„Samantha? Kommst du bitte?“ Dr. Paul Voigt, der Stationsarzt betritt mein Krankenzimmer und ich stehe langsam auf und folge ihm.
Wir gehen ins sein Büro und er bittet mich Platz zu nehmen.
„Wie sieht es aus Doc?“ ich lehne mich leicht zurück und er fährt sich durch seine grauen Haare.
„Dein Blutbild ist unverändert, die Medikamente und die Chemotherapie zeigen nicht die gewünschte Wirkung.“ Erklärt er mir bedauernd.
„Welche Optionen bleiben mir dann noch?“ ich blicke auf und treffe seinen Blick.
Normalerweise würde ich jetzt anfangen zu weinen, aber wenn ich etwas in den letzten 10 Monaten gelernt habe, dann das ich nicht aufgeben darf und das weinen nichts bringt.
Ich habe 4 Chemotherapien und alle Medikamente überstanden… Ich habe keine Zeit aufzugeben.
„Eine Stammzellenspende ist die einzige Option die auf lange Sicht Erfolgversprechend sein könnte.“ Er blättert in seinen Unterlagen. „Am besten von einem Familienmitglied, da sind die Chancen um ein vielfaches höher.“
„Meine Mum ist vor 3 Jahren gestorben, ich kenne meinen Vater nicht und ich habe keine Geschwister.“ Ich zucke mit den Schultern „Meine Tante, mein Onkel und meine beiden Cousins kommen nicht in Frage.“ Sage ich mehr zu ihm wie zu mir.
„Du musst deinen Vater ausfindig machen, er ist deine beste Option.“ Er sieht mich durchdringend an. „Natürlich bleibst du auf der Liste, aber die Chancen dort sind nicht sehr hoch.“
„Auf meiner Geburtsurkunde ist er nicht eingetragen.“ Erkläre ich ihm und er seufzt leise. „Wie lange habe ich noch?“
„Ohne eine Stammzellenspende vielleicht 6 Monate, wenn es gut läuft noch ein Jahr.“ Er steht auf, kommt um seinen Schreibtisch herum und setzt sich neben mich auf den Stuhl. „Ich würde dir so gerne was anderes sagen Samantha.“ Gibt er zu „Frag deine Tante, vielleicht weiß sie mehr, als sie dir bisher gesagt hat.“ Macht er mir Mut und ich nicke leicht.
“Was bedeutet, wenn es gut läuft?“ ich beginne meine langen Haare zwischen den Fingern zu zwirbeln.
Tja, ich gehöre zu den glücklichen, der die Haare nicht ausgefallen sind, da mein Körper nur eine schwache Wirkung auf die Chemotherapie zeigt. Ironischer Weise wird mir genau das jetzt zum Verhängnis.
Kaum zu glauben, das ich mir vor 6 Monaten wirklich darüber Gedanken gemacht habe. Jetzt wäre ich froh, wenn meine Haare ausgefallen wären, denn dann hätte die Chemo auch was gegen den Krebs ausrichten können.
„Wenn es gut läuft heißt, du bleibst bei uns und wir behandeln dich weiter wie bisher.“ Erklärt er mir nun und ich denke einen Moment nach.
„Wie hoch sind die Chancen, das wir etwas damit bewirken?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Ehrlich gesagt nicht sehr gut.“ Gibt er zu.
„Gut, denn ich möchte nicht den Rest meines Lebens hier verbringen.“ Ich nicke leicht „Wann darf ich gehen?“
„Heute Nachmittag oder Morgen früh, ganz wie du möchtest, aber du musst alle 4 Wochen zur Blutabnahme kommen und du musst deine Medikamente weiter nehmen.“ Er reicht mir die Karte des Labors und ein Rezept.
„Danke Doc, ich weiß, sie haben alles versucht.“ Ich stehe auf und reiche ihm meine Hand. „Ich werde gleich gehen.“
„Ich wünsche, ich hätte mehr tun können.“ Er ergreift meine Hand.
„Ich auch.“ Ich lächle ganz leicht.
„Wir sehen uns in 4 Wochen.“ Er sieht mich abwartend an.
„Ja Doc.“ Ich nehme den Türgriff in die Hand und drückte die kühle Klinke runter.
„Es tut mir wirklich leid Samantha.“ Wiederholt er und ich drehe mich in der Tür um.
„Dr. Paul, sie können nicht die ganze Welt retten.“ Erkläre ich ihm und schlucke.
„Ich weiß…“ er steht auf und schließt die Tür hinter mir.
Als ich in meinem Zimmer ankomme, ist meine Zimmernachbarin Amy gerade von ihrer Bestrahlung zurück und liegt auf dem Bett.
„Na, gute Neuigkeiten?“ fragt sie und ich setze mich auf mein Bett.
„Wie man es nimmt…“ gebe ich zu „Ich darf jetzt nach Hause.“
Sie setzt sich aufrecht hin und strahlt mich an. „Das bedeutet sie haben…“ setzt sie an. „Das bedeutet, die Chemo schlägt nicht an.“ ich sehe aus dem Fenster auf den Strand Brightons.
„Und jetzt?“ Amy nimmt meine Hand.
„Entweder ich finde einen passenden Stammzellenspender oder das war’s für mich.“ Ich schlucke schwer.
So langsam dringt die Tragweite dieses Gespräches zu mir durch.
Wenn ich meinen Vater nicht irgendwie ausfindig machen kann, dann werde ich sterben. Mit nur 25 ist mein Leben dann vorbei. Mein Studium und mein Volontariat an der Petersen Grundschule waren umsonst.
Ich werde niemals eine richtige Lehrerin sein.
Amy steht auf und setzt sich zu mir aufs Bett.
„Gib nicht auf Sam.“ sie zwingt mich sie anzusehen und ich blicke in ihre hellblauen Augen. Ihr sind schon nach dem ersten Strahlenblock alle Haare ausgefallen, aber sie macht Fortschritte. Für mich heißt das Haare da - Leben weg, oder Haare weg – Chance auf ein Leben.
„Ich danke dir für die letzten Monate.“ Sage ich leise.
„Ach was, ich danke dir.“ Sie nimmt mich in den Arm „Du wirst nicht sterben Sam, so ein Arsch kann Gott gar nicht sein.“
„Ach nein?“ ich sehe auf „Ich habe kleine Kinder hier sterben sehen. Welchen Plan soll das denn folgen?“
„Einen Plan den wir weder verstehen noch annähernd begreifen können.“ Gibt sie zu.
Ich lehne meinen Kopf an ihre Schulter und eine einzelne Träne läuft über mein Gesicht.
„Ich packe.“ Sage ich schließlich leise und stehe auf.
Es dauert eine Weile bis ich alle meine Sachen in meiner großen Tasche zusammen habe, im letzten 10 Monaten habe ich sie 4 Mal ein und wieder ausgepackt. Vier Chemoblöcke liegen hinter mir… ohne Erfolg.
Ich nehme mir eine Schere vom Tisch und schneide das Krankenhausbändchen, welches meinen Arm ziert, durch. Ich stecke es in die Tasche meiner Jeans und sehe zu Amy.
„Kommst du mich besuchen oder rufst du mich an?“ fragt sie leise.
„Aber sicher.“ Ich gehe zu ihr und drücke sie an mich.
„Wo willst du denn jetzt hin?“ sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Erst einmal zu Kerry und dann zu Dana. Ich hoffe, das ich erst einmal ein paar Tage bei Kerry bleiben kann…“ ich lächle leicht „Ich muss den Rest meines Lebens planen.“
„Bitte sag das nicht so, als ob du schon aufgegeben hast.“ Bittet sie mich eindringlich.
„Ich gebe nicht auf.“ Verspreche ich ihr eher halbherzig, dann winke ich ihr zu und trete hinaus in den Flur.
Langsam gehe ich den langen hellgelb getünchten Flur entlang, ich öffne die Tür zum Schwesternzimmer und winke kurz zum Abschied.
„Es tut mir leid Sam!“ Jess, eine der Krankenschwestern steht auf und drückt mich kurz.
„Ich gebe nicht auf.“ Sage ich eher zu mir wie zu ihr und sie nickt eifrig.
„Das ist die richtige Einstellung.“ Lobt sie mich und ich verlasse endlich die Station, die in den letzten 10 Monaten zu meinem zweiten Zuhause geworden ist.
Wenn ich daran denke, dass vor einem knappen Jahr meine kleine Welt noch in Ordnung war, dann kommt es mir vor wie eine andere Zeitrechnung. Damals habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine erste eigene Klasse unterrichte, wie wohl meine ersten Elternbewertungen ausfallen werden und wann mir Kevin einen Heiratsantrag macht. Dann bekam ich auf Kerrys Geburtstagsparty ganz plötzlich so schlimmes Nasenbluten, das ich ins Krankenhaus musste.
Zwei Stunden nach meiner Einlieferung bekam ich meine Diagnose:
Akute lymphatische Leukämie…
Nur drei Tage später bekam ich meine erste Chemo. Es ging alles so wahnsinnig schnell, das ich gar keine Zeit hatte nachzudenken.
Ohne es wirklich zu bemerken, verlor ich alles.
Ich verlor meine Wohnung, weil ich sie verkaufen musste um die Krankenhausrechnungen zu bezahlen, da nicht alles von meiner Krankenversicherung abgedeckt wurde.
Ich verlor meinen Job, den ich so sehr liebte, weil meine Zukunft ab diesem Tag ungewiss war.
Ich verlor Kevin, weil unsere Liebe wohl nicht annähernd so stark war, wie ich es gedacht hatte.
Er hat nicht einmal auf Wiedersehen gesagt, nach drei Jahren ist er ohne ein Wort zu sagen ausgezogen und ich habe keine Ahnung wo er jetzt ist. Aber das ist auch besser, ich habe genug Sachen um die ich mich kümmern muss.
Kurzum, ich verlor wirklich alles…
Selbst mein Auto verkaufte ich, steckte das Geld in die Therapien und hoffte darauf, dass mein Körper gegen den Feind ankämpft.
Aber er kämpft nicht, er hat sich dazu entschlossen es nicht zu tun und ich kann nichts daran ändern.
Aber was soll ich auch mit einem Auto, wenn ich es wegen meiner Medikamente sowieso nicht fahren darf?
Ich trete hinaus in die Maisonne Brightons und schließe einen Moment die Augen und atme die kühle Meeresluft ein.
Ich muss lernen meine letzten Monate bewusster zu verbringen.
Nichts ist selbstverständlich… Gar nichts.
Die Sonne prickelt leicht auf meiner Haut und einen kleinen Moment genieße ich dieses wunderbare Gefühl.
Dann atme ich tief durch, winke mir ein Taxi heran und lasse mich zu Kerry bringen.
Kaum das ich auf den Klingelknopf gedrückt habe ertönt ihre fröhliche Stimme.
„Kerry hier.“ Flötet sie.
„Ich bin’s Sam. Kann ich hoch kommen?“ frage ich leise und nur halb so fröhlich.
„Was machst du denn hier?“ freut sie sich „Klar, komm hoch.“ Der Summer ertönt und ich lehne mich gegen die Tür.
Ich bin völlig außer Atem als ich im 5. Stock ankomme und Kerry sieht mich sofort besorgt an.
„Ich muss echt was für meine Kondition tun.“ Ich verziehe mein Gesicht und sie nimmt mir meine Tasche ab.
„Was machst du denn hier?“ fragt sie erneut.
Ich ziehe meine Turnschuhe aus und hole mir erst einmal eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.
„Sam? Du machst mich nervös.“ Kerry drückt mich auf den Stuhl und ich sehe sie lange an.
„Ich werde sterben Kerry.“ Sage ich leise und sie reißt ihre Augen auf. „Aber…“ setzt sie an.
„Die Chemo schlägt nicht an. Die einzige Möglichkeit die ich noch habe ist eine Stammzellenspende…“ ich atme tief durch „… am besten von meinem Vater, von dem ich nicht einmal den Namen weiß. Du siehst also….“
„Nein Sam, das kann nicht sein.“ Sie zieht mich in ihre Arme und fängt an zu weinen „Ich will dich nicht verlieren.“
„Ich will nicht weg.“ Gebe ich zurück „Aber sag mir bitte, was ich tun soll?“ ich zwinge sie mich anzusehen „Ein halbes Jahr noch, wenn ich ganz viel Glück habe vielleicht noch ein Jahr. Aber nur mit meinen Medikamenten, ohne weiß ich es nicht.“ Ich sehe in ihre dunkelgrünen Augen. „Was soll ich tun?“ frage ich mit zittriger Stimme.
„Oh Sam!“ sie drückt mich erneut an sich „Wir fahren jetzt zu Charlie, sie muss uns alles sagen, was sie über deinen Dad weiß.“ Bestimmt sie und wischt sich trotzig ihre Tränen weg.
„Ich lasse dich nicht sterben.“ Sagt sie sicher.
„Ich habe mich nie getraut mit Dana über meinen Vater zu sprechen…“ gestehe ich ihr „Sie und Mum sind immer ganz komisch, wenn ich es dann doch mal gewagt habe.“
„Dein Leben steht auf dem Spiel und wenn Dana noch so komisch ist… Sie wird uns jetzt alles sagen.“ Sie geht in ihr Schlafzimmer und zieht sich eine Jeans und ein T-Shirt an, ehe sie in ihre Turnschuhe schlüpft und sich ihre langen blonden Locken im Nacken zusammen bindet.
„Komm.“ Sie hält mir ihre Hand hin und ich ziehe meine Turnschuhe ebenfalls an.
Die Fahrt von Brighton nach Dartford, einem Stadtteil von London, dauert eine knappe Stunde und wir beide schweigen.
In den letzten Monaten habe ich gemerkt, das Kerry und ich gut schweigen können und das es genau das ist, was wir manchmal einfach brauchen.
Sie ist im letzten Jahr nicht von meiner Seite gewichen.
Sie war da, als ich mir nach der ersten Strahlenbehandlung die Seele aus dem Leib gekotzt habe.
Sie war da, wenn ich Schmerzen hatte, weil die Medikamente alle Schleimhäute angreifen.
Sie war auch da, wenn ich gute Tage hatte, dann sind wir in den Park gegangen und sie hat mich einfach nur in den Arm genommen.
Sie hat mich Weihnachten mit zu ihren Eltern nach Schottland genommen und ich habe dort ein wirklich wunderschönes Fest erlebt. Silvester waren sie und Jonas, mein Cousin, bei mir in der Klinik. Sie haben mir die Hand gehalten, weil ich von der Therapie so schläfrig war. Sie haben für mich darauf verzichtet, zu irgendeiner Party zu gehen.
Kerry war immer da und ich weiß es zu schätzen…
Ich merke, wie sehr sie das jetzt trifft, ich weiß, sie will mich nicht verlieren.
Wir kennen uns unsere ganzen Leben lang, schon im Kindergarten waren wir die besten Freundinnen.
„Ich danke dir Kerry.“ Sage ich leise und sie sieht mich erstaunt an.
„Wofür?“ sie hält an einer Ampel und ich nehme ihre Hand.
„Ich danke dir, dass du immer an meiner Seite bist. Ich weiß, das du für mich auf vieles verzichtet hast und ich dir viel zu selten sage, das ich dich lieb habe.“ Ich lächle ganz zaghaft und ihr stehen Tränen in den Augen.
„So einen Scheiß machst du jetzt nicht Samantha Flynn…“ sie drückt meine Hand „Die Zeit für Verabschiedungen und Zugeständnisse ist noch längst nicht da.“ Sie nickt und räuspert sich. „Ich danke dir Sam.“ Fügt sie dennoch hinzu.
Ich will was erwidern, aber sie drückt erneut meine Hand.
Ich verstehe diese Geste, sie will dieses Thema jetzt nicht weiter vertiefen.
Nicht jetzt und nicht hier.
Als wir bei Dana vor dem Haus parken, kommt diese sofort aus der Haustür.
„Sammy? Warum hast du nicht angerufen?“ begrüßt sie mich und nimmt mich in den Arm.
„Tut mir leid Dana.“ Erwidere ich und kaue auf meiner Unterlippe.
„Kerry!“ nun nimmt sie auch diese in den Arm.
„Bist du alleine?“ fragt Kerry und Dana nickt verwundert.
„Ja, Jonas ist in der Uni, Mitchell in der Schule und Greg ist noch im Büro.“ Sie bittet uns herein und wir ziehen im Flur unsere Turnschuhe aus.
„Setzt euch, ich hole uns einen Tee.“ Sie geht in die Küche, während Kerry und ich uns ins Wohnzimmer setzen. Dieses Haus ist so typisch englisch, das es schon fast in den Augen weh tut. Ich meine, Dana ist erst 45, aber hier sieht es aus wie früher bei meinen Großeltern. Rüschen, Blümchenmuster und geschwungene Möbel soweit das Auge reicht.
Das sie jetzt mit einem kleinen Tablett auf dem ein Teeservice steht zurück kommt, fügt sich gespenstisch gut ins Bild.
Sie schenkt uns Tee ein und setzt sich uns gegenüber in den Sessel.
„Warum bist du hier und nicht im Krankenhaus?“ in ihrem Blick liegt Besorgnis, aber sie hat mich in letzter Zeit niemals wirklich anders angeschaut.
Es ist schon zur Gewohnheit geworden… alle sehen sie mich so an.
„Ich brauche Antworten…“ ich stelle meine Tasse mit zittrigen Händen ab. „… Wenn ich sie nicht bekomme, dann werde ich sterben.“
„Was meinst du?“ ihre Augen werden groß und ich sehe die Tränen darin aufsteigen.
Sie hat die gleichen Augen wie meine Mum, himmelblau und wunderschön und ich schlucke schwer.
„Ich brauche den Namen meines Dads oder alles was du über ihn weißt.“ Bitte ich sie.
„Sammy…“ sie seufzt leise.
„Hör’ zu Dana, es geht um mein Leben…“ ich beuge mich zu ihr und nehme ihre Hände in meine „Eine Stammzellenspende ist die einzige Option, die mir noch helfen kann. Ansonsten habe ich, wenn ich Glück habe, noch ein Jahr.“ Das erste Mal an diesem Tag steigen mir selber Tränen in die Augen „Sie können nichts mehr tun, die Chemotherapien schlagen nicht an.“
Sie steht auf, wischt sich verstohlen ihre Tränen weg und geht hinaus.
Die Tränen beginnen nun zu laufen.
Unaufhaltsam… und Kerry setzt sich neben mich und streicht mir über den Rücken.
Dana war meine letzte Option…
Dann plötzlich kommt sie zurück und hält einen Umschlag in den Händen.
„Ich dachte, ich werde es nie tun müssen…“ setzt sie an und nimmt wieder Platz. „Bevor ich dir deine Original Geburtsurkunde gebe, solltest du etwas wissen.“ Sie öffnet den Umschlag „Die Eltern deines Vaters haben deiner Mum, als sie schwanger wurde, viel Geld bezahlt, damit sie ihn daraus lässt. Er weiß nichts von deiner Existenz und sie musste das Land verlassen.“ Erklärt sie mir und ich lege meinen Kopf schief.
„Dein Vater ist ein Lord von Irgendwas in Irland und als deine Mum schwanger wurde, da war sie gerade 17. Sie hatten sich auf einer Ranch kennen, sie war mit Mum und Dad dort über den Sommer und sie hat sich schließlich Hals über Kopf in ihn verliebt. Er war damals 22 und als seine Eltern von deiner Mum erfuhren, da versuchten sie alles um die Beiden zu trennen. Dann wurde sie schwanger, nachdem sie gerade Mal 2 Monate zusammen waren…“ sie wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel „… Noch ehe sie wusste wie ihr geschah, saß sie in einem Flugzeug hierher nach London zu deinen Großeltern… Mit 250.000 Pfund und einem gebrochenen Herzen. Sie hat nie wieder jemanden geliebt, außer dir…“ Sie lächelt leicht und reicht mir ein Schriftstück, welches sich Als Abfindungsvertrag heraus stellt und ich überfliege ihn. Die Eltern meines Vaters wussten augenscheinlich wie man sich kleinerer Probleme effektiv entledigt.
„Als du geboren wurdest, da hat deine Mum aus Trotz deinen Vater eintragen lassen und hat diese Kopie der Geburtsurkunde gemacht….“ Sie reicht mir ein weiteres Schriftstück „Nur 2 Tage später war dein Vater aus der offiziellen Geburtsurkunde gelöscht und deine Mum bekam einen Brief, indem ihr die Eltern deines Vater eine Klage androhten, sollte sie so etwas noch einmal wagen.“
Ich halte das Blatt Papier in meinen zittrigen Händen.
Kind: Samantha Cassandra Flynn
Mutter: Hailey Rose Flynn
Vater: Andrew Thomas Stewart, Lord of Enniscrone
„Andrew Thomas Stewart…“ sage ich leise und sehe zu Kerry.
Nach 25 Jahren hat mein Vater nun endlich einen Namen.
So schön es auch ist, mit alledem hier wird es nicht einfacher an ihn heran zu kommen und ihn zu überzeugen, das ich seine Tochter bin.
Er weiß nichts von meiner Existenz und sollten seine Eltern noch am Leben sein, werden sie wohl alles versuchen, damit das auch so bleibt.
„Was hast du jetzt vor?“ Kerry nimmt meine Hand.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu.
„Hier ist die Adresse.“ Dana reicht mir ein Foto auf dem ein wunderschönes Schloss abgebildet ist. „Das ist Enniscrone Castle.“ Fügt sie hinzu und ich drehe das Bild um.
„Das Schloss ist ja riesig…“ sagt Kerry staunend „Ich denke nicht, dass du ein Problem haben wirst es zu finden.“ Fügt sie hinzu und tatsächlich huscht mir ein lächeln übers Gesicht.
„Was soll ich machen? Ich kann doch da nicht einfach auftauchen.“ Ich zucke mit den Schultern und atme tief durch.
„Tut mir leid, wenn ich das jetzt so sage…“ Kerry zieht ihre Augenbrauen hoch „Aber du hast keine Wahl.“
Ich weiß sie hat Recht, aber wie stellt sie sich das vor?
Soll ich an die Tür klopfen und sagen da bin ich?
Wohl kaum…
Ich sehe unsicher zu Dana.
„Hier Sammy.“ Sie reicht mir eine Kreditkarte „Das meiste Geld ist schon für deine Behandlung drauf gegangen, aber es sind noch 20.000 Pfund drauf. Flieg hin und rede wenigstens mit ihm. Ich will nicht, das du sterben musst, weil seine Eltern deine Mum nicht für angemessen gehalten haben.“
„Dana hat Recht, du musst da hin. So schnell wie möglich.“ Pflichtet Kerry Dana bei und ich sehe unsicher von ihr zu Charlie.
„Aber…“ setze ich an.
„Nein Sam, darüber diskutiere ich nicht.“ Kerry winkt ab und auch Charlie schüttelt ihren Kopf.
„Kerry…“ ich seufze leise „Dana… Wie stellt ihr euch das denn bitte vor?“
„Wir fahren jetzt zu mir, suchen dir einen Flug und dann sehen wir weiter.“ Bestimmt Kerry und Dana nickt mir zu.
„Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren.“ Charlie setzt sich auf die Lehne meines Sessels und zieht mich in ihre Arme. „Bei deiner Mum konnte ich nichts tun, aber dein Kampf ist noch nicht vorbei.“ Sie küsst meine Stirn.
„Danke Dana.“ Gebe ich gerührt zurück.
„Mum?“ ertönen die Stimmen von Jonas und Mitchell und wir wischen uns alle unsere Tränen beiseite.
„Mum? Ich habe Mitch nach der Uni gleich mit gebracht, ich hoffe das ist in Ordnung.“ Wir hören wie die Beiden ihre Schuhe ausziehen.
„Mum? Haben wir Besuch?“ Mitchell geht in die Küche.
„Wohnzimmer.“ Sagt Dana schließlich.
Dann stürmen die Beiden das Wohnzimmer und bleiben, Als sie mich entdecken, im Türrahmen stehen.
„Sammy!“ strahlt der 17jährige Mitchell und kommt zu mir gelaufen.
Ich stehe auf und lasse mich von ihm in den Arm nehmen.
„Hey Großer. Alles gut?“ ich struvele ihm durch seine hellblonden Haare und er grinst mich an.
„Ja. Es ist schön dich zu sehen.“ Er hält mich fest an sich gepresst.
