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Prolog

Ehrlich sein…

Warum kann ich nicht einfach ehrlich sein?

Zu mir selber?

Zu ihm?

Zu Ethan?

Die Schicht steckt mir in den Knochen, 36 Stunden steckt man eben nicht einfach weg…

 „Geht es dir gut?“ Kelly sieht mich besorgt an.

„Irgendwie werde ich auch das überleben.“ Ich sehe ihn an und nicke leicht.

Dann ziehe ich mir endlich meine Jacke über und laufe über den Parkplatz zu meinem Auto. Schon nach dem kurzen Stück bin ich vom Schneeregen durch geweicht und friere, als ich in mein Auto steige.

„Alex warte!“ höre ich Kelly nach mir rufen.

Doch ich ignoriere ihn, ich steige ein und starte den Motor.

Noch bevor er mein Auto erreicht, gebe ich Gas und fahre vom Parkplatz.

Ich kann nicht mehr stark sein…

Die letzten Tage waren einfach zu viel…

Er hat sich schlussendlich für sie entschieden.

Was gibt es da noch zu sagen?

Die Tränen verschleiern meine Sicht und ich versuche ihnen Einhalt zu gebieten.

Ich habe ihn also dieses Mal wirklich verloren…

Mein Herz krampft sich zusammen und ich schluchze auf.

„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich leise.

Ich sehe stur gerade aus und die Welt zieht an mir vorbei… Schnell, in einem dunklen Schleier aus grau und Schneeregen.

Plötzlich kommt mir ein Auto auf meiner Fahrbahnseite entgegen, ich bin starr vor Schreck und versuche auszuweichen, aber da ist auch ein Auto. Die Stadtautobahn bietet nicht gerade viele Möglichkeiten zum ausweichen und das Auto kommt mir entgegen… Ein Geisterfahrer.

Kann es etwas Schlimmeres geben?

Ich hebe meine Arme und halte sie schützend vor mein Gesicht.

Man sagt immer, wenn man dem Tod ins Auge blickt, dann läuft das Leben wie in Zeitlupe vor deinem inneren Auge ab.

Das stimmt nicht.

Man hat gar nicht die Zeit darüber nach zu denken, man wartet auf den unvermeidlichen Aufprall. Jede Faser deines Körpers ist angespannt und wartet auf das, was kommen muss.

Das Geräusch ist nicht zu beschreiben, es kracht so laut, das eine Millisekunde danach alles in meinem Kopf ruhig ist, weil ich das Geräusch nicht verarbeiten kann. Dann zerbricht all das Glas um dich herum, ich kneife meine Augen zusammen und versuche mich irgendwie zu schützen. Ich werde ruckartig zurück geschleudert und der Airbag geht mit einem Knall auf.

Mein Kopf durchbricht das Seitenfenster, das Auto überschlägt sich und das Blech verbiegt sich.

Ich höre wie meine Knochen brechen, dieses Geräusch und dieses Gefühl sind mit nichts vergleichbar und ich weiß, ich werde es nie wieder vergessen können. Ich habe einen metallischen Geschmack im Mund und versuche gegen die Panik anzukämpfen…

Dann plötzlich ist es ganz still, ich höre rein gar nichts.

Es ist unwirklich und ich versuche Luft in meine Lungen zu bekommen, es tut weh… unbeschreiblich weh.

Ich sehe nach links und sehe den Kleinlaster auf mein Auto zurasen, ich schließe erneut meine Augen und mein Auto wird mit einem weiteren Knall gegen die Abgrenzung geschleudert.

Ich versuche mich zu orientieren, aber selbst das denken tut weh…

„Hilfe kommt gleich.“ Ein Mann kommt zu meinem Auto gelaufen und sieht mich besorgt an, ich befühle meine Stirn und stöhne leise.

Alles ist voller Blut und es tut so weh…

Ich sehe den Mann mit Tränen in den Augen an.

„Es tut weh.“ Sage ich leise.

„Ich weiß, bitte beweg dich nicht. Sie sind gleich hier.“ Er nimmt meine Hand ganz vorsichtig in seine. „Du musst wach bleiben. Wie heißt du?“

„Alex.“ Meine Stimme klingt so fremd in meinen Ohren.

„Alex, ich bin Paul. Komm sieh mich an…“ er legt seine freie Hand an meine Wange und ich sehe ihn erschöpft an „So ist es gut.“ Lobt er mich „Wie alt bist du Alex?“ fragt er weiter und ich weiß, er will nur verhindern, dass ich meine Augen schließe.

„29.“ Sage ich leise und stöhne unter Schmerzen.

„Hey, sie sind gleich hier, ich verspreche es dir.“ Paul sieht mich besorgt an und sieht sich dann panisch um. „Wohnst du in Dublin?“ Paul tätschelt leicht meine Wange und ich bemerke, dass ich meine Augen geschlossen hatte.

„Nein… Ja.“ Flüstere ich.

„Ganz ruhig. Wo wohnst du denn?“ er übt einen leichten Druck auf meine Hand aus.

Er ist schätzungsweise Mitte 50 und in seinen Augen spiegelt sich meine Angst.

„Malahide.“ Flüstere ich „Ich wohne in Malahide.“

„Das ist gut, siehst du.“ Lobt er mich.

Plötzlich durchzucken Blaulichter die Luft und der Sirenenklang ertönt. Ich merke wie Paul erleichtert ausatmet und winkend auf uns aufmerksam macht.

„Sie ist schwer verletzt, ich habe versucht sie wach zu halten.“ Erklärt er einem Mann und dieser beugt sich zu mir runter.

„Hallo, ich bin Kevin. Kannst du mich hören?“ fragt mich ein junger Polizist.

Ich versuche meine Augen auf zu machen und meine Lider flattern, als ich ihn ansehe.

„So ist es gut.“ Lobt er meinen verzweifelten Versuch bei Bewusstsein zu bleiben.

„ALEX!“ höre ich plötzlich Ethan rufen.

Es ist klar, er hat mein Auto erkannt… seinen Wetteinsatz.

„Bleib hier Ethan.“ Versucht ihn einer der anderen Feuerwehrleute aufzuhalten, doch ich kenne Ethan. Wenn er einen Weg finden will, dann findet er auch einen.

„Oh Gott Alex.“ Er ist bei mir angekommen und ich sehe ihn unter Tränen an.

„Ich bin so feige Ethan.“ Meine Stimme ist kaum mehr wie ein flüstern.

„Oh nein… nein… nein. Ich bin hier, hörst du mich?“ er nimmt ganz vorsichtig meine Hand.

„Hilf mir Ethan, es tut so weh.“ Wimmere ich.

„Ich bin hier. Halte durch.“ Fleht er mich an.

„Ich liebe ihn…“ ich spüre die Tränen die über mein Gesicht laufen nicht mehr.

„Ich weiß Kleines.“ Er streicht mir eine Strähne, die mit Blut verklebt ist, aus dem Gesicht. „Er ist doch dein Mann.“

„Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm nicht vertraue.“ Schluchze ich leise.

„Er liebt dich so sehr. Er ist gleich hier Sis.“ Versichert er mir.

„Nein.“ Ich versuche meinen Kopf zu bewegen, doch ich kann nicht.

Die Schmerzen werden immer schlimmer, ich schaffe es kaum noch meine Augen aufzuhalten.

„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich mit letzter Kraft.

„ALEX! NEIN!“ Dec taucht neben ihm auf.

Ein letztes Mal sehe ich nun in Decs wunderbare tiefblaue Augen, dann merke ich, wie ich keine Luft mehr bekomme, dann ist alles schwarz um mich herum.

Ich fühle mich plötzlich leicht wie eine Feder und habe das Gefühl davon zu schweben.

Plötzlich ein greller Lichtblitz und ich werde zu Boden geschleudert. Mühsam rappele ich mich wieder auf und sehe mich um. Es ist ein so friedlicher Ort, er sieht aus wie aus Wolken gemacht.

Wieder ein greller Lichtblitz und dieses Mal werde ich so heftig zu Boden geschleudert, das ich mich nicht wieder aufrappeln kann.

Ich schließe meine Augen, als ich sie wieder öffne, da sitzt plötzlich meine Mum neben mir und ich sehe sie verwirrt an.

„Jeder macht im Leben Fehler mein kleiner Liebling.“ Sagt sie sanft.

„Nicht solche wie ich.“ Erwidere ich zögernd.

„Ach meine Kleine. Kein Fehler ist so schlimm, dass er nicht vergeben werden kann.“ Ihre Stimme klingt so nah und so weich.

„Nein Mummy, meinen Fehler kann ich nicht wieder gut machen.“ Ich beginne zu weinen.

Sie legt ihre Hand auf meine Wange „Wenn wir lieben, machen wir Fehler, das ist nun einmal so.“ sie küsst meine Stirn und ich schließe meine Augen.

Catch the Fire

Zwei Jahre zuvor

“Ich kann es nicht glauben!” Ethan nimmt mich in den Arm und ich grinse ihn an.

„Tja, es war Zeit für einen Tapetenwechsel. Nach Mums Tod…“ ich zucke mit den Schultern und er streicht mir über den Rücken. „Ich meine, ich gehöre doch hierher, oder?“

„Ja sicher Sis.“ Sagt er leise und ich mache mich von ihm los.

„Du siehst wirklich gut aus.“ Lächle ich und wische mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Du auch.“ Er streicht mir eine Strähne meines hellbraunen, fast blonden Haares hinters Ohr.

„Lügner.“ Rüge ich ihn und straffe meine Schultern. „Wie weit bist du mit Mums Haus?“

„So gut wie fertig. Eigentlich fehlen nur noch deine Möbel. Okay, ein paar Kleinigkeiten müssen noch gemacht werden.“ Er sieht mich abwartend an.

„Die Transportfirma hat heute Morgen angerufen, meine Möbel werden in 3 Tagen hier sein.“ Ich drehe mich um und lade meine Koffer auf den Trolli. „Aber ich denke, ganz werdet ihr das Haus ja nicht ausgeräumt haben.“

„Nein, nein…“ er nimmt mir den Trolli ab „Nur soweit wir es besprochen haben.“

„Das ist gut.“ ich gehe langsam neben ihm her und schließe den Gürtel meines dicken Mantels. Es ist Mitte November und hier in Dublin liegt Schnee, während in Seattle die Sonne vom strahlend blauen Himmel schien.

„Bist du aufgeregt wegen deinem ersten Tag im St. Vincent? Immerhin ist es das beste und größte Krankhaus hier in Dub.“ er sieht mich fragend an und ich zucke mit den Schultern.

„Ein wenig, aber für irgendetwas muss mein Studium ja gut gewesen sein.“ Ich steige ein und er tut es mir, nachdem er meine Koffer verladen hat, gleich.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, meine kleine Schwester ist eine richtige Ärztin.“ Er grinst mich an.

„Na komm, du warst ja auch nicht untätig Lieutenant Ethan Dawson. Ich glaube es nicht, du bist wirklich Einsatzleiter des Löschzuges auf Dads Dolphin’s Barn. Man Ethan, das ist die größte Feuerwache in Dub.“

„Ja…“ er lächelt leicht „Du warst lange weg, die anderen freuen sich schon, wenn du uns Mal einen Besuch abstattest.“ Er zwinkert mir zu und startet den Wagen.

„Wer ist denn noch von der alten Truppe da?“ frage ich neugierig.

„Die üblichen Verdächtigen…“ er zieht eine Augebraue hoch „Jeff ist immer noch der Chief. Pete, James und Luke sind in meinem Zug und Carlos und Fred sind beim Squad (Rettung- und Bergung) Team.“ Erklärt er mir.

Wir sind quasi in dieser Feuerwache in der Ethan jetzt arbeitet, groß geworden. Mein Dad war mit Leib und Seele Feuerwehrmann und es war wie eine zweite Familie für uns. Unser Dad starb, als ich 10, Ethan 12 und Rick 16 war.

Mit 20 bin ich zu meinem Bruder Rick nach Seattle gezogen, weil ich an der Seattle University ein Vollstipendium für mein Medizinstudium bekommen hatte. Ich arbeitete dort nebenbei auf einer Feuerwehrwache, um mir etwas Erfahrung zu holen. Den Grundkurs bei der Feuerwehr hatte ich schon vor meinem 18. Geburtstag abgeschlossen…

Als ich gerade 18 geworden war, da habe ich angefangen in der Wache von Ethan als Sanitäterin zu arbeiten und so die Zeit, bis zur Zulassung zum Studium zu überbrücken. Ich habe ein knappes Jahr dort gearbeitet, dann ging ich…

In Seattle arbeitete ich mit Rick zusammen, der er ist dort der Einsatzleiter vom Squad Team. Ich bewundere meine beiden großen Brüder so sehr, sie sind meine Helden.

Sie sind Feuerwehrmänner, wie mein Dad und da es für Frauen immer noch fast unmöglich ist in die Berufsfeuerwehr zu kommen, entschied ich mich für die für mich am logischsten erscheinende Alternative.

Ich beschloss Ärztin zu werden.

Tja, da bin ich nun… Vor zwei Monaten 28 geworden, abgeschlossenen Medizinstudium in der Tasche und meine Doktorarbeit wurde für gut befunden.

In zwei Tagen werde ich mein Assistenzjahr in der Notaufnahme des St. Vincent Hospital antreten. Ich habe mich schon jetzt auf Notfallmedizin spezialisiert.

Das war zu erwarten, wenn ich Rick und Ethan glauben schenken darf.

„Wir haben einen neuen Lieutenant des Squad Teams bekommen…“ er umklammert das Lenkrad so fest, das seine Fingerknöchel weiß hervor treten.

„Was ist los Ethan?“ frage ich leise.

Irgendetwas stimmt hier nicht…

„Declan Casey ist unser neuer Lieutenant.“ Presst er hervor.

„Ihr müsst nur zusammen arbeiten. Es erwartet niemand das ihr Freunde seid und ich schon mal gar nicht.“ Ich lege meine Hand auf seinen Unterarm.

„Er hat dir dein Herz gebrochen und du bist zu Rick gegangen.“ Er wirft mir einen kurzen Blick zu.

„Ja, er hat mir mein Herz gebrochen…“ erwidere ich.

Schön reden bringt hier nichts, es ist nun einmal wie es ist.

„… Aber ich bin nicht wegen ihm nach Seattle gegangen. Die haben mir ein Vollstipendium angeboten und hier in Dub hätte ich nicht gewusst, wie ich mein Studium hätte finanzieren sollen. Ich hätte es unmöglich in 7 Jahren geschafft.“ Erkläre ich ihm.

„Du weißt, das Mum und ich dir geholfen hätten.“ Er hält an einer roten Ampel und sieht mich prüfend an.

„Ethan, du hast eine Familie, du hast drei Kinder und ich wäre dumm gewesen, wenn ich das Angebot nicht angenommen hätte.“ Ich schüttele leicht mit dem Kopf und sehe aus dem Fenster. „Ja, Declan Casey hat dabei vielleicht eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, aber ich bin vordergründig nicht wegen ihm gegangen und das weißt du. Ihr müsst euch im Einsatz aufeinander verlassen können. Ethan bitte.“ Sage ich eindringlich.

Solche Feindschaften, wie die zwischen meinem Bruder und Declan sind Gift für jeden Einsatz und für jede Feuerwache, ich wundere mich, warum Jeff als Chief nicht alles versucht hat, damit die beiden nicht zusammen arbeiten müssen. Aber im Grunde genommen bin ich mir sicher, dass er sein Möglichstes versucht hat.

Ich gestehe, ich habe Angst um Ethan, denn ich weiß, was für ein Hitzkopf mein großer Bruder sein kann.

„Ethan, tue mir bitte nur einen Gefallen…“ ich lege meine Hand wieder auf seine „Lass Privates privat sein und wenn du mit Casey im Einsatz bist, dann vertraue ihm.“ Bitte ich ihn eindringlich und streiche leicht über das Abzeichen der Dublin Fire Brigade, welches auf seiner dunkelblauen Fleecejacke auf seinem linken Oberarm prangt.

„Okay.“ Sagt er leise, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm vertrauen kann.

„Wir sind da.“ Wir biegen in den Millview Court ein und ich sehe das Haus schon von weitem. Ethan hat das Dach neu decken lassen und die glänzenden, schwarzen Schindeln heben sich von den vom Wetter gegerbten roten Dachschindeln der Nachbarhäuser ab.

Malahide, mein Zuhause…

„Es sieht gut aus.“ Sage ich mehr zu mir, wie zu ihm.

„Wir haben es auch neu gestrichen.“ Erklärt er mir und wir fahren in die Auffahrt.

„Das Haus ist wirklich groß, bist du dir sicher, das du das wirklich willst?“ er sieht zu mir.

„Ja Ethan, ich will nach Hause. Seattle war toll und es war schön Rick um mich zu haben, aber ich bin eine Irin, keine Amerikanerin.“ Sage ich sicher.

„Rick macht sich Sorgen, ob das alles so richtig ist.“ Gibt er zu.

„Rick will mich bloß weiter in seiner Nähe haben.“ Ich lächle leicht. Patrick ist der Älteste von uns, er ist ein großer Bruder wie er im Buche steht. Er versucht uns immer vor allem und jedem zu beschützen, aber ich bin 28, ich muss meinen eigenen Weg gehen…

Dec ist zwei Jahre älter wie ich und somit bin ich das Nesthäkchen. Manchmal wusste ich es schon zu meinem Vorteil zu nutzen, aber ich muss diesen Status des kleinen Mädchens endlich los werden.

Ich will endlich das machen, was ich schon mein ganzes Leben machen will.

Ich will eine Ärztin sein, in meiner Heimatstadt, auch wenn das heißt, dass ich Menschen wieder sehe, die ich nie wieder sehen wollte.

Ich denke an unsere Mum, sie war immer so stolz auf uns und es bricht mir das Herz, das sie meinen Abschluss nicht mehr erleben durfte. Sie ist vor einem halben Jahr an Krebs gestorben, es wurde viel zu spät diagnostiziert und nach der Diagnose dauerte es nur vier Monate bis sie starb.

Noch immer kann ich nicht glauben, dass sie wirklich tot ist und ich das Haus von ihr bekommen habe. Ich weiß, sie wollte immer, dass ich zurück komme und ich habe ihr auch gesagt, dass ich zurück kommen werde, aber jetzt kann sie es nicht mehr erleben…

Sie kam wirklich zu jedem Abschluss, zu jeder Auszeichnung, sie saß in der ersten Reihe und hat applaudiert, wenn wir unsere Zeugnisse, Urkunden und Diplome entgegen nahmen. Es war hart für mich, sie bei meinem Abschluss vor einer Woche nicht in der ersten Reihe zu sehen. Aber Ethan und Rick waren da, das machte es ein wenig leichter.

„Worüber denkst du nach?“ holt mich Ethan aus meinen Gedanken.

„Ob du damit umgehen kannst, das ich kein kleines Mädchen mehr bin.“ Lächle ich.

„Ich habe mich lange darüber mit Rick unterhalten und ja…“ er steigt aus „… Ich komme damit klar.“

„Danke Ethan.“ Ich steige ebenfalls aus und er reicht mir den Haustürschlüssel.

„Dein Zuhause.“ Er deutet auf das Haus.

Es ist komisch, so lange ich denken kann, war das mein Elternhaus und plötzlich gehört es mir…

Es ist ein großes Haus, zwei Etagen. Im Untergeschoss sind die große Küche, das Wohnzimmer, eine kleine Bibliothek, ein kleines Bad mit Dusche, ein Wintergarten und ein Gästezimmer. Im Obergeschoss sind drei kleine Schlafzimmer, ein großes Bad mit Dusche und Badewanne, ein weiteres Gästezimmer und das große Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank. Zum Haus gehört noch eine Garage und ein Gartenhaus ach ja, nicht zu vergessen der riesige Garten, der aber zum Glück fast nur aus Rasen besteht.

Das alles gehört mir…

„Na komm schon, in 30 Minuten sind Kathie und die Kids hier um dir Hallo zu sagen.“ Ethan schubst mich sanft Richtung Tür und ich drehe den Schlüssel im Schloss herum, leise knarrend öffnet sich die Tür und ich trete ein. Als erstes fällt mir auf, das der dunkle Holzfußboden weg ist und gegen einen hellen Holzboden ausgetauscht wurde.

„Wir dachten es passt besser zu dir, die Küche haben wir auch neu gemacht.“ Erklärt mir Ethan und wir gehen ganz ins Haus. Der grüne Teppich von den Treppenstufen, die nach oben führen, ist ebenfalls ausgetauscht worden gegen einen helleren, beigen Teppichboden. Es wirkt so anders, das Flair meines Elternhauses ist zwar nicht ganz weg, aber es wirkt verjüngt.

„Gefällt es dir?“ fragt Ethan leise.

„Ja, es ist wunderschön…“ ich lasse meinen Blick durchs Wohnzimmer schweifen, eine hellbraune, riesige Ledercouch bildet den Mittelpunkt und an der Wand hängen unzählige Fotos. Mein Dad, meine Mum und meine Brüder.

„Danke.“ Hauche ich und nehme ihn fest in den Arm.

„Dafür doch nicht, ich bin froh, dass du wieder hier bist.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

Es klingelt und er lässt mich los. „Kathie, wie immer zu früh.“ Er zwinkert mir zu und ich wische meine Tränen weg.

„Tante Alex!“ Hailey, Ethan und Kathies älteste Tochter kommt zu mir gelaufen und ich wirbele die 11jährige im Kreis herum.

„Hailey, meine Güte, bist du groß geworden.“ Ich streiche ihr über ihre blonden Locken und sie strahlt mich an.

Ich habe sie das letzte Mal vor 6 Monaten bei der Beerdigung unserer Mum gesehen und es ist kaum zu glauben, wie schnell Kinder wachsen…

„Und das ist doch nicht der kleine Taylor?“ ich sehe zu ihrem 7jährigen Bruder.

„Doch das bin ich.“ Sagt er stolz und ich drücke ihn ebenfalls an mich.

„Alex!“ Olivia, die jüngste mit ihren 3 Jahren quiekt vergnügt und ich nehme sie auf den Arm.

„Oh Liv, du bist ja eine richtige Prinzessin.“ Ich bestaune ihr rosanes Kleidchen, eindeutig ungeeignet für das Wetter draußen, aber ich weiß, was für einen Dickkopf die kleine Lady hat.

„Nur für dich.“ Freut sie sich und ich lasse sie wieder runter.

„Da freue ich mich ganz doll drüber.“ Ich stupse sie auf die Nase und Kathie kommt zu mir.

„Welcome Home.“ Sagt sie und nimmt mich in den Arm.

„Ich danke euch…“ ich merke wie mir schon wieder die Tränen in die Augen steigen. „Ich kann euch gar nicht sagen, wie viel mir das hier bedeutet.“

„Wir sind froh, dass du wieder da bist.“ Sie wischt eine Träne beiseite und ich lächle sie dankbar an.

Ich bin mit Kathie zusammen zur Schule gegangen und sie und Ethan sind schon seit ich denken kann ein Paar, ich glaube sie war damals 17 und er 19… Nur 9 Monate später wurde Hailey geboren.

Ein Unfall, aber bei weitem der Beste den es jemals gegeben hat.

Wahnsinn wie die Zeit vergeht und jetzt sind sie schon seit 10 Jahren verheiratet und haben 3 entzückende Kinder.

„Ich mache uns einen Kaffee.“ Kathie geht in die Küche und ich setze mich auf die Couch und werde sofort von Hailey, Liv und Tay in Beschlag genommen. Es ist toll sie um sich zu haben, für einen Moment vergisst man seine Sorgen und genau das brauche ich jetzt.

Ethan und Kathie verabschieden sich, nachdem uns Kathie was zum Abendessen gekocht hat.

„Ich komme morgen Nachmittag vorbei.“ Verspricht mir Dec und ich nicke. „Es ist immer noch so einiges zu tun.“ Er zwinkert mir zu und ich lächle.

„Gerne.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Wir sehen uns Alex!“ Kathie winkt mir zu und verfrachtet die Kids ins Auto.

„Ach ja, ich habe meine Wettschulden beglichen.“ Er wirft mir einen Schlüssel zu und deutet auf die Garage.

„Oh Ethan.“ Seufze ich und er zwinkert mir zu.

„Bis morgen Sis.“ Er steigt ein und winkt ein letztes Mal, eher er und Kathie aus der Auffahrt fahren.

Ich gehe zur Garage und öffne das Garagentor, meine alte dunkelblaue Corvette steht im neuen Glanz vor mir und ich streiche über den Lack. Ich hatte das Auto von meiner Mum zum Führerschein bekommen, es war runter gekommen und ich war froh, wenn es morgens ansprang.

Als ich mein Studium in Seattle antrat, da hat Ethan gewettet, das ich aufgebe. Anderenfalls würde er die Corvette restaurieren und auf Hochglanz polieren.

Tja, jetzt steht sie hier und sie ist eine wirklich Schönheit. Ich setze mich rein und bestaune die neu bezogenen, schwarzen Ledersitze. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn langsam. Der Motor heult auf und der satte Sound des Motors erklingt, nicht zu vergleichen mit dem kleinen Lexus den ich in Seattle gefahren bin…

Wow, mein Baby ist wirklich wie neu.

Ich habe nie geglaubt, das Ethan seine Wettschulden so Ernst nimmt.

Ich stelle den Motor wieder ab, schließe das Garagentor und gehe ins Haus.

Ich brauche erst einmal eine heiße Dusche und dann brauche ich mein Bett, der Tag hat mich wirklich geschafft.

Ein kleiner Sonnenstrahl scheint durch die zugezogenen Vorhänge und ich strecke mich, ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen.

Ich entwirre mich aus meiner Bettdecke und trete an das Fenster, schwungvoll öffne ich die Vorhänge und habe einen wunderbaren Blick über die irische See.

Ja, meine Heimatstadt hat mir gefehlt, aber es war gut mich erst einmal selbst zu finden, um dann zurück zu kehren.

