Ich atme tief durch und klopfe dann an die Tür unserer Personalchefin.
„Herein.“ Kommt es sogleich und ich drücke die Türklinke nach unten und betrete das kleine, sonnendurchflutete Büro.
„Ah Danielle, komm doch rein…“ Olivia Johnson lächelt mich freundlich an und ich nehme auf dem Stuhl gegenüber dem Ihren Platz. „Was gibt es?“ sie legt ihren Kopf schief und ich atme erneut tief durch.
„Ich wollte fragen, ob ich über Weihnachten frei bekommen könnte.“ Rücke ich mit der Sprache raus und sie sieht mich überrascht an.
„Das kommt reichlich kurzfristig.“ Gibt sie zu und ich zucke entschuldigend mit den Schultern.
„Ich weiß, bis heute Morgen war ich mir nicht sicher.“ Gebe ich zu.
Sie schaut in den Computer und lächelt schließlich „Wie ich sehe, hast du die letzten beiden Jahre sowohl Weihnachten als auch Silvester gearbeitet. Außerdem hast du sage und schreibe 90 Stunden auf deinem Überstundenkonto…“ sie sieht mich kopfschüttelnd an und lächelt dann doch „…Ich lehne mich jetzt Mal ganz weit aus dem Fenster und genehmige dir deinen Urlaub.“ Sie hält mir ihre Hand hin und ich gebe ihr meinen Urlaubsantrag.
Dann tippt sie wieder eifrig auf ihrem Computer herum und drückt schließlich einen Stempel auf das Schriftstück. „So, damit hast du vom 22. Dezember bis zum 5. Januar offiziell Urlaub.“
„Ich danke dir Olivia.“ Ich seufze leise.
„Ich dachte, du freust dich?“ Sie sieht mich verwirrt an.
„Doch, doch… Ich freue mich wirklich und ich danke dir.“ Ich reiche ihr meine Hand und sie reicht mir den abgesegneten Urlaubsschein.
„Dann solltest du auch ein wenig lächeln.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ich gebe mir Mühe.“ Ich ringe mich zu einem lächeln durch und sie nickt zufrieden. „Ich muss dann wieder los, Roger wartet auf mich.“ Damit erhebe ich mich und winke ihr zu, ehe ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehe.
Verdammt!
Ich habe extra bis auf den letzten Drücker gewartet, damit ich keinen Urlaub bekomme und ausgerechnet jetzt setzt Olivia alle Hebel in Bewegung und ich habe ab übermorgen Urlaub…
Ich gehe durch die langen, mit Weihnachtsdekoration verschönerten Flure und gehe dann die Treppen hinunter ins Erdgeschoss.
„Hey Dani!“ werde ich in der Notaufnahme von Roger begrüßt und ich nehme meinen Pieper aus der Aufladestation.
„Alles gut bei dir?“ der ältere Arzt, mit den warmen braunen Augen und den grau durchsetzten Haaren, tritt neben mich und mustert mich aufmerksam.
„Ich habe ab übermorgen bis zum 5. Januar Urlaub.“ Erkläre ich ihm und er grinst breit.
„Dann solltest du dich freuen.“ Erklärt er mir ernst.
„Warum sagen das nur alle?“ ich streiche mir meinen langen Pony aus dem Gesicht und hinter die Ohren.
„Weil Urlaub im Allgemeinen etwas ist, worauf man sich freut…“ er lacht leise „Wo soll es denn hingehen?“ er geht neben mir her, als wir uns auf den Weg ins Arztzimmer machen und ich meinen Pieper an der Tasche meines hellblauen Kasacks befestige.
„Alaska.“ Gebe ich einsilbig zurück.
„Oh wow, da ist es bestimmt schön zu Weihnachten.“ Roger legt seinen Arm um mich.
„Ganz bestimmt.“ Gebe ich zurück und nehme mir die erste Patientenakte. „Ich mache mich jetzt an die Arbeit.“ Ich nicke Roger kurz zu und beginne dann meine Schicht.
Fast meine ganze Schicht schleicht er mir hinterher und versucht etwas aus mir heraus zu bekommen, aber ich entwische ihm immer wieder und bin froh, als ich um 23 Uhr die Notaufnahme verlassen und mich auf den Weg nach Hause machen kann.
„Ich bekomme es schon noch raus!“ ruft mir Roger hinterher und ich winke ihm zu.
„Irgendwann.“ Lache ich und fahre mit dem Fahrstuhl nach oben in die Umkleideräume.
Ich komme gut durch die Stadt, kein Wunder, normale Menschen schlafen ja auch schon.
Als ich vor dem Haus geparkt habe und mit dem Fahrstuhl hoch in mein Appartement fahre, da denke ich angestrengt nach, welche Schicht Camille heute hat.
Ich beschließe es darauf ankommen zu lassen und wähle sie, kaum das ich aus dem Fahrstuhl steige, an.
„Camille Masters.“ Meldet sie sich fröhlich und ich gehe mal davon aus, dass sie noch nicht geschlafen hat.
„Hey Cam.“ Ich schließe meine Haustür auf und betrete meine Wohnung.
„Hey Sonnenschein…“ lacht sie „Was verschafft mir die Ehre deines nächtlichen Anrufes?“
„Mein Urlaub wurde genehmigt.“ Ich kicke meine Schuhe in die Ecke neben der Kommode und begrüße meinen Kater Jellybean, der mir um die Beine schleicht.
„Echt?“ fragt Cam nun erstaunt.
„Ja echt.“ Ich stöhne leise.
„Komm schon Dani, versuche dich zu freuen.“ Rät sie mir.
„Du weißt so gut wie ich, dass ich das nicht kann.“ Gebe ich zurück.
„Ach Dani…“ seufzt sie „Schlaf eine Nacht drüber und wir sprechen morgen in der Klinik. Wir haben ja beide mal wieder Spätschicht.“
„Alles klar. Danke Cam.“ Gebe ich zurück und gehe an den Küchenschrank, um Jellybeans Futter heraus zu holen.
„Dafür nicht Dani. Schlaf schön!“ sie schickt mir einen Kuss durchs Telefon und ich schicke ihr einen zurück.
„Du auch.“ Damit lege ich auf und Jellybean springt auf die Arbeitsplatte.
„Ja, ja ich weiß, dass du fast verhungert bist.“ Lache ich und streiche ihm über sein schwarzes seidiges Fell.
Jellybean ist pechschwarz mit einem weißen Auge, einer weißen Pfote und einem weißen Schwanz. Er sieht etwas merkwürdig aus, das gebe ich gerne zu, aber er ist der liebste und verschmuste Kater den ich kenne. Ich habe ihn vor 5 Jahren von der Straße aufgelesen und seit diesem Tag weicht er mir nicht von der Seite.
Wenn ich das nur auch mal von einem Mann behaupten könnte….
Ich stelle die Futterschüssel auf den Boden und Jellybean stürzt sich sofort darauf. Ich genehmige mir eine kurze Dusche und kuschele mich dann ins warme Bett. Jellybean findet seinen Platz auf dem leeren Kopfkissen neben mir und ich kraule ihn bis ich einschlafe.
Am nächsten Morgen habe ich eine SMS auf meinem Handy, in der mir Cam mitteilt, dass sie natürlich auf Jellybean und meine Wohnung aufpasst und dass ich mich gefälligst um einen Flug kümmern soll.
Ich atme tief durch, sie kennt mich viel zu gut, ich glaube ich brauche neue Freunde. Welche die mich nicht sofort durchschauen.
Schließlich nehme ich mein schnurloses Telfon zur Hand und rufe am Sea - Tac Airport an, das einzige was meine Reisepläne jetzt noch kippen könnte wäre, wenn ich jetzt keinen Flug bekommen würde.
„Sea - Tac Airport.“ Meldet sich eine weibliche Stimme.
„Guten Tag, mein Name ist Danielle Bradford…“ setze ich an und atme durch „Haben sie am Freitag Nachmittag noch einen Flug nach Palmer?“
Sie klimpert auf der Tastatur herum.
„Da haben sie aber Glück…“ setzt sie an und ich verdrehe die Augen… Glück… oh ja.
„… Es fliegt einen kleine Maschine am Freitag um 14 Uhr nach Palmer und es sind noch drei Plätze frei.“ Erklärt sie mir weiter „Sie würden dann aber nicht auf dem Palmer Municipal Airport sondern auf dem Gilmore Strip landen.“
„Das sollte mein kleinstes Problem sein.“ Ich atme tief durch.
„Und dadurch, dass sie nicht den Internationalen Flughafen als Ziel haben, kostet der Flug nur 50 % eines Linienfluges.“ Freut sie sich und ich ziehe eine Augenbraue hoch.
Es ist schon erstaunlich in welchem Einklang das Universum und das Schicksal zusammen arbeiten, wenn man es mal nicht gebrauchen kann…
„Dann nehme ich einen Platz auf Dr. Danielle Bradford.“ Erkläre ich nun und gebe die Daten meiner Kreditkarte durch, dann rufe ich einen Juwelier in Palmer an, bei dem ich schon vor Wochen ein Geburtstagsgeschenk für meine Grandma bestellt hatte.
„Larsson Jewelery.“ Meldet sich ein älterer Mann.
„Guten Tag Mr. Larsson, mein Name ist Danielle Bradford, ich hatte vor drei Wochen ein Medallion bestellt und sie gebeten es auszuliefern.“ Setze ich an.
„Ja, ja ich erinnere mich.“ Unterbricht er mich.
„Sie brauchen es nicht mehr liefern, ich hole es am Samstagvormittag ab.“ Ich sehe aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel Seattles.
„Sehr schön Miss Bradford, dann sehen wir uns bestimmt da.“ Erwidert Mr. Larsson ungebrochen fröhlich.
„Ja bestimmt.“ Damit lege ich auf, denke einen Moment nach und wähle die Nummer meiner Großeltern.
Sie sind nicht da und ich hinterlasse nur eine kurze Nachricht auf dem Anrufbeantworter in der ich ihnen mitteile, dass ich komme und über Weihnachten bleibe.
Dann beginne ich mich auf meinen Dienst vorzubereiten, heute habe ich statt mit Roger mit Alex Dienst und er ist das komplette Gegenteil von Roger, ich muss mich also umstellen…
Ich fahre schon etwas früher in die Klinik und kämpfe mich durch den Weihnachtsverkehr…
Meine Güte, wir haben noch 2 Tage bis Weihnachten und ich bin mir sicher, die Geschäfte haben auch danach wieder auf.
Kaum das ich umgezogen in der Notaufnahme ankomme und mir meinen Pieper schnappe, taucht auch Cam auf und ich nehme sie in den Arm.
„Na, noch Zeit für einen Kaffee?“ sie sieht mich an und wir gehen ins Arztzimmer.
„Na, alles geklärt?“ sie zwei Becher aus dem Schrank, füllt sie mit Kaffee und stellt einen vor meine Nase.
„Ja, morgen um 14 Uhr geht mein Flieger.“ Gebe ich zurück.
„Komm schon Dani…“ sie nimmt meine Hand.
„Es ist hart.“ Gebe ich zu.
„Ich weiß…“ sie drückt kurz meine Hand.
Dann ertönen fast zeitgleich unsere Pieper und wir stöhnen leise.
„Wir sehen uns morgen Mittag!“ Cam drückt mir einen Kuss auf die Wange.
„Ja, bis dann!“ ich winke ihr hinterher und laufe dann in die Anmeldung.
Die Spätschicht geht schnell vorbei und ehe ich mich versehe, sitze ich im Auto nach Hause und beginne, kaum angekommen, meine Tasche zu packen.
Ich brauche dicke Sachen, sehr dicke Sachen…
Schließlich befinde ich meinen Vorrat an dicken Sachen, den ich in meinen Koffer gequetscht habe, für ausreichend und packe zu guter Letzt noch mein weinrotes Kleid ein, denn ich weiß, ich werde es brauchen.
Ich schlafe wirklich schlecht in dieser Nacht und bin froh, als Cam gegen Mittag am nächsten Tag vorbei kommt.
„Sicher, dass es dir mit der Sache gut geht?“ Cam zieht eine Augenbraue hoch und ich sehe kurz in ihre grasgrünen Augen.
„Nein, ganz und gar nicht…“ gebe ich zu und verstaue mein Flugticket in meiner Handtasche.
„Dann bleib hier… tu dir das doch nicht an.“ bittet sie mich eindringlich.
„Hör’ zu Cam. Meine Grandma wird 80, ich muss da einfach hin. Wenn es hierbei um meinen Dad gehen würde, dann würde ich mir nicht die Mühe machen… Aber es geht um meine Granny.“ Ich atme tief durch. „Außerdem habe ich einen genehmigten Urlaub und ein Flugticket.“
„Und das musst du dir unbedingt zu Weihnachten antun?“ sie seufzt leise und bringt damit zum Ausdruck wie ich mich fühle.
„Sie hat nun einmal morgen Geburtstag und ich kann es ihr und Pop nicht antun, dann noch vor Weihnachten wieder zurück zu fliegen.“ Ich sehe sie, mit der Bitte mit davon abzuhalten, an.
„Hast du ihnen gesagt, dass du kommst?“ Cam nimmt mir einen Pullover aus der Hand und packt ihn in meinen Koffer, um diesen dann endgültig zu schließen.
„Nicht direkt, ich habe gestern eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“ Ich nehme meinen dicken, hellgrauen Wintermantel aus dem Schrank und sehe mich in meinem Schlafzimmer um, ob ich auch ja nichts vergessen habe.
„Hast du Peter gesagt, dass du über die Feiertage weg bist?“ Cam krault Jellybean, der um ihre Beine schleicht und ich winke ab.
„Nein, es ist ja nicht so, als würden wir eine Beziehung führen…“ ich verdrehe die Augen „Er soll mal schön sein Ding machen und Weihnachten mit seiner Frau und seinen Kindern feiern. Glaub mir Cam, ich bin fertig mit ihm…“ ich mache eine unterstreichende Handgeste „… Ich habe ein Jahr meines Lebens an ihn verschwendet, ich habe ihn seit 6 Wochen nicht gesehen und ich habe auch nicht vor, ihn jemals wieder zu sehen.“
„Wow Dani, ich bin stolz auf dich.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange „Ich wusste, das du irgendwann dahinter kommst.“
„Komm Dani, wir müssen los.“ Sie deutet auf die Uhr und ich ziehe meine Winterstiefel an. Hier in Seattle ist es zwar auch ganz schön kalt, aber ich weiß ganz genau, dass mich in Palmer weitaus Schlimmeres erwarten wird.
Wir kommen gut durch und Cam hilft mir meinen Koffer aus dem Kofferraum ihres Wagens zu hieven.
„Ruf’ mich an, wenn du angekommen bist.“ Sie nimmt mich in den Arm und drückt mich an sich. „Versuche die Zeit zu genießen.“
„Kommst du so lange alleine klar?“ frage ich leise.
„Hey Dani…“ sie grinst mich an „Du bist eine wirklich ausgezeichnete Ärztin, aber glaube mir, das Seattle Memorial geht nicht unter weil eine Ärztin fehlt…“ sie schenkt mir einen schelmischen Blick „Und dafür, das ich nicht untergehe sorgt Will schon. Für was ist er denn mein begnadeter Chefarzt mit den goldenen Händen?“
„Dein Chefarzt?“ lächle ich.
„Ja, jetzt ist er mein Chefarzt…“ sie streckt mir die Zunge raus „Nachdem Dr. Danielle Bradford jetzt ja offiziell in die Notaufnahme gewechselt hat, habe ich meinen neurologischen Mentor für mich ganz alleine.“
„Verbrenn dich nicht die Finger Cam.“ Ermahne ich sie.
Ich kenne sie eben auch zu gut und ja, so ungern ich es zugebe, Will ist was besonders. Nicht nur fachlich, nein vor allen Dingen menschlich und ich weiß, das er Cam gefällt.
„Ich doch nicht und wenn ich auf deine Wohnung und auf Jellybean aufpassen soll….“ Sie hält mir ihre Hand hin „Schlüssel bitte.“
„Danke Cam.“ Ich reiche ihr meinen Schlüssel und sehe mich nach meinen Check in Schalter um.
„Du bist nervös, oder?“ Cam nimmt meine Hand. „Wie lange warst du nicht in Alaska?“
„Fast 10 Jahre.“ Gebe ich zu „Ich bin gleich nachdem ich meinen Abschluss vom Community College in der Tasche hatte weg.“
„Es ist Okay…“ sie legt ihre Hand auf meine Wange.
„Ich weiß nicht.“ Ich ringe mich zu einem lächeln durch.
„Ich weiß es aber…“ sagt sie sicher „Sie werden stolz auf dich sein. Dr. Danielle Bradford.“
„Sie denken immer noch ich habe Betriebswirtschaft studiert.“ Ich verziehe leicht das Gesicht.
„Dann ist es wohl endlich and er Zeit sie aufzuklären.“ Sie nickt mir zu.
„Wahrscheinlich…“ ich sehe auf die Abflugtafel „Ich muss los.“
„Hast du alles?“ sie sieht auf meinen Koffer und auf meine Handtasche.
„Ich glaube schon.“ Ich denke angestrengt nach.
Selbst wenn ich jetzt was vergessen habe, so kann ich es jetzt sowieso nicht mehr ändern.
„In zwei Wochen bist du wieder hier.“ Cam zwinkert mir zu.
„Ja, ich glaube fast du wirst mir fehlen.“ Ich schiebe meinen Koffertrolli in Richtung des Schalters und lächle Cam schief zu.
„Ich werde dich ganz bestimmt vermissen und ich weiß, dass dir das milde Klima hier fehlen wird.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.“ Ich drücke sie fest an mich.
„Wünsche ich dir auch Dani, mach das Beste draus.“ Sie sieht mich bittend an.
„Ich versuche es. Wirklich. Ich danke dir.“ Ich winke ihr zu und sie geht zum Ausgang.
Schon eine Stunde später sitze ich im Flieger nach Palmer, die Abwicklung am Flughafen ging schnell und ohne Probleme über die Bühne und ich sehe langsam Seattle unter mir verschwinden.
Ich habe ein flaues Gefühl im Magen, aber ich versuche es zu ignorieren. Vielleicht liegt es ja nur an der kleinen Maschine die wirklich jedes Luftloch und jede einzelne Turbolenz mitzunehmen scheint…
Mein Magen dreht sich und ich versuche krampfhaft nicht an das zu denken, was mich in Palmer erwartet, nicht wirklich leicht angesichts dessen, das ich wirklich nicht zurück möchte.
Als ich in Palmer am späten Nachmittag aus dem Flieger steige weht mir sogleich ein eiskalter Wind um die Nase und ich ziehe meinen Mantel weiter zu.
„DANIELLE!!!“ ruft jemand mehr wie laut und ich drehe mich der Stimme entgegen.
Meine Grandma und mein Grandpa stehen an der Absperrung vom Flughafen und meine Grandma hält stolz ein Schild mit meinem Namen hoch. Reichlich überflüssig wenn ich bedenke das in der Maschine nur 8 Personen saßen… aber gut, wenn es sie glücklich macht.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie mich abholen. Eigentlich wollte ich mir ein Taxi ins Hotel nehmen und meinen Besuch auf morgen früh verschieben.
Daraus wird wohl jetzt nichts…
Ich hole meinen Koffer, der hier an dem kleinen Flughafen sofort aus der Maschine heraus den Passagieren übergeben wird und gehe in Richtung des Ausgangs.
„Meine kleine Dani!“ meine Grandma nimmt mich fest in den Arm.
„Hallo Granny.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
„Wie war denn dein Flug?“ erkundigt sie sich und ich beuge mich zu meinem Grandpa.
„Hallo Pop.“ Ich grinse ihn an, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und er nimmt mir meinen Koffer ab.
„Mein Flug war Okay, aber ich hatte es hier nicht so kalt in Erinnerung.“ Gebe ich zu und ziehe meinen Mantel noch weiter zu.
„Kleines, zum ersten sind wir hier Alaska…“ meine Grandma sieht mich tadelnd an „und zum anderen haben in zwei Tagen Weihnachten. Natürlich ist es kalt, gerade letzte Nacht haben wir fast 10 cm Neuschnee bekommen.“ Sie bugsiert mich ins Auto und mein Grandpa lacht leise.
Kaum das die Beiden sitzen beuge ich mich nach vorne. „Ich habe mich im Peak Inn einquartiert. Könnt ihr mich da hin bringen? Ich habe ja gar nicht damit gerechnet, das ihr mich abholt.“
Meine Grandma fährt in ihrem Sitz herum.
„Ein Hotel? Wirklich? Danielle, das kommt nicht in Frage. Du schläfst bei uns. Das Haus ist riesig und ich freue mich so sehr, dass du endlich wieder mal nach Hause kommst. Ich freue mich so sehr auf meinen Geburtstag und auf Weihnachten mit dir.“ Sie sieht mich durchdringend an.
„Grandma, das ist nicht mein zu Hause.“ Erwidere ich kühler wie beabsichtigt, ich lehne mich nach hinten und atme tief durch.
„Doch ist es Danielle Bradford. Twin Hills und Hart Lake House werden immer dein zu Hause sein.“ Sie dreht sich wieder um und ich sehe aus dem Fenster, nachdem wir die Innenstadt hinter uns gelassen haben und in Richtung Twin Hills fahren, da kommt mir so langsam alles wieder bekannt vor.
Es beginnt zu dämmern und überall ist die Weihnachtbeleuchtung eingeschaltet, die alles in ein buntes Lichtermeer taucht.
Alaska zu Weihnachten hat etwas Magisches.
Der Laden vom alten Jonathan Miller, in dem ich als Kind immer Bonbons gekauft habe um sie mit Matt zu teilen. Meine Grundschule mit dem riesigen Klettergerüst, auf dem ich mir mit 8 Jahren den linken Arm gebrochen habe und mich Matt dann zur Schulkrankenschwester gebracht hat. Smulders Eisenwaren, wo ich immer Nägel für meinen Grandpa gekauft habe und dann sehe ich auch das große Gebäude von Bradford Motors…
Soweit ich weiß, hat mein Dad mittlerweile einige der geschäftlichen Aktivitäten übernommen, aber mein Grandpa ist noch voll im Geschäft und wird sich auch mit seinen 84 Jahren nicht so schnell aus seinem Geschäft vertreiben lassen.
Bradford Motors repariert alle erdenklichen Fahrzeuge und ich habe in den Hallen dieser riesigen Werkstatt einen Großteil meiner Kindheit und Jugend zusammen mit Matt verbracht. Mein Grandpa hat es aus dem nichts heraus aufgebaut und in den letzten 60 Jahren ist es zu einem stattlichen Unternehmen mit Filialen in Sitka, Anchorage und Fairbanks gewachsen. Ich weiß, dass meine Großeltern von dem ersten richtigen Geld Hart Lake House gekauft und es vollkommen saniert und umgebaut haben.
Ich brauche nur an meinen Dad zu denken und schon merke ich, wie die Wut in mir aufsteigt.
Es stimmt wenn man sagt, nichts ist unvergänglicher wie Wut…
Sie schäumt in mir auf und ich presse meine Lippen zusammen.
Schweigend fahren wir die 30 Minuten nach Hart Lake House, einem stattlichen Anwesen am Rande Twin Hills und als ich das herrschaftliche Gebäude mit den vielen bunten Lichtern sehe, da habe ich einen riesigen Kloß im Hals. Ich war schon so lange nicht mehr hier und trotzdem wirkt alles so vertraut.
Meine Grandma steigt sofort aus und ich merke, dass ich sie mit dem, was ich gesagt habe, verletzt habe.
„Es tut mir leid Pop.“ Sage ich leise.
„Schon gut Kleines, nur war es für deine Grandma so, das sie nachdem sie schon ihren Enkel verloren hat auch noch ihre Tochter und ihre Enkelin verloren hat.“ Er steigt aus und hält mir die Tür auf.
„Es tut weh wieder hier zu sein.“ Gebe ich zu.
„Ich weiß meine Kleine.“ Er nimmt mich fest in den Arm „Aber es wird nicht besser, wenn du allem aus dem Weg gehst.“
„Ich weiß…“ sage ich nachdenklich und folge ihm die Treppen hoch auf die Veranda.
Hart Lake House ist ein wunderschönes Anwesen mit einem Garten bis hinunter zum See, einem Anleger, an dem im Sommer, der zugegeben relativ kurz ist, die Boote anlegen können und einer Scheune in der früher die besten Partys weit und breit gefeiert wurden und in der mein Grandpa immer an irgendetwas herum geschraubt hat.
Dann sehe ich hinaus auf den Hart Lake, dem das Haus und die Anlagen seinen Namen verdankt und atme tief durch. Dieser See gehört mit zum Grundstück und ich kenne jede kleine Böschung am Ufer, denn ich kenne diesen See seit meiner Geburt.
Mein Grandpa lässt mich einen Moment alleine und ich beobachte den schon zugefrorenen See.
Ob er schon zum Schlittschuhlaufen frei gegeben ist?
Wenn ich meine Augen schließe, dann sehe ich meine Mum ihre Pirouetten drehen und dabei strahlen. Und ich sehe mich mit Matt als Kinder übers Eis jagen und wir versuchen uns gegenseitig an Schnelligkeit und Waghalsigkeit zu überbieten…
Mein Herz krampft sich bei dem Gedanken schmerzhaft zusammen und ich atme tief durch.
Lange war ich ihnen nicht mehr so nah wie hier…
Ich sammle mich einen Moment und betrete dann das Haus. Ich bin in diesem Haus geboren und aufgewachsen, Matt und ich haben hier laufen gelernt, haben uns gestritten und wieder versöhnt. Wir haben immer alle mit Granny und Pop unter einem Dach gelebt, aber ich weiß, dass mein Dad jetzt in einem Haus auf der anderen Seite Palmers in Davis zusammen mit seiner neuen Frau wohnt.
Es gab eine Zeit, da war das hier für mich der sicherste und schönste Platz auf der Welt… aber jetzt?
Ich fühle mich unwohl, zu viel erinnert mich hier an sie und ich habe einen zentnerschweren Klumpen im Magen.
Ich hänge meine Jacke an die Garderobe und ziehe meine Stiefel aus, ehe ich zu meiner Granny in die Küche gehe. Immer wenn Granny böse auf mich ist, dann macht sie Tee und als ich eintrete da weiß ich, dass sich nichts daran geändert hat.
„Tee?“ fragt sie ohne zu schauen wer rein kommt.
„Gerne.“ Ich setze mich an den Tresen und sehe mich in der Küche um. Hier hat sich nichts geändert, sogar meine Größentabelle ist noch in den Durchgang zum Esszimmer geritzt, gleich gegenüber die von Matt und ich schließe kurz meine Augen.
Sie schenkt mir Tee ein und reicht mir die Tasse.
„Es tut mir leid Granny.“ Ich starre auf meine Hände.
„Schon gut Kleines.“ Sie nimmt meine freie Hand und drückt sie kurz „Ich weiß, dass es schwer für dich sein muss und ich bin dir wirklich dankbar, dass du hier bist.“
„Ich war viel zu lange nicht hier.“ Ich sehe auf und in ihre gütigen hellblauen Augen.
„Du bist doch erst gestern weg.“ Sie zwinkert und ich lächle leicht.
„Was hast du eigentlich für deinen großen Geburtstag geplant?“ ich merke wie ich mich etwas entspanne, als ich das Thema jetzt auf etwas unverfängliches Terrain lenke.
„Ach…“ sie winkt ab „Nur ein paar Freunde und Bekannte.“
„50 Personen?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
Meine Grandma liebt es alle um sich herum zu haben und jede sich bietende Gelegenheit wird dafür genutzt.
„70.“ Gibt sie schmunzelnd zu.
„Wenn noch etwas geholt werden muss, dann sag es.“ Biete ich ihr an.
„Glaub mir Kleines, ich habe dich morgen voll und ganz eingeplant.“ Gesteht sie mir und ich lache leise.
„Ich hatte nichts anderes erwartet.“ Ich nehme einen Schluck von dem Tee.
Hmm selbstgemachter Früchtetee…
„Wie geht es dir meine Kleine?“ sie setzt sich zu mir und betrachtet mich „Du siehst müde aus und du bist dünn Kleines.“
„Mir geht es gut. Wirklich Granny.“ Versichere ich ihr.
„Es ist so schön dich mal wieder in dieser Küche zu sehen.“ Sie sieht mich an und lässt dann den Blick durch die helle offene Küche schweifen. Die Fronten sind aus hellem Holz und die Arbeitsplatten sind aus Mosaik in gelben und orangen Fliesen. Alles was meine Kochkünste bisher zu bieten haben, habe ich in dieser Küche gelernt.
„Hier hast du mir gezeigt wie man einen Kuchen backt.“ Ich sehe zu dem alten Backofen, der mindestens schon genauso alt wie das Haus ist.
„Ja und du hast es fertig gebracht, das zum allerersten Mal unsere Feuermelder angesprungen sind und wir alle fast einen Herzinfarkt bekommen haben.“ Lacht sie und ich verstecke lachend mein Gesicht.
„Ich wollte Pop einen Geburtstagskuchen backen und bin vor dem Ofen eingeschlafen.“ Erinnere ich mich.
„Nachts um 3 Uhr…“ sie schüttelt grinsend den Kopf „… Es fehlt mir.“ Sagt sie plötzlich nachdenklich.
„Was Granny?“ ich stütze meinen Kopf auf meinen Händen ab und sehe sie genauer an.
Sie wirkt nicht mehr so fröhlich wie früher… Ihre hellblauen Augen strahlen zwar noch, aber man erkennt den Schmerz der ihr im letzten Jahrzehnt zugesetzt hat. Sie trägt immer noch ihre Haare zu einem Knoten und sie sind durch und durch grau, aber ich erinnere mich kaum noch, das sie mal eine andere Haarfarbe gehabt hat.
„Es fehlt mir, das du hier mit mir in der Küche stehst, dass du deine Finger in sämtliche Töpfe steckst und ich dich dafür ausschimpfen muss.“ Sie seufzt leise.
„Es ist viel passiert.“ Denke ich laut nach.
„Ja meine Kleine… zu viel.“ Gibt sie zu.
„Granny, ich will die Zeit hier bei euch genießen…“ ich nehme ihre Hand in meine Beiden. „Also, wo schickst du mich morgen hin?“
Sie lächelt leicht „Du kannst bei McNamara Flowers die Blumen abholen und bei Sara die Torte.“
„Gerne, dann leihe ich mir aber den alten Pick up mit der Plane.“ Ich grinse sie an.
„Das ich dich noch mal in diesem alten Schrotthaufen sehe…“ sie steht auf und reicht mir den alten Schlüssel vom Schlüsselbrett.
„Immerhin habe ich in diesem so genannten Schrotthaufen fahren gelernt und er hat uns das eine oder andere Mal gerettet, wenn wir mal wieder meinen Schlüssel vergessen hatte und in der Scheune übernachtet haben.“ Gestehe ich ihr.
„Ich weiß Kleines, die Decken habe ich in die Scheune gelegt.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ich weiß.“ Lache ich.
„Du siehst so wunderschön aus wenn du lachst.“ Sie legt ihre Hand auf meine Wange.
„Danke Granny.“ Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen.
„Ich werde etwas auspacken und dann sehen, dass ich ins Bett komme. Ich bin ganz schön müde.“ Wie zur Bestätigung entweicht mir ein herzhaftes Gähnen.
„Wir sehen uns in einer halben Stunde zum Abendessen. Ich habe Süßkartoffelauflauf gemacht.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange.
„Danke Granny.“ Ich stehe auf und stiege die Treppe, die aus der Küche hoch in den ersten Stock führt, hoch.
Auch hier hat sich nichts verändert, der gleiche braun beige gestreifte Teppich im Flur, das Panoramafenster am Ende des Korridors mit dem herrlichen Blick in den angrenzenden Wald und die große Haupttreppe gleich davor. Alles ist weihnachtlich geschmückt und ich sehe die Spitze des großen Weihnachtsbaumes, der unten im Wohnzimmer steht. Ich betrete das Zimmer hinter der zweiten Tür rechts und atme tief durch. Das große Bett steht wie schon immer unterm Fenster, der hellblaue Baldachin gibt ihm ein märchenhaftes Aussehen, daneben mein alter Schriebtisch mit der gelb blauen Tiffany Lampe darauf und im Kamin daneben lodert ein Feuer. Wie von selbst setze ich einen Fuß vor den anderen und betrachte die vielen Fotos an den Wänden.
Hier ist es fast, als würden sie noch leben.
Als würden sie jede Minute herein kommen und mich begrüßen.
„Ich dachte mir, du willst es bestimmt warm haben.“ Ertönt die Stimme meines Grandpas und ich drehe mich zu ihm um.
„Danke Pop.“ Ich gehe zu ihm und nehme ihn in den Arm.
„Dafür nicht, du weißt ich liebe dich.“ Er zwinkert mir zu und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Obwohl mein Grandpa schon 84 ist, ist er immer noch ein Stück größer wie ich. Klar, ist er ein wenig “geschrumpft“, aber er ist immer noch ein stattlicher Mann und hat nichts von seinem Holzfällercharme eingebüsst.
Früher habe ich immer gedacht, dass ich mal einen Mann wie ihn heiraten würde.
Mittlerweile weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt heiraten will, denn meine Affären und Beziehungen der letzten Jahre haben mir gezeigt, dass ich wohl augenscheinlich nicht unbedingt heiratsfähiges Material bin, denn sobald mir einer seine Gefühle offenbart bin ich weg. Ich kann damit nicht umgehen, es schnürt mir dann immer sofort die Kehle zu und seien wir mal ehrlich…
Ich bin jetzt 29 und die meisten Männer in meinem Alter sind verheiratet und haben Familie.
Die Auswahlmöglichkeiten schränken sich also ein…
Oh Pop, ich glaube wirklich ich sollte dich heiraten…
Groß, stark und gegen alle Stürme des Lebens gewappnet, ein Mann wie aus einem Buch.
„Ich liebe dich auch Pop.“ Ich sehe ihn dankbar an.
„Pack jetzt aus und wir sehen uns gleich unten.“ Er nickt mir weise lächelnd zu und ich betrachte einen Moment lang seine gütigen braunen Augen, seinen grauen Rauschebart und die immer noch widerspenstig abstehenden, vollen Haare.
Dann schließt er die Tür hinter sich und ich nehme meinen Koffer und packe die Sachen in den Schrank.
Dann lasse ich mich rücklings aufs Bett fallen und schließe meine Augen.
Dass alles hier ist wie eine Reise in die Vergangenheit und ich merke, dass ich mich dem einfach nicht stellen kann, mein Herz ist verkrampft.
Sie fehlen mir jeden einzelnen Tag und ich würde alles dafür geben, sie nur noch ein einziges Mal zu sehen…
Draußen ist es, so scheint es mir zu mindestens, plötzlich finstere Nacht geworden. Um diese Jahreszeit hat Alaska fast den gleichen Tages- und Nachtlichtrhythmus wie der Rest der Welt, nur wird es hier plötzlich stockdunkel. Ich sehe auf den Wecker, der auf meinem Nachttisch steht und setze mich wieder auf.
Ich gehe ins Badezimmer, welches zu meinem Zimmer gehört und spritze mir etwas eiskaltes Wasser ins Gesicht. Ich betrachte mich einen Moment im Spiegel, meine tiefblauen Augen sehen müde und geschafft aus, meine Wangen sind rot und meine Haare stehen mir, trotzdem ich sie mir hoch gesteckt habe, schon wieder in allen Himmelrichtungen von meinem Kopf ab. Ich ziehe das Haargummi aus meinem Knoten und meine hellbraunen Haare fallen glatt bis zur Mitte meines Rückens. Ich fahre kurz mit meinen Fingern hindurch und nicke meinem Spiegelbild zu.
Ich muss nur 14 Tage hier überstehen, dann bin ich wieder in Seattle und mein Leben hat mich wieder.
Ich nicke mir kurz zu und gehe dann hinunter in die Küche, in der es herrlich nach Süßkartoffelauflauf duftet und beobachte lächelnd meine Granny und meinen Pop. Er steht hinter hier am Herd und versucht etwas von der Sauce zu ergattern, während sie ihm auf die Finger klopft.
Es ist so schön zu sehen, wie sehr sich die Beiden auch nach über 70 Jahren noch lieben.
„Na Kleines. Hunger?“ mein Pop dreht sich zu mir um und ich sehe ertappt auf. „Deine Schritte die Treppe runter würde ich auch nach 100 Jahren noch erkennen.“ Gibt er zu.
Ich lächle ihn an und er gehe zu ihm, um ihn in den Arm zu nehmen.
„Setz dich Kleines.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich setze mich an den gedeckten Tisch.
Meine Granny holt den Auflauf aus dem Ofen und ich merke, wie hungrig ich wirklich bin und lächle sie dankbar an, als sie mir eine Portion auffüllt.
Als wir alle sitzen und das Tischgebet gesprochen haben probiere ich vom Auflauf.
„Hmm… das schmeckt genauso, wie ich es in Erinnerung hatte.“ Gebe ich zu und Granny strahlt selig.
„Und wie es ist so ein abgeschlossenes Studium zu haben? Vielleicht kommst du ja doch noch zurück und nimmst bei Bradford Motors deinen Platz ein.“ Pop sieht mich an und ich verschlucke mich beinahe.
„Gut, es ist wirklich schön, endlich alles anwenden zu können.“ Erkläre ich ihm.
Ich überlege einen Moment ob ich es jetzt wagen soll ihnen zu sagen, dass ich mein Betriebswirtschaftstudium nach nicht einmal einem Semester abgebrochen und mich für Medizin entschieden habe.
Warum auch immer, ich entscheide mich für den Augenblick dagegen und schenke meinen Pop ein zaghaftes lächeln.