„Es ist auch schön dich zu sehen.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
„Baby!“ Jonas erscheint hinter ihm und ich sehe in seine tiefblauen Augen.
„Jonas…“ flüstere ich und Mitchell lässt mich los, damit sein Bruder mich umarmen kann.
„Du siehst blass aus.“ Stellt er fest und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Ich bin hier, das zählt doch, oder?“ ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und er hält mich fest.
Jonas ist 23, er und ich hatten schon immer einen ganz besonderen Draht zueinander. Wir sind wie Geschwister aufgewachsen und so lange ich mich erinnern kann, war immer er es, der, neben Kerry natürlich, alle meine Geheimnisse kannte und dem ich ohne darüber nachzudenken mein Leben anvertrauen würde.
Oh mein Jonas…
Er ist fast einen Kopf größer wie ich und hat mich immer beschützt. Ihn traf es schwer, als die Krankheit bei mir diagnostiziert wurde und er verbrachte viel Zeit an meinem Bett und mit Kerry. Sie bauten sich gegenseitig auf, wenn ich keine Kraft mehr hatte.
„Warum bist du hier?“ fragt er leise und ich sehe auf.
Ich will ihn nicht anlügen und ich weiß, selbst wenn ich es versuchen würde, er würde mich durchschauen.
„Ich durfte heute nach Hause.“ Sage ich leise.
Er setzt sich auf den Sessel von dem ich aufgestanden bin und zieht mich auf seinen Schoß.
„Was ist los?“ fragt er leise und ich schlucke.
„Die Chemotherapien schlagen nicht an…“ ich zucke mit den Schultern und er küsst meine Stirn. „Ich habe nur noch eine Chance… Meinen Vater.“
„Deinen Vater?“ er sieht mich erstaunt an.
„Ja, ich habe ein paar Informationen bekommen und jetzt werde ich zu ihm fliegen.“ Erkläre ich ihm und er hält mich an der Hüfte fest.
„Wohin?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Irland.“ Antwortet Kerry für mich.
„Dein Vater ist also Ire?“ Jonas sieht zu seiner Mum und diese nickt.
„Besonders irisch siehst du ja nicht aus.“ Er knufft mich leicht und ich grinse ihn an.
„Weil du ja wie ein Engländer aussiehst.“ Erwidere ich und verdrehe die Augen.
Jonas und ich haben beide braune Haare und dunkelblaue, fast schwarz wirkende Augen. Meine Mum und Charlie rechnen das dem Zustand zu, dass unsere Grandma aus Italien nach England kam. Wir sind also zu einem Viertel italienisch, auch wenn man das Mitchell und Dana nicht ansieht, denn die haben ausschließlich die englischen Gene unseres Grandpas geerbt. Blond, hellblaue Augen und reichlich blass um die Nase.
„Wir sollten los. Wir müssen dir einen Flug besorgen und deine Medikamente abholen.“ Kerry sieht mich prüfend an und ich nicke leicht.
„Meld dich bitte.“ Dana steht auf und ich erhebe mich ebenfalls von Jonas’ Schoß um sie in die Arme zu nehmen.
„Versprochen.“ Flüstere ich ihr ins Ohr.
„Pass auf dich auf.“ Jonas bringt mich und Kerry zur Tür und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.
„Mach ich.“ Verspreche ich ihm und er küsst meine Stirn.
„Ich bin immer da.“ Er sieht mich ernst an und ich nicke leicht.
„Das weiß ich und ich danke dir.“ Ich drücke ihn erneut und ziehe dann meine Jacke über.
„Ich komme heute Abend vorbei.“ Er sieht zu Kerry und diese nickt.
„Klar doch.“ Erwidert sie.
Dann nimmt er auch Kerry in den Arm und wir winken Mitchell zu, ehe wir raus gehen und uns ins Auto setzen.
„Sollen wir zum Flughafen? Die haben immer ganz gute Last Minute Angebote.“ Kerry startet den Motor und ich denke einen Moment nach.
„Klar, wieso nicht.“ Ich schnalle mich an und wir fahren in Richtung Flughafen.
Tatsächlich verlasse ich eine knappe Stunde später das große Gebäude des London Heathrow mit einem Flugticket nach Dublin, in weniger wie 24 Stunden werde ich also irischen Boden unter den Füßen haben.
„So, wir müssen deine Medikamente abholen.“ Stellt Kerry fest und wir machen uns auf den Rückweg nach Brighton.
Kurz bevor die Apotheke schließt stürme ich herein und die Apothekerin händigt mir meine Medikamente aus. Sie will gerade zu einer langen Erklärung ansetzen, als ich meine Hand hebe.
„Vielen Dank, aber ich nehme die jetzt schon länger. Ich weiß, was ich beachten muss.“ Ich nicke ihr zu und sie reicht mir die Tüte.
„Hast du alles bekommen?“ Kerry sieht mich fragend an, Als ich wieder zu ihr ins Auto stiege.
„Ja, sie hatten alles da.“ Gebe ich zurück und sie nimmt meine Hand.
„Das alles wird irgendwann ein Ende haben.“ Verspricht sie mir.
„Ja… So oder so.“ gebe ich zurück und sie seufzt leise.
„Bitte tu das nicht Sam…“ bittet sie mich schwach.
„Es tut mir leid.“ Sage ich leise.
„Du wirst nach Irland fliegen, du überzeugst deinen Vater dir Knochenmark zu spenden und dann wirst du ein langes Leben vor dir haben.“ Sie nickt und ich sehe wie sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischt.
Sie ist längst nicht so stark, wie sie es mir weis machen will.
„Jonas hat mir geschrieben, er ist in einer Stunde bei mir.“ Sagt sie nun um das Thema zu wechseln.
„Sollen wir noch einkaufen?“ ich sehe zu ihr und sie denkt einen Moment nach.
„Ja, ich brauche eine große Portion Eis und wie ich Jonas kenne, er auch.“ Sie sieht mich an und wir lächeln beide.
Diese Momente sind in letzter Zeit viel zu selten geworden, wir sind viel zu Ernst und ich würde es so gerne ändern.
Aber wie?
Wir fahren also noch kurz einkaufen und dann sitzen wir auch schon auf der Couch in ihrer Wohnung.
Wir sind beide von diesem Tag erschlagen und ich starre hinaus auf die Stadt.
Ich bekomme gar nicht mit wie es klingelt und nehme Jonas erst wahr, als er mir einen Becher mit meinem Lieblingseis, Schokolade mit Nuss, in die Hand drückt.
„Hey Baby!“ er haucht mir einen Kuss auf die Haare und setzt sich neben mich.
„Hey.“ Ich versuche zu lächeln, weiß aber, dass mir das nicht wirklich gelingt.
Was macht man, wenn einem gesagt wird, das man noch höchstens ein Jahr zu leben hat?
Welche Reaktion wäre normal?
Und vor allen Dingen, was ist normal?
Völlig in Gedanken stochere ich in meinem Eis herum.
„Wisst ihr wovor ich am meisten Angst habe?“ ich sehe auf und direkt in Jonas’ Augen, dann sehe ich zu Kerry und beide schütteln mit dem Kopf.
„Das ich da ankomme und eine heile Familie zerstöre. Das er mich nicht sehen will und das er sein Knochenmark nicht spendet…“ beginne ich und schlucke schwer „Was, wenn mir da drüben was passiert? Was, wenn ich da ganz alleine sterben werde?“
„Das wirst du nicht…“ Kerry nimmt meine Hand „Wenn dir irgendetwas zustoßen sollte, dann hast du dein Notfallarmband bei dir. Sie werden mich oder Jonas sofort anrufen und wir werden zu dir kommen.“ Verspricht sie mir und deutet auf mein Armband, welches sie mir nach der ersten Chemo geschenkt hat. Es hat einen kleinen Anhänger mit einem roten Kreuz darauf und wenn man es ausklappt, dann findet man die Kontaktdaten von ihr und Jonas.
„Du wirst niemals alleine sein…“ Jonas nimmt meine Hand und legt seine andere auf mein Herz „Wir sind immer hier drin.“ Er lächelt unter Tränen.
„Ich danke euch so sehr.“ Ich lehne mich an seine Schulter und er streicht mir über den Kopf. Kerry legt sich in meinem Schoß und wir verbringen meine vorerst letzte Nacht in England zusammen gekuschelt auf der Couch.
Das ist schön…
An solche Momente will ich mich erinnern.
Immer.
Am nächsten Morgen ist es dann doch etwas hektisch und ich schaffe es gerade noch so eine Kleinigkeit zu essen, denn ohne Essen darf ich meine Medikamente nicht nehmen.
Ehe ich mich versehe fahren mich Jonas und Kerry zum Flughafen. Jonas lässt heute seine Vorlesungen ausfallen und Kerry hat sich extra einen Tag frei genommen.
Am Flughafen helfen sie mir meine Tasche einzuchecken und drücken mir einen Busfahrplan in die Hand, mit dem ich mich in Irland zu Recht finden soll.
„Ich habe mal geschaut, du musst mit der Linie 23 nach Sligo und von da aus mit der 458 weiter nach Enniscrone. Der Bus fährt um 23:38 Uhr direkt am Flughafen ab und du bist dann morgen 16:25 Uhr in Enniscrone. Ich habe es dir angestrichen.“ Jonas grinst mich an.
Er kennt mich eben, Pläne lesen gehörte noch nie zu meinen Stärken.
„Ich liebe Dich.“ Ich nehme ihn mit Tränen in den Augen in den Arm.
„Ich dich auch Baby.“ Er räuspert sich an meiner Schulter und ich weiß, er will mir nur nicht zeigen, das ihm das hier Nahe geht.
„Und dich auch Kerry.“ Ich sehe zu Kerry und sie wischt sich ihre Tränen schnell weg.
„Ich vermisse dich jetzt schon.“ Gibt sie zu.
„Ich bin erst einmal nur für 2 Wochen weg. Vielleicht länger, aber das entscheide ich spontan.“ Ich drücke beiden einen Kuss auf die Wange, wische Kerrys Tränen weg und drehe mich dann um, um zum Check in zu gehen.
Als ich mich umdrehe und sehe, dass Jonas nun auch weint, da laufe ich zurück und werfe mich in seine Arme.
Ich kann Jonas nicht weinen sehen, denn dann bricht mein Herz…
„Geh endlich…“ sagt er nach ein paar Minuten erstickt und ich sehe beide prüfend an.
„Ich passe auf ihn auf.“ Verspricht mir Kerry und ich weiß, sie wird ihr Wort halten.
„Danke.“ Ich schlucke schwer und laufe dann zum Check in, mein Flug wurde schon zwei Mal ausgerufen und ich denke nicht, das sie ihn für mich ein drittes Mal ausrufen werden.
Ich reiche der Stewardess mein Ticket und sie führt mich zu meinem Platz, keine halbe Stunde später sehe ich London unter mir verschwinden. Es ist das erste Mal, das ich England verlasse und da ich nicht weiß, was mich erwartet bin ich wirklich nervös.
Nach der Ankunft in Dublin muss ich mich beeilen meinen Bus zu bekommen und ich mache drei Kreuze, Als ich im richtigen Bus sitze und meine Augen einen Moment schließen kann, nachdem ich meine Tabletten genommen habe.
Als ich wieder aufwache ist es finstere Nacht und ich hole meinen Laptop aus meinem Rucksack und suche alles heraus, was ich über die Familie Stewart und Schloss Enniscrone finden kann.
Das ist einschüchternd… echt jetzt.
Meine Grosseltern leben noch, aber soweit ich das lesen kann, wohnen sie nicht mehr auf Schloss Enniscrone, sondern irgendwo in der Nähe von Dublin, da mein Vater alle mit dem Titel anfallenden Verpflichtungen schon vor längerer Zeit übernommen hat.
Er hat geheiratet… 2 Jahre nachdem meine Mum zum gehen gezwungen wurde. Eine gewisse Evelyn, die jetzt den Titel Duchess of Enniscrone trägt. Sie haben einen Sohn zusammen, der noch vor der Hochzeit geboren wurde, aber dessen Name nirgendwo zu finden ist. Sie sind sehr auf ihre Privatsphäre bedacht und es gibt kaum Fotos.
Ich klicke mich durch die Seite vom Schloss und plötzlich stockt mir der Atem, ich sehe meinen Vater zum ersten Mal.
Groß, breite Schultern, blaue durchdringende Augen und hellbraune, dichte Haare, die er für das Foto nach hinten gekämmt trägt. Er trägt irgendeine Uniform, die wohl zu seinem Titel gehört und die Frau neben ihn lächelt freundlich in die Kamera, während man ihm ansieht, dass ihm das ganze nicht wirklich behagt.
Lord Andrew of Enniscrone & Duchess Evelyn of Enniscrone
Steht in fettem Buchstaben unter dem Bild und ich betrachte es einen Moment. Meine Augenpartie habe ich von ihm, auch wenn meine Augen um einiges dunkler sind.
Ich kann schlecht einschätzen, was für ein Mensch er ist, aber wer kann das schon nur von einem Foto her?
„Miss? Sie müssen gleich umstiegen.“ Der Busfahrer dreht sich zu mir um und ich nicke ihm dankbar zu. Mittlerweile ist es schon wieder hell, ich habe brav meine Morgentabletten genommen und eine Kleinigkeit gegessen, nachdem wir einen kurzen Stopp an einer Raststätte gemacht haben. Gleich werde ich meine Mittagstabletten nehmen, denn zum Glück habe ich mir ein Sandwich mitgenommen.
Ich packe meinen Laptop in den Rucksack und ziehe meine Jacke an.
„Vielen Dank.“ Ich lächle den Busfahrer freundlich an, Als ich aussteige und erwidert es.
„Gern geschehen, der Bus nach Ballina kommt in ein paar Minuten.“ Er schließt die Tür und ich stelle meinen Rucksack auf einer Bank ab. Tatsächlich kommt der andere Bus nur Augenblicke später und ich stiege ein, reiche dem Busfahrer meine Karte.
„Können sie mir Bescheid sagen, wenn wir in Enniscrone sind?“ bitte ich und er lächelt.
„Aber sicher Miss.“ Versichert er mir und ich setze mich nicht weit weg von ihm.
Jetzt liegen nur noch knapp zwei Stunden Fahrt vor mir, dann bin ich da.
Und dann?
Ich habe keine Ahnung…
Ich betrachte die vorbeiziehenden Felder und kleinen Cottages, es ist wirklich wunderschön hier und dass die Sonne heute vom fast wolkenlosen Himmel strahlt, macht es fast perfekt.
Perfekt für was?
„Miss, wir sind gleich da.“ Der Busfahrer dreht sich zu mir um und ich nicke kurz.
Dann stehe ich in Enniscrone auf dem Marktplatz und sehe mich suchend um. Ich entdecke einen Bäcker und beschließe nach dem Weg zu fragen.
Die Glocke über der Tür klingelt leise als ich eintrete und eine ältere Dame sieht mich lächelnd an.
„Wie kann ich ihnen helfen Miss?“ fragt sie sogleich.
„Können sie mir den Weg zum Schloss Enniscrone sagen?“ erwidere ich und ringe mich zu einem lächeln durch.
„Aber sicher. Das ist knapp 3 Kilometer die Straße runter. Sie können es gar nicht verfehlen.“ Sie deutet nach draußen und ich nicke dankbar.
Weil ich ein schlechtes Gewissen habe, kaufe ich noch zwei Croissants und mache mich dann auf den Weg. Ich schnalle mir meinen großen Rucksack auf den Rücken und beginne die Sonne allmählich zu verfluchen, denn mir ist ganz schön warm.
Dann sehe ich es… Ein aus weißem Kalkstein gebautes, riesiges Schloss.
Wow, das ist wunderschön und das Meer im Hintergrund macht es zu einem perfekten Postkartenmotiv. Als ich dann am großen Tor ankomme, da weiß ich wirklich nicht, wie ich die ganze Sache hier angehen soll.
Was soll ich sagen?
Ich stelle meinen Rucksack ab und atme tief durch.
„Hallo? Sind sie die Stallhilfe die die Agentur geschickt hat?“ eine Frau, ein wenig älter wie ich kommt zum Tor.
„Ähm…“ setzte ich an.
„Wir hätten nicht gedacht, dass so schnell jemand kommen kann.“ Sie öffnet das Tor und strahlt mich an.
„Ich bin…“ versuche ich es erneut.
„Komm doch erst einmal mit.“ Sie nimmt meinen kleinen Rucksack, während ich meinen Großen wieder auf den Rücken schnalle und ich folge ihr notgedrungen. „Ich zeige dir am Besten deine Unterkunft und dann machen Harry und ich dich mit allem vertraut. Ich bin übrigens Jane.“ Sie dreht sich lächelnd zu mir um und ihre roten Locken schwirren um ihren Kopf.
Wir laufen durch eine Parkanlage und erreichen schließlich die Stallungen und ein großes Nebengebäude.
also das ist mal imposant…
„Na komm schon rein.“ Sie betritt das Gebäude und hält mir die Tür auf. „Wie heißt du eigentlich?“ sie stellt den Rucksack im riesigen Flur ab.
„Samantha.“ Erwidere ich.
„Freut mich Samantha.“ Sie nimmt mir meinen Rucksack ab und stellt ihn zu dem Kleineren.
„Sam.“ Erwidere ich und sehe mich staunend um.
„Das ist der Dienstbotentrakt. Eigentlich gibt es so etwas nicht mehr und wir nennen es eher Westflügel.“ Sie zwinkert mir zu „Hier wohnen Harold, mein Mann, unsere Kinder William und Cara und ich. Auch John der Koch, Hannah die Haushälterin und Marianne die Hausdame wohnen hier. Eigentlich ist es eher eine Wohngemeinschaft, es sind ja fast alle nur im Sommer hier…“ sie geht mir voran in einen großen Aufenthaltsraum „… Harry, die Kinder und ich wohnen das ganze Jahr hier, aber die anderen haben wie du nur eine Sommerstelle, da der Lord und die Duchess im Winter in Dublin sind.“ Erklärt sie mir.
Ich sehe sie an und sie lacht.
„Etwas viele Informationen?“ grinst sie.
„Ein paar…“ gebe ich zu.
Gut, dann bin ich eben die Stallhilfe… So kann ich mir wenigstens unauffällig ein Bild machen und dann entscheiden was ich mache.
Gar kein schlechter Plan.
„Komm, ich zeige dir dein Zimmer.“ Wir steigen gemeinsam eine Treppe hinauf und sie öffnet die erste Tür rechts Als wir oben ankommen. „Dein Reich.“ Sie deutet ins Zimmerinnere und ich betrete das Zimmer. Es ist zweckmäßig eingerichtet, ein großes Bett unter dem Fenster, von dem man einen wunderbaren Blick auf das Meer hat, ein großer Kleiderschrank, ein Schreibtisch mit einem Stuhl und einer kleinen Lampe. Tja, das war es auch schon. Die Möbel sind aus hellem Echtholz und die blau karierte Bettwäsche macht es erst recht ländlich.
„Gut Sam, Arbeitszeiten von 8 bis 18 Uhr.“ Holt mich Jane zurück ins hier und jetzt und ich bemerke, das ich aus dem Fenster aufs Meer gestarrt habe.
„Oh man.“ Erwidere ich und sie lächelt.
„Keine Angst, wir teilen uns alles auf. Du wirst eingewiesen und glaub mir, du wirst genug Zeit haben, hier alles zu erkunden.“ Verspricht sie mir „Wir Essen immer alle zusammen um 7:30 Uhr Frühstück und um 19 Uhr Abendbrot, wenn du etwas zum Lunch haben willst, dann kannst du es dir gerne machen. Die Kosten für die Unterbringung und die Verpflegung werden von deinem Lohn abgerechnet.“ Erklärt sie mir weiter und ich nicke. „Ich denke mehr wie 600 Euro wirst du hier im Monat nicht raus bekommen.“ Sie zuckt entschuldigend mit den Schultern.
„Kein Problem.“ Winke ich ab.
„Wunderbar, dann pack etwas aus, ich hole dich in einer Stunde ab und zeige dir den Stall.“ Sie lächelt freundlich und schließt dann die Tür hinter sich.
Ich lasse mich aufs Bett fallen und starre an die weiße Decke.
Ist das wirklich so ein guter Plan?
Ich hole mein Handy aus meiner Hosentasche und wähle Kerry an, nach dem 5. Klingeln springt ihre Mailbox an und fluche leise.
„Hey Kerry! Ich bin heile in Irland angekommen und ich habe auch das Schloss gefunden…“ erkläre ich ihr hastig „Ich arbeite jetzt hier. Ja, ich weiß, aber die Geschichte ist lang und irgendwie bin ich da rein gerutscht. Meld dich, wenn du da bist. Bis dann! Ich hab dich lieb!“ damit lege ich auf und beginne meine Sachen in den Schrank zu räumen. Ich tausche meinen Pullover gegen ein hellgrünes T-Shirt und meine gute Jeans, gegen eine die schon an den Knien kaputt ist. Ich glaube das nennt man Schabby Chick…
Ich schlüpfe wieder in meine Turnschuhe, binde mir einen Zopf oben am Hinterkopf, verkabele meinen Laptop und warte dann auf Jane.
Ich esse meine beim Bäcker gekauftes Croissants und nehme meine Medikamente, da klopft es auch schon und ich öffne Jane die Tür.
„Bereit?“ fragt sie fröhlich und ich nicke.
„Dann komm.“ Sie läuft vor mir die Treppe runter und in der Küche treffen wir auf eine ältere Frau.
„Hallo Mary!“ begrüßt sie Jane überschwänglich und nimmt sie in den Arm „Darf ich dir Samantha, unsere Stallhilfe für diesen Sommer vorstellen? Samantha, das ist Marianne.“
„Freut mich sehr Samantha.“ Sie reicht mir ihre Hand und mustert mich einen Moment lang.
„Nennen sie mich doch Sam.“ Bitte ich sie, da ich es nicht gewohnt bin mit Samantha angesprochen zu werden.
„Gerne doch, dann nenn du mich doch bitte Mary, das machen alle hier.“ Sie zwinkert mir zu.
„Sind denn John und Hannah auch schon hier? Wir hatten euch ja schon letzte Woche erwartet, aber der Lord und die Duchess haben am Freitag angerufen und gesagt, das sie und Ethan erst heute kommen.“ Jane sieht Mary fragend an.
„Also John bereitet schon das Dinner vor und Hannah richtet das Gästezimmer für Ethan und die Schlafzimmer für die Herrschaften her.“ Erklärt ihr nun Mary und Jane nickt „Ich muss mal schauen, ob sie da auch nichts vergisst.“ Mary zwinkert Jane zu und sieht mich dann erneut an „Wir sehen uns beim Dinner.“ Sie winkt mir zu und Jane harkt mich unter.
„Dann komm, Harry wartet schon auf uns.“ Sie strahlt und ich erwidere es. Sie hat so eine herzliche Art, das es schon fast unmöglich ist, sich nicht anstecken zu lassen.
„Beginnt der Sommer jetzt hier auf Schloss Enniscrone?“ frage ich und sie lacht leise.
„Ja, die Herrschaften sind normal immer von Mitte Mai bis Mitte September hier. Ethan immer nur mal ab und zu, er ist angehender Arzt und arbeitet im Krankenhaus in Ballina. Er liebt es im Sommer hierher zu kommen und wir sind froh, wenn er hier ist. Wenn dann auch noch Charlie hier ist, dann ist wirklich Sommer in Enniscrone.“ Sie lächelt breit. „Du wirst sie alle schon bald kennen lernen. Sie sind wirklich nett, nur Lord Andrew wirkt etwas kühl, aber lass dich davon nicht einschüchtern.“ Sie zwinkert mir zu und wir laufen weiter über den Innenhof.
Ein schwarzer Geländewagen hält vor der Tür und Jane lässt mich los.
Ein junger Mann steigt aus und Jane strahlt ihn an.
Als ich ihn sehe, da setzt mein Herz einen Schlag lang aus und ich kann nicht anders wie ihn anzustarren.
Er ist ein Bild von einem Mann, dunkelbraune etwas längere Haare und vereinzelte Strähnen die ihm störrisch ins Gesicht fallen. Wunderbare grasgrüne Augen, ein markantes Gesicht, eine sanft geschwungene Nase und volle Lippen. Er ist etwa so groß wie Jonas und ich gehe ihm gerade Mal bis zur Nasenspitze. Er ist gut trainiert und ich schlucke schwer…
„Wow Ethan, du bist mal wirklich der Erste.“ Sie nimmt ihn fest in den Arm.
