant, das ich es, selbst wenn ich es wollte, nicht ignorieren kann und schließlich gehe ich grummelnd ran.

„Porter.“ melde ich mich verschlafen.

„Es geht los, ich fahre Ava jetzt ins Krankenhaus nach Waterland. Beeil dich.“ Matt ist völlig außer Atem.

„Was?“ ich habe meine Mühe und Not im zu folgen.

„Ava. Baby. Waterland Regional. Jetzt.“ fasst er zusammen und ich sitze kerzengerade in meinem Bett.

„Ich bin so schnell da, wie es nur geht.“ verspreche ich, lege auf, springe aus dem Bett und beginne mich anzuziehen. Nachdem ich mir wenigstens die Haare gekämmt und meine Zähne geputzt habe sehe ich kurz prüfend in den Spiegel. Meine Hand gleitet über meinen Bauch, ich lächle leicht und nehme mir meine dicke Winterjacke vom Haken der Garderobe.

Dann setze ich mich ins Auto und ignoriere wirklich alle Verkehrszeichen um knapp zwei Stunden später völlig außer Atem im Waterland Regional Hospital anzukommen.

„Wo finde ich Avangeli Callaghan?“ ich versuche Luft in meine Lungen zu bekommen und die Schwester tippt auf ihrer Tastatur herum.

„Sie wurde gerade in den Kreißsaal gebracht. Sind sie Samira Porter?“ fragt sie dann und ich nicke.

„Dann kommen sie mal schnell mit.“ Lächelnd steht sie auf und winkt eine weitere Schwester heran, die ihren Platz einnehmen soll. Wir laufen die Treppe hoch in den ersten Stock und sie drückt mir einen hellblauen Kittel in die Hand, den ich überziehen soll, dann reicht sie mir noch eine Haube, unter der alle meine Haare verschwinden sollen und schlussendlich Überzieher für meine Schuhe. Ich folge ihren Anweisungen und fühle mich wie ein Marsmännchen, als wir einen Behandlungsraum des Kreissaales betreten. Mehrere Menschen sehen mich an, aber ich habe nur Augen für Ava und stürme zu ihr.

„Hey.“ ich hauche ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Sam?“ Avas Hebamme sieht mich fragend an und ich nicke.

„Die kleine Miss hat es sehr eilig auf die Welt zu kommen. Setz dich zu ihr.“ weist sie mich an.

„Oh Ava.“ ich nehme ihre Hand in meine und sie sieht mich dankbar an.

„Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Matt atmet erleichtert durch und ich schenke ihm ein lächeln.

„Okay Ava, jetzt Pressen.“ die Hebamme sieht Ava aufmunternd an und dann drückt diese so heftig meine Hand, das ich mir auf die Lippe beißen muss, um nicht zu schreien.

Jetzt weiß ich, warum Matts Hände lieber auf ihrem Knie und ihrem Rücken liegen.

Verdammt, das tut echt weh.

Erschöpft lehnt sie sich nach hinten und ich ziehe schnell meine Hand, unter dem Grinsen von Matt, weg.

„Gott Sammy, ich bin so dankbar.“ sie sieht mich verschwitzt und völlig am Ende an.

„Ja, ich bin da und jetzt kann die kleine Maus kommen.“ ich zwinkere ihr zu.

„Okay Ava, Endspurt.“ die Hebamme sieht zu ihr und sie greift suchend nach meiner Hand.

Ich atme tief durch und reiche sie ihr schließlich.

Was soll’s?

Da muss ich jetzt wohl durch.

Dann ertönt ein Schrei, na ja eher ein jämmerliches Winseln und die Kleine wird Ava auf den Bauch gelegt.

Wow, ich habe in meinem Leben noch nie etwas Schöneres gesehen.

Ich kann nicht anders wie die kleine Maus anzustarren.

„Sie ist perfekt.“ haucht Matt und ich nicke ganz leicht.

„Ja, das ist sie... Wie ihre Mum.“ ich streiche Ava über die Haare und sie sieht mich unter Tränen an.

Während Ava zu Ende betreut wird betrachten wir die Kleine und ich kann meine Augen nicht von ihr lassen. Die kleine perfekte Nase, die wunderschönen babyblauen Augen, die dunkelblonden kleinen Locken und die perfekten kleinen Händchen.

Dann ist Ava fertig, die kleine Maus wird ihr auf den Bauch gelegt und die Hebamme kommt zu uns.

„Habt ihr schon einen Namen ausgesucht?“ fragt sie Ava und Matt lächelnd.

„Ja, Olivia Samira Joan.“ Ava sieht zu mir und vor Rührung stehen mir Tränen in den Augen.

„Das müsst ihr nicht.“ flüstere ich.

„Sie ist nach Mum, dir und Matts Mum benannt. Alles unglaubliche Persönlichkeiten, genau das, was wir für unsere Tochter wollen.“ Ava nickt mir zu. Gerade jetzt ist sie die schönste Frau er Welt für mich… ihre dunkelblonden Haare kleben ihr im Nacken und an der Stirn, ihre grünen Augen sind blutunterlaufen… aber dieses Lächeln… Wow, sie sieht wunderschön aus.

„Also, wir baden die kleine Olivia jetzt. Na Matt?“ sie sieht zu ihm, nimmt die Kleine auf den Arm und nickt ihm aufmunternd zu. Er geht zu ihr bekommt seine Tochter vorsichtig in den Arm gelegt.

„Ava.“ ich sehe sie an und sie nimmt meine Hand.

„Sammy, du bist mehr wie meine Schwester, du bist meine beste Freundin, meine Vertraute und meine andere Hälfte. Ich bin stolz, wenn meine Tochter deinen Namen trägt.“

„Ich liebe dich Ava.“ ich nehme sie in den Arm.

„Ich dich auch Sammy.“ schluchzt sie.

Eine Stunde später bin ich die Schutzkleidung los, sitze auf Avas Bettkante und bestaune immer noch das kleine Wunder, welches friedlich in ihrem Arm schläft, als es klopft und unser Dad herein kommt.

„Hey Grandpa.“ begrüße ich ihn grinsend und er nimmt mich in den Arm.

„Hey meine Süße.“ er drückt mir einen Kuss auf die Wange und geht dann zu Ava.

„Deine Enkeltochter Olivia Samira Joan Callaghan.“ sagt sie strahlend und er nimmt das kleine Bündel Mensch gerührt auf den Arm.

„Sie ist so winzig.“ er sieht sie unter Tränen an.

„Ja, aber sie wächst, darüber mache ich mir keine Illusionen.“ Matt legt seinen Arm um meinen Dad und Olivia.

Da plötzlich wird es mir klar.

Niemals wird es bei mir so sein.

Niemals.

Es schnürt mir die Kehle zu und ich schlucke schwer.

Ava nimmt meine Hand und drückt sie kurz.

„Ich bin da, Matt ist da und Dad ist da. Wir werden immer da sein.“ verspricht sie mir.

Ich lächle obwohl mir zum Weinen zumute ist und mein Dad legt mir die kleine Olivia in den Arm.

„Kannst schon mal üben.“ er zwinkert mir zu.

„Noch habe ich ein bisschen Zeit um mich vorzubereiten.“ erwidere ich lächelnd und als Olivia leise weint, gebe ich sie lieber schnell Ava weiter.

Am frühen Abend verabschiede ich mich erst einmal, ich muss morgen arbeiten und habe noch eine etwas längere Fahrt vor mir.

„Ich komm' dich nächsten Sonntag mal besuchen.“ verspricht mir mein Dad und ich nehme ihn fest in den Arm.

Als ich im Auto sitze kullern mir dicke Tränen übers Gesicht.

Das was die kleine Olivia hat wird mein Baby niemals haben.

Eine intakte Familie.

Es wird nur mich haben und ich weiß nicht, ob das genug ist...

Ich fahre nicht in meine Wohnung, sondern klingele abends um 22 Uhr bei Aimee und Ian.

Doch nicht Aimee, sondern Ian öffnet mir und sieht mich erstaunt an.

„Ist was passiert?“ fragt er sogleich und ich kann meine Tränen nur schwer zurück halten.

„Ist Aimee da?“ frage ich leise.

„Sie ist bei einer Freundin. Kann ich dir helfen?“ er sieht mich besorgt an.

„Nein, ich glaub nicht.“ winke ich unsicher ab.

„Komm schon Sam, komm erst einmal rein und wir sehen weiter.“ er öffnet die Tür ganz und nach einem kleinen Moment trete ich ein.

„Du siehst durcheinander aus.“ stellt er fest und reicht mir in der Küche einen Becher Tee.

„Ava hat heute ihr Baby bekommen.“ ich nehme ihm den Becher ab und setze mich.

„Aber das ist doch wunderbar.“ er legt seinen Kopf schief.

„Ja, das ist wirklich wunderbar, aber...“ ich seufze leise und schweige.

„Pass mal auf Sam...“ er zwingt mich ihn anzusehen „Du liebst einen Mann, der im Begriff ist sich selbst zu zerstören, weil er mit dem Tod seines Bruders nicht klar kommt. Du bist schwanger von ihm und bist in der Hoffnung gegangen, dass er aufwacht. Du willst das er sein Leben auf die Reihe bekommt und du bist dir sicher, dass das mit dir zusammen nicht funktionieren kann.“ er sieht zu mir und ich nicke.

Ist ja nichts Neues.

Mein Leben eben.

„Lass mich ins Blaue raten… Du hast Angst.“ erahnt er.

„Ja.“ gebe ich zu.

„Das ist normal.“ sagt er sicher „Du wirst eine wunderbare Mum werden, du wirst dem Kind alles geben, was es sich wünschen kann. Du bist selbstlos und mehr kann ein Kind sich nun wirklich nicht wünschen.“ er setzt sich zu mir.

„Wie kommst du darauf, das ich selbstlos bin?“ ich starre in die Teetasse.

„Du hast dich von dem Mann los gesagt, den du schon dein ganzes Leben liebst. Du bist gegangen, weil du gesehen hast, dass es so nicht weiter gehen konnte. Du hast alles aufgegeben, damit er vielleicht wieder auf den richtigen Weg kommt... Das ist die Definition von selbstlos.“ seine Stimme klingt so sicher und ich sehe auf. „Du hast dein Leben aufgeben, für ihn, für euer Kind.“

„Aber macht mich das glücklich?“ ich schnaube leise.

„Wahrscheinlich nicht, aber ich verspreche dir, du wirst wieder glücklich sein.“ er nimmt kurz meine Hand „Zu gehen, war meiner Ansicht nach, das Beste was du tun konntest, nicht wegen ihm, sonder FÜR dich.“

„Ich danke dir Ian.“ ich sehe ihn wirklich dankbar an.

„Dafür nicht und jetzt versuche dich zu freuen, das du Tante geworden bist.“ er schubst mich leicht.

„Ich freue mich, die kleine Maus ist zauberhaft...“ ich lächle bei dem Gedanken an Olivia „Sie heißt Olivia Samira Joan. Sie ist nach unser Mum, nach mir und nach Matts Mum benannt.“ eindeutig schwingt da etwas stolz in meiner Stimme mit.

„Das ist ein toller Name.“ er nickt zustimmend.

„Ja und sie ist so winzig.“ Ich grinse.

„Du wirst auch bald so einen Winzling im Arm halten.“ Er legt seinen Arm um mich.

„Ich danke dir Ian.“ Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter. „Ich muss jetzt los, morgen ruft die Arbeit wieder.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und stehe auf „Danke, das du dir Zeit genommen hast.“ ich stehe wieder auf und er lächelt.

„Dafür nicht. Ich mag dich.“ er zwinkert mir zu.

„Echt? Schockierend.“ grinse ich und er bringt mich zur Tür.

„Schlaf gut Sam und zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf. Es kommt wie es kommen soll.“ gibt er mir noch mit auf den Weg und um kurz nach Mitternacht liege ich endlich in meinem Bett und schlafe, entgegen meiner Vermutung, schnell ein.

Die Woche rast an mir vorbei und Ava schickt mir täglich neue Bilder von Olivia.

Sie ist so wahnsinnig süß und klein...

Mein Dad hält Wort und steht am Sonntagnachmittag bei mir vor der Tür.

Ich mache uns einen Tee und wir setzen uns ins Wohnzimmer.

„Hast du dich langsam richtig eingelebt?“ er sieht sich um.

„Ich mache das Beste daraus.“ antworte ich ausweichend.

„Ich mache mir Sorgen um dich.“ gibt er leise zu.

„Ich komme klar.“ ich ziehe meine Beine an und er betrachtet mich prüfend.

„Nein Sammy, du wirkst immer so stark und sicher in dem was du tust, aber ich weiß, das du verletzt und traurig bist.“ er steht auf und setzt sich zu mir auf die Couch. „Deine Mum war genauso wie du.“ er nimmt mich in den Arm und ich lege meinen Kopf an seine Schulter „Sie wollte nie zugeben, wenn sie nicht mehr konnte. Sie wollte alles alleine schaffen, aber irgendwann hat sie eingesehen, das das so nicht funktioniert.“

„Ich habe keine Wahl Daddy.“ seufze ich leise.

„Man hat immer eine Wahl.“ er zwingt mich ihn anzusehen „Du hast die Wahl getroffen hier zu leben, dann bitte ich dich inständig auch wirklich zu leben und nicht wie fern gesteuert durch den Alltag zu laufen. Du bist wunderschön, klug und einzigartig. Lass Taylor dich nicht zerstören. Du bist verletzt und dein Herz ist gebrochen, aber das heilt wieder. Nicht heute, nicht morgen... aber irgendwann... Wenn dein Baby da ist, da wirst du all deine Liebe diesem kleinen Bündel Mensch schenken und es wird die innigste und reinste Liebe von allen sein und das wunderbare ist, du bekommst sie tausendfach zurück.“

„Danke Daddy.“ ich streiche ihm über seine Wange.

„Und iss bitte etwas mehr, du bist viel zu dünn, erst Recht in deinem Zustand.“ bittet er mich

„Ich habe letzten Monat 2 kg zugenommen.“ wehre ich mich und er grinst.

„Du bist trotzdem zu dünn.“ er schüttelt unbeirrt seinen Kopf „Wie geht es dem Baby?“ will er nach ein paar Minuten wissen.

„Es geht ihm oder ihr gut, alles wie es sein soll. Ich war erst vor ein paar Tagen beim Arzt.“ beruhige ich ihn.

„Wie geht es dir hier drinnen?“ will er mit Nachdruck wissen und legt seine Hand auf mein Herz.

„Ich weiß es nicht, ich weiß nur, das mir der Abstand gut tut.“ gebe ich zu.

„Ihm auch, er hat endlich eine Therapie angefangen.“ sagt er leise.

„Ich weiß, Ava hat es mir erzählt, als sie und Matt mir bei meinem Umzug geholfen haben. Ist er denn schon entlassen worden?“ ich schlucke schwer.

„Ja, aber es liegt noch ein langer Weg vor ihm. Carl und Annie sind sehr froh darüber, dass er es endlich anpackt. Er hat stundenweise bei Luke angefangen und möchte nach seiner Therapie fest bei ihm arbeiten.“ gibt er zu.

„Warum war ich es ihm nicht wert sein Leben in den Griff zu bekommen?“ wieder einmal steigen Tränen in mir auf.

Jeder Gedanke an ihn tut weh, so weh, das ich denke mein Herz zerspringt in tausend Einzelteile...

„Ich weiß es nicht meine Süße.“ gesteht er mir „Ich weiß es einfach nicht und es tut mir so unendlich leid.“ er streicht mir eine Träne weg, die langsam über meine Wange rollt. „Kommst du Weihnachten zu mir?“ wechselt er das Thema und ich nicke an seiner Schulter.

„Ja, aber ich kann nur die Feiertage bleiben, zwischen den Tagen muss ich arbeiten.“ erkläre ich ihm.

„Wie gefällt dir deine neue Arbeit?“ er rückt mich ein Stück von sich weg.

„Sie macht mir wirklich Spaß. Klar, es ist wesentlich stressiger wie bei Luke, aber es fordert mich heraus. Ich habe wirklich sehr nette Kollegen und sie kümmern sich toll um mich.“ versichere ich ihm.

„Das ist schön zu hören.“ er küsst meine Stirn.

„Kommt Cheryl alleine klar?“ ich sehe ihn abwartend an, denn immerhin bin ich ziemlich überstürzt verschwunden.

„Ja, sie ist jetzt Vollzeit angestellt, aber unsere Gäste fragen sehr oft nach dir.“ er nimmt seinen Tee und trinkt einen Schluck.

„Was sagst du ihnen?“ will ich wissen.

„Das du beruflich eine neue Herausforderung gefunden hast und deswegen gegangen bist.“ er zuckt leicht mit den Schultern „Wenn ich dich so höre, dann stimmt es ja auch.“

„Danke Daddy.“ ich kuschele mich an ihn.

„Annie und Carl würden sich auch freuen, wenn du dich außer per SMS auch mal via Telefon melden würdest.“ Ermahnt er mich milde.

Dann erzählt er mir ein paar Anekdoten aus der Bar und als er sich um 18 Uhr verabschiedet, da habe ich sogar mal wieder richtig gelacht.

Tatsächlich vergeht die Zeit bis Weihnachten sehr schnell, zum einen mag das wohl daran liegen, das ich auf Arbeit wirklich eingespannt bin, zum anderen wohl auch daran, das Aimee und Ian ständig um mich herum sind und versuchen mich abzulenken, so dass ich gar nicht erst auf die Idee kommen kann, mich in mein Schneckenhaus zurück zu ziehen.

„Bestell Bryan, Ava, Matt und Liv ganz liebe Grüße und eine dicke Umarmung!“ Aimee nimmt mich in den Arm, nachdem ich alle Geschenke verladen und mein Auto startbereit gemacht habe.

„Das mach ich.“ verspreche ich ihr „Und euch wünsche ich viel Spaß bei Ians Eltern.“ ich zwinkere ihr zu.

„Den werden wir haben.“ sie zieht eine Flunsch.

„Höre ich da etwa heraus, das du nicht mega froh bist, das Weihnachtsfest in Dub bei meinen geliebten Eltern zu feiern?“ Ian kommt zu uns und sieht Aimee prüfend an.

„Na ja.“ sagt sie nur und Ian lacht auf.

„Keine Angst Sweetheart, ich habe uns in einem Hotel untergebracht.“ er nimmt sie in den Arm und haucht ihr einen Kuss auf die Schläfe.

Sie lächelt ihn verlegen an und er grinst breit. „Ich weiß genau, wie anstrengend meine Eltern sein können und wenn meine Granny noch dazu kommt, dann schlafe ich liebe nicht zusammen mit allen in einem Haus, schon gar nicht über die Feiertage.“ erklärt er und kommt zu mir „Ein richtig tolles Weihnachtsfest wünsche ich dir, lass dich von Bryan und den anderen richtig verwöhnen.“ er nimmt mich fest in den Arm „Wir sehen uns, aber ich denke, das Aimee dich in der nächsten Woche bestimmt mindestens 10 Mal anrufen wird.“ er hält mir die Autotür auf und ich steige ein.

„Mindestens.“ lacht Aimee und ich erwidere es fröhlich.

Dann mache ich mich auf den Weg nach Sandycove und es ist kaum zu glauben, dass ich schon fast 2 Monate nicht mehr da war. Ava war die letzten 3 Wochen schon 4 Mal mit Matt und der kleinen Liv hier bei mir und ich bin dankbar, dass ich nicht soviel von Livs Entwicklung verpasse.

Mein Herz wird schwer, als ich das Ortseingangsschild passiere und ich lege meine Hand beschützend auf meinen Bauch, ich bin im 4. Monat, aber richtig was sehen tut man noch nicht. Das Baby entwickelt sich sehr gut und Dr. Klein hat mir bei der letzten Untersuchung im November versichert, das der Bauch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird.

Ich fahre die Auffahrt zu meinem Elternhaus hoch und sehe meinen Dad schon in der Tür stehen. Lächelnd parke ich, steige aus und nehme ihn fest in den Arm.

„Es tut so gut dich zu sehen.“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände „Du fehlst mir meine Süße.“ gibt er leise zu.

„Du fehlst mir auch Daddy.“ ich seufze leise „Hilfst du mir meine ganzen Geschenke auszupacken?“ ich deute auf meinen Kofferraum.

Er lässt von mir ab und ich gehe mit meiner Reisetasche schon mal ins Haus. Wir haben beschlossen hier bei ihm zu feiern, so können wir alle zusammen sein. Am zweiten Feiertag fahren Ava und Matt zu Matts Eltern, die mittlerweile in Limerick leben und dann muss ich ja auch schon wieder los.

Als ich das Haus betrete riecht es herrlich nach frisch gebackenen Keksen und ich stelle meine Tasche ab um in die Küche zu schauen.

Mehrere Bleche sind überall verteilt und ich stibitze schnell einen Keks, bevor mein Dad rein kommt.

Ich höre, wie er die Tüten im Wohnzimmer abstellt und ziehe mir erst einmal meine Jacke aus.

„Na, wie geht es euch?“ er legt seine Hand andächtig auf meine kleine Wölbung, die sich ganz leicht unter meinem dicken Pullover abzeichnet.

„Sehr gut.“ lächle ich.

„Das ist schön, hilfst du mir alles noch ein wenig zu schmücken? Ava, Matt und Liv kommen in einer Stunde.“ er deutet auf den Karton mit Weihnachtschmuck und ich ahne, dass der Weihnachtsbaum, wenn vorhanden, auch noch ungeschmückt ist. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und mein Dad zuckt mit den Schultern.

„Daddy, es ist der 24. Dezember.“ tadele ich ihn grinsend.

Ich soll in einer Stunde das ganze Haus schmücken?

Ernsthaft?

„Und? Dieses ganze Deko Zeug ist nicht so meins, das weißt du doch.“ er geht in die Kammer und befördert zwei weitere Kartons zu Tage. „Immerhin habe ich sie vom Dachboden geholt.“

„Danke, dann werde ich mich erst einmal dem Baum widmen. Du hast doch einen, oder?“ ich lege meinen Kopf schief.

„Aber sicher, es ist doch Livs erstes Weihnachten.“ er zwinkert mir zu und ich suche den Christbaumschmuck aus den Kisten und gehe ins Wohnzimmer. Also ganz ehrlich, größer hätte der Baum nicht sein dürfen. Er nimmt beinahe ein Viertel des Wohnzimmers ein und ich lache leise. Für seine kleine Liv tut mein Dad fast alles, er ist ganz vernarrt in seine Enkeltochter.

Eine halbe Stunde später ist der Baum geschmückt und ich verteile noch etwas Schmuck im ganzen Haus. Als es klingelt sehe ich mich um und mein Dad reckt seinen Daumen in die Höhe.

Leise lachend gehe ich zur Tür, doch statt wie erwartet Ava und Matt mit Liv steht mir Taylor gegenüber und ich mache vor Schreck einen Schritt zurück.

„Was willst du hier?“ funkele ich ihn an und es ist, als ob der Schmerz mich überrollt und nur Wut zurück lässt. Ich kann nichts anders wie ihn anzustarren und bemerke, dass er zwar müde aber im Großen und Ganzen besser aussieht.

„Ich habe dein Auto in der Einfahrt gesehen. Sammy...“ setzt er an.

„Nein nichts Sammy, nichts Sam...“ winke ich ab „Geh bitte Taylor.“ ich bin dabei die Tür zu zumachen, als Ava und Matt mit ihrem Auto auf den Hof fahren.

„Ava!“ jubele ich, ziehe mir meine Strickjacke an und eile zum Auto.

Statt die Fahrertür zu öffnen, gehe ich an die Hintertür und hebe die Babyschale mit Liv heraus.

„Hey kleine Maus.“ flüstere ich der schlafenden kleinen Maus zu.

„Warum rufst du Ava und gehst dann doch zu Liv?“ beschwert sich Ava gespielt beleidigt und ich nehme sie in den Arm.

Matt kommt zu mir, sieht zu Taylor und ich sehe ihn bittend an.

„Ich kümmere mich darum.“ verspricht er mir.

„Samira, bitte nur eine Minute...“ Taylor tritt neben mich bevor Matt ihn erreichen kann.

„Was willst du?“ presse ich hervor.

„Hör' zu, ich bin in so einem Programm, es sind 10 Schritte, und ich muss mich für meine Fehltritte entschuldigen...“ beginnt er.

„Na dann, hast du hiermit getan.“ ich lasse ihn stehen und gehe weiter „Geh jetzt Taylor, wir sind uns nichts schuldig.“ damit schließe ich die Tür hinter Ava und Matt und atme tief durch.

„Alles Okay?“ fragt Ava besorgt und Matt nimmt mir die Babyschale mit Liv ab.

„Ja.“ ich presse immer noch meine Lippen aufeinander.

Wütend zu sein, wenn man denjenigen nicht sieht ist wesentlich einfacher und schmerzfreier, als wenn die betroffenen Person vor einem steht. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, ihn geküsst und ihm gesagt, alles ist gut.

Aber das ist es nicht, es ist meilenweit davon entfernt gut zu sein....

Ob es jemals wieder gut wird, ist mal dahin gestellt.

Mein Herz rast in meiner Brust und ich es fühlt sich an, als würde ich keine Luft bekommen.

„War das Taylor?“ mein Dad kommt zu uns und nimmt Matt sofort Liv ab. „Meine kleine, süße Prinzessin.“ begrüßt er sie und sieht mich dann fragend an. „Gott Süße, du bist weiß wie eine Wand.“ sagt er sofort und Matt stützt mich, als meine Beine unter mir nachgeben wollen.

Behutsam bugsiert er mich zur Couch und Ava bringt mir sofort ein Glas Wasser.

„Geht es wieder?“ sie setzt sich zu mir und ich nicke schwach.

„Es tut weh ihn zu sehen.“ gebe ich zu.

„Ich weiß...“ sie nimmt mich in den Arm.

Eine Weile lasse ich mich dazu verleiten mal wieder in Selbstmitleid zu baden, dich dann schiebe ich sie weg.

„Kommt, wir wollen das Essen machen. Es ist Livs erstes Weihnachten und nachdem ich das Haus jetzt so schön geschmückt habe, da habe ich Hunger.“ ich sehe in die Runde und ein wirkliches, echtes Lächeln huscht über mein Gesicht.

„Ich hole Livs Kinderwagen, dann kann sie schlafen.“ Matt steht auf und geht zum Auto, während Ava, mein Dad und ich in die Küche gehen.

Knappe 2 Stunden später sitzen wir alle satt und zufrieden am Esstisch und ich sehe mich um, es ist wunderschön und beinahe perfekt...

Doch etwas fehlt.

Nein, jemand fehlt.

Heute Taylor nach so langer Zeit zu sehen hat mir schmerzlich bewusst gemacht, dass ich noch lange nicht, nicht einmal annähernd, über ihn hinweg bin.

Ich liebe ihn.

Wie könnte ich es nicht tun, wo doch das Wunder, welches durch uns entstanden ist, sich mit kleinen zaghaften Tritten bemerkbar macht.

„Geschenke!“ jubelt Ava und reißt mich so aus meinen Gedanken.

Matt springt auf und rennt beinahe zum Weihnachtsbaum, unter den auch sie und mein Dad mittlerweile die Geschenke gelegt haben und setzt sich im Schneidersitz davor.

Er ist bereit die Geschenke zu verteilen.

Ava nimmt Liv aus ihrem Wipper und drückt sie mir auf den Arm, während wir uns alle auf die Couch setzen. Ich betrachte sie einen Moment von der Seite, eine Mummy zu sein steht ihr unheimlich gut, sie ist die Babypfunde noch nicht ganz wieder los, aber sie sieht wahnsinnig fraulich und überglücklich aus. Ava sieht unserer Mum unheimlich ähnlich, während ich eher in Richtung der Porters schlage und deren braune lockige Haare und grasgrünen Augen geerbt habe.

„Wart ihr denn auch alle brav?“ Matt sieht grinsend in die Runde, ich besinne mich und verziehe das Gesicht.

„Nicht wirklich.“ gebe ich zu.

„Nicht schlimm.“ winkt er lachend ab „Wir fangen dann eben mit den braven Mädchen an.“ er greift neben sich „Ava.“ er reicht ihr ein kleines Päckchen und nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit am Geschenkpapier herum genestelt hat kommt ein wunderschöner Ring zum Vorschein. Ein schlichter goldener Ring mit einem rosanen Stein.

„Zur Geburt von Liv.“ erklärt ihr mein Dad und sie nimmt ihn gerührt in den Arm.

„Okay, du.“ er zeigt auf mich und während ich Liv an meinen Dad weiter reiche, übergibt er mir ein kleines schwarzes Päckchen.

Ich halte mich nicht lange damit auf die Schleife vorsichtig zu entfernen, sondern reiße das Band und Papier einfach ab. Eine Samtschatulle versteckt sich darunter und ich öffne sie vorsichtig.

Ein atemberaubend schönes goldenes Armband mit unzähligen Anhängern funkelt mich an und Matt nimmt es heraus um es mir umzulegen.

„Hier, das ist ein kleines Fischerboot, damit du dich immer an Sandycove erinnerst.“ er deutet auf einen kleinen Anhänger.

„Ja, da ist auch ein Herz, weil ich weiß, das auch du deine große Liebe finden wirst.“ mein Dad haucht mir einen Kuss auf die Stirn „Und eine kleine Bierflasche, damit ab und zu an mich denkst.“ er lächelt liebevoll.

„Ich habe Unendlichkeitszeichen für dich ausgesucht, weil ich dich unendlich liebe. Der kleine Leuchtturm ist auch von mir, damit du immer weißt, wo dein Zuhause ist und du den Weg immer hierher zurück findest.“ sie drückt sanft meine Hand „Von Matt ist neben dem Boot auch das kleine Diplom.“ erklärt sie mir lächelnd, als ich die Anhänger genauer betrachte.

„Damit du immer weißt, wie schlau du bist.“ erläutert Matt und mir steigen Tränen in die Augen, als ich das kleine Volvo Zeichen entdecke.

„Für Jakie.“ sagt Ava leise und ich nicke.

„Das Pferd steht für Annie und Carl, die dich ganz schrecklich vermissen.“ mein Dad nimmt meine Hand in seine und nickt mir leicht zu. Trotz seiner Ermahnung mal etwas mehr außer einer SMS von mir hören zu lassen, habe ich bisher nur ein einziges Mal, zu Annies Geburtstag, bei ihnen angerufen und ich kaue betreten auf meiner Unterlippe.

„Der kleine Schnuller mit dem rosa Stein ist von Liv und die Rassel mit dem weißen Stein für dein Baby.“ er küsst sanft meine Fingerknöchel.

Die Anhänger sind wunderschön... Fein gearbeitet mit unglaublich viel Liebe zum Detail. Ein Anhänger ist etwas größer wie alle anderen, ein wunderschöner Stern und ich schlucke.

„Von Mum.“ lächelt mein Dad und ich merke, wie eine einzelne Träne über meine Wange rinnt.

„Bitte nicht weinen.“ bittet er mich inständig und ich wische sie schnell weg.

„Das ist wunderschön, ich danke euch.“ sage ich ergriffen.

Die anderen Geschenke sind zu 90 Prozent für die kleine Liv, aber auch ich bekomme noch einige nützliche Dinge, die ich für das Baby brauche und die Matt und Ava als empfehlenswert eingestuft haben. Erst kurz vor Mitternacht verabschieden sich die Beiden und ich falle wie erschlagen ins Bett.

Als ich aufwache riecht es im ganzen Haus schon wunderbar nach gebratener Gans und ich stelle zu meinem Erstaunen fest, dass es schon kurz nach 11 Uhr ist und ich wohl heute mein Frühstück ausfallen lassen werde, denn ich will mir den Appetit auf die Gans auf keinen Fall verderben, denn wenn mein Dad eines kann, dann eine Weihnachtsgans zubereiten.

Ava und Matt lassen sich das natürlich auch nicht entgehen und ich staune wirklich wie brav Liv ist. Wenn sie nicht gestillt wird, schläft sie die meiste Zeit und ich beginne zu glauben, dass ich das auch hin bekommen kann. Nicht das ich noch eine Wahl hätte, aber das sie so lieb ist macht mir wirklich Mut. Wir sitzen den ganzen Tag in der Küche und ich genieße die entspannte und vertraute Atmosphäre. Am zweiten Feiertag wage ich mich mit Matt ans Kochen und er lobt mich, was ich denn inzwischen schon alles dazu gelernt habe. Ich erzähle ihm von Ian und er lacht Tränen bei meinen Beschreibungen einiger meiner Kochversuche. Pünktlich zur Mittagszeit steht dann unser Rehrücken auf dem Tisch und Ava und mein Dad können es kaum glauben, das Matt und ich das ganz allein hin bekommen haben.

Nach dem Essen möchte ich kurz bei Annie und Carl vorbei, denn immerhin habe ich es meinem Dad versprochen, mich wenigstens kurz bei ihnen sehen zu lassen.

„Bestell ihnen liebe Grüße und sage ihnen, das ich mit Matt und Liv am 31. vorbei komme.“ bittet mich Ava und ich nicke lächelnd.

„Das mache ich und ihr fahrt bitte morgen vorsichtig zu Joan und Frank.“ ich sehe sie prüfend an. Sie und Matt haben beschlossen die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr bei seinen Eltern zu verbringen und ich kann es ihnen nicht verdenken, denn Joan und Frank sind wirklich sehr liebe Menschen und wie ich sie kenne, sind sie, ebenso wie mein Dad, total vernarrt in Liv.

„Aber immer doch.“ grinst sie und nimmt mich in den Arm „Ich komme in 14 Tagen mit Liv vorbei.“ verspricht sie mir und ich lächle glücklich.

„Darüber würde ich mich wirklich sehr freuen.“ gestehe ich.

„Bis später Daddy!“ rufe ich noch schnell über die Schulter, ehe ich in meine Jacke schlüpfe und zu meinem Auto gehe.

20 Minuten später stehe ich auf der Veranda des MacKenna Hauses und umklammere mein kleines Geschenk für Carl und Annie. Zum Glück sehe ich Taylors Auto nirgendwo und hoffe, er ist nicht da.

Zaghaft klopfe ich und als Carl die Tür öffnet, da erstrahlt er.

„Das gibt es doch nicht.“ jubelt er und drückt mich an sich.

„Sammy!“ Annie kommt aus der Küche gelaufen und drängt sich zwischen Carl und mich.

„Oh Kleines, es ist so schön, dass du Zeit hast. Hast du denn schon gegessen?“ will sie sogleich wissen, während Carl erst einmal die Tür schließt und mir meine Jacke abnimmt.

„Ja, Daddy, Ava, Matt und ich haben Rehrücken mit Bohnen, Süßkartoffeln und einer köstlichen Bratensauce genossen.“ ich reibe mir den Bauch.

„Dann magst du jetzt bestimmt einen Eierpunsch.“ Annie zieht mich sich in die Küche.

„Aber nur alkoholfrei.“ ich betrachte wie sie ein Glas einschenkt.

„Seit Taylor in der Therapie ist haben wir keinen Alkohol mehr im Haus.“ sie reicht mir das Glas und ich nehme einen kleinen Schluck.

„Ich habe es schon gehört, es ist wirklich schön, das er Hilfe annimmt.“ ich schlucke schwer.

„Ja, er müsste auch gleich wieder kommen. Er trifft sich mit den Käufern von Clover und Hornet.“ erklärt Carl mir und setzt sich zu uns an den Tisch.

„Ihr verkauft Clover und Hornet?“ ich sehe beide abwechselnd an.

Was schockiert mich jetzt mehr?

Das sie Clover und Hornet verkaufen oder das Taylor mal wieder meinen Weg kreuzt?

„Ja, wir haben nicht die Zeit, die die Beiden brauchen und sie kommen in eine Reitschule ganz in der Nähe. Sie werden wieder etwas mehr gefordert und genau das brauchen die Beiden.“ Annie nimmt meine Hand. „Aber jetzt erzähl mal von dir? Wie geht es dir in Galway?“

„Gut, sehr gut sogar.“ ich ringe mich zu einem Lächeln durch.

Ich höre wie die Haustür aufgeschlossen wird und augenblicklich spannt sich alles in mir an.

Ich will ihn nicht sehen.

„Ich muss dann auch wieder.“ ich will aufstehen, aber Carl hält meine Hand fest.

„Bitte Sammy, erzähl uns wenigstens ein wenig, was du so in Galway machst und wie es da so ist. Wir haben dich wochenlang nicht gesehen und möchten gerne, dass du noch etwas bleibst.“ er sieht mich bittend an.

„Mum? Dad?“ Taylor kommt zu uns in die Küche. „Sam.“ haucht er und ich wage es nicht, mich umzudrehen.

„Ich muss...“ setze ich an.

„Bitte Sammy.“ Annie sieht mich flehentlich an. „Komm Taylor, setz dich zu uns.“ bittet sie ihren Sohn und er setzt sich neben seinem Dad und somit mir gegenüber.

„Okay, 10 Minuten, aber dann muss ich wirklich los. Ich wollte euch nur das hier bringen.“ ich lege das kleine Päckchen auf den Tisch und Annie klatscht vergnügt in die Hände „Fröhlich Weihnachten.“ sage ich leise und Annie packt es sofort aus. Es ist ein Kinderbild von Jake, ich habe es in meiner Kiste gefunden und habe selber einen Bilderrahmen gestaltet. Mit all den Dingen die er gerne hatte. Einem Pferd, einem kleinen Auto und noch ein paar anderen Sachen.

„Danke Kleines, das ist wunderschön.“ sie stellt es auf die Anrichte. „Hier ist deines.“ Sie reicht mir lächelnd ein kleines Päckchen.

„Das wäre…“ setze ich an.

„Doch Kleines.“ Carl haucht mir einen Kuss auf die Stirn und ich wickele das Geschenk vorsichtig aus. Wunderschöne goldene Ohrstecker mit einem funkelnden grünen Stein blitzen mich an.

„Wow, die sind wunderschön.“ Ich sehe Annie und Carl dankbar an.

„Das grün erinnerte uns sofort an deine Augen.“ Erklärt mir Annie.

„Ich danke euch von Herzen.“ Ich drücke die kleine Schachtel an mich.

„Aber jetzt erzählst du uns bitte was von Galway.“ Carl drückt mich mit sanfter Gewalt zurück auf meinen Stuhl.

„Was soll ich groß erzählen? Ich habe eine wirklich schöne Wohnung in Salthill, einem Vorort von Galway. Sie ist nicht groß, aber genau richtig für mich. Ich arbeite in einer Werbeagentur in der Buchhaltung und habe wirklich sehr nette Kollegen. Aimee, Aimee Ellis...“ ich hole tief Luft.

„Die kleine Aimee von Tom und Rachel?“ Annie sieht mich gespannt an und ich lächle leicht.

Sie ist einfach zu neugierig.

„Ja, die Aimee, sie hilft mir wo sie nur kann, sie ist für mich da und ihr Freund Ian, ein wirklich guter Innenarchitekt, hat mir meine Wohnung wirklich schön eingerichtet.“ erkläre ich ihr.

„Bist du denn glücklich?“ Carl lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich.

Ich denke einen Moment nach und kaue auf meiner Unterlippe.

„Ja.“ sage ich leise.

„Du fehlst uns hier, vor allen Dingen fehlst du Ava.“ Annies Blick wird traurig.

„Mir fehlt Sandycove auch, aber ich muss nach vorne sehen. Ich kann nicht ein Leben leben, ohne wirklich zu leben.“ ich zucke mit den Schultern, ich sehe auf meine Armbanduhr und sehe Carl entschuldigend an. „Ich muss jetzt wirklich los, ich fahre gleich noch zurück nach Galway, ich muss morgen arbeiten.“

„Bringst du bitte beim nächsten Mal etwas mehr Zeit mit?“ Carl steht auf und reicht mir seine Hand.

„Ich versuche es.“ gebe ich eher halbherzig zurück und er begleitet mich zur Tür.

Mit seiner Hilfe schlüpfe ich in meine Jacke und nehme ihn fest in den Arm.

„Du bist eine lausige Lügnerin.“ sagt er leise und ich sehe ihn überrascht an. „Du bist nicht glücklich.“

„Mag sein, aber es ist das Richtige.“ ich hauche ihm einen Kuss auf die Wange.

„Sam, bitte warte.“ Taylor springt auf, ich schlinge meinen Schal um mich und schließe gequält meine Augen.

„Was willst du Taylor? Wenn es um deine Entschuldigung geht. Ich habe schon gesagt, es ist in Ordnung.“ ich gehe zur Tür.

„Sam...“ er kommt zu mir und hält mir die Tür auf um mich zum Auto zu begleiten.

„Taylor, lass mich endlich in Ruhe und mein Name ist Samira.“ sage ich etwas lauter und schärfer wie beabsichtigt.

Wie deutlich muss ich denn noch werden?

Er hat mich aus seinem Leben gejagt und erwartet, dass ich vergesse, was vorgefallen ist?

Das will ich nicht und selbst wenn ich es wollen würde, so gibt es da etwas, was mich immer daran erinnert, warum ich gegangen bin.

„Du bist meine Freundin.“ erwidert er verwirrt.

„Nein Taylor, das bin ich nicht. Nicht mehr, dafür hast du gesorgt.“ damit steige ich ein. Ich bringe es nicht einmal übers Herz ihn anzuschauen, denn ich weiß, das was ich sehen würde, würde mich verletzten.

So sehr ich es auch nicht will, aber ich liebe ihn.

Immer noch.

Trotz alledem.

„Eigentlich wollte ich dir nur fröhliche Weihnachten, na ja den Rest davon und ein gesundes, neues Jahr wünschen.“ sagt er resigniert.

„Danke gleichfalls.“ ich schließe meine Tür und fahre vom Hof.

Mein Dad ist verwundert, das ich so schnell wieder da bin, aber ein Blick in meine Augen und er weiß warum.

„Gott, es zerreißt mich beinahe ihn zu sehen.“ ich lasse mich von ihm in den Arm nehmen.

„Es wird besser.“ versichert er mir „Vielleicht nicht morgen oder nächstes Jahr, aber irgendwann wird es besser.“

„Wann Daddy?“ schluchze ich.

„Ich weiß es nicht meine Süße.“ er presst mich an sich.

„Es tut weh.“ gebe ich zu.

„Das weiß ich, aber du musst jetzt stark sein meine Süße.“ er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich kann nicht mehr stark sein.“ ich vergrabe mein Gesicht an seiner breiten Brust.

„Oh doch meine Süße, du bist die stärkste Frau die ich kenne.“ er schiebt mich von sich weg „Du kannst alles. Alles.“ sagt er mit Nachdruck.

„Aber was erzähle ich meinem Kind, wenn es irgendwann zu fragen beginnt?“ immer noch laufen mir Tränen übers Gesicht.

„Ich hoffe und bete, dass du es vorher Taylor sagst. Im Moment mag dir alles so richtig erscheinen und ich gebe zu, es ist im Moment wirklich das Beste für alle Beteiligten, aber ewig wirst du dieser Aussprache nicht aus dem Weg gehen können. Dein Kind hat ein Anrecht auf beide Elternteile.“ er wischt meine Tränen vorsichtig weg.

„Aber...“ setze ich an.

„Nein Sammy, kein aber. Ich erwarte es nicht jetzt, ja nicht einmal in nächster Zeit, aber irgendwann schon.“ sagt er liebevoll und ich schweige.

Irgendwann klingt gut.

Weit weg.

Noch nicht real.

Etwas später macht er mir eine Tasse Tee und wir setzen uns in Wohnzimmer.

Ich betrachte das Hochzeitsbild meiner Eltern, nehme es in die Hand und streiche vorsichtig über das Glas. An manchen Tagen habe ich Angst, dass ich irgendwann vergesse, wie sie ausgesehen hat, aber immer wenn ich in diesem Haus bin, dann werden meine Erinnerungen wieder lebendig. Ich sehe sie in der Küche stehen, ich sehe sie am Fuße der Treppe auf mich und Ava warten, ich sehe sie und Dad im Garten.

Hier ist sie irgendwie noch da...

„Vermisst du Mum?“ frage ich leise und mein Dad lächelt.

„Natürlich, es vergeht kein Tag an dem ich sie nicht vermisse.“ er klopft neben sich und ich setze mich zu ihm „Aber ich rede viel mit ihr, erzähle ihr von dir und Ava. Natürlich wünschte ich mir, sie könnte das alles selbst erleben. Sie tut es auch.“ er lächelt erneut und ich sehe ihn verständnislos an. „Sie lebt in dir und Ava weiter, sie ist ein Teil von euch.“ erklärt er mir und ich nicke.

„Sie ist immer bei uns.“ ich betrachte den Stern an meinem Armband.

„Und glaub mir Süße, du und Ava, ihr Beide habt so viel von ihr. Ihre Stärke, ihr Durchsetzungsvermögen, ihre liebevolle und einzigartige Art und ihre Selbstlosigkeit.“

„Ich liebe Dich Daddy.“ ich küsse seine zur Abwechslung mal rasierte Wange.

„Ich dich auch meine Süße.“ er schenkt mir ein liebevolles Lächeln.

„Ich muss jetzt los, ich muss morgen früh raus.“ ich trinke den Rest von meinem Tee und sehe ihn entschuldigend an.

„Aber sicher, wir sehen uns bald wieder meine Süße. Ich liebe Dich, vergiss das nie.“ er steht mit mir auf und hilft mir in meine Jacke.

„Danke Daddy, ich liebe dich auch.“ ich drücke ihn erneut an mich und gehe dann zu meinem Auto. Als ich mich angeschnallt habe winke ich ihm zu, schicke ihm einen Luftkuss und mache mich dann auf den Weg nach Hause.

Ich strecke mich, als ich endlich angekommen bin und krame meinen Schlüssel aus meiner Handtasche. Als ich die Tür hinter mir zuziehe, sehe ich mich lange um.

Was macht ein Zuhause eigentlich aus?

Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht... denn hier fühle ich mich trotz aller Anstrengungen nicht wirklich zu Hause.

Ich schaue schnell die Post der letzten Tage durch, telefoniere kurz mit Ava und mit Aimee und mache mir dann ein kleines Abendbrot. Ich entscheide mich dazu früh zu Bett zu gehen und starre das Bild von Ava, Jake, Taylor und mir an, welches auf dem Nachttisch steht und mich immer wieder daran erinnert, was wir verloren haben.