„Und Kleines? Wie geht es dir sonst so, wir hören ja nur alle paar Monate mal was von dir…“ Granny sieht mich durchdringend an und ich höre den Vorwurf in ihrer Stimme.
„Gut, sehr gut…“ ich versuche erneut zu lächeln. „Es ist nur stressig im Moment.“
„Und die Liebe?“ sie legt ihren Kopf schief und ich stöhne leise.
„Nichts Neues.“ Ich winke ab.
„Aber bist du nicht eine Zeit lang mit diesem Architekten ausgegangen?“ harkt sie nach und ich seufze erneut.
„Ja bin ich, bis ich heraus gefunden habe, dass er eine Frau und zwei Kinder hat.“ Ich starre auf meinen Teller.
„Oh Kleines, das tut mir wirklich leid.“ Granny nimmt meine Hand und drückt sie leicht.
„Im Moment kann ich gar keinen Mann in meinem Leben gebrauchen.“ Ich grinse und sie erwidert es.
„Richtig so Kleines… Lebe erst einmal dein Leben.“ Redet sie mir gut zu und ich sehe zu Pop. Granny und Pop haben sich kennen gelernt, da war Granny 4 und Pop 8…
„Bereust du etwa, dass du die große Liebe deines Lebens im Sandkasten gefunden hast?“ fragt er sie belustigt.
„Wie könnte ich eine Sekunde mit dir bereuen?“ gibt sie zurück. „Aber Dani muss erst einmal herausfinden wer sie ist und was sie will.“
„Danke Granny.“ Ich lache leise und nehme meinen Teller und stelle ihn in den Geschirrspüler.
„Geh schlafen Kleines, du siehst furchtbar müde aus.“ Pop tätschelt meine Wange und ich nicke ihm dankbar zu.
Auf den Weg in mein Zimmer bleibe ich vor der Tür des gegenüber liegenden Zimmers stehen und überlege einen Moment es zu betreten.
Schließlich schüttele ich sachte mit dem Kopf und gehe in meins. Ich dusche kurz und kuschele mich dann im Schein des Kaminfeuers in meine Decke. Ich schlafe ausgesprochen gut in dieser Nacht und als es am nächsten Morgen an meine Zimmertür klopft, da bin ich sofort hellwach.
„Ja?“ frage ich und reibe mir über die Augen.
Mein Pop kommt strahlend herein und ich muss lächeln, er trägt ein Tablett mit Frühstück und stellt es auf meinem Bett ab.
„Hast du gut geschlafen Kleines?“ er setzt sich zu mir auf die Bettkante.
„So gut wie schon lange nicht mehr.“ Gebe ich zu und angele mir ein, noch warmes, Brötchen vom Tablett. „Aber solltest du nicht jemand anderen heute verwöhnen?“ ich zwinkere ihm zu und beiße beherzt in das Brötchen.
„Schon erledigt…“ er lächelt „Du kennst doch deine Granny, sie steht mit den Hühnern auf.“
„Oh ja, ich erinnere mich.“ Gebe ich leicht stöhnend zu.
„Sie ist schon in der Stadt und macht noch ein paar Besorgungen.“ Erklärt er mir und nimmt sich ebenfalls ein Brötchen.
„Und ich nehme an, du wirst mir gleich sagen, wo ich heute hin soll, oder?“ ich lege meinen Kopf schief und er lacht leise.
„Iss erst einmal dein Frühstück, geh duschen und dann bekommst du weitere Instruktionen.“ Er erhebt sich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Okay.“ Gebe ich lächelnd zurück und lehne mich in meine Kissen um mein erstes, seit Jahrzehnten ans Bett gebrachte. Frühstück zu genießen.
Anschließend flechte ich mir meine langen hellbraunen Haare und schlüpfe in eine hellblaue Jeans und einen dicken beigen Wollpullover.
Ich schleiche die Haupttreppe runter, der riesige Weihnachtsbaum erstahlt in vollem Glanz und die bunten Lichter tauchen alles in ein unwirkliches, märchenhaftes Licht. Ich kenne beinahe jede einzelne Kugel die an diesem Baum hängt und betrachte einige etwas genauer. Sie sind so wunderschön und so zerbrechlich… Wie alles im Leben.
Ich schlucke schwer und suche nach meinem Pop, ein Blick zur Scheune verrät mir dann, wo ich ihn finde und ich ziehe mir meine Winterjacke und meine Stiefel an. Auf dem Weg hinunter zur Scheune ziehe ich mir meine Handschuhe an und wickele mir meinen Schal um den Hals, verdammt, es ist wirklich lausig kalt…
Als ich die Scheune betrete und mich die Lichterketten anstrahlen, da kann ich mir ein kleines lachen nicht unterdrücken. Mein Pop liebt es für meine Granny alles perfekt zu machen und das hier ist wirklich perfekt. Weiße Lichterketten hängen hoch am Dachstuhl, alle Geräte und Maschinen sind raus geräumt und haben somit Platz für Tische und Stühle gemacht. Alle Tische sind mit weißen Tischdecken gedeckt und die Stühle stecken in hellblauen Stoffhussen. Es sieht aus wie ein Wintermärchen…
„Und?“ Pop dreht sich zu mir um und strahlt mich an.
„Wie immer perfekt.“ Erwidere ich und nicke ihm anerkennend zu.
„Also gut, bevor wir mit dem Zeitplan ganz ins Hintertreffen gelangen. Blumen… ich habe weiße Rosen und rosane Calla Lilien bestellt, bei McNamara abholen. Sie sind bereits bezahlt…“ er denkt angestrengt nach „Die Torte ist bei Sara, aber die werde ich mit dem Kombi abholen, wenn du mir einen Gefallen tun kannst.“ Er sieht mich fragend an.
„Klar doch.“ Erwidere ich und lege mal wieder meinen Kopf schief.
„Kannst du im Büro vorbei fahren und mein Geschenk für deine Grandma aus dem Safe holen?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Ich soll ins Büro?“ echoe ich.
„Er ist nicht da, versprochen.“ Versichert er mir und ich nicke schließlich.
„Die Kombination ist immer noch die gleiche.“ Er zwinkert mir zu.
„Immer noch unser Geburtsdatum?“ frage ich erstaunt.
„Aber sicher.“ Er drückt mir den Schlüssel für die Hauptwerkstatt in Palmer in die Hand. Ich sehe auf den Schlüsselbund, noch immer baumeln die gleichen Schlüsselanhänger daran. Von mir und Matt selbst gemachte Knetmännchen und Werkzeugteile, mein Herz krampft sich kurz zusammen, aber schließlich lächle ich und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich hätte eh noch nach Palmer rein gemusst, ich muss Grannys Geschenk auch noch abholen.“ Erkläre ich ihm und steuere den alten Pick up an.
Ich setze mich hinters Steuer und lasse den Motor an, im Grunde genommen will ich es, aber der Motor gibt nur ein leises hüsteln von sich.
„Hey Kleines, das ist eine alte Dame, lass sie erst einmal warm werden.“ Mein Pop schüttelt den Kopf.
„Klingt eher danach, als ob der Anlasser verdreckt ist.“ Gebe ich zurück und versuche es erneut.
„Ich hatte mir vorgenommen ihn zu tauschen, aber ich bin einfach nicht dazu gekommen nachzuschauen, ob wir noch einen haben.“ Entschuldigt er sich „Aber immer noch das Gehör einer Mechanikerin.“ Er kann sich ein grinsen nicht verkneifen.
Nach mehrmaligen Versuchen springt der Motor endlich an und ich atme erleichtert durch.
„Bis später!“ ich winke meinen Pop zu und fahre aus der Scheune. Zum Glück ist die Straße nach Palmer gut geräumt und ich komme gut durch.
Ich erinnere mich, dass es so manches Mal ein Krampf war und ich mitten auf der Landstraße die Schneeketten aufziehen musste. Ich war dann immer nur froh, wenn Matt mit dabei war und ich nicht mutterseelenallein hier draußen stand.
Fröstelnd reibe ich mir die Hände, diese alte Kiste braucht ewig um warm zu werden…
Ich beschließe zu erst mein Geschenk, das Medallion, beim Juwelier abzuholen und dann in die Werkstatt zu fahren, erst als Letztes will ich zu McNamara Flowers, denn ansonsten sind die Blumen unnötig lange der Kälte auf der Ladefläche ausgesetzt.
Beim Juwelier klappt alles wunderbar, das gute Stück ist graviert und die Fotos sind drin, man kann es in vier Teilen aufklappen und auf den ersten Bild ist mein Grandpa in jungen Jahren, auf den zweiten Bild bin ich, das Bild ist noch gar nicht so alt, auf dem Dritten Bild ist Matt bei einem seiner Eishockeyspiele und auf dem letzten Bild schließlich meine Mum… Wehmütig betrachte ich das Bild, sie sieht so wunderschön aus, das Bild ist vor allem entstanden und ich erkenne die ungeheure Ähnlichkeit mit ihr.
„Miss? Das macht dann 380 Dollar, plus Gravur und Umarbeitung insgesamt 460 Dollar.“ Holt mich der Verkäufer zurück ins hier und jetzt und ich reiche ihm meine Kreditkarte während ich das Medallion seiner Angestellten gebe und sie es in eine Schatulle packt.
„Vielen Dank.“ Ich nehme es wieder an mich und der Verkäufer reicht mir meine Karte.
„Ich danke ihnen Miss.“ Er nickt mir zu und ich trete wieder hinaus auf die Straße.
Den Weg vom Juwelier zur Werkstatt kenne ich in und auswendig und mein Herz droht aus der Brust zu springen, als ich auf den Hof fahre und mit einem Schlüssel das Rolltor hoch fahre. Es ist Samstag und somit arbeitet heute keiner. Als ich im Inneren bin, schließe ich das Tor wieder hinter mir und sehe mich um.
Der Geruch von Öl und Schmiere steigt mir in die Nase und ich schließe einen Moment meine Augen. Ich sehe meine Mum, wie sie sich über den Motorraum eines alten Autos beugt und ich ihr das Werkzeug anreiche. Eigentlich war meine Mum Lehrerin, aber wenn sie entspannen wollte, dann half sie meinen Pop in der Werkstatt und somit wusste ich noch bevor ich richtig sprechen konnte, den Unterschied zwischen den verschiedenen Autotypen und wusste welches Werkzeug zu welchem Auto passt. Matt und ich haben es geliebt im Lager verstecken zu spielen und damit meine Mum, meinen Dad, Granny und Pop auf die Palme gebracht. Ich glaube, unser erstes gewünschtes Weihnachtsgeschenk war ein Werkzeugkasten und wir bekamen jeder einen prall gefüllten mit allerhand richtigem Werkzeug… einen in rot für mich und einen in blau für Matt.
Ich schüttele meinen Kopf um die Erinnerungen zu verscheuchen und gehe die Metalltreppe hoch ins Büro. Die Tür knarrt immer noch wie ich lächelnd fest stelle und auch ansonsten sieht es hier aus wie immer. Die bunten, von mir und Matt, in der Schule gemalten Bilder an der Pinnwand sind zwar vergilbt und die Fotos auf dem Schriebtisch und an der Wand haben einen leichten Gelbstich, aber es ist, als wäre die Zeit hier stehen geblieben.
Ich gehe an den Safe und gebe die Kombination ein, leise klackend öffnet er sich und ich nehme eine Schatulle heraus. Ich kann dem Drang nicht wieder stehen und öffne sie. Mein Pop hat meiner Granny eine wunderschöne Uhr gekauft und ich betrachte lächelnd den Zettel.
- Für die schönste, klügste und bezaubernste Frau auf der Welt. Mit dir ist alles zeitlos. Ich liebe Dich. -
Das ist wirklich typisch mein Pop, er vergöttert sie und lässt keine Möglichkeit aus ihr das auch zu zeigen.
„Nehmen sie die Hände hoch!“ ertönt eine Stimme von der Tür her und ich sehe erschrocken auf und den Lauf eines Jagdgewehrs.
„Nun mal langsam…“ setze ich an.
„Nichts langsam, legen sie die Schatulle auf den Tisch und die Hände hoch. Die Polizei ist gleich hier.“ Ertönt die Stimme erneut und ich wende meinen Blick von der Waffe auf den Mann, der die Waffe hält.
Er ist höchstens Mitte 30, er trägt einen Drei-Tage-Bart und ein Sweatshirt von der Werkstatt. Seine braunen Augen funkeln mich an und seine dunkelbraunen etwas längeren Haare hängen im verwegen in der Stirn.
„Glaub mir, das ist ein Fehler.“ Versuche ich es erneut.
„Das glaube ich kaum, der stille Alarm ist los gegangen und ich habe dich auf frischer Tat ertappt, wie du Wertsachen aus dem Tresor entwenden wolltest.“ Er deutet mit dem Gewehr auf die Schatulle.
„Darf ich was sagen?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und erhebe mich. Sofort richtet er die Waffe genauer auf mich und ich hebe meine Hände.
„Pass auf, wie soll ich an den Inhalt des Tresors gekommen sein, wenn ich die Kombination nicht kenne?“ ich zucke leicht mit den Schultern „Und den blauen Pick Up in der Werkstatt den müsstest du auch kennen, wenn du hier arbeitest.“ Füge ich hinzu.
„Vincent? Wo bist du?“ ertönt die Stimme von Keneth Livingston und ich atme erleichtert auf. Keneth Livingston ist zufällig Officer Keneth Livingston und wird mich hoffentlich retten …
„Im Büro.“ Antwortet der Mann mir gegenüber und ein paar Sekunden später kommt Keneth tatsächlich mit gezückter Waffe herein.
„Ich habe sie auf frischer Tat ertappt.“ Der junge Mann sieht zu dem älteren Officer und er sieht zu mir.
„Hallo Kenny.“ Ich nehme meine Hände runter und er drückt den Lauf des Jagdgewehres des Mannes nach unten und steckt seine Waffe in das Halfter.
„Dani?“ Kenny grinst, kommt dann mit zwei großen Schritten zu mir und drückt mich fest an sich. „Gott, es muss Ewigkeiten her sein…“ er betrachtet mich ganz genau „Aus der kleinen Dani ist ja eine wunderschöne Frau geworden.“
„Danke Kenny, du siehst auch sehr gut aus.“ Ich knuffe ihn. „Aber ganz ehrlich, die Donuts scheinen dir zu gut zu schmecken.“
„Oh wie immer ein Vergnügen mit dir.“ Kenny lacht herzlich auf.
Der Mann, der mich angeblich auf frischer Tat ertappt hat, räuspert sich und Kenny sieht zu ihm.
„Tut mir leid Vincent, aber du hast hier niemanden bei irgendetwas ertappt. Das hier ist Danielle Bradford.“ Er deutet auf mich und ich sehe wie dem Mann etwas die Farbe aus dem Gesicht weicht.
Ich schließe den Tresor, nehme die Schatulle an mich und gehe an Kenny vorbei.
„Bevor ich gleich noch einmal Großalarm auslöse, ich gehe ins Lager und anschließend bin ich noch ungefähr 30 Minuten in der Werkstatt.“ Ich sehe zu dem Mann. „Nicht das sie noch auf dumme Ideen kommen.“
„Komm schon Dani, Vince hat es ja nur gut gemeint.“ Kenny grinst erst mich und dann diesen Vincent an, doch diesem ist augenscheinlich gerade nicht nach grinsen zumute.
„Er sollte sich angewöhnen, die Leute, die er mit einem Jagdgewehr bedroht, ausreden zu lassen.“ Ich sehe zu diesem Vincent.
„Kommst du heute Abend auch Kenny?“ wende ich mich wieder Kenny zu und er nickt eifrig.
„Aber sicher, Lory ist schon ganz aufgeregt.“ Gibt er zu.
„Dann sehen wir uns ja dann.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange „Ich muss sehen, dass ich den Anlasser austausche oder sauber bekomme, sonst fährt mich die alte Lady bald nirgendwo mehr hin.“ Ich deute nach unten, wo der hellblaue Pick up steht.
„Kaum zu glauben, das diese Schrottkiste noch fährt.“ Lacht Kenny. „Ich weiß noch wie oft ich dich und Matt ermahnen musste, weil ihr die Sicherheitsgurte nicht angelegt hattet.“
„Hey, nichts gegen mein altes Mädchen.“ Erwidere ich und gehe ihm voran die Metallstufen hinunter.
„Wie lange bist du denn jetzt hier?“ wechselt er geschickt das Thema.
Ich lege die Schatulle auf den Beifahrersitz und drehe mich wieder zu ihm um. „Zwei Wochen.“ Gebe ich zurück.
„Und dann wieder nach Seattle?“ Kenny lehnt sich gegen den Pick up und ich grinse.
„Ich bin keine Verdächtige, die du verhörst.“ Erinnere ich ihn „Aber ja, dann wieder nach Seattle. Da ist schließlich mein Zuhause.“
„Oh nein kleine Dani, dein Zuhause ist hier.“ Er nickt mir zu, setzt seine Mütze wieder auf und ich sehe ihm kopfschüttelnd hinterher, als er hinaus geht.
Ich gehe ins Lager und finde nach etwas suchen einen neuen Anlasser, okay er ist nicht neu, aber sieht wahrscheinlich um Längen besser aus, als der der im Auto ist.
Ich hole mir eine Lampe, öffne den Motorraum und befestige sie an der Haube.
Bei so alten Autos ist es relativ einfach den Anlasser zu wechseln und tatsächlich bin ich schon 10 Minuten später fertig.
Ich setze mich ins Auto und versuche ihn anzulassen, aber nichts rührt sich.
„Verflucht.“ Ich schlage mit der flachen Hand aufs Lenkrad.
„Soll ich ihnen helfen?“ dieser Vincent taucht neben mir auf.
„Danke, aber das bekomme ich grade noch so alleine hin.“ Gebe ich zurück und steige wieder aus. Ich überprüfe alle Anschlüsse, bete zu Gott und steige wieder an.
Er steht an einen Pfeiler gelehnt und beobachtet mich ganz genau.
„Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“ ich sehe zu ihm, es macht mich nervös, das er mich so genau beobachtet „Ich meine, wenn du mich gerne noch weiter beobachtest, dann bitteschön, aber wenn du darauf hinaus willst, ob ich meinem Grandpa die nette Story mit dem Jagdgewehr und seiner Enkelin erzähle, dann kann ich dich beruhigen. Da ich noch lebe, muss er das nicht erfahren.“ Ich winke ab und starte einen weiteren Versuch, leider wieder vergeblich.
„Gut, aber eigentlich warte ich, das du fertig wirst, da ich annehme, das dir dein Grandpa nicht den Code für die Alarmanlage gegeben hat.“ er zieht eine Augenbraue hoch und seine dunkelbraunen Augen blitzen fast schwarz auf.
„Nein hat er nicht.“ Gebe ich zu, steige wieder aus und überprüfe abermals alle Anschlüsse.
Warum zur Hölle funktioniert das nicht?
„Versuch es mal so.“ seine Stimme ist dicht neben meinem Ohr und ich zucke leicht zusammen, als er ein Kabel mit der Zündung verbindet.
Ich drehe mich um und er steht nur wenige Zentimeter von mir entfernt.
„Bevor du mir so Nahe kommst, solltest du dich wenigstens vorstellen.“ Ich entfliehe der Situation und er lacht leise.
„Es tut mir leid, wo sind nur meine Manieren…“ er verdreht die Augen „Vincent McDaniel.“ Er reicht mir seine Hand.
„Danielle Bradford.“ Erwidere ich perplex.
„Und jetzt versuche es noch mal.“ Weist er mich an, ich lege meine Stirn in Falten, steige wieder ins Auto und natürlich springt er jetzt an.
„Danke.“ Brumme ich, steige aus und wische meine Hände an einem Tuch ab. „Ich fahre dann jetzt.“ Ich drücke auf den Knopf für das Tor und es fährt langsam hoch.
„Ich mach zu und schließe ab.“ Vincent nickt mir zu und ich erwidere es.
„Danke.“ Ich stiege wieder ein und bin froh, als ich wieder auf der Straße und endlich in Richtung Blumenladen unterwegs bin.
Dieser Vincent hat es etwas an sich, was ich auf der einen Seite Unheimlich finde und auf der andere Seite anziehend…
Meine Güte, er hat mich mit einem Jagdgewehr bedroht.
Ich beschließe meine Gefühle mal eine Weile abkühlen zu lassen, immerhin das sollte bei den Temperaturen kein Problem sein und mache mich auf den Weg zu McNamara Flowers.
Mit den Blumen klappt zum Glück alles ohne Probleme und ich komme um kurz vor 16 Uhr wieder bei Hart Lake House an und werde schon von Granny erwartet.
„Wo bleibst du denn nur Kleines?“ sie reißt, kaum das ich angehalten habe, meine Tür auf und ich lache leise.
„Ach Granny, das würdest du mir sowieso nicht glauben.“ Winke ich ab und verstecke meins und Pops Geschenk in meinem Schal „Happy Birthday!“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange „Ich bin gleich zurück.“ Ich winke ihr kurz zu und laufe ins Haus.
„Hier Pop.“ Ich reiche ihm seine Schatulle und er zwinkert mir zu.
„Sie ist wunderschön.“ Antworte ich ihm auf seine unausgesprochene Frage.
„Wirklich?“ fragt er lachend.
„Ja, sie ist wirklich wunderbar.“ Ich packe mein Geschenk zu seinem und wir packen sie erst einmal in den Schrank, denn Granny soll ihre Geschenke erst heute Abend bekommen.
Dann brauchen Granny und ich fast zwei Stunden bis die Blumen endlich an Ort und Stelle sind und ich Zeit bekomme mich umzuziehen.
Als ich vor meinem Kleiderschrank stehe, da zweifele ich daran, ob ich wirklich das Richtige mit habe und drehe das weinrote Kleid in meinen Händen.
Ach was soll’s… Es ist ihr Geburtstag und ich weiß, sie liebt es, wenn ich weinrot trage.
Ich genehmige mir ein heißes Bad und drehe meine Haare auf, denn wenn ich nichts mache, dann fallen sie mir nur einfach glatt über den Rücken und heute Abend will ich für Granny extra hübsch aussehen…
Um kurz nach 20 Uhr bin ich endlich fertig. Mein Magen hängt mir schon in den Kniekehlen, aber als ich mich im Spiegel ansehe, da hat es sich wirklich gelohnt. Die Locken fallen wellig über meine Schultern und enden kurz über den Schulterblättern, ich habe mich dezent, aber dennoch ausdrucksstark geschminkt und das Kleid sitzt wie angegossen und betont meine zierliche Figur. Es geht bis zum Boden, gut kein Kunststück, denn ich bin ja nur 1,69 m groß und meine Stiefel werden gut darunter versteckt sein, denn ich bin wirklich nicht der Typ für Highheels, es sei denn ich will mir den Hals brechen. Ich ziehe mir meinen schwarzen Bolero drüber, nicke meinem Spiegelbild zu und gehe dann ins Wohnzimmer.
Granny trägt ein hellblaues Kostüm und sieht wirklich überglücklich aus.
„Wow Granny, du siehst wirklich keinen Tag älter aus wie 60.“ Necke ich sie und sie lacht leise.
„Ach Kindchen… Oh meine Güte, lass dich nur anschauen, du siehst hinreißend aus.“ Sie klatscht entzückt in die Hände und mein Pop kommt im Anzug die Treppe runter.
„Ehrlich Pop, so würde selbst ich dich heiraten.“ Ich verbeuge mich leicht vor ihm.
„Vielleicht komme ich darauf zurück.“ Schäkert er mit mir und gibt mir einen Handkuss.
„Ich habe wirklich unverschämtes Glück gleich mit den beiden schönsten Frauen auf dieses Fest gehen zu dürfen.“ Er haucht meiner Granny einen Kuss auf die Lippen und sie kichert leise.
„Charmeur.“ Flüstert sie.
„Sind denn schon alle da?“ frage ich an Pop gewandt.
„Ja, die Cateringfirma kümmert sich um alles.“ Er nickt erst mir und dann Granny zu. „Wollen wir?“
„Aber sicher.“ Sie strahlt ihn verliebt an und wir gehen durch den hohen Schnee zur Scheune.
Kaum das wir eingetreten sind schmettern alle ein Geburtstagsständchen für Granny und auch ich singe mit.
Dann wird sie von allen Seiten beglückwünscht und ich ziehe mich ein wenig zurück.
Natürlich komme ich nicht dazu etwas zu essen, denn neben Granny scheinen es alle auf mich abgesehen zu haben und ich komme von einem Frage – Antwort – Quiz ins nächste.
„Hunger?“ ertönt eine mit bekannte Stimme neben meinem Ohr und ich fahre herum.
Er sieht wirklich unverschämt gut in einem Anzug aus und ich lege meinen Kopf schief.
„Warum?“ setze ich an.
„Ich habe deinen Magen bis zum Buffet knurren gehört.“ Er zwinkert mir zu und reicht mir einen Teller mit Lachs.
„Vielen Dank, aber leider esse ich kein Fisch.“ Flüstere ich ihm zu und er verzieht leicht das Gesicht.
„Sorry, scheint als wäre heute nicht unser Tag.“ Er nimmt mir den Teller wieder ab. Ich beobachte wie er zurück zum Buffet geht, er ist groß, bestimmt 1,85 m und er hat breite Schultern, nicht zu vergessen diese verwegene Ausstrahlung, weil er es immer noch nicht geschafft hat sich zu rasieren. Aber dennoch, ich mag keinen Fisch und unsere bisherigen Zusammentreffen standen unter keinem besonders guten Stern…
„Da bist du ja.“ Kenny nimmt mich überschwänglich in den Arm und wirbelt mich herum.
„Ja.“ Lache ich.
„Schau mal Lory, die kleine Dani.“ Er dreht sich zu seiner Frau um und setzt mich wieder ab.
„Hallo Dani!“ sie drückt mir einen Kuss auf die Wange „Wie ich dich kenne, hast du noch nichts gegessen…“ sie zwinkert mir zu und ich verziehe leicht das Gesicht.
„So offensichtlich?“ frage ich leise.
„Nein, nein aber ich sehe doch, das dich alle belagern.“ Lacht sie „Komm doch mit an unseren Tisch.“ Sie reicht mir ihre Hand und zieht mich zu einem Tisch nicht weit vom Buffet entfernt.
„Ich danke dir…“ ich sehe sie wirklich dankbar an und hole mir ein Stück Braten und etwas Brot vom Buffet, ehe ich mich zu ihr, Kenny und einer anderen jungen Frau an den Tisch setze.
„Hallo… Wir kennen uns noch nicht.“ Sie lächelt mich freundlich an, aber ich merke sofort, das dieses lächeln nicht ernst gemeint ist.
„Nein, ich bin Danielle Bradford.“ Ich nicke ihr zu.
„Das weiß selbst ich mittlerweile.“ Sie schenkt mir ein noch gekünstelteres Grinsen und ich widerstehe gerade so dem Drang mit den Augen zu rollen.
„Ich bin Sandra McDaniel.“ Stellt sie sich mir vor und ich sehe von meinem Teller auf.
„Ach, bist du mit Vincent McDaniel verwandt?“ frage ich erstaunt.
„Nein, nicht verwandt. Er ist mein Mann.“ Sie entblößt ihre strahlend weißen Zähne und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Na dann.“ Erwidere ich und konzentriere mich wieder aufs Essen.
„Komm Sandra, du musst schon alles sagen…“ ermahnt Lory sie und schenkt ihr einen tiefen Blick, ehe sie sich mir zu wendet. „Vincent und Sandra leben in Trennung und werden wohl demnächst geschieden sein.“ Erklärt Lory mir und ich nicke fahrig.
Was interessiert es mich denn?
Kaum spricht man über ihn, da kommt er auch schon zurück zum Tisch.
„Wie ich sehe, hast du etwas gefunden was dir schmeckt.“ Neckt er mich.
„Scheint so.“ gebe ich zurück und er nimmt auf dem Stuhl neben mir Platz.
Bevor er mich weiter in ein Gespräch verwickeln kann bittet Pop um die allgemeine Aufmerksamkeit und Granny wird nach vorne gebeten.
Jetzt soll sie endlich ihre Geschenke aufmachen…
Nachdem sie schon ein paar geöffnet hat nimmt sie das von Pop.
„Oh Pete, das ist wundervoll!“ sie fällt Pop um den Hals und küsst ihn liebevoll.
Sie liest die Karte vor, wie sie es bei allen Geschenken tut und Pop legt ihr die Uhr an.
„So wunderschön.“ Sie betrachtet die Uhr verzückt.
Irgendwann ist dann meines an der Reihe und ich rutsche auf meinen Stuhl hin und her, denn leider habe ich beim einpacken und Karte schreiben, das Die – Karten – werden –laut - vorgelesen verdrängt…
Ich habe meine erst vorhin geschrieben, sie ist eigentlich nur für meine Granny und nicht für die anderen bestimmt.
„Nervös?“ haucht mir mein Sitznachbar ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Nein.“ Ich sehe ihn an und versuche zu lächeln.
„Du kannst nicht lügen, zu mindestens nicht sehr gut.“ Er zwinkert mir aufmunternd zu.
„Oh von Dani…“ setzt Granny an und ich schlucke als sie die Karte aus dem Umschlag holt „Liebe Granny…“ beginnt sie und sucht den Augenkontakt zu mir, schließlich sieht sie mich an und strahlt glücklich. „Ich wünsche dir, dass sich alle deine eigenen Wünsche erfüllen. Ich weiß, Pop wird alles dafür tun, dass keiner unerfüllt bleibt. Du hast mich beschützt, als ich Schutz brauchte. Du hast mich geliebt, als ich Liebe mehr als alles anderes brauchte. Du hast mich getröstet, als keiner mehr da war. Und doch weiß ich, ich bin gegangen, als du mich gebraucht hast. Es tut mir leid Granny, ich danke dir für alles… Nicht nur ich, sondern auch Mum und Matt. Ich liebe Dich Dani.“ Sie hat Tränen in den Augen als sie aufblickt.
Ich stehe auf und gehe zu ihr um sie fest in den Arm zu nehmen. Gerührt streicht sie mir über die Wange und ich lege ihr die Kette an.
„So sind wir immer alle bei dir.“ Verspreche ich ihr und sie lächelt unter Tränen.
„Ihr seid immer alle bei mir.“ Versichert sie mir und ich nicke leicht.
„Ich weiß.“ Gebe ich zurück und gehe dann wieder zu meinem Tisch.
Dann endlich ist es überstanden und die Tanzfläche wird frei gegeben.
„Der erste Tanz gehört doch mir, wie immer, oder?“ Sandra sieht zu Vincent und dieser nickt ihr zu, steht auf und hält ihr seine Hand hin.
„Sandra ist nichts für schwache Nerven.“ Raunt mir Kenny zu und ich lache leise.
„Wo hast du das denn jetzt her?“ ich schüttele leicht meinen Kopf.
„Das sagt Lory immer…“ gibt er zu „Sandra ist sehr eigen… Sie ist eine supererfolgreiche Anwältin und auf der Arbeit ist sie es wohl gewöhnt, dass ihr alle zu Füßen liegen. Vincent und sie passen nicht zusammen…“ er seufzt leise und beobachtet die beiden auf der Tanzfläche „…Vincent ist ein guter Junge.“ Fügt er hinzu.
„Ehrlich Kenny, das hört sich an, als wäre er 12.“ Ich angle mir ein Stück Torte, welches uns serviert wurde, vom Teller und schiebe es mit der Gabel genüsslich in den Mund.
„Nicht ganz, er ist 34… Ich kenne ihn schon sein ganzes Leben. Sein Dad ist mit mir auf der Polizeischule gewesen und als er vor 9 Jahren hierher gezogen ist, da war es klar, das ich ihn ein wenig im Auge behalte.“ Er nimmt sich ebenfalls ein Stück Kuchen.
„Darf ich bitten?“ mein Pop verbeugt sich vor mir und ich strahle ihn an.
„Gerne.“ Ich erhebe mich und lasse mich von ihm auf die Tanzfläche führen.
Mein Pop ist ein ausgezeichneter Tänzer und da ich mit ihm tanzen gelernt habe, schwebe ich übers Parkett. Sein Strahlen und die Freude in den Augen meiner Granny waren es Wert über meinen Schatten zu springen und hierher zu kommen.
Das Lied ist viel zu schnell zu Ende und mein Pop verbeugt sich vor mir.
„Ich danke dir Kleines.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Wange.
Dann werde ich durch gereicht und lande schließlich gefühlte Stunde und 1000 Tänze später wieder bei Pop.
„Ich spüre meine Füße kaum noch.“ Lache ich leise.
„Ach Kleines, dich hier zu sehen…“ er lächelt mich glücklich an „Das ist das schönste Geschenk von allen.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Wange.
„Es ändert nichts.“ Sage ich leise.
„Ich weiß Kleines, ich weiß.“ Er zieht mich dicht an sich heran.
„Darf ich um den nächsten Tanz bitten?“ Vincent McDaniel sieht erst zu mir und dann zu Pop, dieser reicht ihm strahlend meine Hand und ich lächle Vincent notgedrungen an.
„Vielen Dank.“ Bedankt sich Vincent höflich bei Pop und legt einen Arm um meine Hüfte.
„Ich muss mich noch bei dir für das Missverständnis gestern Mittag entschuldigen.“ Flüstert er mir ins Ohr und so sehr ich es auch nicht will, mein Herz rast, als seine tiefe Stimme neben meinem Ohr erklingt. Moment gestern?
Ich sehe auf meine Uhr und grinse, die Zeit hier vergeht wie im Flug…
„Wie ich schon sagte, es ist Okay.“ Gebe ich ebenso leise zurück.
„Vielen Dank, das du mit mir tanzt.“ Er lässt mich eine Drehung vollführen und ich lande wieder in seinen Armen.
„Ich hatte ja nicht wirklich eine Wahl.“ Ich sehe ihn an und ziehe eine Augenbraue hoch.
„Man hat immer eine Wahl Danielle Bradford.“ Wieder lässt er mich eine Drehung vollführen und wieder lande ich in seinen starken Armen.
Seine Augen fixieren mich und in meinem Magen kommt ein Gefühl auf, welches ich schon lange nicht mehr hatte…
Oh nein…
Nie wieder verheiratete Männer!
Oder fast geschieden und noch mit ihren fast Ex-Frauen gut befreundete Männer...
Oh nein, mein Bedarf an Katastrophen ist gedeckt!
„Pete?“ die Stimme meiner Granny klingt panisch und ich lasse sofort Vincent los und laufe zu ihr.
Mein Pop liegt auf dem Boden und fasst sich an die Brust.
Ganz schlechter Zeitpunkt Pop!
Ich beuge mich über ihn, spule mein Fachwissen ab und versuche der Lage Herr zu werden.
Ich brauche einen Moment, es ist nachts um 2 Uhr, ich habe schon ein paar Gläser Champagner getrunken und hier vor mir liegt mein Pop…
„Alle aus dem Weg! ...“ rufe ich den herum stehenden zu „Ruft einen Krankenwagen. Sofort.“ Ich sehe in die Runde und Vincent zückt sein Handy.
„Ganz ruhig atmen Pop.“ Beschwöre ich ihn.
Er schenkt mir ein müdes lächeln und dann schließt er die Augen. Ich versuche seinen Puls zu ertasten.
„Granny, wo ist Pops Herzspray?“ ich sehe zu ihr und sie läuft los um es zu holen, während ich sein Hemd aufknöpfe und mit der Herzdruckmassage anfange.
„Ich bin Arzt.“ Ein älterer Mann setzt sich zu mir und ich erkenne Kevin Finnegan, er kennt mich seitdem ich auf der Welt bin und sieht mich jetzt erstaunt an „Dani?“ fragt er und ich nicke während ich mich auf Pop konzentriere.
„Ich auch.“ Ich sehe ihn an und er runzelt die Stirn „Er hat einen Herzanfall, wahrscheinlich mit schwachem AV Block. Granny holt sein Spray, ich hoffe das es hilft.“ Erkläre ich ihm „Bitte Kevin sage es keinem.“ Flehe ich ihn an und er nickt mir zu während er seine Arzttasche öffnet und Pop einen Zugang legt.
„Ich gebe ihm jetzt Betablocker und Calcium.“ Erklärt er mir und ich nicke.
Die Minuten kommen mir vor wie Stunden, alle starren mir und Kevin auf die Finger und beobachten jeden einzelnen Schritt von uns.
Granny kommt und ich verabreiche Pop sein Spray, ich sehe zu Kevin und er nickt leicht.
Dann endlich kommen die Sanitäter, Kevin nimmt ihnen das EKG ab und wir schließen Pop an, das Gerät zeigt eine flatternde Linie und Kevin schockt Pop.
Dann endlich springt die Linie in einen annähernd normalen Rhythmus und ich atme erleichtert durch.
Pop wird auf die Trage umgelagert und Granny sieht mich unter Tränen an.
„Fahr schon mit, ich kümmere mich hier um alles.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und schiebe sie in Richtung Krankenwagen.
Sie sieht mich dankbar an und der Krankenwagen fährt mit Blaulicht davon. Ich atme tief durch und stelle mich auf die kleine Bühne.
„In Anbetracht der Umstände beenden wir das jetzt hier. Ich danke euch im Namen meiner Grosseltern das ihr gekommen seid und ihr werdet auf dem laufenden gehalten, wie es Pop geht.“ Verspreche ich und fast alle nicken mir zu ehe sie nach und nach aufbrechen.
Einige helfen noch ein wenig beim aufräumen, endlich drei Stunden später sind fast alle weg und die Scheune ist fast aufgeräumt.
„Warum sagst du denn nichts?“ Kevin taucht neben mir auf und ich stelle den Stuhl auf den Tisch.