Das ist Ethan?
„Und du wirst jedes Jahr schöner Jane.“ Er grinst und sie schüttelt lachend den Kopf.
„Mal ehrlich Ethan Stewart… Bist du mit dem Spruch schon jemals erfolgreich gewesen?“ sie legt ihren Kopf schief.
„Das verrate ich nicht.“ Lacht dieser und geht an den Kofferraum um seine Tasche zu holen.
„Und wer ist diese junge Dame?“ er entdeckt mich und ich mache einen Schritt auf ihn zu.
„Samantha.“ Sage ich schüchtern und reiche ihm die Hand.
Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann ist dieser Ethan mein Bruder.
Gut mein Halbbruder, aber das ändert ja nichts daran.
Oh mein Gott, das mein Herz wie wild in meiner Brust schlägt und ich es nicht schaffe ihm in seine Augen zu sehen, das macht die ganze Situation wirklich unangenehm.
Noch nie hat mein Herz so heftig in meiner Brust geschlagen, wenn ich einen Mann nur angesehen habe. Nicht einmal bei Kevin und da dachte ich wirklich, es ist die große Liebe meines Lebens.
Das sie sich jetzt hier einmischt passt mir ganz und gar nicht.
Reiß dich zusammen! Beschwöre ich mich selbst.
Ich glaube, ich bekomme einen Herzinfarkt, wenn er jetzt meine Hand nimmt…
Tatsächlich reicht er mir seine Hand und ich atme tief ein Als sich unsere Hände berühren. Es ist als würde ein Stromschlag durch meinen Körper rasen, meine Atmung beschleunigt sich, mein Herz rast in Überschallgeschwindigkeit und ich ringe mich zu einem lächeln durch.
„Sam ist unsere Stallhilfe für den Sommer.“ Erklärt ihm Jane und Er nickt lächelnd.
„Dann werden wir uns ja öfter sehen.“ Er zwinkert mir zu, drückt Jane einen Kuss auf die Wange „Ich packe erst einmal aus.“ Er winkt uns zu und Jane harkt mich unter.
„Ethan mag zwar wie ein Schürzenjäger rüber kommen, aber glaub’ mir, der hat ein Herz aus Gold.“ Lacht sie, als ich vor mich hinstarre.
„Bestimmt.“ Gebe ich zurück und sie lacht leise.
„Kennst du dich eigentlich mit Pferden aus?“ wir kommen bei den Stallungen an und ich lächle schief.
„Etwas.“ Gebe ich zu.
„Wo kommst du eigentlich her?“ sie öffnet die große Schiebetür.
„Brighton in England.“ Erkläre ich ihr.
„Und für einen Sommerjob kommst du extra hierher? Ins tiefste Nimmerland Irlands?“ lacht sie.
„Ich musste mal raus.“ Winke ich ab.
„Männer?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.
„Auch.“ Ich atme tief aus.
„Okay, ich verstehe.“ Sie betritt vor mir den Stall und ich folge ihr.
Wow, also das sind mal Pferde.
Wunderschön, majestätisch und… riesengroß.
„Also, wir haben hier 6 Stuten und 2 Hengste.“ Sie deutet auf die Boxen und sieht meinen wohl etwas erschrockenen Gesichtsausdruck. „Keine Angst, das sind Irish Tinker. Ja, ich gebe zu, sie sind groß, aber sie sind sanfte und gutmütige Wesen.“ Sie schubst mich zu einer der Boxen. „Hier auf Schloss Enniscrone ist fast nichts so wie es scheint.“ Fügt sie hinzu und ich nicke.
Du hast ja keine Ahnung Jane…
„Das ist Shadow, er ist erst seit ein paar Monaten hier.“ Erklärt sie mir und ich sehe den wunderschönen schwarzen Hengst an.
„Hallo mein Hübscher.“ Ich halte ihm vorsichtig meine Hand hin und er beschnuppert mich. Dann plötzlich schmiegt er seinen Kopf an meine Hand und ich streiche ihm über seine warmen, weichen Nüstern.
„Siehst du, ein Herz hast du schon erobert.“ Zwinkert mir Jane zu.
„Jane?“ ertönt eine männliche Stimme und sogleich wuselt ein schwarzer Hund um meine Beine und ich zucke zusammen.
„Jojo aus!“ ruft Jane und hält den quirligen Vierbeiner fest.
„Das ist Jojo, ihm mangelt es etwas an Benehmen.“ Tadelt sie den Hund, der wie eine Mischung aus Schäferhund und irgendetwas anderem aussieht.
„Komm mal her.“ Ich beuge mich runter und sofort schleckt er meine Hand ab, nachdem Jane ihn frei gegeben hat.
„Und noch ein Herz gewonnen.“ Lacht Jane.
Ein Mann kommt zu uns und drückt Jane einen Kuss auf den Mund. Ich gehe mal ganz stark davon aus, dass es sich um ihren Mann Harry handelt, ansonsten würde ich mir Gedanken machen.
„Ich bin Harry.“ Stellt er sich nun vor und ich lache leise.
„Alles andere hätte mich jetzt verwundert.“ Gebe ich zu und er nimmt meine Hand. „Ich bin Sam.“ Stelle ich mich dieses Mal selber vor und er lacht herzlich auf.
„Freut mich Sam.“ Sagt er und sieht zu Jane „Ethan ist schon da?“
„Ja, er ist gerade gekommen.“ Erklärt sie ihm.
„Dann machen wir mal Shadow fertig.“ Er zwinkert ihr zu.
„Harry, du weißt, das sich Shadow noch nicht reiten lässt.“ Rügt sie ihren Mann.
„Aber das weiß Ethan ja nicht.“ Er grinst schelmisch.
„Schon mal gemacht?“ er deutet auf die Sättel an der Wand und auf Shadow.
„Ja, aber die waren kleiner.“ Gebe ich zu.
„Ist das gleiche.“ Winkt er ab.
Weiß er, dass ich mit kleiner, wirklich viel kleiner meine? Ich rede von Ponys, denn das sind die einzigen Pferde die ich bisher kenne… Ist es ein guter Zeitpunkt das einzuwerfen?
„Entschuldigung, aber meine Erfahrung mit Pferden beziehen sich eher so auf Ponys…“ sage ich schüchtern und Jane und Harry sehe mich an „Ich war vor meinem Studium jeden Sommer auf einem Hof, aber ganz ehrlich die sind nicht mal halb so groß wie die…“ ich deute auf die Boxen und dann auf Shadow.
„Ponys?“ Harry zieht beide Augenbrauen hoch und ich nicke.
„Okay, wie gesagt, ist das Gleiche nur etwas größer.“ Er nimmt einen Sattel von der Wand und reicht ihn mir.
„Ich soll…“ setze ich an.
„Ja, das gehört zu deinem Job.“ Erklärt er mir „Die Boxen sauber machen, dafür sorgen, das die Pferde auf die Weide kommen, satteln und putzen. Mit dem Traktor das Stroh und Heu von Nachbarn holen…“ er denkt nach „Wenn du magst, dann kannst du natürlich auch ausreiten.“ Fügt er hinzu und ich lache trocken.
Ja sicher…
„Okay.“ Ich gehe zu Shadows Box. „Dann wollen wir mal.“ Sage ich mehr zu mir wie zu ihm und schiebe das Gatter auf.
Groß… Sehr groß.
Ich versuche gleichmäßig zu atmen und trete vorsichtig an ihn heran.
Langsam lasse ich meine Hand über seinen Rücken gleiten und er scharrt mit den Vorderhufen. Ich lege erst einmal den Sattel ab und gehe dicht an ihn heran.
„Hör’ zu mein Hübscher, ich sattele dich jetzt.“ Flüstere ich ihm zu „Bitte mach mit.“ Flehe ich ihn an und merke, wie er ruhiger wird.
Ich hole den Sattel und hieve ihn hoch auf seinen Rücken, dann befestige ich die Trense und er hält ganz still und lässt sich alles von mir gefallen.
„Danke mein Junge.“ Flüstere ich ihm immer wieder zu. Ich mache alles gut fest und vergewissere mich, dass es nicht zu fest sitzt.
„Guter Junge.“ Lobe ich ihn. „Jetzt nur noch fest zurren.“ Rede ich ihm gut zu und befestige den Sattel.
„Ich bringe ihn jetzt in den Hof und zurre dann richtig fest.“ Ich sehe zu Jane und Harry und beide nicken mir zu.
„Du bist ein Naturtalent.“ Sagt Harry anerkennend, als ich mit Shadow an ihm vorbei gehe.
„Ich weiß…“ gebe ich zurück und er lacht dunkel auf.
Draußen mache ich Shadow fest und ziehe den Sattel richtig stramm. Ich bin gerade fertig, als Ethan aus dem Haus kommt. Er hat seine Jeans und sein Shirt gegen eine Reithose und ein Poloshirt getauscht.
„Wir dachten, du willst Shadow nehmen.“ Harry geht auf ihn zu „Hallo Ethan.“ Er schlägt ihm freundschaftlich auf die Schulter und dieser erwidert diese Geste.
„Aber sicher, mal schauen ob der Junge eine gute Investition war.“ Er kommt mit Harry vor Shadow zum stehen und ich reiche ihm das Zaumzeug.
„Viel Spaß.“ Wünsche ich ihm und er grinst mich an.
„Danke Samantha.“ Er macht Shadow los.
„Sam.“ Sage ich leise und er sieht mich an.
Ich versinke einen Moment in seinen wunderbaren Augen und schlucke schwer.
„Danke Sam.“ Er zwinkert mir zu und will auf Shadow aufsetzen, allerdings hat er die Rechung ohne Shadow gemacht, denn dieser steigt sofort hoch und Ethan hat zu tun sich fest zu halten. Schließlich läuft Shadow los und Ethan landet kurz vor der Koppel auf seinem Hosenboden.
Harry und Jane lachen und ich sehe zu Boden.
„Sagt mal, wie oft wurde schon auf Shadow geritten?“ Ethan rappelt sich auf und sieht dem Hengst hinterher.
„Noch gar nicht, aber einer muss es ja mal ausprobieren.“ Harry zuckt lachend mit den Schultern. „Ein Wunder, das er sich heute den Sattel und das Geschirr anlegen lassen hat.“ Fügt er hinzu und sieht zu mir. „Muss an Sam liegen.“
„Danke jedenfalls für die wunderbare Bruchlandung…“ er reibt sich sein Hinterteil „Ich hole mich jetzt Jeronimo und reite aus. Wäre nett, wenn ihr Shadow wieder einfangt.“ Er schüttelt lachend seinen Kopf und ich bin erleichtert, dass er augenscheinlich einen Spaß versteht.
„Das ist keine gute Taktik um sich bei mir beliebt zu machen.“ Sagt er leise zu mir, als er in den Stall geht und ich sehe beschämt zu Boden.
„Ach, lass den reden.“ Harry legt seinen Arm um meine Schultern „Wenn du jetzt ganz toll bist, dann holst du Shadow zurück.“ Er zwinkert mir zu und ich nicke.
Mal schauen, ob Shadow so will, wie ich will…
Ich klettere über den Koppelzaun und nähere mich Shadow langsam. Dann sprintet ein brauner Hengst an mir vorbei und Shadow läuft zum anderen Ende der Koppel.
„Gern geschehen.“ Ertönt die lachende Stimme Ethans und ich schüttele meinen Kopf.
Ich folge Shadow und bleibe ungefähr einen Meter von ihm entfernt stehen.
„Komm schon mein Junge…“ rede ich ihm gut zu, aber seine Ohre zeigen mir, das er kurz davor ist gleich wieder weg zu laufen, also setze ich mich im Schneidersitz ins Gras. „Ich tu dir nichts, versprochen.“ Sage ich leise und bemerke, wie er langsam ruhiger wird.
Ich sitze da und beobachte ihn, ich bewege mich nicht und nach fast drei Stunden kommt er langsam zu mir, so dass ich sein Zaumzeug nehmen kann.
„Du bist so ein braver Junge.“ Lobe ich ihn und streichele ihn sanft.
Er lässt sich zurück in den Stall führen und ich nehme ihm den Sattel und das Zaumzeug ab. Dann führe ich ihn in seine Box. „Bis morgen Shadow.“ Verabschied eich mich und sehe zur Uhr.
Wow, schon kurz nach 18 Uhr.
Ich bekomme langsam Hunger und reibe meinen Bauch.
Dinner um 19 Uhr, richtig?
Ich hänge alles an seinen Platz und laufe zum Haus.
„Da bist du ja.“ Empfängt mich eine junge Frau „Ich bin Hannah, ich sollte nach dir schauen. Ist Shadow in seiner Box?“ sie legt den Kopf schief und ihr akkurat geschnittener blonder Bob bewegt sich Wellenförmig.
„Ja…“ erwidere ich verwirrt „Ich bin Sam.“
„Das weiß ich. In 20 Minuten gibt es Essen, dann sind die Herrschaften fertig? Duschen?“ sie sieht an mir runter und ich zucke mit den Schultern.
„Also, wir sind ja hier unter uns, aber eine saubere Hose wäre gut.“ Lächelt sie und ich nicke leicht beschämt.
„Nun lach doch Sam, wir beißen nicht!“ ruft sie mir hinterher und ich springe schnell unter die Dusche, dann tausche ich meine Jeans wieder und ziehe mir ein enges schwarzes Top an. Ich öffne meine Haare und diese fallen mir glatt bis fast zum Po. Ich fahre mit meinen Händen hindurch und gehe dann wieder runter.
Wir gehen in die Küche und Jane und Harry decken gerade den Tisch. Zwei Kinder sitzen am Tisch und machen augenscheinlich Hausaufgaben.
„Mum? Ich verstehe das hier nicht.“ Ein strohblonder Junge sieht zu Jane und ich muss sagen, er ist Harry wie aus dem Gesicht geschnitten.
„Worum geht es?“ fragt sie und beugt sich über ihn.
„Mathe.“ Seufzt der Junge.
„Nicht mein Fachgebiet.“ Winkt sie ab.
„Zeig mal…“ ich setze mich neben ihn „Ich bin Sam und du musst William sein.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Will.“ Er strahlt mich an „Kannst du Mathe?“
„Ja…“ ich beuge mich über sein Heft. Stoff der 4. Klasse, also ist er 9 oder 10 und ich lächle.
„Also, was ist das Problem?“ frage ich und er seufzt.
„Ich kann die großen Zahlen nicht im Kopf mal rechnen.“ Gibt er zu.
„Okay, weißt du, manchmal muss man das einfach auswendig lernen.“ Gebe ich zu „Aber es gibt kleine Hilfen die es etwas leichter machen.“ Wieder zwinkere ich und er lächelt. Ich erkläre ihm seine Aufgaben und wir finden zusammen die richtigen Lösungen.
„Warum muss ich meine Hausaufgaben alleine machen?“ das kleine rotblonde Mädchen neben ihm zieht einen Schmollmund und ich lächle.
„Du bist bestimmt Cara, oder?“ frage ich sie und ihre Miene hellt sich auf.
„Ja, ich bin 3 Minuten älter wie Will.“ Sie reckt stolz ihren Hals und ich lache leise.
„Was hast du denn auf?“ frage ich sie und sie schiebt mir ihr Heft rüber.
„Englisch… Wir sollen eine Objektbeschreibung machen. Für nur eine Sache sollen wir 150 Wörter schreiben.“ Sie stöhnt.
„Weißt du was? Wir essen jetzt und dann schauen wir mal.“ Ich lächele und sie erwidert es.
„Danke Sam.“ Freut sie sich und sieht zu Jane „Es ist doch Okay Mum?“
„Aber sicher Cara, aber fangt nicht schon jetzt an Sam zu belagern.“ Bittet sie die Beiden und diese schütteln lebhaft mit dem Kopf.
„Es ist kein Problem…“ winke ich ab.
Ein wenig wehmütig sehe ich den Beiden hinterher, als sie ihre Schulsachen weg bringen.
In solchen Momenten wird mir bewusst, dass ich wahrscheinlich niemals eigene Kinder haben werde. Ich habe mir immer eine große Familie gewünscht, aber jetzt?
Die Chemos und die Medikamente… sie sorgen dafür, das es wohl auf dem normalen Wege niemals gehen wird.
„Alles Okay?“ fragt mich Jane besorgt und ich lächle.
„Aber sicher. Kann ich helfen?“ frage ich und stehe auf.
„Sowohl in der Küche im Schloss, als auch in dieser Küche bin ich der Chef.“ Ein älterer, rundlicher Mann kommt herein. „Ich bin John.“ Er umarmt mich „Und du musst Sam sein.“
„Ja, die bin ich.“ Erwidere ich perplex.
„Lass das Mädchen los.“ Tadelt ihn Jane und im nächsten Moment springt Jojo an mir hoch.
„Gott, bin ich hier in einem Irrenhaus?“ Jane schüttelt den Kopf.
„Ganz ruhig.“ Versuche ich Jojo mit eher mäßigem Erfolg zu beruhigen, schließlich legt er sich dann aber doch in seinen Hundekorb neben der Tür und Jane atmet erleichtert aus.
„Cara? Will? Tisch decken!“ ruft sie und die beiden kommen die andere Treppe hinunter gehopst.
Dann kommen auch Hannah und Mary und John stellt eine riesige Pizza auf den großen Tisch.
Wir alle finden einen Platz und ich sitze zwischen Cara und Will die mich das ganze Abendessen unterhalten.
„Und wie findest du es bis jetzt?“ fragt Mary und legt ihren Kopf schief.
„Es ist wunderschön hier.“ Gebe ich zu.
„Möchtest du auch ein Glas Wein?“ Jane hält ihr Glas hoch und ich winke ab.
„Nein danke, ich trinke nicht.“ Gebe ich zurück und sie nickt.
Ich darf auch gar nicht…
„Jane? Harry?“ ertönt Ethans Stimme von der Tür her und ich atme tief durch.
Wie kann ein Mann mich so aus dem Konzept bringen?
Ich meine, wenn das hier alles schief geht, dann werde ich sterben.
Was für ein verdrehter Plan ist das denn?
Und Herrgott er ist mein Halbbruder!
„Komm rein Ethan, willst du ein Glas Wein oder ein Bier?“ Harry steht auf und Ethan lacht.
„Wein? Nein, dann nehme ich eher das Bier.“ Er setzt sich zu uns an den Tisch.
„Und ist Shadow wieder in der Box?“ er grinst mich an.
„Ja.“ Sage ich nur.
„Sam saß stundenlang auf der Wiese, aber Shadow scheint ihr jetzt zu vertrauen.“ Erklärt ihm Harry und ich merke wie ich rot werde.
„Wollen wir jetzt deine Hausaufgaben machen?“ ich zu Cara und sie nickt, wenn auch nicht sehr begeistert.
„Dann komm.“ Ich stehe auf und halte ihr meine Hand hin.
Sie ergreift sie und ich sehe zu Jane. „Wir gehen auf die Terrasse.“ Erkläre ich ihr und sie lächelt.
„Aber sicher.“ Sie winkt uns hinterher.
„Holst du dein Heft? Ich komme gleich.“ Ich sehe zu Cara uns sie hüpft davon.
Ich gehe schnell in mein Zimmer und nehme meine Medikamente, nachdem ich auch endlich die letzte der 9 Tabletten genommen habe, nehme ich noch einen großen Schluck Wasser und gehe dann auf die Terrasse. Cara sitzt am Tisch und starrt trübsinnig in ihr Heft.
„Komm.“ Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden und klopfe neben mich.
Sie sieht mich verwirrt an, nimmt sich dann ihr Heft und setzt sich zu mir.
Die Holzdielen sind angenehm warm an und ich schließe kurz meine Augen.
„Also, was willst du beschreiben?“ frage ich sie.
„Ich weiß einfach nicht.“ Sie zuckt mit den Schultern.
„An was hast du denn gedacht?“ ich lege meinen Kopf schief und sie denkt angestrengt nach.
„Sieh dich um Cara… Du hast so viele Möglichkeiten.“ Ich deute um uns und sie sieht mich erstaunt an. „Ein Objekt kann so vieles sein.“ Erkläre ich ihr und ihre Augen suchen die Umgebung ab.
„Der große Baum.“ Sagt sie schließlich und deutet auf eine große Eiche.
„Das ist eine wunderbare Idee. Jetzt sagst du mir die ersten 3 Worte die die zu dem Baum einfallen.“ Ermuntere ich sie.
„Groß, grün und hart.“ Sagt sie gleich und ich lächle.
„Du machst das wunderbar.“ Lobe ich sie. „Jetzt nehmen wir das Wort groß…“ ich nicke ihr zu „Wie willst du anfangen?“
„Ich schreibe erst einmal, was ich beschreibe.“ Strahlt sie.
„Du bist ein Naturtalent.“ Lächle ich.
„Hmm gut…“ sie kaut auf dem Ende ihres Bleistiftes herum und erinnert mich damit sehr an mich selbst. „Ich beschreibe den großen,…“ sie überlegt einen Moment „starken und wunderschönen Baum in unserem Garten.“ Beginnt sie und ich nicke.
„Ganz genau, du suchst ein weiteres Wort für das was du schon hast und so machst du dann einfach weiter.“ Ich klatsche in die Hände und sie legt sich bäuchlings hin und ist sofort vertieft.
Ich lasse meinen Blick schweifen und werde erst aus meinen Gedanken gerissen, als mein Handy in meiner Hosentasche klingelt. Mein Klingelton ’What a wonderful world’ erfüllt die Stille und ich sehe entschuldigend zu Cara.
„Ich bin gleich wieder da.“ Verspreche ich ihr und gehe ein Stück in den Garten.
Natürlich ruft mich Kerry an und alles andere hätte mich schon sehr gewundert.
„Hallo.“ Melde ich mich.
„Hallo? Du arbeitest für deinen Vater?“ legt sie sofort los „Du darfst dich nicht so sehr anstrengen.“
„Hör’ zu Kerry, das hat sich irgendwie so ergeben und ich glaube es ist gut so. Ich kann alle kennen lernen und dann sehen wie ich weiter mache.“ Versuche ich sie zu beruhigen.
„Wie alle?“ fragt sie verwirrt.
„Na ja, meinen Vater, seine Frau und seinen Sohn.“ Beginne ich aufzuzählen „Und dann wohne ich mit ein paar wirklich sehr netten Leuten zusammen.“
„Sam, das ist gefährlich.“ In ihrer Stimme schwingt ihre ganze Besorgnis mit und ich seufze.
„Kerry, es ging mir schon lange nicht mehr so gut…“ erkläre ich ihr eindringlich „Hier weiß niemand, das ich krank bin und ich bin endlich mal wieder einfach nur Sam.“
„Ich mach mir doch einfach nur Sorgen… und Jonas auch.“ Spielt sie ihren Trumpf aus.
„Kerry, mir geht es gut. Wirklich.“ Ich schließe meine Augen „Wenn das mein letzter Sommer ist, dann will ich ihn genießen.“
„Sag so etwas nicht.“ Jetzt seufzt sie.
„Ich bin Realist… Niemand kann dir das Morgen versprechen.“ Füge ich hinzu.
„Okay…“ sie atmet tief aus „Aber Jonas und ich kommen dich besuchen.“
„Aber sicher, aber bitte schlagt nicht gleich morgen oder übermorgen auf.“ Lache ich.
„Nein, wenn es dir gut geht, dann genieße die Zeit.“ Lenkt sie ein.
„Danke Kerry. Ich melde mich. Ich hab dich lieb und Jonas natürlich auch.“ Ich schicke ihr einen Kuss durchs Telefon.
„Richte ich ihm aus.“ Verspricht sie mir „Wir lieben dich auch.“ Damit legt sie auf und ich gehe langsam zurück zur Terrasse.
Cara hält stolz ihr Heft hoch.
„Ich bin fertig, ich habe sogar noch 30 Wörter mehr!“ jubelt sie und ich nehme das Heft in die Hand.
Ich lese mir alles durch und wir verbessern ein paar Rechtschreibfehler.
„Perfekt.“ Lobe ich sie und sehe zur Tür, an den Türrahmen gelehnt steht Ethan und beobachtet mich. Ich helfe Cara auf die Beine und sie umarmt mich.
„Danke Sammy!“ freut sie sich und ich lächle. Sonst nennen mich nur Jonas, Charlie und Mitch Sammy, aber bei Cara ist es in Ordnung. Meine Mum hat mich immer Sammy genannt und seit ihrem Tod kann ich es kaum noch ertragen, wenn mich jemand so nennt.