Ich bin mir bewusst, dass das wohl eher kontraproduktiv ist, aber ich kann und will nicht vergessen. Ihn zu sehen hat alle Wunden mit einem Mal aufgerissen, so als ob man ein Pflaster zu langsam abzieht und die Wunde dann wieder zu bluten beginnt.

Mein Herz blutet...

Als ich am nächsten Morgen ins Büro komme empfängt mich Eileen strahlend.

„Na, hattest du schöne Feiertage?“ sie nimmt mich in den Arm und reicht mir ein Päckchen „Hat der Weihnachtsmann für dich bei uns gelassen.“ sie zwinkert mir zu.

„Das wäre nicht nötig gewesen.“ wehre ich mich errötend und packe ein weinrotes Filofax aus. „Vielen, vielen Dank!“ ich nehme sie dankbar in den Arm.

„Ach was.“ sie winkt ab „Und wie war es in Sandycove?“ wir gehen zusammen in die Teeküche.

„Gemischt.“ gebe ich zurück und schenke mir eine Tasse Tee ein um mich mit ihr an den Tisch zu setzen. Erst jetzt fällt mir auf, dass nicht wirklich viele meiner Kollegen da sind.

Eileen bemerkt meinen verwunderten Blick.

„Wir fahren mit minimal Besetzung, die Meisten haben bis ins neue Jahr Ferien.“ sie nimmt sich einen Kaffee und betrachtet mich durchdringen. „Was genau bedeutet denn gemischt?“

„Gleich nach meiner Ankunft ist mir Taylor über den Weg gelaufen.“ ich seufze „Er ist irgendeinem Stufenprogramm und wollte sich entschuldigen. Ich habe ihn abgewürgt und ihm gesagt, das er es gut sein lassen soll.“

„Wie geht es ihm denn?“ hakt sie nach.

„Soweit ich von meiner und seiner Familie weiß, wesentlich besser. Er hat in meiner alten Firma angefangen und versucht sich jetzt als Fischer.“ ich lehne mich zurück und sie entdeckt mein Armband.

„Wow, das ist ja schön.“ sagt sie anerkennend.

„Von meiner Familie.“ sage ich stolz und reiche ihr meine Hand, damit sie es eingehend bewundern kann.

„Tja der erste und zweite Weihnachtstag war wirklich sehr schön, ich habe es genossen so viel Zeit mit Ava, Matt, Liv und meinem Dad zu verbringen. Dann bin ich bei seinen Eltern vorbei gefahren, denn immerhin sind sie so etwas wie meine Ersatzeltern und natürlich musste er mir da auch über den Weg laufen und mir wie selbstverständlich sagen, das wir doch Freunde sind.“ ich schlucke schwer „Ich habe ihm gesagt, das wir das nicht mehr sind.“

„Sam, ich kann dir nichts raten, denn was du tust, das kannst nur du alleine entscheiden.“ sie nimmt meine Hand und drückt sie kurz „Aber über kurz oder lang musst du schauen, was für dich und dein Baby das Beste ist.“

„Das tue ich doch, deswegen bin ich hier.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

Als das Telefon klingelt sieht sie mich entschuldigend an und ich deute schwach lächelnd auf mein Büro. Mag ja sein, dass nicht viele hier sind, aber meine Arbeit muss ich trotzdem machen, immerhin wollen ja alle vor Silvester ihr Geld haben und dafür bin nun einmal ich verantwortlich.

Die Tage bis Silvester vergehen eher träge, denn mit den Lohnabrechnungen bin ich schon am 28. fertig. Eileen und ich sitzen viel zusammen und sie erzählt von ihrem und Michaels chaotischem Weihnachtsfest mit der ganzen Familie. Ich habe wirklich viel zu lachen und kann mir die beiden lebhaft zwischen ihren 6 Kindern nebst Schwiegerkindern und ihren 3 Enkeln vorstellen.

Am 31. Dezember habe ich frei und stelle mich auf ein ruhiges, gemütliches Silvester zu Hause ein. Ich war extra für ein paar Tage einkaufen, damit ich dem Ansturm am 2. Januar aus dem Weg gehen kann und verwöhne mich nach dem Aufstehen mit einem heißem Bad. Ich bin gerade aus der Wanne gestiegen als es klingelt und ich mir nur schnell einen Bademantel über ziehe um kurz darauf in Sams strahlendes Gesicht zu blicken.

„Was machst du denn hier? Wolltet ihr nicht Silvester in Dublin feiern?“ ich ziehe sie in meinem Wohnung und schließe schnell die Tür hinter ihr ins Schloss. Immerhin stehe ich hier nur im Bademantel.

„Ja, war eigentlich so geplant, aber meine Schwiegereltern in Spe haben mir den letzten Nerv geraubt und wir haben beschlossen einen Party zu Hause zu machen und du...“ sie bohrt mir ihren Zeigefinger in die Brust „Kommst gefälligst auch.“ sie sieht mich mit ihrem Keine-Widerrede-Blick an und ich kann nicht verhindern das ich aufstöhne. „Komm schon Sammy, dein letztes Silvester ohne Kind, das musst du ausnutzen.“ sie sieht eine Augenbraue hoch.

Das ich nichts sage nimmt sie als ja und klatscht begeistert in die Hände „Der Partyservice kommt um 17 Uhr, dich erwarten wir um 20 Uhr.“ sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet genauso schnell wie sie gekommen ist.

Ehrlich gesagt ist mir nicht nach Party, aber ich weiß, wenn ich nicht auftauche, dann kommt Aimee und holt mich persönlich ab. Also kann ich gleich freiwillig hingehen, vielleicht wird es ja ganz nett.

Ich ziehe mein Beautyprogramm weiter durch und trenne mich erst am späten Nachmittag von meinem Bademantel. Nachdem meine Haare gemacht sind und mein Kopf eine ganz anständige Hochsteckfrisur ziert, mache ich mich auf die Suche nach etwas, was ich anziehen kann.

So langsam gestaltet sich das etwas schwierig und ich nehme mir vor einkaufen zu gehen, denn lange werde ich wohl nicht mehr drum herum kommen mir etwas Umstandskleidung zu zu legen. Ich finde ein Wickelkleid in einem dunklen Lila und nachdem es gar nicht mal so schlecht aussieht, schminke ich mich etwas und stelle erstaunt fest, dass es gleich 20 Uhr ist. Ich beschließe meinen schwarzen hohen Stiefel zu dem Kleid anzuziehen und nehme mir noch einen Blazer mit. Sicher ist sicher und Ian erstrahlt, als er mir die Tür öffnet.

„Ist das schön dich zu sehen.“ er nimmt mich in den Arm „Und wow, in dem Kleid versteckst du wirklich nichts.“ er legt seine Hand auf meinen Bauch.

„Muss ich ja auch nicht.“ grinse ich und folge ihm ins Wohnzimmer. Kleine Party?

Augenscheinlich hat Aimee davon eine andere Vorstellung wie ich und Ian stellt mir allerhand Leute vor, von denen ich die Namen so schnell vergessen, wie er sie mir sagt.

Ich bin froh, als ich endlich Aimee entdecke und sie mir einen Organgensaft reicht.

„Schön, das du hier bist.“ sie grinst mich breit an.

„Ich hatte die Befürchtung, das du mich persönlich abholst, sollte ich nicht kommen.“ gebe ich ebenfalls grinsend zu.

„Damit könntest du Recht haben.“ lacht sie und wir gehen zu einer Gruppe junger Frauen, die sie mir als ihre Arbeitskollegen vorstellt. Aimee arbeitet in einer Bank als Risikomanagerin und soweit ich weiß, macht sie ihren Job sehr gut und hat dementsprechend ein hohes Ansehen unter ihren Kollegen.

Der Abend wird wirklich richtig nett aber als wir um Mitternacht alle hinaus gehen und das Feuerwerk über Galway betrachten, da kann ich nur daran denken, was Taylor jetzt wohl gerade macht und wie es bei Ava und Matt wohl ist.

„Ein wundervolles neues Jahr!“ Ian nimmt mich in den Arm.

„Danke Ian, das wünsche ich dir auch.“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Hör auf an ihn zu denken.“ ermahnt er mich und ich sehe ihn überrascht an. „Was Sam?“ er lacht leise bei meinem Gesichtsausdruck „Ich kenne dich inzwischen ziemlich gut und ich weiß, das du daran denkst, was er jetzt wohl macht.“

„Du hast ja Recht.“ gebe ich zu „Was soll ich machen? Trotz allem was passiert ist, liebe ich ihn.“ ich zucke mit den Schultern.

„Augen auf das neue Jahr!“ er prostet mir zu „Alles wird gut.“ versichert er mir.

„Wie du meinst.“ ich stoße mit ihm mit meinem alkoholfreien Sekt an.

„Frohes neues Jahr!“ Aimee stößt zu uns und ihr Glas kracht gegen meines, welches überschwappt.

„Wow Aimee, du hast eindeutig noch zu viel Energie.“ lache ich und halte mein Glas hoch „Dir auch ein frohes neues Jahr.“ ich proste ihr lieber mit etwas Abstand zu.

„Wie ich meine Freundin kenne, waren das wohl ein paar Gläser Sekt zu viel.“ grinst Ian und wir sehen Aimee nach, wie sie noch ein paar weiteren Gästen ein frohes neues Jahr wünscht.

„Ja, das denke ich auch und die Quittung dafür wird sie beim Aufstehen bekommen.“ ich stelle mein leeres Glas ab.

„Was meinst du? Ich hole dich morgen um 13 Uhr ab und fahre dich und Aimee zum Spa, dann kann ich mich hier um alles kümmern und muss keine wehleidige, verkaterte Aimee ertragen.“ er sieht mich abwartend an.

„Spa klingt verlockend.“ gebe ich zu „Okay.“ ich nicke leicht.

Um 1 Uhr ist die Party zwar noch in vollem Gange, aber ich verabschiede mich, ich bin wirklich müde und muss in mein Bett.

Ich winke Ian und Aimee nur kurz zu und bin erleichtert, als ich endlich in meinem Bett liege und meine Augen schließen kann.

Wow, ein neues Jahr.

Neue Möglichkeiten.

Neue Herausforderungen.

Neue Ziele.

Alte Wunden...

Ich schlafe unruhig in dieser Nacht und werde erst wach, als es schon 12 Uhr durch ist. Ich springe nur schnell unter die Dusche, schlüpfe in eine bequeme Stoffhose, wobei mir wieder einmal auffällt, dass ich dringend Umstandshosen kaufen muss und angle mir meinen Lieblingssweater aus dem Schrank. Ian ist pünktlich und als ich Aimee auf dem Beifahrersitz sitzen sehe, da kann ich mir ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.

„Na?“ ich steige hinten ein. „Wann seid ihr den ins Bett gekommen?“ will ich fröhlich wissen.

„Keine Ahnung.“ grummelt Aimee und ich sehe zu Ian, der nur eine Augenbraue hoch zieht und los fährt, nachdem ich meinen Sicherheitsgurt angelegt habe.

„Ich war um 3 Uhr im Bett, aber Aimee hat noch etwas länger mit ein paar Freundinnen zusammen gesessen.“ Ian sieht zu ihr und sie reibt sich die Schläfen.

„Nächstes Silvester gibt es keinen Sekt.“ Nuschelt sie.

„Was ist denn ein Silvester ohne Sekt?“ lache ich.

„Auf jeden Fall ist der Neujahrstag dann angenehmer.“ sie dreht sich zu mir um und ich sehe ihre blutunterlaufenen Augen.

„Und ich glaube fast, dein Erscheinungsbild wäre auch um Längen besser.“ gebe ich zu.

„Danke.“ sie fährt sich durch ihre Haare.

„Ich hole euch in 3 Stunden ab.“ Ian hält vor dem Golfclub und Aimee und ich steigen aus.

Ich lege meinen Arm um Aimee und in den nächsten Stunden höre ich nicht einen Laut von ihr. Erst als wir uns wieder umziehen scheint sie zu ihrer allseits bekannte Form über zu gehen.

„Wie fandest du denn die Party?“ will sie wissen, als ich mir gerade frische Unterwäsche anziehe.

„Sie war wirklich nett, es war gut, das ich gekommen bin.“ ich schenke ihr ein dankbares lächeln.

„Wow Sammy...“ sie kommt zu mir und legt mir eine Hand auf den Bauch „Dein Baby scheint ordentlich zu wachsen.“

„Ja, ab und zu merke ich schon kleine, zaghafte Tritte.“ gebe ich verträumt zu.

„Wann hast du deinen nächsten Termin bei Dr. Klein?“ sie lässt von mir ab und beginnt sich anzuziehen.

„Am 12. Januar, dann will er schauen, ob wir schon sehen können, was es wird, dann bin ich fast in der 20. Woche und er meint, wir haben eine gute Chance.“ ich lächle sie glücklich an.

„Du willst es also wirklich wissen?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja, ich will es wissen.“ sage ich sicher und ziehe mir als letztes Kleidungsstück meinen Sweater über.

„Ich glaube ich würde mich lieber überraschen lassen wollen.“ denkt sie laut nach.

„Ach Aimee, ich hatte im letzten Jahr mehr Überraschungen als ich gebrauchen kann.“ ich nehme meine Tasche.

„Wie geht es dir eigentlich? Ich meine wegen...“ sie bricht ab, als sie mein Seufzen hört.

„Schon Okay.“ winke ich ab „Es tut immer noch weh, es ist schmerzhaft zu erkennen, dass ich mir so lange etwas eingebildet habe, was nicht da ist und ich dadurch alles aufgeben musste. Im Endeffekt habe ich mich da selbst rein manövriert. Taylor und ich waren Freunde und nach allem was passiert ist, sind wir nicht einmal mehr das.“

„Es tut mir leid, es war taktlos.“ entschuldigt sie sich.

„Nein Aimee, es sind nur Tatsachen und ich muss lernen damit zu leben, totschweigen lässt sie ja nicht verschwinden.“ wir treten hinaus in die kalte Winterluft Galways.

Kaum sind wir am Parkplatz angekommen fährt Ian auch schon vor und wir springen schnell rein.

„Willst du noch mit zu uns?“ Ian dreht sich zu mir um.

„Nein danke, ich muss morgen wieder arbeiten.“ winke ich ab.

„Hast du was dagegen, wenn ich dich am 12. begleite?“ Aimee sieht mich unsicher an.

„Nein, warum sollte ich denn? Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst.“ ich lächle breit.

„Wann hast du den Termin?“ will sie wissen und kramt ihren Terminplaner heraus.

„Um 15 Uhr, ich kann den Tag eine Stunde früher gehen.“ ich beobachte wie sie den Termin in ihren Planer schreibt.

Dann sind wir auch schon bei mir, ich schnappe mir meine Tasche und steige mit einem winken und einem Luftkuss für beide aus und laufe schnell ins Haus.

Verdammt ist das kalt.

Ich habe prinzipiell nichts gegen Kälte, aber es ist so eine nasse, ungemütliche Kälte... da ziehe ich Schnee vor, aber von dem ist weit und breit nichts zu sehen.

Ich bin froh, dass am nächsten Tag mein normaler Alltag wieder startet und ich im Büro viel zu tun habe und mich so ablenken kann.

„Sam, Aimee ist hier.“ Eileen sieht mich an und ich werfe panisch einen Blick auf meine Uhr.

Verdammt, in 20 Minuten habe ich den Termin bei Dr. Klein.

„Verdammt, ich sammle schnell meine Sachen zusammen. Sag ihr, ich bin gleich da.“ ich will meinen Computer runter fahren, aber Eileen tritt neben mich.

„Ich mach das eben, sieh zu das du nicht zu spät kommst.“ sie zwinkert mir zu und ich schnappe mir meine Jacke.

Ich habe mit 15 Uhr, sowieso schon den letzten Termin für einen Freitag bekommen, da sehen die es bestimmt nicht gern, wenn ich dann auch noch zu spät komme.

„Da bist du ja.“ empfängt mich Aimee und ich drücke ihr einen schnellen Kuss auf die Wange, ehe ich sie zum Fahrstuhl bugsiere.

„Ja, ich war so in meine Arbeit vertieft, das ich den Termin ohne dein Auftauchen wahrscheinlich vergessen hätte.“ gebe ich zu, als sich der Fahrstuhl endlich in Bewegung setzt.

„Man Sammy.“ ermahnt sie mich und dreht spielerisch mit den Augen.

In der Tiefgarage entscheiden wir uns für ihr Auto und tatsächlich komme ich um eine Minute vor 15 Uhr in die Praxis.

„Es tut mir leid.“ ich versuche Luft in meine Lungen zu bekommen, doch die Arzthelferin winkt freundlich ab.

„Sie können gleich durchgehen Miss Porter.“ sie deutet auf einen Behandlungsraum und Aimee folgt mir.

Ich ziehe meine Jacke aus, wickle meinen Schal ab, setze mich auf die Liege und atme tief durch, ich bin nervös, nervöser wie ich es zugeben würde.

„Hallo Miss Porter.“ Dr. Klein betritt den Raum und reicht mir seine Hand.

„Hallo Dr. Klein.“ begrüße ich ihn freundlich.

„Wie geht es ihnen?“ er setzt sich hinter seinen Schreibtisch und sieht mich fragend an.

„Gut danke.“ antworte ich knapp und knete meine Hände.

„Wie ich sehe, sind sie gespannt darauf zu erfahren, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.“ er lächelt nachsichtig und ich nicke leicht. „Machen sie ihren Bauch frei und wir schauen mal, ob das Baby denn verraten möchte, was es wird.“ er steht auf und während ich mich hinlege, setzt er sich vor sein Ultraschallgerät und tippt meine Daten ein. Ich hoffe mein Bay ist zeigefreudiger als Olivia es war, denn sie hat ja schließlich erst in der 33. Woche preis gegeben das sie ein kleines Mädchen ist.

Ich starre an die Decke, als er mir das kalte Gel auf dem Bauch verteilt und beginnt mit dem Kopf des Ultraschallgerätes kreuz und quer über meinen Bauch zu fahren.

Ein paar Sekunden später ertönt der Herzschlag und ich atme erleichtert durch.

Aimee kommt zu mir und nimmt meine Hand, während wir Beide gebannt auf den Monitor starren.

Dr. Klein lacht leise und stoppt dann das Bild.

„Also...“ er holt tief Luft „Das Baby ist sehr zeigefreudig und das, was sie hier sehen, ist nicht die Nabelschnur.“ er deutet auf den Monitor.

„Ein Junge?“ hauche ich.

„Ja, ein Junge.“ bestätigt er.

Aimee umarmt mich mit Tränen in den Augen und auch mir kullern einzelne Tränen übers Gesicht.

„Es sieht alles sehr, sehr gut aus Miss Porter. Wir sehen uns in 4 Wochen. Es sei denn, es ist etwas akutes, dann kommen sie sofort vorbei.“ er trägt die neuen Daten in meinen Pass, druckt noch ein paar Bilder aus und reicht mir alles, nachdem ich mich wieder angezogen habe.

„Vielen Dank Dr. Klein.“ ich strahle ihn an „Ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende.“

„Das wünsche ich ihnen auch.“ er winkt uns hinterher, als wir das Sprechzimmer verlassen und an der Anmeldung vorbei ins Freie huschen.

„Wow, ein kleiner Junge.“ Aimee drückt mich an sich.

„Ein kleiner Jake.“ sage ich leise.

„Jake, also hmm?“ sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und ich nicke. „Ein wunderschöner Name.“

„Danke Aimee.“ ich umarme sie ganz fest und bin jetzt wirklich dankbar, dass sie mitgekommen ist.

„Zur Feier des Tages gehen wir jetzt irgendwo lecker Essen.“ beschließt sie „Worauf hast du Hunger?“

„Hmmm...“ ich denke einen Moment nach „Griechisch.“

„Sehr gut.“ lobt sie mich und wir gehen zu ihrem Auto.

Nach einem wirklich leckeren Essen fahren wir zu Aimee und Ian und Ian sieht uns kopfschüttelnd an.

„Ist eine von euch mal auf die Idee gekommen Bescheid zu sagen, wo ihr seid und ob es euch gut geht?“ er stemmt die Hände in die Hüfte und Aimee drückt ihm einen Kuss auf den Mund.

„Hmmm, ehrlich gesagt nein.“ gibt sie lachend zu „Wir mussten feiern.“ sie legt ihre Jacke ab und Ian sieht zwischen uns hin und her.

„Also ist bei dir bzw. euch alles gut?“ er sieht mich erleichtert an.

„Ja, alles Bestens.“ ich hänge meine Jacke ebenfalls auf. „Sorry.“ entschuldige ich mich bei ihm und ziehe eine Schnute.

„So lange bei euch alles gut ist, ist es schon in Ordnung.“ er drückt mich an sich.

„Ja, dem kleinen Jake geht es hervorragend.“ lässt Aimee die Katze aus dem Sack und Ian drückt mich gleich noch einmal an sich.

„Herzlichen Glückwunsch.“ freut er sich.

„Danke Ian.“ wir gehen alle ins Wohnzimmer und Aimee holt mal wieder ein Blatt Papier.

„Was hast du denn jetzt schon wieder vor?“ stöhne ich gespielt.

„Eine Liste.“ sagt sie selbstsicher.

„Nein wirklich?“ sagen Ian und ich wie aus einem Mund und fangen uns einen bösen Blick ein.

„Tut mal nicht so, so manch eine Liste hat euch schon den Arsch gerettet.“ sie streckt uns die Zunge raus.

„Okay, okay...“ lenkt Ian ein „Eine Liste wofür genau?“

„Na für Jake.“ sagt sie „Was muss Sammy noch alles kaufen? Was bekommt die vielleicht von Ava. Was muss noch alles getan werden? Braucht sie neue Versicherungen? In welchem Krankenhaus soll der kleine Mann zur Welt kommen? Wer soll dabei sein... Und so weiter und so weiter.“ zählt sie auf.

„Ist ja gut, ich habe es begriffen.“ winke ich lachend ab.

„Sehr gut.“ sie sieht mich zufrieden an. „Also Kinderzimmer können wir auf die erledigt Seite schreiben.“

„Ja.“ ich werfe Ian einen dankbaren Blick zu.

„Gut...“ sie denkt nach und kaut auf dem Ende ihres Bleistiftes herum „Kinderwagen?“

„Damit wollte ich noch etwas warten und mich bis dahin belesen.“ gebe ich zu, sie nickt zufrieden und macht sich Notizen.

„Babysachen?“ zählt sie weiter auf.

„Da habe ich mit dir gerechnet.“ ich grinse „Jetzt wo ich weiß, dass es ein kleiner Jake wird kann ich los legen.“

„Damit bin ich voll und ganz einverstanden.“ sie nickt lebhaft.

„Wo wir gerade bei Klamotten sind, ich bräuchte dich nächste Woche. Ich muss mir dringend ein paar Sachen zulegen, in 90 Prozent meiner Garderobe passe ich nicht mehr.“ ich verziehe das Gesicht.

„Mittwoch?“ sie holt ihren Terminplaner raus und ich staune mal wieder, wie organisiert sie ist.

„Klingt gut. Holst du mich ab?“ ich lege meinen Kopf schief und sie nickt dieses Mal so lebhaft, das sich einige hellbraune Strähnen aus ihrem Zopf verabschieden und ihr ins Gesicht hängen.

„Zubehör?“ wirft sie ein und ich denke angestrengt nach.

„Ich bespreche mich mit Ava und schaue, was sie mir geben kann und was ich mir dann noch kaufen muss. Ehrlich gesagt habe ich nicht die geringste Ahnung, was ich alles brauche.“ ich zucke mit den Schultern und Aimee macht sich weiter eifrig Notizen.

„Auto.“ sagt Ian plötzlich und es kommt so verwirrt und planlos von ihm, dass Aimee und ich schallend anfangen zu lachen.

„Was genau soll uns das sagen?“ fragt Aimee, nachdem wir uns halbwegs beruhigt haben.

„Ich habe Anfang Februar einen Termin mit Terence, einem guten Freund, er meint bis dahin hat er einen Volvo V70 organisiert und ihn soweit fit gemacht, dass du ihn kaufen kannst. Er ist zwar nicht dunkelblau sondern schwarz, aber ich denke der Gedanke zählt.“ er sieht zu mir und ich nehme ihn dankbar in den Arm.

„Super, ich danke dir.“ meine Stimme ist nur leise, aber er nickt lächelnd.

„Gut, dann brauchst du einen Kindersitz, den schreibe ich mal bei den Babysachen mit auf und ich würde sagen, wir machen eine wirklich große...“ sie unterstreicht das Wort mit der dementsprechenden Geste „Shoppingtour Anfang April. Bis dahin kannst du ja schauen, ob du dich wegen noch mehr Sachen belesen willst.“ sie zwinkert mir zu.

„Ja und ich muss mein Sparbuch auflösen.“ dieses Mal bin ich diejenige die sich eine Notiz auf einem Haftklebezettel macht und sich diesen einsteckt.

„Wo willst du entbinden?“ wechselt sie das Thema.

„Ich denke, das werde ich mit Dr. Klein besprechen. Er wird mir sicherlich die Klinik empfehlen, mit der er zusammen arbeitet.“ ich sehe zu Ian und dieser nickt.

„Wer soll mit?“ Aimee lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Ava.“ sage ich sicher „Und du.“

„Wirklich?“ Aimee sieht mich mit großen Augen an.

„Ja, ich brauche jemanden der mich aufmuntert.“ gestehe ich und sie lächelt.

„Es ist mir eine Ehre.“ sie verbeugt sich und ich lache auf. „Dann bestehe ich aber darauf dich auch zu deinen Geburtsvorbereitungskursen und zur Krankenhausbesichtigung mitzukommen.“ sie hält mir ihre Hand hin und ich schlage ein.

Ich bin mehr wie erfreut, dass sie sich anbietet, denn ich will das alles nicht alleine durchstehen müssen.

„Und wenn ich mal keine Zeit habe, dann springt Ian ein.“ sie drückt ihm einen Kuss auf die Lippen und er sieht mich grinsend an.

„Einverstanden.“ lächle ich.

„Ich glaube wir sind heute ein ganzes Stück weiter gekommen.“ Ian klatscht in die Hände „Ich mache uns jetzt ein paar Cocktails.“ er sieht zu mir „Natürlich alkoholfrei für dich und wir begießen den kleinen Jake.“

Ich schlafe in dieser Nacht bei Aimee und Ian und am nächsten Tag fahren wir in ein Erlebnisbad und verbringen den ganzen Tag dort. Er ist zu lustig und Aimee und ich verbringen fast unsere gesamte Zeit damit andere Menschen zu beobachten und zu analysieren.

Sonntag nach dem Frühstück rufe ich Ava an, erst will ich ihr am Telefon sagen, das ich weiß, das ich einen Jungen bekomme, aber als sie mir erzählt, das sie und Dad am nächsten Wochenende vorbei kommen wollen, entscheide ich mich dagegen. Ich will es ihnen persönlich sagen, ich möchte so gerne ihre Gesichter gerne dabei sehen.

Am Montagmorgen fühle ich mich nicht besonders wohl, aber ich versuche das komische Gefühl zu ignorieren und komme pünktlich zur Arbeit.

„Was ist denn mit dir los? Ehrlich Sam, du siehst nicht gut aus.“ empfängt mich Eileen und ich verdrehe die Augen.

„Guten Morgen Eileen, es ist auch schön dich zu sehen.“ erwidere ich, ohne auf sie einzugehen.

„Sorry, aber du siehst wirklich nicht gut aus.“ sie folgt mir in mein Büro.

„Ich habe schlecht geschlafen und mein Magen rebelliert ein wenig.“ gebe ich zu und nehme ihr den Becher mit Tee ab, den sie mir mitgebracht hat.

Wieder einmal stört uns das Telefon, aber dieses Mal meins und ich nehme noch im Stehen den Hörer ab.

„Green & Ross, Samira Porter am Apparat.“ melde ich mich freundlich und Eileen geht zurück zum Empfang.

„Sammy...“ ertönt nach ein paar Sekunden ein Schluchzen.

„Ava?“ sämtliche Alarmglocken beginnen ohrenbetäubend in meinem Kopf zu schrillen. „Was ist los?“ frage ich panisch.

„Daddy.“ weint sie.

„Was ist mit Dad?“ meine Atmung beschleunigt sich auf ein ungesundes Niveau.

„Sie haben ihn heute Morgen in der Bar gefunden. Sammy, er ist tot.“ sie weint bitterlich.

„Nein.“ ich lasse die Teetasse, die ich die ganze Zeit umklammert habe, fallen und sie zerbricht scheppernd in mehrere Einzelteile.

„Was ist passiert?“ ich versuche nicht in Tränen auszubrechen.

„Herzanfall, sie sagen er ist umgekippt und war sofort tot. Gott Sammy, Daddy ist tot.“ sie kann sich kaum beruhigen.

„Ich komme.“ sage ich nur und lege mechanisch auf.

Ich stütze mich mit einer Hand an meiner Schreibtischkante ab, meine andere Hand legt sich auf meinen Bauch und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.

„Was ist los?“ fragt Eileen besorgt und ich sehe sie unter Tränen an.

„Mein Dad ist tot.“ sage ich leise und sie schlägt ihre Hände vor den Mund.

„Oh Sam.“ mit einem großen Schritt ist sie bei mir und nimmt mich in den Arm.

„Ich muss nach Sandycove.“ flüstere ich.

„Ich spreche mit Michael und fahre dich.“ sagt sie sicher, bugsiert mich auf einen Stuhl und noch ehe ich widersprechen kann, stürmt sie in das Büro ihres Mannes.

Ich versuche krampfhaft zu verstehen, was Ava mir vor ein paar Minuten gesagt hat, aber es will mir einfach nicht in den Kopf. Meine Hand ruht immer noch auf meinem Bauch, gerade so als wollte ich meinen kleinen Jake vor all dem beschützen...

Mein Daddy kann nicht tot sein.

Ich habe doch noch am Samstagabend mit ihm telefoniert.

Es kann nicht wahr sein...

„Es tut mir so leid.“ Michael kommt zu mir „Eileen wird dich nach Sandycove fahren, du kannst unmöglich alleine fahren.“ er nimmt mich in den Arm.

„Danke.“ hauche ich und Eileen reicht mir meine Jacke, die ich erst vor einer halben Stunde auf den Garderobenständer gehängt habe.

„Fahrt mit dem BMW.“ Michael reicht ihr seinen Autoschlüssel und ehe ich wirklich realisieren kann, was passiert, da sitze ich auch schon mit Eileen im Auto.

Ich kann nicht weinen, denn mein Verstand weigert sich schlichtweg diese neue Tatsache zu akzeptieren.

Dann fahren wir die Auffahrt von Ava und Matt hoch und Eileen sieht mich besorgt an.

„Wenn was ist, dann rufst du mich an, ja?“ bittet sie mich von ganzem Herzen.

„Ja, ich danke dir.“ ich nehme meine Jacke vom Rücksitz „Kannst du Aimee und Ian Bescheid sagen? Ihre Nummern sind in meinem Telefon eingespeichert.“

„Aber sicher.“ sie streicht mir über den Kopf, eine typisch mütterliche Geste und ich steige aus.

Langsam gehe ich in Richtung Haustür, Ava öffnet sie und wirft sich weinend in meine Arme.

Erst als wir hinein gehen, höre ich wie Eileen wieder los fährt.

Kaum im Haus genügt ein Blick in Avas Gesicht und ich beginne zu weinen. So sehr zu weinen, das sich alles in meinem Inneren zusammenzieht und das ich denke, das ich keine Luft mehr bekomme.

Ich nehme nichts und niemanden wahr, nur Ava und mich.

Wir haben unseren Daddy verloren.

Als wir uns nach einer ganzen Zeit etwas beruhigt haben, sieht mich Ava mit verweinten Augen an. „Wer hat dich gefahren?“

„Eileen, sie wollte mich nicht alleine fahren lassen.“ ich versuche das Schluchzen zu unterdrücken.

„Ich danke ihr, ich habe mir Sorgen gemacht.“ sie streicht mir eine Strähne meines braunen Haares aus dem Gesicht.

„Was machen wir denn jetzt?“ so sehr ich es auch nicht will, aber ein tiefes Schluchzen entweicht meiner Kehle.

„Ich habe schon mit Seamus gesprochen, er kommt morgen vorbei.“ Matt steht im Türrahmen und ich sehe überrascht auf. „Mittwoch habt ihr einen Termin mit einem Anwalt, das hat Seamus in die Wege geleitet, denn euer Dad hatte ein Testament.“

„Wo soll die Trauerfeier statt finden?“ frage ich leise und sehe zu Ava.

„Ich will keine Trauerfeier.“ sagt sie sicher „Er wollte damals auch keine für Mum und jetzt will keine für ihn. Ein Gottesdienst und die Beerdigung, mehr nicht.“

„Einverstanden.“ stimme ich ihr zu. „Er muss neben Mum beigesetzt werden.“

„Auf jeden Fall.“ stimmt sie mir zu.

Über das Babyphon hören wir, das Liv aufwacht und Ava steht auf um sie zu stillen. „Ich bin in 20 Minuten wieder da.“ verspricht sie mir und ich nicke stumm.

Kaum das sie raus gegangen ist, stütze ich meinen Kopf in meine Hände und beginne erneut zu weinen.

Matt setzt sich zu mir und nimmt mich in den Arm.

„Es tut mir so leid.“ sagt er leise und wiegt mich in seinen Armen.

„Ava und ich sind Waisen.“ ich sehe ihn an und er presst seine Lippen aufeinander.

„Ja, aber ihr seid nicht allein.“ er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

An viel mehr kann ich mich von diesem Tag nicht erinnern, es ist als wäre man auf Autopilot...

Ich schlafe im Gästezimmer, aber wirklich schlafen tue ich nicht. Um kurz nach 3 Uhr kommt Ava zu mir ins Zimmer und wir liegen weinend zusammen im Bett.

Der Termin mit Seamus geht schnell über die Bühne, denn mein Dad hat genau fest gelegt was er will und was nicht. Einen einfachen weißen Sarg, ein Gesteck aus weißen und gelben Rosen und eine Beisetzung neben unserer Mum. Keine Aufbahrung, denn diesen Anblick will er uns ersparen und wir sind einverstanden. Ich weiß nicht, ob ich es überstehen würde ihn da liegen zu sehen. Joan und Frank sind am Vormittag gekommen, sie kümmern sich um Liv, während Ava und ich von Matt zu einem Anwalt nach Kinsale gefahren werden.

„Samira Porter und Avangeli Callaghan in der Sache Bryan Donald Porter.“ sagt Matt zu der Dame hinter einem kleinen Empfangstresen.

„Einen Moment, ich hole eben Mr. Stewards.“ sie steht auf und Augenblicke später kommt ein Mann zu uns.

„Mein herzliches Beileid.“ begrüßt uns ein älterer Mann mit schütterem Haar. „Ich bin Manuel Stewards, der Anwalt ihres Dads.“ stellt er sich noch vor und bittet uns Platz zu nehmen.

Ava greift nach meiner Hand und sieht sich suchend nach Matt um, der neben ihr auf einem anderen Stuhl seinen Platz findet.

„Ich möchte sie gar nicht lange aufhalten. Ihr Dad hat erst vor ein paar Monaten sein Testament ändern lassen und ich verlese es jetzt erst einmal. Sollten sie Fragen haben, so scheuen sie sich nicht, sie zu stellen.“ er sieht uns an und ich nicke mechanisch.

„Ich Bryan Donald Porter, geboren am 13.07.1951 verfüge hiermit, dass meine Töchter Avangeli Petunia Callaghan, geborene Porter und Samira Rosemary Porter meine Lebensversicherung in Höhe von 500.000 Euro zu gleichen Teilen ausgezahlt bekommen. Das Haus in der Ardkilly Ridge 21 a in Sandycove Co. Cork vermache ich Olivia Samira Joan Callaghan und dem ungeboren Kind von Samira Porter. Ich möchte, dass Olivia in dem Haus, in dem ihre Mum aufgewachsen ist, aufwächst und ich möchte, das Samiras Kind immer einen Platz hat, zu dem es kommen kann. Ich möchte nicht, dass der Erbanteil bei Nichtnutzung ausgezahlt wird. Die Bar soll nach meinem Tod verkauft werden, es liegen bei einem Makler in Kinsale mehrere Angebote vor und der Erlös soll zu gleichen Teilen an Avangeli und Samira ausgezahlt werden. Alle meine Habseligkeiten gehen automatisch in den Besitz meiner Töchter über, diese können frei entscheiden, was sie damit machen und wie sie die Erbmasse verteilen. Ich wünsche keine Trauerfeier, lediglich einen schön gestalteten Gottesdienst und eine kleine Andacht.“ Mr. Stewards sieht uns an und wieder nicke ich.

„Danke Mr. Steward.“ ich sehe zu Ava „Hast du Fragen?“

„Nein.“ sie schüttelt sachte mit dem Kopf.

Damit reicht er uns ein Stück Papier und wir setzen unsere Unterschriften darunter.

„Sie bekommen die neue Grundbesitzurkunde für Olivia in den nächsten Tagen zu geschickt, die Lebensversicherung wird in einer Woche ausgezahlt und ich habe angewiesen, das jeweils 250.000 € auf ihre Konten überwiesen werden.“ er schüttelt unsere Hände „Wenn sie möchten kann ich ihnen auch einen Termin mit dem Makler machen.“

„Morgen?“ Ava sieht ihn an und er erwidert überrascht ihren Blick.

„Ich bin mir sicher, dass ich das hin bekomme. Ich rufe sie wegen der der Uhrzeit später an.“ verspricht er und Matt legt den Arm um Ava, als wir das Büro verlassen.

Joan und Frank haben für uns gekocht, als wir zurück kommen, aber ich bekomme einfach nichts runter.

„Sam? Ava? Annie und Carl sind da. Möchtest du mit ihnen sprechen?“ Frank steht in der Tür zum Wintergarten auf den ich mich mit Ava zurück gezogen habe und sieht uns fragend an.

„Ich gehe.“ Sage ich zu Ava und folge Frank zur Haustür.

„Kleines.“ Annie nimmt mich sofort in den Arm und auch Carl legt seinen Arm um mich. „Es tut uns so furchtbar leid.“

„Danke, das ihr gekommen seid, Ava und ich brauchen einfach Zeit für uns.“ Ich rücke ein Stück von ihnen weg. „Seid mir bitte nicht böse.“ Bitte ich sie inständig.

„Das verstehen wir natürlich, aber bitte ruf uns an, wenn was ist.“ Carl haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Das mache ich.“ Versichere ich ihnen eher halbherzig und beobachte wie sie zu ihrem Auto zurück gehen.

Ich weiß nicht, warum ich sie nicht um mich haben möchte, aber am liebsten wäre ich mit Ava ganz alleine.

Es ist unser Schmerz.

Außerdem habe ich Angst, dass sie heraus finden könnten, dass ich schwanger bin.

Damit könnte ich mich jetzt nicht beschäftigen.

Als Ava, Joan, Frank und Liv im Bett sind, nehme ich mir den großen schwarzen Schlüssel vom Schlüsselbrett.

„Sam? Was hast du vor?“ Matt erscheint hinter mir.

„Wir werden die Bar morgen an den Makler übergeben und ich will noch einmal rein.“ erkläre ich ihm leise und er sieht mich prüfend an.

„Aber sicher, ich fahre dich.“ er nimmt sich seine Jacke und reicht mir meine.

Vor der Bar sind Kerzen und Blumen aufgestellt und ich schlucke schwer.

Er wird so vielen hier fehlen... aber vor allen Dingen mir und Ava.

Ich schließe die schwere Holztür auf und wir treten ein. Es ist unwirklich still, alle Stühle sind hoch gestellt und die Luft ist staubverhangen.

Ich gehe zum Tresen und lasse meine Hand über das glatte, kühle Holz gleiten.

„Hier wurden so viele wichtige Ereignisse gefeiert.“ sage ich leise, nehme einen Barhocker vom Tresen und setze mich. Matt schließt die Tür wieder ab und setzt sich zu mir.

„Erzähle es mir.“ bittet er mich und ich sehe mich weiter um.

„Taylors, Jakes, Avas und mein 18. Geburtstag, wir alle haben hier gefeiert und es richtig krachen lassen.“ ich betrachte die Fotos die hinter dem Kassenbereich an der Wand hängen. „Deine und Avas Verlobung, eure Hochzeit...“ ich schlucke schwer „Ich werde meine Hochzeit, sollte ich denn jemals heiraten, nicht hier feiern können. Gott...“ ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an „Er ist wirklich tot.“ hauche ich und er zieht mich in seine Arme.

„Alles wird gut.“ flüstert er mir ins Ohr.

„Wie denn?“ ich sehe ihn verloren an „Mein Dad ist tot, ich wohne in Galway, obwohl das nicht mein Zuhause ist, wegen einem Mann den ich liebe, aber der mich nicht liebt. Ich vermisse Sandycove, ich vermisse einfach alles hier. Besonders Ava, Dich und Liv.“ weine ich.

„Komm zurück.“ bittet er mich.

„Wie denn?“ frage ich erneut. „Ich bekomme in 4 Monaten ein Baby und ich will weiß Gott nicht Schuld sein, wenn Taylor wieder abstürzt, weil er all dem nicht gewachsen ist.“ schniefe ich und er versucht mir die Tränen weg zu wischen.

„Oh Sammy.“ er sieht mich traurig an.

„Du musst immer auf Ava und Liv aufpassen, sie sind alles was ich noch habe.“ bitte ich ihn inständig.

„Natürlich, aber du hast auch noch mich, Annie und Carl.“ er zwingt mich ihn anzusehen. „Wir sind alle für dich da, vergiss das bitte niemals.“

„Danke.“ meine Stimme zittert und ich atme tief durch.

Ich nehme mir meine Jacke wieder in die Hand und stehe auf. Matt stellt unsere beiden Stühle hoch während ich um den Tresen herum gehe und die Bilder abnehme. Ich möchte sie behalten, ich möchte ihn immer bei mir haben. Ich weiß nicht, ob Ava vielleicht auch einige haben möchte, also nehme ich alle ab und als ich auf die Tür zu steuere hält mir Matt die Tür auf und ich trete hinaus in die kalte Januarluft.

„Bye Daddy.“ flüstere ich leise als ich das letzte Mal die Bar, die mich mein ganzes Leben lang begleitet hat, verlasse.

Obwohl wir uns bemühen leise zu sein, als wir zurück kommen, steht Ava an der Treppe und wartet auf uns.

„Wo wart ihr denn?“ sie nimmt erst mich und dann Matt in den Arm.

„Ich wollte noch ein letztes Mal in die Bar.“ gestehe ich.

„Bitte sagt Bescheid, wenn ihr irgendwo hin geht.“ bittet sie uns und betrachtet den Stapel Bilder auf meinem Arm.

„Machen wir.“ verspreche ich ihr reumütig „Du kannst morgen schauen, ob du auch welche von den Bildern haben möchtest. Ich muss jetzt ins Bett, Gute Nacht.“ ich gehe an ihr vorbei, drücke ihr einen Kuss auf die Wange und gehe dann hoch ins Gästezimmer. Wie schon in der letzten Nacht, wälze ich mich nur hin und her und finde kaum Schlaf.

Der Termin beim Makler ist schnell erledigt, denn mein Dad hatte Recht, es gibt bereits Interessenten und der Verkauf sollte nur noch Papierkram werden. Gleichzeitig stellen Matt und Ava auch ihr Haus zum Verkauf, denn sie wollen so schnell wie möglich umziehen.

Den Donnerstag, den Freitag und den Samstag verbringen wir damit in unserem Elternhaus aufzuräumen und die Sachen, für die wir keine Verwendung haben einer wohltätigen Organisation zu spenden. Joan und Frank sind wieder nach Limerick gefahren und es tut mir irgendwie gut, nur mit Ava, Matt und Liv zusammen zu sein.

Ich krabbele hoch auf den Dachboden und sehe mich um, hier steht meine ganze Kindheit, fein säuberlich in Kartons verpackt...

Ich nehme mir die mit meinem Namen darauf und Matt steht am Fuße der Treppe und nimmt sie mir ab, um sie in die Garage zu bringen. Ich werde bei Gelegenheit vorbei kommen und sie abholen.

„Ist es Okay, wenn wir das Wohnzimmer beige streichen?“ Ava sieht mich an, als ich mir den Staub abklopfe und mich im Haus umsehe.

„Es ist euer Haus, ihr könnt machen, was ihr wollt.“ sage ich leise.

„Nein, es ist auch dein Haus und wird es immer sein, nicht nur dein Kind, sondern auch du... Ihr habt mit diesem Haus immer einen Platz an dem ihr Willkommen seid.“ sie legt ihren Arm um mich.

Als es klopft stöhnen wir Beide gleichzeitig auf und Matt geht zur Tür.

„Mal wieder Nachbarn, die fragen, ob es euch gut geht und ob ihr etwas braucht.“ erklärt er uns 5 Minuten später und stellt einen Auflauf in den Kühlschrank. „Hat eine von euch sich eigentlich mal bei Annie oder Carl gemeldet?“

„Nein, nicht nachdem sie am Dienstagnachmittag hier waren.“ winke ich ab und gehe in den Wintergarten um den Blick hinaus zum Strand in mich aufzunehmen und etwas Ordnung in meine Gedanken zu bekommen.

„Ich habe sie angerufen und ihnen gesagt, das die Trauerfeier morgen um 10 Uhr statt findet.“ Ava tritt hinter mich. „Ich habe sie abgewürgt, auch ich kann es im Moment nicht ertragen.“ gibt sie zu. „Ich hoffe sie verstehen es.“

„Ich habe meine Rede fertig.“ sage ich mehr zu ihr wie zu mir „Und das Kleid, was ich bestellt habe, ist vorhin angekommen.“ füge ich hinzu.

„Sammy?“ flüstert sie und ich sehe sie traurig an.

„Was ist los Ava?“ ich gehe zu ihr und sie umschließt fest meine beiden Hände mit ihren.

„Wie geht es dir?“ haucht sie „Ich habe das Gefühl, ich frage dich andauernd aber du bist nicht ehrlich zu mir.“

Ich schließe meine Augen, atme schwer und sehe sie an.

Wenn nicht ihr gegenüber, wem gegenüber kann ich denn sonst ehrlich sein?

„Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das Taylor kommt, mich in den Arm nimmt und mich eine Sekunde lang den Schmerz vergessen lässt.“ gebe ich zu.

„Ruf ihn an.“ erwidert sie leise.

„Warum? Ava, ich kann nicht mehr einfach nur mit ihm befreundet sein und ich weiß, das er nicht mehr will.“ ich zucke mit den Schultern.

„Du liebst ihn.“ sie legt ihren Kopf schief.

„Ja, ich liebe ihn.“ sage ich leise und sie zieht mich in ihre Arme.

Wenn ein Mensch von einem anderen verletzt worden ist, dann neigt er dazu, diesem Menschen aus dem Weg zu gehen und ihn aus seinem Leben zu verbannen.

Nur manchmal ist das wesentlich leichter gesagt wie getan.

Meine Augen sind blutunterlaufen und egal wie viel Mühe ich mir gebe, ich sehe unsagbar müde und fertig aus, als ich nächsten Morgen in mein Kleid schlüpfe. Ich betrachte mich prüfend von allen Seiten im Spiegel als Matt herein kommt.

„Man sieht es nicht, würde ich es nicht wissen, würde ich es nicht einmal vermuten.“ er kommt auf mich zu.

Ich habe extra ein Kleid aus fließendem Stoff bestellt, denn egal was vorgefallen ist, es ändert nichts daran, das ich nicht möchte, das Taylor oder irgendwer anders hier in Sandycove von meiner Schwangerschaft erfährt.

Ich binde meine Haare nur locker im Nacken zusammen, Matt reicht mir meinen schwarzen Mantel und wir gehen hinunter zu Ava und Liv. Ava nimmt mich in den Arm und wir ziehen uns unsere flachen, schwarzen Pumps an.

Es ist, als ob die schwarzen Sachen die Stimmung, wenn überhaupt möglich, noch weiter drücken und wir schweigen auf der Fahrt zur Kirche. Liv schläft friedlich in ihrem Kindersitz und ich streiche ihr gedankenverloren über den Kopf.

Gott, ich habe Ava und Matt noch nicht einmal erzählt, das ich einen Jungen bekomme.

Meine Gedanken waren die ganze Woche woanders...

Als wir vor der Kirche halten, begrüßt uns Pfarrer Mullahan und wir werden von ihm in die Kirche geleitet.

Der weiße Sarg steht vor dem Altar und ich schlucke schwer.

Wie viele Menschen, die ich liebe, muss ich noch begraben?

Reicht es nicht irgendwann?

Matt hält mir und Ava die anderen vom Leib, denn ich möchte jetzt wirklich nicht reden.

Die Glocken erklingen und augenblicklich wird es still in der Kirche.

„Wir haben uns heute hier vor Gott versammelt um Abschied zu nehmen, Abschied von Bryan Porter einem liebevollen Vater und Großvater, einem treusorgenden Ehemann und einem wichtigen Mitglied unserer Gemeinde...“ die Worte von Pastor Mullahan hallen in den alten Gemäuern und ich greife nach Avas Hand.

„... Samira.“ er sieht mich an und ich stehe langsam auf. Ich stelle mich hinter das Rednerpult und versuche den Regen, der auf das Dach der Kirche prasselt und tausendfach wieder gegeben wird, zu ignorieren und mich zu konzentrieren.

„Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid um euch von meinem Dad zu verabschieden.“ beginne ich und meine Stimme klingt verloren. Ich wage es kurz aufzusehen und mein Blick trifft den traurigen von Taylor. Sofort beginnen die ersten Tränen zu laufen und ich wische sie tapfer weg. „Mein Dad war einer der wichtigste Menschen in meinem Leben, ohne ihn würde es mich und Ava nicht geben und wir wären nicht die, die wir heute sind. Wir verdanken ihm so viel.“ ich schluchze leise „Ich weiß nicht, was ich noch sagen kann...“ ich beiße auf meine Unterlippe „Mein Dad war ein so wunderbarer Mensch, ein liebevoller Vater für mich und Ava und wunderbarer Großvater für Liv, ein aufrichtiger und ehrlicher Bürger unserer Gemeinde. Sein Tod ist ein schmerzlicher Verlust und ich bin dankbar, dass ich Ava und Matt an meiner Seite habe, um das zu überstehen. Der Gedanke, dass er endlich mit unserer Mum wieder vereint ist, ist ein kleiner Lichtblick in der schwarzen Nacht die mich im Moment umgibt. Danke, dass ihr alle hier seid um einen wunderbaren, ehrlichen, aufrichtigen und liebevollem Menschen zu verabschieden. Bye Daddy.“ ich falte meinen Zettel wieder zusammen. Matt springt auf und stützt mich auf dem Weg zu meinem Platz, dann geht er zurück und sagt auch einige Worte.

Aber ich kann mich nicht auf seine Worte konzentrieren, denn ich höre nur das Rauschen des Blutes in meinen Ohren. Erst als Ava meinen Arm fest umklammert sehe ich auf.

„... Ich habe Bryan versprochen immer auf Ava, Liv und Sam aufzupassen, ich werde alles was in meiner Macht steht tun um dieses Versprechen zu erfüllen und ihn stolz auf mich zu machen. Er fehlt uns und hinterlässt einen Leerraum der nicht aufzufüllen ist. Ruhe in Frieden Bryan.“ er kommt wieder zu uns und ich versuche meiner Tränenflut irgendwie einzudämmen.

Dann wird der Sarg nach draußen getragen und Ava und ich folgen ihm als Erstes. Wir kommen zum Friedhof und ich starre in dieses Loch in der Erde.

Da soll mein Dad jetzt rein?

Der Pastor sagt noch ein paar weitere Worte und wir beten das Vater unser, dann wird der Sarg in die Erde gelassen und Ava tritt vor und nimmt sich die kleine Schaufel und gibt eine Schippe mit Erde in das Loch, ehe sie eine weiße Rose in sein Grab wirft.

Dann trete ich vor, meine Hand zittert so sehr, das ich die kleine Schaufel gar nicht voll machen kann und Matt reicht mir eine leuchtend gelbe Rose.

„Bye Daddy.“ hauche ich und die Rose landet auf Ava ihrer auf dem Deckel des Sarges.

Matt legt einen Arm um mich und einen um Ava um uns Halt zu geben, doch ich habe das Gefühl ich falle ins bodenlose...

Ich warte eigentlich nur auf den Aufprall.

Dann kommt Pastor Mullahan zu uns und verabschiedet sich.

Es scheint, als hätten wir die Beerdigung überstanden.

Bevor der Ansturm auf mich und Ava los geht, bugsiert uns Matt zur Seite.

„Kleines.“ Carl zieht mich in seine Arme und ich schluchze leise an seiner Schulter. „Es war ein wirklich schöner Gottesdienst. Wie geht es dir?“ er zwingt mich ihn anzusehen.

„Wir hatten so viel um die Ohren, das ich gar nicht dazu komme, darüber nachzudenken.“ Gebe ich zu „Das Haus musste umgeschrieben werden. Matt und Avas Haus musste zusammen mit der Bar einem Makler übergeben werden und wir mussten an so viele Sachen denken.“ ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an.

„Oh Kleines, warum habt ihr uns nicht helfen lassen?“ fragt er leise.

„Ava und ich sind erwachsen, wir mussten das alleine schaffen.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Annie mit Ava spricht und dann wende ich mich wieder Carl zu.

„Wir sind für euch da.“ versichert er mir.

„Ich weiß. Ich weiß es wirklich.“ ich nicke nicht sehr überzeugend.

„Bitte Sammy, lass uns da sein.“ fleht er mich beinahe an.

„Seid für Ava da, damit ist mir wirklich geholfen.“ bitte ich ihn „Ich muss morgen zurück nach Galway und sie braucht euch. Sie braucht eine Stütze.“

„Aber natürlich.“ verspricht er mir.

„Sam.“ Taylor erscheint neben ihm und Carl macht einen Schritt zur Seite.

„Was willst du Taylor?“ ich ziehe meinen Mantel enger um mich.

„Ich wollte dir sagen, das mir das mit Bryan unheimlich leid tut.“ er sieht zu Boden.

„Ich komme klar.“ ich drehe mich zum gehen um.

Ich will weg von ihm.

Soweit weg wie nur möglich.

„Ich bin da, wenn du mich brauchst.“ sagt er leise und ich wende mich ihm erneut zu. „Wenn ihr Hilfe mit der Bar braucht, dann sag Bescheid.“

„Nein Taylor, du bist nicht für mich da.“ ich schüttele traurig meinen Kopf „Alles was uns angeht, habe ich mir eingebildet und falsch interpretiert... Und die Bar haben wir gestern verkauft.“ damit gehe ich endgültig und atme tief durch.

Doch ich gehe nicht gleich zum Auto, ich gehe durch die Reihen Sandycoves Friedhofes bis ich vor seinem Grab stehe.

Ich streiche andächtig über den Stein.

 

Second Lieutenant

Jake Gregory MacKenna

15. März 1988, Sandycove – 02.Mai 2014, Bureji

Im Dienste für den Frieden

Gone but not forgotten

Mum, Dad & Taylor

 

Ich sehe ihn das erste Mal, er ist einfach weiß mit schwarzer Schrift, aber was anderes hätte auch gar nicht zu ihm gepasst.

„Du fehlst mir Jake.“ sage ich leise und hocke mich vor den Stein „Bestell' meiner Mum und meinem Dad liebe Grüße.“ ich hauche einen Kuss auf meine Fingerspitze und berühre vorsichtig seinen Namen in der Inschrift. „Du wirst immer bei mir sein.“ verspreche ich ihm. Ich stehe auf und mache mich auf dem Weg zu Matts Auto.

Ich brauche dringend etwas Ruhe, dieser Tag ist eine einzige Tortur.

„Ich bin nicht für dich da, weil du mich nicht da sein lässt.“ Taylor holt mich ein und zwingt mich stehen zu bleiben, verwirrt sehe ich ihn an und schüttele seinen Arm ab.

„Taylor, erst als ich mich entschieden habe zu gehen, da hast du dein Leben wieder selbst in die Hand genommen. Wir tun uns nicht gut.“ ich schüttele mit meinem Kopf „Entschuldige mich jetzt, ich muss zu Ava.“ ich lasse ihn stehen und gehe zu Ava und Matt.

Es kommen unzählige Menschen zu uns und drücken uns ihr Beileid aus.

Ich kann es nicht mehr hören, ich will es nicht mehr hören...

Ich bin mehr wie dankbar, als wir endlich bei Matt und Ava zu Hause sind. Matt drückt mir Liv auf den Arm und ich studiere jede kleine Einzelheit in ihrem wunderschönen Gesicht.

Egal was geschehen mag, sie und das Baby, welches in mir wächst, sie werden dafür sorgen, das mein Dad auf eine gewisse Art und Weise für immer bei uns ist.

Ich hatte mich so gefreut meinem Dad zu sagen, das es ein Junge wird und jetzt habe ich nie wieder die Möglichkeit mit ihm zu reden.

Ich wollte es ihm so gerne persönlich sagen...

Stumme Tränen laufen über meine Wangen und Ava legt wortlos ihren Arm um mich.

„Ich bekomme einen Jungen.“ flüstere ich.

„Das ist so wunderbar Sammy.“ sie legt ihren Kopf auf meine Schulter.

„Ich wollte es Daddy sagen, aber ich wollte warten bis wir uns sehen. Und jetzt...“ meine Stimme versagt und sie haucht mir einen Kuss auf die Wange.

„Er hat es gewusst.“ verspricht sie mir.

„Er ist nicht mehr da.“ weine ich leise.

„Er lebt in uns und seinen Enkeln weiter.“ sie sieht zu Liv.

„Das Baby wird Jake heißen.“ hauche ich.

„Ein wunderbarer Name und eine wunderschöne Geste.“ sie setzt sich zu mir und legt mir ihren Arm um meine Schultern.

„Ich muss morgen wieder nach Galway, Eileen hat mir angeboten mich abzuholen. Sie kommt gegen 11 Uhr.“ ich werfe ihr einen entschuldigenden Blick zu.

„Okay.“ sagt sie traurig.

„Kommst du mich nächstes Wochenende mit Matt und Liv besuchen? Ich koche für euch.“ bitte ich sie.

„Aber sicher, Sammy kocht, das kann ich mir nicht entgehen lassen.“ sie lächelt unter Tränen.

„Du rufst mich an wenn irgendetwas ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ ich sehe sie prüfend an und sie nickt leicht.

Liv wird wach und räkelt sich auf meinem Arm. „Ich glaube sie hat Hunger.“ ich reiche sie an Ava weiter und sie legt sie zum stillen an.

Nachdem die kleine Miss satt ist, darf ich sie baden und zu Bett bringen.

„Der kleine Jake bekommt eine wunderbare Mummy.“ Matt grinst mich an, als ich mich aus Livs Zimmer schleiche.

„Ava hat es dir erzählt?“ frage ich überflüssiger Weise.

„Ja aber sicher, ich bin ihr Mann.“ er sieht mich von sich überzeugt an „Außerdem hat sie mir gesagt, dass du morgen zurück fährst.“

„Es tut mir leid, aber ich muss wieder arbeiten.“ seufze ich „Ich hätte euch gerne noch beim Umzug geholfen.“

„Ach was...“ er winkt ab „Das bekommen wir schon hin.“

„Ich dank dir Matt, ich danke dir, dass du für Ava und mich da bist.“ ich nehme ihn in den Arm.

„Immer doch, ich liebe euch.“ er haucht mir einen Kuss auf die Wange. „Und jetzt solltest du zu Bett, du siehst wirklich müde aus.“

„Vielen Dank auch.“ ich gehe ins Gästezimmer, gönne mir eine Dusche und schlafe das erste Mal seit einer Woche fast eine ganze Nacht durch. Zum einen mag das wohl auch daran liegen, dass ich wirklich übermüdet und kaputt bin und zum anderen, das mir die Gespräche und die Bestätigung von Ava und Matt unheimlich gut tun.

Nach dem Frühstück verabschieden sich Joan und Frank und auch ich ziehe meinen Mantel an.

„Wo willst du denn hin?“ Matt sieht mich erstaunt an, nachdem er seine Eltern verabschiedet hat.

„Ich will Luke meine schriftliche Kündigung vorbei bringen. Ich will einen sauberen Schlussstrich.“ erkläre ich ihm, er nickt verständnisvoll und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe.

„Bestell Luke liebe Grüße.“ Er drückt mich kurz an sich und ich trete hinaus in die kalte Winterluft und gehe die 20 Minuten hinunter zum Hafen.

Ich betrete das Gebäude von OGF und sofort kommt eine Art Heimatgefühl auf. Ich habe so gerne hier gearbeitet und es fehlt mir. Ich habe fast Lukes Büro erreicht, als mir Taylor entgegen kommt und mich überrascht ansieht.

„Was machst du denn hier? Kommst du zurück?“ fragt er hoffnungsvoll und kommt einen Schritt auf mich zu.

Automatisch mache ich einen Schritt zurück und er seufzt leise.

„Nein, ich bleibe in Galway. Ich habe einen neuen Job und bringe Luke nur meine Kündigung.“ Ich dränge mich an ihm vorbei und gehe weiter in Richtung der Büros.

„Warte bitte…“ er holt mich ein und stellt sich vor mich „Es tut mir leid, was ich damals gesagt und getan habe.“

„Was genau?“ ich verschränke die Arme vor meiner Brust und einen kleinen Augenblick keimt Hoffnung in mir auf.

„Das ich immer und immer wieder Hilfe abgelehnt habe und das ich nicht auf das hören wollte, was du mir über ein halbes Jahr lang gesagt hast.“ Gesteht er mir.

„Das ist gut.“ ich will mich wieder umdrehen.

„Noch etwas… Es war falsch von mir, dich zu benutzen, um mich besser zu fühlen.“ Er sucht meinen Blick und ich weiche ihm aus.

„Gut.“ sage ich nur und will jetzt endlich meinen Weg weiter fort setzen.

„Mein Stern…“ fragt er leise und ich bleibe mit dem Rücken zu ihm stehen.

„Was noch Taylor?“ frage ich mit zitternder Stimme.

„Können wir irgendwann wieder Freunde sein?“ bittet er mich. „Ich glaube nämlich nicht, dass wir uns nicht gut tun.“

„Nein Taylor, das können wir nicht. Du hast zu viel kaputt gemacht, was man nicht mehr reparieren kann und die letzten Wochen haben eindeutig gezeigt, das ich dir nicht gut tue... Und lass den Quatsch mit mein Stern, ich heiße Samira, nenn mich gefälligst auch so.“ Ich betrete Lukes Büro und atme erleichtert durch, als ich die Tür hinter mir schließe.

Luke sieht mich mit großen Augen an und ich lege ihm mein Kündigungsschreiben auf den Tisch.

„Es ist nur noch Papierkram, aber ich will alles vernünftig abschließen.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

Er steht auf und kommt zu mir.

„Du siehst sehr blass aus.“ stellt er leise fest.

„Es ist alles ein bisschen viel.“ gebe ich zu und merke, wie mir wieder Tränen in die Augen steigen.

„Du musst Sandycove nicht verlassen...“ er nimmt meine Hand.

„Doch Luke, ich habe keine Wahl.“ ich sehe ihn traurig an. „Hier hält mich nichts. Die Bar ist verkauft, meine Wohnung neu vermietet, Ava und Matt haben mit Olivia genug Verantwortung, sie haben gerade Dads Haus übernommen und so viel um die Ohren. Ich kann das alles nicht.“

„Du bist aber noch nie davon gelaufen.“ er hält meine Hand weiterhin fest.

„Bisher nicht, aber jetzt habe ich keine Wahl.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

„Wegen dem hier?“ er legt seine Hand auf meinen Bauch und ich sehe ihn mit großen Augen an. „Ich kenne dich Sam, ich kenne dich mein ganzes Leben und ich habe eine schwangere Frau zu Hause. Ein Blick in deine Augen hat gereicht und ich wusste, was los ist.“

„Du verstehst das nicht.“ ich drehe mich von ihm weg.

„Er gibt sich Mühe, doch wirklich.“ beginnt er „Er macht seine Arbeit ausgezeichnet, er ist zuverlässig...“

„Stopp.“ ich hebe meine Hand „Ich will das nicht hören, denn ich war es ihm nicht wert sein Leben in den Griff zu bekommen.“ nun rollen die ersten Tränen über meine Wangen. „Er hat es erst geschafft, als ich gegangen bin. Also ist es für uns Beide besser, wenn ich Sandycove fern bleibe. So kann jeder sein eigenes Leben leben.“

„Aber Sam, du liebst ihn.“ Luke nimmt mich in den Arm.

„Manchmal ist das eben nicht genug.“ weine ich leise.

„Es tut mir leid Sam.“ er wiegt mich sanft hin und her.

„Mir auch Luke, ich habe wirklich sehr gerne für dich gearbeitet.“ ich wische meine Tränen weg und atme tief durch.

„Melde dich zwischendurch einfach mal, damit ich weiß, das es dir gut geht.“ bittet er mich.

„Ich versuche es.“ verspreche ich ihm „Und dir und Kaley alles Gute für euer Baby, ich freue mich das Kelly ein Geschwisterchen bekommt.“

„Danke Sam.“ er drückt mich kurz an sich.

„Ich danke dir Luke, ich danke dir für alles.“ ich winke ihm kurz zu und gehe dann wieder.

Als ich bei Ava und Matt ankomme steht Eileens Auto schon vor der Tür und sie unterhält sich mit Matt, als ich in die Küche betrete.

„Hey Sam.“ sie springt auf und nimmt mich in den Arm.

„Hallo Eileen, danke, das du mich abholst.“ ich drücke sie an mich.

„Kein Problem.“ versichert sie mir.

„Ich hole eben schnell meine Sachen.“ ich sehe sie an und gehe nach oben um meine restlichen Sachen zusammen zu packen.

Nachdem alles im Auto verstaut ist nehme ich Liv auf den Arm und presse sie an mich.

„Sei lieb zu deiner Mummy und deinem Daddy.“ flüstere ich ihr zu.

„Sammy...“ Ava stehen mal wieder Tränen in den Augen.

„Bitte nicht Ava, wir sehen uns nächstes Wochenende.“ ich drücke sie kurz und steige dann zu Eileen ins Auto.

„Deine Schwester und dein Schwager sind toll.“ sagt Eileen leise, als wir das Ortseingangsschild passieren.

„Ja, sie sind meine Familie.“ ich lächele kurz.

„Sie machen sich furchtbare Sorgen um dich.“ Sie wirft mir einen kurzen besorgten Blick zu.

„Ich weiß, aber egal wie oft ich ihnen sage, dass es Okay ist... Sie hören nicht auf mich.“ ich zucke leicht mit den Schultern.

„Vielleicht deswegen, weil sie dir ansehen, das es dir nicht gut geht.“ gibt sie zu bedenken.

„Eileen.“ ich stöhne leise.

„Okay, okay...“ sie winkt ab „Ich habe den Beiden lediglich versprochen dich etwas im Auge zu behalten.“

„Noch mehr Babysitter.“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Nenn es wie du willst.“ lacht sie leise.

„Übrigens danke, das du Aimee und Ian angerufen hattest.“ sage ich nach einer kleinen Pause.

„Das war doch selbstverständlich.“ sie konzentriert sich auf die Fahrbahn.

„Sie haben jeden Tag angerufen und sich erkundigt, wie es uns geht. Sie konnten leider nicht zur Beerdigung kommen.“ ich knete meine Hände.

„Kommst du klar?“ will sie besorgt wissen.

„Ja, es ist nur so, das ich nicht noch mehr Menschen verlieren will, die mir Wichtig sind.“ gebe ich zu „Ich weiß, das ist egoistisch, aber irgendwann kann man nicht mehr.“

„Du bist so unglaublich stark und so gerne ich dir versprechen würde, dass du das nicht mehr durchmachen musst.“ sie seufzt tief „Ich kann es nicht, ich kann dir nur versprechen, das ich da sein werde.“

„Danke Eileen.“ ich schenke ihr einen dankbaren Blick.

Eileen bringt mich noch hoch in meine Wohnung wo Aimee und Ian schon auf mich warten und mich erst einmal in den Arm nehmen.

„Wir sehen uns morgen im Büro.“ Eileen stellt meine Tasche ab und winkt mir kurz zu.

„Ja und nochmals danke für alles.“ ich winke ihr hinterher, als sie die Haustür ins Schloss zieht.

„Wie geht es dir Sam?“ Ian sieht mich besorgt an.

„Die letzte Woche war anstrengend und hart, aber ich komme klar.“ ich mache mich von ihm los und hole mir ein Glas Wasser aus der Küche.

„Du solltest diese Woche noch einen Termin bei Dr. Klein machen.“ Aimee folgt mir „Nur um sicher zu sein, dass es Jake gut geht.“ sie sieht mich bittend an.

„Ich rufe morgen früh an.“ versichere ich ihr und setzte mich geschafft auf die Couch.

Ian und Aimee bleiben bis ich eingeschlafen bin und als am nächsten Morgen mein Wecker klingelt, da brauche ich erst einmal einen Moment um zu begreifen, wo ich bin.

Ehe mich meine Trauer und der Schmerz überwältigen können gehe ich duschen und mache mich für die Arbeit fertig.

Nachdem ich das Gröbste abgearbeitet habe und auf dem neusten Stand der Dinge bin, rufe ich Dr. Klein an und seine Sprechstundenhilfe schiebt mich in meiner Mittagspause noch dazwischen.

Eileen erinnert mich dann netterweise an den Termin und ich bin pünktlich in der Praxis wo ich sofort zu Dr. Klein durchgehen kann.

Nach der Untersuchung sieht er mich prüfend an.

„Ihrem Baby geht es gut Miss Porter, aber ich sehe ihnen an, dass es ihnen nicht gut geht.“ Er reicht mir ein Tuch um das Gel abzuwischen und ich nicke bestätigend.

„Mein Dad ist vor einer Woche plötzlich verstorben und ich hatte viel um die Ohren, ich bin erst gestern Abend wieder gekommen.“ Erkläre ich ihm und ziehe meinen Pullover wieder runter.

„Mein aufrichtiges Beileid.“ Er nickt mir zu und ich erwidere es kurz „Sie sollten etwas kürzer treten, nehmen sie sich Zeit für sich.“ Rät er mir.

„Ich versuche es wirklich.“ Ich setze mich wieder auf „Bevor ich es vergesse, mit welchem Krankenhaus arbeiten sie zusammen? Ich möchte mich gerne zur Geburtsvorbereitung anmelden, so komme ich auf andere Gedanken.“

„Ich habe Belegbetten im Galway West…“ er reicht mir einen Flyer „… Hinten steht eine Telefonnummer zur Anmeldung für die verschiedenen Kurse.“ Er lächelt mir aufmunternd zu und reicht mir ein Ultraschallbild „Passen sie auf sich auf Miss Porter und ich würde sie gerne in 4 Wochen wieder sehen.“ Er reicht mir seine Hand und ich stehe auf.

„Vielen Dank Dr. Klein, ich werde gleich einen Termin ausmachen und danke, dass sie heute für mich Zeit hatten.“ Bedanke ich mich.

„Gern geschehen Miss Porter.“ Er begleitet mich zur Tür und entlässt mich zur Anmeldung.

„Jenny, mach bitte einen neuen Termin für Miss Porter in 4 Wochen.“ Weist er seine Sprechstundenhilfe an und sie nickt mir lächelnd zu.

„Gerne doch, passt es ihnen besser am Vormittag oder am Nachmittag?“ will sie nun von mir wissen und Dr. Klein schließt die Tür hinter sich während ich an den Anmeldetresen trete.

„Am besten passt es am Nachmittag.“ Ich lächele sie an und merke selbst, dass es nicht aufrichtig wirken kann. Es fühlt sich irgendwie falsch an zu lächeln…

Als ich zurück ins Büro komme will Eileen natürlich sofort wissen, ob alles in Ordnung ist und sie atmet erleichtert auf, als ich ihr berichten kann, das es Jake sehr gut geht. Sie ermuntert mich gleich im Galway West anzurufen um einen Rundgang zu machen und mich dann für den einen oder anderen Kurs einzutragen.

Schon am Donnerstagabend fahren Aimee und ich ins Galway West und werden, zusammen mit drei Paaren, in der Geburtsabteilung herum geführt und uns wird alles ausführlich erklärt. Wohl manchmal zu ausführlich für die Männer der Runde, aber Aimee und ich finden es ganz amüsant.

„Haben sie sich schon entschieden?“ wendet sich die Krankenschwester die uns herum führt an mich und ich sehe sie verwirrt an „Ob sie eine natürliche Geburt, eine Wassergeburt oder eine Geburt mit Schmerzmittel wollen.“ Führt sie weiter aus und ich denke angestrengt nach.

„Bisher finde ich die Wassergeburt eine sehr interessante Option.“ Antworte ich schließlich.

Daraufhin erläutert sie erneut die Vorzüge, Risiken und Nachteile einer eben solchen und am Ende des Rundgangs trage ich mich für einen Geburtsvorbereitungskurs ein. Jeden 2. Donnerstag am Abend für die nächsten 4 Monate und dann bin ich ja auch schon fast an meinem Stichtag angekommen, das passt also perfekt.

„Sie sollten mit ihrem Partner besprechen, ob er bei der Geburt dabei sein möchte, ob er die Nabelschnur durchtrennen möchten und in wie weit er involviert werden möchte…“ erinnert uns die Schwester „Das alles sollten sie dann mit ihrer Hebamme besprechen, damit es im Kreißsaal keine Missverständnisse gibt. Haben sie noch keine Hebamme, haben sie die Möglichkeit beim Geburtsvorbereitungskurs eine kennen zu lernen und sich in ihre fachkundigen Hände zu begeben.“ Sie nickt uns allen zu „Ich wünsche ihnen allen noch einen schönen Abend.“

Aimee greift nach meiner Hand und drückt sie fest „Ich bin dein Partner.“ Versichert sie mir und ich sehe sie dankbar an.

Wie gerne würde ich Taylor hier haben, alles mit ihm teilen und mich mit ihm zusammen auf unser Kind vorbereiten.

Leider ist das ein Wunschtraum und ich kann nur das Beste aus der Situation machen, in der ich mich befinde.

Aimee und ich gönnen uns einen Burger, ehe ich sie bei sich zu Hause absetze und zu mir fahre.

Ein paar Tage später habe ich das Geld der Versicherung auf meinem Konto. Ich rufe bei Ava an und wir besprechen ein wenig was wir mit dem Geld vorhaben. Wir beide werden 50.000 € für unsere Kinder fest anlegen und ansonsten habe ich mir noch keine wirklichen Gedanken gemacht, ich habe in die Wege geleitet, das ich meinen Kredit, den ich laufen habe abzahle aber weiter bin ich bisher nicht. Ava hat da schon konkrete Pläne, sie werden den Restkredit des Hauses abbezahlen und einige Sachen renovieren lassen, als Ava die Sprache auf ein Auto bringt, entscheide ich mich spontan nach der Arbeit am nächsten Tag bei Aimee und Ian vorbei zu fahren.

Ian öffnet mir schon die Tür als ich gerade ausgestiegen bin.

„Hi Sam, alles in Ordnung?“ fragt er mich sofort und nimmt mich in den Arm. „Aimee ist noch auf Arbeit.“

„Ich weiß…“ ich zwinkere ihm zu „Ich wollte zu dir.“

„Komm rein, es ist arschkalt.“ Lacht er und zieht mich ins Haus. Ich reibe meine Hände aneinander, er hat Recht, es ist wirklich unangenehm kalt.

„Was kann ich denn Gutes für dich tun?“ er nimmt mir meine Jacke ab „Außer dir erst einmal eine schöne Tasse Tee zu machen.“

Ich folge ihm in die Küche und stelle mich an den Küchentresen während er uns Tee macht.

„Wegen dem Volvo…“ setze ich an.

„Das habe ich vergessen dir zu sagen, mein Freund bekommt den Wagen nicht mehr so fit, wie er für dich und Jake sein muss.“ Er sieht mich bedauernd an.

Ich winke ab „Kein Problem. Ich habe die Lebensversicherung meines Dads ausbezahlt bekommen und habe mir überlegt mir einen Jahres- oder Neuwagen zuzulegen.“

„Ich kann mich gerne mit meinem Freund beraten und er kann dir ja ein paar Vorschläge machen.“ Er sieht mich an und ich nicke „Hast du bestimmte Vorstellungen?“

„Sehr gerne einen Volvo, vielleicht einen SUV…“ denke ich laut nach. „Sicher sollte er sein und nicht anfällig.“

„Klingt gut, ich rufe ihn später mal an. Da wird sich was finden lassen.“ Er reicht mir meinen Tee und ich setze mich auf einen der beiden Barhocker.

„Ich danke dir Ian.“ Ich sehe ihn dankbar an.

„Kein Problem Sam…“ er pustet in seinen Tee und trinkt vorsichtig davon „…Wie geht es dir?“ fragt er vorsichtig nach.

„Eigentlich will ich immer sagen gut…“ gebe ich zu „Die Wahrheit aber ist, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie es mir geht.“

„Was geht in dir vor?“ formuliert er die Frage um.

„Ich habe heute mit Ava telefoniert, sie nimmt ihren Anteil aus der Lebensversicherung und bezahlt das Haus ab…“ ich nehme nun auch einen Schluck von meinem Tee „… Ich könnte das auch.“ Ich sehe ihn an und er erwidert fragend meinen Blick „Ich könnte mir in Sandycove einfach ein Haus kaufen, ich müsste nicht einmal drüber nachdenken…“ erkläre ich ihm. „oder ich könnte bauen.“

„Du fühlst dich hier immer noch nicht zu Hause, oder?“ er kommt um den Tresen herum und setzt sich auf den Barhocker neben meinem.

„Nein…“ ich seufze tief „Es tut mir so leid, Aimee und du, ihr versucht alles und ich bin euch wirklich so dankbar, aber…“

„Hey, Hey Sam… ich verstehe dich.“ Er legt seine Hand auf meine die in meinem Schoss liegt. „Du bist nicht freiwillig hier und im Gegensatz zu Aimee liebst du die Stille und Ruhe in Sandycove. Du wohnst jetzt fast ein halbes Jahr hier und es ist so viel passiert in deinem Leben, es ist ganz klar, das du dahin zurück willst, wo du sich sicher und geborgen fühlst… Aber du weißt auch, das damit verbunden wäre Taylor reinen Wein einzuschenken und ihm von eurem Baby zu erzählen.“

„Ja, das ist mir bewusst und ich weiß, dass ich genau das nicht kann…“ ich schließe verzweifelt meine Augen „… Ich fühle mich schuldig euch gegenüber.“

„Das brauchst du nicht Sam.“ Er steht auf und kommt zu mir „Wir tun es gerne und dich ab und zu lächeln zu sehen reicht uns schon.“ Er nimmt mich in den Arm.

„Danke Ian.“ Ich erwidere seine Umarmung und er sieht mich, nachdem wir uns voneinander gelöst haben, grinsend an.

„Lust zu kochen? Ich habe ein neues Rezept für Seelachs und habe zufällig vorhin auf dem Weg nach Hause welchen gekauft.“ Ohne meine Antwort abzuwarten zieht er mich vom Stuhl hoch und wir umrunden den Küchentresen.

Es ist wie immer lustig mit Ian zu kochen und Aimee staunt nicht schlecht, als sie uns Beide in der Küche vorfindet.

„Was machst du denn hier?“ sie nimmt mich in den Arm und drückt dann Ian einen Kuss auf die Lippen.

„Ich musste was mit deinem Freund besprechen und dann hat er mich zum kochen überredet.“ Ich lächle sie breit an.

Das Kochen hat meine Laune wirklich unheimlich verbessert.

„Was gibt es?“ sie versucht in den Topf auf dem Herd zu schauen, aber Ian stellt sich ihr in den Weg.

„Seelachs im Blätterteig mit Linguini in Spinatsauce.“ Erklärt er ihr „Du ziehst dir jetzt was bequemes an, wir decken den Tisch und dann darfst du kosten.“ Er haucht ihr einen Kuss auf die Stirn und schubst sie quasi aus der Küche.

Eher murrend geht sie nach oben und ich lache leise, als ich die Teller aus dem Schrank hole und beginne den Tisch zu decken.

„Du hast sie gut im Griff.“ Ich zwinkere Ian zu und er lacht auf.

„Das kann man sehen wie man will…“ er reicht mir Besteck und ich verteile es „… Mal hat sie mich im Griff, mal ich sie.“

Auf den Tellern angerichtet sieht unser Essen wirklich spektakulär aus und es schmeckt ausgezeichnet.

Gegen 21 Uhr fahre ich nach Hause und Ian verspricht mir, sich so schnell wie möglich mit seinem Freund zu treffen und mir ein Auto zu besorgen.

„Ich hole dich morgen um 18 Uhr ab.“ Aimee drückt mir einen Kuss auf die Wange als ich in meinen Mantel schlüpfe und so erinnert sie mich an den Geburtsvorbereitungskurs der morgen anfängt.

„Ich danke dir.“ Ich umarme erst sie und dann Ian fest, bevor ich durch die Kälte in mein Auto husche.

Am nächsten Abend finde ich mich zwischen unzähligen Paaren wieder und bin mehr wie dankbar, dass Aimee an meiner Seite ist als sich die Hebammen vorstellen und ich mich für Clara, eine rundliche, blonde Frau mittleren Alters entscheide.

Aimee, ich und noch 3 andere Paare werden von ihr in einen Raum, der mit Jogamatten ausgelegt ist geführt und wir verteilen uns auf die Matten.

„Erst einmal danke ich euch, dass ihr euer Vertrauen in mich setzt.“ Begrüßt sie uns und nimmt ein Klemmbrett zur Hand. „Wenn ihr mir jetzt eure Namen und die eurer Partner nennt, dann kann ich eure Akten anfordern und weiß somit alles über euch.“ Sie lacht freundlich und auch wenn mir gerade nicht danach zumute ist, so erwidere ich es.

Sie sieht mich an und somit soll ich wohl beginnen, aufmunternd nickt sie mir zu.

„Hi, ich bin Samira Porter und das ist meine Geburtspartnerin und beste Freundin Aimee Ellis. Ich bin in der 23. Schwangerschaftswoche und mein Stichtag ist der 9. Mai.“ Ich sehe fragend zu Clara und sie lächelt dankbar.

Dann stellen sich auch die anderen Paare vor und Clara beginnt mit ein paar Entspannungsübungen, die wirklich Wunder wirken.

„Ich mache euch jetzt etwas meditative Musik an und bitte euch gleich paarweise nach nebenan, damit wir uns kennen lernen und die weiteren Termine vereinbaren können.“ Sie sieht in die Runde und ich lehne mich mit meinem Rücken an Aimee, während sie meine Schläfen massiert.

Clara geht dann raus und diese Musik ist nicht nur meditativ sondern auch einschläfernd und anhand von Aimees gähnen scheint es nicht nur mir so zu gehen…

Wir werden als Letztes von Clara “verhört“ und brauchen dazu nicht nach nebenan, weil die anderen schon gegangen sind. So setzt sie sich mit ihrem I-Pad zu uns auf den Boden.

„Samira…“ beginnt sie.

„Sam bitte.“ Unterbreche ich sogleich und sie lächelt.

„Also gut, Sam…“ sie zwinkert mir zu „Wie würdest du deine Schwangerschaft bisher beschreiben? Welche Gefühle hast du?“

„Ich würde sagen meine Schwangerschaft läuft vom medizinischen Standpunkt aus sehr gut, es ist alles wie es sein soll. Jake geht es gut.“ Ich sehe zu Aimee, die mittlerweile neben mir sitzt und diese nickt bestätigend.

„Ein kleiner Junge also?“ Clara macht sich Notizen.

„Ja, ein Junge. Er wird Jake heißen.“ Erkläre ich ihr.

„Ein sehr schöner Name.“ Anerkennend neigt sie ihren Kopf. „War die Schwangerschaft geplant? Kann der Vater nur zu den Kursen nicht hier sein, oder…“

„Der Vater spielt in dieser Schwangerschaft keine Rolle…“ unterbricht Aimee sie „… Ich werde alle Termine und Kurse mit Sammy wahrnehmen, sollte ich verhindert sein, übernimmt mein Freund Ian das sehr gerne und unter der Geburt wird auch Sammys Schwester Ava dabei sein.“

„Okay…“ Clara sieht mich abwartend an.

„Er weiß nicht einmal, dass ich schwanger bin und so soll es auch bleiben. Er hat ein Alkoholproblem und allerhand psychische Probleme. Er wird keine Rolle spielen.“ Sage nun auch ich „Und nein, diese Schwangerschaft war nicht geplant, aber ich liebe Jake schon jetzt mehr wie jemals einen anderen Menschen.“

„Okay Sam, das tut mir leid zu hören aber ich bin froh, dass du mit Aimee eine solch ausgezeichnete Partnerin an deiner Seite hast. Es ist sehr viel Wert, wenn im Kreißsaal jemand deine Interessen vertritt und Aimee hier scheint mir prädestiniert dazu.“ Sie zwinkert Aimee zu und diese reckt ihr Kinn nach oben.

„Ich bin dankbar, dass sie hier ist.“ Gebe ich zu und Aimee nimmt meine Hand.

„Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie du dir die Geburt vorstellst?“ wechselt sie jetzt das Thema.

„Ich fand die Möglichkeit einer Wassergeburt sehr interessant.“ Erläutere ich.

„Also strebst du eine Geburt ohne Schmerzmittel an.“ Will sie sich vergewissern.

„Ja.“ Kommt es eher zögerlich von mir und sie lacht leise.

„Etwas später, so ungefähr 4 Wochen vor dem Termin werden wir uns zusammen setzen und einen Geburtsplan ausarbeiten, eigentlich sogar zwei, einen mit Schmerzmitteln und einen ohne. Was hältst du davon? Da können wir dann auch bestimmte Musik fest legen oder andere Sachen die du gerne dabei hättest.“ Sie sieht mich aufmunternd an.

„Klingt gut.“ Stimme ich ihr zu.

„Hast du sonst noch irgendwelche Fragen?“ sie neigt ihren Kopf leicht zur Seite und ein paar blonde Strähnen ihres kurzen Ponys fallen ihr ins Gesicht.

„Wie viel sollte sie eigentlich in der Schwangerschaft zunehmen?“ fragt Aimee für mich und ich sehe sie verwundert an.

„Wie ich deinen Akten entnehmen kann, hast du bisher knappe 2 kg zugenommen, bei der letzten Untersuchung hattest du allerdings wieder etwas abgenommen…“ sie studiert aufmerksam die Zahlen.

„Mein Dad ist vor 3 Wochen gestorben.“ Erkläre ich ihr.

„Das tut mir wirklich leid Sam.“ Sie schenkt mir einen bedauernden Blick. „Bisher folgst du der angeratenen Kurve noch annähernd und das Wichtigste ist, das es deinem kleinen Jake gut geht.“ Sie nickt leicht „Sie muss natürlich auf ausgewogene Ernährung achten, aber bisher liegt alles im Rahmen.“ Wendet sie sich nun an Aimee.

„Danke Clara.“ Sie schenkt ihr ein Strahlen und drückt leicht meine Hand.

„Dann würde ich sagen, wir sehen uns in 14 Tagen. Sollte irgendetwas sein, dann ruf mich an.“ Sie reicht mir eine Visitenkarte von sich. Aimee steht auf und zieht mich auf die Beine.

„Danke.“ Sage nun auch ich, wir nehmen unsere Jacken und mit einem kurzen Winken verlassen wir den Raum.

„Das war entspannend.“ Grinst mich Aimee an, als wir im Auto sitzen.

„Ich befürchte fast, das bleibt nicht so.“ grinse ich und fädele mich in den allabendlichen Verkehr Galways ein.

Ich lasse sie bei sich raus und sie verspricht mir, am Wochenende mit Ian vorbei zu kommen, damit Ian mir noch ein paar Tipps und Tricks in der Küche zeigen kann.

Tatsächlich wird es dann etwas ruhiger und knappe 3 Wochen später will mich Aimee tatsächlich dazu überreden mit ihr und Ian am Valentinstag essen zu gehen. Ich lehne bestimmt ab und als ich merke, dass sie nicht verstehen kann oder will, warum ich nicht mit will, da erkläre ich es ihr ausführlich. Die Beiden sollen einen schönen Abend haben, ich bin weiß Gott oft genug das dritte Rad am Wagen, aber diese eine Abend gehört ihnen ganz alleine.

Der Geburtsvorbereitungskurs läuft sehr gut und leider hatte ich Recht, es ist nicht mehr so entspannend wie am ersten Abend und einige der Bilder die uns Clara zeigt werden wahrscheinlich für immer in meine Netzhaut gebrannt worden sein. Langsam macht sich Angst, vor dem was auf mich zukommt, breit…

Wie kommen gerade aus dem Videoraum und Aimee atmet tief durch.

„Das war heftig.“ Gibt sie zu und ja, ich finde auch, einen Kaiserschnitt muss man nicht unbedingt aus dieser Perspektive sehen.

„Ja, auf den Schreck lade ich dich zum Essen ein.“ Beschließe ich mit einem Blick auf die Uhr. „Ruf Ian an, wir treffen uns in 20 Minuten beim Italiener…“ ich tippe mir mit meinem Zeigefinger an die Lippen „Mir ist heute nach Pizza.“

Lächelnd greift sie zum Handy und 40 Minuten später sitze ich vor einer dampfenden Pizza Hawaii und lasse es mir schmecken.

„Hast du eigentlich was zu deinem Geburtstag geplant? Sind ja nur noch 3 Wochen.“ fragt Aimee in die gefräßige Stille hinein.

„Am 15. März ist…“ ich schlucke schwer „wäre Jakes Geburtstag.“ Ich lasse mein Pizzastück sinken und Aimee nimmt meine Hand.

„Tut mir leid, daran habe ich nicht gedacht.“ Gibt sie zu.

„Schon okay…“ beruhige ich sie „… Außerdem werde ich 27, da muss ich keine große Party veranstalten.“ Winke ich ab.

„Was hältst du davon, wenn du zu uns zum Essen kommst? Vielleicht haben Ava und Matt auch Zeit.“ Unterbreitet mir Ian einen Vorschlag zur Güte.

Aimee nimmt sich ihr Handy zur Hand. „Du hast auf einem Freitag Geburtstag, na wenn das nicht passt.“ Freut sie sich.

„Okay, das klingt toll. Ich spreche mit Ava.“ Ich nehme mir mein Pizzastück wieder zur Hand und beiße ab. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich auf einen Freitag Geburtstag habe, denn das hat Jake ja auch und da ich am 22. März, also genau eine Woche nach ihm Geburtstag habe, bleibt das nicht aus.

Nach dem Essen fahren mich Aimee und Ian kurz bei Green & Ross vorbei damit ich mein Auto holen kann, weil ich das meistens stehen lasse, damit wir nur mit einem Auto unterwegs sein müssen. Ich nehme sie in den Arm und verabschiede mich, lächelnd winke ich ihnen hinterher als sie zu Aimees Auto gehen.

„Aimee?“ ich gehe nochmal zu ihr und sie bleibt stehen. „Hast du Samstag schon was vor? Ich brauche neue Umstandskleidung und ich dachte vielleicht können wir ein paar Sachen für Jake kaufen.“ ich sehe sie bittend an und sie nimmt mich in den Arm.

„Aber sicher.“ strahlt sie. „Ich hole dich um 10 Uhr ab und am Abend gönnen wir uns etwas Wellness.“

„Das klingt verlockend.“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Tut mir leid, das ich deine Freundin am Samstag entführe.“ wende ich mich an Ian.

„Kein Problem, ich wollte mit ein paar Freunden einen Fußballtag einlegen und jetzt brauche ich mir jedenfalls keine Sorgen machen, das Aimee sich langweilt.“ Er zwinkert mir zu und ich lächele dankbar.

Ich bin todmüde als ich endlich nach Hause komme und falle wie erschlagen ins Bett.

Da ich so spät ins Bett gekommen bin, bin ich am Freitagmorgen mehr wie müde als mein Wecker klingelt. Wenn ich sonst keine Beschwerden in der Schwangerschaft habe, so bin ich ständig müde… wirklich ständig.