Am frühen Nachmittag kommt Ethan wie versprochen vorbei und während wie das Dach des Gartenhauses reparieren sieht er mich abwartend an.

„Was ist los Ethan?“ langsam wird es mir zu bunt.

„Was hast du in der Casey Sache vor?“ fragt er mich ganz direkt.

„Was soll ich vorhaben?“ ich zucke mit den Schultern.

„Ihr seid offiziell immer noch verheiratet, Herrgott du trägst noch immer seinen Namen.“ Er schüttelt mit dem Kopf.

„Ja, weil mir der Papierkram in Seattle zu umständlich war…“ ich seufze leicht „Wenn ich mich eingelebt habe und auf Arbeit alles läuft, dann gehe ich zu einem Anwalt und frage, was ich tun muss, damit ich wieder meinen Geburtsnamen bekomme und die Ehe geschieden wird.“ Verspreche ich ihm.

„Wie geht es dir damit?“ fragt er nach ein paar Sekunden.

„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu und konzentriere mich auf unsere Arbeit.

Den Rest des Nachmittages lässt mich Ethan zum Glück mit dem Thema in Ruhe, ich will jetzt nicht darüber nachdenken.

Es sind genug Sachen in meinem Kopf, das letzte halbe Jahr war mehr wie turbulent und ich muss mich erst einmal auf wichtigere Sachen konzentrieren.

Ich kann es nicht glauben, das morgen früh um 8 Uhr meine erste Schicht startet.

„Viel Glück morgen früh.“ Ethan drückt mich zum Abschied an sich.

„Danke.“ Ich atme tief durch.

„Komm schon Sis, du packst das.“ Versichert er mir und ich nicke leicht.

Nachdem ich noch etwas fern gesehen und mir die Reste des Abendessens von gestern warm gemacht habe, gehe ich früh ins Bett. Ich will für meine erste Schicht gut ausgeruht sein, als Neue kann man sich keine Fehler leisten.

Ich habe ein kribbeln im Bauch als ich, schon lange bevor mein Wecker klingelt aufstehe, und unter die Dusche gehe. Anschließend föhne ich meine Haare und binde sie mir am Hinterkopf zusammen. Ich ziehe mir einen einfachen Kapuzenpulli, eine Jeans und Turnschuhe an, ehe ich in meine Winterjacke schlüpfe und mich auf den Weg mache.

Ich finde einen Parkplatz in der Tiefgarage und fahre mit klopfenden Herzen und schweißnassen Händen in den 5. Stock, hier soll ich auf meine neuen Kollegen treffen.

Als ich aussteige begrüßt mich eine ältere Dame.

„Guten Tag, ich bin Tamara McAllan, ich bin die Klinikleiterin. Sie sind?“ sie reicht mir ihre Hand und sieht mich fragend an.

„Alex Casey.“ Erwidere ich den Händedruck.

„Freut mich sehr, wenn ich mich nicht irre, dann haben sie als einzige von unseren Neulingen promoviert. Meine herzlichsten Glückwünsche. Wir sind froh, sie bei uns zu haben.“ Sie deutet in einen Besprechungsraum und ich finde mich mit vier weiteren jungen Menschen in einem riesigen Raum wieder.

„Nehmen sie bitte alle Platz.“ Weist uns Mrs. McAllan an und wir setzen uns. „Da wir nun vollzählig sind, übernehme ich eine kurze Vorstellung…“ sie räuspert sich „Sie haben sich mit dem St. Vincent Hospital die größte und modernste Klinik in Dublin ausgesucht um ihr praktisches Jahr zu absolvieren. Wenn sie sich in den nächsten 12 Monaten gut anstellen, dann kann eine großartige Karriere hier bei uns auf sie warten, wir versuchen die Ärzte und Ärztinnen die bei uns ihren Abschluss machen gerne an uns zu binden und ihnen den Aufstieg auf der Karriereleiter zu ermöglichen. Zu den grundsätzlichen Regeln.“ Sie sieht uns alle nacheinander an „Sie werden in den ersten drei Monaten einer Abteilung zu geteilt, sollten sie in dieser Zeit merken, das sie das Fachgebiet noch wechseln wollen, stehen ihnen alle Türen offen. Danach sind sie ein fester Bestandteil ihrer Abteilung und ihr Mentor wird ihnen mehr und mehr Eigenverantwortung zu gestehen.“ Sie sieht auf einen Zettel vor sich. „Ich würde sie bitten, sich jetzt selbst kurz vorzustellen.“ Sie deutet auf einen jungen Mann neben mir.

„Okay, ich bin Dean McBright. Ich bin 31, habe hier am Trinity College meinen Abschluss gemacht und ich habe mich für das Fachgebiet der Notfallmedizin entschieden.“ Er sieht abwartend zu Mrs. McAllan.

„Sehr schön, sie sind ab sofort Dr. Samantha Matthews unterstellt.“ Sie reicht ihm ein Schriftstück und einen Pieper.

„Tragen sie ihn immer bei sich und sorgen sie dafür, dass er jedes Mal nach Schichtende aufgeladen wird.“ Weist sie ihn an „Das gilt für sie alle.“ Sie lässt ihren Blick schweifen.

„Nun sie.“ Sie deutet auf mich und ich schlucke kurz.

„Ich bin Alex Casey, ich bin 28, habe an der Seattle University meinen Abschluss gemacht und vor drei Wochen bekam ich den Doktortitel anhand meiner Doktorarbeit zugesprochen. Mein Fachgebiet ist ebenfalls die Notfallmedizin und ich habe erste Erfahrungen bei der Berufsfeuerwehr Seattle sammeln können.“ Ich sehe Mrs. McAllan kurz an und sie nickt auch mir zu.

„Hier ist ihr Pieper. Sie sind Dr. Kelly Green unterstellt.“ Teilt sie mir mit und ich nicke.

Dann stellen sich die anderen beiden vor, Amelia Brown, die in die Chirurgie gehen wird und Alexander McBrian der in die Orthopädie gehen wird. Also werde ich nur mit Dean McBright zusammen arbeiten und die anderen höchstens auf den Schulungen sehen. Mrs. McAllan händigt uns einen Plan aller Schulungen und die wichtigsten Verhaltensregeln aus. Ich überfliege sie nur kurz, dann fliegt die Tür auf und ein älterer Mann kommt herein.

„Guten Tag! Ich bin Dr. Harold Houser und bin der Chefarzt.“ Stellt er sich kurz vor „Ich werde mir in den nächsten Tagen die Zeit nehmen und sie alle ein wenig kennen lernen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“ Damit ist er auch schon wieder verschwunden und ich sehe Mrs. McAllan fragend an.

„Dr. Houser ist nicht nur der Chefarzt, sondern auch einer der besten Neurochirurgen im ganzen Land. Er hat einen vollen Terminkalender, aber wenn sie Fragen haben, dann können sie sich jederzeit an ihn oder ihren Mentor wenden.“ Erklärt sie uns. „Jetzt ziehen sie sich bitte um, sie werden in 20 Minuten auf ihren Stationen erwartet.“ Sie steht auf und wir tun es ihr gleich. „Die Umkleideräume finden sie im 7. Stock, dritte Tür links.“ Damit sind wir entlassen und gehen in den Flur.

„Hier sind ihre Namenschilder.“ Mrs. McAllan kommt uns hinterher und reicht uns unsere Plastikkarten, dann nickt sie uns nochmals zu und wir gehen Richtung Fahrstuhl.

„Wir werden also das Vergnügen haben.“ Dean stellt sich neben mich, als wir auf den Fahrstuhl warten.

„Hat ganz den Anschein.“ Gebe ich zurück und er grinst.

„Ich bin Dean.“ Er reicht mir seine Hand.

„Alex.“ Erwidere ich und schüttele seine Hand.

Dean ist ein kleines Stückchen größer wie ich, hat hellbraune, kurze Haare und trägt eine modische, schwarz umrandete Brille. Er wirkt nett und ich bin gespannt, wie wir miteinander auskommen werden.

Wir erreichen unsere Umkleidekabine und ich nehme mir den erstbesten Spint.

„Ich bin Amy.“ Stellt sich die junge Frau nochmals bei mir vor und ich reiche ihr grinsend meine Hand.

„Alex.“ Erwidere ich und auch der letzte im Bunde reicht mir nun seine Hand.

„Ich bin Bryan.“ Lächelt er und wir beginnen uns umzuziehen. Ich suche mir eine hellblaue Hose und einen Kasak und schlüpfe hinein. Wenn jemand glaubt, dass im Krankenhaus darauf geachtet wird, das Männlein und Weiblein verschiedene Umkleidekabinen haben, der täuscht sich. Das mag vielleicht bei den Schwestern noch ganz gut funktionieren, aber als Assistenzärztin darf man nicht zimperlich sein.

Ich binde mir mein Stethoskop, welches ich von Ethan und Rick zum Abschluss bekommen habe um, ich pinne mein Namensschild an und befestige meinen Pieper. Zum Schluss stecke ich mir die Karte mit Piepercodes in meine Kasacktasche und atme tief durch.

Ich sehe in den Spiegel an der Wand, meine Wange glühen vor Aufregung, meine Haare sind locker zusammen gebunden und vereinzelt umrahmen hellbraune Strähne mein Gesicht. Meine grünen Augen wirken wie das irische Moos, in diesem sonst eher unvorteilhaften, Neonlicht. Das da, in den hellblauen Arztsachen, mit dem Stethoskop bin wirklich ich.

Ich habe es geschafft…

„Bereit?“ ich sehe in die Gesichter meiner neuen Kollegen und Kolleginnen.

„Ja.“ Wir atmen alle tief durch und verabschieden uns vor der Tür von Amy und Bryan. Dean und ich fahren ins Erdgeschoss und betreten die Notaufnahme, es ist einiges los, aber es ist noch weit davon entfernt voll oder hektisch zu sein.

„Ah unsere Neulinge.“ Werden wir von einer jungen Schwester begrüßt. „Ich bin Lisa.“ Strahlt sie. „Wem seid ihr unterstellt?“ Sie hat rote, lange, lockige Haare und Sommersprossen, ich glaube sie entspricht dem Bild, was der Rest der Welt von uns Iren hat und damit ist wirklich eine absolute Ausnahme.

„Ich bin Dean und ich bin Dr. Samantha Matthews unterstellt.“ Antwortet Dean zu erst.

„Du findest sie im Arztzimmer.“ Sie deutet den Flur entlang „Letzte Tür rechts.“ Ruft sie ihm hinterher und er winkt mir kurz zu.

„Und du bist?“ sie sieht auf mein Namensschild „Oh wow eine ganz junge Frau Dr.“ sie sieht mich anerkennend an.

„Alex.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Und mit wem hast du die Ehre?“ sie sieht mich fragend an.

„Dr. Kelly Green. Wo kann ich sie denn finden?“ ich sehe mich suchend um.

„Also erstens Mal ist Dr. Green keine sie sondern ein er und er ist in Behandlungsraum 2. Er hat einen Patienten.“ Erklärt sie mir und ich merke wie ich rot werde.

Man diese Unisex Namen müssten verboten werden…

Ha, ha und das gerade von mir, ich wurde schätzungsweise 50 % meines bisherigen Lebens für einen Mann gehalten, zu mindestens wenn es nur nach meinem Namen ging.

Aber meine Eltern waren der Meinung Alexandra ist zu lang, irgendwann würde ich sowieso nur noch Alex heißen und sie haben es eben gleich dabei belassen.

Wenn ich meinen vollen Namen angebe, dann passiert so etwas nicht so leicht, denn mit vollem Namen heiße ich Alex Sophie Rose Casey…

Ich muss mich echt um die Scheidung bemühen, ich will wieder Dawson heißen, wie Rick und Ethan.

„Hey, nicht so schlimm.“ Beruhigt mich Lisa, holt mich so ins Hier und Jetzt zurück und ich nicke leicht. „Geh einfach rein und schau, dass du einen guten Eindruck hinterlässt.“ Sie zwinkert mir zu und deutet auf einen Raum mit einer 2 auf der Tür.

Ich straffe meine Schultern und betrete den Raum.

„Da sind sie ja endlich, ich brauche jemanden am EKG.“ Werde ich von einem Mann, schätzungsweise Mitte 30 empfangen.

Ich will gerade was sagen, aber er sieht mich abwartend an und ich gehe zum EKG, die Schwester macht einen Schritt zur Seite und ich beobachte die Herzschlaglinie, die zu flimmern scheint.

„Ich schocke jetzt um in den Normalrhythmus zu kommen.“ Erklärt mir Dr. Green und ich nicke.

Er schockt zwei Mal, aber nichts ändert sich.

„5 ml Adrenalin.“ Sage ich und er sieht mich skeptisch an. Eine Schwester reicht es ihm und er verabreicht es dem Patienten.

„Schocken mit 300 Joule.“ Ich nicke ihr zu und sie reicht ihm erneut die Paddels zum verabreichen der Stromladung.

„Ich habe ihn schon zwei Mal geschockt…“ setzt Dr. Green an und ich zucke mit den Schultern.

„Bei einer Gabe vom 5 ml Adrenalin und anschließender Schockbehandlung fallen 80 % der Patienten zurück in den Sinusrhythmus.“ Erkläre ich ihm und er legt seine Stirn in Falten.

Schließlich schockt er erneut und die Linie auf dem Monitor flackert kurz und springt dann in den Normalrhythmus.

„Gut, ab auf die Cardio mit ihm.“ Weist er die Schwester an und packt mich dann am Arm und zieht mich in den Flur.

„Wer sind sie?“ er sieht mich fragend an.

„Dr. Alex Casey, ich bin seit heute ihre Unterstützung und wenn mich nicht alles täuscht sind sie Dr. Kelly Green, mein Mentor.“ Ich sehe ihn an und er legt seinen Kopf schief.

„Sie sind Alex Casey?“ fragt er und ich nicke.

„Ja.“ Erwidere ich verunsichert.

„Gut, erstens werden sie meine fachlichen Fähigkeiten nie wieder vor den Schwestern oder sonst irgendjemanden in Frage stellen und zweitens machen sie das, was ich ihnen sage. Ausnahmslos.“ Er sieht mich mit seinen funkelnden grauen Augen durchdringend an, seine dunkelbraunen Haare fallen ihm dabei ins Gesicht und ich nicke nur.

Wow, ein Obermacho und ja klar, ich bekomme ihn als Mentor…

Er stapft davon und ich schließe stöhnend meine Augen.

„Er macht gerade eine Scheidung durch.“ Lisa zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Eigentlich ist er ein ganz umgänglicher Mensch.“

„Wäre schön, wenn das eigentlich dann auch mal zum Vorschein kommt.“ Ich sehe sie an „Was mache ich jetzt?“ ich sehe mich um.

„Nimm dir Patienten und hole Green zum abklären und bestätigen deiner Diagnose.“ Sie deutet auf die Klemmbretter die in einem Halter stehen.

Tatsächlich behandelt mich Dr. Green ganz umgänglich, als ich ihn zur nächsten Patientin dazu hole und ihn freundlich bitte meine Diagnose zu bestätigen.

Er ist nicht übertrieben freundlich, aber er zeigt mir das, was ich wissen muss… Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Dean mit seiner Mentorin herum scherzt und sehe gequält zu ihm.

Er schenkt mir ein mitleidiges lächeln, dann nehme ich mir auch schon die nächste Krankenakte und mache mich auf den Weg.

Nach meiner ersten 60 Stunden Schicht falle ich wie erschlagen ins Bett und die nächsten beiden Wochen habe ich nur frische Luft, wenn ich das Krankenhaus verlasse und zu meinem Auto gehe und auf dem Weg zurück ins Krankenhaus.

Es schlaucht, aber ich weiß, wofür ich das mache…

Dr. Houser hat sich nach meiner ersten Woche ein wenig Zeit für mich genommen und mich für meine Arbeit gelobt, er habe selten einen so talentierte junge Ärztin gesehen und es stellte sich heraus, das er meinen Dad kannte. Nachdem er weiß, dass ich in einer Feuerwehrfamilie aufgewachsen bin, wundert es ihn nicht mehr so sehr, wie gut ich bin.

Es ist schön Anerkennung zu bekommen und auch Dr. Green scheint langsam mit mir warm zu werden. Augenscheinlich brauchte er etwas Zeit um zu verdauen, dass ich kein Mann bin.

Dann habe ich mein ersten freies Wochenende und ehrlich gesagt schlafe ich fast nur und fahre am Sonntag zum Essen zu Ethan, Kathie und den Kindern, zu mehr bin ich nach meinen ersten beiden Wochen einfach nicht in der Lage.

„So Casey, du übernimmst heute mit mir zusammen die Einlieferung.“ Empfängt mich Green am Montagmorgen und ich sehe ihn erstaunt an „Komm schon, du weißt, das du gut bist und ich habe es die letzten beiden Wochen auch gesehen.“ Er zwinkert mir zu und ich nicke nur.

Lisa hat mir noch vor ein paar Tagen erzählt, das ich noch mindestens 2 Monate warten muss, ehe ich die Einlieferung übernehmen darf und jetzt?

Ich sehe zu ihr und sie reckt den Daumen in die Höhe.

Lächelnd gehe ich in den vorderen Bereich und ich nehme meinen ersten Notfall auf.

Es geht mir gut von der Hand und Green lobt mich sogar mehrmals.

<< Alle verfügbaren Ärzte in die Einlieferung. Mehrere Verletzte nach Hausbrand. >> ertönt die Durchsage und ich ziehe mir Handschuhe und eine Schutzkittel an und laufe mit Green nach draußen.

„Ich mache die Grobeinteilung.“ Sagt er zu Dr. Matthews und sie nickt ihm zu, dann sieht sie zu Dean. „Ich übergebe dir die leichten Fälle, arbeite konzentriert und hole dir Schwestern dazu.“ Erklärt sie ihm und er nickt.

„Gut Casey, alles was an mir vorbei kommt und nicht sofort behandelt werden muss, geht an McBright, du übernimmst mittelschwere Traumata, während Matthews und ich die schweren übernehmen. Klar?“ er sieht mich an und ich nicke.

Dann kommen die ersten Rettungswagen und die Einteilung geht uns gut von der Hand.

„Nimm dir den nächsten.“ Ruft mir Green zu und ich laufe zum nächsten Rettungswagen.

Dann sehe ich ihn das erste Mal seit 8 Jahren wieder, seine tiefblauen Augen sehen mich geschockt an, sein Gesicht ist rußverschmiert, seine Hände liegen auf dem Brustkorb eines anderen Feuerwehrmannes und machen einen Herzdruckmassage.

Declan Casey…

Ich dachte, dass ich mich noch eine Weile davor drücken kann ihn wieder zu sehen, aber augenscheinlich ist Dublin dafür zu klein und es trägt nicht gerade dazu bei, das die Feuerwache auf der er und Ethan arbeiten an das St. Vincent angeschlossen ist. Seine Augen mustern mich und ich halte seinem Blick kaum Stand, dann konzentriere ich mich auf die Rettungssanitäterin.

„Männlich, 49 Jahre, wurde unter den Trümmern verschüttet, Schädel-Hirn-Trauma, er flimmert immer wieder.“ Teilt sie mir mit und ich ziehe die Trage raus.

„Ich übernehme.“ Sage ich an ihn gewandt und lege meine Hände auf den Brustkorb des Mannes, der sich als Carlos entpuppt und ich atme tief durch.

Gott, ich kenne diesen Mann seit ich ein kleines Mädchen bin, er hat vier Kinder und eine bezaubernde Frau, die die beste Paella in ganz Dublin macht.

Nicht nachdenken! Mahne ich mich selbst und konzentriere mich. Ich schwinge mich zu ihm auf die Trage, damit wir schneller voran kommen und Green erscheint neben mir.

„Casey?“ fragt er und ich sehe auf.

„Kammerflimmern, Schädel-Hirn-Trauma und wahrscheinlich innere Verletzungen.“ Sage ich an ihn gewandt und wir fahren in einen Behandlungsraum.

Wir schließen ihn an ein EKG und schocken ihn, bis wir einen annährend stabilen Rhythmus haben.

„Geh wieder raus, er kommt jetzt in den OP.“ Sagt Green und ich gehe wieder in den Flur, es kommen immer noch mehr Verletzte.

Ich laufe an den Feuerwehrmännern die im Warteraum sitzen vorbei und registriere dabei niemanden, ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren.

„Weiblich, 21 Jahre, befand sich circa 20 Minuten im brennenden Gebäude. Schmerzen beim atmen.“ Ein Rettungssanitäter sieht mich an und ich nehme mein Stethoskop um die junge Frau abzuhören.

„Rauchvergiftung.“ Sage ich mehr zu mir wie zu ihm und sehe mich nach McBright um, der wie aufs Stichwort auftaucht.

„Dean, übernimmst du sie. 7 Liter Sauerstoff über Nasalsonde und schau nach, ob sie Verbrennungen hat.“ Ich reiche die Trage an ihn weiter.

Dann sehe ich einen weiteren Feuerwehrmann auf einer Trage liegen und laufe zu ihnen, natürlich sehe ich, das Dr. Matthews bereits die Untersuchung begonnen hat, aber ich muss wissen, das es nicht Ethan ist.

Ich kenne den Mann nicht, aber die 2 auf seinem Abzeichen sagt mir, das er von Ethan seiner Wache ist. Von der Dolphin’s Barn Wache, der meistbeschäftigten Wache in ganz Dublin…

„Sind noch mehr Feuerwehrmänner verletzt?“ frage ich den nächstbesten Rettungssanitäter und er sieht zu mir.

„Bisher nicht.“ Sagt er und ich atme erleichtert aus.

„Casey hier her!“ ruft mich Green und ich laufe zur Einlieferung.

„7jähriges Mädchen. Kritischer Zustand, stumpfes Bauchtrauma, sie hat schwere innere Verletzungen. Kümmere dich um sie, ich muss mich um die Mutter kümmern.“ Er schiebt mir die Trage zu und ich spule mein Fachwissen runter.

Die nächste Stunde bin ich nicht ich, ich denke nicht, sondern ich agiere nur noch.

Der Unterschied zwischen reagieren und agieren ist der, das wenn man reagiert nachdenkt und das kann ich mir gerade jetzt nicht erlauben. Ich muss mein Fachwissen einsetzen und darf nicht daran denken, dass ein kleines 7jähriges Mädchen auf der Behandlungsliege vor mir liegt.

„Adrenalin und noch mal schocken.“ Ich nehme der Schwester die Spritze ab und verabreiche erneut das Medikament, dann nehme ich die Paddel.

„Weg vom Tisch.“ Sage ich zu den Schwestern und setze einen neuen Schock.

Ich warte und starre auf die langgezogne Linie auf dem Monitor.

„Komm schon Kleines, für mich.“ Bitte ich verzweifelt.

„Wir haben die Höchstdosis erreicht.“ Sagt Lisa zu mir und ich lasse die Paddels sinken.

Ich sehe zu Uhr und schließe kurz meine Augen.

„Zeitpunkt des Todes 16:47.“ Sage ich für das Protokoll und die Schwester neben dem Monitor, stellt ihn ab.

Ich trete wieder hinaus in den Flur und sehe mich um, alle scheinen versorgt und das Chaos, welches hier noch vor einer Stunde herrschte ist verflogen. Ich ziehe meinen gelben Schutzkittel aus und werfe ihn in den Mülleimer.

Ich bekomme langsam die Kontrolle über meine Gedanken und Gefühle wieder und lasse mich an der Wand hinunter gleiten.

Das erste Mal ist mir eine Patientin unter den Händen gestorben… Das erste Mal.

„Alex?“ Dean steht vor mir und reicht mir seine Hand. Er zieht mich auf die Beine und nimmt mich in den Arm.

Ich kann nichts sagen, denn ich habe keine Worte um das auszudrücken, was ich gerne ausdrücken will…

Green kommt zu mir und zieht mich von Dean weg.

„Du hast alles versucht.“ Sagt er eindringlich. „Ich weiß das, denn ich habe in den letzten beiden Wochen gesehen, was für ein Ausnahmetalent du bist.“

„Sie ist trotzdem gestorben.“ Erwidere ich leise.

„Ja, weil ihre Verletzungen zu schwer waren… Und nicht, weil du nicht alles versucht hast.“ Er zwingt mich ihn anzusehen.

„Wurden noch mehr Feuerwehrmänner eingeliefert?“ frage ich und er sieht mich erstaunt an.

„Mein Bruder ist Lieutenant auf Dolphin’s Barn und Carlos Hernandez, der Feuerwehrmann von vorhin, ist ein Freund von mir.“ Erkläre ich ihm kurz.

„Nein, es wurde niemand weiter eingeliefert und Hernandez ist im OP. Seine Kollegen sind im Wartebereich.“ Er klopft mir leicht auf die Schulter „Du warst heute großartig.“

„Danke Dr. Green.“ Ich setze langsam einen Fuß vor den anderen.

„Kelly.“ Sagt er und ich sehe auf.

„Danke Kelly.“ Wiederhole ich und gehe in Richtung des Wartebereiches.

Kurz vorher stütze ich mich an der Wand ab und atme tief durch, ich schlage gegen die Wand und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.

„Sis?“ kommt es leise von der Tür des Wartebereiches und als ich mich umdrehe und Ethan sehe, dann laufe ich los und werfe mich in seine Arme.

„Dir geht es gut.“ Murmele ich an seiner Schulter und er streicht mir über den Kopf.

Er riecht nach Ruß, ich schließe meine Augen, der Geruch erinnert mich jedes Mal so sehr an unseren Dad…

„Ja, mir geht es gut. Hast du was Neues von Carlos?“ er schiebt mich ein Stück weg.

„Nein, er wird noch operiert, aber ich gehe gleich Mal hoch und sage euch Bescheid.“ Verspreche ich ihm.

Dann betrete ich zusammen mit ihm den Warteraum und geh zu Carlos seiner Frau.

„Jen.“ Sage ich leise und sie sieht mich mit rot verweinten Augen an. „Sie tun wirklich alles für ihn.“ Verspreche ich ihr.

 Dann springen Pete, James, Luke und Fred auf und nehmen mich alle in den Arm.