„Gute Nacht Ethan.“ Ich gehe an ihm vorbei und er sieht mir tief in die Augen.
„Wünsche ich dir auch Sam.“ Sagt er leise und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Komm Sam, die Herrschaften wollen dich kennen lernen und begrüßen.“ Jane legt ihren Arm um meine Hüfte und führt mich schier endlose Gänge entlang, ehe wir vor so etwas wie einem Kaminzimmer stehen.
„Lord Andrew und Lady Evelyn haben sich schon in den Salon zurück gezogen.“ Flüstert sie mir zu und wir betreten das große Zimmer.
Ein Kamin strahlt eine angenehme Wärme aus und ich atme tief durch, als sich Lord Andrew zu mir umdreht.
„Und sie sind Samantha? Samantha und weiter?“ er mustert mich.
„Samantha Brody.“ Sage ich schließlich und halte den Atem an. Das ist der Nachname von Charlie, nach der Hochzeit mit Greg hat sie seinen Nachnamen angenommen.
Seine tiefblauen Augen mustern mich und ich denke ich bekomme keine Luft.
Mein Vater sieht mich an und ich schließe einen kurzen Augenblick meine Augen, ich stehe das erste Mal in meinem Leben meinem Vater gegenüber und er hat keine Ahnung…
„Andrew, nennen sie mich bitte Andrew.“ Sagt er schließlich „Und ich nehme an, dass ich sie, wie alle anderen auch Sam nennen darf.“
„Aber sicher, es freut mich sehr.“ Sage ich schließlich und er nickt langsam.
„Mich auch.“ Kommt es nun von Lady Evelyn und ich sehe zu ihr.
„Es ist wunderschön hier.“ Ich versuche zu lächeln und sie strahlt mich an.
Sie sieht genauso wie auf dem Foto aus, kinnlange blonde Haare, ein leicht rundliches Gesicht und ein warmherziges lächeln.
„Wie ich gehört habe, hast du heute schon das Herz von Shadow erobert…“ sie reicht mir ihre Hand und ich nicke leicht „Ich hätte nicht gedacht, das die Agentur jemanden findet. Im letzten Jahr hat es ja nicht geklappt.“ Freut sie sich.
„Manchmal passt es eben.“ Erkläre ich ihr und sie strahlt.
„Wir sehen uns bestimmt die nächsten Tage.“ Sagt Andrew in leicht kühlen Tonfall und ich nicke.
„Natürlich, ich wünsche eine gute Nacht.“ Ich sehe zu Jane und sie nickt lächelnd.
„Ihnen auch Sam.“ Antwortet Evelyn für beiden und ich bin froh als ich wieder im Flur stehe.
„Wow Sam, ich weiß nicht, wie du das gemacht hast. Aber Lord Andrew mag dich. So einfach bietet er niemandem das einfache Andrew an.“ Jane sieht mich erstaunt an.
„Ich glaube, ich fühle mich wohler, wenn ich ihn auch Lord Andrew nenne, wie ihr alle.“ Ich verziehe leicht das Gesicht und Jane lacht.
„Mach das Sam.“ Sie drückt meine Hand „Jetzt geh schlafen, es war ein langer Tag.“
„Danke.“ Wir kommen wieder im Westflügel an und ich steige die Treppe hoch.
Ich merke, wie müde ich wirklich bin und kaum, das ich mich umgezogen und hin gelegt habe, da fallen mir auch schon die Augen zu.
Die Sonne scheint in mein Zimmer und ich blinzele ein paar Mal, langsam komme ich och und sehe auf meine Uhr.
Verdammt, ich habe verschlafen…
Ich springe aus meinem Bett, nur um mich gleich wieder auf die Bettkante zu setzen, weil mir schwindlig ist. Ich krame meine Tabletten aus meiner Tasche und nehme meinen Morgendosis.
Dann schlüpfe ich in eine bequeme Dreiviertelhose und ein Top und mache mich auf den Weg in die Küche.
Jane steht am Abwaschbecken und sieht hinaus in den Garten.
„Es tut mir leid.“ Sage ich leise und sie dreht sich lächelnd um.
„Ach was…“ sie winkt ab „Der Tag gestern war lang und anstrengend.“
„Trotzdem…“ ich nehme mir eine Scheibe Toast und beschmiere sie mit Butter.
„Nun mach dir keine Gedanken Sam.“ Sie reicht mir einen Becher Kaffee.
„Hast du auch Tee?“ ich sehe sie entschuldigend an.
„Klar doch.“ Sie schiebt mir eine Thermokanne rüber. „Harry verträgt keinen Kaffee und wie ich sehe, habe ich jetzt zwei Teetrinker zu versorgen.“
„Scheint so.“ gebe ich zurück.
Eigentlich liebe ich Kaffee, aber auch das darf ich nun nicht mehr, weil sich das Koffein auf meine Medikamente auswirken kann.
„Ich geh dann mal zu Harry und schaue wie ich ihm helfen kann.“ Ich nehme meinen Teller und stelle ihn in die Spülmaschine und Jane nickt.
„Mach das. Ich komme, wenn ich fertig bin.“ Sie winkt mir hinterher Als ich in den Hof hinaus in die Sonne trete.
„Guten Morgen.“ Ertönt eine Stimme hinter mir und ich drehe mich hastig um.
Ethan strahlt mich an und ich erwidere es schwach. Wieder einmal zeigt mir mein Herz, das dieser Mann mir ganz und gar nicht bekommt…
Verdammtes Herz!
„Guten Morgen.“ Sage ich schließlich und sehe zu Boden.
„Ich wollte auch gerade in den Stall. Begleitest du mich?“ er grinst und ich nicke leicht.
Wir gehen schweigend nebeneinander her zum Stall und ich atme durch, als wir eintreten.
„Ich beiße übrigens nicht und es tut auch nicht weh mich anzuschauen.“ Flüstert mir Ethan ins Ohr und ich sehe ihn erschrocken an.
„Nein… ich…“ stammele ich und er lacht leise.
„Schon gut, entspann dich.“ Er zwinkert mir zu und holt sein Pferd Jeronimo. Ich hole ihm seinen Sattel und reiche ihn ihm.
„Danke.“ Unsere Hände berühren sich kurz und ich ziehe meine Hand schnell weg.
Es ist ja gerade so als wäre ich 12 und er das erste männliche Wesen welches ich zu Gesicht bekomme.
Meine Güte Samantha Flynn reiß dich ein bisschen zusammen!
Er ist dein Halbbruder, aber es ändert nichts an der Tatsache!
„Na Murmeltier. Ausgeschlafen?“ Harry kommt zu uns.
„Ja.“ Sagen Ethan und ich wie aus einem Mund und Harry lacht auf.
„Ich meinte Sam, aber schön, dass du auch gut geschlafen hast Ethan.“ Er schüttelt lachend seinen Kopf.
Dann kommt er zu mir und sieht mich einen Augenblick lang an.
„Möchtest du dich heute ein wenig mit Shadow beschäftigen?“ fragt er und ich nicke lächelnd.
In den nächsten zwei Wochen mache ich fast nichts anderes als mich mit Shadow zu beschäftigen. Ihn an seinen Sattel zu gewöhnen und an das Zaumzeug, leider erweist er sich als wirklich störrisch und ich komme nicht wirklich weiter.
Ansonsten macht mich Harry mit allen weiteren anfallenden Arbeiten vertraut, ich lerne Boxen auszumisten, Sattel und Zaumzeug zu pflegen, Pferde richtig zu striegeln und kümmere mich nebenbei an den Abenden mit den Zwillingen um ihre Hausaufgaben.
Ich fühle mich wohl, gebraucht und seit langer Zeit auch mal wieder etwas frei.
Ich weiß, das ich mir etwas vormache, aber ich will meine letzte Zeit, wenn sie es denn ist, glücklich verbringen und ich bin hier wirklich glücklich.
Ethan macht es mir an manchen Tagen schwer, mich zu konzentrieren, wenn ich richtig liege, dann müsste er jetzt in seinem 8. Semester des Medizinstudium sein und wenn ich Jane glauben schenken darf, dann ist er herausragend gut und hat schon jetzt Angebote von verschiedenen Kliniken vorliegen. Wie sagt Jane so schön, er ist ein Ausnahmetalent…
Ja und ich merke jedes Mal wenn ich ihn sehe, dass ich etwas von ihm will, das mir mein Halbbruder unter gar keinen Umständen jemals geben wird. Ich versuche ihn auf Abstand zu halten, aber leider erweist auch er sich als äußerst störrisch und hartnäckig.
„Harry?“ ich laufe in den Stall und treffe dort auf Lord Andrew. Ich habe ihn kaum gesehen und Kerry liegt mir in den Ohren endlich reinen Tisch zu machen…
Ich bin froh, dass ich von dieser Seite her einen so guten Einblick in die Familie bekomme und erkläre ich bestimmt tausend Mal, das der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist.
Wann und wie denn auch?
Wie will man für so etwas den richtigen Zeitpunkt abpassen?
Jonas fährt natürlich auf der gleichen Schiene und manchmal verfluche ich es, das sich die Beiden so gut absprechen, aber auch er bekommt die gleichen Antworten.
Die Zeit ist noch nicht gekommen…
„Hallo Sam.“ Begrüßen mich beide und ich sehe unsicher zu Harry.
„Sag mal, haben wir auch Zaumzeug ohne dieses Gebissteil? Ich glaube, das macht Shadow nervös.“ Ich lege meinen Kopf schief.
„Ja sicher, hängt an der Wand.“ Er deutet hinter mich und ich gehe an die Wand und betrachte die verschiedenen Zaumzeuge. Ich entscheide mich für ein ganz einfaches mit einer guten Abpolsterung auf der Nase und gehe wieder hinaus.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Lord Andrew mir folgt und sich Lady Evelyn zu ihm stellt.
Ich lege Shadow das neue Zaumzeug an und natürlich steigt er erst einmal auf, aber da ich damit gerechnet habe, halte ich ihn gut fest.
„Blamier mich jetzt nicht mein Hübscher.“ Flüstere ich ihm ins Ohr und tatsächlich beruhigt er sich.
Eine Weile lasse ich ihn an das neue Geschirr gewöhnen, schließlich steige ich auf den Koppelzaun und ziehe ihn zu mir.
„Okay Shadow, das wird jetzt meine Premiere.“ Sage ich ihm leise ins Ohr und schwinge mich auf seinen Rücken.
Ohne Sattel hat man natürlich keinen besonders guten Halt, aber ich halte mich an seiner Mähne fest und atme tief durch.
Ich lege mich auf ihn und streichele ihn.
„Ganz brav Shadow.“ Lobe ich ihn.
In der letzten beiden Wochen habe ich durch Shadow viel über mich selbst gelernt. Shadow will frei sein, aber Freiheit bekommt man nicht geschenkt. Er arbeitet mit mir zusammen und dafür lasse ich ihn immer extra lange auf der großen Weide. Ich bin mutiger geworden, weil ich langsam erkenne, dass ich nichts mehr zu verlieren habe. Wenn ich nicht jetzt die Sachen mache vor denen ich Angst habe, wann dann?
Ich genieße das Gefühl auf Shadows Rücken zu liegen und schließe meine Augen einen Augenblick.
„Bereit?“ frage ich leise und er schnaubt.
„Dann los.“ Sage ich mehr zu mir selbst und er setzt sich langsam in Bewegung.
Auf der großen Koppel angekommen verfällt er in den Galopp und ich merke, wie sich meine Bewegungen den seinen anpassen und wie sehr ich es genieße.
Wir reiten bis zu den Klippen und ich berausche mich an der wunderbaren Aussicht.
Es ist kaum zu glauben, dass der Gott, der kleine Kinder in einem sterilen weißen Zimmer sterben lässt auch diese Wunder der Natur erschaffen hat.
„Komm zurück.“ Ich übe einen leichten Zug an einem der Zügel aus und Shadow dreht sich um. Ich festige den Druck meiner Oberschenkel und schon sprintet er los. Meine Haare fliegen wild um meinen Kopf und ich lächle.
Ich hätte niemals gedacht, dass ich durch ein Pferd eine solche Freude erleben kann, aber Shadow zeigt mir was leben wirklich bedeutet.
Den Wind in meinen Haaren, seinen warmen Körper unter meinen und dieses tiefe Gefühl der Zufriedenheit.
Als wir in Sichtweite der Stallungen kommen, nehme ich etwas Tempo raus und wir erreichen im gemächlichen Schritt das Gatter der Koppel.
Ich gleite von Shadows Rücken und nehme ihm das Zaumzeug ab. Er stupst mich an und ich küsse seine warme, weiche Nase.
„Danke.“ Sage ich lächelnd und er trabt auf die Koppel, um gleich los zu laufen und sich dann im Sand zu suhlen.
„Ich muss sagen, ich bin beeindruckt.“ Lord Andrew kommt zu mir und ich merke, wie ich errötend zu Boden sehe.
„Sie sind im Umgang mit Pferden wirklich sehr talentiert.“ Lobt er mich und ich wage es aufzusehen, seine blauen Augen mustern mich und ich versuche gleichmäßig zu atmen.
„Meine Mum hat Pferde geliebt.“ Sage ich leise.
„Und sie Samantha, lieben sie Pferde?“ fragt er nach und lehnt sich gegen den Koppelzaun.
„Ja, mittlerweile.“ Gestehe ich.
„Sie hatten bisher also noch nicht viel mit Pferden zu tun?“ harkt er nach.
„Nein, ich habe studiert und daneben fehlte mir einfach die Zeit.“ Erkläre ich ihm und stelle mich neben ihn, damit mir die Sonne nicht mehr ins Gesicht scheint.
„Was haben sie denn studiert?“ er verschränkt seine Arme vor der Brust und in seinem hellblauen Poloshirt und der beigen Stoffhose wirkt er nicht wie irgendein Lord, sondern wie ein einfacher, netter Mensch. Ich merke, wie ich mich etwas entspanne und ich sehe ihn lächelnd an.
„Ich habe Mathematik, Geschichte und Sport auf Grundschullehramt studiert.“ Ich atme tief aus.
Es ist so, als würde ich von meinem vorherigen Leben sprechen.
Ein Leben, welches nichts mehr mit diesem hier gemein hat.
Außer mir natürlich.
„Das klingt nicht sehr begeistert.“ Er sieht mich fragend an und ich erkenne einen winzigen Augenblick den gleichen Blick, den ich benutze, wenn ich etwas nicht verstehe. Die Augenbrauen leicht zusammen und hoch gezogen und die Augen starr auf meinen Gegenüber gerichtet.
„Doch, aber ich musste mein Volontariat an einer kleinen Grundschule aus…“ ich seufze „…privaten Gründen abbrechen.“
„Aber sie sind doch noch so wahnsinnig jung, sie können das doch nachholen.“ Ermutigt er mich.
„Ja, wenn die Zeit reif ist, dann werde ich es machen.“ Verspreche ich ihm und er lächelt.
Ich sehe ihn selten lächeln, umso mehr berührt es mich, dass er mich anlächelt.
„Ich werde mal nachfragen wie ich Harry noch helfen kann.“ Ich nicke ihm zu und er erwidert es immer noch lächelnd.
„Machen sie das Sam und beim nächsten Mal setzen sie sich bitte einen Helm auf.“ Schiebt er noch schnell hinterher und ich nicke leicht.
„Aber sicher.“ Verspreche ich ihm.
Heute hat Harry sich tatsächlich vorgenommen mir das Traktor fahren bei zu bringen und ich stelle mich ehrlich gesagt nicht sehr gut an.
„Sam, die Kupplung.“ Ermahnt mich Harry und rollt mit den Augen.
„Ich weiß.“ Sage ich leise und versuche es erneut.
„Lass mich mal Harry, deine Geduld scheint nicht sonderlich ausgeprägt.“ Ethan klettert zu mir ins Führerhaus und meine Atmung beschleunigt sich sofort.
„Danke Ethan.“ Harry schnaubt und ich sehe ihn entschuldigend an. „Tut mir leid Sam, aber Geduld ist wirklich nicht meine Stärke.“ Er zuckt mit den Schultern und geht zurück in den Stall.
„Pass auf…“ Ethan setzt sich hinter mich und ich schließe meine Augen. Ihn so dicht zu spüren bringt mich fast um den Verstand.
Ich kann seinen Anweisungen kaum folgen, aber trotzdem tuckern wir eine halbe Stunde später zum Nachbarn und kommen mit zwei neuen Heuballen zurück.
„Wunderbar.“ Er steigt aus und reicht mir seine Hand, nachdem wir die Ballen abgesetzt haben.
Ich ergreife zögerlich seine Hand und er hält sie einen Moment länger fest, als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.
„Würdest du mit mir Essen gehen?“ fragt er leise.
„Ethan…“ setze ich an und merke wie sehr meine Stimme zittert „… ich kann nicht, es tut mir leid.“ Ich mache mich von ihm los und stürme in den Stall.
„Sam…“ ruft mir Harry hinterher, aber ich durchquere den Stall und laufe zur Koppel. Ich setze mich auf den Zaun und schaue über die weiten Wiesen und Felder.
Jojo kommt zu mir und ich setze mich zu ihm ins Gras.
„Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“ Ethan setzt sich zu mir und ich sehe ihn traurig an.
„Hast du nicht…“ sage ich leise „Es geht nur einfach nicht.“
„Schade.“ Er beugt sich zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Wange „Solltest du deine Meinung irgendwann ändern, dann sage es mir bitte.“ Bittet er mich leise und ich nicke. Seine Lippen sind weich und warm und ich wünsche mir, ich könnte ihn in den Arm nehmen und einfach so küssen…
Aber wie soll ich denn den Zustand, dass er mein Halbbruder ist, abstellen?
Ich glaube sogar, das ist verboten…
Lieber Gott… ganz ehrlich, dein Plan ist beschissen und weist etliche Fehler auf.
Nach vier Wochen rufe ich im Krankenhaus in Brighton an und Dr. Paul vermittelt mir einen Arzt im Krankenhaus in Ballina, der mich weiterhin betreuen kann. Ein gewisser Dr. Marc Jenson und ich hole mir einen Termin bei ihm.
„Fährt heute irgend jemand nach Ballina?“ frage ich am Frühstückstisch und alle sehen mich an.
„Ich muss kurz was erledigen und dafür muss ich nach Ballina.“ Erkläre ich und John hebt schließlich seine Hand.
„Ich kann dich mitnehmen, ich muss zum Großmarkt. Wir fahren um 9 Uhr los und in Ballina machen wir uns um 12 Uhr wieder auf den Rückweg. Passt das?“ er sieht auf und ich nicke dankbar.
„Ich verstehe gar nicht, dass du keinen Führerschein hast.“ Hannah sieht mich kopfschüttelnd an.
„Ich brauche keinen.“ Gebe ich zurück und sie lächelt.
„Den braucht man immer.“ Erklärt sie mir.
Hannah und ich verstehen uns mittlerweile sehr gut, was bestimmt auch daran liegt, das wir fast im gleichen Alter sind. Sie ist eine ruhige und besonnene Person und wenn wir es schaffen, dann gehen wir gerne mal am Abend spazieren. Sie erzählt dann immer von ihrer Familie, die in Limerick wohnt und die sie sehr vermisst, wenn sie den Sommer über hier ist. Ich erzähle nicht allzu viel von mir, aber sie weiß, wer Jonas und Kerry sind…
Die beiden sind nun einmal die wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Als ich das Krankenhaus in Ballina betrete und nach Dr. Jenson frage, werde ich von einer netten Schwester auf seine Station begleitet.
Sie klopft an eine Tür und tritt vor mir ein „Marc? Samantha Flynn, dein 11 Uhr Termin ist hier.“ Sie deutet auf mich.
„Hallo Samantha, kommen sie rein.“ Er deutet mir an Platz zu nehmen und ich setze mich ihm gegenüber. Er ist schätzungsweise halb so alt wie Dr. Paul und ich betrachte ihn ein wenig skeptisch.
„Sie schauen mich so verwirrt an.“ lächelt er und die Schwester lässt uns alleine.
„Sie sind jung.“ Stelle ich fest und sein lächeln wird noch breiter.
„Ja, wenn sie 33 Jahre jung nennen, dann bin ich jung…“ er holt ein paar Blätter aus einem Stapel und sieht dann wieder zu mir. Er hat dunkelbraune Augen und schwarze dichte Haare, sein Gesicht ist freundlich und die schwarz umrandete Brille gibt ihm ein wenig den Touch eines Nerds.
„Ich versichere ihnen, sie sind in guten Händen.“ Verspricht er mir und ich nicke.
„Danke Dr. Jenson.“ Ich knete meine Hände.
„Nenn mich Marc.“ Bietet er mir an „Ich habe die Unterlagen von Dr. Voigt bekommen. Eine Schwester wird ihnen gleich Blut abnehmen.“ Er legt seinen Kopf leicht schief „Wie fühlen sie sich?“
„Wenn ich Marc sagen darf, dann nenn mich bitte Sam.“ Ich entspanne mich etwas und er schenkt mir ein weiteres lächeln.
„Gerne Sam. Also, wie fühlst du dich? Nimmst du deine Medikamente regelmäßig?“ er sieht mich mit einer Spur Besorgnis über den Rand seiner Brille hinweg an.
„Ich fühle mich gut, sehr gut um genau zu sein. Ich nehme meine Medikamente natürlich regelmäßig. 8 Tabletten morgens, 5 mittags und 12 abends.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Gut, dann sehe ich keine Veranlassung an der Medikamentation etwas zu ändern. Hast du noch genug Tabletten?“ er macht sich Notizen und sieht dann wieder auf.
„Ich brauche Rezepte für Dasantinib, für MTX und für Pantoprazol.“ Ich nehme meine kleine Tasche mit meinen Medikamenten aus meinem Rucksack.
„Sicher, du kannst die Rezepte gleich unten in der Apotheke einlösen.“ Er schreibt die Medikamente auf und reicht mir das Rezept. „Wenn was ist, dann ruf an.“ er reicht mir seine Visitenkarte und ich stecke sie in ein kleines Fach meiner Wochendosierungsschachteln. Die Dinger sind praktisch und ich muss nur einmal die Woche alles dosieren und komme nicht durcheinander.
„Mach ich.“ Versichere ich ihm und packe alle zurück in meinen Rucksack.
„Gut, dann melde dich an der Anmeldung und dir wird Blut abgenommen.“ Er reicht mir seine Hand.
„Vielen Dank Marc.“ Ich nicke ihm kurz zu und trete dann hinaus in den Flur.
Die Blutabnahme ist schnell getätigt und ich mache mich auf den Weg zum Großmarkt, weil ich mich da mit John verabredet habe. Tatsächlich steht er schon am Auto, als ich bei ihm ankomme.
„Na, alles erledigt?“ er zeiht fragend eine Augenbraue hoch.
„Ja, ging schneller wie gedacht.“ Ich steige auf der Beifahrerseite ein, während er sich auf den Fahrersitz niederlässt.
Während der Fahrt zurück zum Schloss unterhält mich John mit einigen Anekdoten aus seinem Berufsleben und ich habe schon Bauchschmerzen vom lachen, als wir die Auffahrt hoch fahren.
„John… es reicht.“ Lache ich und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Was denn? Wenn es doch wahr ist.“ Lacht er nun auch und wir steigen aus.
Ich helfe ihm die Sachen in die große Küche und die kleine Küche des Westflügels zu verteilen.
„Ich reite noch aus.“ Ich winke Harry zu und gehe in den Stall.
Ethan ist gerade dabei Jeronimo fertig zu machen und lächelt als ich eintrete.
„Begleitest du mich mit Shadow?“ fragt er und ich nicke.
Ich schlüpfe in die Reitstiefel, setze meinen Helm, auf den Harry jetzt auch immer besteht, auf und hole einen Sattel.
Shadow zeigt sich von seiner besten Seite und ich setze nach 5 Minuten auf.
„Wohin?“ ich sehe zu Ethan und er schüttelt lachend seinen Kopf.
„Diese Frau hat keine Geduld.“ Rügt er mich.
„Hat sie wohl, aber keine Zeit.“ Ich gebe Shadow das Zeichen los zu laufen und wir preschen aus dem Stall.
Ich höre wie Ethan noch etwas sagt, aber ich kann es nicht verstehen, da ich mit Shadow meinen Vorsprung ausbaue.