Zum Glück ist Freitag, da ist es im Büro immer ruhiger und alle gehen langsam in den “Wochenendmodus“ über. Nach einer Dusche fühle ich mich annähernd fit und schaffe es sogar noch ein kleines Frühstück zu essen, ehe ich zur Arbeit fahre.

Eileen will, kaum das ich einen Fuß ins Büro gesetzt habe, wie jeden Freitag nach meinem Kurs, natürlich sofort wissen wie es war und ich berichte ihr von unserem Schock-Erlebnis. Danach arbeitet jeder etwas vor sich hin, ehe wir uns zum Mittag in unser kleines Stammbistro zurück ziehen.

„Na, schon Pläne fürs Wochenende?“ Eileen grinst mich an, als wir gerade an einem leeren Tisch Platz genommen haben.

„Morgen gehe ich mit Aimee Shoppen.“ Ich verdrehe gespielt die Augen und sie lacht auf.

„Babyshopping?“ fragt sie nach und der Kellner bringt uns die Karten.

„Mal schauen…“ ich nehme die Karte zur Hand und nicke ihm dankend zu. „In erster Linie brauche ich ein paar neue Sachen, mir passt nichts mehr. Die Umstandskleidung die ich im Januar gekauft habe ist auch schon zu eng.“

„Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern.“ Grinst sie und ich verziehe das Gesicht.

„Danke, das ist mir sehr wohl bewusst.“ Gebe ich zu. „Und habt ihr Pläne?“

„Victoria bringt uns den kleinen Thomas übers Wochenende.“ Strahlt sie.

„Den kleinen Thomas?“ frage ich nach und sie nickt lebhaft. „Eileen, er ist fast 9.“

„Er ist und bleibt unser Baby.“ Lacht sie.

„Das Los des erstgeborenen Enkelkindes.“ Grinse ich.

Wir bestellen uns jeder eine Suppe, denn es ist bitterkalt draußen und wir brauchen was Warmes. Der Nachmittag geht dann eher schnell herum und ich bin schon kurz nach 4 zu Hause und gönne mir ein Bad. Ich stehe vor meinem großen Spiegel im Schlafzimmer und meine Hand streicht andächtig über meinen Bauch. Ich habe das Gefühl er wächst von Tag zu Tag und als Jake leicht gegen meine Hand tritt, da kann ich nicht anders wie zu strahlen.

Es ist jedes Mal wieder wie ein Wunder…

Mein Wunder.

Aimee ist am Samstagmorgen pünktlich und voller Elan als wir in ihr Auto steigen und in die Innenstadt fahren.

„Wie zum Teufel kannst du immer so gute Laune haben?“ ich gähne herzhaft und sie lacht, als wir das Geschäft für Umstandsmoden betreten.

„Ist mir angeboren.“ Sie zwinkert mir zu und hält mir eine pfirsichfarbende Tunika hin.

Ich nicke und nehme sie an mich, nach einer halben Stunde habe ich wirklich schöne Sachen gefunden und Aimee deutet mit einem Kopfnicken auf das Babygeschäft auf der anderen Straßenseite.

Ich nicke grinsend „Aber erst bringen wir die Tüten zum Auto.“ Ich halte demonstrativ meine 4 Tüten hoch und wir gehen erst einmal ins Parkhaus, wo ich mich der Tüten entledige und noch schnell meine Bluse gegen eine der gekauften Tuniken tausche und in meine neu erstandene Winterjacke schlüpfe. So fühle ich mich gleich viel wohler, auch wenn ich gar nicht daran denken darf, dass ich gerade fast 1000 Euro ausgegeben habe.

„Wollen wir nach was Bestimmten schauen?“ Aimee sieht mich fragend an, als wir das Geschäft betreten und ich sehe mich suchend um.

„Wenn wir schon hier sind…“ ich lächle leicht „Ein Autositz vielleicht und ich wollte mir einen Kinderwagen anschauen oder kaufen.“ Erkläre ich ihr und wir begeben uns zielstrebig in die Abteilung, in der wir hoffen das Richtige zu finden.

„Apropos Autositz, ich soll dir von Ian ausrichten, das er dich nächsten Donnerstag von der Arbeit abholt und ihr dein neues Auto kauft. Er hat sich belesen und seiner Meinung nach…“ sie holt ihr Handy aus ihrer Handtasche und öffnet ihren SMS Eingang „… Hast du die Wahl zwischen einem Volvo XC70 und einem XC90. Der Hauptunterschied ist die PS Zahl. Er würde dir zu einem Halbjahres oder Jahreswagen raten, da diese ihre Kinderkrankheiten meistens abgelegt haben. Sean hat einen dunkelblauen XC70 und einen schwarzen XC90 die deinen Anforderungen gerecht werden.“ Sie steckt ihr Handy wieder in die Tasche. „Wenn du dich entschieden hast, dann lässt er alles zum übernächsten Donnerstag fertig machen, sozusagen als Geburtstagsgeschenk, und bringt dir dann den Wagen vorbei und begleitet dich zur Geburtsvorbereitung. Ich muss zu einem Kursus an dem Abend, also passt das prima.“ Sie strahlt mich an.

„Wow, sag Ian danke und ich werde mich mal etwas belesen.“ Ich zwinkere ihr zu und wir kommen bei den Kindersitzen an.

„Eine ganze Regalwand voller Kindersitze?“ Aimee sieht mich mit großen Augen an.

„Und das ist nur die Spitze des Eisberges.“ Grinse ich. „Ich hatte mir zwei Modelle raus gesucht.“ Dieses Mal hole ich mein Handy raus und suche nach der Datei, als sie endlich gefunden habe, sieht mich Aimee lächelnd an.

„Eine Liste?“ scherzt sie.

„Ja.“ Gebe ich erneut grinsend zu „So eine Liste hat mir schon so manches Mal meinen Allerwertesten gerettet.“

„Nein wirklich?!“ lacht sie und ich verdrehe die Augen.

„Ich hatte mich eigentlich auf den Stokke iZi Go mit einer Basis fest gelegt, aber ich wollte gerne mal schauen wie schwer die Schale ist.“ Erkläre ich ihr und wir suchen in den Markennamen am Regal nach Stokke. Als wir endlich fündig werden nehme ich den von mir ausgesuchten in die Hand.

„Und?“ fragt Aimee neugierig nach.

„Der ist nicht so schwer und wenn ich Ava glauben darf ist das sehr wichtig, weil man das Baby eigentlich ständig darin herum schleppt.“ Ich stelle die Schale zurück und nehme mir einen Produktzettel, mit dem ich an der Kasse bezahlen kann und der mir verrät auf was ich achten muss. „Ich muss darauf achten, dass ich Isofix im Auto habe.“ Stelle ich laut fest und Aimee schaut mir über die Schulter.

„Du hast deine Hausaufgaben wirklich gut gemacht.“ Lobt sie mich, nimmt mir mein Handy ab und scollt nach unten. „Kinderwagen Maxi Cosi Mura in navy oder Emmaljunga Nitro in spacegrey.“ Liest sie vor.

„Ja, der Maxi Cosi gefällt mir noch etwas besser, aber ich weiß nicht, wie wendig der ist.“ Erkläre ich ihr.

„Dann finden wir es raus.“ Sie legt ihren Arm um meine Schultern und auf dem Weg zu den Kinderwagen kommen wir an der Kleidung vorbei und ehe ich mich versehe, sind sowohl Aimee als auch ich damit beschäftigt die niedlichsten Sachen für Jake im Einkaufswagen zu bunkern. Das ist wie ein Rausch, fängt man einmal an, kann man nicht mehr aufhören…

Knappe 45 Minuten später haben wir uns dann doch zur Kinderwagenabteilung durch gekämpft und ich fahre meine beiden Favoriten zur Probe über einen kleinen aufgebauten Parcours, als eine Verkäuferin zu uns kommt.

„Hallo, mein Name ist Alicia. Kann ich ihnen vielleicht helfen?“ bietet sie sich freundlich an.

„Hallo ich bin Sam, ich denke nicht, das sie mir helfen können… ich habe mich schon entschieden…“ gebe ich zu und stelle den Kinderwagen wieder an seinen Platz. „Ich würde gerne den Maxi Cosi Mura als Komplettset in Navy kaufen und wollte sie fragen ob sie auch Nuomi Hochstühle haben.“

„Ja haben wir.“ Sie strahlt mich an „Sie können einmal das Set, bestehend aus dem Hochstuhl, der Babyschale und dem Kleinkindersitz, kaufen, oder aber sie kaufen es einzeln.“

„Bitte das Komplettset, haben sie es in Eiche-Türkis hier?“ ich neige meinen Kopf fragend zur Seite.

„Ich schaue eben nach, sollten wir es nicht da haben, so können wir es ihnen bestellen und nach Hause schicken.“ Erklärt sie mir.

„Ich möchte gerne auch den Autositz und den Kinderwagen nach Hause geliefert haben, außerdem habe ich noch eine Liste, alle Sachen darauf könnten bitte auch geliefert werden.“ Ich reiche ihr einen Zettel aus den Untiefen meiner Handtasche „Sollte irgend etwas nicht zu bekommen sein…“ setze ich an.

„Ich setze mich eben an den Computer und mache alles für sie fertig, dann kann es Mitte nächster Woche schon geliefert werden.“ Erklärt sie mir eifrig und ich reiche ihr die Warenkarte des Autositzes. „Sollte wirklich etwas nicht zu finden sein, dann komme ich zu ihnen.“ Damit verschwindet sie aus unserem Sichtfeld.

„Wow Sammy, du bist echt gut vorbereitet.“ Lobt mich Aimee.

„Ich habe letztes Wochenende lange mit Ava telefoniert und anschließend habe ich mir alles raus gesucht, was ich ihrer Meinung nach brauche.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern „Ich muss mir ja nicht so viele Gedanken ums Geld machen… Das hilft.“ gebe ich zu.

„Dann komm, so lange die Verkäuferin beschäftigt ist, möchte ich gerne schauen, was ich Jake zur Geburt schenken kann. Wünscht du dir was Besonderes?“ sie hakt sich bei mir unter und wir schlendern durch den Laden.

„Ich wünsche mir eine Babydecke mit seinem Namen und seinem Geburtstag drauf.“ Ich lächle sie an und wir gehen in die dafür vorgesehene Abteilung.

Wir schauen uns ein paar Decken an, die man im Nachhinein besticken lassen kann und ich entscheide mich für eine strahlend blaue mit einem Segelboot darauf.

„Warum war mir das klar?“ lächelt Aimee und ich zucke unschuldig mit den Schultern.

„Weil du mich kennst?“ frage ich sie grienend.

„Ja ich kenn dich.“ Gibt sie zu und wir streifen weiter durchs Geschäft und kaufen noch etwas Spielzeug für Jake.

„Sam?“ Alicia kommt wieder zu uns „Ich habe alles bekommen, nur dem Wintersack von Maxi Cosi konnte ich nicht in Navy, sondern nur in schwarz bestellen. Ich hoffe das ist in Ordnung.“

„Ja, das ist in Ordnung.“ Erwidere ich freundlich.

„Dann ab zur Kasse.“ Aimee nickt mir zu und wir folgen Alicia.

„Ich bräuchte noch ihre Adresse.“ Alicia nimmt hinter der Kasse Platz und ich reiche ihr meinen Ausweis, auf dem die Adresse vermerkt ist. „Passt es ihnen besser am Vor- oder Nachmittag?“ sie schaut auf.

„An welchem Tag denn?“ will ich wissen.

„Da wir alles in einer Lieferung zusammenfassen, kann es nächsten Freitag, den 15.03., geliefert werden.“ Erläutert sie.

„Dann am Nachmittag nach 15 Uhr, wenn das möglich ist.“ Ich streiche meinen Pony aus dem Gesicht und beobachte wie sie eifrig auf ihrem PC herum tippt. Ihre Hände fliegen über die Tastatur und schließlich sieht sie zufrieden zu mir auf.

„Kein Problem.“ Freut sie sich.

Dann beginnt sie alle Sachen aus dem Einkaufswagen einzuscannen und sie braucht eine halbe Ewigkeit alles in 5 großen Tüten zu verstauen.

„6.349 Euro.“ Sagt sie abschließend und ich reiche ihr meine Kreditkarte.

„Oh Wow…“ Aimee sieht mich geschockt an. „Ich wusste ja, dass Kinder teuer sind, aber…. Wow.“

„Hätte ich nicht die Lebensversicherung ausgezahlt bekommen, so hätte ich sicherlich nur die Hälfte bezahlt. Ich habe nach meinem Geschmack ausgesucht und mich belesen, leider kosten die richtig guten Sachen auch richtig gutes Geld.“ Ich sehe sie schulterzuckend an, nehme Alicia wieder meine Karte ab und nehme mir drei der fünf Tüten.

„Oh man, wenn es bei mir und Ian mal soweit ist, dann schreibe ich Listen und mache Preisvergleiche, das mein Stift qualmt.“ Lacht sie und schnappt sich die anderen Tüten.

Nachdem wir auch diese im Auto verstaut haben, machen wir uns auf den Weg zum Golfclub, da wir beschlossen haben auch da etwas zu essen, ehe wir uns etwas Entspannung gönnen wollen.

Im Restaurant des Golfclubs kommen wir uns zwar etwas fehl am Platz vor, aber der Salat ist wirklich ausgezeichnet, also ignorieren wir die Blicke der anderen geflissentlich.

„Hast du denn jetzt alles zusammen für Jake?“ Aimee sieht mich fragend an.

„Ja, ich habe noch 2 Monate Zeit und wirklich schon alles zusammen…“ ich staune über mich selbst „… Was mich wahrscheinlich nicht davon abhalten wird, noch mehr Anziehsachen für den kleinen Mann zu kaufen.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Die Sachen sind aber auch niedlich.“ Erwidert sie verträumt.

„Wollt ihr eigentlich Kinder?“ frage ich nach ein paar Sekunden und sie nickt lächelnd.

„Ja, wir legen es nicht darauf an, aber tun auch nichts dagegen.“ Sie zwinkert mir zu „Ich habe meine Pille seit Valentinstag abgesetzt.“

„Wow, da bin ich mal gespannt.“ Ich proste ihr mit meinem Wasserglas zu.

„Ich erst.“ Gibt sie kichernd zu.

Nachdem wir aufgegessen haben gönnen wir uns eine halbe Stunde im Whirlpool und anschließend eine Fuß- und eine Gesichtsbehandlung. Ich liebe es, wenn sich mein Gesicht wie frisch aus dem Ei gepellt anfühlt…

Am Abend schlafe ich vor dem laufenden Fernseher ein, aber das wundert mich nach einem solchen Tag auch nicht.

Die nächste Woche geht eher ereignislos von statten und Eileen weist mich in die große Kunst der Steuerabrechnung mit einem mir unbekannten System ein. Wir haben Spaß, mehr Spaß wie man bei einer Steuerabrechnung haben sollte und ich bin wirklich aus tiefsten Herzen Dankbar für eine solch tolle Kollegin.

Als ich am Freitagmorgen aufwache ist mir ganz schwer ums Herz. Ich kann es kaum glauben, dass er heute 27 geworden wäre…

Er fehlt mir so.

Mein altes Leben fehlt mir so.

Letztes Jahr zu seinem Geburtstag habe ich es geschafft mich zu ihm durchstellen zu lassen und Ava und ich haben ihm ein herrlich schiefes Ständchen gesungen.

Mit dem Gedanken an sein lachen, atme ich tief durch und ziehe mich an, ich schaffe es noch wenigstens eine Schüssel Müsli zu essen, ehe ich ins Büro fahre. Ich bin unkonzentriert, denn meine Gedanken schweifen immer wieder zu Carl und Annie und kurz vor meiner Mittagspause ringe ich mich endlich dazu durch sie anzurufen.

„Carl MacKenna.“ Meldet sich Carl förmlich. Wahrscheinlich weil er die Nummer nicht kennt, ansonsten rufe ich ihn ja nicht von meinem Büroanschluss aus an.

„Hi Carl, ich bin’s Sam.“ Erwidere ich schnell.

„Sammy.“ Freut er sich.

„Ich wollte nur hören, wie es euch heute geht.“ Ich wickele die Schnur des Telefons um meinen Finger.

„Ganz gut, Annie hat heute Morgen furchtbar geweint, aber mittlerweile hat sie sich wieder beruhigt. Es ist schön das du anrufst.“ Erzählt er mir.

„Es tut mir leid, dass ich mich nicht öfter melde, aber ich habe einfach so viel um die Ohren.“ Entschuldige ich mich reumütig.

„Ist okay Sammy, es ist einfach nur schön mal wieder deine Stimme zu hören und es schön, das du an ihn denkst.“ Ich höre die Dankbarkeit in seiner Stimme.

„Natürlich denke ich an ihn, ich denke beinahe jeden Tag an ihn.“ Gebe ich zu. Immer wenn ich mit meinem kleinen Jake spreche, dann denke ich unweigerlich an seinen Namensgeber, aber das kann ich Carl ja nicht erzählen.

„Ava war heute Morgen mit Liv hier und hat sie haben mit uns gefrühstückt. Sie hat erzählt, dass es dir gut geht und dass du wunderbar in Galway zu Recht kommst. Das freut uns Sammy, das freut uns sehr.“ Ich kann mir bildlich vorstellen wie er lächelt.

„Ja, ich habe hier alles was ich brauche.“ Weiche ich aus.

„Wann bist du denn mal wieder in Sandycove?“ will er nun wissen.

„Keine Ahnung…“ gebe ich zu „Ava kommt mich ja mit Matt und Liv so oft es geht besuchen.“

„Das hat sie uns auch erzählt, aber wir würden dich gerne mal wieder sehen.“ Gibt er zu.

„Ich muss schauen, wann ich es einrichten kann.“ Verspreche ich ihm fälschlicher Weise.

„Das wäre wirklich schön.“ Freut er sich und ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen.

„Ich muss für heute Schluss machen Carl, bestell Annie einen ganz lieben Gruß und eine Umarmung von mir.“ Bitte ich ihn.

„Das mach ich Sammy. Wir haben dich lieb! Bye Kleines!“ damit legt er auf und auch ich lege meinen Hörer zurück aufs Telefon und atme tief durch.

„Alles in Ordnung?“ Eileen steht in der Tür und sieht mich besorgt an.

„Das war Carl…“ erkläre ich ihr „Jake hat… hätte heute Geburtstag.“

„Deswegen bist du so neben der Spur.“ Sie setzt sich zu mir „Geh nach Hause Sam.“

„Da fällt mir die Decke auf den Kopf.“ Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen.

Eileen nimmt meine Hand und drückt sie fest „Wir gehen jetzt beide was Essen und dann fährst du nach Hause, gehst in die Badewanne und entspannst dich.“ Ihr Ton lässt keinen Zweifel daran, dass Widerrede zwecklos ist, also nicke ich.

Dick eingepackt gehen wie zum Italiener und obwohl mir nicht nach Essen zumute ist, esse ich meine Pasta beinahe ganz auf. Schon alleine weil Eileen mir jeden Bissen in den Mund schaut.

Vor dem Gebäude verabschiede ich mich und steige in mein Auto um im dichten Mittagsverkehr nach Hause zu fahren.

Zu Hause angekommen befolge ich Eileens Rat und gönne mir mitten am Tag ein heißes Bad. Ich bin gerade in meine Jogginghose und mein Top geschlüpft als es klingelt und ich wie erwartet meine Mammut Bestellung vom Babyladen in Empfang nehme. Ein paar Kisten stelle ich in den Flur und die großen, schweren werden netterweise von dem jungen Mann direkt ins Kinderzimmer getragen. Anschließend erkundigt er sich, ob ich noch Hilfe brauche, aber als ich verneine, verabschiedet er sich höflich und ich stehe zwischen den ganzen Kartons.

Ich beginne ein paar Spielzeuge auszupacken und im Kinderzimmer zu verteilen, als es erneut klingelt und ich verwundert an die Tür gehe.

Als ich diese öffne staune ich nicht schlecht als mir Ava gegenüber steht.

„Hi.“ Sie kommt herein und nimmt mich fest in den Arm.

Kaum das ich ihre Nähe spüre beginnen die, schon den ganzen Tag unterdrückten, Tränen über meine Wangen zu laufen. Mit einem kleinen Schubs fällt die Tür ins Schloss und wir bleiben eine ganze Weile so im Flur stehen.

Ich wische mir meine Tränen weg und reiche Ava ein Taschentuch.

„Was machst du hier?“ frage ich tränenerstickt.

„Ich wusste, das du mich heute brauchst, genau wie ich dich.“ Sie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und wir gehen ins Wohnzimmer. Verwundert deutet sie auf die ganzen Kartons.

„Ich habe die komplette Grundausstattung, und wahrscheinlich noch etwas mehr, für Jake zusammen.“ Erkläre ich ihr und wir führen unseren Weg fort.

„Wo sind Liv und Matt?“ ich setze mich auf die Couch und sie lässt sich neben mich fallen.

„Zu Hause.“ Sie nimmt meine Hand in ihre „Ich weiß noch, wie schlimm der erste Geburtstag von Mum ohne sie war.“

„Ich auch.“ Erinnere ich mich „Deshalb warst du heute morgen bei Carl und Annie, oder?“

„Ja, ich wollte sicher gehen, dass es ihnen gut geht. An Mums Geburtstag hat Annie immer einen Schokokuchen für uns gebacken, damit wir nicht so traurig sind…“ sie seufzt leise.

„Ich habe Carl heute Mittag angerufen, er fragt wann sie mich denn mal wieder sehen.“ Ich streiche gedankenverloren über meinen Bauch.

„Oh Sammy, es wird nicht einfacher werden.“ Seufzt sie.

Ich schweige, ich meine… was soll ich dazu sagen?

„Ich weiß Ava, ich weiß.“ Gebe ich schließlich zu.

„Schau mal, was ich mir ausgeliehen habe.“ Sie greift neben sich und befördert ein Fotoalbum zu Tage. „Annie hat die ganzen alten Fotos, die sie in den Zimmern der Jungs gefunden hat, eingeklebt und beschriftet.“ Sie legt es vor uns auf den Tisch und wir beginnen es durchzublättern.

„Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie seine Stimme geklungen hat.“ Gebe ich leise zu.

„Manchmal kann ich sie noch hören.“ Sie nimmt meine Hand in ihre. „Aber manchmal habe ich es auch vergessen. Heute vor genau einem Jahr haben wir das letzte Mal seine Stimme gehört.“

„Ja, er hat sich so gefreut.“ Erinnere ich mich.

„Er fehlt mir.“ Haucht sie.

„Mir auch.“ Ich nehme sie in den Arm.

„Oh wow.“ Ava schiebt mich ein Stück von sich weg und starrt auf meinen Bauch. „Willst du mich weg schubsen Jakie?“ sie legt ihre Hand auf meinen Bauch und mein Sohn lässt sich nicht lange bitten und tritt ordentlich gegen ihre Hand.

„Er will dir nur Hallo sagen.“ Grinse ich.

„Hey kleiner Jakie…“ sie legt ihre Hand erneut auf meinen Bauch und streicht sanft darüber „Wenn du grösser wirst, dann werden deine Mummy und ich dir ganz viele Geschichten vom großen Jakie erzählen. Du bekommst nämlich den Namen eines wunderbaren Menschen.“ Erzählt sie ihm.

„Ja, er war außergewöhnlich.“ Gebe ich ihr Recht.

„Und dieser kleiner Mann wird das auch.“ Prophezeit sie mir lächelnd.

„Musst du nicht bald los?“ ich sehe zur Uhr.

„Ich schlafe heute bei dir.“ Sie drückt meine Hand.

„Aber stillst du Liv nicht mehr?“ ich sehe sie verwundert an.

„Doch, aber ich habe genug abgepumpt damit Matt und Liv bis morgen Nachmittag klar kommen.“ Erklärt sie mir leicht lächelnd.

„Danke.“ Sage ich leise und sie nickt leicht.

„Dafür nicht. Hast du Hunger?“ sie sieht mich fragend an.

„Ja, wollen wir kochen?“ ich stehe auf und ziehe sie hoch, sie sieht mich nicht sehr begeistert an. „Komm schon Ava, vielleicht lernst du noch etwas.“ Grinse ich und wir gehen in die Küche.

Wir machen uns einen gemischten Salat und dazu einen einfachen Nudelauflauf. Es schmeckt sehr gut und Ava beschließt, das ich ihr mehr zeigen muss, damit sie Matt ab du zu das kochen abnehmen kann, ohne die Gefahr das Haus in Brand zu stecken oder den Giftnotruf wählen zu müssen.

Kurz nach dem Essen ruft Aimee an und erkundigt sich, wie es mir geht. Als sie hört das Ava bei mir ist freut sie sich, dass ich gerade heute Abend nicht alleine bin.

Arm in Arm schlafen Ava und ich nach einem guten Film ein und werden erst wach, als es fast 10 Uhr ist. Ava hilft mir, die ganzen Sachen für Jake zusammen zu bauen und zu verstauen, ehe sie kurz nach 12 aufbricht.

„Ich vermisse es mal eben so bei dir vorbei zu kommen.“ Gibt sie leise zu, als sie in ihre Stiefel schlüpft.

„Ich auch.“ Ich seufze tief.

Gerade als Ava die Treppe runter steigt, öffnet Aimee schwungvoll die Haustür und die beiden nehmen sich erst einmal in den Arm.

„Sehen wir uns nächsten Freitag?“ Aimee sieht Ava fragend an und diese nickt.

„Aber sicher.“ Lacht sie leise „Meine kleine Schwester wird 27, das muss gefeiert werden.“

„Sehr schön, ich habe uns allen einen Tisch beim Italiener reserviert, bevor sie noch glaubt sie kann sich drücken.“ Grinst diese nun.

„Ich wisst schon, das ich keine 5 Meter von euch entfernt stehe, oder?“ ich stemme die Hände in die Hüften und beide lachen auf.

„Bis nächste Woche!“ Ava winkt mir zu und schickt mir einen Handkuss „Hab dich lieb!“

„Ich dich auch.“ ich winke ihr hinterher und sie Tür fällt ins Schloss, als Aimee bei mir ankommt und mich in ihre Arme zieht.

„Na Sammy, wie geht es euch?“ sie legt ihre Hand auf meinen Bauch.

„Ganz gut.“ Ich lege meine Hand auf ihre und wie gehen in meine Wohnung „Was kann ich dir denn Gutes tun?“ will ich nun wissen.

„Spa!?“ ehe eine Frage als wie eine Antwort, aber ich nicke dankbar.

„Ja, mein Rücken bringt mich um.“ Ich gehe ins Schlafzimmer und packe mir frische Unterwäsche und ein Handtuch ein.

Total entspannt und erholt kommen wir drei Stunden später wieder nach Hause und lassen uns auf die Couch fallen.

„Das Ian dich Donnerstag begleitet, hatte ich dir gesagt, oder?“ Sie legt ihren Kopf schief.

„Ja, ich habe mit ihm getextet, er bringt den XC90 mit, bis dahin sind dann alle Papiere fertig und er gehört offiziell mir.“ Ich grinse sie an und zeige ihr das Foto das Ian mir geschickt hat.

„Schickes Auto.“ Sie pfeift anerkennend und sieht dann zur Uhr „So, ich muss los Sammy. Wir schreiben uns.“ Sie steht auf und drückt mich an sich.

„Aber sicher.“ Ich zwinkere ihr zu und bringe sie zur Tür.

Ein kurzes winken und ich bin alleine in meiner Wohnung, es ist komisch, auch nach fast einem halben Jahr ist das hier irgendwie nicht meine Wohnung, ich fühle mich hier wohl, aber nicht Zuhause. Mir fehlt Sandycove noch immer, dort ist mein Zuhause… aber wie mein Dad schon sagte, ich muss anfangen hier zu leben, ich muss mich anpassen…. Irgendwie.

Die Woche plätschert vor sich hin und Eileen und ich gehen fast jede Mittagspause in das kleine Bistro um die Ecke, fast scheint es so als genieße sie es mich essenstechnisch noch mehr unter Kontrolle zu haben.

Ian steht am Donnerstag pünktlich vor der Tür und hält mir triumphierend den Autoschlüssel hin.

„Offiziell deiner.“ Grinst er und ich reiche ihm die Autoschlüssel meines Golfs. „Bye, bye.“ Schniefe ich gespielt und er lacht auf.

„Komm, du bekommst sogar noch ein bisschen was für die Schrottkiste.“ Ärgert er mich.

„Hey, er hat mich immer von A nach B gebracht.“ Ich knuffe ihn und er schüttelt nur seinen Kopf.

„Dann probier dein neues Baby mal aus.“ Er macht einen Schritt zur Seite und ich steige auf der Fahrerseite ein. Okay, dieses Auto hat wirklich nicht viel gemein mit meinem kleinen Golf. Es wird mir sicherlich nicht schwer fallen mich an ihn zu gewöhnen und ich genieße meine erste Fahrt in vollen Zügen.

Im Krankenhaus angekommen werden wir schon von Clara erwartet und heute stehen Atemübungen auf dem Plan und ich glaube Ian ist sehr dankbar dafür. Ich bin mir sicher, das Aimee ihm von unseren Videovorführungen erzählt hat und ich kann ihn verstehen, ich möchte die Filme auch nicht noch einmal sehen. So wie heute macht es wirklich mehr Spaß.

Als wir gerade bei mir an der Wohnung ankommen und Ian sich in meinem Golf setzen will, bekommen wir beide Nachrichten von Aimee, das sie noch länger braucht und wohl nicht vor Mitternacht zu Hause sein wird.

„Essen?“ ich sehe Ian grinsend an und er nickt lächelnd.

„Klar doch! Chinese? Italiener?“ er legt seinen Kopf schief.

„Lasagne?“ ich sehe ihn fragend an „Steht oben im Ofen, habe ich gestern vorbereitet und die reicht sicherlich für Zwei.“

„Klingt gut.“ Er hakt sich bei mir unter und wir gehen ins Haus.

Ich wärme die Lasagne auf, während Ian eifrig den Videotext studiert und leise flucht.

„Na verloren?“ frage ich amüsiert nach und er schnaubt nur.

„Komm schon, es gibt Schlimmeres.“ Versuche ich ihn zu trösten.

„Ich weiß…“ grummelt dieser und ich richte die Lasagne an und reiche ihm einen Teller.

„Und?“ frage ich gespannt als dieser sich den ersten Bissen in den Mund steckt.

„Hmmm, sehr gut.“ Lobt er mich und ich recke mein Kinn in die Höhe.

„Ich hatte einen ausgezeichneten Lehrer.“ Ich nicke ihm dankbar zu.

„Jetzt musst du Jake nicht mehr nur von Gemüsesuppe ernähren.“ Lacht dieser auf.

Nach dem Essen lehnt sich Ian zufrieden zurück und wir schauen uns eine Sendung im Fernsehen an.

„So, ich muss los und du in dein Bett, morgen hast du Geburtstag und du musst fit sein.“ Er streckt sich und ich gähne herzhaft. „Siehst du.“ Er zieht mich von der Couch hoch.

Ich verabschiede mich kurz von ihm und krabbele dann gleich unter meine Decke, ich glaube ich schlafe schon als mein Kopf das Kissen berührt.

Am nächsten Morgen bin ich erstaunlicher Weise noch vor meinem Wecker wach und hieve mich ins Bad um mit einer Dusche meine Lebensgeister zu wecken. Das gelingt mir zu meinem eigenen Erstaunen relativ gut und kaum das ich die Dusche verlasse klingelt mein Handy.

„Ja.“ Melde ich mich nur und sehe verwirrt zur Uhr. Es ist 7 Uhr morgens.

„Happy Birthday Kleines!“ singt Carl und ich lache auf.

„Danke dir.“ Ich freue mich wirklich seine Stimme zu hören „Warum bist du denn schon auf?“

„Ich habe dem alten Greg versprochen ihm heute beim Umbau seiner Scheune zu helfen und da ich Angst hatte, ich erwische dich nicht mehr, da habe ich lieber gleich angerufen.“ Erklärt er mir „Ich soll dich natürlich auch von Annie grüßen und dir einen tollen Geburtstag wünschen. Wir haben Ava ein kleines Geschenk für dich gegeben, da wir wissen, das sie dich heute Abend besucht.“

„Das wäre nicht nötig gewesen.“ Wehre ich mich halbherzig.

„Doch Kleines.“ Unterbricht er mich sofort „Wir sind unsagbar traurig, das wir dich nicht öfter zu Gesicht bekommen. Annie und ich wollen dich vielleicht bald mal in Galway besuchen.“

Ich schlucke schwer und mir weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht „Ich muss dann schauen, dass ich Zeit für euch habe.“ Weiche ich aus.

„Das bekommen wir schon hin.“ Lacht er und ich zwinge mich ebenfalls zu einem lachen.

„Bestimmt.“ Murmele ich.

„Dann mach dir jetzt einen wunderschönen Tag und wir hören uns bald wieder! Bye Kleines!“ damit legt er auf und ich atme tief durch.

Ich muss mich mit Ava besprechen, sie können mich nicht besuchen….

Erst einmal wartet jetzt aber die Arbeit und ich schlüpfe in eine Umstandsjeans und eine einfache hellblaue Tunika. Andächtig streiche ich über meinen Bauch, Jake scheint noch zu schlafen und ich lächle leicht.

Eileen wartet auf Arbeit mit einem Kuchen auf mich und alle singen mir ein Ständchen, bei dem mir die Röte ins Gesicht steigt, weil ich es nicht leiden kann im Mittelpunkt zu stehen.

„Happy Birthday Sam!“ Michael nimmt mich in den Arm und reicht mir einen Umschlag. „Kannst du vielleicht gleich heute Abend einlösen.“ Er zwinkert mir zu und geht in sein Büro.

Verwirrt sehe ich ihm hinterher und öffne den Umschlag, in dem sich ein 100 Euro Gutschein für meinen Lieblingsitaliener befindet, in dem ich heute mit allen Essen gehe. Ich drehe mich zu Eileen um und sie grinst mich an.

„Alles Gute Sam!“ sie nimmt mich nochmals in den Arm.

„Ich danke dir.“ Ich drücke sie kurz an mich, ehe sie weiter Kuchen verteilt. Nachdem alle ihren Kuchen verputzt haben setze ich mich hinter meinen Schreibtisch und arbeite mein Tagespensum ab.

Plötzlich höre ich ein leises lachen und Matt, Ava und Liv stehen in der Tür.

„Happy Birthday!“ jubeln sie und ich springe auf und nehme zu allererst die kleine Liv auf den Arm. Kaum zu glauben das sie schon 14 Wochen alt ist, ich drücke sie vorsichtig an mich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Hallo? Deine große Schwester ist auch hier…“ macht sich Ava bemerkbar und ich nehme auch sie in den Arm, dann gebe ich ihr Liv zurück und Matt drückt mich an sich.

„Oh wow Sam!“ er streicht über meinen Bauch und nickt mir zu „Nicht schlecht.“ Grinst er.

„Danke auch.“ Erwidere ich sein grinsen. „Ihr seid früh dran.“ Ich sehe auf die Uhr, es ist kurz nach halb 4, ich habe erst in einer halben Stunde Feierabend.

„Mach Schluss für heute Sam!“ ertönt Eileens Stimme hinter den Beiden und sie begrüßt sie erst einmal.

„Danke Eileen.“ Freut sich Ava und ich nehme mir meine Jacke.

„Ich danke dir auch.“ Ich drücke Eileen auf dem Weg nach draußen einen Kuss auf die Wange.

„Dafür nicht, genieße den Abend.“ Sie winkt mir hinterher als wir in den Fahrstuhl steigen.

Wir fahren erst einmal zu mir, denn der Tisch bei Adriano ist erst zu um 18:30 Uhr reserviert, somit haben wir noch 3 Stunden Zeit.

Kaum angekommen hält mir Ava zwei Geschenke unter die Nase.

„Das hier ist von mir und Matt.“ Sie reicht mir eine kleine Box „Und das hier ist von Carl und Annie.“ Nun reicht sie mir ein weiteres Päckchen.

Ich nehme mir zuerst Ava und Matts Geschenk und nestele an dem Papier herum, ehe ich ein neues Handy zu Tage fördere.

„Seid ihr irre? Das kann ich nicht annehmen.“ Ich sehe erst zu Ava und dann zu Matt.

„Red‘ keinen Quatsch…“ winkt Ava ab „Mit deinem Handy ist Facetime beinahe unmöglich und ich möchte gerne deine Stimme passend zum Bild haben.“

„Ava…“ beginne ich erneut.

„Sag lieb Danke.“ Unterbricht sie mich und ich atme tief ein.

„Danke.“ Sage ich schließlich und sie erstrahlt.

„Gern geschehen.“ Lächelt sie.

Dann nehme ich mir das Geschenk von Carl und Annie und halte Augenblicke später ein handgeschriebenes Kochbuch in den Händen. Hin und wieder sind Bilder von uns eingeklebt und kleine Anekdoten dazu geschrieben.

„Wow, das ist wunderschön.“ Ich streiche über den Ledereinband in den mein Name eingraviert ist.

„Das ist wirklich toll.“ Pflichtet mir Ava bei, als sie es durchblättert.

„Carl hat heute Morgen angerufen und gemeint, dass sie mich hier in Galway besuchen wollen.“ Ich lasse mich seufzend zu Matt auf die Couch fallen und er legt sofort seinen Arm um mich.

„Ich versuche alles um sie davon abzuhalten.“ Versichert er mir.

„Ich bin ein Feigling.“ Sage ich leise.

„Quatsch.“ Er streicht mir eine Strähne meines langen Haares aus der Stirn „Bist du nicht.“

„Doch…“ ich schließe gequält meine Augen „Ich laufe weg… Was wenn es mich einholt?“

„Sammy nein, hör auf damit.“ Bittet mich Ava inständig. „Du tust das alles für Jake und für dich. Du bist nicht feige, eher das Gegenteil.“ Sie setzt sich zu uns.

Nach einer Weile schlägt sie das Buch von Annie und Carl auf und hält mir eine Seite hin. „Erinnerst du dich?“ fragt sie leise.

Ich betrachte das Bild, es muss kurz nach dem Tod unserer Mum entstanden sein, denn Ava sieht nicht älter aus wie 12. Sie sitzt in einem hellblauen Sommerkleid auf einem Stuhl im Garten der McKennas. Ich stehe hinter ihr in roten Shorts und einem weißen T-Shirt, ich umarme sie von hinten und lege meinen Kopf auf ihre Schulter. Wir beide lachen nicht, sondern sehen eher ernst in Richtung Kamera.

„Nein.“ Sage ich schließlich.

„Das war knapp 2 Monate nach Mums Tod, an ihrem ersten Geburtstag ohne sie. Annie hatte uns von der Schule zu Hause gelassen, während Jakie und Taylor hin mussten und sich darüber furchtbar aufgeregt hatten. Sie hat sich mit uns in die Küche gestellt und Kuchen gebacken. Ich weiß noch was sie sagte, als ich sie an dem Tag fragte, ob ich jemals wieder glücklich sein würde.“ Sie lächelt leicht und streicht über das Bild „Du wirst glücklich sein Ava und Sammy wird das auch. Es wird nicht immer einfach sein, aber ihr schafft das. Ihr seid Olivia Porters Töchter, ihr schafft alles… Dann hat sie mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt und mich zu dir raus in den Garten geschickt. Augenblicke später ist das Foto entstanden.“ Erklärt sie mir. „Wir schaffen alles Sammy.“ Sie sieht zu mir und ich lächele unter Tränen.

Als wir das Buch weiter durchblättern fällt ein Brief heraus und ich falte ihn auseinander.

Hallo meine kleine Sammy,

ich wünsche dir einen wunderschönen Geburtstag mit Ava, Matt, Liv und den anderen.

Lass dich ordentlich verwöhnen und feiern.

Wir vermissen dich, besser gesagt ich vermisse dich. Ich mache mir Vorwürfe im Bezug auf dich und Taylor nicht gut genug auf dich aufgepasst zu haben, denn er muss dir sehr weh getan haben. Nicht umsonst bis du 2 Stunden weit weg gezogen. Ich habe mir euch Beide früher immer zusammen vorgestellt, ich dachte immer ihr beide seid perfekt füreinander.

Wenn ihr zusammen wart, dann habt ihr immer das Beste aus dem anderen heraus geholt.

Ihr wart immer ihr selbst.

Ich weiß, wie viel er dir schon immer bedeutet hat, daher muss er wirklich unverzeihliche Fehler begangen haben, damit du gehen wolltest.

Wer weiß, in einem anderen Leben wäre es vielleicht auch so gekommen, das du und Taylor euch gefunden hättet aber Jakes Tod hat uns alle aus der Bahn geworfen. Mich, Carl, Ava, Bryan und auch dich, aber allen voran Taylor. Ich will ihn nicht in Schutz nehmen, aber ich bitte dich in Betracht zu ziehen, ihm irgendwann seine Fehler zu verzeihen. Er spricht selten über dich, beinahe genauso selten wie über Jake, aber es wird besser, er arbeitet an sich.

Ich will dir einfach nur sagen, das ich dich liebe kleine Sammy!

Immer.

In Liebe Annie

Ich schlucke schwer und reiche Ava den Brief, damit sie ihn auch lesen kann.

„Sie macht sich Sorgen um dich.“ Sagt Ava schließlich.

„Ja, aber sie hat Recht, Taylor hat unverzeihliche Fehler gemacht.“ Ich starre auf meine ineinander verschränkten Hände.

„Ja, aber vielleicht kannst du ihm ja irgendwann verzeihen…“ denkt Ava nach und ich sehe sie erschrocken an „…nicht jetzt, aber vielleicht später irgendwann.“ Fügt sie schnell hinzu.

„Ava…“ ich seufze tief „Ich liebe ihn… immer noch.“

„Ich weiß.“ Sie haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Schau mal hier…“ Ava deutet auf ein weiteres Bild im Album, welches mich mit einem bunt bemalten Gipsarm zeigt. „… Da hast du den nicht so galanten Abflug von Clovers Rücken gemacht.“ Sie lacht leise und ich grinse schief.

„Daran erinnere ich mich…“ gebe ich zu „… Ich war mit Clover auf dem Weg zur Koppel, Taylor hatte einen Tag zuvor seinen Führerschein bestanden und er und Jake kamen mit lautstarker Musik und mit gefühlten 100 Sachen auf den Hof geprescht, der arme Clover wusste gar nicht was los war und ich legte eine Bruchlandung über den Koppelzaun hin.“ Ich verziehe das Gesicht und reibe meinen rechten Arm. „Das war schmerzhaft und zur Strafe musste Taylor mit mir nach Waterford in die Klinik und geschlagene 3 Stunden warten bis ich endlich meinen Gips hatte.“

„Annie hat ihn ganz schön zur Schnecke gemacht.“ Erinnert sich Ava und ich nicke zustimmend.

„Ja, hätte sie gewusst, dass das nur der erste von vielen Gipsarmen sein würde, dann hätte sie ihn vielleicht nicht ganz so sehr ausgeschimpft.“ Ich verziehe das Gesicht.

„Wie oft hast du dir den rechten Arm gebrochen?“ Ava sieht mich nachdenklich an.

„Den rechten 2 Mal und den linken ein Mal.“ Zähle ich zusammen.

„Bruchpilotin.“ Grinst sie und ich sehe wieder aufs Bild.

„Damals war die Welt noch in Ordnung.“ Sage ich leise und erinnere mich an Jakes und Taylors strahlende Gesichter, als sie am Abend extra ein Lagerfeuer für mich machten und Marschmallows rösteten, sozusagen als Entschuldigung.

Ich nehme das Album zur Hand und blättere weiter, da entdecke ich ein Bild unserer Mum.

Wow… Ava sieht ihr so unfassbar ähnlich.

„Du bist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Ich halte ihr das Bild hin und sie betrachtet es eingehend.

„Aber du hast ihre Augen.“ Sie lächelt leicht.

„Tja du hast den Rest.“ Ich erwidere ihr lächeln.

Liv räkelt sich im Kindersitz und Matt steht auf um sie zu holen, keine 10 Minuten später liegt sie friedlich an Avas Brust und trinkt genüsslich.

Es ist ein schönes Bild, ein so friedliches, inniges Bild und ein weiteres Lächeln huscht über mein Gesicht.

Matt fällt die Ehre zu mit der kleinen Miss ein Bäuerchen zu machen und ihr die Windeln zu wechseln, ehe wir dann schließlich aufbrechen, da Ian und Aimee bestimmt schon warten.

Das Essen ist wunderbar und Ian und Aimee schenken mir ein Kochbuch für kindgerechte Gerichte.

„Jake muss abwechslungsreich und vollwertig ernährt werden.“ Erklärt mir Ian übertrieben wichtig und ich lache auf.

„Ich habe schon so viel von dir gelernt, ihm wird es an nichts fehlen.“ Ich nicke ihm dankbar zu.

Um 22 Uhr verabschieden sich Ava und Matt und Aimee und Ian setzen mich 20 Minuten später bei mir ab. Im Großen und Ganzen hatte ich wirklich einen schönen Geburtstag und ich bin dankbar, das Aimee auf das Essen bestanden hat. Es war lustig mal alle in entspannter Atmosphäre versammelt zu haben.

Ich schlafe gut in dieser Nacht, im Allgemeinen schlafe ich in letzter Zeit endlich wieder besser, denn ich glaube ich werde alle meine Kraftreserven brauchen, wenn mein kleiner Jake denn endlich da ist.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Jake wächst und mit ihm mein Bauch, ich freue mich über jeden Tritt von ihm, auch wenn es mir manchmal den Schlaf kostet. Die Geburtsvorbereitungskurse werden anstrengender und immer ausführlicher.

Ich beginne zu erahnen was da auf mich zu kommt.

Ein Baby zu machen ist wesentlich schöner…

„Danke, dass du noch zwei Wochen länger geblieben bist.“ Eileen nimmt mich in den Arm und drückt mich fest an sich „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich die Jahressteuer hin bekommen hätte.“

„Kein Problem, es geht mir ja gut.“ Ich zwinkere ihr zu. Eigentlich hatte ich am 8. April in den Mutterschutz gehen sollen, aber der Steuerjahresbericht stand an und ich konnte Eileen nicht einfach damit alleine lassen. Somit habe ich heute, etwas mehr als 2 Wochen vor meinem Termin meinen vorerst letzten Arbeitstag.