„Bitte Kevin…“ setze ich an, ich weiß genau, auf was er hinaus will.
„Nein ehrlich Dani, du bist Ärztin und keine Betriebswirtin. Findest du nicht deine Großeltern sollten das wissen?“ er hilft mir noch mehr Stühle hoch zu stellen.
„Es ergab sich einfach nicht.“ Winke ich ab.
„Wie bitte? Zu meiner Zeit hat ein Medizinstudium mindestens 7 Jahre gedauert.“ Er sieht mich an und schüttelt leicht den Kopf.
„Dauert es auch immer noch.“ Gebe ich zurück.
„Seit wann bist du fertig?“ wie gehen an den nächsten Tisch und setzen unser Prozedere fort.
„Seit 2 ½ Jahren.“ Ich atme tief durch „Ich arbeite am Seattle Memorial, ich habe meinen Facharzt in Notfallmedizin gerade bestanden.“
„Wow Dani, das ist Klasse.“ Er nimmt mich in den Arm.
„Ja, aber das heißt auch, dass Pop und Granny ihren Traum begraben müssen, das ich jemals die Werkstatt übernehmen werde.“ Ich sehe zu Boden „Ich kann ihnen das nicht antun…“ ich schüttele meinen Kopf „Nicht nach allem was passiert ist.“
„Ich verstehe das…“ Kevin nimmt meine Hand „Doch wirklich Dani, ich verstehe dich, aber du wirst es ihnen sagen müssen.“
„Ich weiß…“ seufze ich „Jetzt werde ich erst einmal ins Krankenhaus fahren und nachsehen, wie es Pop geht.“ Erkläre ich ihm und er nickt verständnisvoll.
„Ich schließe hier ab.“ Versichert er mir.
Ich laufe ins Haus und ziehe mir nur schnell eine Jacke über, ehe ich zum Pick up gehe und einsteige.
„Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?“ Vincent taucht neben dem Auto auf und ich sehe ihn verwirrt an. Ich dachte er ist schon vor Stunden, zusammen mit dem Großteil der Gäste, gegangen.
„Was machst du hier?“ ich merke, wie sich Falten auf meiner Stirn bilden, weil ich angestrengt nachdenke, ob ich ihn habe gehen sehen.
„Ich wollte nur sicher gehen, dass bei dir alles in Ordnung ist.“ Erklärt er mir und ich bemerke, dass er nicht mehr seinen schwarzen Anzug, sondern eine Jeans und eine dicke Winterjacke trägt. Er scheint also zu Hause gewesen zu sein.
„Mir geht es gut.“ Winke ich ab „Ich komme klar.“ Ich will die Tür zuziehen.
„Melde dich, wenn was ist.“ Er hält die Tür fest und ich sehe ihn einen Moment lang an, seine warmen braunen Augen bohren sich in meine Seele und ich muss weg sehen. Ich kann seinem Blick nicht stand halten...
„Ja, danke Vincent.“ Ich versuche meine Atmung und meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und greife erneut nach dem Türgriff.
„Gern geschehen Danielle.“ Erwidert er und gibt die Tür frei, so dass ich sie endlich zumachen kann.
Ich lasse den Motor an und sehe im Rückspiegel wie Vincent zur Scheune geht und in ihr verschwindet.
Ich atme tief durch, jedes Mal wenn ich ihn sehe, dann schlägt mir mein Herz bis zum Hals.
Okay, bei unserem ersten Treffen war das mit Sicherheit verständlich, aber jetzt?
Das ist nicht gut, so etwas von gar nicht gut…
Als ich am Krankenhaus ankomme, sitzt Granny noch im Flur und nimmt mich im Arm, kaum das ich den Fahrstuhl verlassen habe.
„Oh Kleines.“ Schnieft sie.
„Was ist los Granny? Geht es Pop gut?“ ich merke wie mir die Angst die Kehle zuschnürt, ich dachte Kevin und ich hätten es in den Griff bekommen…
„Sie untersuchen ihn gerade nochmals, er hat sehr großes Glück gehabt, das du und Kevin… Das ihr so schnell reagiert habt…“ sie sieht mich an „Woher kannst du so etwas?“
„Erste Hilfe Kurse.“ Weiche ich aus „Was haben die Ärzte denn gesagt?“
„Er hatte einen Herzanfall und wird noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen und anschließend darf er sich nicht so sehr anstrengen.“ Sie sieht mich immer noch unter Tränen an.
„Aber das ist doch gut.“ Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände „Granny, er hat das Schlimmste hinter sich.“
„Aber wie soll er das denn alles jetzt schaffen? Die Jahresendbilanzen stehen an und du kennst ihn, er hat wieder bis zum Schluss heraus geschoben. Selbst Charlie ist nicht in alle Zahlen eingeweiht.“ Sie schüttelt leicht ihren Kopf „Ich weiß nicht, wie ich das hinbekommen soll. Wenn wir das nicht bis zum 02. Januar vorlegen, dann müssen wir eine Strafe bezahlen.“
„Granny ich…“ setze ich an.
„Oh Dani, kannst du das nicht übernehmen?“ ihre Augen flehen mich an und ich ringe einen Moment mit mir.
„Granny ich…“ setze ich erneut an.
Ihre hellblauen Augen sehen mich, bis oben hin gefüllt mit Tränen, an und ich seufze leise. Sie weiß, dass sie mir da ganz schön viel abverlangt. Mal davon abgesehen, dass ich nicht die Geringste Ahnung von Buchführung habe, muss ich auch noch mit meinem Dad, Charles Bradford, zusammen arbeiten…
„Okay.“ Sage ich schließlich. „Kümmere du dich um Pop, ich kümmere mich um alles andere.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
Ich weiß, dass es wahrscheinlich total in die Hose geht. Allein die Tatsache Charles wieder unter die Augen zu treten bereitet mir Bauchschmerzen… für alles andere werde ich wohl eine Standleitung zu Joshua, einem guten Freund aus Seattle legen müssen, aber das Problem Charles kann auch er mir nicht abnehmen.
„Mrs. Bradford, sie können jetzt zu ihrem Mann.“ Eine junge Krankenschwester kommt zu uns und ich nicke Granny zu.
„Ich fahre ins Büro und fange an.“ ich lasse mir von ihr den Schlüssel geben und winke ihr nach, während sie zu Pop geht.
Als ich beim Büro ankomme stehen ein Geländewagen von BMW und ein alter Ford Mustang in der Einfahrt und ich beäuge sie misstrauisch.
Ich schließe die Tür auf und will die Alarmanlage ausstellen, aber ich stelle fest, dass das schon jemand anderes getan hat.
Ich gehe ins Büro und atme tief durch, als ich ihn das erste Mal seit fast 10 Jahren wieder sehe.
„Was machst du hier?“ frage ich eisig und er fährt herum, genau wie Vincent, der auf einem Stuhl gegenüber dem Computer Platz genommen hat.
„Ich dachte ich schaue mir die Zahlen an, ich denke nicht, dass Pete sich schon um alles gekümmert hat.“ Er sucht den Blickkontakt doch ich weiche ihm aus.
„Deswegen bin ich hier. Ich kümmere mich darum.“ Ich ziehe meine Jacke aus und merke erst jetzt, dass ich noch immer das Kleid anhabe.
Egal…
„Danielle…“ setzt er an.
„Nein Charles, es ist schlimm genug für mich, mich in der gleichen Stadt wie du aufzuhalten….“ Ich schnaube leicht. „Ich kümmere mich darum. Schicke deine Zahlen per Mail.“ Ich verschränke die Arme vor meiner Brust.
„Meinst du nicht, du bist lange genug böse auf mich gewesen?“ er steht auf und kommt auf mich zu.
„Nein.“ Gebe ich zurück und trete zur Seite, damit er hinaus gehen kann.
„Ich bin dein Dad.“ Sagt er leise.
„Nein, mein Vater hat sich nach dem Selbstmord meiner Mum aus dem Staub gemacht und hat mich Stich gelassen. Ich habe keinen Vater.“ Ich sehe ihm in die Augen und merke wie sich mein Atem beschleunigt.
„Dani…“ setzt er an.
„Wage es nicht mich so zu nennen.“ Zische ich gefährlich leise.
Er schluckt schwer, nimmt sich seine Jacke und geht schließlich, während ich mich an den Schreibtisch setze.
Vincent sieht mich prüfend an, scheint einen Moment zu überlegen und steht dann leise auf.
„Ich besorge dir mal einen Kaffee, das wird nicht in ein paar Stunden erledigt sein.“ Erklärt er und geht hinaus.
„Mach die Tür zu.“ Meine Stimme klingt immer noch zornig und er sieht mich überrascht an. „Bitte.“ Füge ich eine Spur versöhnlicher hinzu.
Er schließt schließlich die Tür und ich atme tief durch. Ich wähle sofort Joshua an.
„Rette mich.“ Sage ich sofort, als er an sein Handy geht.
„Hallo erst einmal Sonnenschein.“ Lacht dieser.
„Keine Zeit für Scherze…“ ich seufze „Ich muss eine komplette Jahresbilanz erstellen und habe nicht die geringste Ahnung.“
„Warum in aller Welt musst du eine Jahresbilanz erstellen?“ fragt er überrascht.
„Frag nicht.“ Ich seufze erneut tief. „Kannst du mir helfen?“ flehe ich ihn an.
„Klar, soll ich vorbei kommen?“ bietet er sich an.
„Das könnte etwas schwer werden.“ Gebe ich zu „Ich bin in Palmer.“
„Du bist in Alaska? Wie in aller Welt bist du da hin gekommen?“ er lacht leise.
„Mit dem Flugzeug.“ Ich verdrehe die Augen.
„Sag mir jetzt nicht, du sitzt bei Bradford Motors und versucht die Bilanz für die Firma deiner Familie zu erstellen?“ er lacht immer noch und mir stiegen Tränen in die Augen.
„Josh, das ist nicht lustig…“ schniefe ich.
„Hey Dani…“ er wird sofort ernst „Ich bin da, ich versuche dir so gut wie möglich zu helfen, aber das wird schwer.“ Gibt er zu.
„Danke Josh.“ Weine ich.
„Hey Dani, du weißt, ich bin immer da… Aber ehrlich, warum hast du mir nicht gesagt, das du nach Alaska fliegst?“ fragt er vorsichtig.
„Es war ziemlich kurzfristig und jetzt sitze ich hier. Mein Pop hatte einen Herzanfall und ich muss diese dämliche Bilanz in ein paar Tagen fertig bekommen.“ Schluchze ich.
„Oh Dani.“ Erwidert er mitfühlend.
Josh kennt die ganze Geschichte um mich und meine Familie, er war damals mit mir in verschiedenen Kursen als ich angefangen habe Betriebswirtschaft zu studieren und als ich wechselte, da blieben wir Freunde. Neben Cam ist er der wichtigste Mensch in Seattle für mich. Ein Leben ohne Cam und Josh kann ich mir gar nicht vorstellen.
„Okay, wir fangen mal ganz vorne an. Welches System benutzt ihr?“ fragt er und ich weiß, er will mich jetzt ablenken und er will, das ich mich auf meine Aufgabe konzentriere.
Ich klicke mit der Maus herum und versuche durch das System zu steigen, als erstes taucht der Bildschirmschoner auf und mir laufen wieder die Tränen über die Wangen.
Meine Mum zusammen mit mir und Matt bei einem Eishockeyspiel der Alaska Aces voll eingekleidet mit Trikots und Schals in hellblau und weiß, den Vereinsfarben.
Gott, Matt und ich sehen uns so ähnlich…
Kein Wunder, er ist ja auch nur zwei Minuten älter wie ich, wir sind Zwillinge, zweieiig wohl gemerkt, aber dennoch sahen wir uns sehr ähnlich. Die gleichen Augen, die gleiche Haarfarbe und das gleiche unbeschwerte lachen.
Seine dunkelblauen Augen strahlen die pure Lebensfreude aus und seine braunen Haare hängen ihm ins Gesicht… Typisch Matti.
Du fehlst mir so sehr…
Und unsere Mum, Matt steht zwischen uns und drückt uns beide fest an sich, er überrage mich schon im Kindergarten mit fast einem ganzen Kopf und das habe ich nie aufgeholt. Meine Mum und ich, wir waren beinahe gleich groß und sie sieht zu ihm auf, ihre hellblauen Augen strahlen so glücklich und ich blonden Locken schwirren um ihren Kopf. Wir alle haben rote Wangen vom anfeuern, wir waren so glücklich an dem Tag. Ich erinnere mich sogar an den Geruch des Popcorns wenn ich mich anstrenge.
Ich würde alles dafür geben, diesen Tag noch einmal erleben zu dürfen.
„Und Dani?“ holt mich Josh zurück und ich räuspere mich.
„Einen Moment…“ bitte ich ihn „Taxpool.“ Sage ich schließlich.
„Ich habe es befürchtet.“ Gibt er zu und nun ist er es der seufzt.
„Was bedeutet das?“ frage ich ängstlich.
„Das bedeutet wir müssen alle Zahlen erst einmal importieren und ich nehme an, die Zahlen von den Filialen hast du auch noch nicht, oder?“ an seiner Stimme höre ich, das er sich ein Ja wünscht.
„Nein.“ Muss ich zugeben.
„Dein Kaffee. Schwarz?“ Vincent kommt zurück.
„Warte mal kurz Josh…“ ich lege das Telefon zur Seite und sehe zu Vincent. „Ja danke schwarz.“ Ich nehme dankbar den Becher. „Kannst du mir die vollständigen Zahlen von den Filialen besorgen?“ frage ich ihn und er sieht mich erstaunt an.
„Ich meine, bist du nur Mechaniker oder kannst du auch Buchhaltung?“ ich sehe ihn bittend an.
„Sowohl als auch.“ Gibt er zurück.
„Könntest du dann bitte…“ setze ich erneut an.
„Ich frage nach, aber ich kann dir gleich sagen, dass du die Zahlen erst am 28. bekommst, die haben alle schon Weihnachtsferien.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern.
„Danke trotzdem.“ Ich nicke ihm zu und er geht wieder raus. Seufzend nehme ich das Telefon wieder zur Hand.
„Hast du es gehört?“ frage ich.
„Ja habe ich…“ Josh atmet tief durch „Gut, das heißt die nächsten Tage werden wir uns mit deinen Zahlen beschäftigen und dann alles zusammen setzen.“
„Adieu Weihnachten.“ Ich fahre mir durch die Haare „Josh, das kann ich dir nicht antun.“
„Hör zu Dani, wir setzen uns die nächsten Tage immer vormittags daran und nachmittags genießen wir Beide was von unseren Weihnachtsferien.“ Versucht er mich aufzumuntern.
„Ich soll Weihnachten hier genießen? In welchem Universum?“ stöhne ich.
„Komm schon Dani, ich kenne dich… Du hast Alaska vermisst. Tu was für dich, eine ausgebrannte Ärztin ist eine schlechte Ärztin.“ Erklärt er mir eindringlich.
„Vielleicht hast du recht…“ ich klemme mir den Telefonhören zwischen Schulter und Ohr. „Ich werde versuchen die Papiere bis morgen zu sortieren und dann sehen wir weiter.“ Schlage ich ihm vor.
„Guter Plan.“ Bestätigt er mir.
„Danke Josh, bis morgen.“ Ich versuche das Ablagesystem vom meinem Pop zu durchschauen.
„Um 10 Uhr?“ fragt er.
„Klingt gut, bis dann. Ich danke dir.“ Damit lege ich auf und nehme mir mehrere Ordner aus dem Schrank und versuche mir wenigstens etwas Einsicht zu verschaffen, ganz ungebildet bin ja dann doch nicht.
Das Ablagesystem meines Pops ist milde gesagt eine Katastrophe und ich steige einfach nicht durch.
„Ich habe alle Filialen angerufen, am 28. hast du morgens die Zahlen auf dem Tisch.“ Vincent kommt wieder herein und ich reibe mir müde meinen Nacken.
„Danke.“ Erwidere ich fahrig.
„Brauchst du Hilfe?“ fragt er vorsichtig.
„Sehe ich so aus?“ ich sehe ihn müde an.
„Ehrlich gesagt ja.“ Gibt er zu.
„Ich stiege hier einfach nicht durch.“ Gebe ich zu und klappe einen großen Ordner geräuschvoll zu.
„Da kann ich dir leider nicht helfen, ich wurde noch nicht in das Ablagesystem eingeweiht.“ Er zuckt mit den Schultern „Aber ich kann dir die Zahlen von den Lieferungen und den Ersatzteilbestellungen geben.“ Er legt seinen Kopf schief und ich sehe ihn an.
„Besser wie nichts.“ Gebe ich zu und nicke schwach.
„Ich hole sie eben.“ Er lässt dieses Mal die Tür auf und ich lehne mich leicht zurück.
Dann kommt er mir mehreren Ordnern und ich sehe schon, dass die auf dem Schriebtisch keinen Platz mehr haben.
„Wir sollten nach nebenan gehen.“ Ich deute auf den Pausenraum der Mitarbeiter, da ist zu mindestens ein großer Tisch drin.
„Da ist nicht beheizt.“ Erklärt Vincent und ich nehme mit einem schiefen grinsen meine Jacke vom Hacken.
„Es muss wohl gehen, hier haben wir nicht genug Platz.“ Erkläre ich ihm und er nickt schließlich.
„Ich stelle die Heizungen gleich an, dann sollte es bald wieder warm werden.“ Vincent legt die Ordner auf den Tisch um sich um die Heizung zu kümmern.
Ich setze mich an den Tisch und wickele mich in meine Jacke ein.
Verdammt, das ist echt kalt hier drin.
Ich schicke Josh eine SMS und frage ihn, wonach ich hier eigentlich schauen soll.
Gerade als Vincent zurück kommt, bekomme ich die Antwort.
„Also wir brauchen die Monatszahlen Brutto sowohl vom Ersatzteilkauf als auch von den anderen Lieferungen und dann die Auszüge über die Umsatz und Mehrwertsteuer.“ Erkläre ich ihm und wir nehmen uns jeder einen Ordner.
Ich fange an zu markieren und mir Zahlen heraus zu schreiben um sie dann in mein I-Pad einzugeben, allerdings scheint dieses mit den Temperaturen so seine Probleme zu haben und ich verfluche es mehr wie einmal.
„Alles in Ordnung?“ Vincent sieht mich amüsiert an, als ich gerade mal wieder versuche das I-Pad aus seiner Gefrierstarre zu befreien.
„Das ist alles ein Scheiß.“ Fluche ich.
„So unanständige Worte?“ lacht er und ich schenke ihm einen langen Blick.
„Okay.“ Er hebt seine Hände.
Wir arbeiten eine Weile still vor uns hin, es wird schon langsam dunkel und ich merke, wie müde ich wirklich bin.
Wir holen abwechselnd Kaffee und mein Bauch blubbert schon von dem ganzen Koffein.
Das klingeln seines Handys reißt uns aus unserer Arbeit und er geht schnell ran, während ich mich weiter auf den Ordner vor mir konzentriere.
„Ja Sandra, ich bin in einer halben Stunde bei dir.“ Sagt Vincent und ich verdrehe die Augen. „Ich habe dir gesagt, ich bin morgen beim Weihnachtsessen bei deinen Eltern dabei. Bitte Sandra, es passt jetzt nicht wirklich. Wir sehen uns gleich.“ Er legt auf und seufzt leise.
„Danke, dass du mir geholfen hast. Geh ruhig nach Hause, wie ich höre wartet sie.“ Ich sehe nicht auf.
Es stört mich, das er jetzt zu ihr fährt.
Es stört mich wirklich und das nicht nur, weil ich gleich mit den restlichen sechs Ordnern alleine bin, sondern weil er zu IHR fährt und ich SIE nicht leiden kann.
Ich schließe gequält meine Augen, das darf nicht wahr sein.
Jeder, aber nicht er…
Ganz toll Danielle Bradford, schalle ich mich selbst.
Egal, in ein paar Tagen lasse ich Alaska und damit auch ihn wieder hinter mir.
Aus dem Augen, aus dem Sinn…
Guter Plan!
„Ich habe ihr versprochen, ihren Ofen zu reparieren. Ich wohne nicht mehr mit ihr zusammen.“ Erklärt er mir.
„Es geht mich nichts an.“ winke ich ab. „Hast du morgen noch mal kurz Zeit? Ich weiß, du hast Weihnachtsferien, aber ich würde nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre.“ Ich sehe ihn bittend an „Natürlich bekommst du Überstunden und Feiertagszuschlag.“
„Ich komme morgen früh vorbei, aber ich muss zum Mittag weg.“ Er nickt mir zu, nimmt seine Jacke und zieht sie sich wieder über, mittlerweile ist es angenehm warm geworden und auch ich habe meine Jacke wieder abgelegt.
Ich beobachte wie er die Treppe runter geht und zwinge mich dann, mich wieder auf die Papiere vor mir zu konzentrieren.
Mein Handy reißt mich aus meiner Arbeit und meine Granny teilt mir mit, dass Pop morgen früh auf Normalstation verlegt werden kann und ich somit morgen Nachmittag besuchen kann. Sie verspricht mir auch, dass wir das Weihnachtsessen ganz bestimmt nachholen werden, aber ganz ehrlich im Moment habe ich größere Probleme wie das Weihnachtsessen…
Die Zahlen beginnen zu verschwimmen und ich schaffe es nur mit Mühe und Not mich zu konzentrieren.
„Guten Morgen.“ Ertönt eine fröhliche Stimme und ich schrecke hoch.
Ich reibe mir verschlafen die Augen und sehe Vincent verwirrt an.
„Hast du etwa hier geschlafen?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Nicht absichtlich.“ Ich reibe mir den Nacken.
„Du hast da irgendwie Zahlen auf deiner linken Wange.“ Grinst er und deutet auf meine Wange.
„Verdammt.“ Fluche ich.
„Alles halb so wild…“ winkt er ab „Wir haben zwar hier nicht die neuste Mode, aber wenn du endlich Mal aus deinem Kleid heraus kommen willst…“ er zwinkert mir zu „Unten sind die Duschen und einen Blaumann und einen Pullover können wir in deiner Größe bestimmt finden.“ Er hält mir seine Hand hin.
Ich erhebe mich und greife nach seiner Hand. Es ist als ob mich ein Blitz durchzuckt und ich sehe ihm erschrocken in die Augen, auch seine weiten sich einen Moment, dann besinnt er sich und lässt mich los.
„Dann komm.“ Er deutet mir an ihm zu folgen und wir gehen nach unten.
„Passt du da rein?“ er hält mir einen Blaumann hin.
Okay, der ist eindeutig zu groß, aber besser wie nichts.
„Ich nehme den einfach mal.“ Ich versuche zu lächeln.
„Hier ist noch ein Pullover.“ Er reicht mir auch den und deutet auf eine Tür.
„Pass auf, erst kalt, dann heiß und dann duschbar.“ Warnt er mich und ich betrete die kleine Dusche.
Ich werfe einen Blick in den Spiegel und hätte vor Schreck beinahe los geschrien. Meine Frisur ist nicht mehr existent, mein Make up ist verschmiert und tatsächlich habe ich den Abdruck eines Lieferscheins im Gesicht.
Super, eine wahre Augenweide… ich schäle mich aus dem Kleid und lege nur meine Unterwäsche ordentlich hin, denn die werde ich wohl oder übel erneut anziehen müssen.
Es ist eine wirklich Wohltat endlich wieder zu duschen und das ganze Haarspray aus meinen Haaren zu bekommen.
Nach 10 Minuten zwinge ich mich aus der Dusche heraus zu kommen und ziehe den Pullover und den Blaumann über meine Unterwäsche, ich sehe ziemlich verloren darin aus, aber was soll’s, er hat mich vorher gesehen, das hier ist eine wirklich Verbesserung.
Ich flechte mir zwei Zöpfe und schlüpfe in meine Stiefel, zum Glück habe ich mich zur der Geburtstagsparty gegen Highheels entschieden.
Ich gehe wieder hoch in den Pausenraum und finde ihn vertieft in die Unterlagen.
„Danke.“ Sage ich leise und er dreht sich um.
„Fast ein neuer Mensch.“ Lacht er und ich schenke ihm ein schiefes Grinsen.
In diesem Augenblick klingelt mein Handy und bewahrt mich so vor dem Ausufern dieser peinlichen Situation.
Ich sehe das Josh anruft und gehe ins Büro. In der nächsten Stunde gibt er mir Schritt für Schritt weitere Instruktionen durch und ich stöhne auf.
„Komm schon Dani, du willst mir sagen, du kannst an einem offenen Herzen operieren und ein paar Zahlen bringen dich um den Verstand?“ feixt Josh und ich lache trocken.
„Ich weiß schon, warum ich mein Betriebswirtschaftstudium nach einem halben Semester abgebrochen habe.“ Erwidere ich nur.
Ein klopfen an der Tür lässt mich zusammen zucken.
„Ich muss los. Soll ich morgen wieder vorbei kommen?“ Vincent legt seinen Kopf schief, ich denke kurz nach und überfliege die Liste von Josh.
„Wenn du Zeit hättest, dann wäre das sehr nett.“ Ich sehe ihn bittend an.
„Ich bin um 9 Uhr hier.“ Verspricht er mir, winkt mir zu und sprintet die Treppe runter, indem er immer zwei Stufen auf einmal nimmt.
Wow, der hat es aber eilig zu seiner Ex-Frau zu kommen…
Egal, was hat es mich zu interessieren?
Gegen 15 Uhr setze ich die Alarmanlage in Gang, nachdem ich die Aufzeichnungen gefunden habe und den Code weiß, und mache mich auf den Weg ins Krankenhaus.
Leise klopfe ich an die Tür und betrete das Krankenzimmer meines Pops.
„Hallo.“ Sage ich vorsichtig und mein Pop öffnet die Augen.
„Hallo Kleines.“ Sagt er schwach und ich setze mich zu ihm. „Wie siehst du denn aus?“ er zupft an meinem Pullover und ich lächle leicht.
„Granny hat mich dazu verdonnert deine Bilanzen fertig zu machen und ich bin gestern Abend über den Unterlagen eingeschlafen. Vincent hat mich heute Morgen dann mit dem versorgt, was in der Werkstatt war.“ Ich zucke mit den Schultern „Halb so wild.“ Winke ich ab.
„Es ist schön dich mal wieder zu sehen.“ Er nimmt meine Hand. „Und ich danke dir.“
„Dafür doch nicht…“ ich küsse seine Hand „Du wirst jetzt erst einmal wieder gesund.“ Beschwöre ich ihn.
„Aber sicher Kleines.“ Verspricht er mir und richtet sich ein wenig auf „Mir geht es schon viel besser.“
„Das ist wirklich schön.“ Ich lasse meinen Blick über die Geräte schweifen und versuche unauffällig alle Werte ein wenig zu begutachten.
„Ach Kleines, es ist schön, dass du hier bist.“ Granny kommt herein und streicht mir über den Kopf. „Auch wenn ich dich fast nicht erkannt hätte.“ Fügt sie hinzu.
„Lange Geschichte.“ Winke ich ab. „Ich wollte nur kurz vorbei schauen, ob alles in Ordnung ist. Ich werde jetzt nach Hause und noch etwas arbeiten, ich komme morgen wieder vorbei.“ Ich beuge mich über meinen Pop und drücke ihm einen Kuss auf die Wange „Bleibst du hier?“ ich sehe zu Granny und sie nickt leicht.
„Wenn es dich nicht stört.“ Sie sieht liebevoll zu Pop.
„Ach was.“ Winke ich ab. „Ich werde mir nur eine Kleinigkeit zu essen machen und dann sehen, dass ich etwas Schlaf nachhole.“
„Ich habe Sam Bescheid gesagt, sie kommt nachher mit etwas Essen vorbei.“ Granny nimmt meine Hand. „Es tut mir so leid Kleines.“
„Jetzt mach dir bitte keine Sorgen um mich, ich bin erwachsen.“ Lächle ich und küsse sie ebenfalls auf die Wange „Ich kann ganz gut für mich allein sorgen.“ Verspreche ich ihr.
„Das weiß ich Kleines.“ Sie winkt mir zu und ich fahre dann zurück zu ihrem Haus. Noch immer widerstrebt sich alles in meinem Körper es zu Hause zu nennen…
Nachdem ich nochmals geduscht habe und mir bequeme Sachen angezogen habe, setze ich mich mit einem Ordner in die Küche und werde erst unterbrochen, als es an der Hintertür klopft.
„Hallo, du musst Sam sein.“ Begrüße ich eine junge blonde Frau.
„Ja, die bin ich.“ Lächelt diese und stellt mir eine große Schüssel auf den Tresen „Mein Mann Trevor arbeitet bei Pete und Fran hat mich gebeten, dir was zu essen vorbei zu bringen, bis Pete wieder zu Hause ist.“ Sie deutet auf die Schüssel.
„Und deswegen fährst du extra hier raus?“ ich deute auf ihren Bauch, denn sie ist unübersehbar schwanger. Sie lacht nur herzlich und winkt ab.
„Glaub mir, das ist kein Problem. Ich bin nur schwanger und nicht krank, außerdem ist es mein 4. Kind. Ich kenne mich aus.“ Sie zieht ihre Jacke aus. „Stört es dich, wenn ich dir einen kleinen Moment Gesellschaft leiste?“ ihre grasgrünen Augen strahlen mich an.
„Nein, nein…“ ich nehme ihr die Jacke ab „Ich bin für jede Ablenkung von diesen verdammten Zahlen dankbar.“
„Na, dann werde ich mal dein Essen aufwärmen und uns einen Tee machen.“ Sie deutet mir an mich zu setzen.
„Ach, das kann ich doch machen.“ Wehre ich mich.
„Quatsch, ich kenne diese Küche in und auswendig und ich habe Fran versprochen mich ein bisschen um dich zu kümmern, außerdem bin ich dankbar meine Rasselbande mal nicht ertragen zu müssen und den Daddy mal machen zu lassen.“ Sie zwinkert mir zu und ich setze mich auf einen der Barhocker.
Sie holt einen Teller aus dem Schrank und richtet aus der Schüssel heraus ein köstliches Essen an, erst jetzt merke ich, wie hungrig ich wirklich bin.
Nachdem mein Essen aufgewärmt und ihr Tee fertig ist, setzen wir uns an den Esstisch und ich lasse es mir schmecken.
„Wahnsinn, das ist wirklich lecker.“ Ich strahle sie an.
„Das ist toll, mein Mann weiß das so manches Mal nicht so zu schätzen und die Kinder sowieso nicht.“ Lacht sie.
„Wie alt sind denn deine Kinder?“ frage ich neugierig.
„Wir haben einen 6jährigen Jungen, er heißt Oliver, ein 4jähriges Mädchen Alissa und eine 2jährige Charlotte.“ Lächelt sie.
„Wow, da hast du bestimmt alle Hände voll zu tun.“ Erwidere ich respektvoll.
„Ja, manchmal schon, aber im Sommer bin ich mit ihnen oft hier. Fran liebt es sie um sich zu haben.“ Sie wärmt sich ihre Hände an der Teetasse. „Weißt du, sie vermisst dich sehr.“ Sagt sie leise.
„Ich weiß.“ Gebe ich zu „Aber ich kann nicht aus meiner Haut.“ Versuche ich mich zu erklären.
„Du musst dich nicht rechtfertigen.“ Sie winkt ab „Ich will nur, dass du weißt, wie sehr sie dich liebt und wie sehr sie dich vermisst.“
„Ich vermisse sie auch.“ Ich seufze leise und lege meine Serviette auf den leeren Teller „Es ist damals so viel passiert.“ Ich reibe mir die Augen.
„Wie schon gesagt Danielle, du bist mir keine Rechenschaft schuldig.“ Sie sieht mich an und nickt leicht.
„Ich weiß, aber ich möchte nicht, dass du denkst, dass mir das alles leicht fällt.“ Ich lehne mich zurück und nehme auch einen Schluck von meinem Tee.
„Ich kenne Fran jetzt schon ziemlich lange und wenn du auch nur ein kleines bisschen so bist wie sie, dann weiß ich, dass dir das nicht leicht fällt.“ Beruhigt sie mich.
„Danke Sam und ich bin Dani.“ Ich schenke ihr ein kleines lächeln. „Danielle hat mich schon Ewigkeiten keiner mehr genannt.“
Bis auf Vincent… füge ich in Gedanken hinzu.
„So, ich mache mich jetzt wieder auf den Weg. Soll ich dir morgen Mittag was vorbei bringen?“ sie sieht mich fragend an.
„Ich denke ich bin morgen den ganzen Tag in der Werkstatt.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Dann komme ich da vorbei, ist näher dran.“ Sie zwinkert mir zu „Schlaf schön Dani.“ Sie winkt mir zu.
„Du auch Sam, fahr bitte vorsichtig und ich danke dir.“ Ich sehe ihr nach und sie dreht sich zu mir um.
„Du bist mehr wie Fran, als dir vielleicht bewusst ist.“ Lacht sie und steigt die Stufen der Veranda runter, um im Schein der kleinen Laterne zu ihrem Auto zu gehen.
Ich gehe tatsächlich früh zu Bett und bin am nächsten Tag schon um 8 Uhr in der Werkstatt um endlich voran zu kommen, bisher erweist sich das alles hier als schwieriger wie anfangs vermutet und ich befürchte fast, ich bekomme das nicht hin.
„Danielle?“ ertönt Vincents Stimme und mein Herz macht, sehr zu meinem Ärger, einen kleinen Satz.
„Im Büro.“ Rufe ich zurück und Augenblicke später steht er in der Tür.
„Na, heute mal in einem Bett geschlafen?“ grinst er.
„Ja, war eine ganz nette Abwechslung.“ Erwidere ich lächelnd.
„Und was liegt heute an?“ er setzt sich zu mir.
„Ich muss endlich dieses verdammte Ablagesystem durchschauen…“ fluche ich.
„Ich befürchte, wenn du Pete nicht damit belasten willst, dann bleibt nur einer, der dieses System kennt.“ Er sieht mich an und ich schließe gequält meine Augen.
„Charles?“ frage ich und er nickt leicht.
„Sorry.“ Gibt er zerknirscht zurück.
„Da muss ich jetzt wohl durch.“ Ich greife nach dem Telefon und drücke auf die Kurzwahltaste auf der Charlie steht.
Mein Herz hämmert in meiner Brust als er ran geht.
„Ja?“ fragt er verwirrt.
„Hier ist Danielle. Wäre es möglich, das du in der Werkstatt vorbei kommst und mir das Ablagesystem erklärst?“ ich versuche wirklich freundlich zu klingen, aber der Blick von Vincent sagt mir, das ich mein Ziel augenscheinlich nicht erreicht habe.
„Sicher, ich bin in 20 Minuten da.“ Antwortet er nur und legt auf.
„Er ist in 20 Minuten hier und ich hoffe, ich komme dann endlich mal voran.“ Ich streiche mir meinen Pony aus dem Gesicht. Heute morgen habe ich meine Haare einfach nur im Nacken zusammen gebunden und sonst nichts weiter damit angestellt, das hat leider meistens zur Folge, dass meine Haare sich gerne selbstständig machen.
„Ich weiß, es geht mich nichts an, aber was ist bei euch passiert? Ich meine, er ist dein Dad.“ Vincent sieht mich an.
„Du hast Recht, es geht dich nichts an.“ fahre ich ihn an.
„Immer schön langsam, ich will dir helfen.“ Er hebt die Hände.
„Dann tu das auch.“ Ich funkele ihn an.
„Was ist denn in dich gefahren? Ich habe dir nur eine ganz normale Frage gestellt.“ Er steht auf und sieht mich kopfschüttelnd an.
„Du willst wissen was passiert ist?“ meine Atmung beschleunigt sich und ich warte seine Antwort gar nicht erst ab. „Also gut, mein Bruder starb mit 17 bei einem Autounfall, gerade mal 2 Meilen von unserem Haus entfernt. Meine Mum fiel in tiefe Depressionen deswegen und hat sich an seinem ersten Todestag mit Tabletten das Leben genommen…“ ich merke wie ich meine Hände zu Fäusten balle „Da hätte ich meinen so genannten Vater gebraucht, aber er hat mich bei Granny und Pop gelassen und ist geflohen, weil er es nicht ertragen konnte. Reicht das jetzt? Bist du zufrieden?“ mein Brustkorb hebt und senkt sich stoßweise und er sieht mich erschrocken an.
„Ganz ehrlich Danielle, ich habe dich nicht gebeten mir hier deine Lebensgeschichte an den Kopf zu knallen. Hast du so wenig Selbstbeherrschung?“ er sieht mich böse, verwirrt und geschockt an.
Zweifellos ist er gerade mit mir und der Situation überfordert.
Dann soll er mich nicht fragen!
Er wollte Antworten, da hat er sie!
Und ich und keine Selbstbeherrschung?
„Ich habe keine Selbstbeherrschung? Du verlierst deine doch, sobald deine Ex-Frau den Raum betritt.“ Gifte ich ihn an.
Meine Güte, er kann doch gar nichts dafür…
Ich bin wütend auf meinen Vater und nicht auf ihn.
„Dann läufst du ihr nach wie ein kleines Hündchen.“ Setze ich noch einen oben drauf und könnte mich selbst ohrfeigen.
Das ist so typisch für mich, endlich schafft es jemand meinen Eispanzer anzukratzen, da fahre ich die Krallen aus und schlage wie wild um mich…
„Okay, das war deutlich.“ Er dreht sich um und läuft die Treppe runter.
Ich schließe verzweifelt meine Augen.
„Vincent warte!“ ich springe auf und hetze ebenfalls die Treppen runter…
Doch zu spät, er ist schon in seinem Auto und fährt mit durchdrehenden Reifen vom Vorplatz.