Nach 10 Minuten wage ich es mich umzudrehen und sehe Ethan in der Ferne. Ich freue mich, das Shadow sogar das Zeug hat, ein Preisgekröntes Pferd wie Jeronimo abzuhängen.
Plötzlich erschrickt Shadow und steigt auf, ehe ich weiß was passiert lande ich ziemlich unsanft auf meinem Hosenboden.
Benommen bleibe ich auf dem Rücken liegen und versuche Luft in meine Lungen zu bekommen, denn dadurch das ich auf dem flachen Rücken gelandet bin, wurde alle Luft mit einem Mal aus meinen Lungen gepresst.
„Sam?“ Ethan taucht über mir auf und sieht mich besorgt an.
„Geht schon.“ Stöhne ich und er hilft mir, mich etwas aufzurichten.
„Atme ganz ruhig.“ Beschwört er mich und nimmt mir meinen Helm ab.
Ich versuche seinen Anweisungen folge zu leisten und nach ein paar Sekunden bekomme ich wieder besser Luft.
Er setzt sich auf seine Knie und lehnt mich gegen sich. Ich fühle sein Herz schlagen und schließe kurz meine Augen, es fühlt sich wunderschön an in seinen Armen zu liegen, auch wenn ich gerne auf meinen Stunt verzichtet hätte, das hier ist es allemal Wert.
„Geht es?“ Ethans Stimme ist direkt neben meinem Ohr und ich nicke leicht.
„Ja, war der Schreck.“ Gebe ich zu und setze mich richtig hin, meine Arme stützen mich und ich atme tief ein und aus.
„Das sah echt böse aus.“ Ethan steht auf und reicht mir seine Hand, er zieht mich hoch und drückt mich an sich „Du musst vorsichtiger sein. Ich bitte dich.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich bin nicht in der Lage etwas zu erwidern. „Ich bitte dich wirklich Sam, das hätte schlimm ausgehen können.“ Er drückt mich immer noch an sich.
„Okay.“ Flüstere ich und er streicht mir über den Rücken.
„Danke.“ Erwidert er ebenso leise.
Shadow kommt zu uns zurück und stupst mich leicht an.
„Na mein Hübscher…“ ich streichele seine Nase „Was hat dich denn so erschreckt?“ ich nehme seinen Zügel.
Er schnaubt nur und Ethan hilft mir wieder aufzusetzen, ehe er sich wieder auf Jeronimo schwingt.
„Langsam nach Hause?“ er sieht mich fragend an und ich nicke grinsend.
„Aber sicher.“ Gebe ich zurück und wir reiten schweigend nebeneinander her nach Hause.
Nachdem ich Shadow und Jeronimo fertig gemacht habe und mir nur ein Sandwich zum Abendessen gemacht habe nehme ich mir mein Handy und gehe zu den Klippen.
Ich brauche einen klaren Kopf und ein Gespräch mit Jonas…
Ich wähle seine Nummer und schon nach dem ersten Klingeln geht er ran.
„Hey Baby!“ meldet er sich fröhlich.
„Hallo Jonas!“ erwidere ich ebenso fröhlich.
„Na, wie stehen die Dinge bei dir im Schloss?“ erkundigt er sich.
„Ganz gut. Ich war heute in Ballina im Krankenhaus, alles sieht gut aus, morgen bekomme ich die Ergebnisse der Blutuntersuchung.“ Ich atme tief die klare Seeluft ein.
„Klingt doch gut, aber ich höre, das dich was beschäftigt.“ Ich kann mir bildlich vorstellen wie er grinst.
„Ethan.“ Seufze ich.
„Was ist mit deinem Bruder?“ fragt er erstaunt nach.
„Das er mein Bruder ist…“ ich fahre mir durch die Haare „Jonas, noch niemals habe ich so starke Gefühle für jemanden gehabt. Er geht mir nicht aus dem Kopf und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als wie ihn in den Arm zu nehmen und zu küssen.“ Ich setze mich auf einen Stein und sehe aufs Meer.
„Oh Baby…“ erwidert Jonas mitfühlend.
„Ich weiß Jonas, die Situation ist bescheuert.“ Gebe ich zu.
„Du hast dich echt in ihn verliebt?“ fragt er ganz vorsichtig.
„Ja Jonas, wenn ich nicht wüsste, dass er mein Bruder ist, dann würde ich zu ihm gehen und ihn nie wieder los lassen.“ Gestehe ich und er lacht leise.
„Das ich das noch erleben darf, klein Sammy verliebt bis über beide Ohren.“
„Jonas, es ist nicht lustig. Welchen verdrehten Plan verfolgt Gott bitte damit?“ ich schnaube erneut.
„Weißt du was? Um dich auf andere Gedanken zu bringen komme ich am Wochenende zu dir.“ Sagt er und ich quieke auf.
„Echt?“ frage ich nach und er lacht auf.
„Ja sicher, ich muss mir dein Schloss und deinen Vater mal anschauen.“
„Wann kommst du?“ frage ich aufgeregt, es kommt mir vor, als hätte ich ihn monatelang nicht gesehen, dabei sind es gerade Mal vier Wochen.
„Ich komme Samstagmorgen und muss Sonntagnachmittag wieder los.“ Erklärt er mir „Ich bleibe dann noch eine Nacht in Dublin bei einem Freund und fliege dann Montag wieder zurück.
„Das ist klasse, ich freue mich so auf dich.“ Jubele ich.
„Ganz ruhig Baby, in weniger wie 48 Stunden bin ich bei dir. Ich liebe Dich!“ er schickt mir einen Kuss durchs Telefon.
„Ich dich auch Jonas.“ Damit lege ich auf.
Ich sehe weiter aufs Meer in dem sich die Abendsonne in wunderschönen Farben spiegelt und denke lächelnd nach.
Ich beschließe Amy anzurufen und ihr zu sagen, dass es mir gut geht.
Ich erreiche sie im Krankenhaus, doch leider ist sie zu schwach um wirklich mit mir zu reden, deshalb rede ich und sie sagt ab und zu ein Wort.
Dann mache ich mich auf den Weg zurück und kaum dass ich das Haus betrete, bestürmen mich Will und Cara und Jojo wuselt um mich herum.
„Was ist denn hier los?“ lache ich und Jane versucht vergebens Ordnung ins Chaos zu bringen.
„Ich brauche Hilfe in Mathe.“ Cara sieht mich mit großen Augen an.
„Und du?“ ich struvele Will durch die Haare.
„Geschichte.“ Grummelt er und ich beuge mich zu Jojo.
„Und du brauchst dringend Nachhilfe in gutem Benehmen.“ Ich kraule ihn und er bellt.
„Kannst du…“ setzt Jane an.
„Ja klar, Cara in 5 Minuten auf der Terrasse und Will du liest was in deinem Buch steht und ich komme in einer halben Stunde in dein Zimmer.“ Ich sehe zu ihm und er verdreht die Augen. „Will?“ rufe ich ihm hinterher und er dreht sich zu mir um „Wenn du nicht liest, dann helfe ich dir nicht.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Okay.“ Murmelt er und ich sehe zu Jane.
„Ich danke dir.“ Sie schickt mir einen Handkuss und Cara und ich gehe nach draußen.
In den letzten 4 Wochen hat es nur drei oder vier Tage geregnet, den Rest über hatten wir wirklich tolles Wetter und ich gehe mit Cara fast immer hier raus, wenn ich ihr helfe. Es ist ruhig und sie kann sich besser konzentrieren.
Nachdem ich den beiden geholfen habe, gehe ich in die Küche und Jane klopft auf den Stuhl neben sich.
„Na?“ ich grinse sie an und sie reicht mir einen Becher Tee.
„Sag mal Sam, woher kannst du so gut mit den Beiden Monstern umgehen?“ sie legt ihren Kopf schief und eine störrische Locke fällt ihr ins Gesicht.
„Ich bin Lehrerin…“ ich seufze leicht „Na ja, fast.“ Füge ich hinzu.
„Wie fast?“ sie sieht mich verwirrt an.
„Um eine richtige Lehrerin zu sein muss ich erst das Volontariat abschließen und das habe ich nicht.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Du bist großartig, ich bitte dich Sam.“ Sie nimmt meine Hand. „Beende das, du bist wie geschaffen dafür.“
„Danke Jane.“ Ich sehe auf unsere Hände und atme tief durch.
„Als ich dich am Tor aufgelesen habe, da hätte ich mir niemals vorstellen können, was alles in dir steckt…“ sie lächelt leicht „Du bist wunderbar im Umgang mit den Pferden, du bist großartig mit Cara und Will und du hast fast jeden hier im Schloss um den Finger gewickelt.“ Sie zwinkert mir zu „Ethan hat sich Hals über Kopf in dich verliebt.“
„Hmm.“ Sage ich nur und entziehe ihr meine Hand.
„Glaub mir Sam, ich habe Ethan noch nie so gesehen.“ Versucht sie es weiter.
„Es ist kompliziert.“ Gebe ich zu.
„Ist es das nicht immer?“ sie legt ihre Hand unter mein Kinn und ich muss sie ansehen. „Sam, das Leben ist zu kurz für so etwas.“
„Wie recht du hast.“ Ich nicke leicht und sie lächelt.
„Ich habe gehört, du bekommst Besuch.“ Wechselt sie das Thema und ich brauche nur an Jonas zu denken schon fange ich an zu lächeln.
„Ja, Jonas kommt.“ Freue ich mich.
„Und Jonas ist?“ sie legt ihren Kopf schief.
„Mein bester Freund.“ Lache ich „Und mein Cousin.“ Füge ich hinzu.
„Wann kommt er denn?“ fragt sie und ich merke, dass sie erleichtert ist.
Ich glaube, Ethans Glück liegt ihr am Herzen, aber egal wie ich es auch drehe und wende…
Er ist mein Bruder.
Egal welche Gefühle ich für ihn habe.
Und eins ist sicher, diese Gefühle gehen weit über eine geschwisterliche Liebe hinaus.
„Charlie will auch am Sonntag endlich kommen.“ Erzählt sie nun mir und ich muss sagen, ich bin mächtig gespannt auf ihn. Er soll ein ausgezeichneter Reiter sein und er will unbedingt versuchen auf Shadow zu reiten.
Das schaue ich mir ja an…
Ich verbringe den Tag damit im Stall für Ordnung zu sorgen und am Abend genieße ich einen weiteren Sonnenuntergang. Also wirklich, hier präsentiert sich Gott von seiner wunderschönsten Seite…
Am nächsten Morgen lassen mich Harry und Jane länger schlafen und dann werde ich dazu verdonnert, Stroh und Heu vom Nachbarn zu holen. Tatsächlich bin ich fast den ganzen Tag damit beschäftigt und als ich von meiner letzten Tour zurück komme, da steht tatsächlich Jonas im Innenhof.
„Jonas!“ ich stelle den Motor ab, springe aus dem Traktor und laufe auf ihn zu.
Er fängt mich auf und wirbelt mich herum.
„Baby!“ jubelt er „Du in einem Traktor? Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ Lacht er und setzt mich ab.
Ich schmiege mich an ihn und er küsst meinen Schopf.
„Du fehlst mir.“ Flüstere ich.
„Du mir auch Baby.“ Gibt er zu.
„Ich muss eben Harry Bescheid sagen und das Heu abladen, dann gehöre ich ganz dir.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf und setze mich wieder in den Traktor.
Ich lade ab und als ich aussteigen will hält mir Ethan seine Hand hin.
„Du hast also Besuch? Aus London?“ fragt er und ich nicke.
„Ja, das ist Jonas.“ Ich deute auf eben jenen und er winkt uns zu.
„Habt ihr heute was vor?“ fragt Ethan weiter und ich merke, dass ihm das irgendwie nicht behagt.
„Ja, wir wollen nach Ballina, vielleicht ins Kino und dann was Essen. 4 Wochen können verdammt lang sein.“ Ich strahle ihn an und merke, dass er es nicht erwidern kann.
Ich räuspere mich und grinse ihn schief an.
„Wir sehen uns.“ Verabschiede ich mich von ihm.
Bevor ich an ihm vorbei bin hält er mich an meinem Handgelenk fest und ich sehe ihn kurz an.
„Bitte Ethan.“ Flüstere ich und er lässt mich wieder los.
Mein herz schlägt so heftig in meiner Brust, das ich denke jeder im Umkreis von 2 Kilometern müsste es hören.
„Tut mir leid.“ Er sieht mich traurig an und ich laufe zu Harry um mich abzumelden.
„Komm ich zeig dir alles.“ Ich halte Jonas die Hand hin und führe ihn ein wenig herum.
Dann kommt Jonas mit in mein Zimmer und ich tausche meine Jeans und mein T-Shirt gegen ein kurzes Sommerkleid.
„Bereit?“ fragt er und ich nicke.
„Warte, ich frage ob wir Harrys Auto haben können.“ Ich ziehe ihn hinter mir her und schnappe mir im letzten Moment meine Handtasche in der meine Medikamente sind.
Polternd kommen wir die Treppe runter und Jane und Harry sehen uns an.
„Harry?“ frage ich und blinkere ihn an.
„Na Quälgeist, was willst du?“ lacht er.
„Können wir uns dein Auto leihen? Mit dem Bus sind wir ja Tage unterwegs.“ Bitte ich ihn und ziehe einen Schmollmund.
Er tut als müsse er nachdenken und Jane reicht mir den Schlüssel von Schlüsselbrett.
„Danke!“ ich drücke Harry und Jane einen Kuss auf die Wange.
Fröhlich gehen wir zum Auto und Jonas erzählt mir die neusten Geschichten von Kerry und seiner Familie.
Es ist merkwürdig, aber es ist als würde ich einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie sie ohne mich zu Recht kommen.
Kaum das wir den Hof verlassen und das Schlosstor passieren sieht mich Jonas von der Seite an.
„War das vorhin Ethan?“ fragt er und ich nicke.
„Ja.“ Ich seufze leise.
„Also er sieht gut aus, das muss ich ihm lassen.“ Erklärt er und ich schnaube.
„Das macht es nicht einfacher Jonas.“ Rüge ich ihn.
„Tut mir leid, aber unter normalen Umständen…“ setzt er an.
„…unter normalen Umständen, würde ich ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit um den Hals fallen.“ Beende ich seinen Satz und er lacht leise.
„Du siehst gut aus Baby.“ Sagt er ein paar Minuten später.
„Es geht mir auch gut und die Blutwerte sehen gut aus.“ Erkläre ich ihm und er nimmt meine Hand.
„Das ist gut, das ist wirklich gut.“ Freut er sich.
Wir gönnen uns einen alten Film in einem noch älteren Kino und anschließend lässt Jonas es sich nehmen und lädt mich zum Italiener ein.
Es ist schön mal wieder in seinen Armen einzuschlafen und ich genieße jede Sekunde mit ihm, leider vergeht die Zeit viel zu schnell…
„Wann willst du es endlich sagen?“ fragt mich Jonas leise und ich sehe ihn kurz an.
„Ich weiß es nicht.“ Ich lege meinen kopf wieder auf seine Brust.
„Sie werden es irgendwann erfahren und du musst es ihnen einfach selber sagen.“ Bekniet er mich.
„Ich weiß doch.“ Ich halte mich an ihm fest „Es ist nur so, seitdem ich hier bin lebe ich endlich wieder und weil ich nicht weiß, ob es für mich ein Morgen gibt, will ich es einfach genießen. Ist das falsch?“
„Nein Baby, aber dennoch, Lord Andrew ist dein Vater und deine letzte Chance. Vertue sie nicht!“ er drückt mir einen Kuss auf die Haare und ich nicke leicht.
Dann heißt es aufstehen und Jonas packt seine Sachen zusammen.
„Kommst du noch mit in den Stall und ich stelle dir Shadow vor?“ ich sehe Jonas bittend an, er stellt seine Tasche ab und folgt mir in den Stall.
„Wow, das sind mal Pferde.“ Er bestaunt Shadow und Jeronimo.
„Es ist toll mit Shadow auszureiten, man bekommt plötzlich einen ganz anderen Blick auf die Welt.“ Ich streiche Shadow über seine Nase und reiche ihm eine Karotte.
„Das alles hier tut dir gut…“ stellt Jonas fest „Aber ich bitte dich nochmal, dir läuft die Zeit davon.“ Er nimmt mich in den Arm.
„Ich würde gern die Zeit anhalten.“ Gestehe ich ihm.
„Das geht nicht Baby und das weißt du.“ Er küsst meine Stirn.
Von draußen ertönt ein hupen und Jonas macht sich los.
„Das ist bestimmt mein Freund aus Dub, er wollte mich abholen, ansonsten würde ich einen Tag nach Dub brauchen.“ Er zwinkert mir zu und wir gehen hinaus. Heute ist es bedeckt und es wird bestimmt noch regnen.
Ich reiche ihm seinen Rucksack und nehme ihn erneut in den Arm.
„Ich vermisse dich.“ Sage ich leise und er legt seine Stirn an meine.
„Ich dich auch Baby.“ Er küsst meine Nasenspitze. „Sei brav.“
„Immer.“ Ich begrüße mit einem kurzen winken seinen Freund und er steigt ein.
Ich sehe dem Auto hinterher bis es das Tor passiert hat und atme tief durch.
„Kannst du mir helfen?“ Ethan geht an mir vorbei und ich werde das Gefühl nicht los, das er sauer auf mich ist.
„Klar.“ Ich folge ihm verdattert und erreiche den Stall mit ihm zusammen.
Abrupt dreht er mich zu sich und küsst mich.
Ich bin nicht fähig etwas zu machen und nach ein paar Sekunden schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn zu mir.
Seine weichen, warmen Lippen auf meinen zu spüren ist himmlisch und ich gebe mich diesem Gefühl einen Moment lang hin, dann wird mir bewusst was ich tue und mache mich von ihm los.
„Es tut mir leid.“ Sage ich atemlos und laufe los.
Im Westflügel finde ich niemanden vor und lasse mich auf den erstbesten Stuhl fallen.
„Du siehst aus, als wäre deine Welt untergegangen.“ Lady Evelyn setzt sich zu mir und ich wische mir meine Tränen weg.
„Es geht schon.“ Wehre ich mich halbherzig „Wo sind denn alle hin?“
„Heute ist auf dem Reiterhof ein Stück die Straße runter ein Fest und ich denke nicht, dass die bald wieder kommen.“ Erklärt sie mir und ich nicke leicht.
Ich erinnere mich, dass Hannah und Jane mir davon erzählt haben.
„Aber es ist schön, dass ich dich mal alleine erwische…“ beginnt sie und ich sehe erschrocken auf „Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube du verschweigst etwas.“ Sagt sie und ich denke mein Herz muss aussetzen.
„Lady Evelyn…“ beginne ich.
„Eve.“ Bittet sie mich.
„Eve, es ist wirklich kompliziert.“ Ich knete meine Hände.
„Wenn es darum geht, dass dich die Agentur gar nicht geschickt hat, dann sei beruhigt. Es ist mir egal wie du hierher gekommen bist und du machst deine Arbeit wirklich sehr gut. Da ist noch was anderes und ich komme einfach nicht drauf.“ Gesteht sei mir und ich sehe sie mit großen Augen an.
„Sie, ich meine du weißt es?“ frage ich leise.
„Ja, seit deinem zweiten Tag.“ Sie lächelt leicht. „Was hast du auf dem Herzen Sam?“ fragt sie leise und ich verknote meine Hände noch mehr ineinander.
„Weißt du, du verknotest deine Hände genauso wie unser Sohn, wenn er nicht weiter weiß.“ Sie deutet auf meine Hände.
Ich sehe nach draußen, die Sonne geht langsam unter und die Dunkelheit breitet sich langsam aus, tatsächlich regnet es seit ein paar Minuten wie aus Eimern und ich atme tief durch.
Es scheint als hätten Ethan und ich doch Gemeinsamkeiten…
„Sam, ich sage ihm dann immer, dass sich für alles eine Lösung findet.“ Sie nimmt meine Hand und ich muss aufhören sie zu kneten.
„Manchmal vielleicht auch nicht.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Und genau das sagt Charlie dann auch immer.“ Sie lächelt leicht und mein Kopf schnellt in die Höhe.
„Charlie?“ frage ich verwirrt.
„Ja, Charles, Andrews und mein Sohn.“ Sie sieht mich lächelnd an. „Er wollte heute kommen, aber er hat sich entschieden uns erst am nächsten Wochenende zu beehren. Typisch Charlie.“
„Aber ich dachte Ethan…“ setze ich an.
„Ach nein Sam, Ethan ist der Sohn von Andrews verstorbenen Cousin und er ist zu uns gekommen als er 6 Jahre alt war und Charlie gerade geboren war. Er ist für uns wie ein Sohn, wir haben bis zur seiner Volljährigkeit die Vormundschaft gehabt. Ethan ist Andrews Großneffe oder so ähnlich.“ Sie winkt ab.
„Dann sind Ethan und Andrew gar nicht Blutsverwandt?“ mein Herz beschleunigt sich und sie schüttelt den Kopf.
„Irgendwie über 100 Ecken, aber da steigt dich eh niemand durch.“ Sie sieht mich durchdringend an.
„Entschuldigst du mich?“ ich sehe sie an und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
„Aber sicher, ich werde noch lesen und dann heute mal früh zu Bett…“ sie steht auf „Es war sehr nett sich mit dir zu unterhalten, ich hoffe wir können das mal wiederholen. Vielleicht kannst du es mir dann erzählen.“ Sie lächelt mich an und ich nicke abwesend.
Ich starre auf die Tischplatte vor mir.
Ethan ist nicht mein Bruder… nicht mein Halbbruder…. Wir sind gar nicht verwandt!
Wir sind nicht verwandt!
Was bin ich doch blöd…
Ethan sieht nicht nur älter aus, nein er ist älter. Obwohl er sich für seine fast 30 Jahre ausgesprochen gut gehalten hat.
Ich hätte dem Ganzen ein Ende setzen können, wenn ich ihn nur einmal nach seinem Alter gefragt hätte.
Ich bin so dumm!
Manchmal sieht man wirklich den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Ich muss zu ihm…
Jetzt!
Ich springe auf und laufe durch den Regen zur Scheune, mein Top und meine Jeans sind schon nach dem kurzen Stück völlig durch geweicht und ich sehe mich suchen um. Meine nassen Haare kleben an meinem Nacken als ich alle Ecken nach ihm absuche.
„Ethan?“ rufe ich atemlos.
„Was willst du denn noch?“ er kommt aus Jeronimos Box und ich lächle.
Ich laufe auf ihn zu und springe ihm auf den Arm.
Er fängt mich auf und sieht mich verwirrt an.
„Was?“ seine grasgrünen Augen fixieren mich fragend.
Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn sanft. Fast rechne ich mit Widerstand, aber dann presst er mich an sich und legt eine Hand in meinen Nacken. Seine Zunge verlangt fordernd Einlass und nur zu gerne lasse ich ihn gewähren.
Atemlos sehen wir uns ein paar Minuten später an.
„Ich. Liebe. Dich.“ Sage ich leise.
„Oh Sam…“ er küsst mich erneut „Ich liebe dich.“ Seufzt er und es scheint aus der Tiefe seiner Seele zu kommen.
Er trägt mich in eine Ecke, wir sinken ins frische Stroh und er hält mich fest in seinen Armen.
Ich kann und ich will nicht aufhören ihn zu küssen und ich genieße seine warmen Hände auf meiner kühlen Haut.
Er zieht mir mein klatschnasses Shirt über den Kopf und ich helfe ihm aus seinem T-Shirt. Ich will ihn so sehr, das mein Herz vor Verlangen zu zerspringen droht.
Langsam zieht er mir meine Jeans aus, was sich als schwieriges Unterfangen heraus stellt, denn sie klebt an meinem Körper und wir lachen beide. Es ist so herrlich entspannt und wir sind fast unheimlich im Einklang.
Auch seine Jeans findet den Weg auf den Boden und ich schmiege mich an ihn.
Ich spüre seinen kräftigen Herzschlag und ich schließe meine Augen. Ich will die Zeit anhalten, ich will für immer in seinen Armen bleiben.
Wenn mein Leben nur für diesen einen Moment geplant war, dann bin ich dieses eine Mal mit Gottes Plan zufrieden, denn als er sich über mich beugt und behutsam in mich eindringt, da fühle ich mich wie angekommen…
Seine Bewegungen sind langsam und zärtlich und ich sehe ihm immer wieder in die Augen. Dann erfasst mich eine Welle und trägt mich davon. Das ist besser wie alles andere, was ich in meinem Leben bisher erlebt habe und ich zerfließe unter ihm.