„Du wirst mir fehlen und bitte versprich mir, das du sich sofort meldest, wenn Jake da ist.“ Sie sieht mich bittend an.

„Aber sicher.“ Verspreche ich ihr.

„Sam?“ Michael kommt zu uns und setzt sich an den Schreibtisch seiner Frau.

„Was kann ich für dich tun Chef?“ ich lege meinen Kopf schief und er grinst kopfschüttelnd.

„Ich habe mit Frank gesprochen. Du nimmst erst einmal 5 Monate vollen Erziehungsurlaub und dann wäre es schön, wenn du 3 Tage die Woche von 8 bis 14 Uhr kommen könntest. Gehaltsmäßig brauchst du dir keine Sorgen machen, wir regeln es so, das du mit Erziehungsgeld auf dein jetziges Gehalt kommst.“ Er nickt mir zu.

„Danke Michael.“ Ich ziehe mir meine Strickjacke über.

„Und hier.“ Er reicht mir einen Zettel aus dem Drucker „Das sind die besten Tagesmütter zwischen hier und deiner Wohnung. Frank sagt Kathy Jones ist ausgezeichnet und du sollst dich gerne bei ihr auf ihn berufen, alle seine 5 Enkel waren bei ihr und er hat bei ihr was gut.“ Er zwinkert mir zu.

„Nochmals danke.“ Ich nehme die Liste an mich.

„So und jetzt ab nach Hause, sonst reißt mir Ava den Kopf ab.“ Eileen nimmt mich nochmals in den Arm „Aimee wartet bestimmt schon auf dich, immerhin hast du heute das letzte Mal Geburtsvorbereitung und wie ich aus sicherer Quelle weiß, hast du noch nicht einmal einen Geburtsplan.“ Sie schüttelt nachsichtig den Kopf.

„Aimee ist eine Petze.“ Sage ich nur und sie lacht auf.

„Sie ist meine liebst Quelle.“ Sie reckt ihr Kinn in die Höhe „Ich weiß über alles Bescheid.“

„Mach’s gut Eileen, wir sehen uns bald!“ ich schicke ihr einen Handkuss zu und steige in den Fahrstuhl. Unten an meinem Wagen wartet Aimee schon und deutet auf die Uhr.

Ich drücke ihr nur schnell rechts und links ein Küsschen auf die Wange ehe ich einsteige und den Motor starte.

„Wir kommen aber auch immer auf den letzten Drücker.“ Sie sieht mich genervt an.

„Wir haben noch 25 Minuten und wir brauchen nur 10 Minuten zum Krankenhaus.“ Entschuldige ich mich.

„Trotzdem, plane doch einfach mal mehr Zeit ein.“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust und ich sehe sie verständnislos an.

Was ist denn mit ihr los?

So kenn ich sie ja gar nicht.

Tatsächlich sind wir überpünktlich da und Clara nimmt uns mit, da wir ihre einzigen Kursteilnehmer sind.

„Na, ihr zwei Hübschen.“ Begrüßt sie uns fröhlich und zu meiner Erleichterung hat auch Aimee ihr lachen augenscheinlich wieder gefunden, sie strahlt sie an und wir folgen ihr in ihr Sprechzimmer.

„Wie geht es dir Sam?“ will sie wissen, nachdem Aimee sich in den Sessel gesetzt und ich mich auf die bequeme Couch gelegt haben.

„Gut, ich bin schnell aus der Puste und Jake drückt ganz schön nach unten, aber im Großen und Ganzen gut.“ Ich erwidere ihr lächeln.

Sie kommt zu mir und schiebt meinen Pullover nach oben.

„Du hast einen wunderschönen Bauch.“ Sie tastet ihn vorsichtig ab und ich lächele.

„Vielen Dank.“ Erwidere ich und verziehe leicht das Gesicht als sie etwas fester zudrückt.

„Jake liegt schon tief im Geburtskanal, er liegt genauso wie er liegen soll und alles sieht wunderbar aus. Dann wollen wir mal hören.“ Sie verteilt etwas Gel, nur Sekunden später hören wir Jakes Herzschlag und wie immer treten mir Tränen in die Augen.

Ich kann es nicht glauben, der Herzschlag meines kleinen Sohnes.

„Hast du schon Wehen?“ Clara legt ihren Kopf schief.

„Nein bisher nicht.“ Gebe ich zu.

„Das ist völlig in Ordnung, er hat ja noch Zeit.“ Sie wischt das Gel ab und ich schiebe meinen Pullover wieder runter. „Wenn du Senkwehen bekommst, dann stell dich kurz bei Dr. Klein vor, damit er das abchecken kann.“ Bittet sie mich und ich nicke.

„Aber sicher, ich habe nächsten Montag einen Termin bei ihm.“ Erkläre ich ihr.

„So, nun zum spaßigen Teil.“ Sie setzt sich in den anderen Sessel. „Wie wünscht du dir Jakes Geburt?“

„Ich wünsche mir eine Wassergeburt ohne Schmerzmittel. Wenn ich es aber wirklich nicht aushalten kann, dann möchte ich eine Epiduralanästhesie. Ich weiß nicht, wie hoch meine Schmerztoleranz ist. Ich will es ohne versuchen, aber ich möchte mir die Option nicht ganz weg nehmen.“ Erkläre ich ihr. „Musik bringe ich selber mit und Aimee hat denke ich, den Rest gut ihm Blick.“ Ich sehe zu ihr und sie nickt bestätigend. „Nach der Geburt möchte ich Jake sofort im Arm halten, wenn ich dazu nicht in der Lage bin, dann Aimee oder Ava. Ava möchte gerne die Nabelschnur durchtrennen und Jake baden und anziehen. Wenn Ava es aus welchen Gründen auch immer nicht rechtzeitig her schaffen sollte, dann übernimmt das alles Aimee.“

„Dann haben wir ja alles soweit geklärt.“ Clara klatscht vergnügt in die Hände.

„Super.“ Ich hieve mich hoch „Wollen wir noch zum Chinesen?“ ich sehe grinsend zu Aimee.

„Warum musst du immer bestimmen wo wir essen?“ antwortet sie schnippisch.

„Was ist denn heute mit dir los?“ ich sehe sie verständnislos an.

„Ich weiß nicht…“ nun beginnt sie aus heiterem Himmel zu weinen und ich sehe hilfesuchend zu Clara.

„Aimee?! Alles gut?“ sie geht zu ihr und legt ihren Arm um sie.

„Ich bin die letzten Tage einfach so empfindlich, ich heule oder bin wütend ohne einen Grund… ich erkenne mich selber nicht.“ Schluchzt sie.

„Eine rein professionelle Frage…“ Clara zieht eine Augenbraue hoch. „Wann hattest du das letzte Mal deine Periode?“

Aimee hört augenblicklich auf zu weinen und denkt angestrengt nach „Ich sollte sie letzte Woche bekommen.“ Sagt sie schließlich.

„Bevor ihr zwei Hübschen zum Chinesen geht, solltet ihr vielleicht bei der Apotheke ran fahren.“ Sie zwinkert Aimee zu und diese reist ihre Augen auf. „Ich würde dir ja einen geben, aber zu mir kommen sie immer erst, wenn sie es schon wissen.“ Grinst Clara.

„Okay.“ Ich lache leise, stehe auf und reiche Aimee meine Hand. „Dann wollen wir mal zur Apotheke.“

„Aber, aber, aber…“ stottert Aimee.

„Nichts aber.“ Unterbreche ich ihr Gestammel und ziehe sie mit mir „Bye Clara und danke.“ Ich winke ihr zu und ziehe Aimee hinter mir her.

Im Auto sagt sie keinen Ton und ich steige aus und hole einen Schwangerschaftstest, als ich bei der Apotheke ankomme. Dann lenke ich meinen Wagen zu Ian und Aimees Haus und parke.

„Willst du nie wieder reden?“ frage ich vorsichtig und sie sieht mich panisch an.

„Glaub mir, das Gefühl kenne ich…“ gebe ich zu „… Sieh es positiv, dein Freund ist da und wird ausflippen vor Freude.“ Ich reiche ihr den Schwangerschaftstest. „Komm Aimee.“ Bitte ich sie und steige aus.

Drinnen geht sie sofort ins Badezimmer und ich tigere im Flur davor auf und ab.

Endlich kommt sie raus.

„Und?“ frage ich sofort.

„Ich glaube ich muss noch 5 Minuten warten, denke ich.“ Gibt sie zu.

„Was hast du denn da drinnen so lange gemacht?“ ich sehe sie verwundert an.

„Schon mal versucht zu pullern, wenn du es sollst?“ sie verdreht die Augen.

„Ja.“ Gebe ich zu „Einmal mindestens.“ Ich streiche über meinen Bauch. „Jetzt gib mal her.“ Ich nehme ihr den Test ab und lache leise. „Du bist schwanger Aimee, dem Ding nach in der 7. Woche.“ Ich ziehe sie in meine Arme. Dafür brauchte das Ding nicht einmal 5 Minuten…

„Wow.“ Aimee sieht mich mit Tränen in den Augen an.

„Herzlichen Glückwunsch.“ Lächle ich und bugsiere sie zur Couch, damit wir uns hinsetzen können. „Scheint ja gleich bei euch geklappt zu haben.“

„So schnell hatten wir nicht damit gerechnet.“ Gibt sie zu.

„Tja Aimee, unverhofft kommt oft.“ Ich zwinkere ihr zu.

Sie atmet tief durch „Gott, wie sag ich das Ian?“

„Gerade raus würde ich sagen.“ Ich lache leise „Mensch Aimee, er wird sich so sehr freuen.“ Prophezeie ich ihr.

In diesem Moment geht die Haustür auf und Ian kommt nach Hause.

Wenn man vom Teufel spricht…

„Ich lass euch dann mal allein.“ Ich hauche Aimee einen Kuss auf die Haare und nehme meinen Mantel vom Stuhl, ehe ich im Flur auf Ian treffe.

„Willst du los?“ fragt er unsinniger Weise.

„Ja, ich will auf meine Couch.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Wann sehen wir uns denn mal wieder?“ er sieht mich fragend an.

„Spätestens zu deinem Geburtstag nächste Woche.“ Ich schicke ihm ein Handkuss und trete hinaus in die kalte Luft.

Als ich endlich zu Hause bin, will ich wirklich nur noch auf meine Couch und bin unendlich froh, als ich endlich liege. Im Moment strengt mich alles an, schon nach 100 m fühle ich mich, als sei ich einen Marathon gelaufen. Kein Wunder mittlerweile schleppe ich ja 8 kg mehr Gewicht mit mir herum.

Auf der einen Seite kann ich es kaum erwarten Jake endlich in den Armen halten zu können, auf der anderen Seite kann er gerne noch eine ganze Weile drin bleiben…

Ich will gerade nach meinem Handy greifen als es klingelt und mich Avas Gesicht anstrahlt.

Kaum denkt man an sie…

Sie ruft die letzten Tage jeden Abend an um sich zu erkundigen wie es mir geht, am Samstag will sie vorbei kommen, da sie der Meinung ist, das ich unbedingt noch Fotos mit meinem Babybauch brauche.

Gut, wer weiß für was es gut ist.

Im Moment möchte ich mich zwar nicht sehen, aber irgendwann bin ich ihr vielleicht dankbar.

Sie hat mir sogar einen Termin in einem richtigen Fotostudio besorgt.

Um 21 Uhr liege ich schon in meinem Bett und mir fallen die Augen zu, in dieser Nacht träume ich das erste Mal seit langem von Taylor und dementsprechend fühle ich mich am nächsten Morgen.

Ich vertreibe mir am nächsten Tag meine neu gewonnene Freizeit damit in Jakes Zimmer die Schränke einzuräumen und letzten Schliff an alles zu legen.

Meine Kliniktasche steht seit einer Woche im Auto, aber das wird Ava nicht davon abhalten sie am Samstag durchzusehen und neu zu packen.

Ich nehme mein Handy von der Aufladestation und schreibe als erstes Ian eine Nachricht: Herzlichen Glückwunsch Daddy! Woraufhin ich nur ein Herz und ein Smiley zurück bekomme. Ja Ian ist eben doch ein Mann, manchmal ein Mann weniger Worte, oder eben gar keiner, so wie in diesem Fall. Ich weiß aber auch so, dass er überglücklich ist und ein toller Daddy wird.

Dann räume ich die letzten Kleidungstücke für Jake ein, die ich im Laufe der Woche alle gewaschen habe und am Abend bestelle ich mir eine Pizza, etwas was ich schon lange nicht mehr gemacht habe, aber was ich mir meiner Meinung nach einfach mal verdient habe.

Ava klingelt mich am Samstagmorgen aus dem Bett und ist mehr wie erstaunt, das ich um 10 Uhr noch nicht auf bin. Zum Glück haben wir noch viel Zeit bis zum Schooting am Nachmittag und sie macht Frühstück während ich dusche und mich fertig mache.

„Na Murmeltier.“ Begrüßt sie mich als ich mich zu ihr in die Küche setze.

„Na.“ Grinse ich „Gott, wann bist du denn heute aufgestanden?“

„Liv hatte um 5 Uhr ausgeschlafen und da ich einigermaßen fit war, bin ich dann gleich wach geblieben, habe Milch für Liv abgepumpt und bin schon früh los gefahren.“ Sie schiebt mir eine Tasse Tee hin.

„Gewöhnt man sich daran?“ ich gähne herzhaft.

„Naja, ich sehne schon herbei das sie vielleicht etwas länger schläft, bis 7 Uhr würde mir vollkommen reichen.“ Sie zwinkert mir zu.

Ich nehme einen Schluck von meinem Tee und angele mir ein Brötchen aus dem Brötchenkorb. „Du Ava? Hattest du eigentlich auch solche Angst?“

„Ja sicher…“ gibt sie zu „Die ersten 3 Monate hatte ich Angst, dass ich das Baby verlieren könnte. Dann hatte ich bei jeder Untersuchung Angst, das etwas nicht in Ordnung sein könnte und natürlich hatte ich Angst vor der Geburt, vor den Schmerzen und allem was dazu gehört.“ Sie greift über den Tisch nach meiner Hand. „Das ist normal und du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich dir sagen würde, das die Geburt nicht schlimm ist…“ sie seufzt tief „… Aber ich lüge dich schon aus Prinzip nicht an. Es tut weh, höllisch weh… du wirst an deine Grenzen kommen und darüber hinaus, aber es lohnt sich.“ Sie lächelt leicht. „Als ich Liv das erste Mal in meinen Armen hielt, da passierte etwas mit mir…“ sie sucht meinen Blick „Da lernst du den wichtigsten Menschen deines weiteren Lebens kennen. Du bist plötzlich eine Mum und glaub mir, das ist alles Wert!“

„Ich danke dir.“ Erwidere ich gerührt.

„Ach was, dafür sind große Schwestern da.“ Sie sieht mich lächelnd an und wir essen in Ruhe unser Frühstück.

„So nun aber…“ Ava steht auf und räumt ihren Teller in den Geschirrspüler „Wo ist deine Kliniktasche?“

Ich stöhne leise auf und sie schenkt mir einen missbilligenden Blick.

„Okay…“ ich hebe meine Hände „Sie ist schon im Auto.“ Ich deute auf das Schlüsselbrett an dem mein Autoschlüssel hängt und die nimmt ihn sich.

Während ich den Geschirrspüler zu Ende einräume, räumt sie meine Tasche aus, sortiert alles neu und packt sie neu, genauso wie ich es vorhergesagt hatte.

Dann machen wir uns auf den Weg in die Innenstadt und stehen pünktlich in einem großen Fotostudio wo wir von einer freundlichen Fotografin empfangen werden. Nancy, so heißt sie, lässt mich erst einmal von einer Freundin von ihr schminken und frisieren und wir suchen verschiedene Kostüme raus… einfache, lange Schals, wunderschöne Kleider und Hemden.

Die nächsten 3 Stunden heißt es lächeln, posieren und mich von Windmaschinen anpusten lassen. Aber ich muss sagen es lohnt sich, die Bilder die uns Nancy anschließend zeiht sind wirklich sehr gut geworden und ich bestelle mir ein Buch mit fast allen Fotos und die Bilder der gesamte Fotosession auf DVD. Dafür bezahle ich dann auch gerne etwas mehr.

Anschließend essen wir eine Kleinigkeit an einem Imbiss und dann muss sich Ava leider schon wieder auf den Weg nach Hause machen, da Liv zum Abend hin wieder gestillt werden möchte.

„Du meldest dich sofort, wenn etwas ist, ja?!“ Ava nimmt mich fest in den Arm.

„Versprochen.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und sie steigt in ihr Auto.

„Danke Ava.“ Ich lächele sie an, während ich die Autotür hinter ihr schließe.

Sie kurbelt das Fenster runter und schenkt mir ein strahlendes Lächeln. „Gern geschehen.“ Sie schickt mir einen Luftkuss „Ich liebe dich Sammy!“

„Ich dich auch Ava!“ ich winke ihr noch hinterher bis sie um die nächste Ecke gebogen ist.

Nachdem mich Aimee den gesamten Sonntag und Montag mit SMS und tausend Fragen bombardiert hat, beschließe ich, sie zu meinem Termin bei Dr. Klein mitzunehmen. Vielleicht hat er kurz Zeit, denn auf ihre Frage habe ich einfach keine Antwort…

„Hallo Sam, du kannst im Wartezimmer Platz nehmen.“ Empfängt mich die Arzthelferin freundlich, als Aimee und ich eintreten.

„Danke…“ ich sehe auf ihr Namensschild „…Jenna, du sag mal, hat Dr. Klein noch etwas Zeit heute?“ ich schiebe Aimee vor mir her an den Anmeldetresen.

„Worum geht es denn?“ sie sieht auf.

„Aimee hier…“ ich deute auf eben diese „…hat vor 4 Tagen einen Schwangerschaftstest gemacht, der positiv war und laut dem sie in der 7. Woche ist… Sie stellt mir Fragen, die wohl besser ein Arzt beantworten sollte.“ Ich verziehe das Gesicht und Jenna lacht auf.

„Dann füll mal den Anmeldebogen aus…“ sie legt ein Klemmbrett vor Aimee auf den Tresen und stellt einen Plastikbecher dazu „Und hier einmal bitte eine Urinprobe, in der Toilette ist eine kleine Durchreiche, da stellst du es einfach rein.“

Damit setzen wir uns und Aimee füllt den Fragebogen aus und gibt ihre Probe ab.

„Wollt ihr zusammen rein?“ Jenna kommt zu uns und Aimee und ich nicken gleichzeitig. „Super, da kommt mal mit.“

Wir betreten den Untersuchungsraum und Dr. Klein reicht uns beiden die Hand, ehe mich bittet mich auf die Liege zu legen.

„Wie geht’s dir Sam?“ will er wissen und tastet meinen Bauch ab.

„Ich habe ungeheuren Druck nach unten und ab und zu Schmerzen, ich denke das sind die Senkwehen, von denen alle Sprechen.“ Ich stöhne leicht auf, als er einen wunden Punkt trifft und mich ein Schmerz durchzieht.

„Ja, da liegst du wohl richtig. Jake ist bereit, er wird nicht heute oder morgen kommen, aber er ist startklar.“ Er zwinkert mir zu „Das nächste Mal werden wir uns wohl im Krankenhaus sehen.“

„Danke.“ Ich nehme das angebotene Tuch und wische meinen Bauch ab, ehe ich den Platz mit Aimee tausche.

„Miss Ellis, meine herzlichsten Glückwünsche, auch der Test bei uns ist positiv…“ er lächelt sie an und sie antwortet mir einem Strahlen übers ganze Gesicht. „Ich mache jetzt einen Ultraschall, dafür müssen sie sich bitte unten herum etwas frei machen.“ Er bittet sie in eine kleine Umkleidekabine und als Aimee sich wieder hingelegt hat, da sehen wir ein paar Minuten später eine kleine pulsierende Blase. „Das ist ihr Baby.“ Erklärt ihr Dr. Klein und druckt ein Bild für sie aus. „Meinen Berechnungen nach sind sie Anfang der 8. Woche, der errechnete Termin ist der 22. Dezember.“ Er reicht ihr ihren Mutterpass und sie setzt sich wieder auf. „Sie können sich jetzt wieder anziehen und ich würde sie gerne in 4 Wochen wieder sehen, lassen sie sich bitte einen Termin geben.“ Er lacht leise.

„Ich danke ihnen.“ Bringt Aimee endlich hervor und geht sich wieder umziehen.

„Gern geschehen.“ Er sieht augenzwinkernd zu mir und ich forme ein lautloses Danke.

10 Minuten später treten wie wieder auf die belebten Straßen Galways.

„Na, was hältst du von einem Stück Kuchen und einem schönen Tee?“ ich sehe zu Aimee.

„Sehr gerne und ich danke dir Sammy.“ Sie nimmt mich in den Arm.

„Gern geschehen.“ Ich drücke sie an mich.

„Wie sieht jetzt eigentlich die Planung für Ians Geburtstag aus?“ Ich setze mich ihr gegenüber auf einen Stuhl in einem kleinen Café.

„Fast alle die ich eingeladen habe, haben schon zu oder abgesagt. Nach meinen bisherigen Berechnungen werden wir knapp 30 Leute sein.“ Sie winkt die Kellnerin zu uns.

Nachdem wir bestellt haben, planen wir noch ein wenig Ians 30. Geburtstag und anschließend setze ich Aimee bei sich ab. Am nächsten Morgen schlafe ich bis fast 11 Uhr und beginne dann mit den Kuchen, den ich Aimee versprochen habe zu backen. Ansonsten habe ich ganz schön viel Freizeit mit der ich gar nichts so richtig anzufangen weiß.

Am nächsten Morgen mache ich mich früh auf den Weg zu Aimee und ein paar Mal muss ich tief durchatmen, diese Senkwehen sind wirklich nicht schön. Die Schmerzen sind gerade so auszuhalten, es ist nicht angenehm, aber ich möchte auch noch nicht schreien.

Ich habe Aimee bei unserem Cafébesuch angeboten, ihr mit der ganzen Dekoration zu helfen bis Ian von der Arbeit kommt und sie sieht mich strahlend an, als ich klingele und meinen Kuchen stolz hoch halte.

„Tada!“ flöte ich und nehme sie, soweit denn möglich in den Arm.

„Wow Sammy, du platzt echt gleich.“ neckt sie mich.

„Das sagst du mir seit Wochen und wie du siehst, bin ich noch nicht geplatzt.“ ich strecke ihr die Zunge raus und sie nimmt mir meinen Kuchen ab.

„Der sieht echt gut aus.“ lobt sie mich und bringt ihn in die Küche.

„Und wie geht es dir? Morgenübelkeit?“ ich grinse sie schief an.

„Es wird besser, heute Morgen habe ich immerhin mein Frühstück bei mir behalten.“ Sie verzieht das Gesicht. „Ging es dir auch so schlecht?“

„Nein gar nicht.“ Gebe ich zu. „Nimmst du denn brav die Tabletten die ich dir empfohlen habe?“

„Ja sicher. Ian erinnert mich jeden Morgen daran.“ Sie grinst.

„Ich kann es immer noch nicht fassen.“ Ich strahle sie an.

„Ich auch nicht… glaub mir.“ Sie erwidert mein Strahlen und reicht mir ein paar Girlanden und Luftballons und in den nächsten 2 Stunden amüsiere ich mich und versuche den Schmerz auszublenden, der mich, meiner Meinung nach, zu regelmäßig, durchzieht.

Aber ich schaffe es mich auf das gerade wesentliche, nämlich die Dekoration zu Ians 30. Geburtstag, zu konzentrieren.

Dabei schaffe ich es sogar fast auszublenden welcher Tag morgen ist.

Jakes 1. Todestag.

Er ist schon ein ganzes Jahr nicht mehr bei uns…

Ich kann es nicht glauben.

So viel ist in diesem einem Jahr passiert.

Als Ian etwas später dazu kommt ist er mehr wie begeistert und auch die anderen Gäste staunen nicht schlecht. Aimee und ich haben uns auch wirklich ins Zeug gelegt, überall im Haus kleben 30 Schilder in allen möglichen Größen und Farben, dazu noch eine Unmenge an Luftballons und Luftschlagen und der Tisch im Wohnzimmer ist mit mehreren Kuchen und Torten bestück.

Am späten Nachmittag muss Ian etliche lustige und weniger lustige Spiele seiner Gäste über sich ergehen lassen und Aimee und ich haben ordentlich was zu lachen, dann wird gegrillt, gelacht und getanzt, aber gegen 21 Uhr verabschieden sich die letzten Gäste, immerhin ist heute Mittwoch und morgen müssen die meisten wieder arbeiten.

Ich setze mich an den Küchentresen, während Aimee anfängt im Haus etwas aufzuräumen und streiche über meinen Bauch.

„Oh...“ stöhne ich, als ich aufstehen will um Aimee zu helfen und merke, das meine Beine nachzugeben drohen.

„Sam?“ Ian ist sofort bei mir und stützt mich.

„Alles gut.“ will ich abwinken, aber da durchfährt mich die nächste Welle und ich sehe den nassen Fleck auf meiner Hose.

„Oh nein, nicht alles gut.“ er wird leicht panisch. „Komm Sam.“ er hilft mir aufzustehen und ich halte mich an ihm fest.

„Der Termin ist erst in 8 Tagen.“ ich atme flach und schnell.

„Das interessiert Jake wohl gerade nicht.“ er grinst schief „Aimee!“ ruft er diese zu uns und sie kommt sofort zu uns gelaufen.

„Es geht los.“ sagt er nur, sie klatscht begeistert in die Hände und holt meinen und Ians Autoschlüssel.

Ich hätte gerne etwas von ihrer Begeisterung, denn gerade jetzt habe ich nur eines: Angst!

Wir gehen zusammen zu Ians Auto, er bugsiert mich auf den Rücksitz, einen Augenblick später wirft Aimee meine Tasche in den Kofferraum und setzt sich zu mir.

„Alles wird gut.“ verspricht sie mir und ich versuche die nächste Wehe zu veratmen, mit Hilfe von Ian und Aimee, die das glaube ich besser können wie ich. Jetzt tut es weh, richtig weh und ich kneife meine Augen zusammen.

„Ava.“ ich sehe Aimee und sie winkt ab während Ian sich durch den kaum vorhandenen Verkehr zum Galway West schlängelt.

„Schon erledigt und das Krankenhaus weiß auch Bescheid.“ erklärt sie mir lächelnd.

„Wann denn das?“ ich sehe sie erstaunt an.

„Auf dem Weg zum Auto. Viele Worte waren da ja nicht nötig.“ sie drückt meine Hand.

„Scheint als wolle Jake, am gleichen Tag Geburtstag haben wie ich.“ witzelt Ian vom Vordersitz.

„Nicht witzig Ian.“ presse ich hervor „Außerdem glaube ich kaum das Jake in knapp 3 Stunden da sein wird.“

Welcher Tag morgen ist, daran will ich nicht schon wieder denken.

Im Krankenhaus werden wir schon empfangen und direkt auf die Geburtsstation gebracht, so dass ich nicht weiter nachdenken kann und mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren muss.

„Na Sam, scheint als wolle dein Baby etwas früher die große weite Welt sehen.“ begrüßt mich Clara, während Aimee mich im Rollstuhl absetzt. Ian sucht einen Parkplatz, aber er weiß ja, wo er hin muss.

„Es tut weh, wirklich weh.“ sage ich atemlos und werde von ihr über die Gänge geschoben.

„Wir untersuchen dich jetzt und dann sehen wir, ob wir uns an den Plan halten können.“ sie nickt mir aufmunternd zu und ich werde in einen freien Behandlungsraum geschoben.

Ich mache mich frei und bin sehe kurz zu Tür, als Ian atemlos herein kommt.

„Schön dich zu sehen Ian.“ Clara strahlt ihn an.

Dann werde ich untersucht und an den Wehenschreiber angeschlossen.

„Das sieht alles sehr gut aus Sam, dein Muttermund ist bei 2 cm. Wenn du bei 8 cm bist, dann kannst du in die Wanne. Du machst das sehr gut.“ sie nickt mir anerkennend zu.

„Wie lange?“ presse ich hervor.

„Das kann ich dir nicht sagen.“ bedauernd schüttelt sie mit dem Kopf.

Die nächsten Stunden sind nicht wirklich ein Spaziergang, aber das hat ja auch keiner behauptet...

Ich kämpfe bei jeder Wehe mit mir selbst, ob ich nicht endlich Schmerzmittel haben möchte, aber ich will unbedingt durchhalten.

Ava ruft alle 10 Minuten an, sie will rechtzeitig hier sein und bisher sieht es auch aus, als ob sie es schaffen könnte, denn wirklich was passieren tut nichts.

Bisher…

„So, dann wollen wir dich nochmal untersuchen.“ Clara kommt wieder rein und Aimee tauscht den Waschlappen auf meiner Stirn aus. Clara setzt sich und ich halte die Luft an, diese Untersuchungen sind wirklich unangenehm, aber leider notwendig.

„Super Sam, du bist bei 8 cm, jetzt hat Jake es eilig.“ Sie lächelt mir aufmunternd zu. Also gut, 6 cm in knapp 2 Stunden, das ist wirklich respektabel.

Endlich um kurz nach halb zwölf kommt Ava und ich bin mehr wie dankbar.

„Hi Sammy!“ sie nimmt mich fest in den Arm.

„Ich bin so froh, dass du da bist.“ Ich halte mich an ihr fest.

„Wie ist der Stand der Dinge?“ sie streicht mir mein schweißnasses Haar aus der Stirn.

„8 cm und ich darf gleich in die Wanne.“ Ich versuche tief in den Bauch zu atmen, so wie ich es gelernt habe. Aber irgendwie scheint das jetzt 10mal schwerer zu sein als in den Kursen.

Nicht verwunderlich, oder?

„Bereit für die Badewanne?“ kommt Clara wie auf Stichwort wieder herein gefegt. „Hallo Ava, schön das du jetzt da bist, dann kann der kleine Mann jetzt ja kommen.“ Begrüßt sie Ava strahlend und sie helfen mir mich aufzusetzen.

Es tut so weh, das ich denke meine Beine tragen mich nicht mehr. Aber ich schaffe es irgendwie hinüber zur großen Badewanne und Clara und Ava helfen mir hinein.

„Du legst für dein erstes Kind ein ganz schönes Tempo vor.“ Clara zwinkert mir zu, als sie mich erneut untersucht. „10 cm. Vollständig erweitert und das in nur 3 ½ Stunden.“

„Liegt wohl in der Familie.“ Ich sehe kurz zu Ava und sie grinst.

Das warme Wasser ist so angenehm und nimmt wir wenigstens einen kleinen Teil der Schmerzen, nur einen kleinen Teil, aber ich nehme was ich kriegen kann. Erschöpft lehne ich mich nach hinten.

„Wie lange hat es bei dir gedauert?“ Aimee sieht zu Ava.

„Vom Start der Wehen bis Liv da war genau 3 Stunden und 20 Minuten, meinen Rekord wird Sammy wohl nicht knacken.“ Sie streicht mir erneut meine Haare aus der Stirn und ich krümme mich bei der nächsten Wehe.

„Wenn du das Gefühl hast pressen zu müssen, dann presse ruhig.“ Clara setzt sich ans Fußende der Wanne und Aimee setzt sich hinter mich auf den Rand und ich lehne mich gegen sie. Ich schließe meine Augen und plötzlich überkommt mich ein so heftiger Pressdrang, das ich gar nicht anders kann, wie meinen Kopf auf die Brust zu legen und zu pressen.

„Du machst das wunderbar.“ Lobt mich Clara.

„Komm schon Sammy, gleich ist Jake da.“ Feuert mich auch Ava an.

Gott das tut weh…

Wobei das nicht einmal annähernd den Schmerz beschreibt.

Ich wimmere leise vor mich hin und als die nächste Wehe kommt, dann presse ich erneut.

„Ich kann schon das Köpfchen sehen. Du machst das so gut Sam.“ Erneut ist es Clara die mich anfeuert und aufmuntert.

„Ich bin so stolz auf dich.“ Flüstert mir Aimee ins Ohr „Dein kleine Jake will dir den Schmerz dieses Tages nehmen.“ Redet sie weiter auf mich ein und mir treten Tränen in die Augen.

Sie hat Recht, dadurch dass der kleine Jake heute auf die Welt kommt hat dieser Tag nicht mehr nur schlimmer Erinnerungen… Es wird ein Freudentag sein.

„So Sam, jetzt noch einmal ganz fest pressen.“ Weist mich Clara an und ich befolge ihre Anweisungen, auch wenn der rationale Teil meines Gehirnes diese Entscheidung nicht nachvollziehen kann, denn die Schmerzen sind beinahe unerträglich.

Dann ist da plötzlich Erleichterung, ungemeine Erleichterung.

„Da ist dein Sohn, nimm ihn zu dir.“ Clara strahlt mich an. Ich greife ins Wasser und ziehe ihn an meine Brust.

„Du bist da.“ Flüstere ich.

Nur am Rande bekomme ich mit, wie Ava die Nabelschnur durchtrennt und Clara ein Handtuch über mich und Jake legt.

Ich merke plötzlich, dass ich Schwierigkeiten habe Luft zu bekommen und sehe panisch zu Ava.

„Was ist los Sammy?“ fragt sie besorgt und versuche krampfhaft zu atmen.

„Sam?“ Clara beugt sich über mich „Komm Süße rede mit mir. Was ist los?“

„Ich bekomme keine Luft.“ japse ich mit letzer Kraft.

Plötzlich wird es hektisch um mich herum, Clara drückt den Notknopf, gibt Jake zu Ava und weist Aimee an zurück zu treten, dann wird alles um mich herum schwarz…

Es ist so unwirklich…

Langsam gewinne ich die Kontrolle über mich zurück und schaffe es unter Anstrengungen meine Augen zu öffnen. Aimee steht in blauer Schutzkleidung an meinem Fußende und Ava sitzt, ebenfalls ganz in Blau gekleidet, an meiner rechten Seite.

„Jake?“ krächze ich und sofort beugen sich beide über mich.

„Oh mein Gott Sammy.“ Ava küsst unter Tränen meine Stirn und auch Aimee sieht mich mit Tränen in den Augen an.

„Jake?“ wispere ich erneut.

„Es geht ihm gut.“ Ava legt ihre Stirn an meine „Er ist perfekt, 50 cm lang und 3450 g schwer. Er kann es kaum erwarten wieder zu seiner wundervollen Mummy zu kommen.“

„Was ist passiert?“ ich versuche im Bett etwas hoch zu rutschen, aber ein stechender Schmerz durchzieht mich.

„Du hattest ein Blutgerinnsel in der Lunge, Sammy… Du bist fast gestorben.“ sie küsst erneut meine Stirn und ihre Tränen tropfen auf mein Gesicht.

„Es tut mir leid.“ flüstere ich.

„Oh nein Sammy.“ Aimee nimmt mich nun in den Arm. „Du hast es überstanden und Jake geht es gut. Nichts anderes zählt jetzt.“

„Kann ich ihn sehen.“ bitte ich Ava und sie lächelt unter Tränen.

„Ich hole ihn.“ damit geht sie raus und Aimee setzt sich auf meine Bettkante.

„Mach so etwas nie wieder.“ bittet sie mich leise. „Ava ist fast durch gedreht, die 5 Stunden in denen du im OP warst, waren die Hölle für sie.... Und für mich. Ich will dich nicht verlieren Sammy.“
„Ich bin hier, ich gehe nirgendwo hin.“ ich drücke ihre Hand.

Dann kommt Ava zurück und schiebt eines dieser kleinen durchsichtigen Babybetten vor sich her. Sie hebt Jake vorsichtig heraus und legt ihn mir behutsam in den Arm.

Ich starre ihn an.

Mein kleiner Sohn.

Perfekt.

Wunderschön.

Ich bin überwältigt und die Tränen beginnen über mein Gesicht zu laufen.

„Hi Jake, ich bin deine Mummy.“ Ich drücke ihn behutsam an mich und er räkelt sich.

„Er ist...“ ich weine leise „…ein Wunder.“ ich streiche ihm über seinen, mit dunkeln Haaren bedeckten Kopf und berühre vorsichtig seine kleinen Finger.

„Ich habe auf ihn aufgepasst, ich habe ihn gebadet und ihn angezogen.“ sagt Ava stolz.

„Ich danke dir.“ ich kann meinen Blick gar nicht von dem kleinen Mann abwenden.

Es klopft leise und Clara und Ian kommen herein. „Ihr dürft jetzt die Schutzkleidung ausziehen.“ sie grinst Ava und Aimee an und kommt dann zu meinem Bett „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

„Ist alles mit ihm in Ordnung?“ ich sehe sie kurz an und dann wieder zu Jake.

„Ja, alles ist wunderbar, er hat die Aufregung seiner Geburt gut weg gesteckt.“ beruhigt sie mich. „Du wirst noch ein paar Tage unser Gast sein, du hast stark blutverdünnende Medikamente bekommen und bei der letzten Untersuchung hatte sich das Gerinnsel schon fast aufgelöst, aber du musst noch beobachtet werden.“ Sie deutet auf die Apparate neben meinem Bett „Sam, das war mehr wie knapp.“

„Danke.“ ich schaue mit großen Augen zu ihr auf.

„Stillen wirst du wegen den Medikamenten leider nicht können, aber glaub mir es gibt Schlimmeres.“ sie zwinkert mir zu. „Jetzt füllen wir erst einmal die Geburtsurkunde von deinem Sonnenschein aus.“

sie zwinkert mir ermutigend zu, holt einen Zettel aus der Tasche und setzt sich an den Tisch.

„Vollständiger Name des kleinen Mannes?“

„Jake Bryan Carl Porter.“ sage ich leise.

„Drei starke Namen für einen wunderbaren kleinen Jungen.“ Ava haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Geburtsort Galway, Geburtstag 02. Mai um 00:24.“ sie sieht zu mir und Ava streicht Jake andächtig über den Kopf.

„Dein Onkel Jake hat auf dich und deine Mummy aufgepasst.“ flüstert sie und eine Träne läuft über meine Wange.

„Danke Jake.“ hauche ich.

„Der kleine Mann ist 50 cm lang und 3450 g schwer.“ Sie strahlt mich an und ich kann nicht anders wie es zu erwidern. Sie befestigt eine kleine Karte an seinem Bett und sieht dann wieder zu mir „Möchtest du den Vater in der Geburtsurkunde eintragen lassen?“

„Wird er benachrichtigt?“ ich sehe zu ihr und sie schüttelt ihren Kopf.

„Nein, es sei denn du beantragst Unterhalt.“ Erklärt sie mir.

„Dann trage ihn ein: Taylor Henry McKenna.“ Ich atme tief durch. Jetzt Jake hier bei mir zu haben und zu wissen, das er nichts von ihm weiß… das setzt mir mehr zu als ich es zugeben möchte.

„Die Geburtsurkunde bekommst du, wenn du entlassen wirst.“ Clara nickt mir erneut zu und sieht dann in die Runde. „Gönnt ihr auch etwas Ruhe.“ Ermahnt sie meine Gäste und diese nicken sofort.

„Herzlichen Glückwunsch.“ Ian nimmt mich vorsichtig in den Arm.

„Ich danke dir Ian, ich danke euch allen so sehr.“ Wie aus dem Nichts beginne ich zu weinen.

„Hey, hey…“ Aimee legt einen Arm um mich „Alles ist gut Sammy.“ Versichert sie mir.

„Ich weiß…“ schluchze ich.

„Diese Gefühlsachterbahn wirst du noch eine ganze Weile haben.“ Ava drückt mir einen Kuss auf die Stirn „Aber keine Angst, das vergeht wieder.“

Plötzlich wird Jake unruhig und ich sehe panisch zu Ava, sie winkt ab und lächelt nur. „Alles okay…“ versichert sie mir „… Er hat nur Hunger.“ Sie zwinkert mir zu und klingelt nach der Schwester.

Ein paar Augenblicke später kommt diese mit einer Flasche herein und zeigt mir, wie ich Jake am besten füttern sollte. Das klappt auf Anhieb und er nuckelt zufrieden an der Flasche. Ein wenig wehmütig bin ich schon, dass ich nicht stillen kann.

Aber Clara hat Recht, es gibt schlimmeres…

Wenn ich nicht mehr hier wäre zum Beispiel.

So nach und nach sickert es zu mir durch, dass ich ungeheureres Glück gehabt habe und dass die ganze Sache ganz anders hätte ausgehen können.

Aber ich bin hier und gebe meinem Sohn seine Flasche, nachdem er satt ist, darf ich mit Hilfe einer Schwester aufstehen und wickele Jake das erste Mal. Ich bin ganz schön wackelig auf den Beinen und bin froh, dass die Schwester da ist und mich stützt.

„Alleine solltest du noch nicht aufstehen. Klingel, wenn du etwas brauchst.“ Sie sieht mich mahnend an.

„Ja, danke.“ Ich bin wieder in meinem Bett und lehne mich erschöpft zurück, während Jake friedlich in seinem Bettchen schläft.

„Wir lassen dich jetzt alleine.“ Ava haucht mir einen Kuss auf die Stirn „Ich komme an Samstag mit Matt und Liv vorbei.“ Verspricht sie mir.

„Danke Ava.“ Ich ziehe sie in meinen Arme.

„Dafür nicht.“ Winkt sie ab, streicht Jake kurz übers Köpfchen und geht dann leise hinaus.

„Wir werden jetzt auch nach Hause.“ Aimee setzt sich auf meine Bettkante.

„Ich danke euch.“ Ich werfe ihr und Ian einen dankbaren Blick zu.

„Immer wieder gerne.“ Versichert sie mir „Ach ja, bevor du dir darüber den Kopf zerbrichst, ich habe Eileen angerufen und ihr alles berichtet. Sie will morgen Nachmittag mal rein schauen und Jake begutachten.“ Damit steht sie auf, drückt mir einen Kuss auf die Wange, streicht Jake übers Köpfchen und geht hinaus.

„Schlaf gut Sam.“ Ian drückt mich ebenfalls an sich.

„Du auch Ian.“ Ich lächle schwach.

„Pass auf deine Mummy auf kleiner Mann, sie ist ganz schön geschafft.“ Sagt er zum schlafenden Jake und zieht dann die Tür hinter sich zu.

Ich nehme Jake aus seinem Bettchen, lege ihn neben mich und schlafe fast augenblicklich mit ihm im Arm ein. Tatsächlich zeigt mein Sohn sich in seiner ersten Nacht auf der Welt von seiner besten Seite und gönnt mir ganze 6 Stunden Schlaf am Stück. Ich kann es immer noch nicht fassen, das er wirklich da ist… bei mir. Er ist so wunderschön, ich könnte ihn den ganzen Tag einfach nur anschauen. Das tue ich auch fast den ganzen nächsten Tag, bis Eileen wie versprochen am frühen Nachmittag vorbei kommt.

„Hallo frisch gebackene Mummy.“ Sie betritt mit einem riesigen Blumenstrauß mein Zimmer „Herzlichen Glückwunsch zu deinem kleinen Jake.“ Sie geht zum Kinderbett und betrachtet ihn. „Wahnsinn Sam, der ist bildschön.“ Sie strahlt mich an und stellt die Blumen auf meinen Nachttisch, praktischer Weise hat sie gleich eine Vase organisiert.

„Danke, die sind wunderschön.“ Ich deute auf die Blumen und schenke ihr ein lächeln.

„Du hast uns allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ Sie setzt sich auf meine Bettkante.

„War nicht beabsichtigt.“ Ich lege meinen Kopf schief.

„Ich weiß Sam.“ Sie nimmt meine Hand „Und wie fühlst du dich als Mummy?“

„Es ist noch alles neu.“ Gebe ich zu.

„Er ist ja auch gerade mal einen Tag alt.“ Sie zwinkert mir zu.

„Ich habe mich auf den ersten Blick unsterblich in ihn verliebt.“ Ich sehe zu ihm rüber und er räkelt sich leicht.

„Darf ich?“ sie sieht zu Jake und dann zu mir.

„Aber sicher.“ Grinse ich.

„Er ist wirklich ein Prachtexemplar.“ Sie steht auf und hebt ihn vorsichtig aus seinem Bettchen.

„Ja und gleich wird er unleidlich, weil er hungrig ist.“ Ich setze mich vorsichtig auf und beginne sein Fläschchen zuzubereiten. Nachdem ich fertig bin, lehne ich mich zurück und Eileen legt ihn mir in den Arm. Nur Sekunden später nuckelt er zufrieden und ich betrachte ihn glücklich.

„Wie lange musst du denn noch hier bleiben?“ Eileen setzt sich wieder auf die Bettkante.

„Bei der Visite heute Morgen war die Rede von 10 bis 14 Tagen.“ Ich seufze leise.

„Lieber auf Nummer sicher gehen.“ Sie nickt mir aufmunternd zu.

Als Matt, Liv und Ava am Samstag kommen, ist Liv anfangs nicht sehr begeistert von ihrem kleinen Cousin, aber er tut ja auch in ihren Augen nichts Spannendes.

Ich darf mich zu mindestens in meinem Zimmer wieder frei bewegen und genieße die Ruhe um mich herum. Jake ist ein liebes Baby und das ist nicht nur meine Meinung, auch die Schwestern auf Station sind ganz angetan von ihm.

Aimee und Ian kommen jeden Tag vorbei und versorgen mich mit Obst, Zeitungen und was ich ihrer Meinung noch so brauche. Ich bin dankbar, mehr wie dankbar solche Freunde zu haben.

Jake hat gerade seine Flasche bekommen und liegt nach seinem Bäuerchen friedlich auf meinem Bauch. Kaum zu glauben, das er von knapp 14 Tagen noch da drin war…

„Wir schaffen das mein Kleiner.“ Flüstere ich ihm ins Ohr.

Morgen darf ich endlich nach Hause und ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue in meinem eigenen Bett zu schlafen.

Pünktlich 9 Uhr am nächsten Vormittag steht Aimee auf der Matte um mich und meine gefühlten 100 Taschen nach Hause zu fahren.

Dann hat mich endgültig mein neues Alltag im Griff und es spielt sich alles so gespenstisch schnell ein…

Wie gesagt ist Jake ein liebes Baby, er schreit kaum und wird nur leidig wenn er Hunger hat. Er nimmt gut zu und manchmal blickt er mich mit seinen blauen Augen an und mein Herz droht überzulaufen vor Glück.