„Du siehst müde aus Kleines.“ Sagt James besorgt.

So war es früher schon, als ich selber auf Dolphin’s Barn gearbeitet habe, sie haben sich immer Sorgen um mich gemacht, ich bin irgendwie nach dem Tod unseres Dad, genau wie Ethan und Rick, auch ein bisschen zu ihrem Kind geworden.

„Es war ein langer Tag und ich habe noch bis morgen früh um 8 Uhr Schicht.“ Erkläre ich ihm.

Sie fragen mich ein wenig aus und ich werde den Neuen in der Truppe vorgestellt.

„Casey kennst du ja.“ Sagt Pete mehr zu sich wie zu mir und ich nicke. Wieder diese tiefblauen Augen die mich mustern und es mir unmöglich machen seinem Blick Stand zu halten.

„Weißt du was Neues wegen Carlos?“ fragt er leise und seine Stimme jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken.

„Nein, ich erkundige mich gleich.“ Sage ich und merke wie heftig mein Herz in meiner Brust schlägt.

„Alex?“ ertönt eine fragende Stimme hinter mir und ich drehe mich um. Chief Jeffrey O’Hara sieht mich an und ich gehe zu ihm um ihn in den Arm zu nehmen.

„Es ist schön dich zu sehen.“ Sage ich leise und er nickt.

„Ich freue mich auch Kleines.“ Er streicht über meine Wange.

Ich kenne den Chief seit meiner Geburt, er ist mein Patenonkel und er war der beste Freund unseres Dads.

„Ich komme gleich wieder.“ Ich nicke in die Runde und fahre hoch in den 3. Stock um neue Informationen zu bekommen.

Im OP Trakt frage ich mich durch und der behandelnde Arzt kommt gerade aus dem OP, in dem Carlos sein soll.

„Wie geht es ihm?“ frage ich ihn und er sieht mich erstaunt an.

„Sind sie eine Familienangehörige?“ fragt er skeptisch.

„Nein, er ist ein Feuerwehrmann…“ setze ich an.

„Das weiß ich.“ Immer noch mustert er mich.

„Seine Frau und seine Kollegen sitzen in der Notaufnahme im Warteraum und warten auf Neuigkeiten.“ Ich sehe ihn bittend an.

Er sieht auf mein Namensschild. „Dr. Casey…“ setzt er an und atmet tief durch. „Wir haben ihn stabilisiert, wir bringen ihn jetzt auf die Intensiv.“

Ich schließe kurz meine Augen und danke ihm, ehe ich zum Fahrstuhl zurück laufe.

Meine Haare wirbeln um meinen Kopf, denn mein Zopf hat sich zwischenzeitlich schon verabschiedet und meine Haare sind nur noch notdürftig im Nacken zusammen gebunden.

Ich komme atemlos im Warteraum an und gehe zu Jen.

„Sie haben ihn stabilisiert, er wird auf die Intensivstation gebracht. 3. Stock.“ Erkläre ich ihr und sie nimmt mich dankbar in den Arm.

„Danke Alex.“ Schluchzt sie und ich nicke leicht.

Ethan drückt mich an sich und ich schließe meine Augen.

„Pass immer auf dich auf…“ ich sehe zu ihm auf „Ich will hier nicht irgendwann Kathie hier sitzen haben.“

„Ich verspreche es.“ Erwidert er und ich lege meinen Kopf wieder an seine Brust. Ethan überragt mich ein ganzes Stück und ich halte mich an ihm fest.

Ich weiß, das er es mir nicht versprechen kann… aber die Geste ist nett.

„Dr. Casey?“ Lisa kommt rein und ich sehe zu ihr.

„Der Vater des kleinen Mädchens ist da. Ich habe mit Green gesprochen. Er meint du sollst selbst entscheiden, ob du mit ihm redest, oder ob er es übernehmen soll.“ Sagt sie unsicher.

„Was ist mit seiner Frau?“ ich mache mich von Ethan los.

„Sie ist noch im OP, es sieht nicht gut aus.“ Sagt sie bedauernd.

„Ich gehe.“ Sage ich sicher und folge ihr.

„Er heißt Louis Morrison.“ Erklärt sie mir kurz, ich nicke und gehe in Richtung des zweiten Warteraums.

Der Mann ist vielleicht Ende 30, höchstens Anfang 40 und kommt sofort zu mir, als ich den Raum betrete.

„Sind sie eine Ärztin? Wie geht es Molly? Und meiner Frau?“ er sieht mich angsterfüllt an.

„Ich bin Dr. Alex Casey, Mr. Morrison, ihre Frau ist im OP und wir tun alles, was in unsere Macht steht.“ Erkläre ich ihm und dann atme ich tief durch „Für ihre Tochter konnten wir nichts mehr tun. Es tut mir wirklich leid.“ Sage ich und dann sinkt er auf die Knie.

Ich lege meine Hand auf seine Schulter „Es tut mir unendlich leid.“ Sage ich leise und merke, wie auch mir die Tränen in die Augen stiegen.

„Geh nur, ich kümmere mich um ihn.“ Lisa kommt zu mir,  hilft dem Mann auf die Beine und bugsiert ihn zu einem Stuhl.

Ich gehe nicht zurück in den Warteraum, ich trete hinaus in die Auffahrt und atme die kühle Luft ein. Plötzlich ist es, als ob alles über mir zusammen bricht, ich gleite an der Wand hinunter und beginne zu schluchzen.

„Gott Alex.“ Höre ich eine Stimme und starke Arme helfen mir hoch und halten mich beschützend fest. Ich vernehme wieder diesen einzigartigen Geruch, der nur von einem Feuerwehrmann ausgehen kann, schlagartig fühle mich beschützt und geborgen. Ich kann kaum aufhören zu weinen und als ich aufblicke und realisiere, wessen Arme mich halten, da mache ich mich los und gebe ihm einen schallende Ohrfeige.

„Fass mich nicht an Casey.“ Fauche ich.

„Bitte Alex, tue das nicht.“ Er sieht mich bittend an.

„Was erwartest du von mir? Du hast mich zwei Monate nach unserer Hochzeit betrogen. Also sag mir, was genau soll ich deiner Meinung nach tun?“ frage ich immer noch tränenerstickt.

„Ich weiß es nicht…“ er zuckt resigniert mit den Schultern. „Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, das es mir das Herz bricht dich weinen zu sehen.“

„Es hat dich einen Scheißdreck zu interessieren wie es mir geht, genauso interessiert es mich einen Scheißdreck wie es dir geht.“ Ich gehe an ihm vorbei zurück in die Notaufnahme.

Ethan kommt mir entgegen und hält mich am Arm fest.

„Sorge dafür, dass er mir aus dem Weg geht.“ Ich sehe ihn kurz an und gehe dann weiter.

Ich weiß, es ist falsch Ethan da mit rein zu ziehen, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.

Ich möchte Declan Casey weder sehen noch mit ihm sprechen.

Green empfängt mich im Arztzimmer und bittet mich Platz zu nehmen.

„Woher kennen sie die Männer von Dolphin’s Barn?“ er sieht mich fragend an.

„Mein Bruder ist Lieutenant des Löschzuges, mein Dad hat dort bis zu seinem Tod gearbeitet…“ ich sehe in sein erstauntes Gesicht „Ich bin da quasi aufgewachsen, es ist meine zweite Familie.“

„Dann ist dieser Lt. Casey also dein Bruder?“ harkt er nach und ich seufze.

„Nein, das ist mein Mann.“

„Du bist verheiratet?“ jetzt ist er richtig erstaunt.

„Na ja, ich habe die letzten 8 Jahre in Seattle gelebt, das ist keine wirkliche Ehe, ich werde mich nach einem guten Anwalt umsehen.“ Erkläre ich ihm und er grinst.

„Ich kann dir einen empfehlen.“ Er zwinkert mir zu.

„Ich habe schon gehört, dass sie damit ihre Erfahrungen machen mussten.“ Ich sehe ihn entschuldigend an.

„Kelly.“ Er lächelt, winkt ab und greift in seine Tasche. „Schreib mir deine Nummer auf und ich schicke dir die Nummer von meinem Anwalt. Er heißt Jason Lewis, er ist gut in dem was er tut.“

Ich schreibe ihm meine Handynummer auf und dann ertönt die Sirene, die uns ankündigt, dass ein weiterer Notfall kommt.

Bevor der Krankenwagen ankommt sieht mich Kelly prüfend an. „Wenn du über das, was vorhin passiert ist reden willst, dann komm zu mir. Ich weiß, das man das nicht einfach weg steckt.“ Er nickt mir zu und ich erwidere diese Geste.

Der Rest meiner Schicht verläuft ruhig, es kommen nur leichte Fälle und ich und Kelly bilden ein gutes Team.

Nach Schichtende will ich mich bei Ethan entschuldigen und ihn bitten, sich aus meinen Sachen heraus zu halten. Es ist bereits 8:30 Uhr morgens und ich weiß, er hat noch bis 9 Uhr Schicht. Ich mache mir nicht die Mühe mich umzuziehen und ziehe mir nur meinen Mantel über. Dann fahre ich ein paar Straßen weiter und parke auf dem Parkplatz neben der Wache.

Fast glaube ich mein Dad müsste gleich aus der kleinen Glastür neben den Rolltoren kommen, diese Wache hat sich nicht ein bisschen verändert… Das rote Backsteingebäude mit den drei riesig wirkenden roten Rolltoren.

Ich atme tief durch und gehe gleich in die Halle, kaum das ich drin bin, da stehe ich auch schon Mitten im Geschehen. Ethan schreit Casey an, dieser ist ebenso aufgebracht und schreit zurück.

Ich laufe los und stelle mich zwischen die beiden mit dem Gesicht zu Ethan.

„Beruhige dich.“ Ich lege meine Hände auf seine Brust und spüre wie heftig sein Herz schlägt.

„Casey, Dawson…“ der Chief sieht zwischen uns hin und her „Und Alex.“ Sagt er schließlich „In mein Büro. Sofort!“

Ich nehme meine Hände runter und wir folgen Jeff ins sein Büro.

„Setzt euch.“ Fährt er uns an und ich setze mich auf den erstbesten Platz.

„Das geht nicht…“ beginnt er „Ich will auf meiner Wache keine Revierkämpfe haben.“ Er sieht zu Ethan und dieser nickt mit zusammen gebissen Zähnen.

„Das du hier bist, verdankst du einem Fürsprecher beim O’Briens Institute, du weißt so gut wie ich, das ich es sonst zu verhindern gewusst hätte.“ Er sieht zu Casey und auch dieser nickt leicht.

„Ihr legt eure Leben in die Hände des anderen und solche Ausraster, wie der eben, haben hier nichts zu suchen.“ Fährt er fort und sieht zu mir.

„Ich bin nicht ganz unschuldig.“ Melde ich mich zu Wort und Jeff sieht mich erstaunt an.

„Ich habe Ethan gebeten Casey von mir fern zu halten…“ ich zucke mit den Schultern „Ich weiß aber, das das nicht möglich ist.“

„Alex…“ setzt Jeff an, doch ich hebe meine Hand.

„Nein Jeff…“ ich stehe auf und gehe zu Ethan und sehe in seine rehbraunen Augen „Ethan ich bitte dich, ich will nicht jedes Mal Angst haben, wenn ihr zusammen zu einem Einsatz müsst. Mach es dir nicht so schwer.“ Ich zwinge ihn mich anzusehen. „Ich bitte dich.“

„Alex, er ist…“ setzt Ethan an.

„Ja Ethan… ich weiß.“ Unterbreche ich ihn. „Trotzdem seid ihr Kollegen, ob es euch nun passt oder nicht.“

Ich atme tief durch, drehe mich um und halte Casey meine Hand hin.

Er sieht mich verwundert an und ergreift sie schließlich.

„Das heißt gar nichts, ich will nur, dass du mit Ethan vernünftig zusammen arbeitest.“ Erkläre ich hastig und ziehe meine Hand wieder weg, seine Wärme und seinen festen Händedruck zu spüren, ist wie eine Reise in die Vergangenheit…

In eine Zeit, in der ich diesen Mann mehr liebte wie alles andere auf der Welt.

In eine Zeit, in der ich morgens der glücklichste Mensch war, weil ich neben ihm aufwachen durfte.

In eine Zeit, in der wir uns in der kleinen Kirche, zwei Straßen von meinem Haus entfernt, die ewige Treue geschoren haben.

Und in eine Zeit, in der ich dachte, mein Leben ist vorbei, weil er mich betrogen hatte…

Es scheint Lichtjahre her zu sein und wenn ich uns Beide jetzt so sehe, dann ist es auch Lichtjahre her.

Wir sind beide nicht mehr die jungen Menschen voller Hoffnungen und Träume, wie sind erwachsen und das heißt, das wir viele unserer Träume aufgegeben haben und in den letzten 8 Jahren versucht haben unsere eigenen Hoffnungen zu erfüllen.

„Danke Alex.“ Sagt er vorsichtig und ich sehe auf.

„Dr. Casey.“ Sage ich und drehe mich zu Jeff um. „Es tut mir leid, dass du wegen mir so viel Ärger hast.“ Entschuldige ich mich.

„Ist das jetzt zwischen euch geklärt?“ er sieht zu Ethan und Casey und beide nicken, wenn auch nicht sehr überzeugt. „Noch so eine Sache zwischen euch und es werden disziplinarische Maßnahmen folgen.“ Er deutet zur Tür „Eure Schicht ist beendet.“

Wir gehen alle Richtung Tür.

„Alex bleibst du noch einen Moment.“ Bittet mich Jeff und ich drehe mich zu ihm um „Schließe bitte die Tür wieder.“ Er nickt leicht und ich schließe hinter Ethan und Casey die Tür.

„Wie geht es dir Kleines?“ fragt er besorgt.

„Gut wäre gelogen.“ Gebe ich zu.

„Komm mal her.“ Er steht auf, breitet seine Arme aus und ich lasse mich an ihn drücken.

„Ich habe heute meine erste Patientin verloren, ein 7jähriges Mädchen und ich bin meinem Mann begegnet, den ich nie wieder sehen wollte…“ ich sehe auf „Ein wirklicher Scheiß Tag.“

„Es tut mir leid Kleines, aber dich da in Aktion zu sehen…“ er lächelt leicht „Dein Dad und deine Mum wären so furchtbar stolz auf dich.“

„Danke Jeff. Ich werde mir jetzt Ethan schnappen und noch mal Tacheles mit ihm reden. Egal was zwischen mir und Casey war, es gehört hier nicht her.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Alex, er hat dich betrogen, nur zwei Monate nach eurer Hochzeit und so wie ich das sehe, seid ihr immer noch auf dem Papier verheiratet…“ Jeff bekommt eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn.

„Ja Jeff, aber ich habe es überlebt. Ich werde mir einen Anwalt suchen und die Scheidung endlich in Angriff nehmen.“ Ich streiche über seine Stirn „Botox ist teuer Chief.“ Ich zwinkere ihm zu und verlasse sein Büro.

Ethan hat auf mich gewartet und nimmt mich fest in den Arm.

„Alles gut Sis?“ fragt er besorgt und ich nicke leicht an seiner Schulter.

„Ich hatte einen beschissenen Tag,…“ ich sehe zu ihm auf „aber ich werde es überleben.“

„Das ist gut.“ Er grinst und wir gehen in den großen Aufenthaltsraum.

James kommt sofort zu mir und sieht mich fragend an.

„Ich habe mich noch mal nach ihm erkundigt, wenn er den Tag heute gut übersteht, dann ist er über den Berg.“ Sage ich und er atmet erleichtert aus.

„Haben sie kurz Zeit Dr. Casey?“ Declan Casey steht auf und sieht mich fragend an.

Ethan will gerade dem Mund aufmachen, doch ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum schweigen.

„Sie haben 5 Minuten.“ Sage ich an Casey gewandt und er deutet mir an, ihm in die Halle zu folgen.

Mein Herz schlägt bis zum Hals, so gerne ich es mir wünschen würde, aber seine Nähe lässt mich nicht kalt. Ihn zu sehen macht mir immer wieder bewusst, warum ich mich mit 18 Hals über Kopf in ihn verliebt habe und wir nach nur 1 ½ Jahren geheiratet haben. Er lässt mich ganz und gar nicht kalt, aber das gehört hier nicht her.

„Was willst du?“ ich bleibe stehen und verschränke meine Arme vor der Brust.

„Es tut mir leid Alex…“ setzt er an „Das alles tut mir so leid.“ Seine Augen suchen die meinen, doch ich weiche ihm aus.

„War das alles?“ frage ich schulterzuckend.

„Nein Alex…“ er legt seine Hand auf meine verschränkten Arme und ich zwinge mich ihn anzusehen.

Seine Augen sehen mich unendlich traurig an, aber es ist egal… Er hat mich auch nicht beachtet, als er mir das Herz gebrochen hat.

„Was denn noch Casey?“ meine Stimme bekommt einen leicht gereizten Unterton.

„Alex, ich weiß, nur ich bin Schuld, dass ich dich verloren habe und ich weiß nicht, wie oft ich mir gewünscht habe, es wäre anders gelaufen. Ich kann dir nicht einmal mehr sagen, warum ich es getan habe. Sie hat mir nichts bedeutet, nicht das Geringste…“ er atmet tief durch „… Ich habe nicht nur meine Frau verloren, ich habe auch meinen besten Freund und meine Familie verloren. Du, Ethan, Rick und deine Mum, ihr wart mehr Familie für mich, wie es meine jemals sein wird.“

Ich weiß, das er das, was er sagt auch so meint. Er ist in einem Zuhause aufgewachsen, in dem Geld, Erfolg und Macht im Vordergrund stehen. Liebe, Geborgenheit und Nähe sind Attribute, die er erst kennen lernen musste.

Ich weiß auch, dass ihm das alles hier unheimlich schwer fällt, aber es ändert nichts.

Gar nichts.

„Das kommt sage und schreibe 8 Jahre und einen Betrug zu spät.“ Erwidere ich tonlos.

„Ich weiß, ich darf nichts von dir verlangen und ich will es auch gar nicht Alex, aber bitte, behandle mich wie jeden anderen hier in der Wache.“ Bittet er mich eindringlich „Ich kann es nicht ertragen.“ Fügt er leise hinzu.

„In dieser Wache arbeiten Freunde von mir, von Ethan und von unserem Dad. Du bist im besten Fall ein Kollege meines Bruders. Mehr nicht.“ Ich drehe mich um und gehe wieder Richtung Aufenthaltsraum.

„Danke.“ Sagt er noch.

Ich drehe mich kurz um, dieser starken Mann so verletzlich zu sehen bringt mich ehrlich gesagt aus dem Konzept… aber dann kommt die Wut über seinen Verrat und die Enttäuschung zurück und ich kann einfach kein Mitleid für ihm empfinden.

„Hör zu…“ ich mache wieder ein paar Schritte auf ihn zu „Du bist Lt. Casey, ich Dr. Casey… meinetwegen Alex. Auf dem Papier sind wir noch verheiratet, aber glaub mir, nur da und ich werde mich darum kümmern, das die Scheidung so schnell wie möglich über die Bühne geht.“ Ich reiche ihm die Hand „Mehr wirst du nie wieder erwarten können.“

„Danke Alex.“ Er ergreift meine Hand und ich spüre seinen warmen, festen Händedruck.

Seine dunkelbraunen Haare sind noch nass vom duschen und er trägt einen Drei-Tage-Bart, er sieht müde und abgekämpft aus. Ich nicke ganz langsam und lasse seine Hand dann los.

„Es ist besser, wenn du dich nach einem Anwalt umsiehst, ich werde mir in den nächsten Tagen einen suchen.“ Füge ich noch hinzu und gehe zurück zu Ethan.

„Alles gut?“ er sieht mich fragend an.

„Ja Ethan, ich bin ein großes Mädchen.“ Ich zwinkere ihm zu und er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich weiß.“

„So, ich muss nach Hause, heute Abend muss ich zur Nachtschicht.“ Ich winke den anderen zu und trete hinaus in die kalte Luft Dublins, es hängt ein träger Nebel über der Stadt und obwohl es gleich 10 Uhr ist, ist es noch nicht wirklich hell.

Ich steige in mein Auto, beobachte wie Casey ebenfalls ins sein Auto steigt und fahre die 20 Minuten nach Hause. Malahide ist ein so ruhiger Stadtteil und es sind auch jetzt kaum Menschen auf der Straße. Im Rückspiegel sehe ich, wie Casey auf ein Grundstück fährt und wundere mich, warum er sich ausgerechnet hier ein Haus gekauft hat.

Aber es geht mich nichts an, wahrscheinlich war es eine gute Investition, denn die Immobilien in Malahide verlieren kaum an Wert, im Gegenteil sie steigen konstant.

Ich setze mich nach einem kleinen Frühstück auf die Couch und sehe durch die Panoramafenster in den Garten, der Nebel liegt auf dem Rasen wie ein Decke, doch berührt er die Grashalme nicht. Es sieht unwirklich aus und ich schließ meine Augen.

Ich gehe an einen bisher ungeöffneten Karton und nehme eine kleine Holzschachtel heraus.

Ich öffne sie vorsichtig und nehme die lange Kette die oben auf liegt raus, an deren Ende schwingt der weißgoldene Ehering mit einem roten Stein und ich schlucke.

Ich nehme ihn in die Hand und lese die Inschrift.

Dec & Alex ’Catch the Fire’

Eine einzelne Träne läuft über mein Gesicht und ich wische sie schnell weg. Ich habe diese Kette lange getragen, sie war mein Glückbringer, auch wenn der Ring daran mir kein Glück brachte. Ich lege sie mir um und verstecke sie unter meinem Pullover, etwas Glück kann nicht schaden.

Dann halte ich unser Hochzeitsbild in den Händen, wir sehen so glücklich aus… Ich trug das Brautkleid meiner Mum, natürlich wurde es für mich umgeändert, fast denke ich, ich kann die Spitze noch auf meiner Haut fühlen. Ich trage nach alter irischer Tradition einen Blumenkranz im Haar und meine Mum hatte mir meine langen Haare hoch gesteckt… ich kam mir vor wie in einem Märchen.

Declan trug seine Paradeuniform und er sah so verdammt gut darin aus, er war damals schon sehr durch trainiert, aber mir ist im Krankenhaus, als er nur noch sein T-Shirt anhatte, aufgefallen, das er jetzt noch durchtrainierter ist.

Kein Wunder, er ist bei der Eliteeinheit der DFB.

Beruflich sind wir Beide genau da, wo wir immer hin wollten und Privat stehen wir vor den Trümmern unserer Ehe. Einer Ehe, die nie wirklich existiert hat und die nur noch auf dem Papier besteht, ich hoffe nur, ein Richter sieht das genauso.

Ich lege das Foto wieder hinein, klappe das Kästchen zu und schalte den Fernseher an, ich schlafe ein wenig auf der Couch, ehe ich mich trotz des Wetters zu einer Joggingrunde entschließe und mich auf den Weg zum Strand mache.

„Alex?“ ich bin so in Gedanken versunken, das ich Casey erst bemerke, als er direkt vor mir ist. „Du joggst?“

„Scheint so.“ gebe ich zurück und will meinen Weg fortsetzen. Er scheint schon mit seiner Runde fertig zu sein und ich kann ihn im Augenblick nicht ertragen.

„Bitte Alex.“ Er hält mich leicht am Arm fest und ich spüre seine Wärme selbst durch meinen dicken Pullover hindurch.

„Ich wünschen dir einen schönen Tag Casey.“ Sage ich und mache mich los. Kaum an der Promenade angekommen beginne ich zu laufen, ich versuche all den Gefühlen und Empfindungen davon zu laufen, aber als ich zwei Stunden später wieder zu Hause bin, da erkenne ich, das ich es nicht kann. Ich kann es nur verdrängen und darin bin ich ziemlich gut…

Ehe ich mich versehe steht schon Weihnachten vor der Tür und natürlich hat mich Ethan zu sich eingeladen. Ich habe am ersten Feiertag Dienst, aber ich verspreche am zweiten Feiertag vorbei zu kommen. Es passt gut, denn Ethan hat auch am ersten Feiertag Dienst.

Am 24. fahre ich tatsächlich noch los, ich besorge Geschenke für die Kinder und für Ethan und Kathie, ansonsten schiebe ich es nicht gerne vor mich her, aber in den letzten 6 Wochen habe ich einfach keine Zeit gefunden.

Nach meinem Dienst am ersten Feiertag, der erstaunlich ruhig war, fahre ich bei Dolphin’s Barn vorbei und finde erst einmal nur den Chief vor, da alle im Einsatz sind.

„Frohe Weihnachten.“ Grinse ich und betrete sein Büro.

„Alex.“ Jeff steht auf und drückt mich an sich. „Wünsche ich dir auch, Ethan muss gleich da sein.“

„Kein Problem. Stressig heute?“ ich setze mich zu ihm.

„Der ganz normale Wahnsinn…“ er lächelt leicht „Abgefackelte Weihnachtsbäume, Familienkriege und andere Unannehmlichkeiten.“

„Stimmt, klingt nach Weihnachten.“ Lache ich.

Dann höre ich, wie die Rolltore aufgefahren werden und stehe auf.

„Ich werde mal nachfragen, wann ich morgen bei Ethan sein soll.“ Ich zwinkere ihm zu „Bestell Elaine liebe Grüße, wenn es nicht mehr ganz so hektisch ist, dann komme ich vorbei.“ Verspreche ich und er nickt leicht.

Ich gehe in die Halle und werde überschwänglich begrüßt.

„Sis.“ Ethan wirbelt mich herum.

„Wann soll ich morgen bei euch aufschlagen?“ ich bin froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und er lacht.

„Was eine Begrüßung. Dein heldenhafter Bruder rettet einen Weihnachtsbaum und du begrüßt ihn nicht einmal.“ Er zieht einen Schmollmund.