Dann findet auch er Erlösung und ich lege schwer atmend in seinen Armen.
Ich sehe ihn an und beginne plötzlich zu weinen.
Es bricht ganz plötzlich über mich herein und ich kann nichts dagegen tun.
Ich will nicht sterben, nicht jetzt wo ich endlich weiß, was Liebe wirklich ist.
Das ist ungerecht…
Er zieht mich in seine Arme und hält mich ganz fest.
„Ich. Bin. Bei. Dir.“ Flüstert er mir immer wieder ins Ohr und ich schmiege mich an seine breite Brust. „Immer.“ Fügt er hinzu und ich küsse ihn unter Tränen.
Er greift neben sich und breitet eine warme, flauschige Decke über uns aus, ich frage mich kurz woher er die hat, aber ganz ehrlich, es ist mir relativ egal.
In seinen Armen zu liegen, das ist alles woran ich jetzt denken will.
Als ich aufwache, da muss ich mich einen Moment orientieren und hebe verschlafen meinen Kopf.
Wir sind immer noch in die Decke eingewickelt und ich liege auf seiner Brust. Ich lausche einen Moment seinen gleichmäßigen Atemzügen und seinem Herzschlag. Ich schlafe tatsächlich noch einmal ein und kuschele mich dicht an ihn
Ein räuspern erklingt von der Tür und sofort sitze ich aufrecht und bedecke mich mit der Decke.
„Guten Morgen.“ Harry grinst mich schelmisch an.
„Guten Morgen.“ Nuschele ich peinlich berührt und Ethan erwacht nun auch neben mir.
„Hey.“ Er kommt hoch und küsst meine nackte Schulter.
„Hmm.“ Räuspere ich mich und deute mit einem nicken auf Harry.
„Guten Morgen Harry.“ Ethan gähnt und nimmt mich in den Arm.
„Ich gebe euch eine halbe Stunde ehe ich Jane, Mary oder Hannah hier rein schicke.“ Harry dreht sich in der Tür um und zieht das große Tor ins Schloss.
„Hey Prinzessin.“ Flüstert mir Ethan ins Ohr und ich drehe mich zu ihm.
„Wir sollten uns anziehen.“ Ich sehe mich suchend nach meinen Sachen um.
„Wir haben eine halbe Stunde.“ Er knabbert herausfordernd an meinem Ohrläppchen.
„Ethan…“ rüge ich ihn, lasse mich aber dann doch nach hinten fallen.
Sanft massieren seine warmen Hände meine Brüste und ich küsse ihn innig, er rollt sich auf mich und ich spüre ihn in mir. Ich werde von diesem Gefühl davon getragen und lasse mich einfach treiben.
Erst als er mich hart küsst und ich merke, das er nun auch seine Erlösung gefunden hat, da komme ich wieder in der Realität an.
Ich lasse mich erschöpft ins Stroh sinken und versuche wieder gleichmäßig zu atmen.
Er kommt leicht hoch, greift neben sich und reicht mir meinen BH und mein T-Shirt.
„Jetzt sollten wir uns wirklich anziehen, ich habe keine Lust darauf von Jane oder den anderen noch vor dem Frühstück verhört zu werden.“ Er grinst mich an und zieht sich sein T-Shirt auch über.
Ich angele mir meinen Slip und meine Jeans und schlüpfe möglichst galant hinein. Lächelnd kommt Ethan zu mir und zupft mir einen Strohhalm aus den Haaren.
„Ich liebe dich.“ Flüstert er leise.
Ich kann nicht anders wie zu lächeln und küsse ihn.
„Und ich liebe dich.“ Hauche ich ihm ins Ohr.
Hand in Hand schlendern wir über den Hof und laufen prompt Lady Evelyn über den Weg.
„Nanu? Was geht denn hier vor sich?“ sie grinst uns an und Ethan zieht mich in seine Arme.
„Sie hat mich erhört.“ Er küsst meine Schläfe und ich merke, wie ich rot werde.
„Es ist schön euch zusammen zu sehen.“ Sie strahlt uns an. „Ist denn schon jemand im Stall? Ich möchte Stella heute mal etwas Bewegung verschaffen.“ Sie sieht erst mich und dann Ethan fragend an.
„Ich komme schnell mit.“ Biete ich mich an.
„Das wäre nett Sam.“ Sie harkt mich unter und sieht zu Ethan „In 20 Minuten hast du sie wieder. Versprochen.“
„Danke Eve.“ Er drückt ihr einen Kuss auf die Wange, dann sieht er mich an „Clevere Taktik damit ich mich dem Mob als Erstes stellen muss.“ Er zwinkert mir zu und ich schenke ihm einen unschuldigen Blick.
„Ich bin gut.“ ich lächle breit und folge dann Lady Evelyn in den Stall.
„Sam? Darf ich dich was fragen?“ Sie sieht mich prüfend an, als ich ihren Sattel hole.
„Natürlich.“ Erwidere ich lächelnd.
„Was hat deine Meinung zu Ethan geändert?“ sie legt ihren Kopf schief und ich erstarre in meiner Bewegung.
„Es ist wirklich kompliziert.“ Gebe ich zu.
„Das ist es immer.“ Nickt sie.
„Ich kann es ihnen nicht sagen, denn dann würde ich von ihnen verlangen, das sie nicht ehrlich zu ihrem Mann sind und das kann und will ich nicht.“ Erkläre ich ihr und sie nickt ganz langsam.
Ich sattele Stella zu Ende und reiche ihr die Zügel.
„Was immer es auch ist Sam, irgendwann wirst du es sagen müssen.“ Sie nimmt meine Hand. „Warte nicht zu lange, denn umso länger du wartest, umso schwerer wird es.“
„Danke Eve.“ Ich winke ihr hinterher, als sie mit Stella los reitet.
Ich atme tief durch und gehe dann in Richtung Westflügel, das Bild welches sich mir bietet hat schon in gewisser Art und Weise was komischen und ich muss leise lachen. Ethan sitzt am Tisch umzingelt von Jane, Hannah und Mary und trinkt lässig seinen Tee, während die Frauen ganz rote Wangen haben.
„Jetzt spuck es endlich aus Ethan!“ faucht Jane und ich räuspere mich, so dass nun alle mich ins Visier nehmen.
„Was denn?“ ich setze mich neben Ethan, er nimmt meine Hand und haucht mir einen Kuss auf die Fingerknöchel.
„Ich dachte Harry spinnt.“ Jubelt Jane und nimmt mich in den Arm.
„Nein, bestimmt nicht.“ Harry steht in der Tür und seine Frau schenkt ihm einen langen Blick.
„Sam, hast du einen Moment?“ Lord Andrew kommt in die Küche und ich stehe verwirrt auf.
„Ich möchte heute etwas mit Shadow arbeiten und möchte, dass sie mir assistieren.“ Erklärt er mir als ich auf ihn zu gehe.
„Gerne.“ Erwidere ich und Ethan steht auch auf.
„So kommst du uns nicht davon.“ Jane sieht ihn lange an.
„Ich weiß gar nicht was ihr wollt, ich muss ins Krankenhaus und mal etwas arbeiten.“ Er geht an mir vorbei, haucht mir einen Kuss auf die Lippen und streicht mir eine Strähne hinters Ohr. „Bis heute Abend.“ Flüstert er mir zu und ich nicke glückselig.
Bevor sich die anderen auf mich stürzen sehe ich zu Lord Andrew und er geht mit einem kurzen Nicken mir voran und ich folge ihm bis in den Stall.
Ich beobachte ihn eine Weile und helfe ihm, wenn er mich darum bittet. Schließlich stehen wir draußen und Shadow ist gesattelt und gezäumt.
„Woher können sie so gut mit Pferden umgehen?“ will er schließlich wissen und ich sehe ihn überrascht an.
„Warum wollen sie das wissen?“ erwidere ich bevor ich darüber nachdenken kann und er lächelt leicht.
„Ich könnte jetzt sagen weil ich sie eingestellt habe und so weit ich weiß, sind sie von keiner Agentur geschickt worden und ich weiß nichts über sie.“ Beginnt er und ich grinse ihn entschuldigend an „Aber das ist es nicht Sam, ich möchte es einfach gerne wissen.“
„Ich denke, ich habe es im Blut…“ ich zucke mit den Schultern und wir geleiten Shadow zur Koppel, wenn ich alles richtig verstanden habe, dann soll er heute das erste Mal über kleinere Hindernisse springen und ich bin wirklich gespannt wie sich mein Hübscher macht. „… Meine Mum liebte Pferde und sie hat immer versucht mir die Tiere näher zu bringen.“ Erkläre ich ihm schließlich und er sieht mich lange an.
„Sie liebte?“ fragt er vorsichtig nach.
„Ja, sie ist vor 3 Jahren gestorben.“ Ich atme tief durch.
„Das tut mir wirklich leid.“ Bedauernd sieht er mich an, aber ich winke ab.
„Das Leben geht weiter und niemand kann einem versprechen, das es immer ein Morgen gibt.“ Ich öffne das Gatter zum Trainingsgelände.
„Sehr weise Worte von einer so jungen Frau.“ Er lächelt mich an, als er mit Shadow an mir vorbei geht.
„Manchmal bin ich gut.“ ich zwinkere ihm zu.
„Ich liebe Pferde seit ich denken kann, aber erst eine Frau hat mir gezeigt wie wundervoll sie wirklich sind.“ Sagt er leise und ich sehe ihn an. Er wirkt in seinen gedanken versunken und ich frage mich, an wen er dabei wohl denkt.
„Ihre Frau?“ frage ich leise.
„Nein, nein…“ er winkt ab „Verstehe mich jetzt nicht falsch, ich liebe Eve wirklich, aber die Frau an die ich denke…“ er lächelt wieder ganz leicht „… Sie war meine erste Liebe.“
„Wie hat sie ihnen gezeigt, was sie meinten zu wissen?“ ich lege meinen Kopf schief und er lacht leise.
„Sam, du bist neugierig.“
„Entschuldigung Lord Andrew.“ Ich sehe schnell weg und er lacht erneut.
„Hör’ bitte endlich auf mit diesem Lord und ich will dich nur ein bisschen ärgern.“ Er tritt neben mich.
„Es ist…“ ich suche nach dem richtigen Wort „Alle nennen sie Lord Andrew.“
„Ja, aber ich habe sie nicht darum gebeten, sie tun es aus freien Stücken. Bei dir kann ich mich einfach nicht daran gewöhnen.“ Gesteht er mir und hilft mir beim aufsetzen. „Jetzt konzentrieren wir uns auf Shadows Trainigseinheit und dann würde ich dieses Gespräch sehr gerne weiter führen.“
„Gerne.“ Erwidere ich und er korrigiert meine Haltung ein wenig.
Dann nimmt er Shadow an eine lange Leine und es geht los. Shadow macht wirklich alles gut mit und ich rede ihm beruhigend zu, lobe ihn und sporne ihn an.
Nach einer Stunde hilft mir Andrew wieder von seinem Rücken und ich streichele Shadow sanft über die Nüstern.
„Du bist ein Prachtexemplar.“ Flüstere ich.
Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Harry auf uns zu kommt.
„Ah, du kommst wie gerufen. Putzt du Shadow und bringst ihn auf die Weide?“ Andrew sieht ihn an und er nickt lächelnd.
„Soll ich deinen Helm mitnehmen?“ er sieht zu mir und ich reiche ihm meinen Helm.
„Dann komm Sam, wir waren noch nicht fertig.“ Andrew sieht zu mir und ich sehe zu Harry, dieser nickt mir zu und ich gehe mit Andrew an den Rand der Koppel, wo er sich, zu meiner Überraschung, ins Gras setzt.
Verwundert setze ich mich, nachdem ich meine Reitstiefel ausgezogen habe, neben ihn.
„Hailey Flynn.“ Sagt er leise und mein Herz setzt einen Schlag lang aus.
„Wie bitte?“ ich sehe ihn mit großen Augen an.
„Die Frau, die mir gezeigt hat, was Liebe ist und die mir gezeigt hat, wie wundervoll Pferde sind. Ihr Name war Hailey Flynn…“ er lächelt leicht „Sie war die wildeste, schönste und atemberaubendste Frau die ich jemals kennen gelernt habe, dabei war sie gerade mal 17 als ich sie kennen lernte und ich war 22.“ Fährt er fort und mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust. „Ich lernte sie auf einer Ranch kennen, sie machte Ferien mit ihrer Familie und in dem Augenblick in dem ich sie sah, war es um mich geschehen. Wir verbrachten den ganzen Sommer auf dem Rücken der Pferde, durch sie ritt ich das erste Mal in meinem Leben ohne Sattel und sie zeigte mir, das es mehr gab als Dressurreiten. Sie gab mir so viel und ich konnte ihr nichts zurück geben…“ er seufzt leise „Am Ende des Sommers verschwand sie einfach und ich hörte nie wieder etwas von ihr.“ Er sieht mich an und zuckt mit den Schultern „Anscheinend habe ich ihr nicht so viel bedeutet, wie sie mir.“
„Warum erzählen sie mir das?“ frage ich mit zittriger Stimme.
„Ich liebe Ethan wie meinen Sohn…“ beginnt er „… Ich könnte es nicht ertragen, wenn du ihm das Herz brichst. Ich sehe ihn und ich sehe mich vor 26 Jahren.“
„Ich liebe ihn.“ Flüstere ich.
„Dann versprich mir eins Sam…“ er sieht mich durchdringend an und ich nicke leicht „Verschwinde niemals einfach so aus seinem Leben.“ Bittet er mich und ich schlucke schwer.
„Ich verspreche es.“ Sage ich leise und weiß nicht, ob ich das halten kann.
„Ich danke dir Sam.“ Sagt er ehrlich und ich merke, wie mir eine Träne über die Wange läuft.
So wie ich es mir tausend Mal von meinem Dad gewünscht habe, den ich bisher nicht einmal kannte, wischt er sie mir sanft fort.
„Es tut mir leid, aber ich versuche nur meine Familie zu beschützen.“ Erklärt er mir und ich nicke wieder leicht.
Ich verstehe ihn und wünsche mir nichts sehnlicher, als ihm zu sagen, das ich seine Tochter bin und Hilfe brauche.
Aber ich kann es nicht…
Mein Mund bleibt stumm.
„Ich muss wieder in den Stall, Harry braucht mich sicherlich.“ Ich stehe auf und auch er erhebt sich.
„Danke Sam.“ Er nimmt mich in den Arm und immer mehr Tränen laufen über meine Wangen.
„Ich danke dir Andrew.“ Erwidere ich leise und mache mich dann von ihm los.
Im Stall treffe ich aber nicht wie erhofft auf Harry, sondern Eve sieht mich fragend an.
„Was ist denn los Sam?“ sie nimmt besorgt meine Hand in ihre.
„Ich kann es dir nicht sagen.“ Schluchze ich.
„Du musst es jemanden sagen, ich sehe doch, wie sehr dich das belastet…“ sie sieht mich bittend an.
„Ich kann nicht.“ Damit stürme ich hinaus und direkt in Ethans Arme.
„Hey…“ er hält mich fest in seinen Armen „… Was ist denn los?“
„Halt mich.“ Flehe ich leise und er presst mich ein Stück fester an sich.
Eine Weile stehen wir einfach so da und ich versuche das Chaos in meinem Kopf zu sortieren… Aber es will mir einfach nicht gelingen.
„Komm.“ Sagt Ethan leise und führt mich ins Haus und anschließend in sein Zimmer.
Vorsichtig bugsiert er mich aufs Bett und nimmt mich dann wieder in den Arm.
„Ich liebe dich so sehr…“ flüstere ich „Bitte vergiss das niemals.“
„Wie könnte ich?“ fragt er leise und ich schluchze „ich liebe Dich auch.“ Fügt er hinzu und küsst mich.
Unser Kuss ist salzig von meinen Tränen und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken.
Ich will dieses Glück, welches ich nur bei ihm spüre, festhalten und hoffen, dass die Zeit eine Weile still steht…
Unsere Küsse sind stürmisch und verzweifelt und ich ziehe ihm sein Poloshirt über den Kopf.
Ich will ihn spüren, ich muss…
Erst ist er verwundert, aber dann zieht er mir mein Shirt ebenfalls über den Kopf und befreit mich von meinem BH. Meine Hände krallen sich in seinen Rücken und er stöhnt leise. Er öffnet den Gürtel meiner Jeans und haucht kleine Küsse auf meinen Bauch.
Schließlich liege ich nackt vor ihm und nestele an seinem Gürtel herum, endlich bekomme ich diese verdammte Gürtelschnalle auf und befreie ihn von seiner Hose und seinen Shorts.
Als er endlich in mich eindringt alte ich mich ihm fest und schließe meine Augen.
„Ich brauche dich.“ Hauche ich ihm ins Ohr.
„Du bist das, was ich immer wollte.“ Er küsst mich innig und beginnt sich kraftvoll in mir zu bewegen.
Bevor wir zum Dinner gehen, schleiche ich mich in mein Zimmer und nehme meine Tabletten. Ich beschließe schnell die nächste Woche zu dosieren und deponiere sie in seinem Bad, ehe er zurück kommt und mich holt.
Das Essen ist entspannt und quasi mit sofortiger Wirkung ziehe ich in den Hauptteil des Hauses.
„Sam? Kannst du eben mit den Zwillingen Hausaufgaben machen?“ Jane sieht zu mir, als ich eine Woche später gerade Shadow auf die Weide entlasse.
„Klar.“ Rufe ich zurück und sie schickt mir einen Handkuss.
Wie immer sind die beiden in meiner Anwesenheit kleine Engel und die Hausaufgaben sind schnell erledigt.
„Charlie ist hier!“ ruft Will euphorisch und stürmt an mir vorbei nach draußen.
„Endlich!“ auch Cara springt auf und ich folge den Beiden.
Will sieht seinem, also unserem, Dad unwahrscheinlich ähnlich und begrüßt mich, wie eine alte Freundin mit einer Umarmung.
„Du bist also Miss Ich – habe – Ethan – den – Kopf – verdreht?“ er grinst mich an und ich muss es einfach erwidern.
„Stimmt und du musst dann Mister Ich – muss – immer – arbeiten sein, richtig?“ ich lege meinen Kopf schief und er lacht auf.
„Sie ist besser wie du sie mir beschrieben hast.“ Er geht zu Ethan und nimmt auch ihn in den Arm.
„Ich weiß.“ Er zwinkert mir zu und nun kommen auch die anderen um ihn zu begrüßen.
Am Abend grillen wir draußen und die Atmosphäre ist entspannt und ich genieße jeden Augenblick.
Wir haben uns an den Ufer eines kleinen Sees in der Nähe zurück gezogen und Cara und Will spielen im flachen Wasser.
Plötzlich packt mich Charlie und ehe ich weiß, wie mir geschieht finde ich mich im Wasser wieder, aber ich ziehe ihn mit mir und eine halbe Stunde später sind Cara, Will, Charlie, Ethan und ich tropfnass und setzen uns lachend wieder zu den anderen.
Ich habe wirklich keine Ahnung, wann ich mich das letzte Mal so frei gefühlt habe.
Die Quittung bekomme ich am nächsten Morgen, denn mir geht es wirklich nicht gut. Ich habe Schnupfen, Husten und Fieber und nachdem mich Ethan erst einmal Grundversorgt hat rufe ich in meiner Panik Kerry an, denn in meinem Zustand kann eine Erkältung alles bedeuten…
Kerry setzt sich in den nächsten Flieger und ich bin froh, als sie am nächsten Abend endlich bei mir ist.
„Gott Sam…“ sie befühlt meine Stirn. „Du musst in ein Krankenhaus.“ Sie sieht zu Ethan und ich halte ihre Hand fest und sehe sie bittend an.
„Nein Sam, du musst in ein Krankenhaus.“ Sie nickt Ethan zu und er ruft einen Krankenwagen, der mich zusammen mit Kerry nach Ballina bringt.
Als ich aufgenommen werde verlange ich nach Marc und zum Glück ist er im Haus.
„Was machst du denn für Sachen?“ er checkt mich kurz durch, gibt mir etwas gegen das Fieber und nimmt mir Blut ab.
„Baden.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Hey Marc, wie geht es meiner bezaubernden Freundin?“ Ethan kommt rein und ich sehe hilfesuchend zu Kerry.
„Hey Ethan, wir hatten ja noch gar nicht die Gelegenheit uns kennen zu lernen…“ sie hält ihm ihre Hand hin „Ich bin Kerry, Sams beste Freundin.“
„Das weiß ich Kerry.“ Er nimmt ihre Hand.
„Und da sich normalerweise niemand überhaupt an Sam annähern darf ohne den Kerry - Test zu bestehen…“ sie schüttelt leicht mit dem Kopf „Wir haben was nachzuholen Mister.“
„Aber…“ setzt er an.
„Komm schon, Sam muss sich ausruhen und ich kann nicht ewig bleiben. Willst du meinen Segen oder nicht?“ sie zieht eine Augenbraue hoch und ich lächle leicht.
„Okay.“ Sagt er schließlich, kommt aber noch zu mir und küsst mich sanft auf den Mund.
„Sie ist genauso, wie du sie beschrieben hast.“ Lächelt er.
„Sei lieb.“ Ich sehe in seine wunderschönen himmelblauen Augen und er lächelt.
„Bin ich immer.“ Er zwinkert mir zu und die beiden gehen.
„Er weiß es nicht, oder?“ Marc setzt sich neben mein Bett und ich schüttele mit dem Kopf.
„Nein, ich kann es ihm nicht sagen.“ Flüstere ich.
„Ethan ist mein Freund.“ Erwidert er leise und ich sehe ihn erstaunt an.
„Wir kennen uns vom Studium und von hier. Er arbeitet hier.“ Er sieht mich an und ich nicke schwach. „Aber du bist meine Patientin, ich halte mich natürlich an meine ärztliche Schweigepflicht.“ Versichert er mir.
„Danke Marc.“ Ich seufze erleichtert.
„Du musst es ihm sagen Sam.“ Er sieht mich durchdringend an.
„Ja, ich weiß.“ Gebe ich zurück und merke, wie müde ich bin.
Tatsächlich schlafe ich die nächsten zwei Tage fast nur und bekomme nicht einmal mit, wie Kerry wieder abreist.
Ethan sitzt an meinem Bett, als ich aufwache und mich wirklich besser fühle.
„Hey Prinzessin.“ Er setzt sich auf die Bettkante und befühlt meine Stirn. „Dir geht es endlich wieder besser.“ Er küsst mich sanft.
„Ja, ich fühle mich erstaunlich gut.“ ich kuschele mich an ihn.
„Ich spreche nachher noch mal mit Marc, mal schauen, wann du hier raus kannst.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Haare und ich nicke eifrig.
„Ich will nicht länger wie nötig hier bleiben.“ Gestehe ich ihm.
Ich kann keine Krankenhäuser mehr sehen, ich will einfach nur noch hier raus und ich fühle mich wirklich besser.
„Alles klar.“ Er küsst mich auf die Stirn „Ich gehe mal schauen wo er ist.“
Ich setze mich auf die Bettkante und meine Füße berühren den kalten Linoleumboden. Ich atme tief durch und stehe dann langsam auf, meine Medikamente wurden in den letzten Tagen neu eingestellt und mein Kreislauf tut sich noch etwas schwer damit.
Als Ethan strahlend zurück kommt, da weiß ich, dass ich endlich hier raus kann.
Als wir ins Schloss kommen, da stelle ich erstaunt fest, dass meine Sachen bei Ethan in der Einliegerwohnung sind.
„Was geht hier vor?“ ich sehe ihn verwirrt an.
„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass du in dein Zimmer zurück ziehst? Ich will dich um mich haben…“ er zieht mich in seine Arme „Jeden Tag und jede Nacht.“ Fügt er lächelnd hinzu.
„Du weißt aber schon, das ich hier auch arbeiten muss, oder?“ ich schlinge meine Arme um seinen Nacken.
„Ja, dafür sorge ich schon.“ Er lacht auf und küsst mich dann liebevoll.