Verdammt! Ich fege mit einer schnellen Bewegung das Werkzeug von der Werkbank und schneide mich zu allem Überfluss in meine Hand.
Aaahhh!
Ich suche einen Verbandskasten und versorge meine Hand, allerdings kann ich nicht sagen, was mir gerade mehr weh tut… Meine Hand oder mein Herz.
Ich tippe mal auf gute Ausgeglichenheit.
Warum habe ich das nur zu ihm gesagt?
Verliere ich wirklich die Selbstbeherrschung wenn es um Charles geht?
Dieser kommt etwas später, ich sitze schon wieder am Schreibtisch und er klopft leise an.
„Danke, dass du dir Zeit nimmst.“ Ich versuche ruhig zu atmen und nicht allzu feindselig zu klingen.
„Für dich immer.“ Antwortet er leise und ich schiebe einen Ordner über den Tisch. „Ich weiß nicht, was Pop hier gemacht hat.“ Gestehe ich ihm.
Er erklärt es mir ganz ruhig und obwohl ich es erst beim 4. Anlauf verstehe bleibt er erstaunlich ruhig und ich sehe ihn sogar ein kleines bisschen lächeln.
„Danke.“ Sage ich schließlich und nicke ihm zu.
Es erstaunt mich selber, aber ich meine es wirklich genauso. Ich danke ihm, dass er mich dieses Mal nicht im Stich gelassen hat.
„Hör’ zu Dani, ich kann es nicht ungeschehen machen und ich werde mich niemals genug dafür entschuldigen können, aber bitte…“ er sieht mich an und nimmt seine Jacke „Ich bin dein Dad, ich liebe Dich und ich vermisse dich so unendlich. Ich konnte damals nicht im Hart Lake House bleiben, alles hat mich an Matti und deine Mum erinnert, ich bin fast an dem Schmerz zerbrochen.“ Er sucht meine Augen.
„Ich auch Charles.“ Gebe ich zurück „Ich auch.“ Füge ich resigniert hinzu.
„Es tut mir leid Spätzchen… so unendlich leid, dich leiden zu sehen brachte mich fast um den Verstand, ich konnte es nicht ertragen. Ich weiß, ich werde es nie wieder gut machen können, aber bitte schließe mich nicht weiter aus deinem Leben aus.“ Er dreht sich um und verlässt die Werkstatt.
Die Worte sickern zu mir durch und ich stütze meinen Kopf auf meine Hände. Aus einer gewissen Distanz auf jemanden böse zu sein ist wesentlich einfacher, als dieser Person gegenüber zu sitzen und schlussendlich zu bemerken, das auch er gelitten hat und es immer noch tut…
Und dann diese Sache mit Vincent, ich war unfair und ungerecht…
Verdammt Danielle Bradford!
Wie kann man nur so dumm sein?
Ich bin kurz davor in Tränen auszubrechen, aber der Anruf von Josh reißt mich aus meinem emotionalen Chaos, zu mindestens fürs Erste.
„Sag mal Dani, du bist ganz schön unkonzentriert.“ Rügt mich Josh nachdem wir fast mit einem Durchgang fertig sind. Ich muss nicht erwähnen, dass noch an die 30 Durchgänge vor mir liegen.
„Ach Josh, ich bin echt total verkorkst…“ ich merke wie mir wieder Tränen in die Augen steigen.
„Was hast du denn gemacht?“ fragt er nach und ich schluchze leise.
„Ich habe dir doch von Vincent erzählt?“ beginne ich.
„Ja, dein Retter in der Not.“ Lacht er.
„Das war wohl einmal…“ ich schließe meine Augen und heiße Tränen laufen über mein Gesicht „Ich habe ihn heute ziemlich verletzt. Unabsichtlich…“ ich schluchze erneut „Ich war wütend, weil ich meinen Dad anrufen musste und er hat meine ganze Wut abbekommen.“
„Oha, das kenne ich zu gut.“ Gibt er zu. „Das habe ich oft genug erleben dürfen, aber Dani…“ er macht eine kleine Pause „Du hast ihn das erste Mal seitdem ich dich kenne deinen Dad und nicht Charles genannt.“ Fügt er hinzu.
„Das ist hier alles so verwirrend…“ gestehe ich ihm „Alles kommt hoch und nicht nur Häppchenweise, nein, es stürzt auf mich ein und ich kann nicht weg laufen.“
„Dani, du kannst nicht dein ganzes Leben weg laufen.“ Erklärt er mir. „Du magst diesen Vincent, stimmt’s?“ ich kann ihn bildlich vor mir sehen, wie er eine Augenbraue hoch zieht.
„Ja, ich denke wirklich ich mag ihn.“ Gestehe ich es mir endlich ein und mein Herz verkrampft sich noch mehr. Ich mag ihn und ich habe ihn vor den Kopf gestoßen…
„Hör’ mir mal ganz genau zu Danielle…“ setzt er an und ich atme stockend ein. Danielle bedeutet bei Josh, das er es absolut ernst meint. „… Ich kenne dich jetzt seit fast 10 Jahren, er bedeutet dir was und das hast getan, was du immer tust. Du verletzt die Menschen, ehe sie dich verletzen können. Ich bitte dich, mach es dir doch nicht immer so schwer.“
„Was soll ich denn machen? Ich muss diese Scheiß Bilanz fertig bekommen, obwohl ich keine Ahnung habe und ich muss mehr Vergangenheitsbewältigung leisten, wie ich ertragen kann.“ Schniefe ich.
„Wenn er der Mensch ist, für den ich ihn halte, dann kommt er und will es klären.“ Versichert er mir und ich nicke.
„Okay.“ Weine ich „Ich muss mich jetzt weiter durch diese gottverdammten Zahlen kämpfen.“
„Mach das Dani, ich rufe die nächsten beiden Tage erst einmal nicht an. Mach einfach so weiter, wie wir es gerade besprochen habe, füge dann die Zahlen der Filialen ein, wie ich es dir gesagt habe und wir hören uns am 29.“ Er schickt mir einen Kuss durchs Telefon.
„Danke Josh.“ Flüstere ich.
„Komm schon Dani, du bist eine herausragende Ärztin, ein paar Zahlen werden dich nicht in die Knie zwingen.“ Versichert er mir, ehe er auflegt und ich den Hörer klackend auf den Apparat lege.
Eine Stunde später kommt Sam und das Essen ist wirklich gut, auch wenn ich nur darin herum stochere.
„Was ist denn los Dani? Du siehst wirklich traurig aus.“ Sie stupst mich leicht an.
„Ach Sam, ich will nach Hause.“ Gestehe ich ihr.
„Vermisst du Seattle?“ sie legt ihren Kopf schief und eine blonde Locke fällt ihr ins Gesicht.
„Irgendwie schon, da konnte ich mich in mein Appartement zurück ziehen, hier habe ich das Gefühl, ich kann mich nicht einfach zurück ziehen.“ Ich seufze leise.
„Nimm dir mal eine Auszeit…“ rät sie mir „Es bringt niemanden etwas, wenn du dir zuviel zumutest.“
„Ich muss das hier fertig bekommen.“ Ich deute auf die Ordner „Ich habe keine Ahnung wie Pop das fertig bekommen wollte.“
„Dann iss jetzt bitte etwas.“ Sie schiebt mir den Teller erneut zu, den ich zwischenzeitlich von mir weg geschoben hatte und ich tue ihr den Gefallen und esse noch eine Kleinigkeit.
„Fran sagt, wenn es wieder so spät wird wie gestern, dann sollst du gleich nach Hause fahren…“ sie sieht mich eindringlich an „Im Krankenhaus kümmern sich alle ganz toll um die Beiden.“ Versichert sie mir.
„Danke Sam.“ Ich nehme meinen Teller und spüle ihn ab und wasche dann auch noch ihre Schlüssel ab und reiche sie ihr schließlich.
„Wir sehen uns morgen Mittag.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ich freue mich drauf.“ Ich winke ihr hinterher, mache mir eine Kanne Kaffee und setze mich wieder an die Zahlen.
Ich komme eher schleppend voran und es ist schon dunkel, als ich endlich aufbreche.
Hart Lake House liegt dunkel vor mir und ich parke in der Auffahrt. Seufzend schließe ich auf und knipse das Flurlicht an. Ich ziehe meine Schuhe aus und setze mich auf die unterste Stufe.
„Ihr fehlt mir so sehr.“ Flüstere ich und sehe die Bilder an der Wand neben mir an.
Sie strahlen, sie amüsieren sich und es ist, als würde ich in der Zeit zurück reisen. Ich höre Matts lachen, ich sehe Mums strahlende Augen und ich sehe uns alle als Familie im Sommer draußen sitzen und das Sonntagsessen genießen…
Gequält schließe ich meine Augen und erhebe mich schließlich um die Treppe hoch zu steigen, ich bleibe wieder vor der Tür gegenüber des Gästezimmers stehen und dieses Mal drücke ich die Klinke hinunter.
Ich taste nach dem Lichtschalter und finde ihn schließlich, das Zimmer wird sofort in warmes Licht getaucht und ich atme tief durch.
Ich stehe in Matts Zimmer und sehe mich um, die Eishockeyposter an den Wänden, seine Schulbücher noch im Regal und gleich daneben sein Trainingsplan an der Wand.
Granny hat nicht ein Stück hier drin verändert. Es ist, als würde er gleich von der Schule kommen, seine Trainingssachen anziehen und zum Eishockeytraining fahren. Nur wäre er jetzt auch 28 und keine 17 mehr…
Man sagt immer Zwillinge verbindet ein besonders Band und es stimmt, an dem Tag an dem er den Unfall hatte, da bin ich beim Eiskunstlauftraining schwer gestürzt und als mein Kopf auf dem Eis aufschlug, da wusste ich instinktiv, das etwas schreckliches passiert sein musste.
Ich brach mein Training ab und fuhr mit dem alten Pick up zum Eisstadion um Matt abzuholen, aber dort sagte man mir, dass er nicht zum Training gekommen war. Ich wusste, dass er mit einem Freund fahren wollte und fuhr mit rasendem Herz in Richtung Hart Lake House, keine 2 Meilen vor dem Haus stand die Polizei auf der Straße und ich sprang aus dem Auto, kaum dass ich gebremst hatte.
Ich werde niemals den Blick von Kenny vergessen, er kam zu mir und hielt mich fest.
„Du kannst da nicht hin.“ Flüsterte er mir immer wieder zu.
„Ich muss.“ Ich strampelte und schlug um mich, aber Kenny hielt mich fest an sich gepresst.
„Wir konnten nichts mehr für ihn tun.“ Kenny zwang mich ihn anzusehen und in diesem Moment brach meine Welt in tausend Einzelstücke.
„Matt!“ schrie ich wie von Sinnen.
Das nächste, an das ich mich erinnere, ist Kevin, der mir irgendetwas spritze und dann saß ich im Auto, wenig später dann im Wohnzimmer auf der Couch und meine Mum wiegte mich in ihren Armen.
„Mein Baby.“ Murmelte sie immer wieder und ich weiß, sie meinte in diesem Moment nicht mich.
Ich lege mich auf sein Bett und kuschele mich in seine Decke.
„Wärst du doch bloß hier.“ Flüstere ich und sehe zu den Fotos an seiner Pinnwand, auf den meisten bin ich mit drauf, denn wir hatten immer denselben Freundeskreis und verbrachten, bis auf unser Training, fast unsere ganze Zeit miteinander.
Das eine Foto zeigt mich mit meinem ersten überregionalen Pokal und er hebt mich hoch. Er war so stolz auf mich…
Was würde er wohl jetzt von mir halten?
Ich belüge Granny und Pop.
Ich rede nicht mehr mit Dad.
Ich war fast 10 ganze Jahre weg und habe mir nicht einmal Gedanken gemacht wie es Granny und Pop damit geht.
Ich bin egoistisch und ungerecht…
Ich weine heiße Tränen in sein Kissen und schaffe es kaum mich zu beruhigen.
Ich schlafe schlecht in dieser Nacht und früh am nächsten Morgen fahre ich zum kleinen Friedhof in der Nähe der Werkstatt. Als ich das Tor mit einem leisen Quietschen öffne laufe ich wie ferngesteuert durch die Reihen und schließlich stehe ich davor.
Matthew Charles Bradford
14.03.1985 – 17.09.2002
Beloved Brother, Son and Grandson
Gleich daneben das Grab meiner Mum und ich gehe in die Knie.
Anastasia Sara Bradford
22.07.1961 – 17.09.2003
Always in our Hearts
Ich lege meine Hand auf den kalten Stein und es fängt an zu schneien, während das Licht des Tages versucht sich seinen Weg zu bahnen.
So fühlt sich mein Leben an, ich versuche irgendwie Licht ins Dunkel zu bringen und das Schlimmste ist, das ich mir selbst dabei am Meisten im Weg stehe.
Ich sehe auf die beiden Gräber, mit ihrem Tod war meine Jugend und meine glückliche Kindheit wie ausgelöscht, zurück blieben nur Schmerzen, Tränen, Zweifel und Trauer.
Gerade als ich damals dachte, wir bekommen es irgendwie hin, da fand ich meine Mum morgens tot in ihrem Bett. Sie hatte alle ihre Schlaftabletten genommen und ich konnte nichts machen. Ich war wie gelähmt und zog mich immer weiter zurück.
Ein knappes Jahr später habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin schließlich gegangen…
Ich dachte, mir hielt hier nichts mehr.
Ich habe keine Ahnung wie lange ich da so sitze und die Grabsteine, in der Hoffnung auf Antworten, anstarre, aber schließlich erhebe ich mich und gehe das letzte Stück zur Werkstatt. Die Häuser sind alle so festlich geschmückt, bei manchen Häusern kann ich sogar die Weihnachtsmusik bis auf die Straße hören. Heute haben auch die Geschäfte wieder auf und so langsam erwacht Palmer nach den Fiertagen wieder zum Leben.
Den ganzen Vormittag bete und hoffe ich, das Vincent kommt, aber natürlich kommt er nicht und ich quäle mich allein durch die Zahlen.
„Essen!“ ertönt eine fröhliche Stimme und ich lächle das erste Mal an diesem Tag.
„Ich bin hier.“ Rufe ich Sam zu und sie kommt in den Pausenraum, da ich gerade dabei bin mir Kaffee zu kochen.
„Wie viel trinkst du von dem Zeug?“ sie deutet auf die Kaffeekanne und stellt ihre Schüssel auf den Tisch. Dann zieht sie sich ihre Jacke aus und holt einen Teller aus dem Schrank.
„Keine Ahnung, drei bis vier Kannen?“ ich zucke mit den Schultern.
„Ganz ehrlich, das kann nicht gesund sein.“ Sie sieht mich mit großen Augen an.
„Zum ersten ist das nur leicht Koffeinierter Kaffee und das Schlimmste was passieren kann ist, das mein Herz etwas schneller schlägt. Ich habe noch niemanden getroffen, der an Kaffee gestorben ist.“ Ich nehme den Teller aus der Mikrowelle und setze mich zu ihr.
„Wow, wo hast du das denn her?“ sie sieht mich erstaunt an.
„Mal irgendwo gelesen.“ Winke ich ab. „Sag mal Sam, wo hast du so verdammt gut kochen gelernt?“ ich nehme mir eine Gabel von dem leckeren Braten und sie strahlt mich an.
„Meine Mum hat es mir beigebracht.“ Sie reckt stolz ihr Kinn in die Höhe.
„Da hat deine Mum einen wirklich guten Job gemacht.“ Lobe ich sie.
„Sie ist vor 5 Jahren gestorben, kurz danach bin ich mit Trevor hierher gezogen und zum Glück hat mich Fran gleich unter ihre Fittiche genommen.“ Sie grinst „Ohne Fran wäre ich hier untergegangen.“
„Sie hat ein Herz für alle Menschen.“ Ich schlucke schwer „Ich bin nicht einmal halb so gut wie sie.“
„Nun mach dich nicht fertig Dani…“ bittet sie mich „Du bist doch hier, das ist das was zählt.“
„Ich war fast 10 Jahre nicht hier.“ Ich stehe auf und gehe ans Fenster „Und dann tauche ich hier auf und habe das Gefühl alles falsch zu machen.“
„Aber du machst doch nichts falsch. Du stehst Fran und Pete bei und kümmerst dich um alles. Sie sind dir mehr wie dankbar.“ Sie tritt hinter mich.
„Ach Sam…“ ich lehne meinen Kopf an das kühle Glas „Darf ich ehrlich sein?“ frage ich ein paar Sekunden später.
„Sicher.“ Sie nimmt meine Hand und ich drehe mich zu ihr um.
„Ich bin keine Betriebswirtin.“ Sage ich leise und sie sieht mich mit großen hellgrünen Augen an.
„Wie jetzt?“ fragt sie erstaunt.
„Ich habe das Studium nach nicht einmal einem Semester abgebrochen.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Hast du ganz aufgehört zu studieren?“ sie legt ihren Kopf schief und wieder fällt ihr diese störrische Locke ins Gesicht.
„Nein, nein…“ ich seufze erneut „Ich habe ein abgeschlossenes Studium, eben nur nicht als Betriebswirtin.“ Erkläre ich ihr.
„Als was denn dann?“ sie lächelt leicht.
„Darf ich mich vorstellen? Dr. Danielle Bradford, Ärztin der Notaufnahme des Seattle Memorial Hospitals.“ Ich sehe sie an und ihr lächeln wird immer breiter.
„Mensch Dani, das ist toll.“ Sie nimmt mich in den Arm „Gott, in meinem Kopf laufen gerade 6 Filme gleichzeitig ab.“ Lacht sie.
„Ich werde nie Bradford Motors übernehmen können wie sie es sich wünschen.“ Ich schließe meine Augen.
„Wie kommst du darauf, das sie wollen, das du Bradford Motors übernimmst?“ sie legt wieder ihren Kopf schief.
„Eigentlich war immer klar, das Matthew, mein Zwillingsbruder, die Firma irgendwann übernimmt. Nach seinem Tod und dem von meiner Mum bin ich einfach davon ausgegangen, dass sie es sich wünschen. Wer bleibt denn noch?“ Ich zucke hilflos mit den Schultern.
„Ach was, sie wollen das du glücklich bist. Sie würden niemals etwas von dir wollen, was du selbst nicht willst. Deshalb haben sie doch Vincent eingestellt, er soll das alles hier…“ sie deutet um sich „…in absehbarer Zeit übernehmen, weil dein Dad nicht will. Er meint es ist falsch, weil er “nur“ in die Familie eingeheiratet hat und Vincent hat ein abgeschlossenes Betriebswirtschaftstudium und arbeitet schon seit ein paar Jahren hier als Buchhalter.“ Sie sieht mich erstaunt an „Wusstest du das etwa nicht? Du hast doch die letzten Tage mit Vincent zusammen gearbeitet.“
Ich atme tief durch.
Das kann doch nicht wahr sein!
„Du wusstest es nicht, oder?“ Sam sieht mich lange an.
„Nein.“ Antworte ich ganz ruhig.
Viel zu ruhig und das merkt auch Sam.
„Es tut mir leid.“ Entschuldigt sie sich hastig.
„Muss es nicht, es ist gut jetzt endlich mal alles zu wissen.“ Gebe ich zu und merke wie erneut Wut in mir aufsteigt.
Aber dieses Mal auf Vincent, auf Granny und auf Pop.
Warum hat mir keiner was gesagt?
Bin ich etwa wirklich kein Teil dieser Familie mehr?
Wollten sie mich auflaufen lassen?
War es ihre Absicht mir zu zeigen, dass ich es nicht schaffen kann?
„Ich muss weiter machen.“ Sage ich nach Weile.
Jetzt erst Recht!
„Sei mir bitte nicht böse.“ Sam sieht mich flehentlich an.
„Nein, nein…“ ich nehme sie in den Arm und helfe ihr dann in ihre Jacke „Ich bin dir nicht böse.“ Versichere ich ihr.
Ich kann mich kaum auf die Arbeit konzentrieren und habe wirklich Mühe und Not mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
„Brauchst du Hilfe?“ ertönt eine Stimme von der Tür auf und ich sehe erstaunt in Vincents Gesicht.
„Willst du dich weiter auf meine Kosten amüsieren?“ ich schenke ihm einen abwertenden Blick.
„Und ich dachte schon, du wärst gestern damit fertig geworden mich zu beleidigen.“ Erwidert er spöttisch.
„Ich fertig? Oho Freundchen…“ ich atme tief durch „Noch lange nicht.“
„Was ist denn jetzt schon wieder los? Kommt Charles gleich vorbei?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
Ganz dünnes Eis mein Lieber…
„Charles? Nein…“ ich stehe auf „Es geht um dich. Ich hoffe, du hast dich schön auf meine Kosten amüsiert.“ Ich funkele ihn an.
„Was genau meinst du?“ er sieht mich verständnislos an.
„Was ich meine? Das du ein abgeschlossenes Betriebswirtschaftsstudium hast, schon jahrelang hier als Buchhalter arbeitest und dabei zusiehst wie ich mich hier durch die Zahlen quäle, obwohl ich keinen blassen Schimmer davon habe.“ Ich schüttele abfällig meinen Kopf „Ich habe nicht viel erwartet, aber Ehrlichkeit wäre schon nett gewesen.“
„Ehrlichkeit? … Moment mal, du hast keine Ahnung von dem ganzen Kram hier?“ er deutet auf die Ordner.
„Sehe ich so aus? Habe ich auch nur einmal den Eindruck auf dich gemacht, das ich weiß, was ich hier tue?“ kontere ich.
„Ehrlich gesagt ja. Gut, du bist etwas umständlich an die Sache ran gegangen aber ansonsten… ja.“ Er legt seine Stirn in Falten.
„Ich habe keinen blassen Schimmer… Das was ich hier mache, mache ich mit Hilfe eines Freundes. Ich kenne nicht einmal dieses beknackte Programm.“ Fluche ich und verschränke die Arme vor meiner Brust.
„Aber…“ setzt er an und bricht ab.
„Du hast mich auflaufen lassen. Du hättest mir so einfach helfen können und hast es nicht getan.“ Meine Wut weicht Enttäuschung und ich atme tief ein.
„Pete hat mich gebeten dich machen zu lassen. Glaub mir, wenn ich gewusst hätte…“ er macht einen Schritt auf mich zu.
„Komm mir nicht zu Nahe. Komm mir nie wieder zu Nahe. Halte dich einfach von mir fern.“ Presse ich heraus.
„Danielle…“ setzt er erneut an.
„Lass es sein…“ ich winke ab „Geh einfach.“
„Dani?“ ertönt eine fremde Stimme von unten und ich dränge mich an Vincent vorbei.
„Ja?“ ich gucke übers Geländer.
„Komm bitte ganz schnell mit.“ Ein junger Mann sieht mich hilflos an.
„Warum und wer bist du überhaupt?“ ich sehe ihn verwirrt an, er kommt zu mir und greift nach meiner Hand.
„Ich bin Trevor und Sam braucht dich.“ Er zieht mich mit sich.
„Was ist mit Sam?“ ich wehre mich gegen ihn und er sieht mich panisch an.
„Ich weiß es nicht, sie liegt auf dem Boden und es geht ihr nicht gut. Ich habe einen Krankenwagen gerufen, aber die sind unterbesetzt und es kann frühestens in 40 Minuten jemand bei uns sein. Ich bitte dich Dani. Du bist doch Ärztin?“ ich merke wie seine Hände zittern.
„Alles klar.“ Ich nicke ihm zu.
„Ich komme mit.“ Vincent reicht mir meine Jacke und wir laufen hinaus auf die Straße und überqueren diese. Keine 2 Minuten später stehe ich bei Sam und Trevor im Wohnzimmer und Sam liegt auf dem Boden, während mich drei verweinte Augenpaare der Kinder anstarren.
„Bring sie raus.“ Sage ich zu Vincent und hocke mich neben Sam.
„Was ist denn passiert?“ frage ich vorsichtig und sie sieht mich schweißgebadet an.
„Keine Ahnung, ich hatte schon den ganzen Tag leichte Vorwehen und vor 10 Minuten hatte ich einen stechenden Schmerz und ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt. Ich kann mich nicht bewegen ohne das es weh tut.“ Erklärt sie mir.
„Welche Woche?“ ich taste ihren Bauch ab.
„37.“ Sie atmet scharf ein und ich atme tief durch um mich selbst zu beruhigen.
„Okay… Trevor?“ ich sehe mich suchend um und er kommt zu mir. „Geh an den Pick up, unter dem Vorsitz liegt eine kleine Tasche. Bring sie mir.“ Weise ich ihn an.
Ich glaube das ist typisch Arzt, man hat immer zu mindestens die wichtigen Sachen bei sich. Ich habe meine Tasche nach dem Anfall von Pop neu gepackt und beginne angestrengt zu überlegen, ob ich alles habe, was ich vielleicht brauchen kann.
Eine ältere Frau kommt zusammen mit Trevor ins Zimmer gestürzt und er reicht mir die Tasche.
„Meine Mum.“ Sagt Trevor und deutet auf die Frau die entsetzt die Hände vor den Mund schlägt.
„Gut, ich brauche Decken und Handtücher.“ Weise ich sie nun an. „Trevor, bleib hier.“ Sage ich zu ihm und deute ihm an sich hinter Sam zu setzen.
Es ist ja nicht so, das ich schon oft eine Geburt durch geführt habe, aber immerhin habe ich bei mehreren zugesehen und ja sogar ein oder zwei selbst gemacht.
Aber dieses Mal kenne ich die Patientin und das lässt alles noch mal in einem anderen Licht erscheinen…
Ich untersuche Sam und stelle fest, dass das Baby verkehrt herum liegt, denn ich spüre die Füße.
Ich lasse mich mit dem Krankenhaus verbinden.
„Palmer Medical Health Center.“ Meldet sich eine weibliche Stimme.
„Verbinden sie mich bitte mit der Entbindungsstation. Ich habe eine Steißgeburt und brauche jemanden der mich dadurch führt.“ Erkläre ich ihr, stelle auf Lautsprecher und lege das Handy neben mich.
„Dr. Malcolm Harris.“ Meldet sich Augenblicke später ein Arzt.
„Dr. Danielle Bradford. Ich habe eine Patientin…“ ich sehe zu Sam „Wie alt bist du?“ frage ich sie.
„28.“ Sagt sie außer Atem.
„Also gut, ich habe eine 28jährige Patientin in der 37. Woche. Kind in Steißlage mit starker Wehenaktivität und vermutlich vor 10 Minuten Abgang von Fruchtwasser. Ein Rettungswagen ist informiert, aber die werden hier nicht rechtzeitig eintreffen.“ Erkläre ich ihm.
„Sind sie Gynäkologin?“ fragt er mich nun und ich lege meine Stirn in Falten.
„Würde ich dann wirklich anrufen?“ stelle ich ihm eine Gegenfrage „Ich bin Notfallärztin und ja ich habe schon mal ein Baby entbunden, aber nicht in Steißlage.“ Erkläre ich ihm und versuche ruhig zu bleiben.
In den nächsten 30 Minuten höre ich nur seine Stimme und blende alles andere um mich herum aus, schließlich halte ich das Baby im Arm und es beginnt sofort zu schreien.
„Ist alles in Ordnung?“ höre ich die Stimme vom Telefon und ich kann nur nicken, während ich der völlig entkräfteten Sam ihr Baby auf den Bauch lege.
„Es geht beiden augenscheinlich gut.“ Antwortet Vincent für mich und erst jetzt nehme ich wieder etwas um mich herum wahr. Zwei Sanitäter applaudieren mir und ich sehe sie verwirrt an.
„Gut gemacht.“ Einer der Beiden klopft mir anerkennend auf die Schulter.
„Und was ist es denn nun Frau Kollegin?“ fragt mich mein Kollege am Telefon lachend.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu.
Sam schaut nach und lächelt mich überglücklich an. „Ein kleiner Junge.“
„Herzlichen Glückwunsch.“ Ich sehe zu ihr und sie strahlt selig.
„Ich danke dir so sehr Dani.“ Schluchzt sie.
Dann übernehmen die Sanitäter und ich stehe mit zittrigen Knien auf.
„Alles Okay?“ Fragt Vincent vorsichtig und ich ziehe meine Handschuhe aus.
„Ja.“ Sage ich abwesend und beginne reflexartig aufzuräumen.
„Lass das doch…“ er nimmt meine Hände in seine und ich merke wie sehr meine Hände zittern.
„Fass mich nicht an.“ sage ich leise und er lässt mich sofort los.
„Danke.“ Trevor nimmt mich überschwänglich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
„Okay.“ Ich beobachte wie die Sanitäter Sam und das Baby versorgen, nehme meine Jacke und verlasse noch vor ihnen das Haus.
Als ich an der Werkstatt ankomme dämmert es schon, ich setze mich in den Pick up und ich fahre eine Weile umher um meine Gefühle in den Griff zu bekommen.
Dieses Erlebnis ging mir unter die Haut, ich hatte noch nie solche Angst etwas falsch zu machen…
Irgendwann fahre ich an den Straßenrand und die ersten Tränen der Erleichterung bahnen sich ihren Weg. Nachdem ich mich etwas beruhigt habe, fahre ich weiter und gehe, nachdem ich mich ausgezogen habe erst einmal baden.
Dieser Tag hatte mehr Wahrheiten, Herausforderungen und Gefühls auf und ab´s wie ich ertragen kann und ich komme kaum zu Ruhe. Ich lege mich wieder in Matts Bett und versuche zu schlafen. Ich schlafe wieder schlecht und wenn ich daran denke, was mich im Büro noch an Arbeit erwartet, da bekomme ich einen zentnerschwerer Klotz im Magen.
Wieder stehe ich ganz früh auf, ich mache mir einen Kaffee zum Frühstück und sehe auf den See, der im Licht der aufgehenden Sonne spiegelglatt und zugefroren vor mir liegt. Ich ziehe mir eine Jeans, einen dicken Pullover, eine dicke Jacke und meine Stiefel an und laufe in die Scheune. Ich stelle beinahe die ganze Scheune auf den Kopf und schließlich halte ich meine alten Schlittschuhe in der Hand.
Wieder kämpfe ich mit den Tränen, früher bedeutete mir das Eis alles und jetzt?
Ich gehe den langen Weg hinunter zum Steg und schnalle sie an. Es fühlt sich befremdlich und doch vertraut an.
Dann setze ich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder meine Füße aufs Eis.
Erst nur ganz langsam mit fließenden, langen Bewegungen. Ich schließe meine Augen und merke, wie die Tränen in mir aufsteigen, hier fühle ich mich ihnen so nah wie sonst nirgendwo. Ich drehe ein paar große Runden und versuche mich sogar an einigen kleinen Sprüngen, mehr wie einmal lande ich auf meinem Hosenboden und schließlich bleibe ich einfach sitze und weine.
So lange haben sich die Gefühle aufgestaut und jetzt kann einfach nicht mehr.
Starke Arme umschließen mich und ziehen mich in eine feste Umarmung. Ich wage es nicht aufzusehen und vergrabe mein Gesicht an einer breiten Brust.
Nach einer Weile sehe ich auf und in Vincents Gesicht.
„Hallo.“ Flüstert er.
„Es tut mir so leid.“ Schluchze ich.
„Mir auch.“ Er zieht mich wieder in seine Arme.
„Nein…“ weine ich „Es war nicht richtig.“
„Alles wird gut.“ Sagt er leise und ich stemme meine Hände gegen ihn.
„Mir geht es gut.“ Wehre ich mich.
Da ist sie wieder, die Danielle, die alle auf Abstand halten will…
„Ich sagte dir schon, dass du nicht lügen kannst.“ Er sieht mich prüfend an und ich stehe auf.
Auch er steht auf und beobachtet mich ganz genau. Genauso wie damals in der Werkstatt und genauso nervös macht es mich jetzt auch.
„Vincent… ich…“ stottere ich.
„Halt einfach mal deinen Mund…“ Er kommt mit großen Schritten zu mir, zieht mich in seine Arme und küsst mich.
Seine warmen, weichen Lippen legen sich auf meine und einen kleinen Moment will ich mich wehren, schließlich aber gewinnt der Teil von mir, der sich das wünscht, seitdem ich ihm das erste Mal in die Augen geschaut habe und ich ziehe ihn dichter zu mir.
Seine Lippen prickeln auf meinen und in meinem Bauch explodiert ein Feuerwerk.
Ich schließe meine Augen und wünsche mir, dass dieser Kuss niemals endet. Doch er endet und wir sehen uns atemlos an.
„Es tut mir leid.“ Flüstert er.
„Was jetzt?“ ich lege meinen Kopf schief und er lächelt leicht.
„Nicht der Kuss…“ er drückt mir erneut einen Kuss auf die Lippen „Es tut mir leid, das ich nicht ehrlich war.“
„Ich habe mich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Ich hätte von Anfang an die Wahrheit sagen sollen.“ Ich sehe weg und er legt seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen.
„Gibt es noch etwas was ich wissen sollte?“ er zieht eine Augenbraue hoch und das erste Mal seit Tagen kann ich lachen.
Er nimmt meine Hand und wir gleiten zum Steg.
„Na ja, ich bin Ärztin und nicht wie angenommen Betriebswirtin.“ Ich sehe ihn an und er nickt „Ich bin ein Loser was Beziehungen angeht, weil ich lieber verletze als verletzt zu werden.“ Ich atme tief durch. „Ich habe die letzten Jahre auf der Flucht vor mir selbst verbracht und mein Familienleben gleicht einer Katastrophe.“ Wir kommen am Steg an und ich schnalle meine Schlittschuhe ab um in meine Stiefel zu schlüpfen „Früher war ich richtig gut.“ Ich deute auf den See „Bevor das alles passiert ist.“ Füge ich leicht verbittert hinzu.
„Jetzt hörst du mir mal zu.“ Er setzt sich neben mich und legt seine Stirn an meine „Du bist eine wirklich ausgezeichnete Ärztin. Du hast ein Baby zur Welt gebracht und dich dabei zu sehen… Keine Ahnung, das war unbeschreiblich.“ Er lächelt leicht „Was den Loser in Beziehungen angeht. Du hattest Recht, ich kam von Sandra nicht los…“ er seufzt leise „Aber ich brauchte vielleicht einfach jemanden, der mir die Augen öffnet.“ Wieder lächelt er „Und dir treibe ich deine Flusen schon aus. Das mit dem weg laufen muss endlich mal aufhören.“ Jetzt wird er ernst „Ich kann auch mein Jagdgewehr holen, wenn es sein muss.“
Jetzt lächle ich und er küsst mich „Und dein Familieleben würde ich nicht als Katastrophe sondern als Baustelle bezeichnen. Du hast alle Karten in der Hand und du hast immer eine Wahl.“
„Das hast du mir schon mal gesagt.“ Erwidere ich leise.
„Ja und ich meine es immer noch genauso.“ Er küsst mich innig „Du hast alle Karten in der Hand, spiele sie richtig aus.“
„Bevor ich anfange meine Karten auszuspielen, muss ich die Bilanz fertig bekommen. Wenn die nicht fertig wird, dann müssen Granny und Pop Strafe zahlen…“ ich verziehe das Gesicht „Ich denke das weißt du, oder?“
„Ja.“ Sagt er und nickt leicht. „Dann lass uns los, je eher wie anfangen, desto schneller sind wir fertig.“ Er steht auf und hilft mir beim aufstehen.
Hand in Hand gehen wir zum Haus und ich mache uns erst einmal einen Tee, denn wir sind beide ganz schön durch gefroren.
Ich stütze meine Hände auf der Arbeitsfläche ab und sehe hinaus auf den See, meine Spuren sind deutlich zu erkennen und ich schließe kurz meine Augen.
„Hey.“ Vincent tritt hinter mich und umarmt mich.
„Tee ist gleich fertig.“ Ich drehe mich in seinen Armen um.
Er lächelt leicht und schüttelt mit dem Kopf.
„Waran denkst du?“ will er wissen und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.
„Früher verging kein Tag an dem ich nicht auf dem Eis war.“ Beginne ich „Heute wieder auf Schlittschuhen zu stehen hat mir gezeigt, das immer noch etwas von dieser Dani übrig ist.“ Ich sehe auf und er lächelt mich liebevoll an „Auch wenn ich spätestens heute Abend dutzende blaue Flecken haben werde, die mir beweisen, das ich längst nicht mehr so gut bin.“ Füge ich hinzu und reibe meinen Ellenbogen.
„Ich werde mich darum kümmern.“ Verspricht er mir vieldeutig.
„Bist du zufällig Arzt oder Wunderheiler?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
Er tut als müsse er nachdenken „Nein, ich glaube nicht.“ Antwortet er schließlich.
„Dann bin ich gespannt.“ Erwidere ich süffisant lächelnd.
Der Wasserkocher klickt und ich schenke uns beiden heißes Wasser in die Thermobecher ein.
Während der Tee zieht drehe ich mich wieder zu Vincent, nehme sein Gesicht in meine Hände und küsse ihn sanft.
„Danke Vincent.“ Flüstere ich zwischen zwei Küssen.
„Lass das mit dem Vincent endlich, sonst nenne ich dich auch Danielle.“ Neckt er mich.
„Danke Vince.“ Grinse ich.
„Für dich immer… Dani.“ Er zieht mich dichter zu sich und küsst mich hingebungsvoll.
„Wir müssen los, sonst werden wie nie fertig.“ Ich fische die Teeeier aus den Bechern und verschließe sie mit einem Deckel.
Er seufzt leise, holt dann aber unsere Jacken und wir gehen zum Pick up.
„Wollen wir nicht lieber mein Auto nehmen?“ er deutet auf seinen Mustang.