Ich finde mich erstaunlicher Weise schnell in meiner neuen Rolle zu Recht, auch wenn der Herzschmerz wegen Taylor das nicht einfach macht. Jake sieht ihm unglaublich ähnlich und manches Mal entdecke ich sogar etwas von dem großen Jake in ihm.

Jedes Mal wenn ich meinen kleinen süßen Sohn ansehe, sehe ich Taylor… und das tut weh, mehr weh als ich zugeben will.

Der Sommer kommt mit großen Schritten und Ava, Matt und Liv sind sooft hier wie es nur geht, wir machen lange Spaziergänge am Strand, beobachten stundenlang Liv und Jake und tauschen uns aus, über das was gerade passiert und das was noch alles auf uns zukommt.

Es ist schön soviel Zeit für meinen keinen Schatz zu haben, aber ich bin auch froh, das ich Anfang Oktober wieder arbeiten darf.

Kathy, die empfohlene Tagesmutter stellt sich als absoluter Glücksgriff heraus. Wir beide mögen uns auf Anhieb und ich habe ein gutes Gefühl Jake in ihre Obhut zu geben.

Tja und dann ist es soweit, der 7. Oktober, mein erster Arbeitstag nach einem knappen halben Jahr…

„Guten Morgen Sam!“ begrüßt mich Kathy strahlend, als ich mit einer kalten Böe in ihrem Hausflur stehe.

„Guten Morgen Kathy.“ ich grinse sie an und stelle die Babyschale mit Jake ab.

„Na bereit für deinen ersten Arbeitstag?“ sie beginnt Jake aus seinem Schneeanzug zu befreien und ich atme tief durch.

„Auf der einen Seite bin ich mehr wie bereit, auf der anderen Seite…“ich seufze leise.

„Ihm wird es an nichts fehlen.“ Versichert sie mir.

„Das weiß ich Kathy.“ Ich nicke ihr zu.

„Okay, wir machen das jetzt kurz und schmerzlos…“ sie nimmt Jake aus der Schale und hält ihn mir hin „Sag bye Mummy.“

Ich nehme ihn auf den Arm, drücke ihn an mich und hauche ihm ein Ich liebe dich ins Ohr.

„Bis heute Nachmittag!“ sagt Kathy noch und dann sprinte ich zu meinem Auto.

Kaum das ich sitze beginnen die Tränen zu laufen.

Ich weiß, es ist albern, aber ich bin nun einmal das erste Mal von ihm getrennt. Natürlich haben wir Kathy schon vorher besucht, aber da war ich ja immer mit dabei.

Nach ein paar Minuten straffe ich meine Schultern und fahre ins Büro.

„Endlich!“ empfängt Eileen mich theatralisch kaum das ich durch die Tür bin.

„Ja, ich bin ja da.“ Ich nehme sie lächelnd in den Arm.

„Es ist schön dich wieder zu haben.“ Sie drückt mich fest an sich.

„Ich bin auch froh mal wieder ab und zu raus zu kommen.“ Gebe ich zu und nachdem mich Eileen los gelassen hat, gehe ich in mein Büro, wo mich ein großer Blumenstrauß empfängt.

„Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Ich drehe mich zu Eileen um.

„Doch Sam.“ Sie nickt mir zu.

„Danke.“ Ich strahle sie an.

„Wie ging es heute morgen mit Jake?“ will sie wissen nachdem ich meine Jacke aufgehängt habe und mit ihr auf dem Weg in die Kaffeeküche bin.

„Keine Probleme. Jake und ich waren ja in der letzten Woche immer mal eine Stunde bei Kathy, er mag sie und sie verwöhnt ihn.“ Ich zwinkere ihr zu „Ich weiß, er ist in den besten Händen, deswegen kann ich mich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren.“

„Und wie ging es dir heute Morgen?“ Eileen zieht eine Augenbraue hoch, als wir mit zwei Kaffee zurück ins Büro kommen.

„Ich für meinen Teil, habe ihn abgeliefert, habe ihm einen Kuss gegeben, bin raus in mein Auto und habe erst einmal 10 Minuten lang geweint.“ Gebe ich zu und Eileen kommt zu mir um mich in den Arm zu nehmen.

„Das Gefühl kenne ich… los lassen.“ Sie seufzt tief „Es wird nicht einfacher, das kann ich dir versprechen.“

„Na danke auch.“ Ich atme tief durch und sehe auf den Stapel Papiere auf meinem Schreibtisch. „Da kommt ja einiges auf mich zu.“

„Tut mir leid, deine Vertretung konnte nicht im Entferntesten mit dir mithalten.“ Sie seufzt leise.

„Ich bin ja wieder da und das hier bekomme ich in Null Komma Nichts hin.“ ich logge mich in meinen Computer und Eileen lässt mich mit dem Chaos alleine.

Tatsächlich brauche ich den ganzen Tag um dem Chaos Herr zu werden, aber am Ende meines ersten Tages habe ich wieder System in allem und werde wohl am Ende meiner ersten Woche damit fertig sein, alles aufzuarbeiten.

Eileen deckt mich in den nächsten Tagen mit immer mehr Arbeit zu und ich fühle mich als ob ich nie weg war.

Mein erstes Wochenende steht voll im Zeichen von Jake, wir besuchen am Samstag das Schwimmbad und am Sonntag gehen wir in den Zoo. Jake genießt es in vollen Zügen und auch ich sauge jede Minute auf wie ein Schwamm.

Es stellt sich eine neue Routine ein und am nächsten Samstag kommt Ava mit Liv vorbei, wir haben uns ja immerhin schon fast einen Monat nicht gesehen.

„Wow, es ist kaum zu glauben das Liv auch mal so war.“ Ava grinst mich an, als wir uns auf die Couch fallen lassen.

„Komm schon, Liv ist gerade mal 5 Monate älter.“ lache ich.

„Aber es passiert so wahnsinnig viel in kurzer Zeit, sie läuft schon fast alleine und lernt jeden verdammten Tag was Neues.“ sie stöhnt leise.

„Die Zeit rennt, ich kann es nicht glauben das Jake schon fast ein halbes Jahr ist. Wo ist die Zeit nur hin?“ ich sehe zu ihm, er liegt neben Liv auf der Krabbeldecke, aber während Liv sich umdreht und weg krabbelt, schaut er ihr hinterher und versucht sich umzudrehen.

„Sammy?!...“ Ava zwingt mich, mich wieder auf sie zu konzentriere „Carl wird nächstes Wochenende 70 und mir gehen langsam die Ausreden aus. Du warst schon so lange nicht in Sandycove.“ Ava sieht mich bittend an.

„Ich kann nicht.“ flüstere ich und sehe zu Jake, der gerade erneut versucht sich auf den Bauch zu drehen.

Er ist ihm so ähnlich, in seinen Gesten und seinem Blick...

„Ich bitte dich Sammy, du bist hier nicht glücklich.“ sie zwingt mich sie anzusehen.

„Und? Jake ist glücklich hier.“ ich deute auf ihn und er schenkt mir ein strahlendes Lächeln.

„Er ist nur da glücklich, wo seine Mummy auch glücklich ist.“ lässt sie nicht locker.

„Ava, wie stellst du dir das vor? Ich kann nicht zurück nach Sandycove.“ ich schüttele resigniert meinen Kopf.

„Dann mache wenigstens Carl die Freude und komme zu seinem Geburtstag, du weißt, es würde die Welt für ihn bedeuten.“ sie seufzt leise.

„Ist er noch mit ihr zusammen?“ frage ich leise nach einer kurzen Pause.

„Taylor mit Jen?“ hakt sie nach und ich schließe gequält meine Augen.

Alleine mir ihn mit einer anderen vorzustellen bricht mir das Herz.

„Ja soweit ich weiß, sind sie noch zusammen.“ sagt sie schließlich. „Sag es Taylor endlich. Sag ihm, dass ihr einen gemeinsamen Sohn habt und bitte, sag es Carl und Annie. Du weißt, es würde die Welt für sie bedeuten.“ Sie zieht mich in ihre Arme. „Sie trauern natürlich immer noch um Jakie, aber sie sind gefestigt und ein Enkel wäre die Erfüllung für sie. Ich weiß, ich verlange viel von dir, aber wenn du es ihm nicht sagst, dann wirst du das den Rest deines Lebens bereuen. Du fehlst mir, du fehlst mir so unendlich.“

„Ich weiß nicht, ob ich sehen kann, wie er glücklich ist.“ Gebe ich zu.

„Was fühlst du für ihn?“ fragt sie und legt ihren Kopf schief.

„Was denkst du denn? Ich sehe jeden Morgen als erstes in seine Augen. Gott, Jake ist ein Abbild von ihm.“ Ich schlucke schwer.

„Also?!“ sie seufzt leise.

„Was willst du hören Ava? Ja, ich liebe ihn.“ Flüstere ich und sie drückt mich an sich. „Ich liebe ihn so sehr.“

Ja, es stimmt.

Ich liebe ihn.

Ich liebe ihn immer noch.

Ich liebe ihn mit jedem Tag, an dem Jake ihm ähnlicher wird, mehr.

„Es tut mir so leid.“ Haucht sie mir ins Ohr. „Bitte Sammy, hör' endlich auf weg zu laufen.“ bittet sie mich inständig „Liv braucht ihre Tante und ihren Cousin um sich und ich brauche dich, ich brauche dich mehr wie du dir vorstellen kannst.“ sie sieht mich mit Tränen in den Augen an „Ich möchte Jakie aufwachsen sehen, ich möchte, das du Liv aufwachsen siehst. Wir sind alles, was wir noch haben und ich bin nicht bereit dich aufzugeben.“

„Ich kann nicht Ava, ich würde so gerne, aber ich kann nicht. Es bricht mir das Herz.“ jetzt weine auch ich.

„Ich bitte dich inständig, sage es ihm wenigstens. Mach reinen Tisch.“ sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Du weißt, Dad hätte das über kurz oder lang auch von dir verlangt. Es ist nicht gut solche Geheimnisse mit sich herum zu tragen. Wo hat es dich hin gebracht? Wie lange willst du noch weg laufen?“

Sie hat ja Recht, aber kann ich wirklich sehen, wie er glücklich ist?

Kann ich zusehen, wie er mit einer anderen Frau glücklich ist?

Am Abend liege ich in meinem Bett und betrachte Jake, ich kann gar nicht genug davon bekommen ihn einfach nur anzusehen und ihn leise atmen zu hören.

Er ist so wunderbar, so einzigartig...

Am nächsten Morgen habe ich einen Entschluss getroffen und nachdem ich Jake für Kathy und mich fürs Büro fertig gemacht habe, fahre ich noch schnell zu Aimee und Ian.

„Nanu? Du schon wieder?! Was verschafft mir die Ehre eines so frühen Besuches?“ grinst sie.

„Hey, wir haben uns schon 4 Tage nicht gesehen.“ Lache ich.

„Hey Jake!“ übergeht sie meinen Einwand und begrüßt meinen kleinen Sonnenschein lächelnd.

Dieser strahlt sie an und zappelt, also gebe ich ihn Aimee auf den Arm.

Ich streiche über ihren Babybauch und grinse, als sich der oder die Kleine mit einem Tritt bemerkbar macht. Sie und Ian wollen sich überraschen lassen… Für mich wäre das ja nichts, aber die Beiden halten an ihrem Vorsatz fest.

„Ich fahre nächstes Wochenende nach Sandycove.“ komme ich gleich ohne Umschweife zum Punkt während wir durch die Küche gehen.

„Ehrlich?“ sie sieht mich mit großen Augen an, winkt mich ins Wohnzimmer und setzt sich mit Jake auf die Couch.

„Ja.“ ich atme tief durch.

„Wirst du Jake mitnehmen?“ sie sieht zu ihm und wieder zu mir.

„Ja, Ava hat mir klar gemacht, das ich es ihm sagen muss... Taylor.“ füge ich hinzu und Aimee verdreht die Augen.

„Natürlich, wem sonst?“ sie stupst mich leicht an.

„Ich habe Angst, ich habe wirklich Angst.“ ich versuche ruhig zu atmen.

„Wovor denn? Sammy, er ist schon so lange trocken, er hat sein Leben im Griff und er wird sich seiner Verantwortung stellen.“ sagt sie sicher.

„Aber kann ich damit umgehen? Kann ich wirklich damit umgehen, das Jake dann ab und zu ein Wochenende bei ihm und seiner Freundin verbringt? Kann ich das?“ ich sehe sie zweifelnd an.

„Ob du es kannst, das weiß ich nicht.“ gibt sie zu „Aber ich denke Ava hat dir klar gemacht, das du das über kurz oder lang musst.“

„Ja.“ sage ich leise, seufze tief und sehe zur Uhr. „Ich muss leider schon wieder los, Jake muss zu Kathy und ich ins Büro.“

Sie bringt uns zur Tür und gibt mir Jake wieder auf den Arm.

„Kommt ihr heute Abend zum Essen? Ian macht Lachs.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch und ich lache leise. Sie kennt mich zu gut, für Ians Lachs würde ich töten.

„Du hattest mich bei Lachs.“ Ich strecke ihr meine Zunge raus und sie lacht auf.

„18 Uhr. Bis später! Bye bye Jake!“ sie winkt uns hinterher und ich schnalle Jake so schnell wie möglich an, wir haben Mitte November und Gott ist das kalt.

Als ich Jake bei Kathy abgesetzt habe, hole ich noch schnell frische Brötchen und komme grade noch rechtzeitig ins Büro.

„Guten Morgen.“ begrüße ich Eileen und lege die Brötchen in die Kaffeeküche.

„Guten Morgen.“ erwidert sie fröhlich.

„Wollen wir heute in der Mittagspause zum Italiener?“ ich erwidere ihr lächeln, wenn auch eher halbherzig.

„Aber sicher, das haben wir schon viel zu lange nicht gemacht.“ freut sie sich und ich gehe in mein Büro und beginne mit den Abrechnungen des laufenden Monats. Ich bin schon gut voran gekommen als Eileen in der Tür steht und meinen Mantel hoch hält.

Lachend stehe ich auf und ziehe ihn mir über.

„Wie die Zeit rennt, wenn man Spaß hat.“ Grinse ich.

„Also wenn das dein Verständnis von Spaß ist, dann müssen wir dringend an deinem Privatleben arbeiten.“ Sie hakt sich bei mir unter und wir gehen zum Italiener um die Ecke.

Beim Essen unterhalten wir uns erst einmal über belanglose Themen, aber sie mustert mich auffällig oft und merkt das ich in meinen Spaghetti eher herum stochere als das ich sie esse.

„Spuck es aus.“ sagt sie schließlich und ich sehe ertappt von meinem Teller auf.

„Ich fahre am Wochenende nach Sandycove.“ ich sehe sie unsicher an.

„Hat dich Ava überredet? Und wie geht es dir damit?“ sie greift nach meiner Hand.

„Ja, du kennst sie doch.“ ich verdrehe meine Augen „Ich weiß nicht, wie es mir gehen soll. Ich habe Angst, unglaubliche Angst.... Ava besteht darauf, das ich es ihm sage.“

„Davon gehe ich aus.“ erwidert sie eher lapidar. „Wovor genau hast du Angst?“

„Ich weiß, das es mich zerreißen wird ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Ich habe Angst, dass ich Jake an ihn verlieren könnte, das plötzlich eine andere Frau eine wichtige Rolle im Leben meines Sohnes spielt.... Alles eben.“ gebe ich zu.

„Jetzt hörst du mir mal ganz genau zu...“ sie drückt erneut meine Hand „Du bist stärker als du denkst und ja, es wird dir weh tun, ich will da nichts schön reden...“ gibt sie zu „Aber eins ist sicher, du wirst Jake niemals an irgendjemanden verlieren. Der kleine Kerl vergöttert dich.“ sie zwinkert mir zu „Kann ich ihm nicht mal verübeln.“

„Danke Eileen.“ sage ich leise.

„Du, Samira Porter, überstehst alles, das versichere ich dir. Du wirst immer Menschen um dich herum haben, die dich beschützen und unterstützen. Immer.“ sie prostet mir mit ihrem Wasser zu.

„Danke.“ hauche ich und erhebe mein Glas ebenfalls.

„Ruf mich zu jedes Tages- und Nachtzeit an, ich werde da sein und zuhören.“ Sie schenkt mir einen langen Blick.

„Ich weiß es wirklich zu schätzen.“ Ich nicke ihr unendlich dankbar zu.

Nachdem ich Jake abgeholt habe, fahren wir erst einmal noch nach Hause und genießen eine Stunde zu Zweit ehe wir dann bei Aimee und Ian vor der Tür stehen.

„Lachs schon fertig?“ grinse ich und nehme Ian in den Arm.

„So gut wie.“ Er drückt mich an sich und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. „Hey mein Großer!“ er nimmt mir Jake ab und ich ziehe meinen Mantel aus während er Jake von seinem Schneeanzug befreit. In der Küche sitzt Aimee und hat einen Stapel Papiere vor sich.

„Na, was machst du denn da?“ Ich sehe aber ihre Schulter hinweg und erkenne, ohne wirkliches Erstaunen, eine Liste.

„Eine Liste?“ necke ich sie auch sogleich und sie schenkt mir einen langen Blick.

„Ich dachte wir haben alles zusammen für unser Gummibärchen…“ sie seufzt leise.

„Was fehlt euch denn noch?“ ich setze mich zu ihr, während Ian sich um Jake kümmert.

„Ich habe jetzt bestimmt schon 30 Testberichte wegen einem Babyphon gelesen…“ sie deutet auf einen weiteren Stapel Papiere.

„Kaufe das von Ikea, glaub mir, ich habe schon mehrere durch, im Haus ist das wunderbar und unterwegs habe ich mir eine App runtergeladen und benutze mein Handy, ich habe mir ein billiges zweites Handy gekauft und damit läuft es einwandfrei. Kein Stress Aimee, du sollst dich auf dein Gummibärchen freuen und dir nicht ständig den Kopf zerbrechen.“ Ich nehme sie in den Arm.

„Wie heißt die App?“ sie grinst mich an.

„Baby Monitor All-in-one.“ Ich nehme ihr den Stift ab und schreibe es auf. „Sonst noch was?“

Sie studiert ihre Liste. „Babybadewanne.“

„Ihr könnt meine haben, Jake ist jetzt schon zu groß und geht lieber in die große Badewanne.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Danke Sammy.“ Sie drückt mich an sich. „Jetzt zu dir.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Ian? Ist das Essen fertig?“ rufe ich in die Küche.

„Ja, gerade fertig, holst du Jake?“ erwidert er und ich gehe in die Küche und nehme ihm Jake ab und setze ihn in den Wipper, den Ian und Aimee schon für ihr Baby gekauft haben. Dann hole ich meine Wickeltasche und mache Jake eine Flasche. Als ich fertig bin, steht der Lachs auf dem Tisch und Jake beobachtet alles neugierig von seinem Platz auf einem Stuhl am Esstisch. Ich prüfe die Temperatur der Flasche und gebe sie ihm in die Hand, er kann schon gut alleine trinken und ich lächle ihn an, ehe ich ihm über den Kopf streiche und mich dann zu Aimee und Ian setze.

„Schieß los.“ Sagt Ian nachdem wir uns erst einmal schweigend unserem Essen gewidmet haben.

„Der Lachs ist ausgezeichnet.“ Lobe ich ihn und er verdreht die Augen.

„Danke für das Lob, aber du weißt genau, das ist nicht das was ich meine.“ Er sieht mich durchdringend an.

„Ich gehe davon aus, das Aimee dir schon erzählt hat, das ich am Wochenende nach Sandycove fahre, oder?“ ich lege meine Serviette auf den Teller und Ian nickt leicht.

„Warum auf einmal?“ fragt er schließlich.

„Ava war gestern bei mir …“ ich seufze leise „Sie hat mir klar gemacht, das ich es nicht ewig vor mir her schieben kann. Ich will sie Liv und Matt öfter besuchen und ich will nicht warten, bis Jake irgendwann anfängt nach seinem Dad zu fragen.“

„Klingt plausibel.“ Gibt er zu.

„Es macht mich wahnsinnig, auch nur daran zu denken…“ erwidere ich und sehe auf, direkt in seine grasgrünen Augen und er greift über dem Tisch nach meiner Hand.

„Kann ich nachvollziehen.“ Er drückt sie kurz „Aber Ava hat Recht, so ungern ich es auch sage, mach reinen Tisch.“

„Wir stehen hinter dir, egal was dabei raus kommt.“ Versichert mir Aimee und ich sehe sie dankbar an.

„Ihr seid die Besten.“ ich sehe beide dankbar an. „Ich werde mich jetzt auf den Weg nach Hause machen.“ Ich sehe zu Jake dem langsam aber sicher die Augen zufallen.

„Ruf an, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit.“ Versichert mir Aimee, als ich Jake dick einpacke und in meinen Mantel schlüpfe.

„Danke.“ Ich drücke sie an mich „Das Angebot habe ich heute schon einmal bekommen.“

„Eileen.“ sie grinst breit.

„Ja.“ Ich drücke ihr einen letzten Kuss auf die Wange und eile zu meinem Auto.

Den Rest der Woche versuche ich nicht daran zu denken was mich am Wochenende erwarten wird... das gelingt mir phasenweise ganz gut, phasenweise überhaupt nicht.

Als Eileen unser Mittagessen am Freitag absagen muss, entscheide ich mich spontan für einen Friseurbesuch und betrete den kleinen Salon am Ende unsere Straße.

„Was kann ich für dich tun?“ empfängt mich eine junge Frau, etwa in meinem Alter.

„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu und sie lacht leise.

„Setz dich erst einmal, wir finden schon was.“ Sie zwinkert mir zu und platziert mich auf einem der Friseurstühle.

Sie entfernt mein Haargummi und meine Haare fallen mir wellig bis knapp unter die Schulterblätter.

„Farbe?“ sie sieht mich an und ich betrachte meine dunkelbraunen mit einzelnen hellbraunen durchsetzten Haare und schüttele schließlich den Kopf.

„Würde ich auch nicht machen.“ Gibt sie zu „Schneiden? Spitzen?“ sie legt ihren Kopf schief.

„Was würdest du tun?“ antworte ich mit einen Gegenfrage.

Sie deutet auf ihre Haare, sie trägt einen schulterlangen Bob mit langen Pony… ich denke einen Moment nach und nicke dann. „Auf geht’s.“

Sie lacht kurz und herzlich und macht sich dann ans Werk. Eine knappe Stunde später bin ich wirklich zufrieden, Tina und ich sind beim du und gebe ihr etwas mehr Trinkgeld als üblich, was sie mit einem strahlenden lächeln quittiert.

„Viel Glück!“ ruft sie mir noch hinterher und ich winke ihr zu.

Eileen staunt nicht schlecht als ich aus meiner Mittagspause statt mit vollem Magen mit einer neuen Frisur auftauche.

„Dich kann man auch nicht einmal alleine Essen gehen lassen.“ Sie schüttelt lachend den Kopf.

Ich drehe mich im Kreis und sie lacht auf „Sieht super aus.“

Ich schicke ihr einen Handkuss und setze mich an meinen Schreibtisch um den Rest des Freitages herum zu bekommen.

Ehe ich mich versehe sitze ich Samstagmorgen mit Jake im Auto und Ava steht schon auf der Veranda, als wir nach knappen zwei Stunden, die Auffahrt hoch kommen. Ich bin extra langsam gefahren, okay ich habe mich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten, aber das kommt aufs Gleiche heraus.

Kaum ausgestiegen nimmt Ava mich fest in den Arm.

„Ich danke dir.“ flüstert sie mir ins Ohr.

„Hmmm.“ murmele ich und hole erst einmal Jake aus dem Auto. Er schläft friedlich, also lasse ich ihn in seinem Kindersitz und trage ihn hinein.

Noch weiß ich nicht wie dieser Tag endet und ich male mir die schlimmsten Szenarien aus… Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

An der Tür werden wir von Liv und Matt begrüßt. Liv hält sich an Matts Händen fest und strahlt als ich Jake an Ava abgebe und sie hoch nehme.

„Hey meine kleine Prinzessin!“ ich drücke sie an mich und sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln.

Ich drücke auch Matt an mich und wir gehen schnell hinein, es ist wirklich furchtbar kalt und ich reibe meine Hände aneinander, als ich Liv in ihrer Spielecke absetze und zu Matt und Ava gehe.

Ava hat Jake hoch ins Gästezimmer gebracht und deutet mit einem Kopfnicken auf das Babyphon.

„Hi.“ Matt drückt mir einen Kuss auf die Wange und nimmt mich fest in den Arm.

„Schicke Frisur.“ Ava streicht mir meinen langen Pony hinters Ohr.

„Ich brauchte Abwechslung.“ gebe ich zu.

„Du siehst toll aus.“ Matt drückt mich erneut fest an sich „Egal was passiert, wir sind bei dir!“

„Ich habe Angst, echt Angst.“ Gebe ich zu. „Ich habe sie angelogen, das komplette letzte Jahr habe ich gelogen.“ Ich schließe verzweifelt meine Augen.

„Sie werden dir verzeihen…“ Matt zwingt mich ihn anzusehen, indem er seine Hand unter mein Kinn legt und meinen Kopf so anhebt „… Du hattest gute Gründe und sie werden es verstehen.“

„Gerade das bezweifele ich.“ Ich schlucke schwer.

„Annie und Carl lieben dich und sie werden einfach nur froh sein dich wieder öfter zu Gesicht zu bekommen und Taylor…“ er streicht mit seinem Daumen über meine Wange.

„Bitte fang jetzt nicht von ihm an.“ Flehe ich ihn an und Tränen steigen in meine Augen „Es wird schlimm genug ihn heute zu sehen, zusammen mit ihr, und ihm zu sagen, das wir einen gemeinsamen Sohn haben.“

„Mama.“ Ruft uns Liv und wir gehen alle zusammen ins Wohnzimmer und spielen mit ihr. Sie lenkt mich als Jake mit seinem Mittagsschlaf fertig ist, da genieße ich die Zeit mit allen ohne an den Abend zu denken. Liv und Jake sind toll mit einander, sie glucksen und lachen die ganze Zeit.

Um 16:30 Uhr kommt Kim, der Babysitter, und ich gehe mich umziehen, während Ava mit ihr Jake und Liv bespaßt. Ich war extra noch einkaufen, denn ich hatte in meinem Schrank absolut nichts, was für einen solchen Anlass angebracht wäre.

Aber mal ehrlich, was zieht man zu einer “Beichte“ an?

Ich streiche nervös mein knielanges dunkelblaues Kleid glatt und betrachte mich skeptisch im Spiegel. Das Kleid ist tailliert und der Rock ist leicht ausgestellt, was ihm eine gewisse Leichtigkeit gibt. Das Kleid hat keine Träger und das Oberteil schmiegt sich durch die Korsage fest an meinen Oberkörper. Ich wirke nicht mehr so zierlich wie früher einmal, mein Körper hat sich nach Jakes Geburt verändert. Aber ich finde zu meinem Vorteil, ich wirke jetzt irgendwie fraulicher und reifer. Ich sehe hinab auf meine weißen Pumps und drehe mich zur Seite, ich streiche bestimmt schon zum 10. Mal meinen Pony aus dem Gesicht und atme tief durch.

„Du siehst wunderschön aus.“ Matt lächelt mich an, nimmt meine Hand und haucht mir einen Kuss auf die Fingerknöchel. Er trägt eine einfache schwarze Anzughose und ein hellblaues Hemd, nichts wirklich besonderes, aber er sieht gut darin aus.

Richtig gut...

„Ich habe Angst.“ gebe ich zu und er nimmt mich in den Arm.

Wie oft schon habe ich in der letzten Woche gesagt, dass ich Angst habe?

Tausend Mal?

Ich weiß es nicht, aber diese lähmende Angst schnürt mir beinahe die Luft ab.

„Angst zu haben ist nicht immer was Schlimmes.“ philosophiert er und ich verdrehe die Augen.

„Nein ernsthaft Matt, ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst. Was, wenn er sauer ist? Was, wenn er mir gar nicht glaubt?“ ich versuche gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen und gleichmäßig zu atmen.

„Also wenn er dir nicht glaubt, dann sollte er sich Jake mal ansehen, er ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.“ er zieht mich mit sich. Wir gehen runter ins Wohnzimmer und er deutet mit einem Kopfnicken auf Jake, der konzentriert mit Liv spielt. Na ja, Liv baut Türme und schmeißt sie um und er quietscht vergnügt.

„Ich wäre froh, wenn ich das schon alles überstanden hätte.“ gebe ich zu.

„Startklar?“ Ava kommt wie ein Wirbelwind die Treppe runter. Sie sieht in ihrem hellgrünen Sommerkleid und den weißen Riemchensandalen wunderschön aus. Sie hat ihre Haare locker hoch gesteckt und sich nur, ebenso wie ich, dezent geschminkt.

Sie weiß schon das wir beinahe arktische Temperaturen draußen haben, oder?

Als sie mal wieder sieht, wie ich mir meinen Pony hinter das Ohr streiche reicht sie mir eine Haarklammer. „Wie bereit bist du deiner Angst ins Gesicht zu blicken?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„So bereit wie man sein kann.“ murmele ich.

„Kommt ihr Bye sagen?“ ruft sie ins Wohnzimmer.

Liv kommt zu uns gekrabbelt und lässt sich von uns allen drücken, als Kim mit Jake auf dem Arm zu uns kommt.

„Ava hat mir alles erklärt.“ Kim sieht zu mir, ich bin so nervös das ich noch gar nicht richtig mit ihr gesprochen habe „Um 18:00 Uhr seine Flasche und dann lege ich ihn hin, will er absolut nicht schlafen, dann darf er etwas länger aufbleiben.“ Sie grinst mich an.

„Ich danke dir Kim.“ Ich nehme ihr kurz Jake ab und umarme ihn fest.

„Bye mein Schatz.“ Ich küsse seine Stirn und gebe ihn wieder zu Kim auf den Arm. Sie geht mit den beiden wieder ins Wohnzimmer, wir ziehen uns unsere Winterjacken an, nehmen unsere Handtaschen und Geschenke und gehen zu unseren Autos.

Ich habe darauf bestanden mit zwei Autos zu fahren, ich weiß nicht, wie dieser Tag endet und ich will eine Fluchtmöglichkeit haben, sollten sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten.

Ich werfe einen Blick zurück auf das Haus.

„Keine Angst, bei Kim sind sie in den besten Händen, sie ist verantwortungsbewussteste 16jährige die mir jemals untergekommen ist.“ beruhigt mich Ava und ich nicke, ehe ich in mein Auto einsteige und den Beiden folge.

Ich fahre kurz nach ihnen auf den Parkplatz des Captains Inn.

Das ist die alte Bar unseres Dads, aber mittlerweile ist ein gemütliches Restaurant mit umlaufender Veranda und Festlokalen.

Es sieht gut aus, das muss ich zugeben...

Ich sitze wie versteinert im Auto und versuche mir selbst gut zuzureden.

„Komm.“ Ava öffnet die Fahrertür und hält mir ihre Hand hin.

„Ava…“ setze ich an.

„Kneifen gilt nicht.“ Sie ergreift meine Hand „Ich bin da.“ Sagt sie aufmunternd und schließlich schnalle ich mich ab und steige aus. Ich nehme mein Geschenk vom Rücksitz und atme tief durch.

Ich streiche meine Haare hinter die Ohren als wir hinein treten und einen Moment fühle ich mich in der Zeit zurück versetzt. Sicher, sie haben alles neu gestrichen und vertäfelt, aber die Bar ist noch immer die gleiche. Nervös sehe ich mich um und einige grüßen mich mit einem Kopfnicken. Ich gebe meinen Mantel ab und folge Ava und Matt.

Immer noch weiß ich nicht, ob meine Entscheidung richtig ist.

Dann entdecke ich ihn auf der anderen Seite des Raumes und sofort schlägt mir mein Herz bis zum Hals und ich meine, es müsse aus meiner Brust springen. Ich versuche tief durch zu atmen und lege meine linke Hand flach auf meinen Bauch.

Mein Blick trifft seinen und mein Herz setzt einen Schlag aus.

Er seiht gut aus, er trägt eine dunkle Jeans, ein weißes Hemd und ein schwarzes Sakko. Seine Haare sind etwas länger und er hat sie locker hoch gegelt. Seine saphirblauen Augen weiten sich einen Moment vor Erstaunen und mein Blick wandert zu der Frau an seiner Seite.

Seine Freundin…

Sie ist hübsch…

Blonde lange Locken, eine engelsgleiche Figur und ein perfektes lächeln.

Er wirkt glücklich und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

Warum konnte er mit mir nicht glücklich sein?

„Alles Okay?“ fragt Ava besorgt und ihr Blick folgt dem meinen.

Ich nicke fahrig „Geht schon.“

Ich sehe mich weiter um und entdecke Carl.

Ich deute auf ihn und wir kämpfen uns den Weg zu ihm und Annie durch.

„Happy Birthday.“ sage ich leise und reiche ihm mein Geschenk.

„Sammy! Gott ist das schön dich zu sehen!“ er nimmt mich fest in seinen Arm. „Also du bist definitiv mein schönstes Geschenk.“

„Ich freue mich auch, euch zu sehen.“ gebe ich zu und auch Annie umarmt mich mit Tränen in den Augen und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Oh Sammy ist das schön dich zu sehen.“ Sie streicht mir meinen Pony, der sich schon wieder selbstständig gemacht hat, aus der Stirn.

Dann begrüßen sie auch Matt und Ava.

„Wo habt ihr denn Liv gelassen?“ Annie sieht Ava fragend an.

„Sie ist bei einem Babysitter.“ sie zwinkert ihr zu „Bei Kim, also wird es ihr an nichts fehlen.“

Meine Hände fühlen sich schwitzig an und ich wische sie mal wieder an meinem Kleid ab, Carl wirft mir einen langen Blick zu und ich versuche zu lächeln.

Ich versuche es wirklich, aber mein ganzes Gesicht fühlt sich angespannt an.

„Bleibst du länger?“ fragt Carl nun und ich sehe hilfesuchend zu Ava und Matt.

„Auf jeden Fall bis morgen Abend.“ erkläre ich ihm ausweichend und er streicht mir über die Wange.

„Wir vermissen dich Sammy.“ sein Blick wird weich und ich lege meine Hand auf seine.

„Ich vermisse euch auch.“ gebe ich zu.

„Bevor du wieder zurück fährst musst du unbedingt bei uns vorbei kommen.“ bittet er mich inständig und ich nicke leicht. Ich will nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halten kann.

Ich spüre ihn hinter mir, noch bevor ich ihn sehe. Er geht an mir vorbei, stellt sich mit ihr neben seinen Dad und sieht mich prüfend an. Ich weiche seinem Blick aus und atme tief durch.

„Es ist schön dich zu sehen Samira.“ Er mustert mich unsicher.

„Danke...“ ich merke wie meine Stimme zittert „Es ist auch schön dich zu sehen.“ ich reiche ihm die Hand und als er sie ergreift, da ist es als ob ein Stromschlag durch meinen Körper jagt, schnell lasse ich seine Hand wieder los und reiche sie seiner Freundin. „Ich bin Samira, eine alte Freundin von Taylor.“ stelle ich mich vor und sie strahlt mich an.

„Ich bin Jen, ich habe schon viel von dir gehört.“

„Ich hoffe doch nur Gutes.“ ich versuche meine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen.

„Aber sicher.“ sie strahlt mich weiterhin an.

„Meine Güte, wir haben dich eine gefühlte Ewigkeit nicht gesehen.“ Annie lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich, zweifelsohne weil sie weiß, das mir diese Situation hier ganz und gar nicht behagt. Sie nimmt meine Hand fest in ihre und drückt diese kurz. „Du siehst wunderschön aus Sammy.“

„Es tut mir leid, ich hatte in Galway viel um die Ohren.“ entschuldige ich mich reumütig.

„Du musst wieder öfter nach Hause kommen.“ bittet Carl mich.

„Mein Zuhause ist Galway.“ ich versuche zu lächeln, aber mein Gesicht ist immer noch total angespannt.

„Okay...“ Carl streicht erneut über meine Wange und ich sehe ihn bittend an. „Wir haben so viele Fragen.“ sagt er und schenkt mir einen liebevollen Blick.

„Die beantworte ich euch gerne später in aller Ruhe.“ Ich versuche ihn entschuldigend anzulächeln.

„Aber sicher.“ Er streicht mir eine Strähne meines Ponys aus dem Gesicht.

„Würdet ihr mich entschuldigen, ich müsste kurz mit Taylor allein sprechen.“ ich sehe ihn kurz an „Hast du einen Moment Zeit für mich?“ ich knete nervös meine Hände.

„Aber sicher.“ er wendet sich Jen zu „Ich bin gleich wieder da.“ Er drückt ihr einen Kuss auf die Wange und mein Magen dreht sich um.

Es schmerzt so sehr, das ich beinahe körperliche Schmerzen habe.

Schweigend arbeiten wir uns durch die anderen Gäste und ich fange Avas Blick auf.

Warum zur Hölle habe ich mich von ihr überreden lassen?

Das ist doch bescheuert.

Er ist glücklich, er hat eine neue Frau an seiner Seite, da kann ich ihm doch jetzt nicht erzählen, dass wir einen gemeinsamen Sohn haben...

Ich hole mir vorsichtshalber meinen Mantel und schlinge ihn um mich als wir hinaus in die Kälte treten. Ich stütze meine Hände auf dem hölzernen Geländer ab und sehe über die Felder und das Meer. Die Tür fällt hinter uns ins Schloss und plötzlich ist es unheimlich still um uns herum.

„Was ist los Samira? Du wirkst so angespannt, so unsicher und irgendwie, als ob du gar nicht hier bist.“ Er tritt neben mich und ich sehe ihn an.

Ich sehe ihm das erste Mal seit langer Zeit in die Augen und schlucke schwer.

Das ist mein Taylor, der Taylor den ich für immer verloren geglaubt hatte.

Und Gott, Jake hat seine Augen.

Himmelblau.

Und er hat seine dichten Wimpern, selbst in diesem unsicheren Blick erkenne ich meinen kleinen Schatz. Er hat so viel von seinem Daddy und dieser weiß nicht einmal, dass er existiert.

„Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll…“ ich schließe gequält meine Augen.

Wie kann mir Ava das antun?

Im Grunde genommen weiß ich, das nicht Ava mir das antut, ich bin für meine Taten selbst verantwortlich, ich habe mich hier rein manövriert, ich muss jetzt hier durch.

Irgendwie...

„Komm schon Sammy…“ er berührt mich leicht am Arm und ich zucke zusammen, verwundert sieht er mich an. „Wir haben uns so lange nicht gesehen und du kannst nicht einmal meine Nähe ertragen?“

„Es ist viel passiert.“ Sage ich leise und schlinge die Arme um mich. „Du und Jen ihr seid ein schönes Paar. Wie lange seid ihr jetzt zusammen?“

„Seit einem knappen halben Jahr.“ Er neigt seinen Kopf zur Seite und gibt mir zu verstehen, dass er nicht versteht worauf ich hinaus will. „Du willst mit mir über Jen reden?“

Nein, natürlich nicht...“ ich presse meinen Lippen zusammen und versuche die richtigen Worte zu finden.

Dann breitet sich ein bleiernes Schweigen aus, mein Herz hämmert in meiner Brust und meine Atmung geht flach und schnell.

Wie soll ich es ihm bloß sagen?

„Es ist übrigens sehr schön, dass du zu Dads Geburtstag kommst. Sie freuen sich so sehr dich mal wieder zu sehen. Ansonsten kommst du ja nicht.“ unterbricht er die Stille.

„Ich hatte gute Gründe zu gehen.“ sage ich leise, eher zu mir wie zu ihm.

„Ich weiß, ich war der Grund.“ er kaut nervös auf seiner Unterlippe.

Nein Taylor, nicht nur du warst der Grund.“ beginne ich leise.

„Was meinst du?“ hakt er verwirrt nach.

Ich kann ihn verstehen, ich bin selbst total verwirrt, alleine seine Anwesenheit macht mich nervös und unsicher. Ich kaue auf meiner Unterlippe und spüre seinen fragenden Blick zentnerschwer auf mir.

Jetzt oder nie.

Jetzt oder nie.

Nie... ich kann das nicht.

„Ich muss weg.“ sage ich schnell, doch ehe meine Füße meinem Befehl Folge leisten können hält Taylor mich an beiden Armen fest.

„Was ist los? Du machst mir Angst.“ gesteht er.

„Ich kann nicht Taylor.“ ich versuche mich von ihm los zu machen.

„Was kannst du nicht, ich bitte Dich Sammy... Sag mir was los ist?“ seine Stimme klingt bittend und eindringlich.

Ich schließe meine Augen und hole tief Luft.

„Ich musste gehen.“ sage ich leise.

„Aber warum? Warum musstest du alles hinter dir lassen?“ er hält mich weiterhin fest.

„Weil ich die Entscheidung nicht für mich, sondern für unseren Sohn getroffen habe.“ meine Stimme ist nur ein Hauch und sie scheint nicht meine eigene zu sein.

Sie klingt nicht nach mir, sie klingt nach einer wildfremden Person, aber sie kommt aus meinem Mund.

„Wie bitte?“ er sieht mich mit großen Augen an und lässt mich los.

„Wir haben einen Sohn, er ist fast ein halbes Jahr alt.“ Ich drehe mich von ihm weg und sehe wieder hinaus aufs Meer.

„Aber das ist unmöglich…“ Taylor stellt sich neben mich und ich wage es nicht zu ihm zu sehen.

„Ich hatte es Anfang Oktober erfahren. Wir haben zwar immer verhütet, aber trotzdem stand ich plötzlich in dieser surrealen Situation. Ich habe dich vor die Wahl gestellt, du hast entschieden mich aus deinem Leben zu verbannen und wenn ich dich jetzt sehe, dann war es richtig. Du hast dein Leben in den Griff bekommen. Ich wollte dir helfen, aber ich war selber hilflos. Ich konnte die Trauer um Jake gar nicht richtig verarbeiten, weil ich mir ständig Sorgen um dich gemacht habe. In deinen Augen waren wir Freunde, die hin und wieder Sex haben, aber ich sah das anders und mit jedem weiteren Tag ging es mir schlechter mit unserer Abmachung. Ich war so verletzt, mein Herz war gebrochen und konnte nicht dabei zusehen, wie der Mann den ich liebte sich kaputt macht…“ ich wische mir über die Augen, weil ich nicht anfangen will zu weinen „Ich liebte dich Taylor. Ich liebte dich so sehr…“ jetzt laufen mir doch die ersten Tränen über die Wangen und ich wische sie schnell weg „Ich musste mir eingestehen, dass du nie so für mich empfunden hast und es auch niemals wirst, deshalb musste ich gehen, ich konnte es nicht ertragen. Wie schon gesagt, du hast dein Leben erst ein den Griff bekommen, als ich weg war und ich sah ein, das es am Besten für uns Beide ist, wenn wir weit weg voneinander unsere Leben führen. Du hier und ich in Galway, auch wenn das nicht mein Zuhause ist und es nie sein wird. Zusammen sind wir eine Katastrophe, aber getrennt scheinen wir das hin zu bekommen. Ich war es unserem Sohn schuldig zu gehen, damit er frei und unbeschwert aufwachsen kann. Er ist so wunderschön, so lieb und so einzigartig.“ Ich lächle bei dem Gedanken an meinen kleinen Sonnenschein „Er heißt Jake.“

„Jake?“ haucht er.

„Ja, er ist nach einem wunderbaren Menschen benannt, der mir sehr viel bedeutet hat und den ich auch heute noch jeden Tag vermisse.“ Ich sehe auf meine ineinander verschlungenen Hände.

„Wann ist er geboren?“ fragt er leise.

„Am 2. Mai, an Jakes erstem Todestag. Das nenne ich Schicksal.“ erkläre ich ihm „Ich weiß, ich muss dir eine Chance geben ihn kennen zu lernen. Ich war egoistisch und es tut mir leid, ich hatte kein Recht dazu ihn dir vorzuenthalten und natürlich muss ich Carl und Annie die Möglichkeit einräumen ihren Enkel kennen zu lernen.“ Ich atme tief durch „Ich denke, wir werden zu einem späteren Zeitpunkt alles genau besprechen, ich hoffe wir können dabei auf Anwälte verzichten und uns so einig werden. Keine Angst, ich will keine Alimente oder sonstiges...“ wieder atme ich tief ein, die Panik in meinem Inneren scheint mir die Luft abzuschnüren „Ich komme finanziell gut klar, wir haben eine sehr schöne Wohnung und Jake fehlt es an nichts, er hat einen Fond mit Geld aus dem Erbe meines Dads und für seine Zukunft ist Bestens gesorgt. Ich bin heute nur gekommen, um es dir zu sagen. Ava hat darauf bestanden reinen Tisch zu machen, denn es bringt mich fast um den Verstand es für mich zu behalten und dadurch nicht so oft nach Sandycove kommen zu können, wie ich gerne möchte. Was du jetzt damit machst, das du es weißt, das ist ganz allein deine Sache.“ Ich drehe mich um und laufe zu meinem Auto.

So schnell es geht starte ich und fahre mit durchdrehenden Reifen vom Parkplatz.

Okay, er weiß es jetzt.

Geht es mir besser?

Nein...

Es ändert nichts an meinen Gefühlen, an meinem Schmerz und an meinem gebrochenen Herzen.

Eine ganze Weile fahre ich ziellos hin und her, dann schlage ich den Weg zu den Klippen ein und parke auf dem zum Glück leeren Parkplatz. Ich steige aus und atme tief die klare, kalte Luft ein. Mein Gesicht fühlt sich hitzig an, meine Hände zittern und ich habe immer noch Mühe, meine Atmung und meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen.

Warum habe ich es ihm gesagt?

Warum heute?

Warum überhaupt?

Leise Tränen bahnen sich ihren Weg, ich stelle mich ganz nah an den Rand und schließe meine Augen. Der Wind zerzaust mein Haar, es ist wirklich kalt und ich beginne zu frieren und das ist das genau das, was ich brauche um meinen Kopf frei zu bekommen.

Ich muss mich fühlen, ich muss etwas anderes als Angst, Scham und Hilflosigkeit fühlen, auch wenn es nur Kälte ist.