Die nächsten Wochen sind wunderbar, ich fühle mich, als ob ich angekommen bin… Ethan kümmert sich wirklich rührend um mich und auch Charlie, Eve und Andrew sind um mich besorgt und geben mir ein Gefühl der Sicherheit. Die Sicherheit eine Familie zu haben, auch wenn sie nicht die geringste Ahnung haben, dass ich ein Teil ihrer Familie bin.
Umso länger ich heraus schiebe es ihnen zu sagen, umso schwerer wird es die Karten auf den Tisch zu legen.
Ich habe mich in eine fast aussichtlose Position manövriert und weiß nicht, wie ich da heraus kommen soll.
Ich liebe Ethan, ich liebe ihn mit jeder Faser meines Körpers, aber die Angst, dass ich mit einem Geständnis alles kaputt mache hängt wie ein dunkler Schleier über mir…
Ich liebe die Arbeit mit den Pferden und Shadow wird zu meinem besten Freund, ich liebe es auf ihm auszureiten und Harry, Andrew und ich haben beschlossen, dass es Zeit wird mit dem Springtraining anzufangen.
Wow, es ist ein unglaubliches Gefühl mit ihm über die Hindernisse zu fliegen, ich beginne meine Mum immer mehr zu verstehen, warum sie so vernarrt in Pferde war. Natürlich telefoniere ich regelmäßig mit Kerry, Dana und Jonas und halte sie auf dem Laufenden. Das mir alle ins Gewissen reden brauche ich nicht extra zu erwähnen…
„Sam?“ Andrew kommt ins Kaminzimmer wo ich es mir nach meinem Ausritt mit Shadow gemütlich gemacht habe und ich sehe ihn fragend an.
„Was kann ich für dich tun?“ ich lege meinen Kopf schief und mustere ihn, ich erkenne, das etwas nicht stimmen kann.
In den letzten beiden Monaten sind wir uns Nahe gekommen, wir verstehen uns sehr gut und ich denke einfach, ich habe den Moment, ihm die Wahrheit über mich zu sagen schlichtweg verpasst, denn wie schon gesagt, mit jedem weiteren Tag wird es schwerer…
Wir haben fast schon Ende September, ich bin jetzt seit 4 Monaten hier.
Warum habe ich nicht gleich was gesagt?
Ich belüge alle die mir so sehr ans Herz gewachsen sind schon eine so lange Zeit und meine Zeit läuft ab… unaufhaltsam.
Er setzt sich mir gegenüber auf den Sessel und sieht einen Moment dem prasselnden Feuer zu.
„Ich habe ein Problem.“ Beginnt er und ich sehe ihn erneut an.
„Eines bei dem ich dir helfen kann?“ frage ich leise.
„Ja…“ er atmet tief durch „Wie lautet dein richtiger Name? Ich habe alle Sozialversicherungsregister in England, Schottland und Wales abgefragt, nirgendwo ist eine Samantha Brody zu finden.“
Ich klammere mich an mein Buch, so fest, das meine Fingerknöchel weiß hervor treten.
„Sag dazu bitte etwas.“ Sagt er im strengen Ton und ich sehe auf.
In diesem Augenblick betritt Eve das Zimmer, ich sehe sie nur aus dem Augenwinkel, denn ich wage es nicht meinen Blick von Andrew abzuwenden.
Als ich dann auch noch sehe, das Ethan herein kommt und Eve ihn am arm fest hält, da bricht meine kleine heile Welt zusammen.
Bis hierher habe ich es also geschafft, genau wie meine Mum war ich einen Sommer lang glücklich…
„Samantha, sag endlich was dazu.“ Andrews Stimme klingt beherrscht, aber ich weiß, dass er wütend ist.
Wenn er eine Sache nicht leiden kann, dann ist es Unehrlichkeit.
„Mein Nachname ist nicht Brody.“ Sage ich leise.
„Warum hast du es denn gesagt?“ er fixiert mich weiterhin und ich halte mich weiter an meinem Buch fest.
„Weil es einfacher war.“ Antworte ich wahrheitsgemäß.
„In wie fern denn einfacher?“ er lässt mich nicht eine Sekunde aus den Augen. „Wie heißt du richtig?“
„Samantha Cassandra Flynn.“ Meine eigene Stimme dröhnt in meinen Ohren und ich sehe zu Tür, Ethan steht im Türrahmen und sieht mich ungläubig an.
„Flynn?“ Andrews Augen weiten sich.
„Ja, Hailey war meine Mum. Ich…“ stotterte ich und meine Stimme versagt fast.
„Du bist meine Tochter.“ Erahnt er und ich kann nur nicken.
Eine einzelne Träne läuft über meine Wange, sie hinterlässt eine brennend heiße, salzige Spur und ich wünschte mir, ich könnte mich in Luft auflösen.
Er will etwas sagen, aber Eve hebt ihre Hand. Gut so, denn was soll ich auch sagen?
Wie soll ich es ihnen erklären?
„Warum bist du hier Sam?“ fragt Eve ganz ruhig und ich wage es Ethan anzusehen, der gequält die Augen schließt und mit dem Kopf schüttelt.
„Ich bin krank…“ setze ich an und Eve setzt sich zu mir.
„Was fehlt dir Kleines?“ sie nimmt meine Hand und ich bin gezwungen das Buch los zu lassen.
„Ich habe Leukämie, ich habe bereits drei volle Chemos bekommen…“ ich sehe sie an und immer weitere Tränen laufen über mein Gesicht „… Sie haben nicht geholfen, mein Körper reagiert nicht darauf. Ich bin hier, weil ich erst vor 4 Monaten den Namen meines Vaters erfahren habe, weil sich meine Großeltern väterlicherseits mehr als nur Mühe gegeben haben, ihn aus der Sache… aus meinem Leben… heraus zu halten. Meine Mum wurde viel Geld bezahlt, damit sie Irland verlässt und du…“ ich sehe zu Andrew „…niemals erfährst, dass es mich gibt. Aber jetzt habe ich keine andere Chance mehr. Ich brauche eine Knochenmarkspende, ohne habe ich bestenfalls noch ein paar Monate, im Mai war meine Prognose ein Jahr.“
„Sam…“ setzt Eve an doch ich schüttele meinen Kopf.
„Ich danke dir Eve.“ Ich stehe mit zittrigen Knien auf „Danke für den schönsten Sommer meines Lebens, einen Sommer der mir so viele Sachen gezeigt hat, die ich verloren geglaubt hatte. Die Liebe…“ ich sehe zu Ethan, aber er ist zu keiner Reaktion fähig „Familie…“ ich sehe zu Andrew, der mich immer noch ungläubig ansieht „Freiheit, Glück, Freunde. Das war alles Wert, wenn dies der letzte Sommer meines Lebens war, dann war er alles Wert.“ Ich lege das Buch auf den Tisch und stürme aus dem Zimmer.
Ich laufe in den Stall und Harry sieht mich verwirrt an.
„Was ist passiert Sam?“ fragt er und kommt zu mir.
Ich gehe an ihm vorbei, öffne Shadows Box und schwinge mich noch im Stall auf seinen Rücken.
„Sam bleib hier verdammt.“ Höre ich noch Harry schimpfen, aber es mir egal.
Ich reite zu den Klippen und sehe übers Meer, ich lasse mich von Shadows Rücken gleiten und setze mich ins Gras. Ich schlinge meine Arme um mich, denn es ist ganz schön kühl und starre hinaus auf die irische See. Sie liegt ruhig und friedlich in der Ferne und bricht sich lautstark unten an den Klippen. Sie schafft es fast das dröhnen in meinem Kopf zu übertönen, doch der dumpfe Schmerz bleibt.
Ich muss Jonas und Kerry anrufen, ich bin gescheitert und komme nach Hause…
„Was denkst du dir eigentlich?“ ertönt eine Stimme hinter mir und ich drehe mich um.
Ethan lässt sich von Jeronimos Rücken gleiten und ich stehe mit weichen Knien auf.
„Es tut mir so leid Ethan…“ setze ich an, doch er erreicht mich und küsst mich sanft.
„Ich lasse dich nicht gehen.“ Sagt er leise und ich sehe Tränen in seinen Augen glitzern.
„Ethan…“ versuche ich es erneut.
„Nein Sam, das steht nicht zur Debatte…“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände „Ich habe mit Marc gesprochen. Charlie, Andrew und ich lassen uns morgen testen. Lauf nie wieder weg, dein Vater dreht durch vor Sorge um dich.“
„Ich habe es versaut.“ Flüstere ich.
„Nein Sam, oh nein…“ er küsst mich erneut „Ich liebe Dich, ich liebe Dich so sehr und als das ganze bei Andrew angekommen ist, da wollte er nur noch zu dir. Aber du warst weg und Harry kam uns aufgeregt entgegen. Er ist dir nicht böse, niemand ist dir böse. Wir lieben dich.“
„Ethan ich liebe dich mehr wie alles andere auf der Welt und es tut mir leid.“ Ich halte mich an ihm fest.
„Keine Geheimnisse mehr.“ Bittet er mich.
„Nein, keine Geheimnisse mehr.“ Schluchze ich an seiner Schulter.
Eine Weile stehen wir einfach da und er hält mich fest, dann beschließen wir zurück zu reiten und kaum, das ich im Stall bin kommt Andrew herein gestürmt.
„Sam.“ Er sieht mich an und ich steige ab.
„Andrew, es tut mir so leid.“ Ich knete nervös meine Hände.
„Nein Sam…“ er kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. „Vom ersten Tag an warst du etwas Besonderes und jetzt weiß ich endlich, warum. Du bist Haileys und meine Tochter. Ich liebe dich.“
„Danke.“ Flüstere ich erstickt an seiner Schulter.
„Wir fahren morgen nach Ballina.“ Sagt er sicher und ich kann nur nicken.
Ethan kommt zu uns und wir gehen zusammen zurück ins Schloss, mittlerweile sind alle aufgeklärt und entschuldige mich in aller Form bei jedem einzelnen.
Es war nie meine Absicht sie zu hintergehen.
Sie verzeihen mir… kaum zu glauben, aber sie verstehen mich sogar.
Ich schlafe in Ethans Armen ein und das erste Mal fühle ich mich frei. Endlich liegen alle Karten auf dem Tisch und nun liegt es am Schicksal, welche Karten es mir zuteilt…
Früh am nächsten Morgen fahren wir alle nach Ballina und treffen am Krankenhaus auf Charlie.
„Gott Sam.“ Er nimmt mich in den Arm.
„Bitte nicht Charlie.“ Ich sehe auf in seine Augen in denen die Tränen glitzern.
Ich kann keine Menschen mehr wegen mir weinen sehen.
„Ich habe eine Schwester.“ Er grinst leicht.
„Und ich einen wirklich außergewöhnlichen kleinen Bruder.“ Erwidere ich lächelnd.
„Wir müssen.“ Andrew nickt mir zu und wir gehen zum Fahrstuhl.
„Ja, Marc wartet auf uns.“ Ethan küsst mich und wir fahren hoch auf Station, wo Marc uns schon erwartet.
Die Stimmung ist beklemmend und erdrückend, als wie uns alle nach unserer Blutabnahme im Wartezimmer wieder zusammen finden.
„Was jetzt?“ Andrew sieht zu Ethan.
„In zwei Stunden haben wir die Ergebnisse.“ Er drückt meine Hand und ich versuche mich zu einem lächeln durchzuringen.
Der Zeiger der Uhr bewegt sich quälend langsam, Andrew sitzt neben mir und hält meine Hand, fast so, als wolle er all die verloren Jahre wieder gut machen, aber das braucht er nicht. Das er jetzt hier ist, ist mehr als ich jemals erwarten konnte. Ethan sitzt auf der anderen Seite und ich lehne mich müde an ihn. Es ist mal wieder so, dass ich ständig müde bin, das kann gar nichts Gutes bedeuten.
Wir atmen alle erleichtert auf, als Marc endlich zu uns kommt.
„Kommt mit.“ Sagt er und nickt uns zu.
Ein paar Minuten später sitzen wir ins seinem Büro.
„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht…“ beginnt er und ich sehe zu ihm „Die Gute ist, Andrew kommt als Spender in Frage.“
Andrew steht auf und nimmt mich in den Arm.
„Das war die gute Nachricht…“ Marc sieht mich an und atmet tief durch.
„Und die Schlechte?“ Ethan sieht zu Marc und umklammert meine Hand.
„Bei Sams Blutproben gab es ein Problem.“ Marc nimmt die Akte und sieht mich lange an.
„Was für ein Problem?“ frage ich nach ein paar Sekunden und er atmet tief durch.
„Sam, du bist schwanger.“ Rückt er endlich mit der Sprache raus und alle starren erst mich und dann Ethan an.
„Das ist entgegen aller Wahrscheinlichkeiten.“ Ethan lässt meine Hand los und steht auf. Er fährt sich durch die Haare und ich versuche das Gesagte irgendwie zu verarbeiten.
Schwanger?
Ich?
Nachdem mir gesagt wurde, das das Unmöglich ist?
„Wir haben nur eine reelle Möglichkeit…“ schaltet sich Marc wieder ein „Sam, du musst einem Abbruch zustimmen.“
„Moment mal…“ ich habe meine Hand. „In welcher Woche bin ich und die Entscheidung werde ich ja wohl alleine treffen dürfen, oder?“
„Anhand deiner Werte zwischen der 8. und 10. Woche.“ Marc sieht mich einen Augenblick verwirrt an „Ein Abbruch ist die einzige…“
„Nein Marc.“ Unterbreche ich ihn.
„Sam, Prinzessin…“ Ethan kniet vor meinem Stuhl „Diese Schwangerschaft bringt dich in Gefahr, sie wird dir mit höchster Wahrscheinlichkeit das Leben kosten.“
Ich lächle leicht und lege meine Hand auf seine Wange. „Jetzt sag ich dir mal was. Ich wollte immer Kinder, ich habe mir eine große Familie gewünscht und dieses Baby.“ Ich lege meine freie Hand auf meinen Bauch „Das ist mehr wie ich jemals erwarten konnte, ich bekomme ein Kind von dem Mann den ich mehr wie mein Leben liebe. Durch dich habe ich gelernt was Liebe ist. Noch niemals in meinem Leben habe ich mehr geliebt und geborgener gefühlt wie in den letzten Monaten bei dir. Unser Kind ist entstanden, obwohl es gegen jede Wahrscheinlichkeit war und ich werde dieses Wunder nicht töten um mich zu retten. Ich liebe dich Ethan, aber ich liebe auch unser Baby.“
Einzelne Tränen laufen über sein Gesicht. „Du wirst sterben.“ Flüstert er.
„Ich werde kämpfen, jeden Tag um bei dir bleiben zu dürfen. Verlange bitte nicht von mir, dass ich…“ meine Stimme bricht.
„Ich liebe Dich.“ Er küsst mich zärtlich.
„Wie soll es jetzt weiter gehen?“ fragt Andrew leise.
„Wenn sich Sam…“ er sieht zu mir und nickt leicht „Sam wird das Baby behalten, sie wird sofort ihre Medikamente absetzen und ich erwarte, das es ihr relativ schnell schlechter gehen wird. Wir werden die Schwangerschaft sehr gründlich begleiten und das Baby dann vielleicht schon vor dem eigentlichen Termin holen. Erst dann kann Sam operiert werden.“ Er sieht zu mir und ich lächele unter Tränen.
„Denk bitte noch mal darüber nach.“ Bittet mich Andrew, doch ich schüttele meinen Kopf.
„Nein Andrew…“ ich sehe ihn an „Ich werde es mir nicht anders überlegen.“ Sage ich sicher und Ethan drückt meine Hände. „Du wirst Großvater.“
„Oh Sam.“ Er sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Ich bin 25, ich treffe meine Entscheidungen und stehe dazu.“ Ich nicke ihm zu und ein lächeln huscht über sein Gesicht.
Marc sieht zwischen uns hin und her, beschließt dann aber erst einmal nichts weiter dazu zu sagen. Ich bin mir sicher, als mein Arzt wird er noch versuchen mich von meiner Entscheidung abzubringen.
Aber ich lasse mich davon nicht abbringen, das ist mein Leben und mein und Ethans Kind…
Am frühen Nachmittag sind wir wieder im Schloss, auf der Rückfahrt war es wie auch schon bei der Hinfahrt still im Auto gewesen und Andrew reicht mir seine Hand um mir aus dem Auto zu helfen.
„Sam…“ setzt er an, als ich neben ihm stehe.
„Andrew bitte, ich möchte mich mit dir nicht darüber streiten.“ Bitte ich ihn eindringlich.
„Nein Sam…“ er legt seine Hand auf meine Wange „… Ich finde es schön Großvater zu werden.“ Er lächelt leicht und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Danke Andrew.“ Erwidere ich gerührt.
„Dafür nicht.“ Er lässt mich los und sofort ist Ethan an meiner Seite.
„Ich werde pausieren.“ Sagt er, als wir in seiner Wohnung ankommen.
„Womit?“ ich sehe ihn verständnislos an.
„Mit meinem Studium, ich setze erst einmal aus. Ich will bei dir…“ er legt seinen Kopf schief und eine Hand auf meinen Bauch „…bei euch sein.“
„Bitte Ethan.“ Ich schüttele langsam meinen Kopf „Tu das nicht, du hast so hart gearbeitet und bist fast durch.“
„Aber…“ setzt er an.
„Ich bin hier in den besten Händen und ich verspreche dir, wenn etwas ist, dann bist du der Erste, den ich anrufe.“ Ich küsse ihn sanft.
„Kommst du nächsten Monat mit nach Dublin?“ er seufzt leise und ich merke, das es ihm nicht behagt, das ich dränge sein Studium nicht zu unterbrechen.
Aber ich weiß, wie es ist, seine Ziele nicht zu erreichen und ich will es ihm ersparen…
Er hat hart dafür gearbeitet und er soll es zu Ende bringen.
„Ja, aber wie stellst du dir das vor?“ jetzt lege ich meinen Kopf schief und meine Haare fallen mir ins Gesicht.
Sanft streicht er sie mir aus dem Gesicht. „Meine Wohnung ist groß genug und Andrew und Eve wohnen um die Ecke. Marc ist von November bis März im Zentral Hospital.“ Er nimmt meine Hände und ich lächle.
„Hört sich ja fast nach einem Plan an.“ necke ich ihn.
„Ja und da ist noch was…“ er holt tief Luft und sieht mich an, seine grasgrünen Augen blitzen schelmisch auf und ich runzele die Stirn.
Dann geht er vor mir auf die Knie „Du bist mein Leben Samantha Flynn, ich bitte dich, werde meine Frau.“
Ich starre ihn an und schlucke schwer.
„Bitte Sam, heirate mich.“ Bittet er mich erneut und ich nicke, während Tränen über meine Wangen laufen.
„Ja.“ Hauche ich leise und er wirbelt mich im Kreis herum.
„Ich liebe Dich.“ Er strahlt mich an und nimmt mich an die Hand, um mich durchs halbe Schloss zu ziehen, schließlich bleibt er im Wohnzimmer, in dem sich Eve, Andrew und Charlie unterhalten, endlich stehen.
„Andrew?“ er sieht zu ihm und dieser sieht ihn fragend an.
„Was gibt es Ethan?“ er steht auf und sieht mich besorgt an, denn augenscheinlich sehe ich ziemlich verwirrt aus.
Ist das wirklich ein Wunder?
Ich meine, ich habe in den letzten 24 endlich gesagt wer ich bin, ich habe erfahren, dass ich ein Kind bekomme und Ethan hat mich gefragt ob ich ihn heirate.
Ich glaube, das wäre für jede Frau etwas viel…
„Ich werde Sam heiraten.“ Sagt Ethan und Eve springt auf um mich in den Arm zu nehmen.
„Herzlichen Glückwunsch.“ Sagt sie gerührt und ich drücke sie an mich.
„Danke.“ Erwidere ich perplex.
Dann sieht mich Andrew grinsend an und zieht mich ebenfalls in seine Arme.
„Ich freue mich für euch.“ Flüstert er mir ins Ohr „Und wenn es dir nichts ausmacht, dann kannst du auch irgendwann Dad zu mir sagen.“ Er schiebt mich ein Stück von sich weg und zwinkert mir zu.
„Danke Dad.“ Erwidere ich mit einem Kloß im Hals.
Schon immer habe ich mir einen Dad gewünscht, aber im Leben meiner Mum gab es niemanden, der dem auch nur Ansatzweise Nahe gekommen wäre und jetzt wo ich meinen Dad kenne, da weiß ich auch warum.
Was Ethan für mich ist war mein Dad für meine Mum.
Wenn ich ohne Ethan weiter leben müsste, dann würde ich das auch nur wegen unserem Kind tun und nicht, weil ich es noch als lebenswert empfinden würde.
Meine Mum hat ihr ganzes Leben damit verbracht zu versuchen meinen Dad zu vergessen und wurde jeden Tag durch mich an ihn erinnert.
So langsam begreife ich, was meine Mum für mich getan hat und ich werde ihr niemals dafür danken können.
Harry, Jane, Dana, Jonas und Kerry sind völlig aus dem Häuschen und Kerry verspricht mir sobald wie möglich vorbei zu kommen.
Der Oktober legt sich wie ein dichter Nebel, im wörtlichen und übertragenen Sinne, über das Schloss und ich kann merken, dass es mir ohne meine Medikamente von Tag zu Tag schlechter geht. Der errechnete Geburtstermin ist der 14. März und ich bete zu Gott, dass ich es bis dahin schaffe.
Ich muss einfach….
Ende Oktober verabschiede ich mich von Harry, Jane und den Kindern, denn Ethan möchte, das wir so schnell wir möglich nach Dublin ziehen.
Ich weiß, es geht ihm darum, dass mir dort einfacher und schneller geholfen werden kann und ich verstehe ihn.
Wenn ich in den Spiegel sehe, dann weiß ich, dass ich unnatürlich blass bin und mein Gewicht nur mit Mühe und Not halte. Der Krebs kämpft gegen mich.
Aber er darf nicht gewinnen…
Die Wohnung in Dublin ist wunderschön mit einem traumhaften Ausblick auf den Hafen, ich könnte stundenlang auf der Couch liegen und zu sehen, wie die Boote sanft hin und her schaukeln.
„Prinzessin?“ Ethan setzt sich zu mir und legt seine Hand auf den nun schon deutlich zu erkennenden Bauch.
„Hmm.“ Nuschele ich und kuschele mich an ihn.
„Kerry und Jonas kommen am Wochenende. Wir werden am Samstag heiraten.“ Er küsst meine Stirn.
„Wir haben das doch erst zu Weihnachten geplant.“ Ich sehe ihn verwirrt an.
„Ich möchte mit meiner Braut tanzen und Marc ist sich nicht sicher, ob du das in einem Monat noch kannst.“ Sagt er leise und ich höre einen leisen Vorwurf aus seiner Stimme.
„Du hast mit Andrew geredet?“ frage ich leise.
Ich hatte erst heute Morgen wieder einmal eine Diskussion mit Andrew, was meine Entscheidung für das Baby angeht. Ich verstehe, dass er Angst hat mich zu verlieren, aber ich stelle nicht mein Leben über das meines Kindes.
Er tut sich schwer mit dieser Entscheidung und umso schlechter es mir geht, umso schwerer tut sich auch Ethan damit.
Das ist verdammt noch mal meine Entscheidung und unser Kind kann nichts dafür…
„Ja.“ Sagt er leise und ich seufze.
„Versprich mir was…“ ich drehe mich zu ihm um.
„Alles Prinzessin.“ Er küsst mich sanft.
„Wenn ich das hier nicht überstehe, dann gebe niemals unserer Tochter an irgendetwas die Schuld. Sie ist das, was mein Leben bedeutend macht.“ Ich nehme sein Gesicht in meine Hände.
„Ein Mädchen?“ fragt er mit Tränen in den Augen.
„Ja, wir bekommen eine Tochter.“ Erwidere ich lächelnd. „Und ich liebe sie mehr wie mein Leben.“
„Oh Prinzessin.“ Er zieht mich in eine feste Umarmung und ich spüre seine Tränen an meiner Schulter.
„Niemals Ethan… Niemals.“ Wiederhole ich eindringlich.
„Nein, niemals… Ich verspreche es dir.“ Versichert er mir und ich küsse seine Halsbeuge.
„Ich liebe dich Ethan.“ Flüstere ich.
„und ich liebe Euch.“ Erwidert er und ich lächle leicht. „Also dieses Wochenende?“
„Ja…“ er schiebt mich ein Stück von sich weg und wischt sich über die Augen um seine Tränen zu verbergen.