„Nein eher nicht. Dieses Auto ist ein Teil von mir.“ Ich öffne die Beifahrertür und er steigt ein. Ich reiche ihm seinen Becher und küsse ihn, ehe ich selbst einsteige.
Wir fahren eine Weile schweigend und er hält meine Hand. „Es gäbe eine Möglichkeit, wie wir noch schneller mit allem fertig werden können…“ Er sieht mich an und ich erwidere seinen Blick.
„Mein Dad?“ frage ich leise.
„Ja, er kennt sich aus. Letztes Jahr haben er und Pete die Bilanzen gemacht.“ Er küsst meine Hand und ich denke nach.
Als wir an der Werkstatt ankommen sehe ich ihn lange an. „Kannst du alleine anfangen? Ich muss noch was erledigen.“ Ich sehe ihn bittend an.
Er lächelt, küsst mich innig und steigt dann aus.
„Du hast alle Zeit der Welt Prinzessin, dein Held wartet hier auf dich.“ Er verbeugt sich und ich lache auf.
„Du spinnst.“ Ich sehe in sein grinsendes Gesicht.
„Es ist so schön dich lachen zu hören.“ Er schließt die Tür, geht ums Auto herum und ich kurbele meine Scheibe runter.
„Bis gleich Prinzessin.“ Er küsst mich erneut und geht dann in die Werkstatt.
Ich lenke meinen Wagen durch die Innenstadt hinaus nach Davis und halte vor einem Haus, vor dem das Auto meines Dads steht. Ich kämpfe einen Moment mit mir, steige dann aber aus und gehe zur Haustür. Zaghaft drücke ich auf den Klingelknopf und ein Glockenspiel ertönt. Ich trete einen Schritt zurück und eine Frau öffnet mir die Tür.
„Wie kann ich ihnen helfen?“ fragt sie freundlich.
„Ich bin Danielle. Kann ich mit meinem Dad sprechen?“ frage ich und reibe mir nervös die Hände.
„Danielle?“ sie sieht mich erstaunt an und ich nicke.
„Komm doch rein.“ Bittet sie mich und ich trete in den Flur.
„Charlie? Du hast Besuch.“ Ruft sie ins Innere des Hauses und mein Dad kommt aus der Küche.
„Danielle?“ auch er sieht mich erstaunt an.
„Hallo Dad.“ Erwidere ich leise und sehe ihm in die Augen. Er hat sich in den letzten 10 Jahren sehr verändert, seine ehemals dunkelbraunen Haare sind mit grauen durchzogen und er trägt sie jetzt ganz kurz. Er ist immer noch trainiert, aber man sieht ihm an, dass er mittlerweile viel Zeit im Büro verbringt. Einzig und allein seine dunkelblauen Augen scheinen sich nicht verändert zu haben und er mustert mich.
Er sieht mich einen weiteren Moment an, dann kommt er zu mir und nimmt mich in den Arm.
Ich schluchze leise und er streicht mir über den Kopf, so wie er es früher immer gemacht hat.
„Es tut mir leid.“ Flüstere ich.
„Oh nein Spätzchen…“ er küsst meinen Scheitel „Mir tut es leid.“
Eine ganze Weile stehen wir so im Flur und er hält mich einfach nur fest.
„Komm, wir setzen uns.“ Er bittet mich ins Wohnzimmer und ich setze mich zu ihm auf die Couch, während uns seine Frau einen Tee bringt.
„Das ist Dora, meine Frau.“ Stellt er sie mir vor.
„Freut mich Dora.“ Ich nicke ihr kurz zu und sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Mich auch Danielle.“ Sie erwidert mein Nicken.
„Dani.“ Ich versuche zu lächeln.
„Ich lasse euch einen Moment allein, ich bin in der Küche, wenn ihr was braucht.“ Sie eilt hinaus und schnäuzt sich.
„Sie hat so sehr gehofft dich eines Tages kennen zu lernen.“ Erklärt mir mein Dad und ich sehe ihn fragend an. „Dora hat keine eigenen Kinder, sie kann keine bekommen, deshalb hat sich ihr erster Mann auch von ihr getrennt.“ Erklärt er mir „Sie weiß alles über dich, über Matti und über deine Mum. Sie hat mir geholfen, sie hat mir einen guten Therapeuten besorgt und dann habe ich mich irgendwann in sie verliebt.“ Er zuckt mit den Schultern „Ich weiß, du kannst das vielleicht nicht verstehen.“
„Doch Dad, ich verstehe das…“ ich nehme seine Hand in meine „Du hast alles Recht der Welt glücklich zu sein und ich war eine furchtbare Tochter, weil ich das nicht gesehen habe. Ja, ich habe meinen Bruder und meine Mum verloren, aber du hast deinen Sohn und deine Frau verloren. Ich denke, das habe ich einfach aus den Augen verloren.“ Gestehe ich ihm.
„Ich hätte für dich da sein müssen…“ er schüttelt traurig mit dem Kopf „Ich konnte dich nicht leiden sehen. Nur hast fast nur geweint und ich habe gedacht, ich verliere dich auch.“
„Es ging mir schlecht, aber ich niemals daran gedacht aufzugeben…“ ich zucke mit den Schultern „Ich bin nicht Mum. Ich habe mich aufgerappelt, egal wie schwer es war.“
„Das weiß ich, ich bin so stolz auf dich.“ Er lächelt leicht.
„Da gibt etwas, was du wissen solltest…“ ich kaue auf meiner Unterlippe.
„Was denn?“ er sieht mich gespannt an.
„Ich habe das Betriebswirtschaftstudium nicht abgeschlossen, ehrlich gesagt habe ich es nach knapp 2 Monaten hin geschmissen.“ Gestehe ich und seine Augen weiten sich.
„Aber du erstellst doch die Bilanzen…“ stellt er verwirrt fest.
„Ja… Mit Hilfe eines Freundes.“ Erkläre ich ihm „Ich habe keine Ahnung von dem Ganzen.“
„Du hast also dein Studium geschmissen? Aber was hast du die letzten Jahre gemacht?“ er nimmt einen Schluck von seinem Tee.
„Ich habe studiert, nur eben nicht, das was ihr alle glaubt. Ich habe mein Studium abgeschlossen und ich denke, ich bin gut…“ ich grinse bei seinem ungläubigen Gesichtsausdruck „Ich habe Medizin studiert und bin Notfallärztin im Seattle Memorial.“
„Wow…“ er nimmt mich in den Arm „Ich bin so unglaublich stolz auf dich.“
„Danke Dad.“ Gebe ich gerührt zurück.
„Was mich zu meinem eigentlichen Anliegen bringt…“ druckse ich herum.
„Sag schon…“ er grinst breit.
„Na ja, die Bilanzen müssen fertig gemacht werden und Vince sitzt schon dran, aber wir können das unmöglich alleine schaffen. Hast du heute zufällig Zeit? Und morgen vielleicht auch?“ ich lächle schief.
„Das kann ich einrichten.“ Er nickt und lächelt dann „Was ist bei dir und Vincent los?“
„Was wird das denn jetzt?“ ich lache leise als ich den besorgten Blick sehe. „Dad, Vince und ich mögen uns.“ Erkläre ich ihm.
„Nur mögen?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Viel mögen…“ ich kaue wieder auf meiner Unterlippe „Schon als ich ihn das erste Mal gesehen habe, da hat er mir gefallen und das obwohl er ein Jagdgewehr auf mich gerichtet hatte.“ Erkläre ich ihm und er sieht mich geschockt an. Schnell winke ich ab „Er dachte, er hat einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt, weil ich den stummen Alarm nicht ausgestellt hatte.“
„Ich weiß noch nicht, ob ich ihn immer noch mag.“ Er denkt angestrengt nach.
„Es wäre mir wichtig.“ Ich sehe ihn an und er lächelt.
„Vince ist ein guter Mann.“ Erklärt er mir.
„Ich weiß.“ Gebe ich zu „Aber kannst du das erst einmal für dich behalten?“ bitte ich ihn.
„Aber sicher.“ Er nickt und nimmt meine Hand „Danke Dani.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich danke dir.“ Erwidere ich „Ich muss wieder zurück zu Vince.“ Ich stehe auf und er tut es mir gleich.
„Ich ziehe mich um und komme dann auch gleich. Ich denke, ich einer Stunde bin ich da und wir können es in Angriff nehmen.“ Er begleitet mich zur Tür.
„Bye Dora!“ rufe ich seiner Frau zu und sie winkt mir aus der Küche zu. „Tut mir leid, das ich dir deinen Mann etwas ausborgen muss.“ Füge ich hinzu und sie winkt ab.
„Schon Okay Dani, ich werde es überleben.“ Versichert sie mir.
Als wir nach draußen kommen und mein Dad den Pick up sieht, da schüttelt er lachend mit dem Kopf.
„Sag jetzt nicht.“ Warne ich ihn und er hebt die Hände.
„In diesem Ding habe ich dir und Matt das Auto fahren bei gebracht. Ich werde mich hüten gegen die alte Lady etwas zu sagen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Fahr vorsichtig. Bis gleich.“ Er bleibt in der Tür stehen und wartet bis ich am Auto bin.
„Bis gleich Dad.“ Rufe ich ihm zu und steige ein.
Keine 10 Minuten später bin ich an der Werkstatt und schleiche die Treppen hoch. Vincent sitzt an Pops Schreibtisch und ist auf die Zahlen konzentriert.
Ich trete fast geräuschlos hinter ihn und drehe dann den Stuhl schwungvoll zu mir um.
„Willst du, dass ich auch einen Herzinfarkt bekomme?“ lacht er und zieht mich auf seinen Schoß.
„Das würde jetzt nicht so gut passen.“ Denke ich laut nach und er küsst mich innig.
„Und? Wie ist es gelaufen?“ er sieht mich prüfend an und streicht über meinen Rücken.
„Mein Dad ist in einer knappen Stunde hier und hilft uns. Es war gut, wir haben endlich mal geredet.“ Ich nehme sein Gesicht in meine Hände „Ich danke Dir mein Held.“ Ich küsse ihn sanft.
„Das hast du ganz alleine hin bekommen.“ Er lächelt und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Und bist du weiter gekommen?“ ich sehe an ihm vorbei auf den Schreibtisch.
„Etwas…“ gibt er zu „Zwischendurch musste ich ein paar Telefonate für dich annehmen.“ Er greift auf den Tisch und reicht mir mein Handy.
„Wer hat denn angerufen?“ frage ich verwirrt.
„Als erstes Joshua, wir haben uns etwas unterhalten und er hat mir einen Überblick gegeben, wie weit du bist und nach welchem System ihr vorgeht. Josh weiß echt was er tut.“ Er zieht anerkennend eine Augenbraue hoch.
„Ich weiß, er ist ja nicht umsonst mein bester Freund.“ Strahle ich.
„Und dann hat eine Camilla angerufen. Die mir erzählt hat, das sie deine beste Freundin ist und sich Sorgen macht, das du dich seitdem du hier bist noch nicht gemeldet hast. Ich soll dir ausrichten, das es Jellybean gut geht und das sie erwartet, das du dich heute Abend meldest.“ Er grinst breit.
„Verdammt.“ Fluche ich leise „Ich habe tatsächlich vergessen Cam anzurufen.“
„Halb so wild, sie hat eine Kurzversion der Kurzversion bekommen und ist fürs erste besänftigt.“ Er zwinkert mir zu „Wie du das allerdings bei Jellybean gut machen willst ist mir schleierhaft.“
„Sag mal, wie lange hast du mit meinen Freunden gesprochen?“ lache ich leise.
„Mit Josh ne gute halbe Stunde und mit Cam 20 Minuten ungefähr, sie ist ganz schön neugierig.“ Gibt er zu „Und ach ja, Fran hat angerufen. Pete kann morgen Vormittag nach Hause.“
„Das ist schön.“ Ich umarme ihn und halte mich an ihm fest.
„Ja und Fran ist gleich wieder in ihrem Element, Silvester findet wie jedes Jahr ein kleiner Ball statt und dieses Jahr erst recht.“ Er zieht eine Augenbraue hoch.
„Pop soll sich schonen.“ Seufze ich.
„Das wird er, sie bekommen eine Schwester für zu Hause.“ Erklärt er mir und ich nicke erleichtert.
„Gut, dann eben ein Ball.“ Ich zucke mit den Schultern. Ich meine, ich rede hier von meiner Granny, ihre Silvesterpartys waren schon immer was besonders…
„Begleitest du mich?“ fragt Vincent leise und ich sehe ihn lächelnd an.
„Wenn du das möchtest.“ Ich fahre ihm durch die Haare.
„Ich möchte nichts so sehr wie das.“ Grinst er, küsst mich herausfordernd.
„Gerne. Aber deine Begleitung wird sich kein neues Kleid besorgen können und wird das gleiche Kleid wie vor 4 Tagen anziehen.“ Erkläre ich ihm ganz ernst und er lacht auf.
„Du sahst wunderschön aus und von mir aus könntest du nackt gehen.“ Er küsst mich erneut, mein Herz schlägt bis zum Hals. Ich glaube, ich bin noch niemals so geküsst worden wie von ihm oder ich habe noch niemals für jemanden so empfunden wie für ihn. Mir wird heiß und kalt zugleich, mein Herz schlägt heftig in meiner Brust und meine Lippen prickeln…
Seine Hände liegen auf meinen Hüften und wandern unter meinen Pullover.
„Was genau wird das?“ frage ich ihn und lehne mich vor, um an seinem Ohrläppchen zu knabbern.
„Bitte nicht Prinzessin.“ Er schiebt mich ein Stück von sich weg. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Ich seufze theatralisch und er hebt mich an, so dass ich mich gezwungener Maßen von seinem Schoß erhebe.
„Also gut, was soll ich tun?“ ich sehe ihn fragend an.
„Josh sagt, du warst mit den Lieferscheinen und er Gewerbesteuer fast fertig.“ Er sieht zu mir und ich nicke.
„Die Ordner sind drüber.“ Ich deute nach nebenan.
„Gut, dann gehen wir dahin.“ Er erhebt sich und nimmt seine Papiere mit.
Wir setzen uns und er reicht mir eine Tasse Kaffee. Leise stöhnend widme ich mich der Arbeit, Zahlen, Zahlen…. Zahlen. Ich kann es nicht mehr sehen.
„Wo seid ihr?“ ertönt die Stimme meines Dads und ich reibe mir den Nacken.
„Hier. Pausenraum.“ Rufe ich ihm zu und er kommt die Treppe hoch.
„Hallo Vince!“ begrüßt er zu erst Vincent, dann haucht er mir einen Kuss auf die Haare „Hallo Spätzchen. Wie weit seid ihr?“
Wir erklären ihm was wir bis jetzt geschafft haben und dann sitzen wir zwei Stunden später jeder über seinen Papieren und mein Dad tippt eifrig auf seinem Laptop.
„Hat jemand Hunger?“ ich erkenne die Stimme von Dora und wie auf Kommando knurrt mein Magen.
„Hier oben.“ Ruft mein Dad und Dora kommt zu uns.
„Du kommst wie gerufen Schatz, wenn Danis Magen noch mal so laut knurrt, dann holt Vince womöglich noch sein Jagdgewehr raus.“ Er zwinkert mir zu und ich sehe entschuldigend zu Vince.
Dieser lacht aber ebenfalls und ich nehme seine Hand, als wir uns an den anderen Tisch setzen.
„Ich habe euch was vom Chinesen geholt.“ Erklärt uns Dora und ich reibe mir den Bauch.
„Ich liebe Chinesisch.“ Freue ich mich.
„Dann lasst es euch schmecken.“ Sie ist sichtlich erleichtert, dass sie meinen Geschmack getroffen hat.
„Bleib doch bitte.“ Ich deute auf einen leeren Stuhl und sie sieht zu Vince und meinem Dad.
„Komm schon Dora.“ Lächelt Vince und mein Dad klopft auf den Stuhl neben sich.
„Okay, aber nach dem Essen lasse ich euch weiter arbeiten.“ Verspricht sie, zieht sich ihre Jacke aus und setzt sich zu uns.
Das Essen ist entspannt und lustig, ich fühle mich wirklich endlich mal wieder wohl und wirklich fast zu Hause.
„Kommt ihr übermorgen auch zum Ball?“ ich sehe zu Dora und sie erwidert fragend meinen Blick. „Fran gibt einen Silvesterball.“ Füge ich erklärend hinzu.
„Gerne.“ Sie strahlt meinen Dad an.
„Du bekommst kein neues Kleid.“ Mein Dad hebt lachend die Hände.
„Ich brauche kein neues Kleid, aber du vielleicht einen neuen Anzug…“ sie sieht ihn skeptisch an „Ich glaube nicht, dass du in deinen anderen noch rein passt.“ Zieht sie ihn auf und ich lache leise.
„Dann geh ich jetzt Mal und lasse euch arbeiten. Kommt ihr wenigstens gut voran?“ sie nimmt ihre Jacke und ich sammele die Pappkartons ein.
„Ja, heute Abend und dann morgen früh, dann sollten wir es geschafft haben.“ Mein Dad steht auf, gibt ihr einen Kuss und sie winkt uns zu.
„Bis dann.“ Rufe ich ihr hinterher.
Vincent steht auf und kommt zu mir, um mich zu umarmen.
Ich sehe ihm tief in die Augen die wie braune Edelsteine leuchten und küsse ihn innig.
„Hey, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Rügt mein Dad uns und ich sehe zu ihm.
„Ist das neuerdings der Leitspruch von Bradford Motors?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Nein, der gilt fürs ganze Leben.“ Er zwinkert mir zu und wir setzen uns wieder an den Papierkram, damit mein Dad alles in den Computer eingeben kann.
„Wir sollten für heute Schluss machen.“ Mein Dad reibt sich müde die Augen und ich sehe nach draußen, tatsächlich ist es schon dunkel und wir haben wirklich viel geschafft für heute.
„Okay.“ Stimme ich ihm gähnend zu.
„Morgen um 9 Uhr? Dann sind wir, hoffe ich, gegen Mittag fertig.“ Er sieht erst zu mir und dann zu Vincent.
Dieser nickt nur und lehnt sich in seinem Stuhl nach hinten.
„Gut, bis dann.“ Mein Dad nimmt seine Jacke, kommt zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Haare „Schlaf schön Spätzchen.“
„Du auch Dad.“ Gebe ich müde zurück und werfe einen Blick auf meine Uhr, 23:38.
„Bis morgen Vince!“ er winkt Vincent zu und dann höre ich, wie er die Treppe hinunter steigt.
„Wir sollten heute vielleicht zu mir.“ Vincent kommt zu mir und haucht mir einen Kuss in den Nacken.
„Hmm.“ Stimme ich ihm murmelnd zu.
„Komm, bevor du wieder hier einschläfst.“ Er hält mir seine Hand hin und zieht mich hoch.
Ich überlasse ihm heute das Steuer meiner alten Dame und schon 5 Minuten später halten wir vor einem kleinen Haus.
Er steigt schnell aus und läuft ums Auto herum, um mir die Tür aufzuhalten.
Er legt seinen Arm um meine Schultern und wir gehen schnell zum Haus, denn zu aller Überraschung hat es mal wieder angefangen zu schneien.
Er schließt auf und schiebt mich schnell ins Haus.
„Willkommen.“ Lächelt er und nimmt mir meine Jacke ab.
Ich lasse meinen Blick kurz schweifen, es sieht noch ziemlich kahl aus. Typisch Mann eben, alle wichtigen Möbel sind da, aber keinerlei Deko oder etwas was es gemütlich macht. Zumindestens was die Möbel betrifft, da haben wir schon mal den gleichen Geschmack… Helles Eichenholz.
„Komm.“ Er bugsiert mich zur Couch, setzt sich und zieht mich auf seinen Schoß. „Darauf habe ich mich den ganzen Tag gefreut.“ Gesteht er mir und küsst mich innig.
„Ich mich auch.“ Grinse ich und ziehe ihn dichter zu mir.
Seine Hände wandern unter meinen Pullover und ich stöhne wohlig auf, meine Müdigkeit ist auf einmal wie weg geblasen.
Ich fahre mit meinen Händen ebenfalls unter seinen Pullover und er hebt die Arme, damit ich ihn ausziehen kann.
Dann zieht er mir ebenfalls meinen Pullover aus und küsst meinen Hals, sofort bekomme ich eine Gänsehaut, die er mit einem kleinen lächeln quittiert.
Er zieht mir mit einer geschickten Bewegung auch mein Shirt über den Kopf und küsst meinen Brustansatz. Mir entweicht ein leises Stöhnen und er hebt mich kurz an, sodass ich unter ihm liege. Sanft küsst er meinen Bauch und öffnet meinen Gürtel, seine Küsse hinterlassen eine brennend heiße Spur auf meiner Haut und ich fahre ihm durch die Haare. Er befreit mich ein paar Minuten später von meiner Jeans und meinem Slip und ich liege schließlich nackt vor ihm, während er noch seine Jeans trägt.
Ich komme etwas hoch und öffne die Knöpfe seiner Jeans, er hilft mir dabei sie ihm auszuziehen und dann beugt er sich über mich.
„Du bist wunderschön.“ Haucht er und dringt in mich ein.
Ich schließe meine Augen, genieße dieses Gefühl mit ihm eins zu sein und halte mich an ihm fest. Er gibt einen langsamen und steten Rhythmus vor und ich recke ihm bei jedem Stoß mein Becken entgegen. Meine kleine Welt löst sich einen Funkenregen auf, als ich meinen Höhepunkt erreiche und seine Stöße werden schneller und ungehaltener. Schließlich kommt auch er und hält mich fest an sich gepresst.
„Jetzt brauche ich wirklich ein Bett.“ Raune ich ihm ins Ohr und er lacht leise.
Eine Weile liegen wir noch zusammen gekuschelt auf der Couch, dann reicht er mir sein T-Shirt und meinen Slip, zieht sich Shorts an und nimmt mich an die Hand, um mich nach oben zu führen. Auch im Schlafzimmer setzt sich der eher karge Look fort, außer einem Bett, zwei Nachtschränken und einem Kleiderschrank steht hier nichts drin. Es ist zwar alles aufeinander abgestimmt, aber der Hauch Wärme fehlt.
Ich springe ins Bett und kuschele mich in die weiche Decke, dicht gefolgt von Vincent, der mich mit seinen starken Armen umschließt und ich mich selig lächelnd an ihn schmiege.
Das penetrante Piepen seines Handys reißt mich aus meinen Träumen und ich kuschele mich brummend unter meine Decke.
„Hey Schlafmütze…“ Vincent schmiegt sich an mich und ich seufze leise.
„Guten Morgen.“ Nuschele ich leise.
„So gerne ich auch den ganzen Tag mit dir im Bett verbringen würde, aber Charlie erwartet in einer Stunde auf uns.“ Er küsst meinen Nacken und ich stöhne leise.
Langsam drehe ich mich in seinen Armen um und küsse dabei seinen Hals. Nun ist er derjenige der leise aufstöhnt.
„Eine Stunde ist lang.“ Flüstere ich ihm ins Ohr und er lacht leise.
„Miss Bradford.“ Rügt er mich spielerisch, als ich meine Hand an seinem Bauch nach unten wandern lasse.
„Mister McDaniel?“ frage ich unschuldig als er scharf Luft einzieht, als ich sanft seinen Penis umschließe.
„Ach, ich pfeif auf Charlie.“ Er packt mich und ehe ich mich versehe sitze ich auf seinem Schoß.
Ich stütze mich mit meinen Händen auf seiner Brust ab und schließe meine Augen.
Es ist wunderbar mit ihm vereint zu sein und ich würde am Liebsten den ganzen Tag heute mit ihm im Bett bleiben…
Er packt mich an den Hüften und gibt einen harten, schnellen Rhythmus vor. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken und stöhne auf, als mich ein Orgasmus überrollt und er hart meine Brüste knetet.
Doch er lässt mich nicht los und hebt mich weiter im Wechsel an und drückt mich dann runter. Jeder Stoß lässt mich erzittern, denn jetzt, nach meinem Orgasmus bin ich so empfindlich, das es fast unangenehm ist.
Dann drückt er mich auf seine Mitte und ich merke wie er pulsierend in mir kommt. Erschöpft lasse ich meinen Kopf auf seine Brust sinken.
Ich fühle mich völlig benommen und lausche seinem abgehaktem Atem, der mit meinem zusammen passt.
„Duschen?“ fragt er leise nach ein paar Minuten und ich rolle mich von ihm runter.
Ich beobachte wie er aufsteht, versuche mir jede Einzelheit seines Körpers und seines Gesichtes einzuprägen… Noch niemals habe ich einen Mann gesehen, der in meinen Augen so perfekt ist.
„Was machst du da?“ er setzt sich grinsend auf die Bettkante.
„Ich betrachte dich.“ Gebe ich zu. Er beugt sich zu mir runter und küsst mich innig.
„Komm, ich will dich auf betrachten.“ Er zieht mir die Decke weg und ich erhebe mich. Ich werfe ihm einen langen Blick über meine Schulter zu und gehe dann extra langsam ins Bad.
Ich stelle die Dusche an und will gerade rein steigen, als mich zwei starke Arme packen und mich umdrehen.
„Du bist wunderschön.“ Er sieht mich an und ich schlucke, noch nie hat mich ein Mann so voller Verlangen und so voller Liebe angeschaut.
Er hebt mich an und ich umschließe ihn mit meinen Beinen.
Ich kralle mich an ihm fest, während er einen schnellen, ungestümen Rhythmus vorgibt und wir beide nur kurze Zeit später unseren Höhepunkt erreichen. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter.
„Bitte. Sieh. Mich. An.“ bittet er mich leise und ich sehe auf. Sein Blick ist weich und warm und ich versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„Ich. Habe. Mich. In. Dich. Verliebt.“ Haucht er und mein Herz setzt einen Schlag lang aus. „Lauf. Bitte. Niemals. Wieder. Weg.“ Er sieht mich bittend an.
„Ich. Liebe. Dich.“ Flüstere ich und ich merke wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Er ist der erste Mann, dem ich sagen kann, dass ich ihn liebe ohne dass es mir die Kehle zuschnürt. Im Gegenteil, es befreit mich ihm das zu sagen und das ist wirklich völlig neu für mich.
Er setzt mich auf einem kleinen Schrank ab und streicht meine Träne weg, die sich aus meinem Augenwinkel gestohlen hat.
„Ich liebe dich.“ Sagt er lächelnd. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe.“ Er küsst mich innig und zieht sich aus mir zurück.
Ich bin nicht fähig etwas zu sagen und lasse mich von ihm widerstandslos in die Dusche führen. Ich spüre das warme Wasser in meinem Gesicht, auf meinem Rücken und auf meiner Brust. Alles fühlt sich an, wie in Watte gepackt und mein Kopf kämpft noch mit der Tatsache, dass ich diesen Mann, der mich gerade liebevoll einseift, wirklich und wahrhaftig liebe.
Ich sehe ihn an und er lächelt, ein lächeln, welches einen ganzen Raum erhellen kann und dich glauben lässt du bist der Mittelpunkt der Welt. Der letzte Mensch, der dieses Gefühl in mir auslösen konnte war Matt, danach hat es niemand geschafft… bis jetzt.
„Geht es dir gut?“ Vincent legt mir ein Handtuch um die Schultern und ich sehe ihn an.
„Mir ging es schon lange nicht mehr so gut.“ Flüstere ich und ziehe ihn zu mir „Ich danke dir.“
„Nein, ich danke dir.“ Erwidert er, macht sich dann vor mir los und ich sehe ihn enttäuscht an.
„Komm schon Prinzessin, sieh mich nicht so an…“ grinst er „Dein Dad ist bestimmt gleich da und ich will die Bilanzen wirklich fertig bekommen, damit ich nicht mehr darüber nachdenken muss.“ Er küsst mich kurz, schlingt sich sein Handtuch um die Hüfte und geht ins Schlafzimmer.
Ich trockene mich ab und schlüpfe in meine Unterwäsche und meine Jeans, die er mir rüber geworfen hat und gehe dann ins Schlafzimmer. Er hat mittlerweile auch seine Jeans an, ich umarme ihn von hinter und küsse seine Schulter.
Er dreht sich um und reicht mir mein Shirt.
„Zieh das sofort an, oder dein Dad muss weiter auf uns warten.“ Er zieht eine Augenbraue hoch und ich ziehe mir das Shirt über. Dann gehe ich ins Wohnzimmer und ziehe mir dann auch meinen Pullover und meine Socken an.
„Kaffee?“ er hält mir einen Becher hin und ich sehe ihn erstaunt an.
„Kaffeemaschine mit Timer.“ Er zwinkert mir zu und verschließt den Thermobecher mit einem Deckel. „Komm, es ist schon kurz nach 9 Uhr.“ Er deutet auf seine Uhr, reicht mir meine Stiefel und ich schlüpfe hinein.
Nur noch schnell meine Jacke und wir sitzen auch schon in seinem Auto. Ich werfe meiner alten Lady einen traurigen Blick zu und wir fahren von der Auffahrt.
Wir kommen nur langsam voran, da die Nebenstraßen noch nicht geräumt sind und der Mustang so seine Schwierigkeiten mit dem Schnee hat.
„Das nächste Mal nehmen wir meine alte Lady.“ Lache ich und bekomme einen bösen Blick zu geworfen.
„Nichts gegen mein Auto.“ Grummelt er.
„Ich sag doch nur.“ Gebe ich zurück und muss mir ein grinsen verkneifen.
Schließlich parken wir vor der Werkstatt und ich stiege schnell aus.
Kurz vor der Tür holt er mich ein und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.
„Nie wieder ein Wort gegen mein Auto.“ Grinst er.
„Ich doch nicht.“ Lache ich.
„Ist klar.“ Erwidert er mein lachen und wir betreten die Werkstatt.
„Dad?“ rufe ich, als ich die Tür hinter uns geschlossen und den Schnee von den Stiefeln geklopft habe.
„Büro.“ Kommt es augenblicklich und wir gehen die Treppe hoch.
Lächelnd hänge ich meine Jacke auf und Vincent tut es mir gleich, dann haucht er mir einen Kuss auf die Lippen und ich setze mich neben meinem Dad, während er gegenüber Platz nimmt.
„Ich frage lieber nicht, warum ihr zu spät kommt.“ Mein Dad sieht uns milde lächelnd an.
„Sorry.“ Entschuldige ich mich und er winkt ab.
„Ach was, jetzt aber Konzentration.“ Er deutet auf die letzten beiden Ordner und ich nehme mir den einen, während sich Vincent den anderen nimmt.
Wir arbeiten still vor uns hin und ich gebe meinen Dad die letzten Zahlen gegen Mittag.
„Ich glaube das war es.“ Er sieht auf seinen Monitor und dreht dann den Laptop zu Vincent. Dieser überfliegt alles und nickt dann schließlich.
„Ja.“ Sagt er erleichtert.
Ich lasse mich nach hinten in meinen Stuhl fallen und schnaube.
„Endlich.“ Stöhne ich.
„Gut gemacht Spätzchen.“ Lobt mich mein Dad.
„Ohne dich hätten wir das nicht geschafft.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
„Wir waren alle ziemlich gut…“ sagt Vincent überzeugt „Und ich würde sagen, wir genehmigen uns jetzt ein schönes Mittagessen zum Abschluss.“ Er sieht kurz vom Laptop auf „Jetzt ist alles bei der Steuerbehörde.“ Er klatscht zufrieden in die Hände.
„Klingt gut.“ Mein Dad sieht mich an und ich nicke zustimmend. Da das Frühstück ja ausgefallen ist, meldet sich mein Magen mal wieder mehr wie deutlich.
„Dann lasst uns aufräumen und von hier verschwinden.“ Mein Dad steht auf und ich sammle die ganzen Ordner ein und verstaue sie wieder an ihren Plätzen. 15 Minuten später reicht mir Vincent meine Jacke und wir gehen Hand in Hand die Treppe runter.
Wir fahren in ein kleines Restaurant und bekommen einen Platz zu gewiesen.
„Dani?“ die Mum von Trevor sieht mich überrascht an.
„Mrs. Trevors Mum.“ ich sehe sie entschuldigend an, denn ich weiß ihren Namen nicht.
„Alice.“ Lächelt sie und reicht uns die Karten. „Sam fragt schon die ganze Zeit wo du bist.“ Erklärt sie mir.
„Es tut mir leid, ich hatte so viel um die Ohren.“ Gebe ich entschuldigend zurück.
„Ach…“ sie winkt ab „Nun mach dir keine Gedanken „Wenn du magst, dann kannst du sie ja heute Nachmittag besuchen. Ansonsten wird sie auch morgen oder übermorgen entlassen.“
„Ich werde nachher bei ihr vorbei fahren.“ Ich sehe zu Vincent und er nickt lächelnd.
„Dann sucht euch jetzt mal was aus, ich bin gleich wieder da.“ Sie zwinkert mir zu und geht dann zu einem anderen Tisch.
„Woher kennst du denn Alice?“ mein Dad sieht mich erstaunt an.
„Dani hat das Baby von Sam und Trevor zur Welt gebracht.“ Erklärt ihm Vincent stolz und ich merke wie mir die Röte ins Gesicht steigt.
„Wirklich?“ fragt mein Dad überrascht.
„Ja, sie war toll…“ Vincent greift nach meiner Hand „Ohne sie hätten es Sam und das Baby nicht geschafft.“ Er küsst meine Fingerknöchel.
„Wow, meine kleine Tochter ist eine richtige Ärztin. An den Gedanken muss ich mich wohl erst noch gewöhnen.“ Gibt mein Dad zu und Alice kommt zurück zu uns.
Wir bestellen uns das Mittagsgericht und schon 10 Minuten später steht ein Teller mit einem leckeren Steak vor mir.
„Ich verhungere gleich.“ Gebe ich zu und Vincent lacht leise.
„Habt ihr etwa nicht gefrühstückt?“ mein Dad sieht uns beide abwechselnd an.
„Nein.“ Antworten Vincent und ich wie aus einem mund und mein Dad lacht leise.
„Keine weitere Informationen.“ Bittet er uns und wir beginnen grinsend zu essen.
Gesättigt lehne ich mich zurück und reibe mir den Bauch.
„Das war wirklich lecker.“ Ich strahle Alice an, die unsere Teller abräumt.
„Geht aufs Haus.“ Erklärt sie uns und ich winke ab.
„Nein, nein… Das bezahle ich.“ Wehre ich mich.
„Nichts da, du hast meine Schwiegertochter und meinen Enkel das Leben gerettet, dieses Essen geht auf mich und keine Widerrede.“ Sie sieht mich lächelnd an und ich nicke schließlich.
„Wow, eine Ärztin zur Freundin zu haben, hat ja wirklich Vorteile.“ Feixt Vincent.
„Hör auf damit.“ Ich boxe ihn leicht „Ich mache nur meinen Job, ich erwarte keine Gegenleistung.“
Mein Dads Handy klingelt und er entschuldigt sich kurz, während Vincent und ich unseren Eistee austrinken.
„Das war Dora, sie wartet vor irgendeiner Boutique auf mich.“ Entschuldigt sich mein Dad.
„Dan geh mal schön shoppen.“ Ich stehe auf und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns ja übermorgen.“
„Ganz bestimmt Spätzchen…“ er drückt mich an sich „In der Scheune findest du in dem hellblauen alten Schrank ein weißes Paket. Ich würde mich freuen dich auf dem Ball darin zu sehen.“ Er streicht über meine Wange und ich sehe ihn verständnislos an „Und bestell Fran und Pete liebe Grüße.“ Er winkt uns zu und verlässt das kleine Restaurant.
„Und wollen wir jetzt zu Sam?“ Vincent zieht sich seine Jacke an und ich nicke.
„Ja, dann kann ich gleich fragen, wann Pop entlassen wird und was er zu beachten hat.“ Erkläre ich ihm „Bye Alice!“ ich winke ihr zu und sie kommt zu uns, um mich an sich zu drücken.
„Ich danke dir so sehr.“ Flüstert sie mir ins Ohr.
„Alice, das war selbstverständlich.“ Gebe ich zurück und sie wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Nein, das war es nicht.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Danke Alice.“ Gebe ich schließlich zurück und Vincent legt seinen Arm um mich, als wir das Restaurant verlassen.
„Lass es einfach mal zu, wenn dir die Menschen dankbar sind.“ Haucht er mir ins Ohr.
„Ich bin es nicht gewohnt.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Tja in Seattle geht so etwas unter, aber nicht hier in Palmer.“ Er zieht mich in seine Arme. „Bleib bei mir.“ Bittet er mich.
„Ich kann in Seattle nicht alles stehen und liegen lassen.“ Ich zwinge ihn mich anzusehen, als er zu Boden sieht „Aber ich kläre dort alles und dann komme ich zu dir.“ Erkläre ich ihm.
Ich habe diese Entscheidung gerade eben getroffen, ich will nicht mehr eine Sekunde von ihm getrennt sein. Ich will zurück nach Hause, ich will bei meiner Familie und bei dem Mann den ich liebe sein. Ich will in einem Krankenhaus arbeiten, wo ich fast jeden Patienten kenne… Ich will zurück nach Palmer.
„Versprochen?“ fragt er leise.
„Versprochen.“ Versichere ich ihm „Ich liebe dich mein Held.“ Ich küsse ihn und er lächelt.
„Und ich liebe Dich Prinzessin.“ Erwidert er glücklich.
Wir gehen zu seinem Auto und halten 20 Minuten später vor dem Krankenhaus. Hand in Hand betreten wir die Anmeldung.
„Ich frage mal nach, wo Sam ist.“ Er küsst mich und geht dann an den Tresen der Anmeldung.