„Sei kein Baby.“ Necke ich ihn. Casey kommt auf uns zu und ich halte automatisch die Luft an. Ich bin ihm ein paar Mal beim joggen begegnet und wir schaffen es schon zwei ganze Sätze miteinander zu wechseln…

„Hallo Casey, frohe Weihnachten.“ Ich schenke ihm ein eher halbherziges lächeln und er erwidert es leicht.

„Wünsche ich dir auch.“ Nuschelt er und geht an uns vorbei. „Also Ethan, wann soll ich da sein?“ ich sehe wieder zu Ethan.

„Um 11 Uhr?“ fragt er eher, als er mir antwortet.

„Klingt gut.“ Ich strecke mich. „Ich muss los, viel Spaß noch.“ Ich winke ihm und den anderen zu und fahre nach Hause.

Der nächste Tag wird wirklich schön. Hailey, Taylor und Liv halten mich auf Trab und meine Geschenke kommen super gut an. Natürlich telefonieren wir mit Rick via Skype und er ist froh, dass ich mich wieder so gut eingelebt habe.

Nachdem ich allen drei Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen habe, sitzen Kathie, Ethan und ich auf der Couch und genießen ein Glas Rotwein.

„Was ist eigentlich mit dir und Declan?“ Kathie sieht mich fragend an.

„Ich habe am 12. Januar einen Termin mit einem Anwalt und nachdem was er mir am Telefon gesagt hat, bekommen wir so schnell wie möglich einen Termin bei Gericht und die Sache ist dann erledigt und ich heiße wieder Dawson.“ Erkläre ich ihr.

„Wenn ich daran denke, das ihr jetzt schon fast 9 Jahre verheiratet seid.“ Sie dreht ihr Glas in ihren Händen und ich sehe sie lange an.

„Im Grunde genommen hat unsere Ehe nur zwei Monate existiert, danach haben wir auf verschiedenen Kontinenten unser Leben gelebt.“ Ich nehme einen großen Schluck von meinem Wein. „Ein uns gibt es nur noch auf dem Papier.“ Ich zucke leicht mit den Schultern „Und selbst das, hat sich bald erledigt.“

„Tut mir leid Alex.“ Entschuldigt sie sich.

„Schon gut.“ Winke ich ab und stelle mein Glas auf den Tisch „Es war ein wunderbarer Tag bei euch, aber ich muss morgen Abend wieder ran.“ Entschuldige ich mich und stehe auf.

„Ich bring dich zur Tür.“ Ethan steht ebenfalls auf.

Ich gebe Kathie einen Kuss auf die Wange und sie nimmt meine Hand „Silvester bist du hier, oder?“

„Sicher, da habe ich doch tatsächlich frei.“ Ich zwinkere ihr zu und sie lacht.

„Es tut mir leid Sis.“ Ethan nimmt mich in den Arm.

„Ach was, es ist Okay.“ Winke ich ab und drücke ihn an mich „Es ist wie es ist.“ Ich zucke mit den Schultern und laufe zu meinem Auto.

„Hab dich lieb!“ ruft mir Ethan hinterher und ich schicke ihm einen Handkuss, ehe ich vom Hof fahre.

10 Minuten später bin ich auch schon zu Hause und lasse mich noch ein paar Minuten vom Fernseher berieseln, ehe ich ins Bett gehe und einschlafe, kaum das ich liege.

Die Tage zwischen den Feiertagen ist in der Notaufnahme die Hölle los. Ganz ehrlich, was machen die alle?

Keine Ahnung, aber es beschert mir keine ruhige Minute und ich bin froh, als ich am 31. Dezember um 12 Uhr das Krankenhaus für zwei freie Tage verlassen kann.

„Bis Dienstag!“ rufe ich Dean zu und er verzieht das Gesicht.

„Danke, dass du mir mal wieder unter die Nase reibst, dass du frei hast!“  grummelt er, dann aber schaut er auf und grinst.

„Du machst das schon!“ ich schicke ihm einen Handkuss und trete in die eiskalte Luft, es riecht schon nach Schnee und tatsächlich ist für heute auch noch welcher angesagt.

Ich fahre nach schnell am erstbesten Supermarkt vorbei und kaufe ein paar Kleinigkeiten ein, schließlich will ich ja die nächsten zwei Tage was Essbares im Haus haben. Mein Kühlschrank gähnt mich nämlich schon an… aber meistens esse ich ja sowieso im Krankenhaus.

Aus dem Automaten, denn zu den Öffnungszeiten der Cafeteria schaffe ich es meistens nicht.

Nachdem ich das überlebt habe und mein Kühlschrank wieder was zu bieten hat, greife ich zum Telefon und wähle Kathie an.

Ich habe immer noch keine Ahnung, was mich bei ihr und Ethan erwartet.

Es stellt sich raus, dass es nur eine kleine Silvesterparty im kleinen Kreis wird und mich nicht rausputzen muss.

Erleichtert genieße ich erst einmal ein langes entspannendes Bad und schlüpfe dann in eine schwarze Stoffhose und ein dunkelblaues Top. Meine Haare lasse ich endlich mal wieder offen und meine Ohrringe habe ich auch die letzten Wochen nicht tragen dürfen.

Ich trage Lipgloss auf und entscheide mich sogar für etwas Wimperntusche und Rouge.

Um 18 Uhr mache mich auf den Weg und bei Ethan und Kathie empfängt mich der ganz normale Wahnsinn der Dawsons…

„Alex!“ Hailey nimmt meine Hand, kaum das ich drinnen bin und zieht mich hinter sich her.

„Nicht so schnell…“ bremse ich sie „Ich will erst einmal deiner Mum und deinem Dad Hallo sagen.“ Ich sehe sie abwartend an.

„Aber dann spielst du mit mir?“ sie zieht eine Flunsch und ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Sicher.“ Ich zwinkere ihr zu. „Wo sind denn deine Mum und dein Dad?“ ich sehe mich suchend um, aber außer einem Haufen Kinder entdecke ich niemanden.

Taylor winkt mir zu und Livs Kleid muss ich eingehend bestaunen, dann sehe ich wieder zu Hailey.

„Küche.“ Sagt sie und deutet auf eben jene.

„Bis gleich.“ Verspreche ich ihr, hänge meine Jacke auf und gehe in die Küche.

„Hier versteckt ihr euch.“ Ich betrete lachend die Küche, begrüße Ethan, Kathie und ein paar Kollegen von Dolphin’s Barn und ihre Frauen.

„Ihr wisst schon, das euere Kinder das Wohnzimmer in Schutt und Asche legen, oder?“ ich sehe fragend in die Runde und alle winken ab.

„Wir sind alle bestens versichert.“ James zwinkert mir zu und ich lache leise.

„Und Dr. Dawson, wie ist es so, als richtige Ärztin?“ Luke nimmt mich in den Arm.

„Dr. Casey.“ Verbessere ich ihn.

„Ich dachte, das wäre ein Scherz, als Ethan gesagt hat ihr seid noch verheiratet.“ Er sieht mich erstaunt an.

„Nein, es ist kein Scherz. Wenn ich das alles von Seattle aus hätte regeln wollen, dann wäre so viel Papierkram auf mich zu gekommen…“ ich zucke eher halbherzig mit den Schultern „… Ich habe in knapp 2 Wochen einen Termin mit einem Anwalt, bald bin ich Dr. Dawson.“ Ich proste ihm mit einem Glas kühlen Weißwein zu, das Kathie mir gereicht hat.

„Ich hoffe es.“ Ethan sieht mich mit einer Spur Besorgnis an und ich nicke ihm sicher zu.

Ich meine, wo sollte das Problem sein eine Ehe zu scheiden, welche nie wirklich existiert hat?

„So Kinder, kommt ihr?“ Kathie steht in den Wohnzimmertür und wir sehen alle zu ihr. Ich habe mich der Kinder angenommen und wir liegen auf dem Fußboden und ich lese ihnen vor.

„Und dann Mum?“ Taylor steht auf, verschränkt seine kleine Arme vor der Brust und sieht seine Mum herausfordernd an.

„Dann gibt es Kekse und Kinderpunch.“ Sie geht auf ihn zu und nimmt ihn auf den Arm.

„Au ja!“ sofort sind auch alle anderen Feuer und Flamme und wir gehen ins Esszimmer.

Ethan und Kathie haben für die Erwachsen ein Buffet aufgebaut und die Kinder haben ihr eigenes bekommen, alles im Haus ist geschmückt und ich bekomme von Ethan eine kleine Krone aufgesetzt.

„Ich freue mich wirklich, dass du hier bist.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und wir setzen uns alle um den großen Esszimmertisch.

Der Abend ist wirklich schön und die Kinder halten länger durch, wie ich erwartet habe.

Einzig Liv ist schon in ihrem Bett und schläft wie ein Murmeltier als wir den Countdown runter zählen.

„5, 4, 3, 2…“ Ethan hält sein Glas hoch „Ein frohes neues Jahr 2011!“ jubelt er und alle stimmen mit ein.

Nachdem wir uns alle ein frohes neues Jahr gewünscht haben, ziehen wir unsere Jacken an und beobachten das grandiose Feuerwerk am wolkenlosen Himmel und lassen selbst ein paar Raketen stiegen.

„Wünsch dir was.“ Ethan reicht mir eine Rakete und stelle sie in den Ständer, ich schließe kurz meine Augen.

- Lass mich das finden, wonach ich mein ganzes Leben gesucht habe. -

Ich weiß, das ist sehr grob umschriebener Wunsch, aber was soll’s. Ich zünde die Rakete an, sie saust in den Himmel und explodiert mit roten, blauen und grünen Sternen.

Kurz nach 1 Uhr gehen wir alle wieder rein und ich helfe Kathie dabei Hailey und Taylor ins Bett zu bringen. Ich übernehme gerne Hailey und lege mich zu ihr ins Bett um ihr noch eine Geschichte vorzulesen.

„Guten Morgen Alex.“ Werde ich von einer sanften, piepsigen Stimme geweckt.

Ich öffne meine Augen und strecke mich, Hailey liegt neben mir und strahlt mich an.

„Das ist schön, dass du bei mir geschlafen hast.“ Sie drückt mir einen Kuss auf den Mund.

„Finde ich auch Süße.“ Ich rappele mich auf. Jemand hat mich zu gedeckt und mir wenigstens meine Schuhe ausgezogen, ansonsten trage ich noch die Sachen von heute Nacht.

„Na komm Süße, wir schauen mal wo deine Mum und dein Dad sind.“ Ich sehe zu Hailey und ihr Gesicht wird traurig.

„Was ist denn los Süße?“ ich nehme sie fest in den Arm.

„Ich möchte dich mal ein bisschen für mich ganz allein haben…“ erklärt sie mir „Ich will dich nicht immer teilen, vielleicht bist du bald wieder bei Onkel Rick.“

„Ich bleibe jetzt hier meine Süße.“ Ich nehme ihr Gesichtchen in meine Hände „Für immer.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn „Ich wohne doch jetzt in Grandmas Haus.“

„Aber Grandma ist auch weg.“ Ihre braunen Augen sehen mich so furchtbar traurig an, dass es mir fast das Herz zerreißt.

„Ich verspreche dir, ich gehe nicht weg.“ Ich drücke sie an mich. „Was meinst du, wenn ich das nächste Mal ein freies Wochenende habe, dann kommst du zu mir, nur du allein und wir machen uns einen Mädchenabend? Mit Popcorn, einem Film und alles was du willst.“ Ich sehe sie an und endlich beginnen ihre Augen wieder zu strahlen.

„Wirklich? Nur du und ich?“ fragt sie staunend.

„Sicher und wir machen das, was du willst.“ Ich stupse ihr auf die Nase.

„Auch schminken?“ sie zieht eine Augenbraue hoch. „Aber klar, solange du Mummy nichts davon erzählst.“ Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu.

„Unser Geheimnis.“ Sie hält mir ihren kleinen Finger hin und ich harke meinen in ihn ein.

„Unser Geheimnis.“ Lächle ich.

„Mummy! Daddy!“ sie hüpft aus dem Bett und stürmt die Treppe runter.

Lachend stehe ich auf und folge ihr.

„Danke Alex.“ Kathie nimmt mich in den Arm und deutet auf die strahlende Hailey, die ihrem Dad gerade von unseren Plänen erzählt.

„Gern geschehen, wenn ich meinen neuen Dienstplan habe, dann sage ich dir Bescheid, welches Wochenende.“ Verspreche ich ihr. „Und danke übrigens, dass ihr mich nicht geweckt habt.“ Ich sehe strafend zu meinem Bruder.

„Komm schon Alex, ihr beide habt so süß geschlafen, ich habe es nicht übers Herz gebracht.“ Er kommt zu mir und sieht mich reuevoll an.

„Schon Okay.“ Ich greife an ihm vorbei und nehme mir eine Scheide knusprig gebratenen Speck.

„Hey, erst hinsetzen.“ Lacht er und ich nehme Taylor auf den Arm und setze ihn in seinen Hochstuhl.

Erst am späten Nachmittag sind die Kinder bereit mich gehen zu lassen und Ethan bringt mich raus zum Auto.

„Ich habe den Kindern gefehlt.“ Sage ich mehr zu mir wie zu ihm.

„Was hast du denn gedacht?“ Ethan zieht mich in seine Arme „Besonders Hailey. Du bist ihre Heldin und es war schwer, dich immer nur ein oder zwei Mal im Jahr zu sehen. Wenn skype auch noch so gut ist, es ersetzt nicht den Menschen den man liebt.“ Erklärt er mir und küsst meine Stirn. „Es bedeutet Hailey unglaublich viel, das du Zeit nur mit ihr verbringen willst.“ „Es bedeutet mir auch viel.“ Ich lächle und steige ein. „Danke Ethan.“ Ich winke ihm zu und fahre nach Hause.

Ich entscheide mich noch schnell zu joggen, bevor es dunkel wird und ziehe mich schnell um.

Als ich am Strand ankomme sehe ich mich um, es ist keine Menschenseele zu sehen und ich atme die kalte Luft ein, es liegen tatsächlich 3 bis 4 cm Schnee. Aber die Luft ist klar und rein.

Ich denke über Hailey, Ethan und Rick nach und darüber, ob meine Entscheidungen alle richtig waren.

„Frohes neues Jahr.“ Werde ich aus meinen Gedanken gerissen und sehe erstaunt auf. Casey steht vor mir und lächelt zaghaft, er trägt seinen Jogginganzug von der DFB und sieht aus, als hätte er seine Runde auch schon hinter sich.

„Wünsche ich dir auch.“ Gebe ich nach dem ersten Schrecken zurück.

„Ich hoffe du hattest ein schönes Silvester.“ Immer noch lächelt er ganz zaghaft, er weiß einfach nicht, wie ich reagiere und ich kann es ihm nicht verübeln, ich weiß es ja selber nicht.

„Ja danke, ich war bei Ethan. Die Kinder haben mich geschafft.“ Gebe ich zurück. „Ich hoffe, du hast auch etwas gefeiert.“ Mein Herz schlägt so laut und kräftig in meiner Brust, ich hoffe inständig das kommt vom Joggen und nicht von ihm.

„Ich hatte Dienst, aber es war annähernd ruhig.“ Erklärt er mir und vergräbt seine Hände in seinen Jackentaschen.

„Hast du dich schon nach einem Anwalt umgesehen? Ich habe am 12. einen Termin…“ ich sehe auf und treffe seinen unsicheren Blick „Nicht das du dich wunderst, wenn du Post bekommst.“ Füge ich hinzu.

„Ich sehe mich schnellstmöglich nach einem um.“ Er nickt ganz leicht.

„Bis dann Casey.“ Ich hebe kurz meine Hand zum Gruß und setze dann schnell meinen Weg fort.

Wieder zu Hause zwinge ich mich zu lesen und mich auf das, was mich in den nächsten Monaten noch erwartet vorzubereiten.

Tatsächlich gehe ich früh ins Bett, am nächsten Tag packe ich endlich meine letzten Kartons aus und bringe die leeren hoch auf den Dachboden.

Ich stapele sie in einer Ecke und mein Blick fällt auf eine große, alte Truhe.

Ich gehe hinüber und schalte das Licht im hinteren Bereich des Dachbodens an, eine dicke Staubschicht liegt auf der Truhe und ich öffne das knarrende Scharnier und hebe den Deckel an. Als erstes erblicke ich mein Hochzeitskleid. Ich setze mich im Schneidersitz vor die Truhe und nehme es heraus, es sieht immer noch aus wie neu…

Darunter entdecke ich ein Album und nehme es zur Hand, es sind Kinderbilder von mir und meinen Brüdern, Bilder von meinen Eltern bei ihrer Hochzeit und unzählige Bilder von Ethan, Rick und mir auf der Feuerwache. Eines zeigt Ethan mit einem viel zu großen Feuerwehrhelm neben meinem Dad, sie stehen vor dem großen Löschzug. Ich nehme es heraus, Ethan hat in 4 Wochen Geburtstag und ich will es für ihn vergrößern und einrahmen lassen, dann fällt mein Blick auf ein kleines Buch und ich nehme es zur Hand.

Ich schlage die erste Seite auf, dort steht nur der Name meiner Mum Sara Rose Dawson, ich schlage die nächste Seite auf, das Buch enthält Zitate, Gedichte und Briefe an meinen Dad. Ich blättere es durch und bleibe bei den Briefen an meinen Dad immer wieder hängen.

 

Mein geliebter Brandon,

wie immer möchte ich dir zu aller erst sagen, wie sehr du mir fehlst. Ich denke jeden Tag an dich, du bist die Liebe meines Lebens.

Stell dir vor, heute hat mir Ethan Kathie endlich als seine Freundin vorgestellt. Hat er wirklich gedacht, ich habe es nicht bemerkt? Die beiden sind ein wunderbares Paar, mich würde es nicht wundern, wenn sie irgendwann heiraten. Ich weiß, an so etwas zu denken ist zu früh, er ist gerade 19 geworden und Kathie ist 17. Aber wenn ich sehe wie Ethan sie anschaut, dann halte ich nichts für unmöglich.

In Liebe deine Sara

 

Ich lächle, oh Mum.

Du hast es also schon immer gewusst.

Ich blättere ein paar Seiten weiter und hoffe einen Brief an meinen Dad über mich zu entdecken, aber erst einmal finde ich einen über Rick.

 

Mein über alles geliebter Brandon,

jeden Tag gilt mein erster Gedanke dir und ich wünschte, du würdest neben mir im Bett liegen.

Rick geht nach Seattle, ich gebe zu, ich musst erst einmal nachschauen wo das liegt. Unser Baby geht also viele tausend Kilometer weg von mir. Ich kann es verstehen, er will nicht länger in deinen Fußstapfen stehen, er will seinen eigenen Weg finden und dass Nora dort Familie hat, hat ihm die Entscheidung erleichtert. Ich weiß nicht so Recht, ob er und Nora wirklich was für die Ewigkeit sind, aber ich hoffe, dass er in Seattle glücklich wird. Alle unsere Babys machen so gefährliche Sachen wie du, aber ich kann es ihnen nicht verübeln, ich habe immer gewusst, auf was ich mich mit einem Feuerwehrmann einlasse und ich habe nie auch nur eine Sekunde bereut. Selbst unsere kleine süße Alex ist jetzt bei der Feuerwehr, zum Glück nur auf dem Krankenwagen, aber ich kenne sie, sie scheut kein Risiko, so war sie schon immer, dabei ist sie doch gerade 18 geworden. Das hat sie eindeutig von dir mein Liebling.

In ewiger Liebe deine Sara

 

Ja Mum, Rick ist in Seattle glücklich. Nicht mehr mit Nora, sondern mit…

Ich muss nachdenken, mein großer Bruder ist ein Schürzenjäger, aber ich glaube, die Neuste heißt Tamara. Also ist er mit Tamara glücklich, aber er wäre auch ohne sie glücklich. Er hat viele Freunde und sein Wache ist seine Familie. Er vermisst Dublin ab und zu, aber es zieht ihn nicht wirklich zurück. Ja, wir alle haben gefährliche Jobs, aber wir lieben sie, es ist uns in die Wiege gelegt worden und ich habe ja noch die ungefährlichste Variante gewählt.

Wieder blättere ich weiter und finde schon auf der nächsten Seite etwas über mich.

 

Mein geliebter Brandon,

ich kann es nicht glauben, das du jetzt schon 8 Jahre nicht mehr bei mir und unseren Kindern bist. Ich sehe dich immer noch jeden Morgen am Frühstückstisch sitzen und mit den Kindern herum albern, ich vermisse es so sehr dein Lachen zu hören.

Unsere kleine Alex hat mir heute ihren Dec vorgestellt. Ihre Augen leuchten immer, wenn sie von ihm spricht und ich weiß, sie liebt ihn mit ihrem ganzen Herzen. Sie sind ein so wunderbares Paar, so wie er Alex ansieht, genau das habe ich mir für sie gewünscht. Sie bewirbt sich jetzt um ein Medizinstipendium und ich glaube, es wird nicht lange dauern und sie heiraten. Wo ist nur die Zeit hin?

Unser Rick ist jetzt auf einer Wache in Seattle und seine Kollegen halten große Stücke auf ihn, er ist wie du: zielstrebig und ehrgeizig, unser Junge wird es noch weit bringen. Und stell dir vor, Ethan ist jetzt auf Dolphin’s Barn, Jeff lobt ihn in den höchsten Tönen. Er ist auch wie du, so verdammt stolz ein Feuerwehrmann zu sein…

Und unsere süße kleine Alex ist so glücklich, ich weiß, bei Dec ist sie in den besten Händen und wie soll es auch anders sein, natürlich sucht sie sich einen Feuerwehrmann aus. Dec und Ethan haben sich auf der Akademie kennen gelernt und obwohl ich selber ihn jetzt erst seit einem knappen Monat kenne, gehört er schon zur Familie. Unsere Süße und ein Feuerwehrmann…

Haben wir jemals etwas anderes gedacht?

Ich liebe Dich! Deine Sara

 

Du hast dich das erste Mal geirrt Mum. Leise Tränen laufen über mein Gesicht, es berührt mich zutiefst, dass meine Mum meinem Dad nach seinem Tod Briefe geschrieben hat. Sie hat ihn so sehr geliebt…

Ich schlage die letzte beschriebene Seite auf, wieder ein Brief an meinen Dad.

 

Oh mein geliebter Brandon,

bald bin ich bei dir, ich freue mich auf den Tag, an dem ich dich wieder in meine Arme nehmen kann.

Unseren Babys geht es gut. Rick ist wirklich glücklich in Seattle und ich hoffe und bete, dass ihn bald eine Frau seine Flausen austreibt. Ethan und Kathie haben drei so wunderbare Kinder, sie sind glücklich und ich weiß, sie schaffen es ohne mich.

Ich mache mir Sorgen um unser kleines Mädchen, sie versucht die Liebe zu vergessen. Das Schlimme ist nur, die Liebe kann man nicht vergessen.

Wenn ich bei dir bin, dann halten wir unsere beschützenden Hände über alle die, die ich so sehr liebe, denn mit meiner großen Liebe an meiner Seite, da kann nichts schief gehen.

Warte auf mich mein Liebling…

Bald bin ich da.

Deine Sara

 

Ich weine leise Tränen der Trauer und darüber das mir meine Mummy so sehr fehlt, egal wie alt man ist, man braucht seine Mum.

Ich würde sie so gerne um Rat fragen, würde so gerne wissen, was sie denkt, aber sie ist nicht mehr da… Sie ist bei meinem Dad im Himmel.

Ich klappe das Buch zu und lege es wieder in die Truhe.

Ja, ich habe Dec geliebt, aber augenscheinlich er mich nicht genug…

Das ist Grund genug, es zu vergessen und ich werde es schaffen, ich werde meiner Mum keinen Grund geben sich zu sorgen.

Ich klappe die Truhe wieder zu, lösche das Licht und gehe wieder ins Wohnzimmer, ich lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen, es ist jetzt mein Zuhause. Alles wirkt immer noch zum Teil unreal, aber es ist wirklich mein Zuhause, ich habe alle Möbel ausgesucht, ich habe mit Ethan gestrichen und es zu meinem Zuhause gemacht.

Vielleicht bin ich hier eines Tages so glücklich, wie meine Mum es mit meinem Dad in diesem Haus war.

Vielleicht einen Tages…

Als ich am nächsten Tag die Notaufnahme betrete drückt mir Kelly einen Plan in die Hand.

„Ich habe mit Houser gesprochen, das ist dein Ausbildungsplan.“ Erklärt er mir. Ich hatte mich schon gewundert, warum ich keinen bekommen hatte, als alle anderen ihren schon vor drei Wochen bekamen.

Ich überfliege ihn kurz.

„Ich soll auf den Notarztwagen und den Helikopter?“ ich sehe ihn erstaunt an.

„Alex, du bist gut, sogar mehr wie gut. Houser hat jetzt schon vor, dich zu übernehmen. Nimm alles mit und zeig ihm, das du es Wert bist.“ Er zwinkert mir zu.

Solche Dienste sind normaler Weise den “fertigen“ Ärzten vorbehalten und nicht den Anfängern.

Ich sehe wieder auf den Plan, ich werden den ganzen Juli Dienst auf dem Notarztwagen und den ganzen August Dienst mit der Helikoptercrew haben.

Wow, das hatte ich so nicht erwartet.

„Bevor du jetzt Höhenflüge bekommst…“ Kelly schubst mich leicht „Ab in die Notaufnahme.“ Lacht er.

„Alles klar Chef.“ Grinse ich, stecke den Plan in meine Tasche und folge ihm in die Notaufnahme.

„Casey und Green.“ Sagt er zu Lisa und sie tauscht auf der Tafel die Arztnamen aus.

Am Abend studiere ich meinen Dienstplan und finde ein freies Wochenende für mich und Hailey. Ich nehme mir fest vor, das sooft wie möglich mit ihr zu machen, ich weiß, wie es ist, die Aufmerksamkeit aller Verwandten immer durch drei zu teilen und sie ist in einem sensiblen Alter.

Bevor ich aber unseren Mädchenabend genießen kann, liegen fast zwei Wochen Frühschicht vor mir und ich seufze…

Was auch sonst?