Langsam beruhige ich mich, meine Atmung normalisiert sich, mein Herz schlägt in einem angemessenen Rhythmus auch wenn die Tränen nicht versiegen wollen.

So viel hat sich aufgestaut und so unsicher ist meine, und die Zukunft meines Sohnes...

Der Ausblick über die irische See ist wunderbar, heute liegt sie fast regungslos vor mir, was so überhaupt nicht zu meiner Stimmung passt und die Sonne ist schon beinahe ganz in ihr versunken und taucht den Himmel in wunderschöne Farben.

Ich habe Fehler gemacht.

Viele Fehler.

Zu viele Fehler?

„Dad. Mum. Jake.“ schluchze ich leise „Es tut mir so leid... So unendlich leid…“ ich fahre mir durch die Haare „Ich habe es verbockt und ich habe keine Ahnung, wie ich das jemals wieder gut machen soll.“

„Mein Stern.“ ertönt es hinter mir und ich zucke zusammen.

Langsam drehe ich mich um...

Er hat die Hände tief in seinen Jackentaschen vergraben und sieht mich einfach nur an.

Ich brauche einen Augenblick um zu realisieren, dass er wirklich hier vor mir steht.

„Was machst du hier?“ bringe ich schließlich heraus und wische mir meine Tränen weg.

„Wenn du springst, dann springe ich auch.“ er zuckt leicht mit den Schultern.

„Ich habe nicht vor zu springen.“ ich trete einen Stück vom Rand der Klippen zurück.

„Das ist gut.“ er lächelt unsicher.

„Was machst du hier?“ wiederhole ich meine Frage und er macht einen Schritt auf mich zu, automatisch weiche ich zurück und er sieht mich fragend an.

„Warum hast du es mir nicht früher gesagt?“ fragt er und obwohl ich es erwarte, klingt seine Stimme nicht vorwurfsvoll eher klingt Unverständnis heraus.

„Du hast mich so sehr verletzt...“ ich habe Schluckauf vom weinen und sehe ihn mit großen Augen an „... Du hast mein Herz nicht nur gebrochen, sondern in tausend Einzelteile zerschmettert. Ich war es dir nicht wert dein Leben in den Griff zu bekommen, du warst nur noch ein Schatten deiner selbst und du hast mir sooft weh getan.“ Die Tränen steigen erneut in meine Augen und ich zucke entschuldigend mit den Schultern „Ich wollte nicht, das du dich zu irgendetwas verpflichtet fühlst. Ich wollte dir ermöglichen dein Leben so zu leben, wie du es für richtig hältst.“

„Ich hatte Angst…“ gibt er zu. „Ich war verloren und du hast Recht, ich war nicht mehr ich. Nur habe ich das viel zu spät erkannt.“

„Aber du scheinst dich gefunden haben, du und Jen gebt ein wirklich schönes Paar ab.“ Ich versuche zu lächeln, aber nun laufen die Tränen doch wieder über mein Gesicht.

„Jen war plötzlich da…“ er kommt erneut auf mich zu und dieses Mal weiche ich nicht zurück, sanft wischt er mir meine Tränen weg „Denn das, wonach sich mein Herz sehnte, das war weg... Einfach so.“ Seine Berührung ist nur ein Hauch, doch zucke ich leicht zusammen und schließe gequält meine Augen. „Bitte mein Stern.“ flüstert er.

„Es war ein Fehler es dir zu sagen.“ Ich schüttele langsam meinen Kopf und will zu meinem Auto gehen.

„Was? Nein… Ich rede von dir. Verstehst du mich denn nicht?“ er hält mich am Arm fest und nimmt dann ganz vorsichtig mein Gesicht in seine Hände. „Ich hatte Angst mir selbst einzugestehen, dass ich dich liebe. Du hast die dunkelsten Stunden meines Lebens mit mir durch gestanden und ich habe dich vor den Kopf gestoßen, weil ich dir nicht sagen konnte, dass ich dich liebe. Ich hatte Angst, dass wenn ich es mir eingestehe, dann könnte ich dich verlieren. Viel zu spät erkannte ich, dass ich dich genau aus diesem Grund verloren habe. Du warst plötzlich weg und als du mir dann sagtest, dass wir nicht einmal mehr Freunde sein können, da zerbrach alles in mir. Ich habe niemals etwas von dir verlangt… niemals und trotzdem hast du mir alles von dir gegeben. Du hast nicht einmal zu gelassen, das ich dir beistehe als dein Dad gestorben ist und es zerriss mich beinahe, dich so traurig zu sehen. Ich habe Schuld, dass du gegangen bist und es vergeht kein Tag, an dem ich meine Taten nicht bereue. Ich hätte mir viel früher Hilfe suchen müssen, anstatt dich zu benutzen um mich besser zu fühlen. Als du vorhin durch die Tür gekommen bist, da spürte ich deine Anwesenheit noch bevor ich dich sah. Bei keiner anderen Frau schlägt mein Herz so schnell in meiner Brust. Du bist meine Sonne, um dich dreht sich mein Leben. Ich. Liebe. Dich. Ich liebe dich so sehr, das ich kaum atmen kann, wenn du in meiner Nähe bist. Ich liebe dich so sehr, das es mich beinahe umbringt dich so traurig und verletzt zu sehen. Du bist alles was ich will, was ich brauche... Ich brauche dich mein Stern. Kannst du mich, nach allem was passiert ist, auch noch lieben?“ Er streicht sanft über meine Wange. „Ich will und darf dich nicht verlieren.“

„Es ist zu spät, wir hatten mehr wie eine Chance und haben es vermasselt.“ ich schüttele resigniert meinen Kopf.

Ich habe es vermasselt, nicht du. Ich bitte dich, liebe mich.“ er sieht mich bittend an.

Alles wonach ich mich gesehnt habe scheint in dieser Sekunde Wirklichkeit zu werden, aber dann fällt mir Jen ein und ich schüttele erneut meinen Kopf.

„Du hast dich entschieden, du bist glücklich mit Jen.“ wieder rollen Tränen über meine Wangen.

„Nein, ich dachte ich wäre glücklich, aber als ich dich sah, da wurde mir bewusst, das ich sie niemals so lieben kann, wie ich dich liebe.“ sagt er sicher und ich sehe ihn verständnislos an. „Du hast mir gesagt, dass ich jetzt entscheiden muss, was ich tue. Jetzt wo ich weiß, dass es Jake gibt, da gibt es keinen Zweifel mehr. Ich weiß, was ich will.“ er streichelt sanft meine Wange.

„Sag nichts, was dir leid tun könnte.“ ich sehe ihn unter Tränen flehend an.

„Oh nein mein Stern, mir wird nichts leid tun von dem was ich sage.“ er lächelt mich sicher an „Auch ohne Jake weiß ich, das dir mein Herz gehört. Ich liebe dich Samira Porter. Ich liebe dich. Ich möchte nicht einen einzigen Tag mehr ohne Dich sein.“ er geht auf die Knie und ich halte unbewusst die Luft an. „Willst du meine Frau werden? Willst du den Rest deines Lebens mit mir verbringen?“ er sieht zu mir auf und hält mir einen wunderschönen Ring entgegen. „Der Ring meiner Mum. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen Jen zu fragen, ob sie meine Frau werden will, weil ich wahrscheinlich wusste, dass sie nicht die Richtige für mich ist. Nicht sein kann, denn so sehr ich mich auch bemüht habe, ich habe sie immer dir verglichen, aber sie war nicht du.“

„Kannst du das wiederholen?“ frage ich leise.

„Was genau?“ er legt seinen Kopf leicht schief und ich betrachte ihn.

„Den Teil mit dem Ich liebe dich.“ flüstere ich.

Er lächelt und mustert mich, er sieht die Tränen in meinen Augen und will aufstehen, doch ich winke ab.

„Wiederhole es Taylor.“ bitte ich ihn.

„Ich liebe dich.“ er nimmt meine beiden Hände in seine „Ich liebe dich so sehr mein Stern. Heirate mich.“ bittet er mich erneut.

„Du gibst für mich alles auf?“ ich starre ihn an.

„Natürlich, weil ich dich liebe.“ er sieht mich weiterhin bittend an. „Liebe mich, werde meine Frau.“

„Taylor ich...“ meine Gedanken schwirren in meinem Kopf wild umher.

Das sind viel zu viele Informationen in viel zu kurzer Zeit…

Er steht auf, sieht mich an, nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich.

Eine warme Welle durchflutet mich und ich seufze leise.

Ein Seufzen, was aus den Tiefen meiner Seele zu kommen scheint.

Wie sehr habe ich dieses Gefühl vermisst...

Seine weichen, warmen Lippen auf meinen.

Es ist wie ankommen nach einen langen, stürmischen Reise.

„Werde meine Frau Samira Porter, ich brauche dich.“ haucht er mir ins Ohr.

Ich sehe ihn an, das ist mein Taylor und er liebt mich...

„Taylor...“ setze ich an und sein Blick wird traurig. Ich hebe meine Hand und berühre sanft seine Wange, ich versinke in seinem Blick und mein Herz hämmert in meiner Brust.

„Lass mich niemals alleine.“ bitte ich ihn und er legt seinen Kopf leicht schief „Das ist ein Ja Taylor MacKenna.“

Er zieht mich in seine Arme, küsst mich stürmisch und ich schlinge meine Arme um ihn und schließe meine Augen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösen wir uns voneinander und er streift mir den Ring über, andächtig küsst er ihn.

„Du machst mich komplett.“ er lächelt mich voller Liebe an.

„Ich liebe dich.“ wieder beginnen Tränen über meine Wangen zu laufen.

„Hey...“ er zieht mich in seine Arme.

„Dieser Tag hat mehr auf und ab's als ich vertragen kann.“ gebe ich zu.

„Er war auch für mich ziemlich ereignisreich.“ er presst mich an sich

„Es tut mir so leid.“ entschuldige ich mich sofort und er lächelt mich an.

„Hör' auf mein Stern.“ bittet er mich „Meinst du, ich könnte meinen Sohn jetzt sehen?“

„Aber sicher.“ ich streiche ihm eine Strähne aus der Stirn „Er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Wo ist er jetzt?“ er küsst meine Handfläche.

„Unter der Obhut von Kim bei Matt und Ava zu Hause.“ erkläre ich ihm und wir gehen Hand in Hand zum Parkplatz.

„Was ist jetzt eigentlich mit Jen?“ ich sehe ihn leicht zweifelnd an. Er stoppt und legt seine Hand unter mein Kinn.

„Nachdem du einfach los gefahren bist, da bin ich erst einmal wieder rein. Ich stand da, habe mich umgesehen und habe versucht zu verstehen, was das, was du mir gesagt hast, wirklich zu bedeuten hat. Plötzlich war es mir klar...“ er lächelt leicht „...Ich bin zu Jen, habe mit ihr Schluss gemacht, bin zu meinen Eltern, habe meiner Mum um ihren Verlobungsring gebeten und habe mich entschuldigt.“

„Du hast einfach so mit Jen Schluss gemacht?“ frage ich leise.

„Ja, es ist mir nicht einmal schwer gefallen, weil ich wusste das ich sie nicht liebe und niemals so lieben kann, wie ich dich liebe.“ er schenkt mir einen kurzen Blick und ich umschließe seine Hand mit meiner.

„Ich liebe dich schon immer.“ flüstere ich.

„Es tut mir leid, das ich so lange gebraucht habe um es zu sehen.“ er küsst meine Fingerknöchel.

„Du bist jetzt hier.“ ich schlucke schwer und sehe auf den Ring an meiner linken Hand.

„Ja und ich werde nie wieder gehen. Ich werde den Rest meines Lebens damit zubringen dir zu zeigen, das ich es wert bin von dir geliebt zu werden.“ er schenkt mir einen liebevollen Blick.

„Danke.“ hauche ich.

„Oh nein mein Stern, ich habe dir zu danken. Ohne dich wäre ich jetzt nicht mehr hier...“ er seufzt leise und sieht sich um „Ich hätte den einfachen Weg genommen ohne über die Konsequenzen nach zu denken. Die Therapie hilft mir, sie zeigt mir, das es so viele Dinge gibt für die es sich zu leben lohnt und jetzt mit dir und Jake an meiner Seite, da weiß ich, das alles einen Sinn hat. Du und Jake ihr seid der Sinn in meinem Leben.“ er küsst mich hingebungsvoll und wir setzen unseren Weg fort und erreichen den Parkplatz.

„So, so ein Volvo?!“ er deutet auf mein Auto welche neben seinem parkt. „Und dann auch noch das ganz kleine Modell?“

„Ich weiß, es ist kindisch...“ setze ich an. „Das Auto habe ich mir nach dem Tod meines Dads gekauft, es ist kein V70, den wollte ich eigentlich haben, aber der XC 90 ist einfach sicherer.“

„Ich finde es süß.“ er haucht mir einen Kuss auf die Lippen. „Und eure Sicherheit ist das Wichtigste. Ich fahre hinter dir her.“ er zwinkert mir zu und ich steige in mein Auto.

Ist das alles real?

Ist das gerade wirklich passiert?

Ich fühle mich wie nach einem Marathonlauf und meine Hand zittert, als ich das Auto starte.

Ist diese letzte halbe Stunde wirklich real?

Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel und sehe ihn… sehe ihn wie er mich anstrahlt und kann nicht anders wie zu lächeln, ehe ich den Gang einlege und vor ihm her zu Matt und Ava fahre.

Diese steht schon in der Tür als ich auf den Hof fahre und kommt zu meinem Auto als ich parke.

„Gott wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht.“ empfängt sie mich aufgebracht und reißt die Fahrertür auf.

„Sorry.“ ich sehe sie zerknirscht an.

„Für was hast du ein Handy, wenn du es in deiner Handtasche lässt und diese nicht einmal mitnimmst?“ schimpft sie weiter mit mir.

„Ava…“ setze ich an.

„Nichts Ava, verdammt ich bin vor Sorge fast gestorben.“ Faucht sie.

„Ava bitte…“ versuche ich es erneut.

Sie hebt eine Hand um mich zum Schweigen zu bringen, dann sieht sie, dass Taylor ebenfalls auf den Hof fährt und sieht mich fragend an, während er neben meinem Auto parkt.

„Hi.“ Taylor steigt aus und grinst sie an.

„Okay...“ sagt sie lang gezogen und schaut uns beide nach einander verwirrt an.

„Ich habe sie etwas aufgehalten.“ Taylor kommt bei mir an und legt seinen Arm um meine Taille. „Ich musste sie überzeugen, das sie Mrs. MacKenna werden will.“ er nimmt meine Hand und haucht mir einen Kuss auf den Ring. „Dafür musste ich sie ja auch erst einmal finden und das dauerte etwas.“

Ava schlägt die Hände vor den Mund und ich nicke ihr lächelnd zu.

„Aaaahhhh!“ sie springt mich quasi an und drückt mich an sich. „Ich freue mich so unglaublich für dich.“ quiekt sie.

„Danke.“ bringe ich mühsam hervor und sie lässt ein wenig von mir ab.

Dann lässt sie mich ganz los und mustert Taylor eindringlich.

Ich kenne sie, ich kenne sie viel zu gut…

„Ava...“ bitte ich sie.

„Nein mein Stern, sie muss sagen was sie sagen will. Sie hat alles Recht dazu.“ unterbricht mich Taylor und stellt sich ihr gegenüber.

„Taylor MacKenna...“ sie atmet tief durch „Du hast ihr das Herz gebrochen. Wegen dir ist sie aus Sandycove weg gezogen. Bei der Geburt eures Sohnes ist sie beinahe gestorben...“ sie schließt gequält ihre Augen und Taylor sieht mich geschockt an. „Sie hat gelitten, so sehr gelitten, das ich dachte ich verliere sie. Ich habe dich gehasst, weil du sie mir weg genommen hast. Ich habe dich gehasst, weil sie du sie verletzt hast.“ fährt Ava fort und er schenkt ihr wieder seine volle Aufmerksamkeit „Nur Gott weiß warum, aber sie liebt dich. Sie liebt dich schon immer. Sie ist alles was ich noch habe. Versau' es nicht Taylor MacKenna, denn wenn doch...“ sie funkelt ihn an „... Dann befördere ich dich in die Hölle.“

„Da war ich schon.“ erwidert Taylor relativ unbeeindruckt „Und nur dank ihr bin ich noch hier. Sei dir sicher Ava, ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen ihr zu beweisen, das ich ihrer Liebe wert bin.“ er macht einen Schritt auf sie zu. „Es tut mir alles so unglaublich leid.“

„Sie ist meine kleine Schwester.“ Ava stehen die Tränen in den Augen.

„Ich passe auf sie auf.“ Taylor zieht sie in seine Arme „Immer.“ fügt er hinzu.

„Ich liebe Dich Taylor.“ schluchzt sie.

„Ich dich auch Ava.“ er hält sie einen Moment fest an sich gepresst „Es tut mir so leid.“

„Okay.“ sie macht sich von ihm los und streicht ihm über die Wange. „Jakie wäre stolz auf dich.“ sie wischt sich ihre Tränen weg.

„Ich denke, er wäre einverstanden mit alle dem hier.“ gibt er ihr Recht „Wo wir gerade von Jake reden, ich würde wirklich gerne meinen Sohn kennen lernen.“

„Aber sicher.“ sie lächelt nun wieder und wir folgen ihr ins Haus.

Ich weiß, dass sie das alles Mal raus lassen musste und ich weiß auch, dass das noch nicht das letzte Gespräch war...

Aber erst einmal muss Taylor Jake kennen lernen.

„Jakie? Schau mal wer wieder da ist.“ Ava betritt vor uns das Wohnzimmer, als er mich entdeckt erstrahlt übers ganze Gesicht.

„Hey mein Süßer!“ ich drücke ihn fest an mich und sehe zu Taylor. Er betrachtet Jake einfach nur und sieht mich mit Tränen in den Augen an.

„Hey mein Süßer...“ ich lenke seine volle Aufmerksamkeit auf mich „Ich möchte das du jemandem Hallo sagst.“ ich deute auf Taylor.

„Das ist dein Daddy mein Schatz.“ ich lehne mich zu Taylor und Jake streckt seine Arme nach ihm aus, sodass er ihn auf den Arm nehmen kann.

„Hi Kleiner.“ begrüßt ihn Taylor etwas schüchtern und Jake studiert sein Gesicht, ehe er sich an ihn kuschelt.

„Wow.“ Sagt Taylor ergriffen und umschließt ihn fest. „Er ist perfekt.“ Flüstert er mir zu und ich wische mir die Tränen weg.

Plötzlich beginnt Jake zu zappeln und Taylor sieht mich fragend an.

„Gib her.“ Lächele ich und bringe ihn zu Matt und Liv auf die Couch, wo sich Matt seiner annimmt.

„Er ist der Wahnsinn.“ Taylor nimmt mich in den Arm und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Was ist bei seiner Geburt passiert?“

„Darüber können wir ein anderes Mal reden.“ Weiche ich aus.

„Nein mein Stern, wenn Ava sagt, du wärst fast gestorben, dann will ich gerne wissen, was los war.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände.

„Sie hatte eine Lungenembolie.“ Sagt Ava nun für mich.

„Das heißt was?“ er sieht sie verständnislos an und wir setzen uns an den großen Esstisch, während Matt weiterhin bei den Kindern sitzen bleibt.

„Sie hatte ein Blutgerinnsel in der Lunge. Jake war gerade ein oder zwei Minuten alt, da bekam Sammy plötzlich keine Luft mehr. Dann wurde es hektisch, sie wurde sofort behandelt, sie mussten operieren, für ein paar Stunden konnte keiner sagen, ob sie es schafft oder nicht…“ sie greift nach meiner Hand und drückt sie kurz. „Das waren die längsten 5 Stunden meines Lebens.“

„Gott…“ Taylor fährt sich durch die Haare und sieht mich geschockt an „Ist jetzt wieder alles in Ordnung?“

„Ja, es geht mir gut, ich muss blutverdünnende Medikamente nehmen, damit sich nicht noch einmal ein Gerinnsel bildet.“ Erkläre ich ihm.

„Wer war bei Jake?“ er sieht wieder zu Ava.

„Aimee und ich.“ Sie lächelt „Ich war bei seinen ersten Untersuchungen dabei. Ich habe ihn gebadet, angezogen und ihn so lange im Arm gehalten bis er vor Erschöpfung eingeschlafen ist. Dann bin ich zu Sammy und habe an ihrem Bett gesessen bis sie endlich wieder aufgewacht ist.“

„Ich hätte da sein müssen.“ Sagt Taylor leise.

„Du bist jetzt hier.“ Ich lege meine Hand unter sein Kinn und zwinge ihn mich anzusehen. „Du bist hier.“ Wiederhole ich.

Ava wirft einen Blick auf die große Uhr im Wohnzimmer, kurz nach 20 Uhr.

„So, die Monster müssen ins Bett.“ Sie deutet auf Liv und Jake, wobei Liv schon selig in Matts Armen schläft. „Okay, ich weiß, ich bin die beste Schwester der ganzen Welt...“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Natürlich. Hast du daran Zweifel?“ frage ich sie gespielt schockiert.

Sie lacht leise „Und weil ich die beste Schwester bin, kann Jake heute Nacht bei uns bleiben und ihr Beide...“ zur Verdeutlichung zeigt sie auf mich und Taylor „...kommt erst morgen Vormittag wieder.“

„Aber...“ setze ich an.

„Nein Sam, kein aber.“ Matt kommt mit Liv auf dem Arm zu uns. „Wir bringen jetzt beide ins Bett und dann nehmt ihr euch etwas Zeit für euch.“ Im vorbeigehen drückt er mir einen Kuss auf die Wange. „Habt ihr euch verdient.“

„Seid ihr euch sicher?“ ich denke angestrengt nach und sehe zu Ava.

„Aber immer.“ Matt reckt seinen Daumen in die Höhe.

„Komm schon Sammy, Liv überlebt auch bei uns. Es ist eine Nacht.“ Ava verdreht die Augen.

„Okay, aber wir bringen ihn noch eben ins Bett.“ Ich stehe auf und nehme einen nun quengelnden Jake auf den Arm.

„Hey, hey mein Süßer…“ versuche ich ihn zu beruhigen „Es ist schon ganz schön spät. Was meinst du? Wir machen dir jetzt eine Flasche und dann gehst du ins Bett.“ Im vorbeigehen nehme ich seine Wickeltasche vom Flur mit und gehe mit ihm in die Küche, während Taylor uns folgt. Ich setze ihn im Wipper auf dem Küchentresen ab, schnalle ihn an und gebe ihm seinen Schnuller. Er sieht sich mit großen Augen um und streckt die Arme nach Taylor aus.

„Nimm ihn ruhig.“ Ermuntere ich ihn.

Taylor fummelt etwas an dem Verschluss herum ehe er ihn aufbekommt und ich lache leise.

„Witzig.“ Gibt er trocken zurück als er Jake endlich auf dem Arm hat.

„Die sind kindersicher.“ Ich zwinkere ihm zu und Jake beginnt wieder zu weinen.

„Er ist jetzt nur so unausstehlich, weil er eigentlich schon seit fast 2 Stunden im Bett sein sollte.“ Erkläre ich ihm und mache Jake seine Flasche, die er sofort an sich presst, als ich sie ihm reiche.

„Komm.“ Ich deute Taylor an, mir mit Jake zu folgen und wir gehen nach oben ins Gästezimmer, wo das Reisebett für Jake aufgebaut ist.

„Leg ihn erst einmal aufs große Bett…“ ich deute mit einem Kopfnicken auf das Doppelbett und Taylor legt ihn vorsichtig ab.

Ich nehme eine Windel und einen Schlafanzug aus der Tasche und Jake nuckelt an seiner Flasche und ist schon fast im Land der Träume, als ich ihn wieder auf den Arm nehme.

„Gute Nacht mein Schatz!“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Stirn und Taylor folgt meinem Beispiel, dann lege ich ihn hin, decke ihn zu, gebe ihm seinen Plüschhasen und sein Nachtlicht und gehe leise mit Taylor in den Flur.

„Du bist großartig.“ Er umarmt mich von hinten und presst mich an sich.

„Ich habe etwas mehr Übung wie du.“ Gebe ich zerknirscht zu.

„Das hole ich auf.“ Versichert er mir.

„So, er schläft.“ Ich gebe das Babyphone an Ava und kaue mir unschlüssig auf der Unterlippe.

„Komm schon Sammy, du kannst in 5 Minuten hier sein.“ Ava verdreht die Augen.

„Du hast jetzt endlich das, was du schon dein ganzes Leben wolltest…“ Matt nimmt mich in den Arm „… Genieß es.“ Fügt er leise hinzu.

Dann nimmt er Taylor in den Arm „Pass auf sie auf Taylor…“ bittet er ihn unmissverständlich.

„Immer Matt und danke für alles.“ Er nickt ihm zu und Matt erwidert es.

„Jetzt macht euch endlich vom Acker…“ Ava dirigiert uns zu Tür und reicht mir meinen Mantel.

„Danke Ava.“ Taylor nimmt auch sie in den Arm und plötzlich finde ich mich auf der Veranda vor der verschlossenen Haustür wieder.

„Was machen wir jetzt?“ ich sehe Taylor an und er grinst schelmisch.

„Keine Ahnung, aber eine kinderfreie Nacht mit meiner Verlobten, ich wäre schön blöd das abzulehnen.“ er zieht mich zum Auto.

Am Auto zieht er mich in seine Arme und küsst mich innig.

Atemlos sehe ich ihn an „Was wird das denn?“ grinse ich.

„Es ist alles wie ein Traum und ich muss mich versichern, das das alles wirklich real ist.“ er lächelt verschmitzt und ich küsse ihn erneut.

Dann hält er mir seine Hand hin und ich lege meinen Autoschlüssel mit einer hoch gezogenen Augenbraue hinein.

„Schönes Auto…“ grinst er, als er mir die Beifahrertür aufhält.

„Ich weiß, es ist ja auch meins.“ Erwidere ich verschmitzt, als er sich ans Steuer setzt.

„Was dein ist, ist auch mein.“ Er zwinkert mir zu und dann fahren wir vom Hof.

Die kleine Strecke bis zu seiner Wohnung sehe ich aus dem Fenster und weiß nicht, was ich sagen soll.

„Warum bist du so still?“ er parkt vor seiner Wohnung und sieht mich prüfend an.

„Ich habe Angst.“ gestehe ich leise „Ich habe so lange beinahe jeden Tag Angst gehabt dich zu verlieren, ich hatte mich sogar damit abgefunden dich durch Jakes Tod verloren zu haben. Deswegen konnte ich gehen... In meinen Augen hatte ich euch Beide verloren. Jake durch einen schrecklichen Unfall und dich durch die Folgen. Es macht mir Angst, jetzt womöglich das zu bekommen, wovon ich geträumt habe, denn es erscheint mir zu...“ Tränen sammeln sich in meinen Augen, ich breche ab und zucke mit den Schultern.

„Oh mein Stern.“ er schnallt mich ab und zieht mich in seine Arme „Ich war verloren und ich weiß, das du alles getan hast um mich zu retten. Aber ich musste mich selbst retten. Ich habe vorhin kurz mit Luke gesprochen… Ich weiß, was er dir geraten hat und ich weiß auch, das es dich alles an Kraft gekostet hat es durchzuziehen. Du bist nicht glücklich in Galway, du vermisst Ava, Matt und Liv, du vermisst dein Zuhause. Lass mich dich retten... Und es erscheint auch mir alles zu...“ er sucht nach dem richtigen Wort und lächelt zaghaft „... perfekt. Aber ich weiß, wir haben es uns erkämpft und deswegen habe ich keine Angst. Du hast alles für mich aufgegeben und ich würde ohne darüber nachzudenken alles für dich und unseren Sohn aufgeben. Wir bekommen eine weitere Chance und glaub' mir, für nichts in der Welt würde ich sie aufs Spiel setzen.“ er küsst mich behutsam und ich ziehe ihn zu mir. „Vertrau mir.“ wispert er.

„Ich vertraue dir Taylor.“ antworte ich ebenso leise.

Er nimmt mein Gesicht in seine Hände, haucht mir einen Kuss auf die Stirn und steigt aus, dann hält er mir die Tür auf und seine Hand hin.

Ich ergreife sie zaghaft lächelnd, wir gehen zu seiner Haustür, er schließt auf und wir betreten seine Wohnung. Ich war schon lange nicht hier und trotzdem kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen. Wir ziehen unsere Schuhe aus und ich folge ihm ins Wohnzimmer.

Es hängt ein Bild von Taylor und Jake im Flur, ich bleibe stehen und betrachte es lächelnd.

„Es schmerzt nicht mehr ganz so sehr.“ Flüstert er mir ins Ohr.

„Es wird nie aufhören, aber es wird anders.“ Sage ich leise „Seitdem Jake auf der Welt ist, versuche ich bestimmte Züge vom großen Jake in ihm zu finden…“ gebe ich zu „… und manchmal sind sie da, die kleinen Gesten und mein Herz droht jedes Mal vor Freude fast zu zerspringen.“

Mein Blick fällt auf das nächste Foto, das von uns allen Vieren auf der Koppel und ich lächle erneut.

„Das war so ein schöner Tag.“ Erinnere ich mich.

„Ja… bis zu dem Zeitpunkt wo du im hohen Bogen von Clovers Rücken geflogen bist und ich fast einen Herzinfarkt hatte.“ Erinnert er sich nun.

„Das war an dem Tag?“ ich lache leise „Habe ich wohl verdrängt.“ Gebe ich zu. „Ich habe ein Foto mit dem Gipsarm.“

Dann streift mein Blick das nächste Bild…

Annie und Carl.

„Verfluchte Scheiße.“ Entfährt es mir und Taylor lacht laut los.

„Na, na, na.“ Tadelt er mich.

„Wie zur Hölle soll ich ihnen jemals wieder unter die Augen treten? Ich habe sie angelogen! Ich habe ihnen Jake vorenthalten.“ Ich merke wie Panik in mir aufsteigt.

„Hey mein Stern…“ Taylor zieht mich in meine Arme und presst mich an seine Brust „Sie werden sich freuen. Ich prophezeie sogar, das sie ausflippen werden vor Freude.“ Er haucht mir einen Kuss auf meinen Scheitel „Aber um dich zu beruhigen, fahre ich morgen früh erst einmal alleine zu ihnen, verkaufe ihnen alles häppchenweise und rufe dich dann an, damit du mit Jake kommen kannst. Was meinst du?“ er zwingt mich ihn anzusehen.

„Klingt gut.“ Gebe ich zu.

Sein Handy auf dem Küchentisch vibriert und ich sehe ihn mit einer hoch gezogenen Augenbraue an.

Er geht hinüber und nimmt es zur Hand, dann atmet er tief durch und geht ran.

„Hi Mum! Alles ist gut, ich komme morgen Vormittag vorbei, dann erkläre ich alles. Bye!“ damit legt er auf und schaltet sein Handy aus.

„Das kannst du nicht machen.“ Rüge ich ihn.

„Doch, denn ich will jetzt nur noch eins…“ er kommt langsam wieder zu mir und seine Augen funkeln.

„Ach ja, was denn?“ grinse ich.

„Ich will dich.“ Flüstert er lüstern und hebt mich auf den Arm, was mir einen spitzen Schrei entlockt. Wir gehen ins Schlafzimmer und er lässt mich behutsam aufs Bett sinken.

„Hast du Kondome?“ frage ich atemlos und beiße mir auf die Unterlippe.

Er sieht mich fragend an „Du nimmst doch die Pille, oder?“

„Nein, die darf ich nicht mehr nehmen.“ Erkläre ich ihm „Wegen dem Blutgerinnsel…“

„Egal…“ langsam schiebt er mein Kleid hoch und verteilt hauchzarte Küsse auf den Innenseiten meiner Oberschenkel. Ich winde mich unter ihm und fahre ihm durch die Haare.

„Taylor…“ presse ich hervor und ziehe ihn unwirsch hoch. „Wir sollten verhüten.“ Gebe ich zu bedenken.

„Warum?“ er sieht mich mit seinen kobaltblauen Augen prüfend an. „Willst du keine weiteren Kinder?“

„Doch, darum geht es nicht…“ ich versuche seine Hände, die meine Oberschenkel hinauf wandern zu ignorieren.

„Dann halt den Mund, ich will dich und ich nehme dich Samira Porter.“ Sagt er bestimmend und drückt meine Hände in die Matratze um mich leidenschaftlich zu küssen.

Ich werfe alle Bedenken über Bord und halte mich an ihm fest.

„Bitte Taylor nimm mich.“ Flehe ich ihn an.

Quälend langsam zieht mir mein Höschen aus und schiebt mein Kleid immer weiter nach oben, bis er meinen BH erreicht und ich es mir über den Kopf ziehe.

Im nächsten Moment ziehe ich ihm sein T-Shirt über den Kopf und er sieht mich grinsend an.

„Wir haben Zeit mein Stern.“ Wispert er.

„Verdammt Taylor.“ Fluche ich, komme hoch und drehe ihn auf den Rücken.

Ich küsse seine nackte Brust und öffne seinen Gürtel sodass ich ihm seine Hose ausziehen kann, dann setze ich mich auf ihn und lasse ihn in mich hinein gleiten, was uns beiden eine Mischung aus einem Stöhnen und Seufzen entlockt.

Ich beginne mich rhythmisch zu bewegen und schließe meine Augen, es ist wunderbar mit ihn in mir zu spüren und ich genieße den Moment. Plötzlich hebt er mich an und ich finde mich unter ihm wieder.

„Wir haben Zeit mein Stern…“ flüstert er mir ins Ohr und küsst mich zärtlich. „Ich will es auskosten mit dir eins zu sein.“

Ein paar Stunden später werde ich wach, Taylor hält mich fest an sich gepresst und ich entwinde mich vorsichtig seiner Umarmung. Ich habe unbändigen Durst, ich ziehe mir meinen Slip und sein T-Shirt an und tapse in die Küche.

Ich nehme mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und sehe aus dem Küchenfenster, schemenhaft kann ich den schwach beleuchteten Hafen sehen und werfe einen Blick auf die Uhr, kurz nach 2 Uhr. Selbst für Luke ist es jetzt noch zu früh hinaus zu fahren, meist legen die ersten Boote gegen 5 Uhr ab.

Ich stütze meine Arme auf der Arbeitsfläche ab und atme tief durch.

Die letzten 24 Stunden hatten es wirklich in sich…

Plötzlich spüre ich einen warmen Atem an meinem Hals und starke Arme umschließen mich.

„Was ist los mein Stern?“ flüstert mir Taylor verschlafen ins Ohr.

„Ich hatte Durst.“ Antworte ich ebenso leise.

„Komm wieder ins Bett.“ Bittet er mich „Es ist einsam ohne dich.“ Er dreht mich in seinen Armen und zieht mich an seine Brust.

„Hmmm.“ Nuschele ich und wir krabbeln zurück unter die warme Bettdecke.

„Wir müssen uns nach etwas Größerem umsehen.“ Sagt Taylor als er mich in den Armen hält.

„Was meinst du?“ ich komme etwas hoch und sehe ihn im Mondschein an.

„Na ja eine Wohnung oder ein Haus. Jake braucht Platz und ich denke und hoffe, das er kein Einzelkind bleibt.“ Er grinst verschmitzt.

„Ich muss noch viele Dinge in Galway klären.“ Gebe ich zu bedenken. „Wann hattest du denn gedacht mich zu deiner Frau zu machen?“ ich streiche ihm eine Strähne seines Ponys aus dem Gesicht.

„So schnell wie nur irgend möglich.“ Antwortet er strahlend „Ich dachte, ich fahre morgen mal bei Pastor Mullahan vorbei und frage, was wir alles an Dokumenten brauchen.“

„Wow, du hast ja einen Plan.“ Erwidere ich erstaunt.

„Glaub mir mein Stern, ich will alles wieder gut machen…“ er legt seine Stirn an meine „… Ich will nie wieder ohne dich aufwachen oder einschlafen.“

„Oh Taylor.“ Ich versinke in seinem Blick.

„Ich muss viel gut machen und ich muss dir beweisen, dass ich deiner wert bin.“ Sagt er ernst.

„Hör‘ auf Taylor. Ich liebe dich und zu wissen, das du mich liebst…“ ich hauche ihm einen Kuss auf die Lippen „… Das ist genug, mehr als genug.“

„Aber…“ setzt er an.

„Oh nein Taylor…“ unterbreche ich ihn „… Ich will glücklich sein. Ich will an deiner Seite sein. Für immer.“

„Danke.“ Wispert er und presst mich an sich.

Taylor hat so viele Facetten und ich kenne sie alle…. Die harte, die weiche, die unsichere, die starke, die romantische, die liebevolle…. So viele Facetten und ich kann es nicht fassen, dass uns das Schicksal endlich zusammen geführt hat.

„Ich liebe dich.“ Ich kuschele mich an seine Brust und lausche den steten Schlägen seines Herzens.

„Und ich dich.“ Er hält mich fest umschlungen und ich schlafe zufrieden und glücklich ein.

Als ich durch das Licht welches ins Zimmer scheint wach werde, brauche ich einen Moment um mich zu orientieren und schrecke hoch. Jake.

Wo ist Jake?

„Hey.“ Kommt es verschlafen von der Seite und ich sehe einem verschlafenen Taylor ins Gesicht. „Alles gut?“

„Ja, es nur das erste Mal seitdem Jake auf der Welt ist, das ich ohne ihn aufwache.“ Gestehe ich.

„Ihm geht es blendend bei Ava und Matt.“ Er zieht mich in seine Arme.

„Ja, daran zweifele ich nicht eine Sekunde, aber er fehlt mir…“ gebe ich zu.

„Okay, lass uns noch ein paar Minuten kuscheln, dann gehen wir duschen und dann fahren wir zu ihm.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Schläfe.

„Danke.“ Ich fahre mit meiner Hand über seinen Bauch.

„Weißt du was? ...“ er zieht mich hoch „Das kuscheln vergessen wir mal.“ Er küsst mich verlangend.

Eine knappe Stunde später stehen wir um kurz vor 9 Uhr bei Ava und Matt vor der Tür.

„So früh?“ Ava zieht eine Augenbraue hoch, als sie zur Tür kommt und diese öffnet, noch bevor wir sie erreichen.

„Er fehlt mir.“ Gebe ich zu und sie lacht leise, ehe sie mich in den Arm nimmt.

Dann nimmt sie auch Taylor in den Arm und er zieht schnell die Tür hinter uns zu, da es wirklich kalt ist und ich gezwungener Maßen mein Kleid von gestern nochmal anziehen musste.

In der Küche bekommt Liv gerade ihr 2. Frühstück und Jake beginnt sofort zu strahlen als er mich entdeckt. Ich nehme ihn Matt ab und drücke ihn an mich.

„Hey mein Schatz.“ Ich schließe meine Augen und schnuppere an seinen Haaren.

Dann gebe ich ihn an Taylor weiter, der ihn auch sofort an sich drückt und ihm einen Kuss auf die Stirn haucht. „Na Jake, hast du gut geschlafen?“

„Ja, er war nur um kurz nach Mitternacht einmal wach, hat seine Flasche bekommen und dann hat er bis 06:30 durch geschlafen.“ Erklärt Matt und ich sehe ihn grinsend an.

„Wann ist Liv aufgestanden?“

„Kurz nach 6.“ Er gähnt herzhaft. „Und das ist fast ausschlafen.“ Er sieht zu Taylor „Schlafe wo immer du kannst.“ Rät er ihm.

„Bevor ich es vergesse…“ Ava sieht zu Taylor und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Was habe ich denn jetzt verbrochen?“ er sieht sie misstrauisch an und gibt mir Jake auf den Arm.

„Deine Mum hat gestern hier angerufen und mich gebeten Licht in die ganze Sache mit deinem Verschwinden, deinem abservieren von Jen und deinem fernbleiben der Feier zu bringen. Hast du etwa dein Handy ausgeschaltet?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja…“ antwortet er lang gezogen „Aber keine Panik, ich fahre sofort zu ihnen und erkläre ihnen alles. Was hast du ihnen gesagt?“

„Nichts.“ Sie zuckt mit den Schultern „Das solltest du selber machen.“

„Danke Ava.“ Er atmet tief durch. „Ich rufe dich später an. Ich liebe dich.“ Er kommt zu mir und küsst mich, ehe er hinaus geht und vom Hof fährt.

„Und?“ Ava setzt sich an den Küchentisch und ich setze mich mit Jake auf dem Schoss zu ihr.

„Es ist surreal.“ Gebe ich zu.

„Bist du glücklich Sammy?“ sie sieht mich prüfend an.

„Ja…“ ich denke einen Moment nach „Ich bin glücklich. Er liebt mich. Er macht mich glücklich.“

„Kommst du zurück?“ sie traut sich fast nicht die Frage zu stellen.

„Wir haben heute Nacht drüber gesprochen…“ gestehe ich „… Natürlich will ich zurück kommen, aber ich muss noch eine ganze Menge in Galway klären. Ich habe einen Job, Eileen verlässt sich auf mich. Ich muss mit Aimee und Ian reden.“

„Aber wenn das alles geklärt ist, dann kommst du zurück?“ sie sieht mich flehentlich an.

„Ja.“ Lächle ich „Sandycove ist doch mein Zuhause.“

Sie steht auf und fällt mir um den Hals.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet… gerade jetzt.“ Sie grinst verschmitzt.

„Was meinst du mit gerade jetzt?“ ich sehe sie skeptisch an.

„Liv wird eine große Schwester.“ Platzt sie heraus.

„Was?“ ich gebe Jake Matt auf den Arm und falle Ava um den Hals.

„Ja, scheint so als wäre stillen kein Verhütungsmittel.“ Sie lacht leise. „Nein mal im Ernst, wir haben absichtlich nicht verhütet, Liv soll kein Einzelkind sein.“

„Wann?“ ich lege meine Hand auf ihren noch flachen Bauch.

„Stichtag ist der 2. Juni.“ Sie kann nicht anders wie zu strahlen.

Das Klingeln meines Handys aus meiner Handtasche im Flur unterbricht uns und ich lege meine Stirn in Falten.

„Das ging ja schnell.“ Gehe ich ran, als ich sehe, dass es Taylor ist.

„Ich bin bei Pater Mullahan. Hast du deine Geburtsurkunde und dein Familienbuch?“ fragt er ohne auf mich einzugehen.

„Ja, beides in Galway.“ Erkläre ich ihm.

„Gut, wir fahren morgen nach Galway und holen die Sachen, in 14 Tagen werden wir heiraten. Also am 12. Dezember… Ich liebe dich.“ Damit legt er auf.

„Was?“ frage ich verwirrt und lasse das Handy sinken.

„Was ist los? Was haben Annie und Carl gesagt?“ Ava steht auf und kommt zu mir.

„Er ist bei Pater Mullahan, ich muss morgen meine Papiere holen, denn in 14 Tagen heiraten wir.“ Ich sehe sie an und sie zieht mich in ihre Arme.

„Glückwunsch Sammy.“ Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Er will dich nie mehr los lassen.“

„Das geht alles ganz schön schnell.“ Gebe ich zu bedenken.

„Nein eher nicht…“ winkt sie ab „… Ihr kennt euch euer ganzes Leben, ihr liebt euch wahrscheinlich schon genauso lange, es ist also nicht schnell.“

„Aber…“ setze ich an.

„Kein aber.“ Unterbricht sie mich „Ich denke ich muss nächste Woche mit dir in Galway shoppen, irgendwo her müssen wir ein Brautkleid für dich bekommen.“ Sie zwinkert mir zu.

„Gott, daran habe ich noch gar nicht gedacht.“ Ich schlage mir an die Stirn „Ich muss irgendwie eine Feier organisieren.“

„Bleib ruhig…“ sie nimmt mich lachend in den Arm „Ich helfe dir und Aimee bestimmt auch, wir bekommen das hin. Ihr heiratet in 14 Tagen, koste es was es wolle. Ich habe mir jetzt ein Jahr lang angeschaut wie unglücklich du ohne ihn bist, du brauchst ihn genauso sehr wie er dich.“

„Aimee hat in 4 Wochen ihren Stichtag, ich kann ihr nicht so viel zumuten.“ Ich schüttele meinen Kopf.

„Das kann sie selbst entscheiden und ich kenne Aimee, für sie ist die Planung einer Feier die reine Erholung.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Danke.“ Flüstere ich und ich zucke zusammen, als mein Handy erneut klingelt.

Wieder Taylor.

„Ja!?“ frage ich verwirrt.

„Wenn du Lust hast, dann kannst du gerne mit Jake vorbei kommen. Mum und Dad sind, wie vorausgesagt, total aus dem Häuschen und ich soll dir ausrichten, das hier bestimmt niemand auf dich böse ist.“ Ich kann das Lächeln in seiner Stimme hören.

„Hmmm.“ Antworte ich nur.

„Was ist los mein Stern?“ fragt er besorgt.

„Mir schwirrt der Kopf.“ Gebe ich zu „Wir heiraten in 14 Tagen.“

„Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich dich heute oder morgen geheiratet, aber Pastor Mullahan braucht alle Papiere und etwas Zeit.“ Er lacht leise.

„Taylor….“ Seufze ich.

„Willst du es nicht mein Stern?“ er hört augenblicklich auf zu lachen.

„Doch natürlich.“ Antworte ich sofort.

„Was ist es denn?“ fragt er behutsam nach.

„Es erscheint mir unwirklich, das ich auf einmal alles bekomme, von dem ich jemals geträumt habe.“ Erkläre ich ihm.

Ava sieht mich lange an und nimmt mir das Handy aus der Hand.

„Taylor… ich bin’s Ava. Sammy will dich heiraten, sie will dich, sie wollte niemals etwas anderes, aber es ist gerade etwas viel. Sie muss das alles verarbeiten und glaub mir, in 14 Tagen wird sie sich in deine Arme werfen.“ Erklärt sie ihm lächelnd und dann erfolgt eine lange Pause. „Das mach ich Taylor, bestell Annie und Carl liebe Grüße, Matt, Liv und ich kommen morgen Nachmittag vorbei…. Ich dich auch Taylor.“ Damit legt sie auf.