„Zimmer 311.“ Grinst er und wir besteigen den Fahrstuhl. Kaum das sich dieser in Bewegung gesetzt hat, zieht er mich an meinem Schal zu sich und küsst mich innig.
Lächelnd verlassen wir den Fahrstuhl im 3. Stock und machen uns auf die Suche nach Zimmer 311.
„Entschuldigung…“ ich gehe zu einem jungen Mann und er sieht mich gespannt an. „Wo finden wir Zimmer 311?“
„Ach, ihr sucht Sam?“ grinst er.
„Ja, ich habe es gestern nicht geschafft und muss mir den Kleinen doch mal genauer ansehen.“ Lächle ich.
„Bist du Dani?“ er legt seinen Kopf schief.
„Ja, die bin ich.“ Sage ich langsam und er reicht mir seine Hand.
„Malcolm Harris, Malcolm…“ sein grinsen wird noch breiter „Es freut mich dich kennen zu lernen. Du warst großartig.“ Lobt er mich.
„Danielle Bradford, Dani…Vielen Dank.“ Gebe ich zurück und merke mal wieder, wie verlegen ich werde.
„Gleich die zweite Tür rechts.“ Malcolm zwinkert mir zu und Vincent greift nach meiner Hand.
„Dann schauen wir uns jetzt mal den kleinen Mann an.“ er drückt mir einen Kuss auf die Wange und ich lächle ihn an.
„Markierst du gerade dein gebiet?“ ich sehe Malcolm hinterher und schenke Vincent einen langen Blick.
„Man kann ja nie vorsichtig genug sein.“ Erklärt er mir ernst und klopft an besagte Zimmertür.
„Herein.“ Kommt es gedämpft und ich betrete das Zimmer.
„Hallo Sam.“ Begrüße ich sie und sie erstrahlt als sie mich sieht.
„Oh Dani, es ist so schön, das du hier bist.“ Sie setzt sich etwas auf und ich nehme sie in den Arm. „Ich meine ihr.“ Ihr Blick fällt auf Vincent.
„Wie geht es dir denn?“ frage ich besorgt und streiche ihr eine blonde Locke aus der Stirn.
„Sehr gut, vielleicht können wir morgen schon nach Hause. Uns beiden geht es ja dank dir gut.“ Sie deutet auf das Kinderbettchen und ich trete heran.
Der kleine Mann räkelt sich gerade und ich streiche ihm sanft über seine kleine Hand.
„Wow, ist der klein.“ Sage ich andächtig.
„Ja, das ist er. Aber glaub mir, der wächst schneller als mir lieb ist…“ erklärt Sam und sieht zwischen mir und Vincent hin und her.
Vincent tritt hinter mich und betrachtet nun auch den Kleinen.
„Der ist wahnsinnig süß…“ stellt er fest „Kommt gar nicht nach seinem Dad.“ Fügt er hinzu und in diesem Moment betritt Trevor wie aufs Stichwort das Zimmer.
„Das habe ich gehört.“ Sagt er lachend und nimmt erst Vincent und dann mich in den Arm.
„Schön, das ihr hier seid.“ Er setzt sic zu Sam auf die Bettkante.
„Wie heißt der neue Peterson eigentlich?“ Vincent sieht zu Sam und sie grinst mich an.
„Trevor und ich haben uns gedacht wir würden ihn gerne Daniel nennen.“ Sie schenkt mir einen liebevollen Blick.
„Das ist ein schöner Name.“ Stelle ich lächelnd fest.
„Ja, er soll uns immer daran erinnern, was du für uns getan hast.“ Trevor nimmt den kleinen Mann aus seinem Bettchen und legt ihn mir in den Arm.
„Wow… ich danke euch.“ Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen.
„Nein, wir danken dir.“ Trevor gibt mir einen Kuss auf die Wange und ich betrachte das kleine Bündel Mensch.
„Hallo Daniel.“ Flüstere ich und er streckt sich.
„Du bist großartig.“ Vincent küsst mich und ich sehe ihn an. Ich weiß, ich brauche nur einmal blinzeln und dann beginnen die Tränen zu laufen.
Soviel Dankbarkeit wurde mir noch niemals in meinem Leben entgegen gebracht und ich tue mich etwas schwer damit das zu akzeptieren.
Schließlich muss ich blinzeln und Vincent wischt mir lächelnd meine Tränen weg.
„Oh wisst ihr eigentlich, wie süß ihr zusammen seid?“ Sam betrachtet uns beide.
„Ich weiß, dass ich süß bin.“ Vincent zwinkert mir zu und ich muss lachen.
„Angeber.“ Lacht auch Sam und ich lege ihr Daniel in den Arm.
„Er ist wirklich das niedlichste Baby, was ich jemals gesehen habe.“ Ich streiche ihm erneut übers Köpfchen.
„Rufst du mich an, wenn ihr morgen entlassen werdet? Dann komme ich noch mal vorbei, bevor ich zurück fliege.“ Bitte ich Sam und sie sieht erstaunt von mir zu Vincent.
„Keine Angst, sie kommt wieder.“ Erklärt ihr Vincent und nimmt mich in den Arm.
„Ja, aber ich kann in Seattle nicht alles stehen und liegen lassen.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Ja, dann gib mir deine Nummer.“ Sie nimmt ihr Handy von Nachtisch und ich tippe meine Handynummer ein.
„So, ich werde mal schauen, wie weit sie mit Pop sind. Er soll ja heute entlassen werden.“ Ich sehe zu Vincent und er nickt.
„Ja, Fran war schon hier.“ Erklärt mir Sam und ich sehe sie fragend an.
„Keine Angst, ich habe nichts gesagt. Das machst du schön alleine.“ Beruhigt sie mich.
„Danke Sam.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und dem kleinen Daniel einen Kuss auf sein kleines Köpfchen.
„Bis dann Trevor.“ Ich nehme auch ihn in den Arm und er drückt mich fest.
„Wir sehen uns!“ auch Vincent verabschiedet sich von den Beiden und wir gehen quer durchs Krankenhaus um auf die Station zu kommen, auf der Pop liegt.
„Peter Bradford?“ ich sehe eine Schwester fragend an.
„Zimmer 103.“ Sie deutet auf eine Zimmertür. „Aber da ist gerade Visite drin.“ Fügt sie erklärend hinzu.
„Sehr gut.“ Ich lächle sie freundlich an, klopfe an die Zimmertür und trete ein.
Ein Flock Ärzte sieht mich erstaunt an und auch Granny und Pop sehen leicht verwirrt aus. Wobei ich bei Granny und Pop nicht weiß, ob sie verwirrt sind, weil ich hier während der Visite rein komme oder aber weil ich mit Vincent an der Hand rein komme.
„Fahren sie ruhig fort.“ Bitte ich den Oberarzt und er nickt mir zu.
„… Wir haben bei dir eine Herzkatheteruntersuchung gemacht und du hast einen Stent gelegt bekommen, der das Gefäß offen hält. Du musst dich in den nächsten Wochen noch schonen. Nicht zu viel Aufregung und keine schweren Sachen heben.“ Erklärt ihm der Oberarzt.
„Darf ich kurz was fragen?“ ich sehe zu ihm und er schenkt mir einen nicht sehr freundlichen Blick. „Wurde der Stent in eine Arterie oder eine Vene gelegt?“ frage ich und halte seinem Blick stand.
„Was für eine Relevanz hat das?“ erwidert er mit einer Gegenfrage.
„Wenn der Stent in ein Vene gelegt wurde, dann sitzt er relativ fest, aber wenn er in eine Arterie gelegt wurde, dann muss er sich nicht nur schonen, sondern auch noch auf andere Sachen, wie seine Ernährung und seine Herzmedikamente achten und nicht zu vergessen, das dann sein Herzspray wirkungslos ist.“ Erkläre ich ihm und er sieht mich zum einen beeindruckt und zum anderen verwirrt an. „Haben sie einen Healing Stent verwendet? Denn der wäre angesichts der Medikament der Wirkungsvollste, da sich nicht erst neues Gewebe bilden muss und er das Herz zusätzlich entlastet.“ Erkläre ich ihm weiter.
„Entschuldigung, wer genau sind sie?“ er tritt auf mich zu.
„Dr. Danielle Bradford.“ Erkläre ich ihm kurz und sein Gesicht erhellt sich. Ich werfe Pop und Granny einen entschuldigenden Blick zu und konzentriere mich dann wieder auf meinen Gesprächspartner.
„Wir haben einen Healing Stent eingesetzt, da uns die Vorgeschichte bekannt war und wir durch die schnelle Behandlung vor Ort die Möglichkeit dazu hatten.“ Er nickt mir zu „Er wird mit neuen Medikamenten eingestellt und bekommt ein wirkungsvolleres Herzspray.“ Führt er weiter aus. „Ich bin Dr. James Montgomery.“ Er reicht mir seine Hand.
„Freut mich sehr. Sie verstehen sicherlich, warum ich das fragen muss.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern.
„Aber natürlich Frau Kollegin.“ Er nickt mir zu.
„Ich gebe zu Kardiologie ist nicht mein Fachgebiet, aber ich habe genug Stents gesetzt, um zu wissen, was ich für meinen Grandpa möchte.“ Ich lächle leicht.
„Wenn sie sich in einem Fachgebiet nur halb so gut auskennen, wie in der Kardiologie, dann sind sie bestimmt ein Ass.“ Er lächelt freundlich.
„Ich bin ganz gut.“ Erwidere ich und merke, wie Vincent meine Hand drückt.
„Sie ist ein Ass.“ Sagt er am ihn gewandt.
„Kann ich mir vorstellen. Wir entlassen Peter heute Nachmittag, er soll sich schonen. Achten sie doch ein wenig darauf…“ er sieht zu Pop „Ich kenne ihn und Fran und ich weiß, das sie sich bestimmt etwas schwer damit tun.“
„Da könnten sie Recht haben, aber ich habe gehört, das eine Schwester erst einmal zu ihnen ziehen wird und ich hoffe, sie wird sich gegen Granny durch setzten.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Ganz bestimmt.“ Er dreht sich wieder zu Granny und Pop um „Da ich weiß, das wenigstens die ersten Tage jemand da ist, der euch auf die Finger klopft, habe ich nichts dagegen, wenn du heute Nachmittag nach Hause kommst.“ Er reicht Pop die Hand „Gute Besserung Pete und höre auf deine Enkeltochter.“ Er winkt seinem kleinem Ärzteflock zu und diese verlassen zusammen mit ihm das Zimmer.
„Erklärung?“ Granny sieht mich an und ich setze mich auf Pops Bettkante.
„Wo soll ich anfangen?“ ich sehe erst sie und dann Pop an.
„Also bevor wir das hier weiter ausweiten…“ Granny sieht mich immer noch verwirrt an „Was ist bei euch los?“ sie sieht jetzt zu Vincent.
„Was soll los sein? Sie konnte mir nicht länger widerstehen.“ Grinst er und küsst mich.
„Gut… das ist wirklich sehr gut…“ sie ist immer noch verwirrt.
„Hör’ zu Granny…“ ich atme tief durch „Ich habe nie Betriebswirtschaft studiert. Okay, ich habe damit mal angefangen, aber ich habe ziemlich schnell erkannt, das mir das einfach nicht liegt.“ Ich nehme Pops Hand „Zahlen sind einfach nichts meins.“ Erkläre ich ihm „Ich habe nach drei Monaten gewechselt und dann Medizin studiert. Vor 2 ½ Jahren habe ich mein Medizinstudium abgeschlossen und dann habe ich meinen Facharzt in Notfallmedizin gemacht. Ich liebe es Ärztin zu sein.“ Ich sehe zu Boden.
„Wir sind so unglaublich stolz auf dich.“ Pop drückt meine Hand und ich sehe ihn an. Er hat Tränen in den Augen „Aber warum hast du es uns nicht gesagt?“
„Weil ich dachte, ihr wollt unbedingt, das ich Bradford Motors übernehme und das ist jetzt eben nicht mehr möglich.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Aber das haben wir doch gar nicht erwartet. Wir wollen das du glücklich bist.“ Granny legt ihre Hand auf meine und Pops.
„Das weiß ich jetzt auch.“ Gebe ich zu. „Sam hat mich mit der Nase darauf gestoßen und ihr hättet wohl kaum Vincent eingestellt, wenn ihr im entferntesten damit gerechnet hätte, das ich wirklich mal Bradford Motors übernehme.“ Ich sehe zu ihm und er nickt lächelnd.
„Vincent ist wirklich gut und Charles wird sich auch weiter um die Firma kümmern…“ mein Pop sieht zu Vincent und dieser nickt „Natürlich nur im Hintergrund.“ Fügt er schnell hinzu. „Aber wie zum Teufel hast du die Bilanzen auf die Reihe bekommen?“ er sieht mich mit großen Augen an.
„Das war nicht so einfach…“ gebe ich zu „Aber ich hatte Hilfe. Erst habe ich es mit einem Freund aus Seattle zusammen gemacht. Dann erfuhr ich alles über Vince und nachdem ich ihm die Hölle heiß gemacht habe…“ ich sehe grinsend zu ihm „Und mich dann entschuldigt habe, da haben wir zusammen gearbeitet und nicht zu vergessen habe ich mir den besten Mann für diesen Job ins Boot geholt…“ ich sehe zu Granny „Dad.“
„Du hast mit Charlie geredet?“ sie sieht mich erstaunt an.
„Ja, es war überfällig und Vince hat mir klar gemacht, dass ich nicht immer weg laufen kann. Ich musste mich ihm stellen und es war gut.“ Ich nicke leicht. „10 Jahre sind eine lange Zeit und wir haben alle Fehler gemacht.“
Granny steht auf und nimmt mich in den Arm „Ich liebe Dich.“ Flüstert sie mir ins Ohr. „Du bist ihr so unglaublich ähnlich. Ana war auch ein Sturkopf, aber sie hat immer rechtzeitig die Kurve gekriegt.“ Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Eine richtige Ärztin.“ Sie lächelt liebevoll.
„Über dieses “eine richtige Ärztin“ muss ich wohl noch mal mit euch allen reden…“ lache ich „Es gibt keine unrichtigen Ärztinnen.“
„Ach Kindchen.“ Granny winkt ab.
„Gut, dann packt ihr hier mal alles zusammen. Wir fahren ins Hart Lake House, nehmen eure Schwester in Empfang und ich beschnuppere sie ein wenig.“ Ich drücke Pop einen Kuss auf die Wange. „Ruft an, wenn ihr los fahrt.“ Bitte ich Granny und die lächelt.
„Sicher Kindchen.“ Verspricht sie mir und ich sehe zu Vincent. Er legt seinen Arm um meine Schulter und wir gehen hinaus.
„Und wie fühlst du dich?“ fragt er, als wir die große Treppe hinunter in den Eingangsbereich gehen.
„Erleichtert.“ Gebe ich zu.
„Das ist gut.“ Er küsst mich, als wir auf den Parkplatz treten.
„Vinnie?“ ertönt eine Stimme und ich sehe mich plötzlich Sandra gegenüber.
„Was machst du denn hier?“ fragt Vincent verwirrt.
„Das könnte ich auch dich fragen.“ Sie sieht auf unsere Hände. „Ich dachte, ich bekomme dich vor dem Ball noch mal zu sehen. Wir gehen doch zusammen.“
„Nein Sandra, ich gehe mit meiner Freundin.“ Er sieht zu mir und ich kann mir ein grinsen nicht verkneifen.
„Das solltest du wenigstens absagen.“ Erwidert sie um Fassung wahrend.
„Ich wusste ja nicht einmal, dass wir verabredet waren.“ Erwidert Vincent.
„Weil es klar war, wir gehen überall zusammen hin.“ Sie schenkt mir einen giftigen Blick.
„Nein Sandra.“ Sagt Vincent langsam „Das werden wir auch nicht mehr. Wir sind geschieden und jeder sollte sein eigenes Leben leben.“
„Wenn du meinst…“ sie lächelt gekünstelt „Ich habe noch einen Termin. Wir sehen uns ja übermorgen Abend.“ Sie nickt mir zu „Und wenn es dir keine allzu großen Umstände macht, dann könntest du dir mein Auto nochmals anschauen.“ Sie legt ihre Hand auf seinen Arm.
„Eigentlich schon, bring ihn doch in der Werkstatt vorbei, ich bin mir sicher, einer der Mechaniker kann ihn dazwischen schieben.“ Er lächelt sie freundlich an.
„Wie du meinst.“ Sie fixiert mich eisig und wenn ich nicht schon frieren würde, dann würde ich es jetzt mit Sicherheit tun.
Sie macht mir Angst…
Vincent schüttelt sie ab und zieht mich mit sich.
„Man sieht sich.“ Ruft er ihr zu und hält mir seine Beifahrertür auf.
Ich steige ein und als er sitzt, betrachtet er mich von der Seite.
„Sie ist mir unheimlich.“ Gebe ich schließlich zu und er lacht leise.
„Sie ist gar nicht so schlimm.“ Versucht er sie zu verteidigen.
„Vince…“ ich seufze leise.
„Bitte Prinzessin, mach jetzt keine große Sache daraus…“ er beugt sich zu mir und küsst mich „… Ich war mit ihr verheiratet, ich kann ja schlecht behaupten sie ist furchtbar. Wir haben uns mal geliebt.“
„Ich mag sie trotzdem nicht.“ Erwidere ich trotzig.
„Musst du nicht.“ Er küsst meine Nasenspitze. „Wohin jetzt?“
„Hart Lake House.“ Ich nicke ihm zu und wir fahren raus aus Palmer. Kurz vor Hart Lake House bleiben wir stecken und ich sehe ihn grinsend an.
„Wenn du mir jetzt mit deiner alten Dame kommst, dann versohle ich dir den Hintern.“ Er steigt missmutig aus.
Ich steige ebenfalls aus und sehe, dass der Mustang in einer Schneewehe fest steckt. Ich drehe mich um meine eigene Achse, um heraus zu finden, wie weit wir noch entfernt sind.
Der große Baum zu meiner rechten bringt mein Herz dazu schneller zu schlagen und ich trete an ihn heran. Ich wische den Schnee der an der Rinde fest gefroren ist beiseite und meine alte Schnitzerei kommt zum Vorschein.
Vorsichtig fahre ich mit meinem Zeigefinger die Inschrift nach.
Matt, my other half…
Vier einfache Worte und dennoch drücken sie alles aus.
Vincent kommt zu mir und ich lasse meine Hand sinken.
„Hart Lake House ist nur 2 Meilen entfernt.“ Sage ich mehr zu mir wie zu ihm.
„Sicher?“ er sieht in die Ferne, aber außer Schnee ist nichts zu erkennen.
„Ganz sicher.“ Ich schließe meine Augen und er tritt an den Baum heran.
„Tut mir leid.“ Sagt er leise und nimmt mich in den Arm.
„Komm, sonst erfrieren wir hier. Wir rufen von zu Hause Carl an, er soll deinen Wagen hier raus holen und zu uns schleppen.“ Ich umschlinge mich mit meinen Armen und stapfe ihm voran.
„Warte Dani.“ Mit großen Schritten holt er mich ein und hält mich am Arm fest.
Er streicht mir sanft über die Wange und küsst mich. „Ich liebe dich.“ Sagt er leise.
„Ich dich auch.“ Ich halte mich an ihm fest.
Schweigend laufen wir fast eine halbe Stunde neben einander her, in meinem Kopf laufen meine Erinnerungen an Matt ab wie in einem alten Film und mein Herz droht aus meiner Brust zu springen.
Die ganzen Jahre habe ich es immer nur verdrängt, aber hier kann ich es nicht, zu viel erinnert mich an ihn und an das was nach seinem Tod passiert ist.
Was wäre wenn?
Diese Frage wird mir niemals jemand beantworten können, ebenso wenig die Frage nach dem Warum und mich damit abzufinden fällt mir auch nach all der Zeit immer noch schwer.
Ich schließe die Haustür auf und wir treten ins herrlich warme Haus, es war gut, dass ich die Heizung an gelassen habe. Schnell befreie ich mich von meinem Mantel und meinen Stiefeln und gehe ins Wohnzimmer um den Kamin anzuzünden.
Kalte Hände fahren unter meinen Pullover und ich drehe mich zu Vincent um.
„Hier ist er irgendwie noch lebendig.“ Gebe ich leise zu. „Ich denke immer noch, er müsste durch die Tür kommen und mich zur Begrüßung in den Arm nehmen.“
„ich wünschte, ich hätte ihn gekannt.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Ich wünschte, ich könnte dich von deinem Schmerz befreien.“ Er küsst mich zärtlich.
„Erinnere mich daran, warum ich lebe.“ Wispere ich.
Er hebt mich hoch und lässt mich auf die Couch sinken, dann küsst er meinen Bauch und ich fahre ihm durch die Haare. Langsam zieht er mich aus und ich winde mich unter ihm, langsam küsst er eine heiße Spur über meine Brüste, meinen Bauch hinunter zu meiner empfindlichsten Stelle und ich stöhne laut auf.
Er dringt mit zwei Fingern in mich ein und ich schließe meine Augen. Tausend Sterne tanzen vor ihnen und ich habe Mühe meine Atmung unter Kontrolle zu halten. Ich höre wie seinen Gürtel aufmacht und sich wieder über mich beugt.
Er dringt langsam in mich ein und ich klammere mich wie eine Ertrinkende an ihn.
„Du. Lebst. Für. Mich.“ Flüstert er. „Ich. Liebe. Dich. So. Sehr.“
Ich bin nicht in der Lage etwas zu erwidern und merke wie meine Tränen auf seine Schulter tropfen. Zitternd erreiche ich meinen Höhenpunkt zusammen mit ihm und er hält mich fest in seinen Armen.
Nach ein paar Minuten lasse ich ihn los und er sieht mich voller Liebe an.
„Du lebst für mich.“ Sagt er erneut und ich schlucke schwer.
„Du bist mein Leben.“ Erwidere ich leise und er küsst mich hingebungsvoll.
„Wir sollten uns anziehen, ich möchte Fran und Pete nicht so begrüßen.“ Er lächelt leicht und ich ziehe mich an.
Tatsächlich klingelt es nachdem wir beide wieder angezogen sind und ich gehe zur Tür, denn Granny und Pop können es nicht sein, denn die haben ja immerhin ein Schlüssel zu ihrem eigenen Haus.
„Ja bitte?“ ich sehe mich einer älteren Dame gegenüber.
„Hallo, ich bin Kathlyn Porter, die Agentur schickt mich. Ich soll mich in den nächsten Wochen um einen Peter Bradford kümmern. Kate.“ Sie reicht mir ihre Hand.
„Hallo, ich bin Danielle Bradford, die Enkeltochter. Dani.“ Ich nehme die angebotene Hand und bitte sie ins Haus.
Vincent kommt zu uns, hilft Kate aus dem Mantel.
„Ich mache den Ladys einen Tee.“ Er nickt mir zu und ich lächle ihn dankbar an.
„Mein Freund Vincent.“ Erkläre ich Kate und sie nickt, während wir uns setzen.
Es ist komisch, Vincent als meinen Freund vorzustellen. Aber das ist ja nun einmal…
„Es war etwas abenteuerlich hier her zu kommen, etwas weiter die Straße runter blockiert ein Auto die Straße.“ Sie sieht mich an und ich lächle.
„Ja, das ist Vincents.“ Erkläre ich ihr und dieser kommt zu uns zurück.
„Rufst du Carl an? Dein Auto muss von der Straße.“ Ich ziehe ihn am Zipper seines Pullovers zu mir und küsse ihn kurz.
„Mache ich.“ Er zwinkert mir zu und geht zurück in die Küche.
„Wie viel Erfahrung hast du denn?“ ich nehme meine Teetasse in die Hand und sehe sie fragend an.
„Schon fast 30 Jahre. Mein Mann war sehr krank und als er vor 12 Jahren starb, da machte ich es zu meinen Beruf.“ Erklärt sie mir.
„Das tut mir leid.“ Entschuldige ich mich sofort.
„Ach was.“ Sie winkt ab. „Es bringt leider gar nichts den Verstorbenen nachzutrauern, denn dann kann man die Lebenden leicht aus den Augen verlieren. Ich habe um meinen Harold getrauert, aber ich musste weiter machen und jetzt bin ich glücklich, wenn ich helfen kann.“ Sie strahlt mich entwaffnend an.
„Das ist gut…“ ich atme tief durch „Meinem Grandpa wurde ein Stent gelegt und er muss sich schonen. Das wird schwer, denn er ist nicht wirklich dafür gemacht. Wir haben eine große Werkstattkette und ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals krank war. Granny ist ein Energiebündel und ich befürchte fast, das du zu tun haben wirst, sie im Zaum zu halten.“ Erkläre ich ihr.
„Ach, das ist nicht das erste Mal…“ winkt sie ab und trinkt einen Schluck Tee. „Ich kenne die Männer, die niemals in ihrem Leben eine Pause gemacht haben und ich kenne auch die Frauen, die keine Pausen zulassen.“
„Dann bist du hier goldrichtig.“ Lache ich leise „Ich nehme an, du hast von deiner Agentur alles Wichtige mitgeteilt bekommen.“
„Ja sicher und mir wurde heute Mittag auch mit geteilt, das fürs Erste eine Ärztin im Haus ist. Das bist dann wohl du.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.
„Schuldig.“ Gebe ich zu.
„Gut, meinst du, du kannst mir das Zimmer zeigen in dem ich wohne?“ bittet sie mich.
„Aber sicher und Vince wird dir dann gleich dein Gepäck rauf bringen.“ Ich stehe auf und deute ihr an mir zu folgen.
Ich führe sie ins Gästezimmer im Erdgeschoss und sie betrachtet eingehend den wunderbaren Ausblick über den See.
„Es ist wirklich wunderschön hier.“ Sie dreht sich zu mir um und ich nicke.
„Ja, es ist irgendwie magisch.“ Lächle ich „Ich lasse dich in Ruhe auspacken. Granny und Pop sollten in zwei Stunden hier sein. Mach dich ein wenig mit dem Haus vertraut. Wenn was ist, dann kannst du mich oder Vince fragen.“ Ich sehe zu Vincent, der ihren Koffer abstellt.
„Danke Dani und danke Vincent.“ Sie winkt uns kurz zu.
„Gerne geschehen.“ Erwidert Vince und wir gehen zurück ins Wohnzimmer.
„Ich will mal in der Scheune nachsehen, was Dad vorhin gemeint hat.“ Ich ziehe mir meine Boots und meine Strickjacke über und Vince folgt meinem Beispiel. In der Scheune angekommen brauche ich einen Moment um den hellblauen Schrank zu finden und darin befindet sich ein Kleidersack mit einem Zettel daran.
Für Dani zu deinem Abschlussball. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich. Ich liebe dich mehr wie Worte es jemals ausdrücken können. In Liebe dein Dad
Ich ziehe den Reißverschluss langsam runter und ein wunderschönes dunkelblaues Kleid strahlt mich an. Es ist über der Brust gerafft und fällt dann in weichen Falten bis zum Boden, unter der Brust ist eine Bordüre aus kleinen dunkelblauen Swarowskikristallen eingearbeitet und auch auf dem unteren Teil des Kleides dunkeln kleine Steine. Es ist wirklich wunderschön.
„Ich werde morgen mit der schönsten Frau auf den Ball gehen.“ Vincent strahlt mich an und ich kann nicht anders wie es zu erwidern.
„Das ist so wunderschön.“ Sage ich andächtig und befühle den seidigen Stoff.
Ich nehme den Kleidersack und wir gehen Arm in Arm zurück zum Haus, als draußen ein hupen ertönt und ich zur Tür laufe.
Granny hilft Pop aus dem Auto und ich führe ihn ins Haus.
„Hey Kindchen, ich bin kein alter Mann.“ Wehrt er sich.
„Oh doch.“ Scherze ich und er schenkt mir einen bösen Blick.
Kate kommt wir gerufen zu uns und ich sehe zu Granny.
„Das ist Kate, sie wird dir helfen dich um Pop zu kümmern und sie wird dafür sorgen, dass er sich nicht zu viel zumutet. Sei nett zu ihr.“ Ich grinse und Kate reicht ihr die Hand.
„Freut mich Kate.“ Sagt sie und lächelt. Ich weiß, dass das ein gutes Zeichen ist, denn Granny ist sehr schlecht darin sich zu verstellen.
Kaum sitzt Pop auf der Couch, da klingelt es erneut und ich gehe schmunzelnd zur Tür, denn alle wollen Pop bemuttern und es ist ihm jetzt schon zu viel…
Als ich die Tür geöffnet habe, da sieht mich Carl an und hält den Ersatzschlüssel für den Mustang hoch.
„Ich habe ihn in die Scheune gefahren. Sag Vince, er soll das Ding im Winter stehen lassen.“ Er verdreht die Augen.
„Meine Rede Carl. Ich richte es ihm aber gerne noch mal aus.“ Ich zwinkere ihm zu „Wir sehen uns morgen Abend?“
„Aber sicher.“ Er nickt mir zu und steigt wieder in seinen Abschleppwagen.
„Wer war das Kindchen?“ Granny kommt mir im Flur entgegen.
„Carl. Er hat Vincents Auto vorbei gebracht. Wir sind stecken geblieben.“ Ich werfe Vince den Schlüssel zu „Und du sollst dieses Auto stehen lassen. Es ist nicht für den Winter hier oben gemacht.“ Füge ich hinzu.
„Ich habe gesagt, du sollst nichts gegen mein Auto sagen.“ Er kommt zu mir.
„Hey, das waren nicht meine Worte, sondern die von Carl.“ Wehre ich mich halbherzig.
Er tut als müsse er nachdenken „Okay.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Lippen.
„Dann mache ich uns jetzt mal einen Tee.“ Ich sehe in die Runde.
„Nein, nein Dani, das mache ich.“ Kate steht auf und ich sehe ihr hinterher.
„Was hältst du von einem kleinen Spaziergang? Vielleicht mit Schlittschuh laufen?“ Vincent hält mir seine Hand hin.
„gerne.“ Erwidere ich und ergreife seine Hand. „Ihr entschuldigt uns doch, oder?“ ich sehe zu Granny und Pop.
„Aber sicher Kleines.“ Pop schickt mir einen Handkuss.
Wir packen uns dick ein und ehe ich mich versehe stehen wir am Steg und ich schnalle meine Schlittschuhe an, während Vincent sich seine anzieht, die er im Auto hatte.
Hand in Hand drehen wir einige Runden, dann wage ich mich erneut an ein paar Sprünge und dieses Mal klappt es schon besser. Von gut bin ich aber noch ein ganzes Stück entfernt…
Mit einem Knall lande ich auf meinen Hosenboden und verziehe das Gesicht.
„Das sah bis zu deiner nicht so gelungenen Landung sehr gut aus.“ Vincent kommt zu mir und hält mir seine Hand hin.
Ich ziehe ihn zu mir und küsse ihn.
„Vielen Dank auch.“ Nuschele ich.
„Gern geschehen.“ Grinst er und ich kann nicht anders wie ihn wieder und wieder zu küssen.
„Komm, es wird gleich dunkel.“ Wir rappeln uns auf und er zieht mich an meinem Schal zu sich.
„Bleibst du heute Nacht hier?“ bitte ich ihn und er lächelt.
„Davon hält mich nichts ab.“ Er hilft mir meine Schlittschuhe gegen meinen Stiefel zu tauschen und wir gehen dann zurück zum Haus.
Es duftet herrlich nach Braten als wir das Haus durch die Küche betreten und ich lüfte einen der Töpfe um zu probieren.
„Danielle Bradford, nimm sofort deine Finger aus meinen Töpfen.“ Lacht Granny und ich lasse ertappt den Topfdeckel sinken.
„Es riecht herrlich.“ Gebe ich zu und ziehe mir meine Jacke aus.
„und dann auch noch mit Schuhen durch die Küche?“ sie schüttelt immer noch lachend den Kopf.
„Bin schon weg. Vince und ich gönnen uns erst einmal eine Dusche.“ Ich werfe ihr eine Kusshand zu und ziehe Vincent hinter mir her die Treppe hoch.
Ich schubse ihn in mein Zimmer und beginne meine Strickjacke aufzuknöpfen.
„Was wird denn das?“ er grinst und sieht sich im Zimmer um.
„Ich verführe dich in meinem Kinderzimmer.“ Lache ich und ziehe ihn zu mir, um ihm seinen Pullover über den Kopf zu ziehen.
Tatsächlich schaffen wir es uns zu duschen und kommen pünktlich zum Essen runter.
Das Essen ist wunderbar entspannt und ich genieße es alle um mich herum zu haben.
„Es tut mir so leid, dass du kein schönes Weihnachtsfest hattest.“ Pop sieht mich entschuldigend an.
„Oh doch Pop, ich hatte ein schönes Weihnachten…“ ich sehe zu Vincent „Dafür haben Vince und Dad gesorgt.“ Erkläre ich ihm. „Auch wenn ich nächstes Jahr die Bilanzen gerne abgebe.“
„Aber sicher Kleines. Willkommen zu Hause.“ Er nimmt meine Hand.
„Danke Pop.“ Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn auf die Wange „Danke.“ Flüstere ich erneut und er sieht mich liebevoll an.
„Pass mir immer auf sie auf.“ Er sieht zu Vince.
„Ich gebe mein Bestes.“ Verspricht er.
„Als erstes solltest du mal sehen, dass die Scheidung endlich mal abgeschlossen wird.“ Granny seufzt leise.
„Das ist nur noch Schreibkram.“ Winkt Vincent ab und nimmt meine Hand. „Ich liebe sie.“ Sagt er und ich küsse ihn.
„Euch zusammen zu sehen ist so wunderbar.“ Granny wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Ach Fran…“ sagt Pop und küsst ihre Hand.
„So, ich helfe jetzt Kate beim Abwasch und dann werden Vince und ich zu Bett. Der Tag war lang.“ Ich drücke Granny im vorbei gehen einen Kuss auf ihre Haare und räume dann mit Kate den Geschirrspüler ein und wir bringen die Küche wieder in ihren Ausgangszustand.
Eine knappe halbe Stunde später liege ich an Vincent gekuschelt in meinem Bett und endlich ist das Gefühl wieder da, das das hier der sicherste Platz auf der ganzen Welt ist.
„Ich würde jetzt gerne die Zeit anhalten.“ Ich sehe zu Vince auf und er küsst mich innig.
„Ja, aber wir haben den Rest unserer Leben.“ Er zieht mich fest in seine Arme.
„Wie bist du eigentlich bei Pop gelandet?“ ich drehe mich auf den Bauch und sehe ihn an. Ein lächeln umspielt seine Lippen und ich fahre mit Zeigefinger darüber.
„Als ich und Sandra hierher nach Palmer kamen, da hatte ich zwar ein abgeschlossenes Studium, aber mir fehlte die Berufserfahrung. Sandras Familie ist ziemlich einflussreich und ja, so ungern ich es zugebe…“ er küsst meine Stirn „Im ersten Augenblick habe ich wegen ihrer Familie eine Stelle bei Bradford Motors bekommen. Als Mechaniker, denn das war meine erste Ausbildung. Mir wurde nichts geschenkt, aber Pete hat gesehen, dass ich mehr kann. Er hat mich gefördert wo es nur ging und ich schaffte den Absprung von Sandras Familie. Ich habe mir meinen Weg hart erkämpft und ich bereue nicht eine Sekunde.“ Er küsst mich zärtlich „Denn ansonsten wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“ Fügt er hinzu. „Und nun zu dir…“ er stupst mir auf die Nase „Warum Medizin?“
„Ich bin eher durch Zufall in eine falsche Vorlesung geraten und plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich hatte alle Voraussetzungen, meine Noten waren herausragend und ich bewarb mich um einen Studienplatz. Dann ging alles ganz schnell und schon 3 Monate später begann ich mein Medizinstudium.“ Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und er krault mir den Rücken.
„Hast du jemals gedacht, das es verkehrt ist?“ fragt er leise.
„Nein, nicht eine einzige Sekunde. Ich mache das, was ich liebe und ich bin mit dem Herzen dabei. Natürlich würde ich manchmal lieber an Autos herum schrauben, aber nur nebenbei, nicht als Beruf und das Fiasko mit den Bilanzen hat mir gezeigt, das ich mich absolut richtig entschieden habe.“ Ich schließe meine Augen und atme tief ein.
Das hier fühlt sich so richtig und so wunderbar an.
Fast zu schön und zu perfekt…
Ich verscheuche den Gedanken und kuschele mich fest an ihn.
Glücklich schlafe ich ein und muss feststellen, dass ich alleine im Bett bin, als ich am nächsten Morgen aufwache.
Nur ein kleiner Zettel liegt auf dem Kopfkissen und ich nehme ihn zur Hand.
Guten Morgen Prinzessin,
dein Held wirft sich in Schale und holt dich heute Abend um 19 Uhr ab. Ich freue mich auf dich und vermisse dich jede einzelne Sekunde in der du nicht in meinen Armen liegst.
Ich liebe Dich
Ich presse den Zettel an meine Brust und seufze leise. Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet hier in Palmer den Mann finde, den ich über alles liebe?
Ich nicht…
Ganz ehrlich, überall, aber hier?
Ich ziehe mir nur meine Strickjacke über meinen Pyjama und hüpfe die Treppen hinunter. In der Küche sieht mich eine fremde Frau an und ich werde mir meines Aufzuges bewusst.
„Guten Morgen…“ ich fummele das Haargummi aus meinen Haaren und reiche ihr meine Hand „Ich bin Danielle.“ Stelle ich mich in der Hoffnung vor, dass auch sie mich erleuchten wird.
„Ah Danielle…“ sie erwidert meinen Händedruck „Ich bin Claire Winters, ich bin die Eventplanerin die Francine engagiert hat. Ich richte die Party heute Abend aus und kümmere mich um alles.“ Erklärt sie mir, während ich mir einen Kaffee einschenke.