„Kommst du Hailey?“ rufe ich die Treppe hoch und sie kommt hinunter gestürmt. „Hast du alles?“ ich sehe sie fragend an und sie nickt eifrig.

„Alles dabei.“ Sagt sie stolz und ich nehme ihr ihre Tasche ab.

„Wenn was ist, dann rufst du an.“ Kathie sieht mich durchdringend an.

„Was soll sein?“ grinse ich. Hailey schläft das erste Mal bei mir und Kathie macht sich natürlich Sorgen.

„Komm schon.“ Sie zieht eine Flunsch.

„Glaub mir, deine Süße ist bei mir in den besten Händen…“ ich nehme sie in den Arm „… Ich bin eine Ärztin und mein Saufgelage werde ich einfach auf das nächste Wochenende schieben.“

Sie lacht leise und gibt Hailey einen Kuss.

„Bye Mum!“ sie winkt ihr fröhlich zu und wir laufen zu meinem Auto.

„Alex?“ sie schnallt sich an und legt ihren Kopf schief.

„Was denn Süße?“ ich schnalle mich ebenfalls an und sehe sie gespannt an.

„Können wir bei Daddy vorbei fahren? Ich will ihm Gute Nacht sagen.“ Sie sieht leicht verlegen zu Boden.

„Aber sicher Süße, ich konnte als kleines Mädchen auch nicht einschlafen, wenn ich keinen Kuss von meinem Dad bekommen haben.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Echt?“ fragt sie erstaunt.

„Ja, egal wie alt man ist…“ ich stupse ihr auf ihre kleine Nase „Wir brauchen unseren Daddy.“ Erkläre ich ihr.

„Grandpa Brandon war ein Held, oder?“ sie nimmt meine Hand in ihre „Wenn du magst, dann borge ich dir meinen Daddy ab und zu aus.“ Sagt sie mit der Ernsthaftigkeit einer 11jährigen.

„Oh Süße, das ist so lieb von dir. Dein Daddy ist mein großer Bruder und ab und zu werde ich mir meinen großen Bruder auch ausborgen, aber als Daddy ist er nur für dich, Taylor und Olivia da.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf ihre blonden Haare.

„Okay.“ Sagt sie schließlich und ich fahre los.

Wir parken direkt vor der Wache und laufen über den Vorplatz in die Halle, die Tore stehen offen und ich sehe mich nach Ethan um.

„Was macht ihr denn hier?“ Carlos kommt mit seinen Krücken auf uns zu gehumpelt.

„Das könnte ich dich auch fragen, du sollst zu Hause bleiben.“ Ich nehme ihn in den Arm.

„Da fällt mir die Decke auf den Kopf.“ Gibt er zerknirscht zurück.

„Schon wieder? Das wäre nicht so gut.“ Grinse ich. „Wo sind die anderen?“

„Die Essen.“ Er verzieht das Gesicht.

„Lass mich raten… Pizza?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Woher du das nur weißt.“ Lacht er.

„Ich habe hier ein Jahr lang gearbeitet.“ Lächle ich und sehe zu Hailey. „Na Süße, wollen wir ein Stück Pizza mit essen?“

„Oh ja.“ Freut sie sich.

„Willst du los?“ ich sehe zu Carlos.

„Ja, Jen kommt und holt mich ab.“ Er winkt mir zu.

„Bis bald!“ rufe ich ihm hinterher und gehe mit Hailey in den Aufenthaltsraum.

„Daddy!“ Hailey läuft los und wirft sich Ethan in die Arme.

„Was macht ihr denn hier?“ er sieht mich erstaunt an.

„Deine Tochter wollte dir Bye sagen, weil sie ja heute Abend nicht zu Hause ist, wenn du kommst.“ Erkläre ich ihm und er nimmt Hailey auf den Arm.

„Das ist lieb von dir meine Kleine.“ Er drückt sie an sich.

Ich ziehe meine Jacke aus und setze mich auf einen leeren Stuhl zwischen James und Luke.

„Was ist denn jetzt?“ Ethan legt den Kopf schief.

„Carlos hat gesagt, ihr habt Pizza und du wirst doch wohl für deine tolle kleine Schwester und deine bezaubernde Tochter ein Stück übrig haben, oder?“ ich sehe ihn herausfordernd an und er lacht.

„Klar.“ Er schiebt mir seinen Pizzakarton über den Tisch und setzt sich mit Hailey auf dem Schoß zu uns.

„Igitt…“ ich betrachte die Pizza „Ganz ehrlich Ethan, das ist keine Pizza, das ist nur eklig.“ Ich schüttele mich und Hailey sieht in den Karton.

„Sind das Anchovis?“ fragt sie ihren Dad und dieser nickt. „Hmm lecker.“ Sie schnappt sich ein Stück.

„Hat noch jemand ein Stück Pizza für mich? Salami oder Hawaii?“ ich sehe mich um.

„Hier…“ Casey schiebt mir seinen Karton rüber. „Salami mit…“

„Extra Käse, gelbe Paprika und Mais.“ Vollende ich seinen Satz und sehe ihn an.

„Du weißt es noch.“ Sagt er leise und ich lächle leicht.

„Ja, das weiß ich noch.“ Ich nehme mir ein Stück „Danke Casey.“

„Gern geschehen.“ Er nickt mir zu und einer der Jungs, den ich noch nicht so gut kenne, starrt mich an.

„Was denn?“ frage ich mit vollem Mund.

„Mit vollem Mund spricht man nicht.“ Rügt mich Hailey.

Ich schlucke den Bissen runter. „Was ist?“ frage ich ihn erneut.

„Du weißt, wie Casey seine Pizza isst?“ fragt er erstaunt.

„Ja, wir sind verheiratet, ich weiß nicht viel, aber immerhin wie er seine Pizza isst.“ Gebe ich mit einer Spur Zorn zu.

„Frag nicht.“ Sagt James an den jungen Mann gewandt und hebt die Hand. „Wie geht es dir im Krankenhaus?“ er dreht sich zu mir um.

„Gut, sie sind sehr zufrieden mit mir.“ Erkläre ich ihm stolz.

„Da hatte ich nichts anderes erwartet.“ Lacht er.

„Im Juli darf ich auf den Notarztwagen und im August in den Heli.“ Freue ich mich.

„Wow Alex, das ist der Hammer.“ Freut sich Ethan für mich.

„Ja, das ist wirklich gut.“ Lächle ich verlegen und stecke mir das letzte Stück Pizza in den Mund.

„Und Hailey? Bereit für einen Mädchenabend?“ ich sehe zu ihr, sie drückt ihrem Dad einen Kuss auf die Wange und springt von seinem Schoß.

„Mach mir keine Dummheiten mit ihr.“ Lacht Ethan.

„Ach was, die nackten Männer, die Unmengen an Alkohol und die laute Musik wird sie einfach ignorieren müssen.“ Erwidere ich ebenfalls lachend und ziehe mir meine Jacke wieder an.

Ethan steht auf und legt den Kopf schief.

„Ethan, Hailey ist 11, wir werden uns einen Film anschauen, Popcorn und Eis essen bis wir Bauchschmerzen haben und uns Unmengen Limonade genehmigen.“ Ich schüttele den Kopf „Ihr tut gerade so, als sei ich die vertrauensunwürdigste Person in ganz Dublin.“ Ich binde mir meinen Schal um und ziehe den Reißverschluss von Haileys Jacke zu. „Ich bin erwachsen Ethan und kann durchaus die Verantwortung für Hailey übernehmen.“ Ich drehe mich um. „Seid brav Jungs!“ rufe ich über meine Schulter.

„Dein Daddy hat einen Knall.“ Sage ich zu Hailey und sie lacht.

Als wir bei mir ankommen sehen wir uns tatsächlich 3 Disneyfilme an, wir essen buntes Popcorn, ich mache Hailey die Haare und sie mir. Dann schminken wir uns gegenseitig und fallen um 23 Uhr wie erschlagen ins Bett.

Ich werde wach, weil ich einen Ellenbogen in die Rippen bekomme und stöhne leise. Hailey liegt quer im Bett und ich bin drauf und dran aus dem Bett zu fallen. Wie kann so ein kleines, zierliches  Geschöpf so viel Platz brauchen?

Ich hebe sie leicht an und erobere mir etwas Platz zurück. Mit ihr im Arm schlafe ich noch ein wenig. Um 9 Uhr machen Hailey und ich uns Pancakes zum Frühstück und wir haben so viel Spaß dabei.

„Alex?“ sie sieht mich mit großen Augen an, als sie eine Wagenladung Ahornsirup auf ihre Smartiespancakes kippt.

„Was denn meine Süße?“ ich nehme mir ebenfalls einen Pancake.

„Bleibst du hier? Für immer?“ fragt sie leise.

„Aber sicher meine Süße.“ Verspreche ich ihr.

„Darf ich manchmal zu dir kommen und wir machen so etwas?“ sie deutet auf die Pancakes.

„Immer meine Süße.“ Ich stehe auf und nehme sie in den Arm. „Ich liebe Dich Hailey.“ Sage ich gerührt.

„Ich dich auch Alex. Ich will mal so werden wie du.“ Erklärt sie mir mit einer Spur Ehrfurcht in der Stimme.

„Oh meine Süße.“ Ich streiche ihr über den Kopf und setze mich wieder.

„Doch, ich will eine Ärztin werden.“ Sie nickt eifrig.

„Dann musst du in der Schule fleißig sein.“ Erwidere ich und sie nickt erneut.

„Ich weiß, ich muss aufpassen und gute Noten schreiben.“ Sie nimmt einen Bissen von ihrem Pfannkuchen.

„Richtig meine Süße und jetzt essen wir Frühstück, dann fahren wir in die Stadt und du darfst dir einen Pullover aussuchen.“ Ich zwinkere ihr zu. „Aber erst aufessen und aufräumen.“ Lächle ich bei ihrem glücklichen Gesichtsausdruck.

Das Shopping mit Hailey wird super, ich glaube, ich werde sie öfter mitnehmen, sie legt eine unglaubliche Geduld an den Tag und sagt offen und ehrlich ihre Meinung. Am frühen Nachmittag, nach einem Essen beim Chinesen bringe ich sie zurück nach Hause.

„Na meine Kleine, wie war es mit Tante Alex?“ Ethan sieht sein Tochter an und sie drückt mich an sich. „Es war toll.“ Strahlt sie.

„Das ist schön meine Kleine.“ Er gibt ihr einen Kuss und sie läuft zu ihrer Mum, um ihren neuen Pullover zu zeigen.

„Morgen hast du den Termin beim Anwalt, oder?“ Ethan sieht zu mir und ich nicke.

„Ja, mal schauen, was er sagt.“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich muss los Ethan, mein Haus sieht aus, als wäre die Vandalen eingefallen.“ Ich zwinkere ihm zu, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und winke den anderen zu.

Um 16 Uhr am nächsten Tag klopfe ich an die Bürotür von Jason Lewis, dem Anwalt den Kelly mir empfohlen hat.

„Bitte.“ Ertönt es und ich betrete das Büro. „Mrs. Casey nehme ich an?“ er sieht zu mir und ich reiche ihm meine Hand.

„Ja, Alex Casey.“ Bestätige ich.

„Nehmen sie Platz…“ bittet er mich, ich lege meine Jacke ab und setze mich ihm gegenüber. Er ist jünger wie ich erwartet habe, ich schätze ich ihn auf höchstens 40, er hat blonde Haare, die er nach hinten gegeelt trägt, hellblaue Augen dun ist ein wenig rundlich, alles in allem überkommt mich kein so ungutes Gefühl wie es sonst bei Anwälten der Fall ist.

„Ich habe mich in ihren Fall eingelesen, es sollte meiner Meinung nach keine Probleme geben, dass die Ehe zwischen ihnen und Mr. Declan Casey geschieden wird. Sie wohnen nicht zusammen und haben sich die letzten fast 9 Jahre nicht einmal auf dem gleichen Kontinent aufgehalten.“ Erklärt er mir und ich atme tief durch.

„Das klingt gut.“ Gebe ich zu.

„Ich werde versuchen so schnell wie möglich einen Termin bei Gericht zu bekommen.“ Verspricht er mir. „Haben sie noch Fragen?“

„Nein, ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen.“ Sage ich und er lächelt.

„Dann würde ich sagen, wir haben heute nichts weiter zu besprechen…“ er sieht in seine Akte „Ich melde mich, wenn ich einen Termin habe und ich werde ihren zukünftigen Ex-Mann informieren.“

„Ich danke ihnen.“ Ich stehe auf und reiche ihm erneut meine Hand.

Das ging ja mal schnell, wenn der Rest ebenso schnell erledigt ist, dann bin ich froh…

Tatsächlich bekommen wir erst am 03. April einen Termin beim Richter, also von schnell keine Rede.

„Bereit?“ Jason Lewis sieht mich an und ich nicke, ich habe mir heute extra frei genommen und stecke in einem Blazer mit hochgesteckten Haaren. Vor Gericht muss man doch eine gute Figur machen, oder?

„Wo bleibt denn ihr zukünftiger Ex-Mann?“ Er sieht sich fragend um und Caseys Anwalt zuckt entschuldigend mit den Schultern.

Dann kommt er, er trägt noch seine Arbeitssachen, hat Russ-Spuren im Gesicht und wirkt abgehetzt.

„Ist alles in Ordnung bei ihnen Mr. Casey?“ erkundigt sich sein Anwalt und er nickt fahrig.

„Kommen sie dann bitte?“ der Gerichtsdiener bittet uns herein und wir nehmen Platz.

Casey wirkt nicht richtig bei der Sache und ich mustere ihn immer wieder. Er fährt sich durch die Haare, die schon verwuschelt von seinem Kopf abstehen und er reibt sich immer wieder die Augen.

„Verhandlungssache Casey gegen Casey, Verhandlung auf Scheidung der am 22.07.2002 geschlossenen Ehe.“ Erklärt der Gerichtsdiener. „Den Vorsitz hat der ehrenwerte Richter William Jenkins.“

„Mr. und Mrs. Casey?“ sagt der Richter und wir erheben uns. „Ich habe mir ihren Fall genau angesehen.“ Er betrachtet uns über den Rand seiner Lesebrille hinweg. „Diese Ehe besteht seit fast 9 Jahren und sie haben lediglich 2 Monate davon zusammen gelebt. In der heutigen Zeit, werden die Entscheidungen zu heiraten und sich scheiden zu lassen viel zu überstürzt getroffen. Ich habe mich dazu entschieden, dass sie die vor geschriebene Trennungsphase von 18 Monaten durchlaufen und an mindestens 5 Sitzungen bei einem Paartherapeuten teilnehmen müssen. Erst wenn sie das getan haben und ihre Meinung die Gleiche wie am heutigen Tag ist, dann ist dieses Gericht bereit einer Scheidung ihrer Ehe zuzustimmen. Wir kommen am 01.09. des nächsten Jahres erneut zusammen.“ Er klopft auf das kleine Holztäfelchen und ich sehe geschockt zu Jason.

„Aber…“ setze ich an.

„Mrs. Casey, sie haben das Recht Berufung einzulegen, aber glauben sie mir, das wird mehr Zeit wie 18 Monate in Anspruch nehmen.“ Richter Jenkins sieht mich prüfend an.

Ich sehe zu Casey, aber der starrt nur vor sich hin ins Leere.

„Ich danken ihnen für ihr Erscheinen.“ Damit entlässt der Richter uns und wir gehen wieder in den Flur.

„Warum sagst du nichts dazu?“ ich gehe zu Casey und er sieht erschrocken auf.

„Zu was?“ fragt er verwirrt.

„Hallo? Warst du eben nicht anwesend? Wir werden nicht geschieden, wir müssen die 18 Monate Trennungszeit durchlaufen und wir müssen zu einem Paartherapeuten.“ Erkläre ich ihm aufgebracht.

„Dann sind wir eben erst in 18 Monaten geschieden.“ Er zuckt mit den Schultern.

Ich schnaube und gehe zu Jason.

„Das nennen sie einfach und schnell?“ ich stemme meine Hände in meine Hüften.

„Es tut mir leid Mrs. Casey, ich habe damit nicht gerechnet.“ Gibt er zu.

„Und jetzt? Können wir was machen?“ ich sehe ihn bittend an.

Jetzt bin ich den Weg bis hierher gegangen, jetzt will ich es auch hinter mir haben…

„Wie der Richter schon sagte, wir können in Berufung gehen, aber da es sich um einen Fall ohne Dringlichkeit handelt, wird sich da so schnell nichts machen lassen. Es tut mir leid.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern.

„Na toll, ich nehme an, ihre Rechnung bekomme ich zu geschickt.“ Ich nehme meinen Mantel.

Mein Blick fällt auf Casey, er sitzt auf einer der Bänke und hat seinen Kopf auf seine Arme gestützt.

„Soll ich dich mit auf die Wache nehmen?“ frage ich leise.

Er sieht auf und nickt langsam.

„Danke.“ Kommt es kaum hörbar von ihm und er greift nach seiner Jacke, die neben ihm liegt.

„Komm schon Casey, die 18 Monate bekommen wir auch rum.“ Sage ich aufmunternd.

„Ja sicher.“ Erwidert er fahrig.

Die Fahrt über schweigt er und starrt aus dem Fenster und kaum das wir anhalten, stürmt er in die Wache.

Ich folge ihm leicht verwirrt und gehe zu Ethan und den anderen in den Aufenthaltsraum.

Alle sehen fertig und mitgenommen aus, sie waren alle duschen und ihre Haare glänzen noch feucht.

„Was ist denn los?“ ich setze mich zu Ethan.

„Wir hatten vorhin einen schlimmen Einsatz…“ er fährt sich durch die Haare „… Autounfall mit Fahrzeugbrand. Ein kleiner Junge ist im Wagen verbrannt, Casey hat alles versucht, aber er konnte ihn nicht befreien.“ Erklärt er mir und ich schließe meine Augen.

„Was machst du hier und warum hast du Casey vorbei gebracht?“ fragt er plötzlich verwirrt.

„Wir hatten heute unseren Scheidungstermin.“ Sage ich leise.

„Und? Seid ihr jetzt geschieden?“ er sieht mich prüfend an.

„Nein…“ ich zucke mit den Schultern „Wir müssen die 18 Monate Trennungszeit nachweisen und 5 Sitzungen bei einem Paartherapeuten. Der Richter meint, da wir nur 2 Monate unser fast 9jährigen Ehe zusammen gelebt haben, haben wir es uns zu leicht gemacht.“ Erkläre ich ihm und er zieht eine Augenbraue hoch.

„Oh man…“ er verzieht leicht das Gesicht.

„Ich muss mit ihm reden.“ Ich lege meinen Blazer ab und stehe auf.

„Sis…“ setzt Ethan an.

„Nein Ethan…“ ich schüttele leicht den Kopf „Ich war unsensibel zu ihm. Ich weiß, wie es ist um ein Leben zu kämpfen und zu verlieren. Ich muss mit ihm reden.“ Sage ich eindringlich und er nickt schließlich.

Ich gehe in die Halle und sehe mich suchend um.

„Ist Casey unter der Dusche?“ frage ich seine Kollegen vom Squad Team.

„Ja, der Lieutenant ist zu mindestens hoch gegangen.“ Antwortet mir einer und deutet die Treppe hoch.

Ich gehe hoch in die Schlafräume, ich weiß, die Lieutenants haben ihre eigenen Schlafräume und ich steuere zielstrebig den vom Lieutenant des Squad Teams an. Ich klopfe leise und gehe hinein. Er sitzt, immer noch mit Einsatzhose und T-Shirt, auf dem Bett und hat sein Gesicht in seinen Händen vergraben.

„Es tut mir leid Declan.“ Sage ich leise und setze mich zu ihm.

Er schluchzt leicht und ich lege meinen Arm um ihn, er schluchzt erneut und ich ziehe ihn ganz in meine Arme.

„Ich war so nah dran.“ Sagt er leise.

„Ich weiß.“ Ich streiche über seinen Rücken und merke wie seine Tränen auf meine nackte Schulter tropfen. „Aber manchmal können wir einfach nichts tun.“ Flüstere ich.

Ich kenne ihn so nicht, klar, er hat nicht immer alles weg gesteckt, aber so…

Nein, das ist eine neue Seite an ihm.

„Dec, du bist großartig, ich weiß, wenn du nur eine kleine Chance gehabt hättest, dann hättest du alles getan. Du konntest nichts tun.“ Ich zwinge ihn mich anzusehen „Es ist nicht deine Schuld.“

Er nickt leicht, seine tiefblauen Augen mustern mich und er schließt sie und die Tränen laufen ihm übers Gesicht, ich kann es kaum ertragen ihn so zu sehen, mein Herz verkrampft sich.

„Hey…“ sage ich leise und hauche ihm einen Kuss auf die Stirn. „Es war NICHT deine Schuld.“

„Danke Alex.“ Sagt er nach ein paar Minuten und ich nehme ihn wieder in den Arm.

„Immerhin sind wir ja noch verheiratet.“ Versuche ich die Situation etwas zu entspannen.

„Ja, zu mindestens für die nächsten 1 ½ Jahre.“ Er sieht mich an und ein leichtes Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

„Ja, machen wir das Beste draus und versuchen wir wenigstens Freunde zu sein.“ Schlage ich ihm vor und er zieht mich fest in seine Arme.

„Danke Alex.“ Wiederholt er und ich streiche über seinen Rücken. Ich schließ meine Augen und genieße dieses so lange verdrängte Gefühl in seinen starken Armen zu liegen.

„Dafür nicht.“ Sage ich schließlich und mache mich sanft los „Geh duschen Dec.“ Ich deute auf die Tür.

Er nickt und steht auf, einen Moment sieht er mich prüfend an.

„Können wir wirklich Freunde sein?“ fragt er leise.

Ich stehe auf und lächle ihn an „Wir sind erwachsen Dec. Was meinst du, wir können ja ab und zu zusammen joggen gehen für den Anfang. Wir könnten reden und uns auf unsere “Paartherapie“ vorbereiten.“ Biete ich ihm an.

„Gerne.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Wange und geht in Richtung der Duschen. „Danke, dass du mich wieder Dec nennst.“ Sagt er noch, ehe er in die Dusche geht.

„Okay.“ Sage ich und gehe die Treppe wieder runter.

Auf halbem Weg kommt mir Jeff entgegen.

„Kommst du von Casey?“ fragt er erstaunt und ich nicke.

„Wie geht es ihm?“ er atmet tief durch und ich bleibe auf den Treppenabsatz stehen.

„Er sollte noch mal mit jemandem über das, was passiert ist, reden. Jetzt ist er erst einmal duschen.“ Erkläre ich ihm.

„War heute nicht euer Scheidungstermin?“ Jeff kommt mit mir die letzten Stufen wieder runter und ich nicke.

„Ja, aber der Richter will wohl ein Exempel statuieren. Wir müssen noch 18 Monate Trennungszeit absolvieren und einen Paarberatung absolvieren, erst dann will er die Ehe scheiden.“ Ich verziehe leicht das Gesicht.

„Das tut mir leid Alex.“ Sagt er bedauernd und legt seinen Arm um meine Schulter.

„Wir sind fast 9 Jahre verheiratet ohne verheiratet zu sein, wir bekommen die Zeit auch noch rum.“ Ich grinse schief „Fürs Erste wollen wir versuchen Freunde zu werden und ich glaube, wir könnten es sogar hin bekommen.“

„Ehrlich?“ Jeff bleibt stehen und sieht mich erstaunt an.

„Ja, komm schon Jeff, es ist lange her. Er hat es nicht verdient, das wir nicht einmal mehr Freunde sein können und ich glaube, es würde dir einiges erleichtern…“ ich ziehe eine Augenbraue hoch „Ich weiß, das sich Ethan und Dec immer noch nicht grün sind und das das ab und zu für Probleme sorgt.“

„Du hast Recht Alex.“ Gibt er zu. „Dann bring das mal Ethan bei.“ Er deutet auf den Aufenthaltsraum und ich atme tief durch.

„Was für eine wertvolle emotionale Unterstützung du doch wieder bist.“ Ich werfe Jeff einen gespielt dankbaren Blick zu.

„Immer doch.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und ich betrete den Aufenthaltsraum.

„Ethan?“ ich sehe zu ihm und ich deute auf die Halle und er folgt mir.

Abwartend sieht er mich an und verschränkt als erste Abwehr seine Arme vor der Brust.

„Hör zu Ethan, ich und…“ ich denke einen Moment nach, ihn vor Ethan wieder Dec zu nennen ist irgendwie wahrscheinlich nicht so gut „… Casey werden, ob es uns nun passt oder nicht, noch eine Weile verheiratet bleiben. Ich habe mit ihm geredet und wir versuchen Freunde zu sein bis das Ganze über die Bühne ist.“

„Sis, ganz ehrlich…“ setzt Ethan an.

„Ethan, ich frage dich hier nicht um Erlaubnis…“ unterbreche ich ihn „… Ich will, dass auch du endlich mal verzeihst, was passiert ist. Ja verdammt, er hat mir weh getan, aber ich kann ihn dafür nicht den Rest seines Lebens büßen lassen. Er hat einen Job, in dem er sich auf seine Kollegen verlassen muss und ob du willst oder nicht, er ist dein Kollege und du weißt, wie wichtig es ist, dass die Kollegen hinter einem stehen. Bitte Ethan, ich verlange nicht, das ihr wieder die besten Freunde seid…“ ich lege meine Hand auf die verschränkten Arme meines Bruders und sehe ihn bittend an.

„Alex, das ist nicht so einfach.“ Er schüttelt leicht den Kopf.

„Doch Ethan, im Grunde genommen ist es einfach…“ ich entknote seine Arme und er sieht mich an „… Lass ihn einfach nur Dec sein.“

„Ich versuche es.“ Verspricht er mir.

„Danke Ethan.“ ich umarme ihn und er seufzt leise.

„Ich tue es für dich.“ Sagt er und ich sehe ihn lächelnd an.