„Er hat Angst, dass du kalte Füße bekommst und ihn womöglich nicht mehr willst.“ Sie legt ihren Kopf schief und ich reiße meine Augen auf. „Ist natürlich totaler Quatsch.“ Sie winkt ab „Du musst das alles verarbeiten und ich weiß, das du ihn liebst und du in 2 Wochen Mrs. McKenna sein wirst.“ Sie zieht mich in ihre Arme „Und jetzt zieh Jake an und fahre zu Carl und Annie, die beiden platzen vor Neugier auf ihren Enkel.“

„Danke Ava.“ Ich nehme Jake aus dem Wipper und gehe mit ihm hoch ins Gästezimmer.

Nach langem hin und her ziehe ich ihm eine Jeans und einen hellblauen Pullover an, ehe ich ihn in einen Fleeceanzug stecke. Ich checke kurz ob ich alles in der Wickeltasche habe, was ich brauche und dann setze ich ihm eine Mütze auf und schnalle ihn in seinem Kindersitz fest.

Da ich bis jetzt immer noch nicht dazu gekommen bin mich umzuziehen schlüpfe ich ebenfalls in eine Jeans und in einen bequemen Pullover, ehe ich runter gehe und Matt mich angrinst.

„Du siehst aus, als wärst du auf dem Weg zur Schlachtbank.“ Scherzt er.

„Verarsch mich nicht Matt, mein Herz schlägt mir bis zum Hals… die ganze Aufregung kann gar nicht gut sein…“ ich atme tief durch „Ich glaube ich bekomme einen Herzinfarkt.“

„Quatsch Sam.“ Er lacht leise und nimmt mir den Kindersitz ab um ihn zum Auto zu tragen. „Sieh es mal positiv, alle Geheimnisse sind vom Tisch. Du bist frei, Taylor liebt dich. Was willst du noch mehr?“ er drückt mir einen Kuss auf die Wange nachdem er Jake angeschnallt hat und mir meinen Autoschlüssel reicht.

„Ich kann das alles noch gar nicht begreifen.“ Gebe ich zu und sehe auf den Ring an meiner Hand.

„Freu dich einfach Sam! Sei glücklich!“ er zwinkert mir zu und ich steige ein.

Der Weg zur Farm der McKennas kommt mir unwirklich kurz vor und ich atme tief durch, als ich auf den Hof fahre und parke.

Taylor kommt sofort aus dem Haus und hält mir die Tür auf. „Hi mein Stern.“ Er zieht mich in seine Arme und küsst mich liebevoll.

„Hi.“ Ich erwidere sein grinsen.

Er geht an die Hintertür und hebt vorsichtig den Kindersitz heraus.

„Mum und Dad sind mega aufgeregt.“ Er betrachtet andächtig Jake und dieser strahlt ihn an.

„Mir ist schlecht.“ Gebe ich zu und er lacht leise.

„Komm schon mein Stern.“ Er hält mir seine Hand hin und ich ergreife sie.

Kaum das wir das Haus betreten finde ich mich in den Armen von Annie wieder.

„Mein kleine Sammy!“ sie drückt mich an sich.

„Es tut mir so leid.“ Sage ich immer und immer wieder.

Sie rückt mich ein Stück von sich weg, streicht mir lächelnd über die Wange und schüttelt ihren Kopf.

„Wir danken dir Kleine, wir danken dir so sehr.“ Sie streicht mir meinen Pony aus dem Gesicht und ich sehe sie ungläubig an.

„Ihr dankt mir?“ ich sehe zu Carl, der mich ebenfalls anstrahlt.

„Ja, wir danken dir, dass du Jake bekommen hast. Das du deinen Sohn nach unserem benannt hast und das du Taylor verzeihst. Für all das danken wir dir.“ Erklärt Annie mir mit Tränen in den Augen.

„Es kam für mich nie in Frage ihn nicht zu bekommen.“ Stelle ich klar „Und es ist nicht mein Sohn, es ist unser Sohn…“ ich sehe zu Taylor, der Jake mittlerweile auf dem Arm hat „Sobald ich wusste, das ich einen Jungen bekomme, war klar das er Jake heißen wird. Mit vollem Namen heißt er übrigens Jake Bryan Carl.“

Carl sieht mich überrascht an.

„Er ist nach den wichtigsten Männern in meinem Leben benannt.“ Erkläre ich ihm und Taylor räuspert sich. „Sorry, aber vielleicht bekommen wir deinen Namen beim nächsten Kind unter.“ Ich zwinkere ihm zu und er lächelt.

„Mum, Dad, jetzt möchte ich euch euren Enkel vorstellen.“ Er drückt Annie Jake auf den Arm und ihr laufen Freudentränen über die Wangen.

„Er ist wunderschön…“ sie sieht zu mir „… Hi kleiner Jake.“ Sie streicht ihm übers Köpfchen und er gluckst leise.

Carl kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. „Er ist wirklich bildschön.“

„Danke Grandpa.“ Ich erwidere seine Umarmung.

„Es tut mir leid, dass ich dich nicht vor ihm beschützen konnte, es tut mir leid was du durchmachen musstest und es tut mir leid, das du mit allem alleine warst.“ Er sieht zu Taylor und dieser sieht beschämt zu Boden.

„Hört auf.“ Bitte ich ihn, gehe zu Taylor und zwinge ihn mich anzusehen. „Ja, du hast Fehler gemacht, aber ich auch. Wir standen alle plötzlich in einer Situation mit der wir nicht umgehen konnten. Ich habe Menschen, die mir sehr viel bedeuten, angelogen. Ich bin lieber geflohen als mich allem zu stellen. Also ich bin weiß Gott nicht nur das Opfer. Ich bin in Galway nicht alleine, ich habe wunderbare Freunde da. Ja, es war nicht immer leicht, aber durch meine Flucht war ich selber Schuld, dass ihr mir nicht beistehen konntet. Taylor ich verzeihe dir und wenn du willst, das das mit uns Beiden funktioniert, dann musst du dir selber verzeihen und aufhören dir Vorwürfe zu machen. Niemand sollte das…“ ich sehe zu Carl „Ja, Taylor hat Mist im großen Stil gebaut, aber ich verdammt nochmal auch. Ich liebe ihn, er liebt mich. Wir werden in 2 Wochen heiraten…“ ich atme tief durch „Eine Tatsache die mir immer noch nicht wirklich real erscheint.“ Füge ich hinzu „Aber es ist so, egal wie wir hierher gekommen sind, es hat alles einen Sinn und hat sich gelohnt.“

Taylor sieht mich mit stolzem Blick an und küsst mich hingebungsvoll. „Meine Frau.“ Haucht er mir ins Ohr.

„Ja, deine.“ Grinse ich.

Nachdem das endlich vom Tisch ist, gehen wir ins Wohnzimmer und sprechen offen und ehrlich über alles. Es tut gut endlich keine Geheimnisse mehr zu haben und ich habe Annie und Carl schon sehr lange nicht so glücklich gesehen. Annie will Jake am liebsten nicht aus der Hand geben und gibt ihm sein Fläschchen, wickelt ihn und hält ihn die ganze Zeit im Arm.

„Taylor sagte dir ging es nach der Geburt nicht gut?“ Carl sieht mich fragend an.

„Ich hatte ein Blutgerinnsel in der Lunge und musste notoperiert werden. Es stand ziemlich auf der Kippe.“ Erkläre ich ihm und seine Augen werden groß „Es ist gut gegangen…“ beruhige ich ihn „Deswegen kann ich ihn zwar nicht stillen, aber meine Hebamme hat mir versichert, das es Schlimmeres gibt.“

„Gott Kleines, das ist furchtbar.“ Annie greift nach meiner Hand.

„Es geht mir wieder gut. Ich muss zwar blutverdünnende Medikamente nehmen, aber das stört mich nicht.“ Ich drücke ihre Hand.

„Ist es denn für dich gefährlich, wenn du noch einmal schwanger werden solltest?“ Carl legt seinen Kopf schief und ich grinse.

„Ihr wollt mehr Enkelkinder, oder?“

„Ja, eines für mich wäre noch schön…“ er erwidert mein grinsen „Annie gibt Jake ja nicht aus der Hand.“

„Ich kann nochmal schwanger werden, natürlich muss ich strenger beobachtet werden und es wird immer ein Kaiserschnitt werden, aber damit kann ich leben.“ Ich zwinkere ihm zu „Im Moment muss ich erst einmal verarbeiten, was in den letzten 24 Stunden passiert ist.“ Ich sehe auf meinen Verlobungsring.

„Kommst du nach Hause?“ Annie sieht mich bittend an.

Ich sehe zu Taylor, er zieht mich in seine Arme und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. „Ja.“ Sage ich schließlich „Aber ich muss noch viele Dinge erledigen.“

„Das ist verständlich.“ Annie nickt mir zu „Ich bin nur froh, das ich dich dann wieder um mich haben kann und natürlich meinen kleinen Jake.“ Sie blickt auf den schlafenden Jake in ihren Armen.

„Es tut mir leid, dass ich ihn euch vorenthalten habe.“ Ich seufze leise.

„Hey Kleines…“ Carl steht auf und kommt zu mir „… Eine weise junge Frau hat gesagt, es ist an der Zeit sich selbst zu vergeben.“ Er zwinkert mir zu.

„Danke.“ Ich grinse schief.

„Musst du eigentlich morgen arbeiten?“ Taylor nimmt meine Hand in seine und sie verflechten sich ineinander.

„Ja. Ich muss dann Eileen alles häppchenweise verkaufen.“ Ich atme tief durch.

„Sie wird es verstehen.“ Annie nickt mir aufmunternd zu.

„Ja, aber es wird komisch sein nicht mehr mit ihr zusammen zu arbeiten.“ Ich lege meinen Kopf schief.

„Sie kann dich ja besuchen kommen oder du besuchst sie, wenn du Aimee besuchst.“ Sie lächelt mich an und ich muss es einfach erwidern.

„Entschuldigt ihr mich kurz?“ Taylor steht auf und geht hinaus.

„Klar doch.“ Kommt es von Carl noch, aber da fällt auch schon die Haustür ins Schloss.

„Wo will er hin?“ Carl sieht mich fragend an.

„Keinen Schimmer.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Es ist so schön euch zusammen zu sehen.“ Annie gibt Jake Carl auf den Arm und setzt sich neben mich „Ich bin unendlich dankbar, das er es auf die Reihe bekommen hat. Ihr tut euch so gut, er ist so glücklich.“ Sie nimmt mich in den Arm.

„Ich bin auch glücklich.“ Stimme ich ihr zu. „Carl?“ ich sehe zu ihm rüber und reißt seinen Blick von Jake los und sieht mich lächelnd an. „Da ich ja nun in 2 Wochen heirate, wollte ich dich fragen, ob du mich zum Altar führen möchtest…. Mein Dad…“ ich breche ab.

„Es wäre mir eine Ehre.“ Er sieht mich liebevoll an und ich erwidere es.

„Danke.“ Sage ich leise.

Dann kommt Taylor wieder rein und Jake wacht auf und wird unruhig.

„Ich mache ihm eben eine Flasche.“ Taylor geht in die Küche und ich folge ihm vorsichtshalber. Ich sehe wie er die Anleitung auf der Packung studiert und seine Stirn in Falten legt.

„4 Messlöffel auf 360 ml Wasser.“ Flüstere ich ihm ins Ohr.

Er dreht sich um und grinst mich an „Danke, sonst wäre er verhungert. Wer versteht das?“ er deutet auf die Anleitung.

„Ich.“ Gebe ich grinsend zu.

„Ach ja, ich habe gerade mit Luke telefoniert…“ er füllt die Messlöffel in eine von Jakes Babyflaschen und ich sehe ihn erstaunt an „… Ich habe ab Montag 4 Wochen Urlaub. Ich soll dich grüßen und dir alles Gute wünschen und dich fragen, ob du dir sicher bist, was du dir mit mir eingehandelt hast.“ Er grinst schief.

„Ja, ich bin mir sicher.“ Erwidere ich lächelnd. „4 Wochen Urlaub?“

„Ich hatte bisher noch keinen.“ Er zuckt mit den Schultern. „Wir haben eine Menge vor…“ er gießt das heiße Wasser dazu und schüttelt die Falsche vorsichtig. Ich nehme sie ihm aus der Hand und halte sie unter den kalten Wasserhahn.

„Ja, wir müssen eine Hochzeit planen.“ Gebe ich ihm Recht.

„Ja und ein Haus suchen, zwei Umzüge über die Bühne bringen und ach ja, falls du dir Sorgen machst wo du arbeiten sollst. Kian stellt dich sofort mit Kusshand wieder ein.“ Er zwinkert mir zu.

„Du machst ganz schön große Pläne.“ Ich gebe ihm die abgekühlte Flasche.

„Mach ich was falsch?“ will er sofort wissen.

Ich sehe ihn an, nehme sein Gesicht in meine Hände und küsse ihn.

„Davon, dass zu tun, wann immer mir danach ist, habe ich beinahe mein ganzes Leben lang geträumt.“ Gestehe ich „Mach du große Pläne, ich werde da sein um sie mit dir zusammen in die Tat umzusetzen.“ Versichere ich ihm.

„Wie konnte ich ohne dich leben?“ er küsst mich und lächelt mich glücklich an.

„Tja, das frage ich mich auch.“ Lache ich und wir gehen ins Wohnzimmer, wo Carl die Ehre zu Teil wird Jake zu füttern, da dieser mittlerweile ziemlich ungehalten ist.

„Ich fahre heute Abend mit Sammy und Jake nach Galway. Wir haben viel zu klären und zu erledigen.“ Taylor sieht in die Runde.

„Aber klar doch. Können wir euch irgendwie helfen?“ Annie sieht uns fragend an.

„Ja.“ Sage ich und Annie erstrahlt „Könnt ihr euch umhören ob gerade Häuser zum Verkauf stehen? Wenn ja, dann könntet ihr bitte einen Termin machen, damit wir sie uns ansehen können.“ Bitte ich sie.

„Aber sicher.“ Freut sie sich.

„Könntet ihr bei der Gelegenheit auch gleich meine Wohnung kündigen?“ Taylor sieht zu seiner Mum und sie nickt selbstverständlich.

„Also keine halben Sachen?!“ neckt sie ihn.

„Nein.“ Sagt er ernst „Nie wieder halbe Sachen.“

„Das ist schön.“ Sie geht zu ihm und nimmt ihn fest in den Arm.

Dann heißt es erst einmal Abschied nehmen und Annie sieht traurig zu Jake.

„Ich denke nächstes Wochenende werden wir hierher kommen und wenn es euch nicht stört von Samstag auf Sonntag bei euch schlafen, dann hast du deinen kleinen Mann wieder.“ Ich grinse sie an.

„Danke Sammy.“ Sie nimmt mich überschwänglich in den Arm.

„Bis nächstes Wochenende.“ Carl drückt mich an sich und schließlich fahren wir zu Ava und Matt. Ich habe kurz mit ihr telefoniert und sie weiß, das wir auf dem Weg nach Galway sind und ich nur noch meine Sachen abholen möchte.

„Bis nächstes Wochenende.“ Verabschiedet sie sich und zwinkert mir zu.

Ich sehe sie verständnislos an.

„Mein Handy hat noch bevor ihr vom Hof gefahren seid geklingelt und ich durfte mir Loblieder über Jake und euch Beide anhören.“ Sie verdreht gespielt gelangweilt die Augen.

„Na dann….“ Winke ich ab.

„Kann mein Auto bei euch bleiben?“ Taylor deutet auf sein Auto und Matt nickt.

„Klar doch.“ Versichert er ihm und Taylor gibt ihm den Autoschlüssel.

„Falls ihr es braucht.“ Fügt er hinzu.

Dann sind wir auf dem Weg nach Galway und ich kann mich an Taylor am Steuer gar nicht satt sehen.

„Was?“ er grinst mich an, als er bemerkt wie ich ihn von der Seite mustere.

„Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Gebe ich zu.

„Gewöhn dich dran.“ Neckt er mich.

„Werde ich… versprochen.“ ich drehe mich um und sehe auf den schlafenden Jake. „Können wir kurz bei Aimee und Ian ran fahren?“ bitte ich ihn als wir das Ortseingangsschild von Galway passieren.

„Aber klar, du musst mich nur lotsen.“ Er zwinkert mir zu und ich erkläre ihm den Weg zu Aimee und Ian.

Ich steige zu erst aus und klingele, ein paar Sekunden später öffnet Ian neugierig die Tür.

„Hey!“ er kommt zu mir und nimmt mich fest in den Arm. „Wie ist die Beichte gelaufen?“

„Ganz gut würde ich sagen…“ ich deute zum Auto aus dem Taylor gerade aussteigt und Jake vom Rücksitz nimmt.

„Wow… so gut, ja?!“ Ian nimmt mich erneut in den Arm.

„Besser.“ Halte meine Hand mit dem Ring hoch.

„Doppel Wow.“ Lacht Ian und zieht mich ins Haus als Taylor und Jake bei uns ankommen.

„Hi ich bin Taylor.“ Stellt dieser sich Ian vor.

„Ich weiß…. Und wie ich das weiß. Du hast großes Glück, das sie dich nach allem noch will.“ Ian reicht ihm die Hand „Ich bin Ian.“

„Ja, ich bin mir bewusst, was für ein Glück ich habe.“ Nickt Taylor und wir gehen ins Wohnzimmer, wo Aimee auf der Couch liegt.

„Aimee Ellis.“ Sagt Taylor grinsend als sie sich hoch hievt „Wow, du platzt ja gleich.“

„Taylor McKenna.“ Sagt sie überrascht und sieht zu mir und wieder zu ihm.

„Er hat endlich eingesehen, das ich die Frau seines Lebens bin…“ ich grinse sie an „Ich meine so richtig.“ Füge ich hinzu und halte ihr meinen Ring hin.

„Oh Sammy!“ sie nimmt mich schluchzend in den Arm.

„Hey, hey…“ ich streiche ihr über den Rücken.

„Er nimmt dich wieder mit nach Sandycove, oder?“ sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.

„Ja…“ gebe ich zu „…Aber wir kommen euch und das Gummibärchen regelmäßig besuchen und ach ja, wenn du am 12.12. noch nichts vorhast, ich bräuchte eine Trauzeugin.“

„Das ist in 14 Tagen.“ Stellt sie fest.

„Ja, schneller ging nicht.“ Taylor zuckt mit den Schultern.

„Komm erst mal her McKenna.“ sie winkt ihn zu sich und schließt ihn in die Arme.

„Und Ellis, können wir auf dich zählen?“ fragt er als sie ihn an sich presst.

„Aber sicher.“ Schnieft sie. „McKenna und Porter heiraten…. Etwas, was ich schon in der 6. Klasse vorausgesagt habe, das lass ich mir nicht entgehen.“

„Sehr gut, Ava wird dich anrufen.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange „Wir müssen los, Jake muss ins Bett und ich muss morgen arbeiten und Eileen das hier…“ ich deute auf Taylor „Das hier.“ Ich halte meine Hand hoch „Und meinen Umzug so schonend wie möglich verkaufen.“

„Viel Spaß!“ wünscht mir Ian und begleitet mich und Taylor zu Tür.

„Wir kommen die Woche nochmal vorbei, wenn es euch nicht stört.“ Ich nehme Ian in den Arm.

„Du und Jake ihr stört nie, das weißt du und an Taylor gewöhnen wir uns schon.“ Er zwinkert Taylor zu und dieser lacht leise.

„Danke für alles Ian.“ Er reicht ihm die Hand.

„Dafür nicht. Pass auf die Beiden auf.“ Sie schütteln sich die Hände und wir gehen zum Auto.

Zu Hause angekommen bestaunt Taylor erst einmal unser Reich und ich stecke Jake in die Badewanne, dann gibt Taylor ihm seine Flasche und wir bringen ihn ins Bett.

„Die Wohnung ist toll.“ Wie lassen uns auf die Couch fallen.

„Ja Ian ist ein begnadeter Innenarchitekt.“ Ich sehe mich um.

„Können wir ihn für unser Haus buchen?“ Taylor zieht mich in seine Arme.

„Er wird uns sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Versichere ich ihm. „Ich muss eben schnell Kathy, Jakes Tagesmutter, anrufen. Ich denke du möchtest ihn die nächsten Tage haben, oder? Dann kann ich ihr auch gleich sagen, das ich Jake zum nächsten Termin abmelde.“ Ich ziehe eine Flunsch und gehe in die Küche zum telefonieren. Als ich alles geklärt habe ist Taylor auf der Couch eingeschlafen und ich wecke ihn vorsichtig.

„Komm, wir gehen ins Bett.“ Ich helfe ihm hoch und wir gehen ins Schlafzimmer.

„Du kommandierst mich rum?“ erwidert er müde.

„Wenn es sein muss, dann ja.“ Ich helfe ihm seinen Pullover auszuziehen und öffne seinen Gürtel.

„Ich bin plötzlich gar nicht mehr müde.“ Er zieht mich fest in seine Arme.

„Taylor.“ Tadele ich ihn. „Du bist fix und fertig und ich auch.“ Ich helfe ihm aus seiner Jeans und entledige mich dann meiner Sachen, ehe ich neben ihn ins Bett husche.

„Lag hier jemals ein anderer Mann in diesem Bett?“ fragt er leise, als ich schon fast eingeschlafen bin und trotz meiner Müdigkeit muss ich grinsen.

„Taylor…“ ich seufze leise.

„Okay schon verstanden.“ Brummt dieser.

„Du bist nach Jake der zweite Mann in diesem Bett.“ Ich drehe mich zu ihm um und küsse ihn zärtlich.

„Es tut mir leid, das ich was mit Jen angefangen habe.“ Sagt er plötzlich.

„Taylor ich bitte dich…“ setze ich an.

„Nein mein Stern, es tut mir leid… okay.“ Sagt er mit Nachdruck.

„Okay.“ Ich kuschele mich wieder an ihn. „Solange ich die letzte Frau bin mit der du das Bett teilst.“

„Auf ewig dein.“ Haucht er mir noch ins Ohr ehe ich langsam ins Land der Träume gleite.

Jake weckt uns um 5:30 Uhr am nächsten Morgen und ich rappele mich müde auf, eigentlich will ich Taylor noch schlafen lassen, aber er steht auf und streckt sich.

„Bleib doch noch liegen.“ Ich gehe zu ihm und nehme ihn in den Arm.

„Nein, nein…“ er küsst mich innig „Jake ist wach und ich will so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen.“ Er legt seine Stirn an meine „Das ist alles so neu und ich will alles mitnehmen.“

„Tut mir leid.“ Ich drehe mich um, um ins Bad zu gehen.

„Bleib hier Samira Porter.“ Sagt er streng und ich fahre herum. „Keine Entschuldigungen mehr.“ Er zieht mich erneut in seine Arme „Ich liebe Dich.“

„Ich dich auch.“ Ich lächle ihn an, ehe sich Jake lautstark bemerkbar macht. „Dein Sohn verlangt nach Aufmerksamkeit.“ Ich küsse ihn kurz und gehe dann ins Bad um unter die Dusche zu kommen.

Als ich aus der Dusche trete und mich abtrockne höre ich Jake immer mal wieder kurz quaken, aber ich gehe nicht hinaus, denn ich muss Taylor die Möglichkeit geben, auch mal alleine mit ihm klar zu kommen.

Ich föhne meine Haare in aller Ruhe und in der Küche warten ein komplett angezogener Jake und ein mehr oder weniger angezogener Taylor auf mich.

„Guten Morgen mein Schatz!“ ich küsse Jake auf den Schopf. „Und wow, Daddy hat dich ja schon angezogen.“

„Ja aber kooperativ sein muss Jakie noch lernen.“ Grinst Taylor und reicht mir eine Tasse Kaffee.

„Ja, der kleine Mann hat seinen eigenen Kopf.“ Lächle ich.

Wir setzen uns an den Tisch und frühstücken eine Kleinigkeit, mir ist flau im Magen, denn ich weiß, ich werde Eileen weh tun und das ist eigentlich das Letzte was ich will…

„So, ich muss los.“ Ich sehe zur Uhr und gehe in den Flur und ziehe mir meinen Mantel über, während Taylor Jake einen Fleeceanzug überzieht und sich selber eine Strickjacke.

Ich setze mich zur Abwechslung mal wieder hinter das Steuer meines Wagens und fahre zum Büro. Ich parke direkt vor der Tür und Taylor und ich steigen aus.

„Viel Glück.“ Wünscht er mir.

„Wenn was ist, dann rufe mich an. Im Kühlschrank stehen zwei gemachte Fläschchen, 30 Sekunden in die Mikrowelle und der kleine Mann ist zufrieden.“ Ich sehe zu Jake der gerade seine Füße entdeckt hat und glücklich juchzt.

„Wir bekommen das schon hin.“ Versichert Taylor mir und ich nehme ihn in den Arm.

„Das weiß ich.“ Ich küsse ihn innig. „Holt ihr mich um 15 Uhr ab?“

„Aber sicher.“ Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr. „Ich liebe Dich.“

„Ich dich auch.“ Ich küsse ihn erneut und gehe dann ins Gebäude, bevor ich durch die Glastür trete, sehe ich mich noch einmal um und Taylor winkt mir grinsend zu, ehe er einsteigt und sich in den fließenden Verkehr einfädelt.

Ich steige in den Fahrstuhl und fahre hoch in den 5. Stock, kaum das ich die Fahrstuhlkabine verlasse kommt Eileen auf mich zu.

„Hey.“ Sie nimmt mich fest in den Arm. „Wie war dein Wochenende?“

„Ereignisreich.“ Gebe ich zu und wir holen uns erst einmal einen Kaffee.

Dann setze ich mich zu Eileen ins Büro.

„Nun erzähl schon.“ Bittet sie mich aufgeregt.

„Taylor weiß von Jake und ist vernarrt in ihn.“ Ich drehe meine Tasse in den Händen.

„Taylor ist also vernarrt in Jake. Kannst du mir dann bitte mal erklären, wie das funkelnde etwas an deine Hand kommt?“ sie deutet auf meinen Verlobungsring.

„Taylor liebt mich Eileen…“ ich zucke entschuldigend mit den Schultern „Wir werden am 12.12. heiraten.“

„Oh Sam, ich freue mich so für dich!“ sie steht auf und nimmt mich fest in den Arm.

„Ich werde zurück nach Sandycove gehen.“ Sage ich leise.

„Das habe ich mir fast gedacht.“ Gibt sie zu und streicht mir über die Wange „Ich wünsche mir nur, das du glücklich bist Sam. Nicht mehr.“

„Ich bin glücklich Eileen, so glücklich wie ich es kaum für möglich gehalten habe.“ Gestehe ich. „Aber ich will dich nicht alleine lassen.“

„Brauchst du doch auch nicht. Wenn du weiterhin die Lohnabrechnung und die Steuer machen könntest, dann könntest du das auch von Sandycove aus tun und da ich davon ausgehe, das du Aimee und Ian des Öfteren besuchen wirst, finden wir schon hin und wieder eine Möglichkeit uns zu sehen. Du sollst dir doch jetzt nicht deinen hübschen Kopf wegen mir zerbrechen. Sei glücklich Sam und genieße es!“ sie strahlt mich an. „Die nächste Woche hast du Urlaub und ich spreche mit unserer Personalleiterin, also mir…“ sie lacht leise „… Kümmere dich um alles, um das du dich kümmern musst, du bist frei gestellt und wenn wir diese Woche die Jahresendabrechnung hin bekommen, dann sehen wir uns Anfang Januar wieder und besprechen deine neuen Aufgaben.“

„Und was sagt dein Mann zu allem?“ ich lege meinen Kopf schief.

„Ich werde ihm das schon so verkaufen, das er im Nachhinein denkt, es war seine Idee.“ Winkt sie ab.

„Ich danke dir Eileen, ich danke dir für alles.“ Sage ich gerührt.

„Du brauchst mir nicht zu danken.“ Sie steht erneut auf und nimmt mich in den Arm. „Und jetzt an die Arbeit, wir wollen doch so schnell wie möglich fertig werden.“ Sie zwinkert mir zu.

Ich setze mich an die Jahresendabrechnung und zur Mittagszeit schiebt mir Eileen ein Sandwich über den Tisch.

„Du sollst ja nicht verhungern.“ Lacht sie.

„Du bist zu gut zu mir.“ Ich beiße beherzt hinein. Mir war bis vor ein paar Sekunden gar nicht bewusst, wie hungrig ich bin…

Ich nehme mein Handy zur Hand und sehe, das Taylor mir eine Nachricht geschrieben hat. Er hat mir ein Bild von sich und Jake beim spielen geschickt. Beide strahlen in die Kamera und mein Herz droht überzulaufen vor Stolz.

Ich gönne mir nur eine kurze Mittagspause, denn obwohl mir die Jahresendabrechnung gut von der Hand geht, werde ich wohl noch einige Tage damit beschäftigt sein…

„Hi Jake.“ Höre ich Eileen juchzen, als ich gerade meinen Computer zum Feierabend runter fahre und sofort beginne ich zu strahlen.

Ich nehme mir meinen Mantel und trete aus meinem Büro.

„Hallo mein Stern.“ Taylor kommt auf mich zu, zieht mich in seine starken Arme und küsst mich.

„Hi mein Held.“ Grinse ich und sehe zu Eileen, die gerade Jake in seiner Babyschale bespaßt.

„Eileen, das ist Taylor.“ Stelle ich ihr Taylor vor.

„Weiß ich, der junge Mann hat sich selber vorgestellt.“ Grinst sie.

„An meinen Manieren sollte nichts auszusetzen sein.“ Lacht Taylor leise „Und wenn doch, Beschwerden bitte direkt an meine Mum.“

Ich entdecke den Blumenstrauß auf Eileens Tisch.

„Ein kleines Friedensangebot, weil ich dich wieder mit nach Sandycove nehme.“ Erklärt mir Taylor.

„Du bist lieb.“ ich streiche ihm über die Wange und er schmiegt sich hinein.

„Das Sam endlich glücklich ist, ist für mich das wichtigste.“ Eileen strahlt uns an. „Natürlich wird sie uns hier fehlen, aber wir haben schon besprochen, wie sie uns erhalten bleibt.“ Sie zwinkert mir zu.

In den nächsten Tagen geht alles Schlag auf Schlag… Das Wochenende bei Annie und Carl ist toll und Taylor und ich genießen unsere freie Zeit und sehen uns verschiedene Häuser an, aber das Richtige ist einfach nicht dabei.

Am Montag schleppen mich Aimee und Ava in ein Brautmodengeschäft und nach dem gefühlten 100. Kleid habe ich es endlich gefunden, mein perfektes Kleid…

Es ist aus weißer Spitze mit einer Korsage und einem leicht ausgestellten Rock. Es ist kein Prinzessinnenkleid aber auch keines im Meerjungfrauenstil. Es ist elegant, nicht zu übertrieben und es sitzt perfekt. Dazu holt mir die Verkäuferin den passenden Schleier und die perfekten Schuhe, dann trete ich hinaus und sehe mich im Spiegel.

Das bin ich.

„Wow Sammy, du siehst wunderschön aus.“ Ava laufen die Tränen übers Gesicht.

„Nicht weinen Ava.“ Bitte ich sie.

„Wenn Mum und Dad dich jetzt sehen könnten.“ Schluchzt sie und ich gehe vor ihr in die Hocke.

„Sie sind hier, sie sehen mich… sie sehen uns.“ Versichere ich ihr und sie lächelt unter Tränen. „Wow, ich heirate in 5 Tagen.“ Ich komme wieder hoch und strahle beide an.

„Ich glaub das immer noch nicht.“ Gibt Aimee zu. „Und ganz ehrlich Sammy, das Kleid ist der Hammer.“

„Danke.“ Ich schicke ihr einen Handkuss „Ich kann es auch kaum glauben. Es ist immer noch ungewohnt neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen.“ Gestehe ich „Er ist so wahnsinnig toll mit Jake, er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab…“ schwärme ich.

„Oh Samy, ihr habt es euch so verdient glücklich zu sein.“ Ava nimmt meine Hand.

„Danke Ava.“ Ich lehne meinen Kopf an ihre Schulter.

„Bereit?“ Carl hält mir seinen Arm hin und ich hole tief Luft.

„Ja.“ Sage ich schließlich und er strahlt mich an, dann ertönt auch schon der Hochzeitsmarsch und ich klammere mich an meinem Brautstrauß aus Lavendel und rosanen Rosen. Die Kirche ist mit den gleichen Blumen geschmückt und der Lavendel verströmt einen beruhigenden Geruch.

Dann sehe ich ihn am Altar stehen und mein Herz setzt einen Schlag aus, es sieht fabelhaft in seinem Smoking aus und ich kann nicht aufhören zu lächeln.

Dann erreichen wir ihn endlich.

„Hier ist dein Mädchen.“ Carl hält Taylor meine Hand hin.

„Danke Dad.“ Er nimmt meine Hand vorsichtig in seine und wir treten an den Altar. Ich bekomme die Rede von Pastor Mullahan nicht wirklich mit, denn ich kann die ganze Zeit nur Taylor anschauen und mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, das er mein Mann ist.

Dann wenden wir uns einander zu und reichen uns die Hände.

„Mein Stern in dunkler Nacht...“ er sieht mich an und ich schlucke schwer „Du bist mit mir durch die dunkelsten Stunden meines Lebens gegangen, du hast mir alles von dir gegeben ohne das ich dich darum bitten musste und ich musste dich erst verlieren, um zu erkennen, das du mein Leben bist. Du bist die Frau die ich liebe, die ich so sehr liebe, das ich mir nicht vorstellen kann auch nur einen weiteren Tag in meinem Leben von dir getrennt zu sein. Du hast mir das größte Geschenk gemacht, welches eine Frau einem Mann machen kann. Du hast mich zu einem Dad gemacht und jedes Mal wenn ich Jake ansehe, dann wird mir erneut bewusst, das ich mehr habe, als ich mir jemals vorstellen konnte. Du machst mich zu einem besseren, wertvolleren Menschen und ich danke dir, das du mich liebst und mich zu deinem Mann nimmst.“ er nimmt meine Hand, küsst hauchzart meine Fingerknöchel und ich schluchze leise.

„Mein strahlender Held in schimmernder Rüstung...“ ich räuspere mich und Ava reicht mir ein Taschentuch „Als wir Jake verloren, da verlor ich auch dich und ich habe so sehr gekämpft um den Taylor, den ich liebe, zurück zu bekommen. Anfangs gelang es mir nicht und dich so zu sehen, brachte mich fast um den Verstand. Ich liebe dich, ich liebe dich so sehr und als ich erfuhr, das ich ein Baby von dir bekomme, da wusste ich vom ersten Moment an, dass das meine Chance... nein unsere Chance ist. Du hast sie genutzt und ich bin unendlich dankbar, dass ich jetzt hier stehe und deine Frau werde. Alles, was ich mir jemals für mein Leben gewünscht habe, das bist du. Worte werden niemals ausdrücken können wie sehr ich dich liebe und wir haben jetzt schon bewiesen, dass wir in guten wie in schlechten Zeiten zusammen stehen. Ich bete, wünsche mir und hoffe, dass wir von jetzt an nur noch gute Zeiten haben, aber ich weiß, auch wenn es nicht so sein sollte, dann bist du an meiner Seite. Ich liebe dich und ich werde dich auch für den Rest meines Lebens lieben.“ ich lächle leicht und sehe ihm in die Augen. Eine einzelne Träne läuft über sein Gesicht und ich streiche sie sanft fort.

„Willst du Taylor Henry MacKenna die hier anwesende Samira Rosemary Porter zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen? Sie lieben und ehren bis das der Tod euch scheidet und ihr guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit wie in Krankheit zur Seite stehen? So antworte Ja, mit Gottes Hilfe.“ Pastor Mullahan reicht Taylor meinen Ring, dieser lächelt und atmet tief durch.

„Ja, mit Gottes Hilfe.“ antwortet er mit sicherer Stimme, streift mir meinen Ring über und ich erwidere unter Tränen sein lächeln.

„Und nun zu dir.“ Pastor Mullahan sieht zu mir „ Willst du Samira Rosemary Porter, den hier anwesenden Taylor Henry MacKenna zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen? Ihn lieben und ehren bis das der Tod euch scheidet und ihm guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit wie in Krankheit zur Seite stehen? So antworte Ja, mit Gottes Hilfe.“ er nickt mir zu und ich sehe zu Taylor.

„Ja, mit Gottes Hilfe.“ antworte ich leise, aber dennoch laut genug und schiebe ihm mit zittrigen Fingern ebenfalls seinen Ring über seinen Finger.

„Dann erkläre ich euch hiermit, vor Gott, euren Familien und Freunden zu rechtmäßig angetrauten Eheleuten. Taylor, du darfst deine Braut jetzt küssen.“ er deutet auf mich und Taylor zieht mich in seine Arme.

„Der beste Tag meines Lebens.“ flüstert er und küsst mich innig.

Anschließend fahren wir mit allen zusammen ins Captains Inn und verbringen einen wundervollen Nachmittag und Abend.

Irgendwann steht Carl auf und verschafft sich Gehör.

„Ich danke euch, dass ihr alle… wenn auch sehr kurzfristig…“ er grinst seinen Sohn an „… heute hier seid um Sammy und Taylor zu feiern. Sammy, du siehst so wunderschön und so glücklich aus, das mein altes Herz vor Freude überlaufen könnte. Du hast uns den Taylor zurück gebracht, den wir lieben und wir werden dir ewig dafür dankbar sein. Taylor, du hast eine wunderbare Frau an deiner Seite, halt sie fest.“ Rät er seinem Sohn „Da ihr uns beauftragt habt nach einem Haus zu schauen, haben wir uns Gedanken gemacht…“ er sieht zu Annie und sie nickt ihm lächelnd zu „… Wir schenken euch unser Haus und wir ziehen in eine Wohnung hier in Sandycove.“

„Aber…“ setze ich an, doch Carl hebt seine Hand um mich zum Schweigen zu bringen.

„Nichts aber, ihr braucht nicht zu diskutieren. Wir haben bereits ab dem 15.12. eine Wohnung, ihr könnt also direkt anfangen zu planen. Wir sind uns bewusst, das an dem Haus einiges zu machen ist, aber so könnt ihr ein Heim für euch und Jake, und viele weitere Kinder…“ er zwinkert seinem Sohn zu „…schaffen. Für uns ist das Haus zu groß geworden und wir wollen auf unsere alten Tage etwas zur Ruhe kommen. Herzlichen Glückwunsch ihr Zwei!“ er erhebt das Glas und prostet uns zu.

„Danke…“ Taylor steht auf und greift nach meiner Hand „Wir danken euch Mum und Dad, es ist wunderbar, das Jake in dem Haus aufwachsen kann, in dem schon ich und Jake aufgewachsen sind und in dem Sammy und Ava einen Großteil ihrer Kindheit verbracht haben. Ich bin ein Glückpilz…“ er lächelt ungläubig „…Nach allem was wir alle im letzten Jahr durch gemacht haben, bin ich dankbar dafür das wir jetzt alle hier zusammen sind und das meine wunderbare Frau an meiner Seite ist. Ohne dich mein Stern, wäre ich nicht mehr hier, ich hätte den für mich am einfachsten Ausweg genommen. Du hast mich gerettet, auf so viele Arten und Weisen. Auch bin ich dankbar, das mir Ava, Matt und auch ihr Mum und Dad…“ er sieht zu ihnen hinüber „…mir verziehen habt. Heute ist der glücklichste Tag in meinem bisherigen Leben.“ Er beugt sich zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Lippen.

Eine einzelne Träne läuft über meine Wange und er streicht sie sanft fort.

„So, jetzt muss ich auch noch was sagen…“ Ava steht auf und lacht leise „Ich mach es kurz…“ sie sieht in die Runde „Euch Beide heute zu sehen festigt meinen Glauben an die wahre Liebe. Ihr seht so unsagbar glücklich aus und seid so ihr selbst, wie schon lange nicht mehr. Ich liebe euch und ich bin stolz auf euch!“ sie erhebt ihr Glas mit Orangensaft. „Auf Sammy und Taylor!“

Nach unserer Hochzeit überschlagen sich die Ereignisse, wir beginnen mit der Renovierung der McKenna Farm, organisieren gleich drei Umzüge, Aimee und Ian werden Eltern des kleinen Pauls, ich beginne wieder bei O’Grady Fish zu arbeiten und arbeite nebenbei auch noch für Green & Ross, Annie und Carl übernehmen die Kinderbetreuung und ich und Taylor werden ein Team was sich blind versteht.

Tatsächlich sind wir zu Ostern mit allen Umbauarbeiten fertig und können Jakes ersten Geburtstag in unserem Haus feiern.

„Was ist los?“ Taylor tritt hinter mich, als ich Jakes Geburtstagstisch betrachte.

„Der sieht komisch aus.“ gebe ich zu.

„Mag daran liegen, das es viel zu viele Geschenke sind und er sich im Endeffekt nur für das Papier interessieren wird.“ Denkt er laut nach.

„Ich verwöhne ihn gerne.“ Ich ziehe eine Schnute und er lacht.

„Der kleine Mann kann dich um den kleinen Finger wickeln.“ Lacht er leise.

„Dich doch auch.“ Wehre ich mich.

„Ja, da gebe ich dir recht.“ Er dreht mich in seinen Armen zu sich um und küsst mich. „Wer kommt morgen eigentlich alles?“

„Ava, Matt und Liv, Aimee, Ian und Paul, deine Eltern, Eileen und Mike und Luke samt Anhang.“ Zähle ich auf.

„Das wird turbulent.“ Grinst er.

„Ja.“ Lächle ich, dann denke ich nach und Taylor entgeht nicht, das meine Gedanken abschweifen.

„Was ist los mein Stern? Du wirst die letzten beiden Tage immer so abwesend.“ Er holt mich mit einem Kuss aus meinen Gedanken.

Ich mache mich von ihm los, gehe an den Schrank und reiche ihm einen Schwangerschaftstest. „Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll… Ich habe mir zig schönere Szenarien vorgestellt, aber es ändert nichts an der Tatsache, das…“

„Oh mein Stern!“ Taylor wirbelt mich herum und küsst mich stürmisch. „Jake wird ein großer Bruder!“ freut er sich.

„Ja, das wird er.“ Ich schmiege mich an ihn.

„Du, Samira MacKenna, bist mein größtes Glück.“ Er legt seine Stirn an meine „Ich freue mich riesig.“ Gesteht er mir.

„Ich mich auch, ich will eine kleine Sam.“ Ich grinse ihn an und er lacht leise.

„Ein kleiner Taylor wäre jetzt aber auch nicht so verkehrt.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände „Egal, Hauptsache gesund. Ich liebe Dich!“

„Ich dich auch!“ ich kann nicht anders wie zu lächeln, als er mich voller Liebe ansieht…

„Du bist der Wahnsinn.“ Raunt er mir ins Ohr.

„Na ja, war ich nicht alleine.“ Grinse ich.

„Eigenlob stinkt.“ Lacht er leise.

 

 

 

 

„Jake? Bist du fertig? Liv und Kaley warten auf dich!“ rufe ich die Treppe hoch.

Es ist kaum zu glauben, dass er heute auf seinen Abschlussball geht. Mein Baby ist kein Baby mehr… Nein er hat sein Abitur in der Tasche und wird bald sein Studium in Dublin anfangen.

Dann kommt er in einem schwarzen Anzug die Treppe runter und mir stehen Tränen in den Augen.

„Wow mein Schatz, du siehst toll aus.“ Als er bei mir ankommt nehme ich ihn fest in den Arm.

„Danke Mum.“ Er drückt mich einen Moment an sich. „Ich muss jetzt los Mum.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Haare, kein Kunststück denn mit seinen 18 Jahren überragt er mich schon ein ganzes Stück, dann tritt er zurück und atmet tief durch.

„Bring Kaley heute Nacht sicher nach Hause.“ Taylor kommt aus dem Wohnzimmer zu uns und grinst seinen Sohn an.

„Wie immer Dad.“ Dieser reckt seinen Daumen in die Höhe.

„Viel Spaß!“ wünsche ich ihm noch, ehe er hinaus geht und zu seiner Freundin und seiner Cousine ins Auto stiegt. Matt wird sie alle nach Waterland fahren und für die Rückfahrt werden sie sich ein Taxi nehmen. Jake wird bei Kaley schlafen, ihre Eltern haben nichts dagegen und nachdem die beiden schon seit über einem Jahr zusammen sind und wir Lori und Ben gut kennen, haben wir natürlich auch nichts dagegen.

„Ich kann es nicht fassen, das er in 2 Wochen nach Dublin zieht.“ Ich lehne mich an Taylor und seufze theatralisch.

„Komm schon mein Stern, noch hast du 2 zum bemuttern, schlimm wird es erst, wenn Joy und Liam ausziehen, dann ist das Nest leer.“ Erklärt er mir.

„Danke auch.“ Schnaube ich.

Liam ist fast 16 und dieses Wochenende bei Aimee und Ian, da er und Paul sich irgendein Fußballspiel ansehen wollen und Ian sich natürlich nicht zwei Mal bitten lässt.

Joy ist 12 und Lana, Ian und Aimees Tochter im gleichen Alter sind beide bei uns, aber da beide freie Wahl auf Netflix und eine Jumbotüte Popcorn haben, werden wir sie wohl nicht zu Gesicht bekommen.

Somit kann ich einen Abend mit meinem Mann genießen… ganz allein.

Ich gönne mir eine kurze Dusche, schaue bei den Mädchen nach dem Rechten und stehe dann an den Türrahmen gelehnt im Wohnzimmer.

„Was machst du mein Stern?“ Taylor schaut vom Videotext auf und grinst mich an.

„Nichts…“ grinse ich und schüttele meinen Kopf.

Ich setze mich neben ihn und er zieht mich in seine Arme „Du hast mich beobachtet.“ Feixt er.

„Wenn du es weißt, warum fragst du dann?“ ich kuschele mich in seine Arme. „Ab und zu kann ich es immer noch nicht fassen, was für ein ungeheureres Glück ich habe.“

„Und ich erst…“ er beugt sich runter und küsst mich „Ich habe dich.“

„Mich, Jake, Liam und Joy.“ Lächele ich.

„Ja, ihr seid mein Leben.“ Er küsst mich erneut und ich seufze genießerisch.

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.12.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinem Mann Maik und meinen zwei wunderbaren Kinder Nicholas & Emilia' (ohne die das Buch bestimmt schon vor 6 Monaten fertig gewesen wäre) Ich liebe Euch!

Nächste Seite
Seite 1 /