„Das heißt, du hast alles im Griff?“ ich sehe sie lächelnd an.
„Ja, bisher läuft alles nach Plan. Die Deko ist in Arbeit, der Catering Service liefert um 18 Uhr und die Getränke sind schon da.“ Sie atmet tief durch.
„Kaffee?“ ich reiche ihr eine Tasse.
„Vielen Dank. Ich weiß nicht wie Francine das immer alles geschafft hat.“ Gibt sie zu.
„Keine Ahnung und nenn sie bloß nicht Francine, das hasst sie. Fran reicht.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Danke Danielle.“ Sie nimmt einen großen Schluck Kaffee.
„Dani.“ Lächle ich.
„Okay, dann danke Dani. Ich muss wieder in die Scheune.“ Sie winkt mir zu und stürmt hinaus.
„Na Kleines, ausgeschlafen?“ Pop kommt in die Küche.
„Ja, das war mal nötig.“ Gebe ich zu. „Wo sind denn Granny und Kate?“ ich sehe mich suchend um.
„Gott, ich bin froh wenn ich diese beiden Weibsbilder mal für 5 Minuten abschütteln kann.“ Er lacht leise du ich schenke ihm einen strafenden Blick als er nach dem Kaffee greifen will.
„Tee, oder?“ er zieht eine Flunsch.
„Braver Pop.“ Lobe ich ihn.
„Und was machst du heute?“ er sieht mich gespannt an, während er sich einen Tee macht.
„Keine Ahnung, entspannen und endlich mal meinen Urlaub genießen.“ Ich strecke mich gähnend.
„Du siehst glücklich aus.“ Stellt er fest „Und gestern als du mit Vince auf dem See warst. Ich habe dich schon so lange nicht mehr so gesehen. Er tut dir gut.“
„Ja, er tut mir wirklich gut.“ Ich lächle.
„Das ist schön Kleines.“ Er kommt zu mir und ich nehme ihn in den Arm.
„Ich glaube, das ich dich heirate ist erst einmal vom Tisch.“ Lache ich leise.
„Oh nein, willst du einem alten Mann das Herz brechen?“ er sieht mich grinsend an.
„Nein, nein… du wirst immer einen Top Rang in meinem Herzen haben.“ Verspreche ich ihm.
„Ich weiß Kleines…“ er küsst meine Stirn „Und jetzt gönne dir ein heißes Bad, lese ein Buch und freue dich auf heute Abend. Ich will dich heute hier nicht herum rennen sehen.“ Er deutet nach oben und ich mache mich von ihm los.
„Dieser Bitte komme ich gerne nach.“ Ich schicke ihm einen Handkuss.
„Das ist keine Bitte…“ ruft er mir hinterher.
„Ich weiß…“ rufe ich zurück, ehe ich mein Zimmer betrete und mich aufs Bett fallen lasse.
Ich nehme mir das Haustelefon und wähle Cam an, ehe sie mir die Freundschaft kündigt…
„Ja?“ meldet sie sich fragend.
„Hallo beste Freundin.“ Erwidere ich unschuldig.
„Dich gibt es noch?“ lacht sie.
„Es tut mir so leid…“ setze ich an.
„Ach was, ich hatte mit Vince ja schon das Vergnügen und kann gerade so verschmerzen, das du mich wegen ihm nicht anrufst.“ Unterbricht sie mich.
„Er ist toll.“ Lächle ich.
„Das hört man. Oh man Dani, ich hatte es fast schon aufgegeben dich mal so zu erleben.“ Sie atmet tief durch. „Ich freue mich wirklich sehr für euch.“
„Danke Cam.“ Antworte ich gerührt. „Wie läuft es denn in der Klinik?“
In den nächsten 20 Minuten schildert sie mir alle Geschehnisse in der Klinik und natürlich erzählt sie mir auch, mit wem sie Silvester zusammen Dienst hat, weil derjenige getauscht hat.
„Läuft da was zwischen dir und Will?“ frage ich lachend, als sie endlich mit ihren Ausführungen fertig ist.
„Ich weiß nicht…“ kichert sie.
„Ich kenne dich Cam, du bist bis über beide Ohren in ihn verliebt.“ Erwidere ich ebenfalls kichernd.
„Mal schauen, wie unser Dienst morgen wird.“ Ihre Stimme klingt danach, als ob sie etwas Bestimmtes vorhat und ich lache leise.
„Wir telefonieren wieder und ich schicke dir meine Flugnummer, damit du weißt, wann ich am 2. wieder zurück komme.“ Ich schicke ihr einen Kuss durchs Telefon und sie erwidert ihn.
„Mach ich und ich kraule Jellybean eine Runde extra von dir.“ Damit legt sie auf und ich kuschele mich in meine Kissen.
Tatsächlich schlafe ich noch mal ein und reibe mir verwirrt meine Augen, als Kate nach einem kurzen Klopfen herein kommt und mir einen Teller mit einem Sandwich auf den Tisch stellt.
„Ich denke du hast bestimmt Hunger.“ Sie lächelt mich freundlich an und ich nicke eifrig.
„Danke Kate. Wie spät ist es eigentlich?“ ich sehe mich suchend nach meiner Uhr um.
„Kurz nach 16 Uhr…“ sie lacht leise „Du hast noch genug Zeit um dich fertig zu machen.“
Erleichtert atme ich aus und sie winkt mir kurz zu, ehe sie mein Zimmer verlässt.
Das Sandwich ist wirklich köstlich und anschließend gönne ich mir ein ausgedehntes Bad und beginne langsam mich fertig zu machen. Ich stecke meine Haare hoch, schminke mich dezent und schlüpfe in das Kleid. Es passt wie angegossen und ich betrachte mich im Spiegel. Ich fühle mich wie eine Prinzessin und kann kaum glauben, dass ich das bin.
„Kleines? Dein Date ist hier!“ ruft Granny die Treppe hoch und ich schlüpfe in meine schwarzen Pumps. Heute will ich mal ganz und gar zu Recht gemacht sein und auch auf die Gefahr hin, dass meine Füße es mir wohl nicht danken werden. Ach was, da muss ich jetzt durch.
Mit klopfendem Herzen steige ich langsam die Treppe runter und als ich ihn im Wohnzimmer stehen sehe, da bekomme ich Schmetterlinge im Bauch.
Strahlend reicht er mir seine Hand und zieht mich in seine Arme.
„Wow, du siehst wunderschön aus.“ Er küsst mich sanft.
„Du siehst auch nicht schlecht aus.“ Lächle ich und richte das Revers seines Jacketts.
„Ich weiß, dass ich gut aussehe.“ Er zwinkert mir zu.
„Macho.“ Tadele ich ihn lachend.
„Kann ich ein Foto von euch machen?“ Granny kommt in ihrem hellgrünen Kleid herein und sieht uns fragend an.
„Komm, ich will ein Foto mit dir und Pop.“ Ich reiche ihr meine Hand und Pop kommt auch zu uns.
Kate betrachtet uns lächelnd und nimmt Granny die Kamera aus der Hand.
Sie macht ein paar mehr Bilder und nickt dann zufrieden.
„Das werden tolle Bilder.“ Versichert sie uns.
Sie trägt ein dunkelblaues Kostüm und nimmt sofort Pop wieder unter ihre Fittiche.
„Bereit?“ Vincent strahlt mich an und ich nicke glücklich.
Wir gehen in die Scheune und ich sehe mich erstaunt um. Die gesamte Dachkonstruktion ist mit dunkelblauen Tüchern abgehängt und darauf erstrahlen unzählige kleine Lämpchen. Es ist als würde man unter den Sternen stehen. Der Rest ist dem angepasst, dunkelblau und kleine Tupfer weiß geben den Ton an und es ist atemberaubend schön.
Wir finden unseren Platz und Vincent rückt mir den Stuhl zurecht. Kenny und Tory finden ebenfalls an unserem Tisch Platz und Kenny grinst uns die ganze Zeit an.
Wieder einmal komme ich nicht darum herum alle zu begrüßen und unzählige Hände zu schütteln und ich bin mehr wie froh, als Vincent mich zum tanzen auffordert und ich dem entfliehen kann.
Wir schweben übers Parkett und essen dann anschließend eine Kleinigkeit. Dann bitte ich ihn meine Granny aufzufordern, da Pop noch strengstes Tanzverbot hat.
„Aber sicher.“ Er küsst mich kurz und geht dann zu Granny die ihn glücklich anstrahlt.
„Du weißt, dass er dir nie ganz gehören wird.“ Taucht eine Stimme neben mir auf und ich sehe in Sandras Gesicht.
Verständnislos schüttele ich den Kopf.
„Wir sind offiziell noch verheiratet und glaube mir, ich werde ihn dazu bringen, dich zu verlassen und zurück zu mir zu kommen.“ Verspricht sie mir und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Sandra, was willst du?“ ich sehe sie feindselig an.
„Was ich möchte?“ sie lacht hohl auf „Ich möchte dich darauf hinweisen, das Vince und ich uns immer noch in unserem Trennungsjahr befinden und das laut unserem Ehevertrag in dieser Zeit keine “Flittchen“ seinen Weg kreuzen dürfen. Augenscheinlich ist er nicht daran interessiert das unsere Scheidung ordentlich über die Bühne geht…“ sie macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Worauf willst du hinaus?“ ich schlucke schwer, das “Flittchen“ bin dann jawohl ich.
„Jetzt hörst du mir genau zu…“ sie sieht mich durchdringend an „… Ich werde ihm alles nehmen, was er sich aufgebaut hast. Er wird in Palmer und auch im Rest der Staaten nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen. Ich denke, du weißt, was für einen Einfluss meine Familie hat und ich werde nicht davor zurück schrecken, sie machen zu lassen. Da kann sein Verhältnis zu Peter noch so gut sein, einen Mitarbeiter wie ihn wird er nicht tragen können ohne sein Geschäft zu ruinieren. Es sei denn…“ sie lächelt süffisant.
Ich sehe sie geschockt an, sie will ihm alles nehmen und sie droht Granny und Pop… wegen mir.
Das darf nicht wahr sein.
Ich weiß, wie hart er dafür gearbeitet hat.
„Es sei denn was?“ frage ich und versuche meine Wut zu kontrollieren.
„Es sei denn, ihr Beide…“ sie lacht abfällig. „…beendet eure “Affäre“ und er steht ein neues Trennungsjahr durch, in dem ihm dann hoffentlich bewusst wird, was er an mir hat.“
Ich schlucke schwer und habe Mühe meine Wut zu zügeln.
„Ich gebe dir bis Mitternacht um es zu klären, ansonsten kann sich Vincent morgen von seinem Leben verabschieden. Und nur nebenbei, wenn er etwas von diesem Gespräch erfährt, dann kannst du deine Karriere auch gleich vergessen. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt.“ Sie nimmt mir mein Sektglas aus der Hand und leert es in einem Zug.
In diesem Moment kommt Vincent zu uns und ich sehe auf meine Uhr. 23:33 Uhr.
Ich habe nicht mehr viel Zeit.
„Sandra…“ setzt Vincent an, doch ich hebe meine Hand.
„Kann ich dich kurz sprechen?“ ich ziehe ihn nach draußen.
„Dani? Was ist los?“ Erhält mich am Arm fest und ich bleibe gezwungener Maßen stehen.
Ich bin vor Wut völlig außer Atem.
Er zieht mich in seine Arme und presst mich an sich.
Eine Weile stehen wir so da und ich versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„Komm wir gehen ins Haus. Wir müssen reden.“ Flüstere ich und wir gehen ins Haus.
Als erstes treffen wir dort auf meinen Dad und Dora.
„Wow Spätzchen, du siehst atemberaubend aus.“ Mein Dad küsst meine Stirn. „Was ist denn los?“ sein eben noch fröhlicher Gesichtsausdruck weicht einem besorgtem.
„Ich und Vincent müssen was klären.“ Ich sehe zu Vincent.
„Was ist denn nur los? Bitte Dani rede mit mir.“ Bittet er mich schwach.
„Entschuldigt ihr uns?“ ich sehe meinen Dad und dann Dora bittend an und die beiden gehen hinaus.
Kaum das sie draußen sind, küsse ich Vincent sanft und halte mich an ihm fest.
Dann besinne ich mich und schiebe ihn vor mir weg.
„Vincent…“ ich streiche über seine Wange „Wir sollten unsere Zeit als das nehmen, was sie war. Wunderschön aber begrenzt. Ich kann in Seattle nicht alles hinter mir lassen.“ Ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an.
„Was soll das?“ er macht einen Schritt zurück.
„Ich kann es dir nicht erklären.“ Ich streiche mir eine Strähne hinters Ohr.
„Ach nein? Läufst du wieder einmal weg?“ er schüttelt ungläubig den Kopf.
„Nein, ich laufe nicht weg.“ Ich will seine Hand nehmen, doch er zieht sie weg.
„Sag mir, dass du mich nicht liebst und ich gehe.“ Seine Augen flehen mich an und ich schlucke schwer.
„Ich liebe dich nicht.“ Flüstere ich.
Er dreht sich um und geht hinaus…
Schluchzend schlage ich meine Hände vors Gesicht. Eine Weile stehe ich so in der Küche und kann mich kaum beruhigen. Mein Herz ist zerschmettert, aber ich weiß, ich habe das Richtige getan. Ich kann ihn nicht zulassen, dass seine Zukunft ruiniert wird, nicht wegen mir…
Kurz vor Mitternacht gehe ich zurück in die Scheune und stelle mich in die hinterste Ecke. Granny entdeckt mich trotzdem und kommt zu mir.
„Was ist los Kleines?“ sie sieht mich beunruhigt an.
„Vincent und ich habe uns getrennt. Ich komme nicht zurück nach Palmer, ich bleibe in Seattle. Es tut mir leid Granny.“ Ich nehme sie in den Arm und stürme dann nach draußen. Als ich zum Haus laufe explodieren die Feuerwerkskörper um mich herum, doch in meinem Kopf ist nur Chaos und der tiefe Schmerz, dass ich den einzigen Mann verloren habe, den ich jemals mit ganzem Herzen geliebt habe.
Kaum in meinem Zimmer ziehe ich das Kleid aus und werfe mich auf mein Bett. Irgendwann schlafe ich schluchzend ein und am nächsten Morgen ist es, als würde mir jemand die letzte Nacht um die Ohren schlagen, kaum das ich die Augen geöffnet habe. Mein Innerstes ist wie betäubt und ich schaffe es nicht aufzustehen.
Ich buche mir den nächsten Flug nach Seattle und bin froh, dass schon am frühen Abend einer geht. Ich versuche Cam oder Josh zu erreichen, aber bei Beiden meldet sich nur die Mailbox.
Um 16 Uhr komme ich mit meiner Tasche die Treppe runter und meine Granny sieht mich prüfend an.
„Was hast du vor Kleines?“ fragt sie leise.
„Ich fliege zurück.“ Ich sehe sie unter Tränen an.
„Du läufst weg?“ sie wirkt enttäuscht und ich kann sie sogar verstehen. Aber dieses Mal ist es anders…
Ich will eigentlich gar nicht weg.
Ich will hier bei ihm bleiben.
Aber das geht nicht.
Ich kann nicht seine, Grannys und Pops und zu guter Letzt meine Zukunft aufs Spiel setzen.
Das geht einfach nicht…
„Nein Granny, ich laufe nicht weg…“ ich gehe zu ihr und nehme sie in den Arm „Ich habe keine Wahl.“ Flüstere ich ihr ins Ohr.
„Ich rufe dich an.“ ich mache mich los, als draußen ein Auto hupt und ich weiß, dass es mein Taxi ist.
Als ich im Flieger sitze, da weiß ich, dass ein Teil von mir für immer hier bleiben wird und ich nichts dagegen unternehmen kann.
Er hat mein Herz gestohlen und ich musste ihn gehen lassen…
Ich komme am frühen Nachmittag in Seattle an und versuche vom Flughafen aus Cam oder Josh zu erreichen. Schließlich habe ich bei Josh Erfolg.
„Hey Süße! Frohes neues Jahr wünsche ich dir.“ Flötet er ins Telefon.
„Dir auch.“ Schniefe ich „Kannst du mich am Flughafen abholen? Jetzt?“
„Was ist denn los?“ fragt er sofort besorgt.
„Komm bitte und hole mich ab.“ Bitte ich ihn eindringlich.
„Ich bin in 15 Minuten da.“ Verspricht er mir und legt auf.
Ich hole mein Gepäck und trete in die Ankunftshalle. Ich habe meinen dicken Mantel an und trotzdem friere ich. Ich lasse mich mit Tränen in den Augen auf einer Bank nieder und beobachte das Treiben um mich herum. Menschen fallen sich in die Arme und werden glücklich begrüßt. Mein Herz krampft sich zusammen und ich wünsche mir nichts sehnlicher, wie jetzt in Vincents Armen zu liegen…
„Hey Süße!“ Josh kommt auf mich zu und ich werfe mich in seine Arme. „Was ist denn nur passiert?“ er streicht mir über den Rücken und ich schluchze leise.
„Okay Süße, ich bring dich nach Hause und dann redest du. Ja?!“ er zwingt mich ihn anzusehen und ich nicke ganz leicht. Erst einmal will ich nur weg von hier.
Schweigend bringt er mich nach Hause und ich werde von einem laut mauzenden Jellybean begrüßt. Ich nehme ihn, nachdem ich meinen Mantel ausgezogen habe, auf den Arm und setze mich mit ihm auf die Couch.
„Dani?“ Josh geht vor mir in die Hocke und ich sehe in seine rehbraunen Augen. Er legt seine Hand auf meine und seine dunkelbraune Haut hebt sich scharf von meiner blassen ab.
„Ich hatte keine Wahl.“ Mir laufen die Tränen über die Wangen und er sieht mich verständnislos an.
Dann beginne ich zu erzählen und seine Augen werden immer größer…
„…Ich kann nicht zulassen, das sie sein Leben zerstört…“ ich schüttele mit meinen Kopf und leise Tränen laufen über mein Gesicht „Nicht wegen mir.“ Füge ich hinzu. „Und das sie Pop, Granny und auch meinen Dad damit rein zieht…“ ich atme tief durch „Das geht nicht. Meine Karriere ist mir egal, aber sie hat mir mit allem gedroht, was mir wichtig ist.“ Ich schließe verzweifelt meine Augen.
„Was denkt sie wer sie ist?“ Josh steht auf und rauft sich die Haare.
„Leider die Person, die am längeren Hebel sitzt.“ Ich ziehe meine Beine an, denn Jellybean flüchtet mit einem großen Satz.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut.“ Er setzt sich zu mir und zieht mich in seine Arme.
„Im Grunde genommen bin ich jetzt wieder da, wo ich vor meinem “Ausflug“ war…“ ich sehe ihn an „Allein, in Seattle und ohne Familie.“
„Du gehörst nach Palmer, zu deinen Grosseltern, zu deinem Dad und vor allen Dingen zu ihm.“ Er wischt mit seinem Daumen über meine Wange und versucht so, meinen Tränen wenigstens etwas Einhalt zu gebieten.
„Es tut weh.“ Sage ich leise und lehne meinen Kopf an seine Schulter.
„Ich weiß meine Süße, ich weiß.“ Er hält mich fest und ich beruhige mich etwas.
Eine knappe Stunde später wird der Schlüssel im Schloss herum gedreht und Cam kommt herein gestürmt.
„Was machst du denn hier?“ sie sieht mich erstaunt an.
Sofort fange ich wieder an zu weinen und Josh nimmt Cam zur Seite, um ihr die Situation zu erklären.
„Diese blöde Schlampe!“ ereifert sich Cam und drückt mich einen Tick zu fest an sich.
„Ich kann es nicht ändern…“ ich zucke hilflos mit den Schultern „… Ich muss einfach weiter machen.“
Das mache ich dann auch… weiter, einfach immer weiter.
Ich bin eigentlich gar nicht mehr ich selbst, ich lache kaum und vergrabe mich in meine Arbeit. Es kostet mich alles an Kraft alle zwei Wochen Granny und meinen Dad anzurufen und ihnen dann vorzulügen, das es mir gut geht, während sie mir erzählen, wie schlecht es Vincent mit der Situation geht und wie sehr ihm Sandra zu Seite steht.
Nach jedem dieser Gespräche schlafe ich weinend ein und muss mich zwingen am nächsten Tag aufzustehen und meinem Grundsatz treu zu bleiben…
Einfach weiter machen.
Ich beginne meine Mum zu verstehen, das manchmal nur einen einzigen Ausweg sieht, aber ich weiß auch, dass ich das meiner Familie unmöglich antun kann.
Also stehe ich auf, gehe zur Arbeit und tue als würde es mir gut gehen…
Jeden Tag aus Neue.
Der Frühling, der Sommer, der Herbst… alles ist in meinen Augen gleich und verschwimmt zu meinem neuen Alltag.
Ich erkenne mich selbst kaum wieder und mein Chefarzt zitiert mich mehrmals ins Büro, um mit mir über meine Arbeitseinstellung zu reden. Er meint, ich sei zu verbissen und zu sehr auf meinen Erfolg konzentriert.
Aber mal ehrlich, was ist mir denn außer dem noch geblieben?
Cam und Josh versuchen wirklich alles, aber ich ziehe mich immer weiter zurück.
Ich bin in meinem Dienst und laufe über die, schon wieder, mit Weihnachtsdeko geschmückten Flure und schaue bei ein paar meiner Patienten rein und erkundige mich bei den Schwestern nach ihrem Befinden.
Noch eine Woche bis Weihnachten und mir graut es jetzt schon davor, alle Erinnerungen werden wieder hoch kommen. Nicht, das es mir so schon schlecht genug geht…
„Dani? Ein Gespräch aus Palmer.“ Will kommt zu mir und reicht mir das Stationstelefon. „Geh schon ran, es ist wichtig.“ Sagt er mit Nachdruck.
Dadurch, dass er und Cam seit dem Sommer endlich ein Paar sind, bekommt er natürlich alles mit und er ist mindestens so besorgt wie Cam und Josh.
Ich nehme mit zitternden Händen das Telefon in die Hand.
„Dr. Danielle Bradford.“ Melde ich mich und schlucke schwer.
„Das Palmer Regional.“ Meldet sich eine weibliche Stimme.
„Was ist mit meinem Grandpa?“ frage ich sofort.
„Es geht nicht um Peter Bradford, sondern um Francine Bradford.“ Teilt sie mir sachlich mit.
„Was ist mit ihr?“ meine Atmung beschleunigt sich auf ein fast unerträgliches Maß.
„Francine Bradford wurde heute Morgen eingeliefert. Sie hatte einen Schlaganfall wird im Augenblick behandelt. Es ist ernst und Charles Bradford hat uns gebeten sie zu benachrichtigen.“ Fährt sie fort und Tränen sammeln sich in meinen Augen.
„Was kann ich tun?“ frage ich erstickt.
„Kommen sie so schnell sie können her.“ Antwortet sie lapidar und ich lasse das Telefon sinken.
„Was ist passiert?“ Will hält mich an den Armen fest und ich sehe ihn an. Dann blinzele ich und die Tränen laufen über meine Wangen.
„Meine Granny hatte einen Schlaganfall.“ Schluchze ich.
Er denkt einen Moment nach und nickt dann schließlich.
„Pass auf…“ er zwingt mich ihn anzusehen „Ich rufe Josh an, er bucht euch einen Flug und ihr fliegt nach Palmer. Ich weiß, er hat Urlaub… Ich kläre das mit unserer Leitung. Ganz ehrlich Dani, ich kann dich einfach nicht mehr weinen sehen. Nicht wegen all dem, das hast du nicht verdient.“ Er küsst mich auf die Stirn und nimmt mir das Telefon aus der Hand „Ich hole Cam, sie fährt dich nach Hause.“ Damit geht er und ich lasse mich auf den nächstbesten Stuhl sinken.
Das kann doch alles nicht wahr sein…
Einen gefühlten Augenblick später kommt Cam und bugsiert mich erst in den Fahrstuhl, dann in mein Auto und schließlich in meine Wohnung.
Sie schickt mich zum duschen, während sie meine Tasche packt und ich stehe unentschlossen vor dem Spiegel.
Man sieht mir die Strapazen des letzten Jahres deutlich an…
Meine Augen haben jeglichen Glanz verloren, meine Haare sind lieblos im Nacken zusammen gebunden und ich habe fast 10 kg abgenommen und sehe ungesund aus.
Müde, abgespannt und unglücklich…
Ich überwinde mich und steige in die Dusche. Eine Weile stehe ich einfach nur da und versuche meiner Gefühle irgendwie Herr zu werden, dann wasche ich mich und meine Haare und trete auf das Handtuch vor der Dusche.
Ich föhne meine Haare und lasse sie einfach offen glatt über meine Schultern fallen.
Ich wickele mich in ein Handtuch ein und gehe zu Cam ins Schlafzimmer. Sie reicht mir eine Jeans und nachdem ich meine Unterwäsche angezogen habe betrachtet sie mich traurig.
„Ich würde alles dafür geben, meine unbeschwerte Dani zurück zu bekommen.“ Flüstert sie.
„Ich auch.“ Gebe ich zu und ziehe mir die Jeans an und ziehe den Gürtel fest. Dann reicht sie mir ein Shirt und einen dicken Pullover.
„Josh hat euch einen Flug gebucht und erwartet uns in 1 Stunde am Flughafen.“ Sie reicht mir meinen Mantel und ich nehme ihn ihr seufzend ab.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Gebe ich zu.
„Es geht hier nicht um können, du musst.“ Erinnert sie mich.
Ich nicke schwach und gehe in den Flur um meine Schuhe anzuziehen.
„Ich habe Angst.“ Flüstere ich.
„Ich weiß Süße.“ Cam zieht mich in ihre Arme.
Eine Weile hält sie mich fest, dann schiebt sich ein Stück von sich weg und wischt meine Tränen weg.
„Zeig ihr nicht, dass sie gewonnen hat.“ Bittet sie mich.
„Aber sie hat gewonnen.“ Ich schlucke schwer.
Cam seufzt tief, reicht mir meine Tasche und hält mir die Tür auf. „Ich kümmere mich um Jellybean und deine Wohnung.“ Verspricht sie mir und ich kraule Jellybean, ehe wir die Wohnung verlassen und ihr meinen Schlüssel gebe.
Am Flughafen wartet Josh auf mich und nimmt mich erst einmal in den Arm. „Ich bin bei dir.“ Verspricht er mir.
Dann geht es ziemlich schnell, wir checken ein und besteigen eine kleine Maschine.
Keine vier Stunden später setze ich meine Füße wieder auf den Boden Alaskas.
„Scheiße ist das kalt.“ Josh lächelt leicht und reibt sich die Hände.
Ich empfinde das fast als angenehm und schließe kurz meine Augen.
Wir brauchen eine Weile, um den Mann am Leihwagenschalten davon zu überzeugen uns ein Auto zu geben und schließlich setze ich mich hinters Steuer und wir fahren quer durch Palmer.
Vorbei an prachtvoll geschmückten Häusern und Weihnachtssängern…
Doch dafür habe ich nicht wirklich den Blick, ich habe viel zu viel Angst, wie es um Granny steht.
Ich finde einen Parkplatz, schalte den Motor aus und atme tief durch.
„Ich bin hier und ich gehe nirgendwo hin.“ Josh nimmt meine Hand.
Schließlich steige ich aus und wir treten in die Anmeldung.
„Francine Bradford.“ Sage ich zu dem jungen Mann und er tippt auf seinem Computer herum.
„Sie ist noch in der Untersuchung, aber sie können in den 2. Stock gehen und gerne im Wartezimmer warten.“ Teilt er mir mit und ich nicke fahrig.
Josh legt seinen Arm um mich und wir besteigen den Fahrstuhl um in den 2. Stock zu fahren. Als wir in den Flur hinaus treten und das Wartezimmer betreten, da nehme ich nichts außer Pop wahr und ich falle ihm um den Hals.
„Wie geht es ihr?“ frage ich leise.
„Keine Ahnung, ich verstehe nichts von dem ganzen Zeug was sie mir erzählen.“ Gibt er zu und ich habe meinen Pop noch nie so besorgt gesehen.
„Ich frage nach.“ Ich ziehe meinen Mantel aus und drücke ihn Josh in die Hand.
„Entschuldigung? Ich möchte sofort einen Arzt sprechen.“ Ich sehe eine junge Schwester an und sie macht vor Schreck einen Schritt zurück.
„Moment.“ Sie geht schnell den Gang entlang und ich verschränke meine Arme vor meiner Brust.
Das hier ist mein Territorium, hier fühle ich mich sicher.
Ein Arzt kommt zusammen mit der Schwester auf mich zu.
„Was genau kann ich für sie tun Miss?“ er sieht mich fragend an.
„Dr. Danielle Bradford.“ Ich reiche ihm meine Hand „Ich möchte bitte über den Zustand meiner Großmutter Francine Bradford aufgeklärt werden.“ Verlange ich mit Nachdruck.
„Dr. Roger Douglas.“ Erwidert er, einen kleinen Moment ist er verwirrt, aber dann besinnt er sich und erklärt mir, was genau passiert ist und wie sie sie jetzt behandeln.
Ich atme tief durch, ehe ich das Wartezimmer wieder betrete. Ich setze mich neben meinen Pop und nehme seine Hand.
„Es gibt gute und nicht so gute Neuigkeiten.“ Beginne ich „Die guten sind, der Schlaganfall wurde sehr früh behandelt, weil du sofort den Notarzt gerufen hast. Sie verdünnen jetzt ihr Blut und versuchen den Schaden soweit es irgendwie geht zu begrenzen. Die nicht so gute Nachricht ist, das das Hirnareal welches betroffen ist für ihr Sprache verantwortlich ist und es sein kann, dass sie damit erst einmal Schwierigkeiten hat. Alles andere wird sich erst zeigen, wenn die Behandlung abgeschlossen ist. Alles in allem hatte sie Glück.“ Ich sehe ihn an und er drückt kurz meine Hand.
„Danke Kleines.“ Flüstert er.
„Ich bin hier Pop.“ Verspreche ich ihm.
„Ja, bevor du dann wieder davon läufst.“ Kommt es von der Couch gegenüber, ich zucke zusammen, blicke auf und direkt in Vincents Gesicht.
Anstatt mich zu wehren, schlucke ich nur und widme mich dann wieder Pop zu.
„Sie tun alles was sie können. Wir können nur abwarten.“ Ich drücke seine Hand.
„Dr. Bradford?“ Dr. Douglas kommt ins Wartezimmer und ich stehe sofort auf.
„Sie können jetzt mit ihrem Grandpa zu ihr. Sie ist bei Bewusstsein, aber das sprechen fällt ihr sehr schwer.“ Erklärt er mit und ich reiche Pop meine Hand.
„Vielen Dank Dr. Douglas.“ Ich nicke ihm zu und er geht uns voran.
Als wir das Zimmer betreten merke ich, wie Pop zusammen zuckt.
„Das ist alles nur zu ihrer Sicherheit da.“ Flüstere ich ihm zu und deute auf die Geräte.
Pop geht zu ihr und nimmt ihre Hand vorsichtig in seine. Der Blick den sie ihm schenkt, der sagt mehr wie tausend Worte und ich lächle mit Tränen in den Augen.
Ich stelle mich hinter Pop und lege ihm meine Hand auf die Schulter. Granny sieht mich an und lächelt ganz zaghaft.
„Hallo Granny.“ Sage ich leise und sie hebt ihre freie Hand. Ich setze mich auf ihre Bettkante und sie greift nach meiner Hand.
„Kleines.“ Haucht sie und ich wische mir meine Tränen schuldbewusst beiseite.
Dann dreht sie meine Hand mit der Handfläche nach oben und ich sehe sie verwirrt an. Dann zeichnet sie noch etwas zittrig mit ihrem Zeigefinger ein Herz in meine Handinnenfläche.
„Ich liebe dich auch.“ Ich küsse ihre Stirn.
Wieder dreht sie meine Hand um und zeichnet ein V.
Traurig schüttele ich mit dem Kopf und stehe auf um ans Fenster zu gehen.
Pop kommt zu mir und dreht mich zu sich um.
„Weißt du was das Schlimmste ist, was dir passieren kann?“ er sieht mich prüfend an und ich schüttele mit dem Kopf.
„Wenn ich deine Granny heute verloren hätte, dann wäre ich traurig gewesen, aber ich bin mir sicher, sie weiß, wie sehr ich sie liebe. Es gibt nichts Schlimmeres, als jemandem seine Gefühle zu verschweigen.“ Er küsst meine Stirn.
Ich kann dem nichts erwidern und lege meinen Kopf auf seine Schulter.
„Ich sorge dafür, dass du bei ihr bleiben kannst.“ Sage ich erstickt und mache mich von ihm los.
Im Flur treffe ich auf meinen Dad und werfe mich in seine Arme.
„Wie geht es Fran?“ fragt er besorgt.
„Soweit ganz gut. Pop ist bei ihr.“ Ich schmiege mich an ihn.
„Das ist gut, sie hat mir einen Riesenschreck eingejagt.“ Gibt er zu.
„Mir auch.“ Flüstere ich.
„Du siehst schlimm aus Kleines. Fahr ins Hart Lake House und ruhe dich aus.“ Er drückt mich fest an sich. „Hast du jemanden der dich fahren kann?“
„Ja, Josh ist mitgekommen.“ Ich nicke leicht.
„Ich komme morgen früh gleich vorbei.“ Verspricht er mir und wir betreten das Wartezimmer.
Vincent starrt immer noch finster vor sich hin und Josh springt auf, als ich herein komme.
„Wir fahren erst einmal.“ Sage ich zu ihm und er reicht mir meine Jacke.
Ich bespreche mit den Schwestern, dass es unumgänglich ist, das mein Pop bei Granny bleibt und sie zeigen sich sehr verständnisvoll.
Dann lotste ich Josh durch die dunklen Straßen hinaus nach Hart Lake House. Wir parken vor der Scheune und ich steige aus. Tief atme ich die kalte, klare Luft ein und Josh nimmt unsere Taschen, während ich voran gehe und aufschließe.
Wieder steht ein wunderschöner Weihnachtsbaum im Wohnzimmer und Lichterketten blinken. Ein so friedlicher und besinnlicher Anblick, das es mir sofort die Kehle zuschnürt.
Josh lässt die Taschen fallen und nimmt mich in den Arm.
„Es tut mir alles so leid Dani.“ Sagt er einfühlsam und ich schluchze leise.
Nachdem ich mich beruhigt habe, mache ich uns einen Tee und zeige ihm das Gästezimmer. Wir brauchen beide dringend eine Runde Schlaf.
Ich fühle mich wie gerädert, als ich am nächsten Morgen früh wach werde und tatsächlich brauche ich einen Moment, um zu wissen wo ich bin.
Ich bin in Palmer…
Mit IHM zusammen in einer Stadt…
Und er hasst mich…
Ich raffe mich auf und ziehe mir, nach einer kurzen Dusche, einen Pullover und eine Jeans an. Als ich in die Küche komme steht Sam an der Kaffeemaschine und setzt Kaffee auf.
„Was machst du denn hier?“ frage ich verunsichert.
„Dani!“ sie fällt mir um den Hals „Gott ist das schön dich zu sehen.“ Sie strahlt mich an.
Dann geht sie nach nebenan und kommt mit einem kleinen Jungen auf dem Arm zurück.
„Schau mal Daniel, das ist Dani, der du deinen Namen und dein leben verdankst.“ Sie drückt ihn mir auf den Arm.
Er riecht so unschuldig nach Baby und seine himmelblauen Augen strahlen mich an.
„Wow ist er gewachsen.“ Stelle ich leise fest.
„Ja, er ist ja auch schon fast ein Jahr.“ Sam sieht mich an und ich bemerke den traurigen Ausdruck in ihren Augen.
„Es tut mir so leid.“ Ich drücke Daniel an mich.
In diesem Moment kommt Josh herein und ich mache die Beiden bekannt.
Eine halbe Stunde später sitzen wir am Tisch und essen zumindestens ein kleines Frühstück.
„Spätzchen?“ ertönt es von der Tür her und ich erkenne die Stimme meines Dads.
„Hier.“ Rufe ich und er kommt zu uns in die Küche.
„Oh Hallo Sam!“ er winkt Sam zu und streicht dann über Daniels Köpfchen „Hallo Danny.“ Begrüßt er auch ihn.
„Und du musst Josh sein.“ Er reicht Josh die Hand, zieht sich seinen Mantel aus und setzt sich zu uns.
„Ja, der bin ich.“ Bestätigt Josh und beide lächeln sich an.
„Ich war heute Morgen noch mal bei Fran. Sie erholt sich langsam, aber es wird noch dauern, bis sie nach Hause kann.“ Erklärt er uns.
„Wir müssen uns in der Zwischenzeit um einige Angelegenheiten kümmern…“ er sieht zu mir.
„Keine Bilanzen.“ Flehe ich ihn an.
Zum einen habe ich noch genug vom letzten Jahr, zum anderen will ich unter keinen Umständen in die Nähe von Vincent kommen…
„Nein, nein…“ er winkt ab „Das haben Vincent und ich im Griff. Aber in der Werkstatt fehlt jemand, weil Vince mit den Bilanzen ausgelastet ist.“ Er sieht mich bittend an. „Es sind nur kleine Aufgaben, aber wir schaffen sonst nicht die Fahrzeuge vor Weihnachten fertig zu bekommen.“
Ich schließe gequält meine Augen.
„Ich würde dich nicht bitten, wenn ich eine andere Wahl hätte.“ Er greift nach meiner Hand.
„Okay.“ Flüstere ich.
„Danke Spätzchen, nur ein paar Tage.“ Verspricht er mir.