„Ich weiß.“ Gebe ich zu „Ich muss los, ich habe heute Nachtdienst.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

Kaum im Krankenhaus angekommen kommt Kelly zu mir.

„Und?“ fragt er neugierig.

„Frag nicht…“ winke ich ab „Das schnell und problemlos meines Anwaltes…“ ich werfe ihm einen langen Blick zu „… entpuppt sich als Trennungsphase von 1 ½ Jahren und einer Paartherapie.“ Erkläre ich ihm.

„Autsch.“ Er sieht mich entschuldigend an.

„Ach was, die Zeit bekommen wir jetzt auch noch rum…“ ich grinse schief „Wir wollen versuchen Freunde zu sein und ich denke, wir bekommen es sogar hin.“

„Wow Alex, das ist mal eine erwachsene Einstellung.“ Lobt mich Kelly.

„Vielen Dank.“ Ich mache einen kleinen Knicks und er lacht auf.

Drei Tage später treffe ich Dec auf meiner Joggingrunde.

„Wann gehst du eigentlich immer joggen?“ er wischt sich über die Stirn, während ich mich dehne.

„Unterschiedlich…“ gebe ich zu und reiche ihm mein Handy „Gib mir deine Nummer und ich schreibe dir das nächste Mal.“ Grinse ich und er tippt seine Nummer in mein Handy.

„Danke, das du mit Ethan geredet hast.“ Er gibt mir mein Handy wieder und ich nicke.

„Zeit die Vergangenheit, Vergangenheit sein zu lassen.“ Ich lächle leicht und bemerke das leichte kribbeln im Bauch, was er immer noch bei mir auslöst und welches ich nicht einordnen kann und will.

Am nächsten Morgen schreibe ich ihm bevor ich los jogge und treffen uns am Strand.

Es ist komisch, jetzt wo die Fronten klar sind, können wir ganz normal miteinander umgehen.

Manchmal merke ich dieses kleine Stechen in meinem Herz, wenn er mir einen ganz bestimmten Blick zu wirft, doch ich schiebe es beiseite und konzentriere mich lieber auf das hier und jetzt.

Ich hole Hailey ein Wochenende im Monat zu mir. Es ist toll sie um mich zu haben. Zuerst bestellen wir uns eine riesige Pizza bei Antonios, dann schauen wir uns einen ihrer Prinzessinnen- oder Sing und Tanzfilme an und dann frisieren und schminken wir uns. Ich genieße diese Zeit mit ihr und sie dankt es mir auf so viele Arten und Weisen, das ich es gar nicht alles aufzählen kann.

Langsam beginnt auch Ethan Dec wieder als den Freund zu sehen, der er mal für ihn war. Natürlich hält er ihn auf Abstand, aber Dec begleitet mich ein paar Mal zu Ethan zum grillen und die Kinder vergöttern ihn.

Er macht wirklich jeden Quatsch mit und besonders Taylor blüht regelrecht auf.

Im Krankenhaus läuft es reibungslos und Kelly und ich werden ein richtig gutes Team.

Ehe ich mich versehe ist es Anfang Juli und ich trete meinen Dienst auf dem Rettungswagen an und muss mich beweisen.

„Hey, wo seid ihr alle?“ ich betrete gut gelaunt den Aufenthaltsraum der Dolphin’s Barn Wache und werde überschwänglich begrüßt.

„Was machst du denn hier?“ Ethan nimmt mich in den Arm und ich deute auf meine Sachen.

„Ich bin für die nächsten 12 Stunden eure Notärztin. Das St. Vincent hält es für eine gute Idee mich bei euch zu stationieren, mein Fahrer ist ja hier.“ Ich deute auf Jay, den Fahrer des Notarztwagens und er winkt mir zu.

Der Notarztwagen ist, wenn ein Arzt des St. Vincents Dienst hat, immer hier stationiert und ja, ich halte es auch für sinnvoll hier zu sein und außerdem freue ich mich natürlich die Wartezeit zwischen den Einsätzen mit meinen Freunden zu verbringen.

„Hey.“ Dec kommt zu mir, nimmt mir meine Jacke ab und zieht mich in seine Arme.

„Hey.“ Erwidere ich und setze mich dann zu den anderen an den Tisch.

Ich fahre jetzt seit zwei Wochen auf dem Notarztwagen und ich muss sagen, es gefällt mir richtig gut.

Der Dienst zieht sich in die Länge und irgendwann liege ich auf der Couch, meinen Kopf bei Dec im Schoß und wir schauen Fußball.

Solche Dienste mag ich nicht, man wird so müde, das man sich für den nächsten Einsatz erst einmal sammeln muss.

„Hey, wie steht es?“ Ethan kommt zu uns, setzt sich ans andere Ende und nimmt meine Füße auf seinen Schoß.

„2 zu 1.“ Antworte ich und stecke mir etwas Popcorn in den Mund.

<< Löschzug 61, Squad 4, Ambulanz 54 und Notarztwagen 4. Einsatz Hallmond Rode, Brand in einer Garage, 2 Verletzte. >> ertönt die Durchsage und wir springen auf.

Ich ziehe mir meine Schuhe an und laufe Ethan und Dec hinterher.

Jay steht schon an dem leuchtend gelben Notarztwagen und ich springe hinein.

Wir setzen uns ans Ende des Zugs und die Blaulichter durchzucken die Nacht.

Als wir ankommen, werden wir eingeteilt und ich versorge mit den Sanitätern die Opfer. Knapp eine Stunde später ist es vollbracht und alle sind auf die Krankenhäuser verteilt.

Ich recke meinen Daumen in die Höhe und setze mich wieder zu Jay ins Auto.

„Zurück zur Wache.“ Sage ich geschafft.

Wieder setzten wir uns hinter die beiden großen Feuerwehrtrucks und ich sehe aus dem Fenster. Die Ampeln sind noch ausgeschaltet und blinken orange, als wir über eine Kreuzung fahren, sehe ich aus dem Augenwinkel einen LKW, aber da ist es auch schon zu spät…

Er kracht uns hinten in die Seite, wir werden über die Kreuzung katapultiert, überschlagen uns und bleiben an einen Poller gedrückt auf den Dach liegen.

Ich spüre wie mir Blut über das Gesicht läuft. Ich kann mich nicht bewegen, meine Beine sind eingeklemmt.

„Jay?“ frage ich leise und er stöhnt leise. „Geht es dir gut?“ frage ich besorgt.

„Soweit ja, ich komme nicht raus.“ Sagt er und ich stütze meine Hände am Wagendachinneren ab.

„Ich auch nicht.“ Erwidere ich und sehe zu ihm. Er scheint unverletzt.

„Geht es dir wirklich gut?“ frage ich erneut.

„Ich denke, ich werde ziemlich Kopfschmerzen haben, aber ansonsten geht es mir gut.“ Scherzt er und ich schüttele leicht meinen Kopf.

„Alex!“ Dec taucht neben meinem Fenster auf.

„Ich komm nicht raus.“ Sage ich und er legt sich auf den Boden um zu kontrollieren, wo ich eingeklemmt bin.

„Ich hole dich raus.“ Verspricht er.

„Hey Casey, wenn es nicht zu viele Umstände macht, dann würde ich auch gerne raus.“ Sagt Jay und Dec nickt fahrig.

„Man, der würde mich glatt hier drin lassen.“ Scherzt Jay und ich werfe ihm einen bösen Blick zu.

„Es läuft Benzin aus, wir holen den Spreizer und holen euch raus.“ Dec läuft zum Truck und einige Kollegen legen zum Schutz Decken über uns.

„Alex? Geht es dir gut?“ ich erkenne Ethans Stimme.

„Ja Ethan, es sieht wahrscheinlich schlimmer aus, als es ist. Er hat uns nur hinten erwischt.“ Erkläre ich ihm und merke, wie der Spreizer angesetzt wird.

Das Ding geht durch das Metall wie ein warmes Messer durch Butter, die Tür wird aufgestemmt und der Spreizer neu angesetzt.

Dann merke ich, wie meine Beine frei kommen und ich sacke in meinen Sicherheitsgurt.

„Holt sie raus.“ Weist Ethan einen jungen Mann an und läuft um den Wagen zu Jay.

„Ich mach das.“ Dec drängt den Mann ab und durchschneidet meinen Sicherheitsgurt, ich falle in seine Arme und er zieht mich aus dem Auto. Er nimmt mich auf den Arm und setzt mich auf die Stufe eines Krankenwagens.

„Geht es dir wirklich gut?“ fragt er erneut und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ja Dec, es geht mir gut. Ich denke nur, jemand sollte sich meinen Kopf anschauen.“ Ich befühle meine Stirn und verziehe das Gesicht.

„Gott…“ er schließt die Augen und sinkt auf die Knie „Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst.“ Gesteht er. „Ich habe im Rückspiegel gesehen, wie der LKW euch erwischt hat.“ Er schüttelt leicht seinen Kopf.

„Es geht mir gut Dec.“ Ich lege meine Hand auf seine Wange.

„Ich liebe Dich Alex.“ Er sieht mich an und ich vergesse zu atmen.

„Können sie einsteigen Dr. Casey? Wir müssen Jay ins St. Vincent bringen, er hat sich sein linkes Bein gebrochen.“ Eine Sanitäterin taucht neben mir auf und ich nicke fahrig.

Sie wickelt mich in die Decke ein und platziert mich neben der Trage, auf der Jay liegt und zu mir hoch schaut.

Ich kann nicht anders wie Dec anzustarren, auch als die Türen geschlossen werden, sehe ich ihn immer noch verwirrt an.

Haben uns die letzten Monate nicht alles an Kraft gekostet, damit wir Freunde sein können?

„Was ist los Alex?“ fragt Jay leise und ich atme tief ein.

„Er hat gesagt, dass er mich liebt.“ Antworte ich leise.

„Ist ja nicht so, dass es keiner von uns geahnt hat.“ Gibt er zu.

„Wie jetzt?“ ich sehe ihn an.

„Komm schon Alex…“ er verdreht leicht die Augen „Es ist kein Geheimnis, das er endlich wieder ein wenig er selbst ist, seitdem ihr Waffenstillstand geschlossen habt und Freunde seid.“

„Lieg still Jay.“ Sagt die Sanitäterin und sieht ihn strafend an, ehe sie mir einen Tupfer auf meine Platzwunde an der Stirn drückt.

Ich denke über das gesagte nach… Ja, er ist wieder ein bisschen mehr der offene, fröhliche und lustige Dec, aber das soll an mir liegen?

Ich denke eher, das liegt daran, dass es auf der Wache wieder entspannter ist.

Und das kann nicht allein mein Verdienst sein…

Im St. Vincent angekommen werde ich von Dean in Empfang genommen.

„Wow Alex…“ er hilft mir auszusteigen und Dr. Matthews nimmt sich Jay an.

Dean führt mich in ein Behandlungszimmer und leuchtet mir in die Augen.

„Wie es scheint, hast du eine Gehirnerschütterung.“ Er prüft meine weiteren Reflexe. „Kannst du dich an alles erinnern?“ fragt er mich und ich sehe ihn an.

„Was?“ frage ich verwirrt.

„Kannst du dich an alles erinnern?“ wiederholt er seine Frage.

„Ja.“ Sage ich nur. Ich wünschte, es wäre nicht so… füge ich in Gedanken hinzu.

„Ich muss dich nähen und dann machen wir noch ein CT von deinem Kopf.“ Dean sieht mich an und ich nicke leicht.

Er zieht mir meine Jacke aus und spritzt mir das Betäubungsmittel.

Ich bin nicht bei der Sache, aber das ist wahrscheinlich auch ganz gut, denn so bekomme ich von der ganzen Prozedur fast nichts mit.

„6 Stiche, die Wunde war ziemlich tief, aber die Narbe wird später kaum zu sehen sein…“ er hilft mir mich aufzusetzen „Ist dir schwindelig?“ fragt er besorgt.

„Nein, nein…“ winke ich ab „Alles gut.“

„Also gut, ich bringe dich jetzt in die Röntgenabteilung.“ Er hilft mir auf die Beine und ich schließe kurz meine Augen.

„Geht es dir wirklich gut?“ fragt er nach und ich nicke erneut.

Mein Kopf dröhnt, aber es würde mich eher wundern, wenn es nicht so wäre.

Er führt mich in den Flur und sofort kommt Ethan zu uns.

„Wie geht es dir?“ fragt er besorgt.

„Es geht ihr soweit ganz gut, wir durchleuchten jetzt ihren Kopf, um auszuschließen, dass sie mehr als eine Gehirnerschütterung abbekommen hat.“ Erklärt ihm Dean und Ethan nimmt meine Hand.

„Geht es dir wirklich gut Sis?“ seine Augen sehen mich prüfend an.

„Ja.“ Sage ich und versuche zu lächeln.

„Dann komm, sie warten oben auf uns.“ Dean schiebt mich bestimmt in Richtung Fahrstuhl und wir steigen ein.

Das CT zieht sich in die Länge, aber zum Glück habe ich wohl mehr Glück wie Verstand gehabt, außer einer Gehirnerschüttung fehlt mir wirklich nichts.

Ich bekomme ein dickes Pflaster auf die Stirn und Dean führt mich wieder in den Flur.

„Alex?“ Dec springt auf, als ich mit Dean aus dem Behandlungsraum komme. „Oh man, das sieht böse aus.“ Er befühlt das Pflaster auf meiner Stirn.

„Können wir kurz reden?“ bittet er mich und ich nicke Dean zu, der uns alleine lässt.

Wir setzen uns auf eine der Bänke und ich sehe ihn lange an.

„Dec, ich kann das nicht…“ setze ich an.

„Hör zu Alex, vergiss was ich gesagt habe…“ er nimmt meine Hand „Ich bin dankbar und glücklich, dass wir Freunde sind. Ich hätte das nicht sagen dürfen.“ Entschuldigt er sich. „Bitte Alex, ich will nicht schon wieder alles kaputt gemacht haben.“ Seine Augen flehen mich an.

Ich schließe kurz meine Augen, dann sehe ich ihn an und nehme ihn in den Arm.

Wir haben die letzten Monate so viel geschafft und ja, ich will es auch nicht kaputt machen.

Er drückt mich an sich. „Geht es dir gut?“ fragt er besorgt.

„Ich habe Kopfschmerzen und ich bin furchtbar müde.“ Gestehe ich.

„ich bring dich nach Hause.“ Verspricht er mir und ich nicke an seiner Schulter.

„Danke Dec.“ Sage ich wirklich ehrlich dankbar.

Ich will nur noch nach Hause, ich will ins Bett und schlafen.

Wir fahren runter in die Notaufnahme und ich erkundige mich nach Jay. Zum Glück musste er nicht operiert werden, aber er wird die nächsten Wochen mit einem eingegipsten Bein leben müssen.

„Ich fahre Alex nach Hause.“ Sagt Dec an Ethan gewandt.

„Danke Casey, wir fahren zurück zur Wache.“ Er winkt seine Leute zu sich.

Jeff kommt zu mir und betrachtet mich eingehend.

„Zum Glück ist dein Kopf aus Stahl.“ Er lächelt leicht und gibt Dec den Schlüssel vom SUV´s des Einsatzleiters. „Bring sie nach Hause.“ Sagt er und klopft Dec auf die Schulter.

„Komm Alex.“ Dec legt seinen Arm um meine Schultern und führt mich nach draußen.

Die Sonne geht gerade auf und das Licht schmerzt in meinen Augen.

Er hilft mir einzusteigen und läuft ums Auto herum, um sich auf dem Fahrersitz fallen zu lassen.

Kurz nachdem sich das Auto in Bewegung gesetzt hat, fallen mir die Augen zu und ich werde erst wach, als mich Dec auf seinen Arm nimmt.

„Ich kann gehen.“ Nuschele ich.

„Ich weiß.“ Gibt er zurück, schließt die Tür auf und bringt mich ins Wohnzimmer.

Vorsichtig legt er mich auf der Couch ab und deckt mich zu.

„Ich schaue später noch mal nach dir.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und ich höre wie die Tür ins Schloss fällt, ehe ich wieder einschlafe.

„Hey Schlafmütze.“ Werde ich von einer sanften Stimme geweckt und öffne meine Augen.

Es ist schon wieder dunkel draußen und ich habe rasende Kopfschmerzen.

„Na, geht es dir besser?“ Ethan sieht mich fragend an.

„Mein Kopf tut weh.“ Gebe ich zu und er reicht mir eine Schmerztablette.

„Hier, davon kannst du bis zu 8 Stück am Tag nehmen.“ Erklärt er mir und ich grinse schief.

„Danke Doktor.“ Ich nehme die Tablette und spüle sie mit einem Glas Wasser runter. „Was machst du denn hier?“

„Casey hat gesagt, das du ziemlich erledigt warst und ich habe ihm versprochen nach dir zu schauen und heute Nacht hier zu bleiben.“ Er setzt sich zu mir auf die Couch und ich lehne mich an ihn.

„Es ist schön, dass du und Casey es wirklich hin bekommen.“ Er haucht mir einen Kuss auf meine lädierte Stirn.

„Hmm.“ Nuschele ich nur.

In den nächsten 3 Tagen schlafe ich fast nur und anschließend geht mein Dienst normal weiter, ich bekomme einen neuen Fahrer, ein neues Auto und eine neue Wache.

Ich sehe immer noch ziemlich mitgenommen aus, mein linkes Auge ist noch blau und die Narbe zeichnet sich wunderbar auf meiner Stirn ab.

Die neue Wache, ist eine kleine im Randbezirk Lucan und es ist wirklich fast nichts los. Fast bin ich dankbar, als ich am 01. August zurück ins Krankenhaus darf und auf den Helikopter umsteige. Helikopterdienst bedeutet, dass ich normal meine Schichten in der Notaufnahme mache und zu Einsätzen fliegen muss, keine Bereitschaften und keine Wachen…

„Hey, da ist sie ja endlich wieder!“ begrüßt mich Kelly und nimmt mich in den Arm.

„Sag bloß, du hast mich vermisst.“ Necke ich ihn.

„Aber sicher.“ Er zwinkert mir zu. „Und wie hat dein Kopf den Crash überstanden? In Lucan war es ja eher ruhig, oder?“

„Da ist echt gar nichts los…“ ich verdrehe die Augen „Und ja, mein Kopf ist ganz und ich habe keine bleibenden Schäden davon getragen.“ Ich zwinkere ihm zu.

„Dann beweise es.“ Er bietet mir seinen Arm an und ich harke mich lachend bei ihm unter.

Drei Tage später habe ich meinen ersten Einsatz mit der Helikoptercrew und obwohl ich Schmetterlinge vor Aufregung im Bauch habe, stelle ich mein Können unter Beweis. Die Crew ist zufrieden und ich freue mich auf weitere Einsätze.

Tatsächlich bekommen wir nicht allzu viele Helikoptereinsätze und ich feile mit Kelly an meinen Techniken, besuche Fortbildungen und lese über die neusten Behandlungsmethoden um damit Kelly in den Wahnsinn zu treiben.

„Weißt du, wenn wir bei einem Herzinfarkt gleich Betablocker geben, dann kann sich das Herz schneller erholen…“ ich sehe Kelly an und er seufzt.

„Weißt du was? ...“ er sieht mich an und ich schüttele meinen Kopf, sodass mein Zopf hin und her schwingt. „Du nervst Alex.“ Er verdreht die Augen.

„Hey.“ Ich boxe ihm gegen den Oberarm.

„Ist ja gut…“ er winkt ab „Lass es uns mit Houser besprechen.“ Lenkt er ein und ich nicke zufrieden.

„Nervensäge.“ murmelt er sich in seinen nicht vorhandenen Bart.

„Das habe ich gehört.“ Ich strecke ihm die Zunge aus und gehe zur Einlieferung, wo ein Krankenwagen gerade einen Mann mit einer tiefen Schnittwunde rein schiebt.

<< Dr. Casey, Dr. Green, Dr. Matthews zum Helikopterlandeplatz. Einsturz eines Gebäudes. >> ertönt die Durchsage und Pieper beginnt zu piepen.

„Gib das an McBright.“ Ruft mir Kelly zu, ich drücke Dean im vorbeilaufen die Akte in die Hand und laufe hinter Samantha und Kelly hinterher.

Mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust als wir auf dem Dach ankommen und uns unsere Jacken und Helme gereicht werden.

Wir steigen schnell ein und der Pilot dreht sich um.

„Alle angeschnallt?“ fragt er und seine Stimme dröhnt in meinen Ohren.

Ich recke meinen Daumen in die Höhe und Kelly und Samantha tun dies ebenfalls.

Wir erheben uns in die nachmittägliche Sonne Dublins und der Pilot dreht scharf nach links ab.

„Was wissen wir?“ fragt Kelly.

„Ein vierstöckiges Gebäude ist nach einem Brand in sich zusammen gestürzt. Es sind noch mindestens 20 Menschen im Gebäude gewesen.“ Erklärt uns der Pilot „Es wurden alle Hubschrauber und alle verfügbaren Ärzte angefordert.“

Mein Herz schlägt noch schneller in meiner Brust.

„Wo?“ frage ich schließlich.

„Decies Road beim Markievicz Park.“ sagt er und ich schließe kurz meine Augen. „Wir haben Landeerlaubnis im Park, 2 Minuten bis zum aufsetzen.“

„Alles gut Alex?“ fragt Kelly und ich nicke leicht.

„Es ist Ethans Einsatzgebiet.“ Sage ich leise.

„Sind auch Feuerwehrmänner verschüttet?“ fragt Kelly, denn ich traue mich nicht, diese Frage zu stellen.

„Ja, Dolphin’s Barn hat es schlimm erwischt.“ Erklärt er und ich atme tief durch.

„Wenn es nicht geht, dann fährst du mit dem erstbesten Krankenwagen zurück.“ Kelly sieht mich an und ich nicke schwach.

Konzentrier dich! Ermahne ich mich, auch wenn Ethans Wache dabei ist, das heißt gar nichts…

„Wir sind da.“ Sagt der Pilot, ich stöpsele meinen Helm aus, nehme meine Arzttasche in die Hand und warte darauf, das wir aufsetzen.

„Raus.“ Sagt der Pilot, ich öffne die Tür, ziehe den Kopf ein und laufe los. Es stehen mindestens 10 Feuerwehrtrucks auf der Straße und ich laufe zu dem Mann, auf dessen Rücken Chief steht.

„Wo sollen wir hin?“ ich tippe ihm auf die Schulter und ein mit Staub und Ruß verdreckter Jeff schaut mich an.

„Sie sind noch alle da drin.“ Er deutet auf das zusammen gefallene Haus.

„Wer Jeff?“ frage ich panisch.

„Squad 3.“ Sagt er tonlos.

Oh mein Gott!

Dec!

Ich atme tief durch, eigentlich will ich ihn noch nach Ethan fragen, aber dazu habe ich keine Zeit.

„Also gut.“ ich drehe mich zu Kelly und Samantha um. „Ich kenne diese Situation von meiner Ausbildung bei der Feuerwehr, ein Team arbeitet sich von Osten vor, ein anderes von Westen und jeweils eines von Süden und Norden. Teams je 3 Mann. Die Feuerwehrleute tragen Sender bei sich, die ein lautes Signal von sich geben, wenn sie sich nicht bewegen. Folgt den Signalen.“ Sage ich und Kelly und Samantha nicken. Es tauchen noch weitere Ärzte auf und Samantha weist sie ein, während ich mit Kelly und einem Sanitäter auf das Gebäude, oder das, was davon übrig ist, zulaufen.

Ich schließe meine Augen und versuche mich zu konzentrieren.

„Ich höre was!“ Kelly winkt mich zu sich und wir beginnen die Trümmer weg zu räumen, ich entdecke eine Feuerwehrjacke und räume mit meinen bloßen Händen die Steine weg. Ich erkenne den Schriftzug des Namens auf der unteren Hälfte der Jacke.

- Johnson-

Oh mein Gott, das ist Jim, einer der jungen Männer aus Ethans Zug. Ich grabe schneller und fühle am Hals nach seinem Puls.

Verdammt... Nichts.

„Er hat keinen Puls.“ Sage ich zu Kelly, ich schließe meine Augen und kann nicht verhindern, dass mir eine Träne über die Wange läuft.

„Du fährst mit dem nächsten Krankenwagen ins St. Vincent.“ Kelly sieht mich streng an.

„Du denkst nicht wirklich, das ich hier weg fahre, ehe ich weiß was mit Ethan und…“ ich breche ab.

„Nein, tut mir leid.“ Er nimmt meine Hand „Wir finden sie.“ Verspricht er mir.

„Alex!“ ich hebe meinen Kopf, das ist Ethans Stimme.

Ich sehe ihn, verdreckt und mit einer dicken Schramme auf der Wange auf mich zu kommen. Ich stehe auf und laufe auf ihn zu um mich in seine Arme zu werfen.

„Oh Gott Ethan, ich hatte solche Angst um dich.“ Schluchze ich.

„Es geht mir gut, ich war schon draußen, als das alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen gestürzt ist.“ Er sieht sich um.

„Wir haben Johnson gefunden.“ Sage ich und er sieht mich voller Angst an.

Ich schüttele langsam mit meinem Kopf.

„Gott… bitte nicht.“ Er wischt sich über die Augen und der Staub färbt sich von seinen Tränen schwarz. „Alex, er war im Haus, als es zusammen gestürzt ist.“ Er sieht mich an und ich habe das Gefühl, jemand hat mein Herz in einen Schraubstock gelegt und dreht langsam zu.

„Ich finde ihn.“ Sage ich leise und sehe zu Kelly.

„Geh.“ Sagt Ethan und ich laufe zu ihm.

Wir finden mehrere verschüttete Menschen, aber keinen weiteren Feuerwehrmann… bis…

„Alex, hier drunter ist ein Signal.“ Kelly sieht mich an und ich klettere über mehrere große Steinbrocken zu ihm.

Meine Hände sind zerkratzt, blutig und schmutzig, aber das merke ich gar nicht.