„Tu das nicht Ethan, tu nicht immer als wärst du stark…“ bitte ich ihn und wische seine Tränen vorsichtig beiseite „Du kannst nicht immer stark sein, das weiß niemand besser wie ich. Ich muss wissen, was in dir vorgeht…“ bitte ich ihn „Ich weiß, ich habe dir mit mir, meiner Krankheit und unserem Kind eine Menge zu gemutet…“
„Nein Sam…“ er lächelt leicht „Du bist das Beste was mir in meinem Leben passiert ist und unsere Tochter ist die Krönung. Diese Krankheit kriegt uns nicht klein.“ Sagt er sicher „Du wirst kämpfen und ich werde bei dir sein. In guten wie in schlechten Zeiten.“
„Ich danke dir.“ Ich lege meine Hand auf seine Wange und er schmiegt sich an sie.
„Und um das Ganze offiziell zu machen heiraten wir, du bist die Liebe meines Lebens.“ Er küsst meine Handfläche.
„Du bist mein Leben.“ Ich lächele.
Bei ihm lächele ich fast immer, ich bin mir sicher, ohne ihn würde es mir längst nicht mehr so gut gehen. Ein Blick in seine Augen reicht und meine Sonne geht auf und ich weiß, wofür ich jeden Tag kämpfe und wenn ich dann die ersten Bewegungen unserer Tochter spüre, dann ist es ein perfekter Tag.
Mehr brauche ich nicht und mehr kann ich im Moment weder erwarten noch verlangen.
Eve steht am nächsten Morgen, kaum das Ethan zur Uni gefahren ist bei uns vor der Tür und entführt mich zu einer Shopping Tour.
Glücklicherweise werden wir schon im zweiten Geschäft fündig und Eve hat Tränen in den Augen, als ich in dem schlichten weißen Kleid aus der Kabine trete.
„Perfekt.“ Sagt sie leise.
Ich betrachte mich im Spiegel, das Kleid ist einfach, aber es hat doch etwas besonderes, die kleinen eingearbeiteten Schmucksteine am Ausschnitt und am Saum machen es perfekt und ich lächle.
„Ja, das ist es.“ Stimme ich Eve zu und ziehe mich wieder um.
Außer Atem komme ich aus der Kabine und Eve stützt mich auf dem Weg zum Auto.
„War es zu anstrengend?“ erkundigt sie sich besorgt.
„Es war anstrengend, aber ich kann ja nicht am Samstag in Jeans und T-Shirt vor den Altar treten.“ Grinse ich erschöpft. „Ich danke dir Eve.“
„Dafür nicht Kleines, ich bewundere dich.“ Sie nimmt meine Hand „Und ich verstehe dich, ich bin mir sicher, auch Andrew versteht dich, auch wenn er sich manchmal etwas schwer tut. Er hat eben erst eine Tochter bekommen und muss schon Angst haben, sie wieder zu verlieren.“
„Ich weiß Eve, aber sie ist es Wert.“ Ich nehme ihre Hand und lege sie auf meinen Bauch.
„Da zweifele ich nicht eine Sekunde dran.“ Sie wischt sich schuldbewusst eine Träne weg.
Ich schlafe viel, an manchen Tagen fühle ich mich so schwach, das ich den ganzen Tag im Bett verbringe. Doch heute nicht, Kerry und Jonas kommen in einer Stunde und ich werde in weniger wie 12 Stunden Mrs. Ethan Stewart sein.
Ich kann es kaum fassen und zu meiner Überraschung entdecke ich, nachdem ich die schweren Vorhänge aufgezogen habe, dass es heute Nacht geschneit hat.
Schnee Anfang Dezember in Dublin…
Ich gehe duschen und ziehe mir erst einmal nur einen Jogginganzug an. Gerade als ich aus der Dusche komme betritt Jonas das Schlafzimmer.
„ihr seid ja schon da.“ Freue ich mich und er nimmt mich in den Arm.
„Klar Baby, ich will das doch nicht verpassen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Ich streiche ihm eine widerspenstige Locke aus der Stirn.
„Es tut gut dich zu sehen.“ Er hält mich fest und zieht mich in seine Arme „Du bist blass.“ Fügt er leise hinzu.
„Mit ein bisschen Make up bekommt Kerry das bestimmt hin.“ Versuche ich die Situation aufzulockern.
„Tu das nicht Sammy…“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände „Versuch nicht mich aufzumuntern.“
„Jonas, ich heirate heute.“ Ich sehe ihn bittend an.
„Ja, noch eine Sache mit der ich mich schwer tue.“ Gibt er zu und ein kleines lächeln umspielt seine Lippen.
„Komm schon Jonas, ich heirate den Mann den ich liebe und wir bekommen ein Baby.“ Ich lege meinen Kopf schief.
„Ich sag ja gar nichts, aber ich muss das erst einmal verstehen. Meine bezaubernde kleine Cousine ist bald verheiratet… sehr bald.“ Jetzt grinst er „Und sie wird eine Mummy.“
„Ja und ja.“ Stimme ich ihm zu und in diesem Moment kommt Kerry wie ein Wirbelwind herein.
„Sam!“ sie stürmt auf mich zu und drückt mich an sich, im letzten Moment rettet sich Jonas mit einem Sprung zur Seite.
„Hast du es ihr schon erzählt?“ sie sieht erst mich und dann Jonas an.
„Nein, das wollte ich dir überlassen.“ Grinst er.
„Was ist hier los?“ ich sehe zwischen den beiden hin un her.
Jonas kommt zu uns, nimmt Kerrys Hand und haucht einen Kuss auf ihre Fingerknöchel.
„Mein Gott und ich dachte schon, ihr bekommt das nie hin.“ Lache ich.
„Findest du es nicht komisch?“ Jonas mustert mich.
„Nein, ich weiß, dass ihr euch glücklich macht. Muss ich mehr wissen?“ ich setze mich auf meine Bettkante und sehe beide fragend an.
„Nein, ich würde sagen, das reicht.“ Stimmt mir Kerry zu und haucht Jonas einen Kuss auf den Mund.
„Und noch was, wir bleiben hier, bis eure kleine Maus auf der Welt ist. Ich habe unbezahlten Urlaub und Jonas macht eine Studiumspause.“ Kerry setzt sich zu mir „Und bitte Sam, versuch nicht es uns auszureden.“
„Aber…“ setze ich an.
„Sagte ich nicht, sie muss uns widersprechen?“ sie dreht sich zu Jonas um und er schenkt mir einen langen Blick.
„Okay…“ ich hebe meine Hände „Ich danke euch.“
„Dafür nicht…“ Kerry drückt mir einen Kuss auf die Wange „Und jetzt komm, du willst doch gut aussehen.“ Sie nimmt meine Hand und zieht mich ins Bad.
„Sammy?“ höre ich Ethan rufen. Ich will aufstehen, aber Kerry drückt mich zurück auf den Stuhl.
„Ethan, du hast hier nichts zu suchen.“ Ruft sie durch die geschlossene Tür.
„Ich will nur kurz mit meiner Frau sprechen.“ Lacht dieser nun und rüttelt an der verschlossenen Tür.
„Ethan Stewart…“ Kerry geht zur Tür und grinst mich breit an „Du wirst sie erst vor dem Altar sehen und bis dahin ist sie nicht deine Frau.“
„Komm schon Kerry…“ versucht er es erneut.
„Nein Ethan, es geht ihr gut. Geh und mach was mit Jonas.“ Sie kommt zurück zu mir und ich sehe sie bittend an.
„Kerry…“ seufzt er nun.
„Nein, es bringt Unglück und ihr könnt mehr Glück gebrauchen wie jedes andere Paar was ich kenne.“ Erwidert sie versöhnlicher.
„Okay, du hast gewonnen.“ Kommt es nun von der anderen Seite der Tür die ich anstarre. „Ich liebe Dich Prinzessin.“
„ich liebe dich auch.“ Rufe ich zurück und Kerry verdreht die Augen.
„Verzieh dich.“ Ruft sie stöhnend und ich höre, wie sich die Schritte entfernen.
„Und nun wieder zu dir.“ Sie nimmt sich ihren Schminkkoffer und ich merke, wie ich langsam aber sicher nervös werde.
Meine Güte, in ein paar Stunden heirate ich…
„Bereit?“ Kerry sieht mich prüfend an und ich nicke leicht.
„So bereit wie noch nie in meinem Leben.“ Antworte ich leise und sie hilft mir hoch.
Ich sehe in den Spiegel und kann kaum glauben, dass ich das bin. Meine Haare sind kunstvoll hoch gesteckt und das Make up ist phantastisch. Meine braunen Augen strahlen und meine Wangen glühen.
Kerry ist eine wahre Künstlerin.
„Dann komm, sie warten auf dich.“ Sie öffnet die Tür und Andrew kommt sofort zu mir.
„Du siehst so wunderschön aus.“ Er küsst meine Hand.
„Danke Dad.“ Erwidere ich gerührt.
„Haben wir alles?“ er sieht zu Jonas und er denkt kurz nach.
„Ringe, Blumen, Limousine…“ seine Stirn legt sich kurz in Falten und er sieht zu mir „… und eine wunderschöne Braut. Ja, ich denke jetzt haben wir alles.“
Kerry hilft mir in meinen Mantel und wir fahren mit dem Fahrstuhl runter in die Lobby. Eine schwarze Strechlimousine steht vor der Tür und ich sehe grinsend zu Andrew.
„Alles stilecht.“ Er hält mir die Tür auf und ich steige das erste Mal in meinem Leben in eine Limousine ein.
Hmm, das ist geräumiger wie ich es erwartet habe.
„Geht es dir gut?“ Jonas sitzt mir gegenüber und mustert mich.
„Ja.“ Ich nehme seine Hand in meine und fange den besorgten Blick von Andrew auf. „Wirklich, es geht mir gut. Mehr als gut.“ beschwichtige ich beide und Kerry zupft an meinen Haaren herum und steckt noch ein paar Blüten hinein.
Dann erreichen wir die kleine Kirche etwas außerhalb von Dublin und ich atme tief durch und lege meine Hand auf meinen Bauch.
„Showtime.“ Sage ich mehr zu mir selbst wie zu den anderen und wir steigen aus.
Andrew bietet mir seinen Arm an und ich harke mich glücklich bei ihm ein.
Mein Dad wird mich zum Altar führen, so wie ich es mir immer als kleines Mädchen gewünscht habe…
In der Kirche nimmt mir Kerry meinen Mantel ab und richtet meinen Schleier.
„Ich liebe Dich.“ Sagt sie leise und ich sehe die Tränen in ihren Augen.
„Ich dich auch.“ Ich schlucke schwer, in diesem Augenblick setzt der Hochzeitsmarsch ein und Kerry und Jonas betreten vor mir und Andrew das Kirchenschiff. Ich sehe zu ihm und sehe den Stolz, die Liebe aber auch die Angst in seinen Augen. Er schlägt den Schleier um und ich lächle ihn glücklich an.
Dann betreten wir die Kirche und die Köpfe schnellen in unsere Richtung. Es sind mehr Menschen da wie ich vermutet habe, mein Herz rast in meiner Brust…
Ich gebe zu, ich habe Angst aber viel mehr überwiegt das Gefühl des vollkommenen Glückes als ich Ethan in seinem schwarzen Anzug am Altar stehen sehe.
Dafür hat sich alles gelohnt… alles.
Charlie steht neben ihm und strahlt mich fast ungläubig an. Zwischen den Gästen entdecke ich Marc und zu meiner grenzenlosen Überraschung Amy. Sie trägt eine blonde Perücke mit einem Bobschnitt und strahlt mich an. Sie sitzt neben Jane, Harry, Cara und Will und Jane wischt sich verstohlen eine Träne beiseite.
Wir erreichen Ethan und Andrew legt meine Hand in seine.
„Pass mir immer auf sie auf.“ Sagt er leise zu ihm und ich sehe in Ethans Augen. Tränen glitzern darin und ich kämpfe damit ich nicht auf der Stelle in Tränen ausbreche.
Noch niemals hat mich ein Mann so voller Liebe angesehen und es schnürt mir fast die Kehle zu.
Die Ansprache des Pastors ist kurz, aber wirklich rührend und als Ethan endlich meinen Schleier lüften darf, da sehe ich ein Strahlen in seinem Gesicht, welches alles überstrahlt…
Es besteht kein Zweifel daran, dass er mich liebt und ich fühle mich in diesem Moment mehr geliebt wie ich es jemals in Worte ausdrücken kann.
„… Sie dürfen die Braut jetzt küssen…“ sagt der Pastor und Ethan beugt sich zu mir und seine Lippen legen sich sanft auf meine.
Unter dem Applaus der Gäste verlassen wir keine 5 Minuten später die Kirche und fahren zu einem kleinen Restaurant. Die Feier ist so schön, ich genieße jeden Moment und starre immer wieder auf meinen Ehering, der sich an meinen Verlobungsring schmiegt, so wie sich meine Hand in die von Ethan schmiegt.
„Darf ich meine wunderbare Frau jetzt zum tanzen auffordern?“ holt mich Ethans warme, weiche Stimme in die Wirklichkeit zurück und ich sehe ihn lächelnd an.
„Nichts lieber wie das.“ Ich stehe auf und er führt mich zur Tanzfläche.
Wir schweben zu einem alten Frank Sinatra Song übers Parkett und ich kann nicht aufhören zu strahlen.
Es ist, als ob alle meine Hoffnungen und Träume in Erfüllung gehen…
Gleichzeitig habe ich Angst, was mich jetzt erwartet… Jetzt wo ich alles habe was ich jemals wollte.
Eine Familie, eine wunderbaren Ehemann und ein Kind unter meinem Herzen.
Denn ich weiß immer noch, niemand kann dir jemals das Morgen versprechen…
Weihnachten fahren wir alle ins Schloss und es wird das schönste Weihnachtsfest meines Leben, selbst Dana, Mitchell und Greg sind gekommen und verwöhnen mich nach Strich und Faden.
So gut es mir die letzten Monate ging, so schlecht geht es mir nachdem wir auch Silvester hinter uns gelassen habe. Ich schlafe fast nur noch und ich sehe wie die Blicke um mich herum immer besorgter werden.
„Ethan?“ frage ich in die Dunkelheit und sofort sitzt er an meiner Seite und knipst das kleine Nachtlicht an.
„Ich bin hier.“ Er küsst meine Stirn und meine Augenlider flattern als ich ihn ansehe.
„Du musst mir versprechen, das ihr nicht zulasst das man mich am Leben erhält, wenn es kein Leben mehr ist.“ Ich sehe ihn schwach an und er kämpft mit den Tränen.
„Ich verspreche es dir.“ Sagt er schließlich. „Ich habe heute Morgen mit Marc gesprochen, du wirst morgen früh ins Krankenhaus gebracht. Jonas, Kerry und ich können dir nicht mehr als das geben was du und die Kleine brauchen.“ Er sieht mich entschuldigend an.
„ich weiß…“ erwidere ich schwach und schmiege mich an seine Hand.
Marc drängt nun schon seit 3 Wochen darauf, das ich endlich ins Krankenhaus gehe, denn ich kann kaum noch etwas essen und ich mache mir nichts vor… Das hier wird für mich kein gutes Ende nehmen. Die Hauptsache ist, das es der Kleinen gut geht und um das weiter sicher zu stellen, muss ich ins Krankenhaus, so ungern ich es auch will.
„Ich werde nicht von deiner Seite weichen.“ Ethan küsst meine Stirn und eine Träne tropft auf mein Gesicht.
„Erzähl ihr, dass sie mein Leben ist, das sie alles ist, was ich jemals wollte und das du die Liebe meines Lebens warst.“ Flüstere ich.
„Bitte tu das nicht.“ Bittet er mich schwach.
„Ethan, sie ist mein Leben.“ Hauche ich.
„Nein Sammy, sie ist unser Leben.“ Er legt sich zu mir und hält mich fest in seinen Armen.
Er weint, das erste Mal weint er wirklich und seine Angst ist greifbar. Er hat Angst mich verloren zu haben und ich will nicht gehen, aber mein Körper arbeitet gegen mich.
Als ich aufwache, bin ich bereits im Krankenhaus und Marc beugt sich über mich.
Ich fühle mich schlapp und bin kaum in der Lage meine Augen offen zu halten.
„Heute.“ Sagt Marc und nimmt meine Hand.
„Aber…“ wispere ich.
„Sam, wir sind bis in die 34. Woche gekommen. Es gibt nur diese Option, ich will dich nicht verlieren.“ Sagt er bestimmt und ich nicke schwach.
„Ich will sie sehen.“ Flüstere ich und er nickt.
„Aber sicher. Ethan zieht sich gerade um.“ Erklärt er mir und ich nicke erneut schwach.
Dann geht es plötzlich alles ganz schnell, ich bekomme eine Rückenmarksnarkose und ehe ich mich versehe liege ich schon im OP.
Ethan sitzt neben mir, ich merke wie angespannt er ist und sehe zu ihm.
„Hailey.“ Sage ich leise und er lächelt.
„Ja Prinzessin, Hailey Evelyn.“ Er küsst meine Stirn. „Es geht los.“ Sagt uns einer der Ärzte und schon 5 Minuten später höre ich Hailey das erste Mal schreien. In den letzten Wochen habe unzählige Spritzen bekommen, damit sie sich gut entwickelt und jetzt wo ich sie schreien höre, da weiß ich, das alles richtig war. Wenn es so sein soll, dann mein Leben gegen ihres…
Ethan steht auf und bekommt sie in den Arm gelegt.
Unter Tränen hält er sie neben mein Gesicht.
Ich betrachte das kleine Wunder, sie ist wirklich wunderschön und nun laufen auch mir Tränen übers Gesicht.
„Ich liebe Dich Hailey.“ Flüstere ich und küsse ihre Stirn, dann sehe ich Ethan an. „Du bist mein Leben.“
„Du bist mein Leben, für immer.“ Er küsst mich sanft.
„Du musst jetzt raus Ethan.“ Marc kommt zu uns „Alles Gute zu eurem kleinen Sonnenschein.“ Fügt er mit einem Blick auf Hailey hinzu und Ethan geht mit ihr nach nebenan.
„Bereit?“ er sieht mich an und ich nicke, er will gerade gehen, als ich ihn am Handgelenk fest halte.
„Marc?“ frage ich leise.
„Na was?“ er kommt zurück und setzt sich an mein Kopfende.
„Ich weiß, wir haben das alles mit Ethan, Andrew, Kelly und Jonas besprochen, aber sollte irgend etwas schief gehen, dann will ich nicht von irgendwelchen Maschinen abhängig sein, wenn du keine Chance siehst, das ich jemals mit Hailey spielen kann.“ Bitte ich ihn.
„Hailey also?“ er grinst.
„Nach meiner Mum.“ Ich lächle schwach.
„Ich verspreche es dir.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn „Du bekommst jetzt deine Narkose.“ Er nickt dem Narkosearzt zu und ich merke, wie mir die Augen zu fallen.
Sie ist da, sie ist wunderschön und sie ist bei ihrem Dad.
Mehr habe ich mir nicht gewünscht, alle meine Träume haben sich erfüllt, mit Tränen in den Augen schließe ich diese. Ich weiß Andrew liegt nebenan und schicke ein Stoßgebet zum Himmel.
Bitte Gott, wenn es dich gibt, dann lass mich am Leben meiner Tochter teilhaben, lass mich neben dem Mann aufwachen den ich liebe und bitte lass mich noch eine Weile bei allen sein die ich liebe…
Mein Mund fühlt sich unheimlich trocken an und ich schaffe es nur mit Mühe und Not meine Augen zu öffnen. Es ist dunkel im Zimmer und ich beschließe noch etwas zu schlafen, ich fühle mich müde und erschöpft.
Als ich meinen Körper das nächste Mal dazu bewegen kann mir etwas Kontrolle zurück zu geben und ich meine Augen öffne, da sehe ich Jonas in der Ecke am Tisch sitzen.
„Jonas.“ Flüstere ich und er sieht auf, steht dann so schnell auf, das sein Stuhl nach hinten kippt und stürzt an mein Bett.
„Gott Sammy.“ Er küsst meine Stirn „Ich hole Ethan.“ Er sieht mich an und ich nicke schwach.
Ich versuche meine Hände zu bewegen und wische mir über die Stirn. Ich fühle mich, als hätte ich ziemlich lange geschlafen…
Es dauert keine 5 Minuten ehe Ethan kommt und mich sanft in den Arm nimmt.
„Hey Dornröschen.“ Er sieht mich unter Tränen an. „Ich liebe dich so sehr.“ Er küsst mich liebevoll.
„Wo ist Hailey?“ frage ich mit kratziger Stimme.
„Eve und Andrew bringen sie her, sie sind in 20 Minuten hier.“ Beruhigt er mich sofort.
„Ist die OP gut verlaufen?“ so langsam kehrt die Kraft in meine Stimme zurück.
„Ja Prinzessin…“ er küsst meine Fingerknöchel „Alles ist gut gegangen, dein Körper hat keine Abwehrreaktion gezeigt und deine Blutwerte werden von Woche zu Woche besser. Du hast es überstanden…“
„Woche zu Woche?“ ich sehe ihn fragend an.
„Du hast lange geschlafen.“ Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und ich sehe die Sorge in seinen Augen.
„Wie lange?“ hauche ich.
„3 Monate, dein Körper konnte einfach nicht mehr… aber jetzt bist du wach.“ Er küsst mich sanft, so als ob er sich selber überzeugen muss, dass ich wirklich wach bin.
Das muss ich erst einmal verarbeiten… 3 Monate, 12 lange Wochen… Das ist eine so lange Zeit und die musste meine kleine Tochter ohne mich verbringen.
Aber was hätte die Alternative sein können?
Richtig, ein Leben ganz ohne mich…oder ohne sie.
„Ich liebe Dich.“ Flüstert er und ich sehe ihn zaghaft lächelnd an.
„Oh Ethan…“ ich ziehe ihn zu mir „Ich liebe Dich.“
Dann kommen Andrew und Eve und endlich kann ich Hailey sehen.
Sie ist wunderschön, ihre hellblauen Augen erkunden die Welt um sich herum und als ich sie im Arm halte, da überkommt mich ein so befriedigendes Gefühl, wie ich es noch nie in meinem Leben vorher gespürt habe.
„Hey mein Engel.“ Andrew beugt sich über mich und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Hallo Dad.“ Erwidere ich „Danke.“ Füge ich hinzu und er lächelt.
„Ich danke dir, Hailey ist so wunderbar und glaube mir, Ethan macht das toll mit ihr. Ruh dich aus und werde wieder gesund, das ist alles was zählt.“ Er drückt meine Hand und ich sehe liebevoll zu Ethan.
„Du bist mein Leben.“ Ich sehe zu Hailey „Ihr seid mein Leben.“ Verbessere ich mich.
„Nein Prinzessin, du bist unser Leben.“ Er küsst mich innig.
Ich habe mich entschieden dem Leben meiner Tochter Vorrang vor meinem eigenen zu geben und ich würde jederzeit wieder genauso handeln, denn wer bin ich, das ich mein Leben über das meines eigenen Kindes stelle?
Liebe ist bedingungslos und manchmal erfordert sie ein gewisses Risiko, zum Glück habe ich es geschafft, aber selbst wenn ich es nicht geschafft hätte, Hailey wäre alles Wert gewesen.
Die Liebe einer Mum ist unendlich und wie schon gesagt, eines mit Sicherheit, bedingungslos!
Noch weiteren 3 Monaten kann ich entlassen werden und das erste Mal seit langer Zeit stellt sich so etwas wie Normalität in meinem Leben ein. Ich bin die Ehefrau eines aufstrebenden jungen Arztes, ich bin Mutter einer wunderbaren Tochter und ich habe eine Familie und Freunde, die bedingungslos zu mir stehen.
Wir ziehen in ein kleines Haus in Rush, etwas von Dublin entfernt, denn Hailey soll fern ab vom Großstadttrouble aufwachsen. Das Haus ist riesig, mit einem Ausblick auf die irische See und ich weiß, Hailey wird unser einziges Kind bleiben, denn Wunder geschehen nur einmal im Leben.
Ich habe dieses Wunder erlebt und bin dankbar dafür, jeden einzelnen Tag meines Lebens werde ich dafür dankbar sein.
Denn niemand kann dir das Morgen versprechen…
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2014
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