„Und was soll ich machen?“ Josh sieht mich mit großen Augen an.
„Vielleicht kannst du Dad und Vincent zur Hand gehen.“ Ich sehe zu meinem Dad.
„Aber sicher, wenn du nur halb so gut bist, wie Dan sagt, dann kannst du uns wirklich helfen.“ Er sieht zu Josh und dieser nickt begeistert.
Kann ja nicht jeder so unglücklich über Zahlen sein wie ich…
„Gut, dann treffen wir uns in einer Stunde an der Werkstatt. Trevor ist der Meister für die nächsten Tage, er wird anweisen.“ Er sieht wieder zu mir und ich nicke schwach.
„Und du kommst am Besten gleich hoch ins Büro.“ Er sieht wieder zu Josh und dieser nickt ebenfalls.
Tatsächlich parke ich die alte Lady eine Stunde später auf dem Parkplatz und Josh sieht mich skeptisch an.
„Ich fass es nicht, die Spitzenärztin aus Seattle macht einen auf Mechaniker.“
„Ich konnte einen Motor zerlegen, bevor ich das Wort buchstabieren konnte.“ Ich stiege aus und er folgt mir.
„Okay, die Treppe hoch, erste Tür rechts.“ Schicke ich Josh nach oben und gehe zu Trevor.
„Du brauchst Hilfe, da bin ich.“ Ich sehe ihn an und er nimmt mich strahlend in den Arm.
„Sicher?“ fragt er zieht seine Augenbrauen hoch.
„Brauchst du nun Hilfe oder nicht?“ ich ziehe meine Jacke aus und angele mir ein Mechaniker Hemd aus dem Schrank.
„Okay, Ölwechsel bei dem Ford Escort, Wintercheck bei dem Chevrolet und technische Prüfung bei dem VW.“ Er reicht mir ein Klemmbrett und ich überfliege die Daten.
„Sollte ich hin bekommen.“ Ich nicke ihm zu und begrüße erst einmal die anderen Beiden und stelle mich vor.
„Sag mal, bist du nicht Ärztin?“ Roland sieht mich fragend an.
„Ja, aber ich bin quasi in dieser Werkstatt aufgewachsen.“ Ich zucke mit den Schultern und bereite den Ölwechsel vor.
Tatsächlich merke ich, wie viel Spaß mir das macht und es tut gut mal etwas anderes zu machen, wie im OP zu stehen oder mit dem Notarztwagen durch die Stadt zu fahren.
Ich bin gerade bei der technische Prüfung des VWs und schließe den Computer an, um die Daten auszulesen.
„Ich brauche die Lieferscheine von heute.“ Vincent kommt die Treppe runter, entdeckt mich und ich erkenne die Verwirrung in seinem Blick.
„Warte, ich hole sie.“ Trevor springt auf und ich konzentriere mich auf den Computer.
Ich fühle mich mal wieder beobachtet und versuche das kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren.
Endlich kommt Trevor zurück und reicht Vincent einen Stapel Lieferscheine.
Dieser geht aber nicht gleich wieder hoch, sondern setzt sich an die Werkbank und versucht sie zu sortieren.
„Und was sagt er?“ Trevor taucht neben mir auf und ich zucke zusammen.
„Keilriemen ist fällig, Ölwechsel und so wie es aussieht ist ein Fehler in der Einspritzung.“ Ich deute auf den Monitor des Computers.
„Okay, Keilriemen machen wir heute noch…“ er sieht zur Uhr, es ist schon kurz nach 17 Uhr und er seufzt leise „… Ölwechsel morgen und ich schaue mir die Einspritzung an.“
„Geh nach Hause Trevor, deine Frau und deine Kinder warten.“ Ich sehe ihn lange an „Ich mach das, morgen sind im Plan 6 Winterchecks…“ ich zucke mit den Schultern „…Gott sei dank kümmern sich die Leute doch schon Ende Dezember darum.“ Ich grinse leicht.
„Bekommst du das hin?“ er sieht mich prüfend an.
„Seh ich so aus, als ob ich das nicht hinbekommen würde?“ stelle ich ihm eine Gegenfrage. „Hau schon ab.“
„Ich danke dir!“ er drückt mir einen Kuss auf die Wange.
Endlich erhebt sich auch Vincent und ich atme durch, ehe ich mich versehe bin ich alleine. Na ja bis auf das Büro, in dem sich immer noch mein Dad, Josh und Vincent die Köpfe heiß rechnen.
Ich mache zuerst den Ölwechsel, denn das ist mit Sicherheit noch das Einfachste. Ich überlege krampfhaft wie ich anschließend am Geschicktesten an den Keilriemen heran komme, ganz ehrlich, früher war das einfacher, aber als sie angefangen haben mehr Plastik wie alles andere in Autos zu bauen, da muss man schon schauen, wie man am Besten ran kommt.
„Ich fahre Josh nach Hause.“ Mein Dad tritt neben mich und ich sehe ihn seufzend an. „Wie weit bist du?“
„Ich habe es gerade geschafft, mir einen Weg zum Keilriemen zu bahnen und da ich jetzt das Schlimmste hinter mir habe, denke ich, dass ich knapp 2 Stunden fertig bin.“
„Danke Spätzchen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Eigentlich will ich das nicht fragen, aber ich atme tief durch.
„Was ist mit Vincent?“ ich schlucke schwer und mein Dad sieht auf.
„Er macht nur noch was fertig, ich denke in 20 Minuten ist er auch weg. Wenn was ist, ich kann in 15 Minuten hier sein.“ Er schenkt mir einen eindringlichen Blick.
„Danke Dad.“ Ich beuge mich wieder über den Motorraum und löse weitere Schrauben.
„Ich danke dir.“ Erwidert er liebevoll und ich konzentriere mich wieder auf meine Arbeit.
Ich bemerke nicht, dass Vincent irgendwann geht…
Schließlich mache ich das Licht um 22 Uhr aus und fahre nach Hart Lake House.
Sam hat Essen vorbei gebracht und ich setze mich mit einem Teller köstlich duftender Suppe zu Josh ins Wohnzimmer.
„Na, wie weit seid ihr?“ ich puste auf meinen Löffel.
„Morgen noch und übermorgen ist alles im Kasten. Sie haben dazu gelernt.“ Er zwinkert mir zu.
„Gut.“ Ich probiere die Suppe und schließe genießerisch meine Augen.
„Und bei dir? Wie ist es zur Abwechslung mal in den Innereien von Autos statt von Menschen herum zu wühlen?“ er sieht mich prüfend an.
„Ehrlich gesagt entspannend.“ Gebe ich lächelnd zu.
„Du machst eine gute Figur, die anderen sind völlig begeistert von dir.“ Er strahlt mich an.
„Hat Vincent was gesagt?“ ich bin mit meiner Suppe fertig und stelle den Teller auf den kleinen Beistelltisch.
„Nein und wenn ich ehrlich bin, habe ich das Gespräch darüber auch nicht mit ihm gesucht…“ er nimmt meine Hand „Sag ihm endlich was Sandra abgezogen hat, sonst wird er dich ewig hassen.“ Bittet er mich.
„Nein Josh, ich habe diese Entscheidung getroffen um ihn zu beschützen.“ Ich entziehe ihm meine Hand.
„Und wohin hat es dich gebracht? Hast du dich in letzter Zeit mal angeschaut? Ich meine schön und gut, das du in der Woche gut und gerne 50 Stunden arbeitest, aber das ist nicht gesund.“ Er legt seinen Kopf schief „Dani, verdammt, wir machen uns alle Sorgen um dich.“
„Braucht ihr nicht, ich komme klar.“ Winke ich ab.
„Nein kommst du nicht…“ er zwingt mich ihn anzusehen „Ich habe gesehen, wie du ihn ansiehst und ich weiß, wie oft du immer noch wegen ihm weinst. Das ist nicht fair.“
„Nein Josh, ist es nicht… Ist es ganz und gar nicht. Versteh doch, sie sitzt am längeren Hebel.“ Ich merke wie sich schon wieder Tränen in meinen Augen sammeln.
„Die Dani die ich mal kannte, die hätte sich von so einer Zicke nicht einschüchtern lassen.“ Gibt er zu.
„Es geht um Vincent und um meine Familie, es geht hier doch nicht um mich… Wenn es so wäre, dann wäre es mir egal und glaube mir, ich hätte mich gegen sie aufgelehnt.“ Erkläre ich ihm und er nickt ganz leicht.
„Tut mir leid.“ Er zieht mich in seine Arme.
Der nächste Tag startet erst einmal mit Muskelkater, da ich plötzlich ganz andere Muskeln beanspruche und ich dusche fast eine halbe Stunde, damit ich mich annährend bewegen kann.
Die Jungs nehmen mich sofort in Beschlag und ich komme kaum zum durchatmen.
„Essen!“ Sam kommt herein gefegt und ich sehe sie dankbar an.
„Gott, ich verhungere gleich.“ Gebe ich zu und sie reicht mir ein Sandwich.
„Dann schnell essen.“ Lacht sie und ich packe das Sandwich aus und beiße beherzt rein.
„Gott Sam, dein Essen hat mir wirklich gefehlt.“ Gebe ich zu.
„Du hast mit gefehlt Dani.“ Erwidert sie traurig.
„Hey, bekommen wir hier oben auch was?“ ertönt mein Dads Stimme über uns und Sam geht die Treppe hoch.
Ich reiche auch Trevor und den anderen ein Sandwich und wir besprechen das weitere vorgehen.
Gerade will ich uns loben, weil wir es tatsächlich geschafft haben alle Termine abzuarbeiten, und morgen nur einer her kommen muss der die Autos an die Besitzer zurück gibt, als ein Abschlepper vor der Werkstatt hält.
„Hey Jungs, geht nach Hause, egal was es ist. Entweder ich bekomme es hin, oder es wartet bis nach den Feiertagen.“ Ich sehe in die Runde. Alle drücken mir Küsse auf die Wange und stürmen dann hinaus. Ich gehe zum Fahrer des Abschleppers.
„Was hast du?“ ich sehe ihn an und er deutet auf die Ladefläche.
„Springt nicht an.“ er zuckt mit den Schultern.
„Gut, bring ihn rein. Ich schaue mal nach.“ Ich nicke ihm zu und er lädt das Auto ab, zum Glück ein älteres Modell…
Wir schieben ihn in die Werkstatt und ich sehe nach.
„Anlasser und Einspritzung. Er kann morgen abgeholt werden.“ Ich sehe auf und er nickt dankbar.
„Vor 12 Uhr, danach ist keiner mehr hier.“ Füge ich hinzu und er winkt mir kurz zu, ehe er wieder einsteigt und ich das Tor schließe. Natürlich ist es sofort bitterkalt in der Halle und ich reibe mir die Hände.
„Ich dachte ihr seid fertig.“ Mein Dad kommt mit Josh und Vincent die Treppe runter und ich zucke mit den Schultern.
„Kam gerade rein. Ich mach das noch schnell, sollte in maximal 2 Stunden erledigt sein.“ Ich winke ihm zu.
„Okay, wir fahren los. Wenn was ist…“ setzt er an.
„…Ich weiß, dann bist du in 15 Minuten hier.“ Vervollständige ich seinen Satz und er lacht auf, bevor sie raus gehen.
Ich lege meine Musik ein und mache mich dann an die Arbeit.
Alles verläuft so, wie ich es mir vorgestellt habe, nur noch alles fest ziehen und ich habe es geschafft.
Ich setze den großen Schraubenschlüssel an und rutsche ab, die scharfe Metallkante schneidet sich in meinen linken Unterarm und ich mache einen Satz nach hinten.
Es blutet relativ stark und ich untersuche mich, so gut es geht selbst.
Keine große Gefäße getroffen und nähen ist wohl nicht nötig, trotzdem blutet es ziemlich stark. Ich ziehe mein Hemd aus und wickle es mir um den Arm.
Irgendwo muss doch hier ein Verbandskasten herum stehen.
„Was genau suchst du?“ ertönt eine Stimme hinter mir und ich fahre herum.
Vincent steht in der Tür und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Ich kann nicht sagen, ob er böse ist, denn ich erkenne sein Gesicht in der schwachen Beleuchtung nicht.
Da mein Arm immer noch blutet überwinde ich mich, denn wenn das so weiter blutet, dann bekomme ich ein Kreislaufproblem…
„Verbandskasten.“ Sage ich leise und er macht einen Schritt auf mich zu.
„Hast du dir den Finger geklemmt?“ fast spöttisch zieht er eine Augenbraue hoch und ich merke wie mir die Tränen in die Augen steigen, denn jetzt kommt der Schmerz…
„Nein…“ ich wickle das Hemd ab und er kommt zu mir gelaufen.
„Wie in aller Welt hast du denn das hin bekommen?“ er drückt das Hemd wieder auf meine Wunde.
„Abgerutscht.“ Ich sehe zu Boden.
„Das muss doch genäht werden.“ Er schüttelt den Kopf.
„Nein, ich brauche einen Verbandskasten und den Kasten aus dem Pick up.“ Erkläre ich ihm.
Ein paar Strips drauf und fertig… Das kann ich hier, dafür muss ich nicht stundenlang in irgendeiner Notaufnahme sitzen. Ich weiß schließlich wovon ich rede…
Er holt beide Sachen und ich setze mich auf einen Stuhl, denn ob ich will oder nicht, ich brauche jetzt seine Hilfe.
Ich weise ihn an, die Wunde zu säubern und verziehe das Gesicht.
„Tut mir leid.“ Entschuldigt er sich sofort.
„Schon gut.“ Presse ich hervor und leite ihn weiter an. Schließlich ziert ein gar nicht mal so schlechter Verband meinen Unterarm.
„Geht es dir wirklich gut?“ fragt er besorgt und ich sehe ihm das erste Mal seit so langer Zeit in die Augen.
Ich kann nur nicken und versinke in ihnen.
Er räuspert sich und mich beschleicht sofort ein ungutes Gefühl…
„Ich wollte mit dir reden…“ beginnt er und fährt sich durch die Haare. „Sandra und ich wollen unserer Ehe eine neue Chance geben. Wir erneuern unser Ehegelübde…“ er atmet tief durch „Morgen Nachmittag in der Scheune. Es war alles mit Pete und Fran abgesprochen.“
Ich schlucke schwer und merke wie mir Tränen in die Augen stiegen.
„Wenn es mit den beiden abgesprochen war.“ Ich zucke mit den Schultern und versuche meiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben.
„Weißt du, sie hat mich aufgefangen, als du einfach gegangen bist…“ setzt er zu einer Erklärung an.
„Du bist mir keine Rechenschaft schuldig…“ ich hebe meine Hände „Ich muss das hier noch zu Ende machen.“ Damit stehe ich auf und gehe zurück zum Auto.
„Vielleicht kommst du auch?“ fragt er leise und ich sehe erstaunt auf.
„Warum?“ antworte ich mit einer Gegenfrage.
„Sandra meint, es wäre eine schöne Geste…“ er zuckt mit den Schultern „… Immerhin hast du uns irgendwie wieder zusammen gebracht.“
„Ich denke darüber nach.“ Antworte ich ausweichend.
Ich höre wie er geht und schluchze auf.
Will sie mir jetzt auch noch unter die Nase reiben, dass sie ihr Ziel erreicht hat?
Ich kann es nicht fassen.
Ich werde nicht dahin gehen!
Ganz sicher!
Ich stehe nicht auf Selbstgeißelung und ich kann es nicht ertragen, zu sehen wie er sie erneut heiratet…
Niemals!
Ich schaffe es noch, meine Arbeit zu ende zu machen und fahre dann nach Hause. Ich fahre den Pick up in die Scheune und bemerke, dass schon einige Sachen für die Hochzeit hier sind…
Das ging ja schnell.
Josh kommt irgendwann zu mir in die Scheune, da ich nicht aus dem Pick up aussteige und einfach nur stur gerade aus starre.
Er steigt zu mir in den Pick up und ich sehe ihn kurz an.
„Früher, wenn Matt und ich unsere Schlüssel vergessen hatten, dann haben wir auf der Ladefläche geschlafen.“ Erzähle ich ihm und Tränen steigen mir erneut in dieser Nacht in die Augen „Wir haben über alles geredet. Er kannte jedes noch so kleine Geheimnis von mir. Da war immer ein Band was uns verbunden hat. Ich wusste was er denkt, noch bevor er es denkt und er spürte immer wie es mir geht.“ Ich sehe zu Josh und nun beginnen die Tränen zu laufen.
„Ich spüre schon lange, dass es dir nicht gut geht.“ Sagt er einfühlsam und nimmt mich in den Arm.
„Er heiratet sie noch mal.“ Weine ich.
„Ich weiß, er hat es mir und Charlie beim Abendessen gesagt. Dani sag es ihm endlich.“ Beschwört er mich.
„Ich kann nicht…“ schluchze ich und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust.
„Es tut mir so leid.“ Er wiegt mich sanft in seinen Armen.
Irgendwann habe ich mich soweit beruhigt, das wir ins Haus gehen können und Josh steckt mich erst einmal in die Badewanne.
Behutsam wäscht er mir den Rücken, während ich meine Beeine umschlinge und vor mich hin starre.
Irgendwo ganz tief in meinem Herzen hatte ich immer noch die Hoffnung, dass ich und Vincent es vielleicht irgendwann schaffen könnten, aber jetzt?
Es ist endgültig…
SIE hat gewonnen…
Ich finde mich plötzlich auf der Couch in eine dicke Decke eingewickelt wieder und sehe Josh prüfend an. Er sitzt neben mir und ist eingeschlafen…
Es bahnt sich ein neuer Tag, heute ist der 24. Dezember und meine Welt wird heute untergehen. Endgültig und ohne jeden Zweifel.
Ich habe ihn verloren.
Ich rappele mich auf und decke Josh zu. Draußen und in der Scheune herrscht reges Treiben und ich seufze tief.
Ich gehe nach oben und ziehe mir eine Jeans und einen dicken Pullover an, dann nehme ich meinen Mantel vom Harken und stapfe durch den Schnee zur Scheune. Ich vermeide Blickkontakt zu jedem und nehme mir meine Schlittschuhe aus dem Regal. Ich hänge sie über meine Schulter und vergrabe meine Hände tief in meinen Taschen und gehe zum See.
Ich schnalle mir die Schlittschuhe an und gleite übers Eis. Ein trocknes Schluchzen entweicht meiner Kehle und ich umschlinge mich mit meinen Armen um so dem Schmerz etwas Einhalt zu gebieten. Es wirkt nicht und ich ziehe eine Runde nach der anderen, gerade so, als ob ich vor meinem Schmerz davon laufen könnte.
Irgendwann habe ich keine Kraft mehr und setze mich auf den Steg.
„Gnade dir Gott, wenn du ihm auch nur ein Wort sagst…“ erklingt eine Stimme hinter mir und ich schließe gequält meine Augen.
„Was willst du noch?“ frage ich kraftlos.
Ganz ehrlich, hat sie nicht alles was sie wollte?
„Ich will dich nur daran erinnern, das es mich nur einen Anruf kostet und deine Karriere als ach so erfolgreiche Ärztin ist beendet. Halte dich von ihm fern.“ Zischt sie mir zu und ich höre gedämpft wie sich ihre Schritte entfernen.
Ich schnalle meine Schlittschuhe wieder ab und gehe in Richtung Haus, ich werde heute dieser Scheune nicht mehr zu nahe kommen, das kann und will ich mir nicht zumuten.
„Dani? Komm mal schnell, einem Techniker ist ein Schrank umgekippt und wir haben da was gefunden.“ Ein junger Mann sieht mich an und ich folge ihm verwirrt.
Meine Vorsätze halten ja lange…
Ich erkenne sofort, das der große hellblaue Kleiderschrank meiner Mum umgekippt ist und Trevor gerade versucht ihn wieder aufzurichten.
„Da bist du ja.“ Er kommt zu mir und nimmt mich in den Arm „Erst einmal Danke für gestern Abend und das hier…“ er reicht mir einen zerknüllten Zettel „… Das klebte an der Rückwand.“
Ich sehe auf den Zettel.
Mein Babygirl steht dort in meiner Mums Handschrift und ich schlucke.
„Danke.“ Ich nehme den Zettel an mich und sehe dass ich aus der Scheune raus komme. Alles ist festlich geschmückt und der Hochzeitsbogen ist aufgebaut… Nicht das, was ich jetzt brauche.
Ich setze mich auf eine Bank auf die Veranda und betrachte den Zettel. Es war einmal ein A4 Blatt aber es ist klein zusammen gefaltet. Vorsichtig falte ich es auseinander.
Mein kleines Mädchen,
meine Mum hat mir einmal einen Rat gegeben, dem ich versucht habe mein ganzen Leben zu folgen. Ich möchte ihn gerne an dich weiter geben.
Wenn du jemanden liebst, dann steh auf und schreie es hinaus in die Welt! Lass niemals zu, dass dich deine Angst davon abhält.
Und noch etwas, wenn du liebst, dann liebe mit ganzem Herzen und allen Konsequenzen, denn ohne Liebe ist alles wertlos.
In Liebe Mummy
Ich schlucke schwer und sehe zum Himmel.
„Zu spät Mum.“ Flüstere ich.
Ich starre auf den See und versuche mich an die glücklichen Stunden zu erinnern, die ich mit ihr und Matt dort verbracht habe. Doch mein gebrochenes Herz hindert mich daran, mich ohne Schmerz daran zu erinnern.
Ich fühle mich verloren…
Ausgebotet und gescheitert…
Josh kommt nach einer ganzen Weile zu mir und setzt sich neben mich.
„Was ist denn das?“ fragt er mit einem Blick auf den Zettel.
„Ein Rat meiner Mum.“ Ich reiche ihm den Zettel.
„Mensch Kleines, steh’ endlich auf und kämpfe.“ Fleht er mich an.
„Wofür?“ ich versuche zu lächeln.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Vincent zusammen mit Pastor Smith ankommt und die Gäste in die Scheune gehen.
Scheint, als würde es gleich los gehen…
„Wofür?...“ Josh schüttelt kraftlos seinen Kopf „Für Vincent.“ Sagt er leise „Und für dich.“ Fügt er hinzu. „Lass es nicht so enden.“
Ich schlucke schwer, schließlich straffe ich meine Schultern. Er hat Recht, ich habe das letzte Jahr damit verbracht mich zu bemitleiden, weil sie gewonnen hat. Dabei habe ich nicht einmal gekämpft.
Soll sie doch meine Karriere als Ärztin zerstören, dann arbeite ich eben als Mechanikern.
Das kann ich, das habe ich die letzten Tage bewiesen.
Soll sie doch versuchen Bradford Motors zu zerstören.
Wir werden es neu aufbauen.
Soll sie Vincent doch alles nehmen, aber wenigstens hat er dann mich.
Ich sehe Josh an.
„Du hast Recht.“ Sage ich schließlich und stehe auf.
„Was hast du denn jetzt vor?“ fragt er verwirrt.
„Aufstehen und kämpfen.“ Ich atme tief durch und gehe Richtung Scheune.
Josh folgt mir nach einer Schrecksekunde und nimmt meine Hand.
„Du willst eine Hochzeit sprengen?“ er sieht mich von der Seite an.
„Sieht so aus.“ Ich sehe zu ihm und er sieht mich erstaunt an.
„Mach sie fertig.“ Flüstert er mir zu und wir betreten die Scheune.
„… Wenn irgendjemand der Anwesenden etwas gegen diesen Bund sagen möchte, so soll er jetzt sprechen oder für immer schwiegen…“ Pastor Smith sieht in die Runde.
Das nenn ich mal perfektes Timing…
„Ich habe was zu sagen.“ Ich stehe am Eingang und sofort schnellen alle Köpfe in meine Richtung.
Vincent sieht mich erstaunt an und Sandra versucht mich mit einem bloßen Blick zu töten.
Was habe ich noch zu verlieren?
Sie hat mir doch praktisch alles genommen…
„Du hast nichts zu sagen.“ Fährt sie mich an.
„Doch, ich denke schon…“ ich gehe langsam auf Vincent zu.
„Vincent ich liebe dich, ich liebe dich mehr wie es meine Worte jemals ausdrücken können. Du bist mein Seelenverwandter, du bist der Mann bei dem ich sein kann wie ich bin…“ ich sehe ihn lange an.
Er lässt Sandras Hände los und erwidert meinen Blick mit einem verständnislosen. Alle Augen sind nun auf ihn gerichtet.
„Du bist gegangen.“ Sagt er tonlos und jetzt schauen wieder alle mich an.
„Ja, aber nicht freiwillig.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Denk an meine Worte.“ Zischt Sandra.
„Weißt du was mir klar geworden ist Sandra?“ ich mache einen Schritt auf sie zu „Du hast mir gedroht meine Karriere zu zerstören, wenn ich mich nicht von ihm trenne. Und? Mach es! Mach deine Drohung wahr. Es ist mir egal, ich bin nicht nur eine verdammt gute Ärztin, wie du selber gesagt hast, ich habe viele Talente und wenn alle Stricke reißen, dann arbeite ich in der Werkstatt.“ Erkläre ich ihr ganz ruhig.
„Ich werde dich vernichten. Dich und deine Familie!“ erwidert sie zornig und ihr Gesicht bekommt die Farbe einer sehr reifen Tomate.
„Ja, denn schließlich war es dir nicht genug mir zu drohen, nein, du hast auch meiner Familie gedroht. Du hast gesagt du würdest Bradford Motors dem Erdboden gleich machen. Aber weißt du was? Wir werden es neu aufbauen, deine Familie mag noch so mächtig sein, aber wir wissen alle was wir können und wenn wir am Boden liegen, dann stehen wir auf und kämpfen.“ Meine Stimme hallt wieder und ich sehe sie an. „Zu guter Letzt und der eigentliche Grund warum ich gehen musste, du hast gedroht Vincent alles zu nehmen wofür er so hart gearbeitet hat. Aber mach auch das, denn ich werde an seiner Seite sein und wir werden es schaffen. Ich habe ein Jahr meines Lebens damit verbracht mich zu bemitleiden, weil du gewonnen hast und mir alles…“ ich schüttele fassungslos mit dem Kopf „Mein Liebe, mein Leben und mein Zuhause weg genommen hast. Aber ich habe erkannt, das wenn ich nicht kämpfe, das ich es dir zu einfach mache.“ Ende ich schließlich.
Vincent starrt mich an und alle anderen sehen abwechselnd zu mir und zu Sandra.
„ich vernichte dich, du wirst niemals wieder einen Fuß auf den Boden bekommen.“ Schreit sie plötzlich los. „Er gehört mir und ich lasse ihn mir nicht von irgendeinem daher gelaufenen Flittchen streitig machen. Das waren nur Differenzen, die alle Eheleute irgendwann überstehen müssen. Er gehört zu mir.“ Sie sieht zu Pastor Smith „Und jetzt fahren sie fort.“ Blafft sie ihn an.
„Ernsthaft?“ findet Vincent endlich seine Sprache wieder und sieht zu Sandra. „Nach all dem glaubst du tatsächlich ich erneue unseren Bund der Ehe? Ich habe dir viel zu getraut, aber Dani zu drohen, das ist wirklich das Letzte.“ Er sieht sie abfällig an. „Mach deine Drohungen wahr… Bitte schön.“ Er nickt ihr zu.
Dann kommt er auf mich zu, nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich sanft.
Als seine Lippen meine berühren, da weiß ich, jetzt bin ich zu Hause.
„Ich liebe Dich.“ Flüstert er.
„Und ich liebe dich… falls das in der Fülle der Informationen untergegangen sein sollte.“ Ich lächle scheu.
Plötzlich applaudieren alle um uns herum und ich lehne meinen Kopf an seine Brust.
Sandra stürmt an uns vorbei nach draußen und ich sehe ihr hinterher. Ich atme tief ein…
Das wird Folgen haben.
Für jeden von uns.
Trevor springt auf.
„Sandra?“ ruft er ihr hinterher und sie dreht sich um „Du wirst in Palmer nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen. Nicht nur du hast Kontakte… Mein Dad ist der Bürgermeister von Palmer und vertrau’ mir, deine Anschuldigungen und Verleumdungen werden hier nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Wir stehen für unsere Bewohner ein. Unterschätz uns nicht.“ Er grinst und sie stapft weiter.
Wow, anscheinend hat nicht nur sie einflußreiche Freunde und Trevor zwinkert mir zu.
Vincent presst mich an sich und ich halte mich an ihm fest.
Sandras Familie und ihre Freunde stürmen nun ebenfalls nach draußen, aber keiner wagt es etwas zu sagen.
„Ich glaube, das war es wohl für heute.“ Pastor Smith kommt auf uns zu.
„Nein.“ Vincent sieht mich an. „Heirate mich. Jetzt und sofort.“ Bittet er mich und ich sehe zu ihm auf.
„Wie bitte?“ frage ich erstaunt „Du bist noch nicht einmal geschieden.“
„Sandra und ich sind offiziell seit fast 2 Jahren getrennt. Jedes Gericht der Welt stimmt nun einer Scheidung zu, dagegen kann selbst sie nichts machen.“ Er sieht mich bittend an, dann geht er vor mir auf die Knie. „Danielle Bradford nimmst du mich zu deinem Ehemann und machst mich zu glücklichsten Mann der Welt?“
Ich ziehe ihn hoch und küsse ihn. „Ja.“ Hauche ich.
Ich sehe zu Pastor Smith und er nickt lächelnd.
„Dann kommt.“ Er geht zurück zum Hochzeitsbogen uns wir folgen ihm.
„Nicht ohne uns.“ Kommt es von der Tür her und Pop schiebt Granny in einem Rollstuhl herein, während mein Dad ihnen lächelnd folgt.
„Was macht ihr denn hier?“ ich laufe zu ihm und sehe Granny prüfend an.
„Du kennst deine Grandma. Wir können jetzt sowieso nur noch abwarten und das will sie nun einmal zu Hause machen. Mit dem sprechen ist es noch schwer, aber es wir jeden Tag ein wenig besser.“ Er sieht zu Granny und sie strahlt ihn an.
„Und auf deinen Dad möchtest du doch nicht verzichten.“ Mein Dad nimmt mich in den Arm.
„Nur mal um das alles zu verstehen…“ er sieht mich lange an „Sandra und ihre Familie sind gerade gefahren und keiner von denen sah aus, als wäre er besonders glücklich und Vincent hat dich gerade gefragt ob du ihn heiraten willst und du hast ja gesagt?“
„Ja grob passt das.“ Gebe ich zu.
„Du willst in Jeans und Pullover heiraten?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Solange ich Vincent heirate…“ ich lächle.
„Ringe.“ Sagt Granny leise und ich sehe zu ihr. Sie streift sich ihren Ehering ab und sieht zu Pop. Auch er streift sich seinen ab und sie reichen sie dem Pastor.
„Das könnt ihr nicht machen.“ Ich sehe sie mit Tränen in den Augen an.
„Diese Ringe begleiten mich und deine Grandma schon seit fast 70 Jahren und wir wünschen uns für dich, das deine Ehe so glücklich wird, wie unsere es ist. Nimm es als Geschenk.“ Bittet mich Pop und ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
Dann küsse ich auch Granny und sie nimmt weise lächelnd meine Hand.
„Liebe.“ Flüstert sie.
„Ja Granny meine Liebe.“ Ich sehe zu Vincent.
„Dann kommt.“ Pastor Smith ruft uns zu sich und wir gehen wieder unter den Hochzeitbogen.
Sanft nimmt Vincent meine Hände in seine.
Die Anzahl der Gäste ist jetzt überschaubar und Josh setzt sich mit Granny, Pop und meinem Dad neben Trevor und Sam in die erste Reihe. Breit grinsend holt er sein Handy aus und nimmt alles auf.
Klar, ansonsten würde ihm Cam keine Sekunde glauben, was hier gerade passiert.
„Wir sind jetzt hier versammelt um zu vereinen, was füreinander bestimmt ist…“ beginnt Pastor Smith und ich sehe lächelnd zu Vincent.
„… Willst du Vincent Sebastian McDaniel die hier anwesende Danielle Rose Bradford zu deiner angetrauten Ehefrau nehmen? Sie lieben, sie ehren und sie beschützen bis das der Tod euch scheidet?“ er sieht zu Vincent.
„Mehr wie alles andere auf der Welt.“ Er sieht grinsend zu mir und steckt mir Grannys Ring an. Er ist aus Weißgold mit einem kleinen blauen Stein und sieht wunderschön aus.
„Ich nehme das mal als ein Ja.“ Fährt Pastor Smith fort und Vincent nickt lebhaft.
„Und willst du Danielle Rose Bradford den hier anwesenden Vincent Sebastian McDaniel zu deinem angetrauten Ehemann nehmen. Ihn lieben, ihn ehren und ihn beschützen bis das der Tod euch scheidet?“ er sieht zu mir und ich lächle unter Tränen.
„Ja, ich will.“ Hauche ich und streife ihm auch seinen Ring über.
Es ist erstaunlich, das beide genau passen und mein Herz schlägt so kräftig in meiner Brust, das ich denke alle müssten es hören.
Ich bin verheiratet… mit Vincent.
„Dann erkläre ich euch zu Mann und Frau, vor Gott, vor eurer Familie und vor euren Freunden. Du darfst deine Frau jetzt küssen.“ Er nickt Vincent zu und er beugt zu mir um mich zu küssen.
„Hallo Mrs. McDaniel.“ Lächelt er.
„Hmm…“ ich sehe ihn prüfend an. „Ich würde eher sagen, Hallo Mr. Bradford.“
„Damit kann ich leben.“ Er küsst mich erneut.
„Also dann Mr. und Mrs. Bradford. Meine herzlichsten Glückwünsche.“ Pastor Smith reicht uns die Hand „Um das ganz offiziell zu machen, brauche ich die beglaubigten Scheidungspapiere.“ Er sieht zu Vincent und dieser nickt.
Dann fallen uns alle um den Hals und ich kann gar nicht aufhören zu strahlen.
EPILOG
„Wo sind die Beiden?“ Granny sieht mich fragend an und ich deute auf den Stubenwagen neben dem Weihnachtsbaum.
Sie geht mit Hilfe ihres Gehstockes hin und schaut hinein.
„Die zwei sind allerliebst.“ Sie strahlt mich an.
„Ich weiß, ich kann es immer noch nicht glauben.“ Ich nehme sie in den Arm und werfe selber einen Blick auf unsere beiden 5 Wochen alten Babys.
„Matthew und Anastasia.“ Lächle ich und streiche Matt übers Köpfchen.
„Und habt ihr euch jetzt richtig eingelebt?“ sie sieht sich um und setzte sich dann auf die Couch.
„Ja, es ist nur ungewohnt, das ihr nicht mehr hier seid. Gefällt es euch denn wirklich?“ ich sehe sie prüfend an.
Granny und Pop sind im Sommer in ein Center für betreutes Wohnen am Rande von Palmer gezogen und haben mir und Vincent das Haus geschenkt. Erst haben wir es natürlich abgelehnt, aber die Beiden haben usn klar gemacht, das wir hier hin gehören und das ihre Enkelkinder hier aufwachsen müssen. Außerdem brauchen sie jetzt hin und wieder Hilfe und Vincent und ich sind mit unseren beiden Kleinen, ich mit meiner Arbeit und Vincent mit der Werkstatt ganz gut ausgelastet.
„Es ist toll, alle sind lieb und kümmern sich wunderbar um uns.“ Sie nimmt meine Hand „Dich, Vincent und die beiden Kleinen hier in diesem Haus zu sehen…“ sie lächelt „Mein größter Wunsch ist in Erfüllung gegangen.“
„Ich danke dir Granny. Ich war in meinem Leben noch nie so glücklich.“ Gestehe ich ihr.
Vincent kommt mit neuem Holz für den Kamin rein und legt sogleich welches nach.sogleich erfüllt eine angenehme Wärme den Raum.
Als erstes küsst er mich und ich versinke in seinen Augen.
"Hallo Mummy." lächelt er.
"Hallo Daddy." erwidere ich und küsse ihn erneut.
„Hallo Granny.“ Er nimmt nun sie in den Arm „Pop kommt gleich, er lässt sich nicht davon abhalten einen Blick in die alte Lady zu werfen.“ Er zwinkert ihr zu.
„Wann kommen denn dein Dad und Dora?“ Granny sieht zur Uhr.
Es ist der 1. Weihnachtstag und ich habe meine Familie, Sam, Trevor und die Kinder zum Essen eingeladen. Ich freue mich schon auf einen lustigen und turbulenten Tag mit allen zusammen. Morgen kommen Josh, Cam und Will und dann werde ich mir wieder anhören müssen, dass es fast eine Schande ist, das eine so gut ausgebildete Ärztin in einem so kleinen Krankenhaus wie dem Palmer Regional arbeitet. Aber ich kenne fast alle meine Patienten persönlich und es macht mir Spaß dort zu arbeiten, außerdem genieße ich jetzt erst einmal meinen Mutterschutz. Ich kann es nicht glauben, Matt und Ana sind einfach perfekt…
Die perfekte Krönung unserer Liebe.
Von Sandra haben wir tatsächlich noch einmal was gehört, als sie allen Ernstes versucht hat den Bürgermeister auf ihre Seite zu ziehen. Aber da hatte sie sich mit dem falschen angelegt und irgendwann, nach mehreren Monaten, hat auch sie erkannt, dass man die Familie Bradford nicht zerstören kann.
Lieben heißt kämpfen und ich habe meinen Kampf gewonnen… Sogar mit Zusatzgewinn. ;-)
Tag der Veröffentlichung: 13.12.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meiner Familie und meiner Arbeit, beides füllt mich aus aber das eine würde ohne das andere nicht bestehen! Ich liebe Euch!