Ich will ihn finden…

Koste es was es wolle…

Der Feuerwehrmann liegt auf dem Rücken und ich erkenne James. Er lebt, aber er hat schwere Verletzungen. Wir befreien ihn mit Hilfe ein paar weiterer Männer und er wird abtransportiert.

„Trink was.“ Kelly hält mir eine Wasserflasche hin und ich nehme dankbar einen großen Schluck, durch den Staub und den Schutt habe ich einen ganz trockenen Mund und als ich mich umsehe, dann bemerke ich, dass es schon zu dämmern anfängt.

„Sind sie Dr. Casey?“ ein mir unbekannter Sanitäter sieht mich an und ich nicke verwirrt. „Kommen sie schnell mit.“ Sagt er und seine Stimme lässt mich nichts Gutes erahnen.

Ich folge ihm so schnell ich kann und als ich sehe wie mehrere Männer eine Feuerwehruniform freilegen, da laufe ich los. Ich falle hin, stolpere und schlage mir meine Ellenbogen und meine Knie noch mehr auf…

Das interessiert mich nicht…

Der Feuerwehrmann liegt wie Johnson auf dem Bauch und in großen Buchstaben steht – Lt. Casey – auf seiner Jacke.

Nein, nein, nein…

Ich komme bei ihm an und fühle seinen Puls an der Halsschlagader.

„Er hat einen schwachen Puls, holt ihn da raus.“ Schreie ich und beginne die Steine weg zu räumen. Nur 5 Minuten später haben wir ihn soweit vom Schutt befreit, dass wir ihn vorsichtig umlagern können. Ich kann es nicht verantworten, dass wir ihn einfach umdrehen und beschließe zuerst das Stabilisierungsbrett an ihm fest zu schnallen und ihn dann damit umzudrehen.

Dann sehe ich sein Gesicht, er ist zerschunden und blutet aus den Ohren und dem Mund.

Kein gutes Zeichen, gar kein Gutes…

„Ins St. Vincent.“ Ich laufe neben dem Sanitäter hinter her.

Ich sehe mich suchend nach Kelly oder Ethan um. Kelly unterhält sich mit Jeff, als sich unsere Blicke treffen.

Er deutet mir an einzusteigen und ich klettere in den hinteren Teil des Krankenwagens.

Ich beuge mich über Dec, dem mittlerweile eine Halskrause angelegt wurde und leuchte in seine Pupillen. Sie weiten sich ungleichmäßig, ein Zeichen für eine Hirnblutung.

„Komm schon Dec.“ Flehe ich ihn an. „Nicht jetzt. Nicht so.“

Als wir am St. Vincent ankommen werden wir schon von mehreren Ärzten empfangen, da ich Bescheid gegeben habe, dass er in die Neurochirurgie muss.

„Bleib hier Alex…“ Dean hält mich am Arm fest und ich sehe wie die Trage in den Fahrstuhl geschoben wird, weinend sinke ich auf meine Knie.

„Komm schon Kleine, ich kümmere mich jetzt um dich.“ Dean hilft mir hoch und bringt mich in einen Behandlungsraum.

„Dein Bruder?“ fragt er leise und ich sehe auf.

„Nein Dean, mein Mann.“ Sage ich leise.

„Du weißt, er ist in den besten Händen.“ Versucht er mich zu beruhigen und beginnt meine Hände zu reinigen.

Ich verziehe kurz das Gesicht und er entschuldigt sich mehrmals, als er die kleinen Steinchen aus meinen Händen pult.

Dann zerschneidet er meine Hose und reinigt auch meine Knie um anschließend noch meine Unterarme und Ellenbogen zu versorgen. Erst jetzt merke ich, wie sehr ich mir die Haut überall aufgeschnitten und abgeschürft habe und es brennt wie die Hölle.

Auch im Gesicht habe ich einige Schnittwunden und Dean versorgt auch diese. Schließlich sitze ich mit unzähligen kleinen Verbänden und bandagierten Knien nur noch in Unterwäsche vor ihm.

„Ich hole dir schnell was zum anziehen.“ Er nimmt meine dreckigen Sachen mit und kommt einen Augenblick später mit einem neuen Set hellblauer Arztkleidung wieder.

Ich ziehe es mir an und stöhne leise, erst jetzt merke ich wirklich, was mir alles weh tut und eine Liste der Körperteile die mir nicht weh tun wäre kürzer, als wie alles aufzuzählen, was mit weh tut.

„Was hast du gehört?“ ich sehe ihn an und binde meine Haare notdürftig im Nacken zusammen.

„12 Tote, 8 Schwerverletzte und 32 Leichtverletzte.“ Er atmet tief durch.

„Danke Dean.“ Ich drücke seine Hand und er sieht mich lange an.

„Eine Liste liegt an der Anmeldung.“ Er deutet nach draußen.

Ich sehe auf meine Füße und merke erst jetzt, dass ich keine Schuhe anhabe.

„Ich hole deine Turnschuhe von oben.“ Er sieht mich an und ich gebe ihm die Nummer von meinem Spint.

Als er raus gegangen ist, laufe ich barfuss zur Anmeldung und nehme mir die Liste, die neben dem Telefon liegt, zur Hand.

Ich überfliege die Namen… Vier Feuerwehrmänner von Dolphin’s Barn sind tot, 5 schweben in Lebensgefahr… Ich danke Gott, das Ethan nicht auf dieser Liste steht.

„Hier.“ Dean reicht mir meine Turnschuhe und mein Handy. „Es sind ziemlich viele Anrufe drauf.“ Erklärt er mir und ich nehme ihm, nachdem ich meine Schuhe angezogen habe, das Handy ab.

Ethan…

Ich wähle seine Nummer und trete hinaus, mittlerweile ist es stockdunkel und mein Dienst ist seit 2 Stunden vorbei.

„Wo bist du?“ erklingt fast augenblicklich Ethans Stimme.

„Ich bin im St. Vincent.“ Beruhige ich ihn und er atmet erleichtert aus.

„Habt ihr ihn gefunden?“

Ich schließe meine Augen, ich wusste, dass genau das seine nächste Frage sein würde.

„Ja, er ist im OP.“ Meine Stimme zittert und egal wie sehr ich versuche es zu unterdrücken, ich kann es einfach nicht.

Ich habe Angst um Dec…

Schreckliche Angst.

„Wie sieht es aus?“ auch Ethan hat Mühe seine Stimme unter Kontrolle zu halten.

„Nicht gut, gar nicht gut.“ Ich schluchze leise.

„Er ist stark, er ist ein Kämpfer…“ macht mir Ethan Mut „Das weißt du und das weiß ich.“

„Danke Ethan, ich weiß, dass du ihn immer noch nicht besonders magst.“ Ich lächle ganz leicht unter Tränen.

„Er ist mein Freund.“ Sagt er nur und ich weiß, er meint es genau so.

„Ich gehe nach ihm schauen, kümmere dich um deine Männer.“ Ich wische mir entschlossen meine Tränen weg.

„Ich liebe Dich Alex.“ Er ringt um Fassung und ich weiß, was alles dazu gehört meinen großen, starken Bruder um seine Fassung zu bringen.

„Ich dich auch Ethan.“ Damit lege ich auf und sehe zu Dean „Ich bin auf der Neuro, piep mich an, wenn mein Dienst los geht.“ Bitte ich ihn.

„Du kannst so nicht arbeiten.“ Er sieht mich an, als wäre ich durchgeknallt.

„Ich muss Dean, sonst weiß ich einfach nicht, was ich tun soll.“ Gebe ich zurück und gehe zum Fahrstuhl.

Ich fahre in die Neurologie und gehe zur erstbesten Schwester.

„Kannst du mir Auskunft über Declan Casey geben?“ frage ich mit zittriger Stimme.

„Bist du eine Familienangehörige?“ sie sieht mich verwundert an.

Ich will auf mein Namensschild deuten, aber ich habe kein mehr, wahrscheinlich habe ich es irgendwann verloren…

„Ich bin seine Frau.“ Erkläre ich ihr und sie geht zum Computer.

„Der Feuerwehrmann, der vor zwei Stunden eingeliefert wurde?“ fragt sie und ich nicke. „Er ist noch im OP, Dr. Houser und Dr. Petersen operieren ihn. Soll ich nachfragen?“

„Bitte.“ Sage ich leise.

„Hier sind seine Sachen.“ Sie reicht mir seine Jacke, seine zerschnittene Hose und seine persönlichen Sachen. Mein Blick fällt auf seine Kette mit unserem Ehering daran und ich taste nach meiner. Mein Ring liegt kühl auf meiner Haut, ich nehme Decs Kette und hänge sie auch um, das letzte Mal, als diese beiden Ringe so nah beieinander waren, das war am Tag unserer Hochzeit.

Ich kann es nicht fassen, dass er seinen auch bei sich getragen hat… Sofort steigen Tränen in mir auf.

Die Schwester geht und ich setze mich mit seinen Sachen in den Warteraum, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, ehe sie wieder auftaucht und ich stehe auf, als sie herein kommt.

„Sie haben ihn soweit stabilisiert, aber er hat schwere Kopfverletzungen. Sie mussten einen Allgemeinchirurgen wegen seiner inneren Blutungen dazu holen und sie haben ihm Teile der Milz und der Leber entfernen müssen…“ sie sieht mich an und ich setze mich kraftlos. „Aber das ist alles gut verlaufen.“ Versucht sie mich etwas zu beruhigen „Ein Orthopäde hat seinen Schienbeinbruch gerichtet und sie haben fest gestellt, dass er sich zwei Halswirbel angebrochen hat…“

Ich schluchze leise.

„Sein Rückenmark wurde nicht eingeklemmt, sie erwarten nicht, dass er davon Einschränkungen haben wird.“ Erklärt sie schnell „Im Moment versuchen sie den Druck von seinem Gehirn zu nehmen.“

„Kann ich hier warten?“ frage ich und sie nickt verständnisvoll.

„Sicher, ich habe gebeten, dass sie mir sofort Bescheid sagen.“ Sie legt ihre Hand auf meinen bandagierten Arm. „Sie tun wirklich alles.“ Verspricht sie mir.

„Ich weiß.“ Gebe ich zurück.

Sie lässt mich allein und kommt etwas später mit einer Tasse Kaffee zu mir.

„Hier, du siehst müde aus.“ Sie reicht mir den Becher.

„Danke. Kann ich, wenn ich angepiept werde, das Telefon kurz benutzen?“ frage ich und nehme einen kleinen Schluck des Kaffees.

„Sicher doch. Wo arbeitest du?“ sie setzt sich kurz zu mir.

„Ich bin Ärztin in der Notaufnahme.“ Erkläre ich leise.

„Du warst heute da draußen, nicht wahr?“ ihre Stimme klingt besorgt und ich nicke.

„Ihr wart toll da draußen.“ Sie nimmt meine Hand und drückt sie leicht „Viele verdanken euch ihr Leben.“

„Danke…“ ich sehe auf ihr Namensschild „Rachel.“

„Dafür doch nicht. Wenn was ist, ich habe heute Nachtschicht.“ Sie steht wieder auf und lässt mich allein.

Dec darf jetzt nicht sterben, so viele Sachen sind unausgesprochen…

Dieses Gefühlschaos macht mich noch wahnsinnig.

Ich würde gerne sagen, er ist wirklich nur ein Freund, aber mein Körper sagt mir deutlich, das er mehr wie nur ein einfacher Freund ist.

Aber was denn genau?

Ich weiß es doch einfach nicht…

Aber egal, verdammt noch mal, er hat mich so sehr verletzt.

Ich sitze zusammen gekauert in einer Ecker der schmalen Couch und starre in die Dunkelheit Dublins, gerade so, als würde ich dort alle Antworten auf meine Fragen finden.

Aber ich finde sie nicht, vor meinem inneren Auge sehe ich immer wieder nur die Gesichter der Toten, die wir geborgen haben und immer und immer wieder Decs Gesicht.

Zerschunden.

Blutend.

Ich kneife meine Augen zusammen und sehe wieder hinaus, die Lichter der Stadt funkeln in allen möglichen Farben.

Ich bin müde, mein Körper schmerzt bei jeder Bewegung und ich kann mich kaum wach halten.

Ich rolle Decs Jacke zusammen und lege meinen Kopf darauf, ich will nur einen kleinen Moment meine Augen schließen. Ich will mich nur ein paar Minuten ausruhen…

„Hey.“ Eine Hand legt sich auf meine Schulter und rüttelt vorsichtig daran.

Ich öffne langsam meine Augen und sehe in das Gesicht von Schwester Rachel.

Ich sitze sofort aufrecht, sie legt mir ihre Hand auf die Schulter.

„Er hat die OP überstanden, sie verlegen ihn auf die Intensivstation.“ Sagt sie und ich atme erleichtert aus.

„Danke Rachel.“ Ich nehme mir Decs Sachen und sehe sie dankbar an.

„Ich hoffe, er wird wieder.“ Sie nickt mir zu und ich fahre auf die Intensivstation.

„Kann ich zu Declan Casey?“ ich sehe die Schwester hinter dem Tresen bittend an.

„Sie sind?“ fragt sie leicht gereizt.

„Da bist du ja. Ich habe dich schon überall gesucht.“ Kelly taucht aus dem Nichts auf und nimmt mich in den Arm.

„Ich war in der Neuro.“ Sage ich leise und er streicht über meinen Rücken.

„Du kannst kurz zu ihm.“ Er nimmt mir Decs Sachen ab und reicht mir einen grünen Schutzkittel.

„Danke Kelly.“ Erwidere ich müde.

Er sieht nochmals zu der Schwester, die uns leicht verwirrt anschaut.

„Das ist Dr. Alex Casey, sie ist die Frau von Lt. Declan Casey.“ Erklärt er ihr „Wann immer sie her kommt, sie darf sofort zu ihrem Mann.“

„Aber sicher.“ Antwortet sie und Kelly deutet auf dem Plan auf das Zimmer 8, Declan Casey steht daneben und ich setze mich in Bewegung, es liegt am Ende des Korridors.

„Du siehst schlimm aus Alex.“ Kelly hält mich einen Moment zurück.

„Danke gleichfalls.“ Ich verziehe leicht das Gesicht.

Er lächelt müde, seine Hände sind ebenso wie meine zerschunden und versorgt worden, er hat eine Platzwunde neben seinem linken Augen, aber im Gegensatz zu mir hat er schon geduscht. Dafür hatte ich bisher einfach keine Zeit.

„Wenn du gleich bei deinem Mann warst, dann gehst du duschen und fährst nach Hause, du bist 5 Tage vom Dienst frei gestellt.“ Erklärt er mich ganz ruhig.

„Nein Kelly…“ ich schüttele meinen Kopf „… Was soll ich zu Hause? Es geht mir gut, ich brauche nur eine Dusche. Bitte Kelly.“ Flehe ich ihn an.

„Wir schauen mal.“ Gibt er zurück und wir gehen zum Zimmer 8. „Du weißt, es sieht immer schlimmer aus, wie es ist.“ Warnt er mich vor und ich sehe ihn an.

„Echt jetzt Kelly? Ich weiß es.“ Ein Anflug eines Lächelns huscht über mein Gesicht.

„Alex…“ Kelly hält mich an beiden Schultern fest „… Das ist was anderes, wenn du es deinen Patienten erklärst. Da drin liegt dein Mann, vertrau mir, es ist was völlig anderes.“

Ich schließe kurz meine Augen und atme tief durch.

Ich öffne die Zimmertür und trete ein.

Es erschreckt mich, es erschreck mich mehr wie ich erwartet habe ihn so zu sehen.

Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen und checke erst einmal alle seine Geräte.

„Geht es?“ Kelly sieht mich besorgt an.

Ich zucke mit den Schultern und sehe zu Dec, sein Kopf ist dick einbandagiert, er trägt eine Halskrause, hat überall Verbände und ist unnatürlich blass.

Kelly zieht mich in seine Arme und meine Tränen beginnen zu laufen, endlich bin ich soweit, dass ich weinen kann.

Er liegt hier und er lebt, mehr kann ich im Moment nicht erwarten…

„Ganz ruhig.“ Versucht mich Kelly zu beruhigen, nachdem ich ein paar Minuten an seiner Schulter geweint habe und ich sehe ihn entschuldigend an.

Er wischt mir meine Tränen beiseite.

„Ich lass dich jetzt mit ihm alleine. Wenn was ist, ich bin in der Notaufnahme.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Danke Kelly.“ Ich nehme mir den einzigen Stuhl im Raum und setze mich zu Dec ans Bett.

„Hi.“ Sage ich leise und nehme seine Hand vorsichtig in meine. „Bitte Dec mach jetzt keine Dummheiten…“ ich schlucke schwer „Ich brauche Dich…“ einzelne Tränen bahnen sich erneut ihren Weg „Ich liebe Dich, ich liebe dich so sehr, das es weh tut.“ Gestehe ich ihm schluchzend „Aber ich kann nicht vergessen, was du mir angetan hast. Wir sind Freunde und ich weiß das wirklich zu schätzen. Wir haben Beide verdient glücklich zu sein. Ich wünsche mir so sehr, das wir zusammen glücklich sein können, aber das habe wir schon einmal gründlich vermasselt.“ Ich streiche mit meinem Daumen über seinen Handrücken „Du wirst für mich immer mehr wie nur ein normaler Freund sein.“ Ich stehe auf und beuge mich über ihn „Ich liebe Dich Dec. Ich brauche und ich vermisse dich.“ Ich hauche ihm einen Kuss auf seine Lippen „Kämpfen.“ Flüstere ich ihm ins Ohr.

„Wir haben nicht erwartet dich hier anzutreffen…“ ertönt eine kühle Stimme von der Tür her und ich fahre herum.

Richard Casey mustert mich eisig und ich schlucke.

„Warum sollte ich nicht hier sein? Dec ist mein Mann.“ Gebe ich zurück.

„Das ist lächerlich…“ winkt Dorothea Casey ab. „Bis vor ein paar Minuten wussten wir nicht einmal, das du dich wieder auf dem gleichen Kontinent wie er aufhältst.“ Sie sieht mich mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Ich bin schon seit November letzten Jahres wieder hier.“ Ich nehme Decs Hand wieder in meine „Ich muss jetzt runter, ich komme nachher wieder.“ Verspreche ich ihm.

„Hast du es denn wenigstens geschafft etwas aus dir zu machen?“ Richard Casey mustert mich.

„Das geht sie nichts an.“ gebe ich abweisend zurück.

Man muss kein Blitzmerker sein, um zu erahnen, welch angespanntes Verhältnis ich schon immer zu meinen Schwiegereltern hatte. Es hat mich immer gestört, wie lieblos und kalt sie ihre Kinder behandeln und auch jetzt weiß ich, das sie nur hier sind, weil es von ihnen erwartet wird.

„Wahrscheinlich hast du es tatsächlich geschafft Krankenschwester zu werden.“ Der Blick den Dorothea mir zuwirft kann man mit Fug und Recht als mehr wie abwertend bezeichnen, aber ich will mich jetzt nicht aufregen und gehe an ihnen vorbei zur Tür.

Im Flur treffe ich auf Decs behandelnden Arzt, Dr. Joe Petersen, und werde auf den neusten Stand gebracht.

Er hat sich wirklich stabilisiert, sein Gehirndruck ist fast normal und jetzt können wir nur warten, dass er aufwacht.

Ich erfahre auch, das Dr. Houser selbst die OP durch geführt und lächle schwach.

„Danke Joe.“ Verabschiede ich mich erleichtert.

„Warum geben sie ihr Auskunft über den Zustand unseres Sohnes?“ Dorothea Casey deutet auf mich und kommt zusammen mit ihrem Mann in den Korridor.

„Weil sie seine Frau ist.“ Er sieht mich verwirrt an.

„Das berechtigt sie zu gar nichts.“ Sie macht eine abweisende Handgeste.

„Doch…“ Joe sieht zu mir „Im Grunde genommen bin ich nur ihr verpflichtet Auskunft zu erteilen.“

„Das ist die Höhe…“ empört sich Richard Casey.

„Nein Mr. Casey, das ist die Rechtsgrundlage.“ Berichtigt ihn Joe.

„Das kann nicht sein.“ Richard Casey bekommt eine ungesunde Gesichtsfarbe.

„Doch…“ gibt Joe unbeeindruckt zurück „Dr. Casey ist die Frau von ihrem Sohn und somit ist sie die einzige, der ich Auskunft erteile.“

„Aber…“ setzt Richard Casey an und ich verdrehe die Augen.

„Entschuldige mich Joe, aber ich werde in der Notaufnahme erwartet.“ Ich sehe ihn entschuldigend an und eile in Richtung Fahrstuhl.

„Ich soll dir von Kelly sagen, dass du heute gerne kommen kannst, dich aber auf Schreibkram einstellen sollst.“ Ruft mir Joe hinterher.

Ich hebe meine Hand, als Zeichen das ich ihn verstanden habe und betrete den Fahrstuhl.

Mein Blick trifft mein Spiegelbild und ich drucke erst einmal auf die 7. Ich muss duschen, ich sehe furchtbar aus, so kann ich keinem Patienten unter die Augen treten, die denken sonst doch alle, ich brauche selber einen Arzt.

Nachdem ich fast 30 Minuten geduscht habe, frische Sachen anhabe und meine Haare mal wieder eine Bürste gesehen haben, fühle ich mich um Längen besser. Ich gehe an meinen Spint und nehme ein paar Schmerztabletten, ich habe Kopfschmerzen und will diese so schnell wie möglich los werden.

Als ich in der Notaufnahme ankomme laufe ich zuerst Dr. Houser in die Arme.

„Da sind sie ja Dr. Casey.“ Begrüßt er mich.

„Was kann ich für sie tun Dr. Houser?“ frage ich überrascht.

„Ich wollte mich persönlich bei ihnen bedanken. Ich weiß, was für einen guten Job sie gestern da draußen gemacht haben.“ Er reicht mir seine Hand „Danke Dr. Casey.“

„Hmm.“ Ich nicke ganz leicht.

„Ich werde jetzt nach ihrem Mann schauen, man wird sie anpiepen, sobald sich sein Zustand ändert.“ Er legt mir eine Hand auf meine Schulter.

„Was denken sie, wann wacht er auf?“ ich hebe meinen Blick und er sieht mich verständnisvoll an.

„Ich kann es ihnen nicht sagen, die nächsten drei Tage bleibt er im künstlichen Koma und wir versuchen seinen Hirndruck zu stabilisieren. Am Donnerstag reduzieren wir die Dosis und dann heißt es abwarten.“ Erklärt er mir.

„Ich danke ihnen Dr. Houser.“ Bedanke nun ich mich.

„Gern geschehen. Dr. Green wartet schon mit allerhand Papierkram auf sie, seien sie mir nicht böse, aber sie und Dr. Green sehen nicht so aus, als wolle ich sie heute auf unsere Patienten los lassen. Wir haben zwei Ärzte aus dem St. Patrick für ein paar Tage bekommen. Erholen sie sich etwas.“ Er nickt mir streng zu und steigt dann in den Fahrstuhl.

Ich gehe ins Arztzimmer und Kelly schiebt mir einen großen Stapel Akten rüber.

„Danke.“ Sage ich leise und setze mich zu ihm.

Drei Stunden später fahre ich wieder auf die Intensivstation und treffe davor auf Ethan und Jeff.

„Oh Alex!“ Ethan nimmt mich in den Arm.

„Was machst du denn hier?“ frage ich überrascht.

„Ich war mit Jeff bei Olivers, Cavanagh und Williams, sie wurden alle hierher verlegt. Zu Michaels und Casey dürfen wir nicht.“ Er verzeiht leicht das Gesicht.

„Dec geht es den Umständen entsprechend ganz gut. Er liegt im künstlichen Koma.“ Ich kuschele mich an seine Brust.

„Wie geht es dir?“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich ihn anzusehen.

„Es ist Okay…“ sage ich leise „Die letzten 24 Stunden waren die Hölle auf Erden, aber ich bin froh, das dir nichts passiert ist und das Dec lebt. Ich danke Gott dafür.“ Gestehe ich.

Ich sehe zu Jeff und jetzt zieht er mich in seine Arme „Du und deine Kollegen, ihr wart großartig.“ Sagt er mit erstickter Stimme.

„Wie geht es euch?“ ich sehe von Jeff zu Ethan und zurück.

„Wir waren gestern Abend und heute Morgen bei den Familien. Es war hart.“ Gibt Ethan zu.

„Es tut mir so leid.“ Ich nehme Ethans Hand in meine. „Wenn ich euch irgendwie helfen kann, dann sagt Bescheid.“

„Nein, nein Sis…“ Ethan küsst meine Hand „Du bist hier und kümmerst dich um Casey, das ist genug.“

„Ich gehe nach ihm schauen.“ Ich nehme Beide erneut in den Arm.

„Kommst du heute Abend zu uns? Hailey ist krank vor Sorge um dich.“ Bittet mich Ethan.

„Sicher doch.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange „Ich bin gegen 19 Uhr da.“

„Danke Sis.“ Er winkt mir zu und dann steigt er zu Jeff in den Fahrstuhl.

Ich nehme mir einen grünen Schutzkittel und gehe zu Zimmer 8.

Leise trete ich ein und muss erneut kurz meine Augen schließen. An dem Bild hat sich nichts geändert, ich überprüfe die Geräte, setze mich neben Decs Bett und nehme seine Hand in meine.

„Du musst kämpfen.“ Beschwöre ich ihn. „Du hast mir doch erst vor einem Monat erzählt, das du unbedingt einmal in deinem Leben auf die Freiheitsstatue möchtest und ich weiß doch, wie sehr es dich nervt, wenn du deine Ziele nicht erreichst.“ Ich küsse seine Hand „Kämpfe für uns… Ich liebe dich.“ Ich lege meinen Kopf auf seine Hand und sehe aus dem Fenster in den strahlend blauen Himmel.

Ja, ich liebe ihn, aber es wäre dumm zu versuchen, da anzuknöpfen wo wir vor über 8 Jahren aufgehört haben. So vieles ist noch unausgesprochen und eine Frage hat er mir auch nach all der Zeit nicht zufriedenstellend beantworten können…

Warum?

Nach einer halben Stunde fahre ich wieder in die Notaufnahme und es ist befremdlich zwei andere Ärzte zu sehen, die meinen und Kellys Job machen.

Bevor ich am Abend zu Kathie und den Kids fahre schaue ich noch mal kurz bei Dec rein und verspreche am nächsten Tag wieder zu kommen.

Als ich auf den Hof vor Ethan und Kathies Haus fahre kommt Hailey gleich raus gelaufen und nimmt mich in den Arm, als ich gerade ausgestiegen bin.

„Oh Alex.“ Schluchzt sie.

„Hey Süße, ich bin hier, es geht mir gut.“ Ich gehe vor ihr in die Hocke.

„Ich hatte solche Angst um Dad und um dich.“ Gesteht sie mir.

„Ich weiß meine Süße, ich weiß.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf ihre blonden Locken. „Jetzt bin ich da. Was meinst du, kann ich heute bei dir schlafen?“ ich sehe sie fragend an.

„Ja.“ Sie sieht mich mit großen Augen an.

„Dann komm.“ Ich stehe auf und wir gehen zusammen ins Haus, wo ich von Kathie auch fast erdrückt werde.

„Gott Alex, du siehst schlimm aus.“ Sie betrachtet meine Schnitt- und Schürfwunden. „Halb so schlimm. Ist Ethan auch da?“ ich sehe mich suchend um.

„Nein, er ist auf der Wache, Jeff hat einen Seelsorger bestellt und es wird wohl länger dauern.“ Erklärt sie mir und wir gehen in die Küche.

Sie hat Sandwiches für mich gemacht und ich merke, wie hungrig ich bin.

Nach dem Essen bringen wir die Kinder ins Bett und ich verspreche Hailey, das ich später zu ihr ins Bett komme.

Kathie hat uns Wein eingeschenkt und wir setzen uns auf die Couch. Netterweise hat sie mir eine Jogginghose und ein T-Shirt von sich geliehen und ich kuschele mich in eine Ecke der großen Couch.

„Wie geht es dir?“ fragt sie zaghaft.

Ich weiß, sie will auf das Thema Dec hinaus… In den letzten Monaten bin ich ihr immer ausgewichen.

Aber ich muss es endlich jemanden erzählen, die Chaos in meinem Kopf treibt mich sonst zur Verzweiflung.

„Ich dachte wirklich, er stirbt mir unter den Händen weg.“ Ich drehe das Glas in meinen Händen und die untergehende Sonne spiegelt sich in dem tiefroten Wein.

„Ich weiß, du willst mit mir nicht darüber reden…“ setzt sie an.

„Oh doch Kathie, ich will mit dir darüber reden, aber ich weiß selber nicht, was ich denken und was ich fühlen soll.“ Ich schließe gequält meine Augen. „Ich liebe ihn Kathie, ich liebe ihn so sehr, das der Gedanke ihn zu verlieren mich fast wahnsinnig gemacht hat.“ Gebe ich zu und sie nimmt meine Hand.

„Was willst du denn jetzt machen?“ sie sieht mich prüfend an.

„Ich weiß es nicht…“ ich zucke mit den Schultern „Ich weiß nur, das wir nicht einfach da weiter machen können, wo wir irgendwann Mal aufgehört haben. Er war mit mir verheiratet und hat mit einer anderen Frau geschlafen. Ich kann ihm nicht vertrauen.“

„Alex…“ sie legt ihre Hand unter mein Kinn „Als ich deine Mum mal gefragt habe, was bei dir und Declan falsch gelaufen ist, da hat sie gesagt. Nichts.“ Sie lächelt leicht „Sie hat gesagt, eines Tages werden sie sich bewusst, was sie aneinander haben und sie werden wieder lernen zu lieben, zu vertrauen und auch zu verzeihen.“

„Klingt nach Mum.“ Gebe ich zu. „Aber soweit bin ich nicht. Wir sind Freunde und allein das finde ich eine passable Leistung.“

„Ja, das ist toll.“ Stimmt sie mir zu.

„Aber? Das klingt nach einem aber.“ Ich lege meinen Kopf schief.

„Aber wenn du wieder anfangen kannst ihm zu vertrauen, dann sag es ihm. Sprecht endlich über euch und nicht nur über Allerweltssachen außer dieser einen wirklich wichtigen Sache.“ Bittet sie mich und ich nicke.

Eine knappe Stunde später krabbele ich zu Hailey ins Bett und drücke sie an mich.

Lernen zu vertrauen… das klingt leichter gesagt wie getan.

Am nächsten Morgen herrscht Trubel im Haus, Hailey muss in die Schule und Taylor und Olivia müssen in den Kindergarten.

Ich ziehe mir nach dem Duschen wieder die Jogginghose und das Shirt von Kathie an und komme in die Küche.

„Mum, mein Lunchpaket.“ Quengelt Hailey.

„Mummy, ich bekomme meine Schuhe nicht zu.“ Tay sieht sie verzweifelt an.

„Okay…“ ich lenke die Aufmerksamkeit auf mich. „Kathie, du machst die Lunchpakete und ihr kommt mir und ich helfe euch beim anziehen.“ Ich halte Taylor meine Hand hin und er ergreift sie.

Auf dem Weg in den Flur schnappe ich mir Liv und stecke sie in ein Kleidchen, welches auf der Couch liegt. Dann helfe ich den Beiden ihre Schuhe anzuziehen und suche mit Hailey was zum anziehen für ihren Schultag raus.

20 Minuten später sitzt Kathie mit allen Dreien im Auto.

„ich danke dir.“ Sie winkt mir zu.

„Dafür nicht.“ Erwidere ich und fahre erst einmal kurz zu mir und hole mir frische Sache.

Bevor ich in die Notaufnahme gehe, schaue ich bei Dec vorbei und stelle ihm frische Blumen ins Zimmer. Ich weiß, normalerweise mag er keine Blumen, aber dennoch, eine Blumenart mochte er immer besonders, weiße Calla Lilien. Er findet sie sehen so majestätisch aus und ja, ich gebe ihm Recht, sie sind wunderschön.

Es erwartet mich eine weitere Schicht Papierkram und auch die nächsten drei Tage werden Kelly und ich damit zu geschüttet.

Wer macht das eigentlich sonst?

So wie mich Lisa die ganze Zeit anstrahlt wohl die Schwestern…

Ich hoffe jeden Tag darauf, dass Dec endlich aufwacht, die Medikamente sind seit zwei Tagen auf ein Minimum reduziert, er ist die Halskrause los und eigentlich muss er nur endlich aufwachen.

Doch er tut es nicht.

Meine Schürf- und Schnittwunden heilen ganz langsam und ich sehe nicht mehr aus wie Frankensteins Monster, nur noch ziemlich lädiert…

Ich habe mir gerade einen neuen Kaffee aus dem Schwesternzimmer geholt und treffe vor dem Arztzimmer auf Dr. Houser.

„Da sind sie ja.“ Begrüßt er mich.

„Guten Tag Dr. Houser.“ Ich nicke im zu.

„Ich wollte ihnen sagen, dass ihr Mann aufgewacht ist.“ Er lächelt und ich erwidere es erleichtert. „Ich war gerade bei ihm, es scheint, als habe er keine Einschränkungen davon getragen, aber er muss es langsam angehen lassen.“

„Das wird schwer.“ Gebe ich zu.

Mein Herz macht vor Freude einen gewaltigen Satz und ich atme erleichtert aus.

„Genau deshalb sage ich es ja ihnen.“ Er zwinkert mir zu.

„Vielen, vielen Dank.“ Ich reiche ihm anerkennend meine Hand. „Dafür nicht…“ er ergreift meine Hand „Wenn ich sie wäre, dann würde ich jetzt zu ihrem Mann gehen, es sei denn sie sind scharf darauf, Dr. Green beim Ausfüllen der Antragsformulare der nächsten zwei Monate zu helfen.“

„Nicht wirklich.“ Gebe ich zu.

„Dann gehen sie mal. Ich sage Dr. Green, sie haben frei.“ Er zwinkert mir und ich gehe wieder zum Fahrstuhl.

Ich eile durch die Korridore und komme wieder auf die Intensivstation, man kennt mich hier bereits und eine junge Schwester reckt ihren Daumen in die Höhe, als ich mir einen Schutzkittel schnappe und den Gang entlang stürme.

Leise trete ich ein und gehe langsam zum Bett. Mein Herz rast in meiner Brust, ich bin so dankbar, auch wenn ich weiß, das Dec es furchtbar finden wird, sich mindestens 5 Wochen lang mit einem Gipsbein herum zu schlagen.

„Hi.“ Sage ich leise und er sieht zu mir.

„Gott Alex, du siehst schlimm aus.“ Flüstert er und ich lächle leicht.

„Heute noch nicht in den Spiegel geschaut, oder?“ gebe ich zurück.

Ich setze mich an sein Bett und überprüfe die Monitore neben ihm.

Eine Weile ist es still und ich sehe zu Boden.

„Was ist los?“ fragt er leise, seine Stimme ist immer noch kratzig, weil er eine Zeit lang künstlich beatmet worden war.

„Ich hatte wirklich Angst um dich.“ Gestehe ich ihm.

„Es tut mir so leid.“ Er hebt seine Hand und ich umfasse sie mit meinen beiden Händen.

„Ich dachte wirklich, du stirbst.“ Gebe ich zu und Tränen treten in meine Augen.

„Du magst mich also doch ein bisschen.“ Flachst er.

„Bitte Dec, das ist mein voller Ernst…“ ich wische mir über die Augen „… Ich dachte, ich habe dich verloren.“

„Ich weiß mein Engel…“ er drückt leicht meine Hand „Ich will dich nur nicht weinen sehen.“

„Ich kann nicht anders, die letzten Tagen waren wirklich schlimm.“ Ich lege meinen Kopf auf unsere ineinander verschlungenen Hände.

„Ich bin hier.“ Er streicht mit seiner anderen Hand leicht über meinen Kopf „Ich gehe nirgendwo hin.“

Leise Schluchzer entweichen mir und ich versuche wirklich mich zusammen zu reißen, aber ich kann es einfach nicht.

Nicht mehr…

„Mein Engel…“ er stupst mich leicht an und ich hebe meinen Kopf.

„Nenn mich bitte nicht so, es kommen zu viele Gefühle hoch.“ Bitte ich ihn schwach.

„Alex, ich möchte nicht, dass du weinst. Wir bekommen das hin, ehe du dich versiehst, bin ich wieder zu Hause.“ Er versucht zu zwinkern, scheitert jedoch kläglich.

Ich stehe auf und setze mich an seine Bettkante.

„Was ich dir jetzt sage…“ setze ich an und breche ab.

„Was ist los?“ fragt er leise.

„Ich möchte nicht, dass du es falsch verstehst. Das was damals passiert ist, steht immer noch zwischen uns.“ Erkläre ich ihm und er schließt kurz seine Augen. „Dec, ich liebe Dich. Ich liebe dich so sehr, die Gefühle von damals waren nie ganz weg, aber wir müssen Beide versuchen glücklich zu werden und unsere eigenen Wege zu gehen.“ Ich sehe ihn an.

„Komm her.“ Er deutet mir an näher zu kommen und ich beuge mich über ihn. „Freunde.“ Sagt er sicher und ich sehe ihn dankbar an.

Ich will ihm einen Kuss auf die Wange geben und lege meine Hand an seine Wange, aber anstatt seine Wange zu küssen legen sich meine Lippen auf seine. Sie sind warm, weich und es ist, als ob ich in der Zeit zurück katapultiert werde.

Er zieht mich zu sich und ich lasse ihn gewähren, ich schmiege meine Hand an seine Wange und genieße diesen Kuss…

Seine Zunge verlangt zaghaft Einlass und ich lasse ihn gewähren, ich komme ihm entgegen und denke meine Sinne schwinden. Dieses Gefühl ist atemberaubend… Vertraut und doch völlig neu.

Wir lassen voneinander ab und ich sehe ihm in seine wunderschönen Augen.

„Freunde.“ Flüstere ich.

„Ja, Freunde.“ Wiederholt er.

„Kannst du dich eigentlich an alles erinnern?“ frage ich ein paar Sekunden später und lege meinen Kopf auf seine Brust.

„Verschwommen und bruchstückhaft.“ Gibt er zu. „Gab es viele Tote?“

„4 haben es von euch nicht geschafft. Johnson, Miller, O’Conell und Garda.“ Sage ich leise und er atmet gequält ein „Michaels liegt noch im Koma und Olivers, Cavanagh und Williams haben es überstanden.“

Ich sehe zu ihm auf, einzelne Tränen laufen ihm übers Gesicht.

„Es tut mir leid Dec.“ Ich streiche sie sanft fort „Es tut mir leid um deine und Ethans Männer, aber ich bin dankbar und froh, dass ihr es Beide überstanden habt.“ Sage ich ihm ganz ehrlich.

Es ist furchtbar was passiert ist, aber wirklich… ich danke Gott, das Ethan so gut wie unverletzt ist und Dec das gröbste überstanden hat.

Ich bin sonst nicht egoistisch, aber in diesem Fall nehme ich es mir einfach mal raus.

„Es ist schön dich zu sehen.“ Er hält meine Hand fest in seiner.

„Ich bin froh, dass du mich wieder sehen kannst.“ Ich lächle leicht „Ich war glaube ich jeden Tag hier.“ Ich sehe verlegen zu Boden.

„Du warst jeden Tag hier…“ er lacht leise „Die Schwestern haben es mir erzählt.“

„Na danke.“ Ich verdrehe die Augen und er lacht erneut.

Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile, ich erzähle ihm von der geplanten Trauerfeier am nächsten Samstag zur Ehrung der toten Feuerwehrmänner und ich verspreche ihm, das ich alles dafür tun werden, das er dorthin kann.

„Morgen kannst du auf Normalstation…“ ich komme gerade von einem Gespräch mit Joe und er lächelt mich dankbar an.

„Dann können dich endlich alle besuchen.“ Ich setze mich wieder auf den Stuhl.

„Du reichst mir vollkommen.“ Erklärt er mir ernst und ich lache leise.

„Du wirst es genießen, wenn sie dir alle Schokolade, Obst dun Blumen vorbei bringen.“ Verspreche ich ihm. „Ich muss nach Hause, ich habe die letzten Nächte wenig bis gar nicht geschlafen.“ Ich gähne zur Untermalung des Gesagten.

„Dann fahr nach Hause und schlaf. Du bist fix und fertig.“ Bittet er mich.

„Ja, ich fühle mich wie erschlagen.“ Stimme ich ihm zu. „Ich komme morgen wieder.“ Verspreche ich ihm und küsse seine Stirn.

„Ich weiß, du arbeitest hier.“ Er verzieht seinen Mund zu einem grinsen.

„Ich sollte Houser fragen, ob er sich sicher ist, das du keine Schäden davon getragen hast.“ Ich lege meinen Kopf schief und schicke ihm einen Handkuss. „Bis morgen.“ Damit trete ich in den Flur.

Mein Herz lässt sich kaum beruhigen und ich lächle vor mich hin.

Was war das vorhin?

Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber es fühlte sich wunderbar an…

Tatsächlich schlafe ich mich mal richtig aus und obwohl ich am nächsten Tag eigentlich noch frei haben sollte, stehe ich pünktlich zu Schichtbeginn in der Notaufnahme.

„Bitte Kelly, lass mich arbeiten.“ Flehe ich ihn an und er lacht auf.

„Nur weil du es bist und uns unsere Kollegen vom St. Patrick verlassen haben. Bereit, mal wieder Patienten zu untersuchen?“ er sieht mich fragend an und ich nicke eifrig.

Es macht Spaß wieder zu arbeiten und in meiner Mittagspause fahre ich auf Normalstation und klopfe an die Zimmertür, Dec wurde verlegt und ich möchte ihn kurz sehen.

„Hallo?“ ich trete ein und bleibe im Türrahmen stehen, eine blonde Schönheit steht an seinem Bett und hält betroffen seine Hand.

„Sind sie eine Schwester?“ sie sieht mich fragend an.

Ich bin viel zu geschockt, um etwas zu erwidern.

„Können sie die Blumen in eine Vase stellen?“ sie deutet auf ein Buket, welches auf dem Tisch liegt.

„Julia, das ist Alex, meine Frau.“ Sagt Dec und sie steht auf.

„Entschuldigung.“ Sie lächelt falsch und ich mache einen Schritt zurück. „Ich bin Julia, Decs Freundin.“ Stellt sie sich mir vor.

„Na dann.“ Ich mache auf dem Absatz kehrt.

„Bleib hier Alex.“ Ruft Dec nach mir, doch ich ignoriere ihn.

Was habe ich mir nur gedacht?

Mal ehrlich?

Und er hat nicht einmal den Mut gehabt mir das zu sagen?

Ich meine…. Grrr.

Wütend komme ich zurück in die Notaufnahme und schnappe mir die Akte, die Kelly gerade in der Hand hat und gehe zu dem Patienten.

Nachdem ich fertig bin zieht mich Kelly an meinem Arm ins Arztzimmer.

Dort sieht uns Dean verwirrt an.

„Raus McBright.“ Schnauzt Kelly ihn an und er flüchtet sofort.

„Was sollte denn das?“ jetzt funkelt er mich wütend an.

Oh Freundchen…

Falscher Zeitpunkt!

Falsches Spiel!

„Was denn?“ gebe ich ebenso böse zurück.

„DU kommst angerauscht, nimmst dir einfach eine Patientenakte und behandelst ihn, ohne mit mir zu sprechen.“ Er fährt sich durch die Haare „Langsam dachte ich, ich kenne dich, aber nein, Dr. Casey überrascht mich immer wieder…“ er schüttelt den Kopf „Negativ.“

„Das ist mir Scheißegal.“ Ich setze mich auf einen Stuhl und stütze meinen Kopf auf meine Hände.

„Wie kann es dir scheißegal sein? Deine Karriere hängt an mir und so wie du sich benimmst, werde ich mit Sicherheit keine Empfehlung ausstellen können.“ Er schreit immer noch.

„Mach was du für richtig hältst.“ Gebe ich kraftlos zurück.

„Verdammt Alex!“ er fegt die Unterlagen vom Tisch, stemmt die Hände in die Hüften und atmet langsam ein und aus.

„Was ist eigentlich los?“ fragt er eine Spur versöhnlicher.

„Ich habe gerade Decs Freundin kennen gelernt.“ Ich schließe meine Augen.

Ich meine, was spiele ich mich so auf?

Ich habe keinerlei Ansprüche auf ihn, selbst wenn er mit halb Dublin schläft, dann sollte es mir egal sein.

Ist es aber nicht!

Ist es ganz und gar nicht!

„Alex…“ Kelly setzt sich neben mich und legt seinen Arm um mich „Ganz ehrlich, ich sehe bei euch Beiden nicht durch. Aber ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen, das ihm das mit dieser “Freundin“ ernst ist.“

„Woher willst du das wissen?“ ich sehe auf und er grinst schelmisch. „Ich kenne dich und ich bin ein Mann.“ Sagt er, als würde das erklären.

„Alex?“ Lisa steckt ihren Kopf ganz vorsichtig ins Arztzimmer „Dein Bruder ist hier und will mit dir sprechen.“

„Danke Lisa.“ Ich nicke ihr zu und sie zieht sich zurück.

„geh schon.“ Kelly lächelt leicht, ich stehe auf und nehme ihn in den Arm. „Danke Kelly.“ Sage ich leise und gehe dann in den Flur.

„Was ist denn bei dir los?“ empfängt mich Ethan.

„Nichts.“ Winke ich ab.

„Das hörte sich anders an.“ er deutet auf die geschlossene Tür des Arztzimmers.

„Nichts jetzt, Okay? Was kann ich für dich tun?“ ich verschränke die Arme vor meiner Brust, ein eindeutiges Zeichen, das weitere Fragen unerwünscht sind.

„Okay…“ Er sieht mich zweifelnd an „Ich wollte dich bitten, ob du Casey am Samstag zur Trauerfeier und anschließend nach Hause bringen kannst. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll.“ Bittet er mich und ich stöhne leicht. „Ist das ein Problem?“ fragt er sogleich nach.

Ihr seid nur Freunde! Schreit meine innere Stimme und ich ringe mich zu einem falschen lächeln durch.

„Nein, nein… Aber sollte ich dann nicht wieder hierher bringen?“ ich sehe ihn fragend an.

„Hat er es dir noch nicht erzählt? Er wird Samstag entlassen.“ Erklärt er mir.

„Auf einen Samstag?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Na ja, eigentlich am Freitag, aber ich habe mit seinem Arzt gesprochen und er ist dafür, das er Samstag entlassen wird.“ Erklärt er mir und ich nicke. „Also, kannst du ihn Samstag um 10 Uhr abholen?“

Frag doch Julia…

Das liegt mir auf der Zunge, aber ich schlucke es runter.

„Ja sicher.“ Gebe ich zurück.

„Danke Sis.“ Ethan drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Dafür nicht…“ ich halte ihn an seinem Arm fest „Wie geht es dir?“ frage ich vorsichtig und erwarte fast, das er seine Arme verschränkt, so wie ich es vor ein paar Minuten getan habe, aber nichts dergleichen passiert.

„Soweit ganz gut, ab Montag haben wir wieder Schicht. Wir haben vier neue Männer bekommen und es wird wohl dauern, bis sich alles einspielt. Es fehlen ja auch noch vier weitere, aber für die haben wie Ersatz von anderen Wachen bekommen.“ Er atmet tief durch „Es tut weh, aber ich habe Hilfe.“

„Ich bin so stolz auf dich.“ Ich lächle leicht.

„Danke Sis.“ Er winkt mir zu und geht durch den Nebeneingang raus.

Ich gehe zurück zu Kelly und entschuldige mich für mein störrisches Verhalten.

Die nächsten drei Tage gehe ich nicht zu Dec, es reicht, wenn ich ihn am Samstag sehen muss…

Tatsächlich habe ich das Wochenende frei und schlafe am Samstag bis 9 Uhr. Ich ziehe mir ein schwarzen Wickelkleid an und schlüpfe in meine schwarzen Pumps.

Es ist jetzt 10 Tage her, kaum zu glauben, dass sie Dec wirklich entlassen…

Mein Gesicht sieht wieder fast normal aus, auf meinen Armen und meinen Knien werden wohl Narben zurück bleiben, aber zum Glück sieht man die kaum.

Ich lasse meine Haare auf und sie fallen mir leicht wellig über die Schultern. Ich stecke sie mit zwei Haarklemmen leicht nach hinten und atme tief durch, ehe ich um 10 Uhr das Haus verlasse.

Ich klopfe zaghaft an die Tür von Decs Zimmer und trete vorsichtig ein, nicht das ich ihn wieder mit Julia erwische, darauf habe ich so gar keine Lust…

„Alex…“ seine Augen beginnen zu strahlen als ich eintrete, aber der Rest seines Gesichtes wirkt ernst und erschöpft.

Er hat seine Paradeuniform an und ich schlucke schwer, das letzte Mal habe ich ihn auf unserer Hochzeit darin gesehen.

Er sieht wahnsinnig gut darin aus, auch wenn der Anlass ein sehr trauriger ist.

„Bist du fertig?“ frage ich, ohne auf ihn einzugehen.

„Ja.“ Er deutet auf seine Tasche und ich nehme sie, während er mit seinen Krücken aufsteht.

Schweigend gehe ich zum Fahrstuhl, während er sich von den Schwestern verabschiedet.

Auch im Auto, auf dem weg zur Trauerfeier schweigen wir.

Ich, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll und Dec, weil er Angst hat… Angst vor dem, was auf ihn zukommt.

Ich parke vor der großen Kirche und helfe ihm beim Aussteigen. Wir betreten die Kirche und seine Kollegen kommen um ihn zu begrüßen.

Ich will mich nach hinten setzen, aber ergreift meine Hand.

„Bitte bleib bei mir.“ Bittet er mich.

Ich sehe ihn an, sehe in seine Augen und weiß, ich kann ihn nicht alleine lassen.

Ich nicke und wir setzen uns in die Reihen der Feuerwehrleute von Dolphin’s Barn. Ich sehe zu Kathie und sie nickt mir kurz zu.

Die Trauerfeier ist ergreifend und ich kann meine Tränen nicht zurück halten, ich sehe wieder die Bilder und die Angst um Ethan und Dec kommt hoch.

Dec greift nach meiner Hand und umschließt sie fest.

„Ich bin da.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich sehe ihn an.

„Ja, das bist du.“ Hauche ich.

Ein Wunder…

Nach der Trauerfeier sprechen Jeff, Ethan und er mit den Familien und ich gehe zu Kathie.

„Ethan hat wirklich verdammtes Glück gehabt, oder?“ sie sieht mich prüfend an und ich nicke.

„Ich kann mir nicht vorstellen, das ihm irgendetwas passiert…“ sie schenkt ihm einen liebevollen Blick „… Ich weiß, worauf ich mich mit ihm eingelassen habe, aber manchmal vergesse ich es einfach.“ Gesteht sie mir.

„Er kommt immer zu euch zurück.“ Ich nehme sie in den Arm.

„Wie steht’s bei dir und Dec?“ sie deutet mit einem Nicken auf Dec.

„Keine Ahnung, ich habe seine Freundin Julia kennen gelernt.“ Erkläre ich ihr und sie sieht mich erstaunt an.

„Na ja, Freundin ist wohl zu viel gesagt, soweit ich das mitbekommen habe, ist sie bestenfalls eine Affäre, alles andere wäre sie wohl gern.“ Kathie schüttelt leicht mit dem Kopf.

„Es ist ja auch egal, Dec und ich sind Freunde. Er kann schlafen mit wem er will.“ Ich versuche zu grinsen.

„Oh Alex, das ist gruselig…“ sie lacht leicht „Wenn das ein lächeln gewesen sein soll, dann übe das noch mal und lügen kannst du immer noch nicht.“

„Immer wieder schön, wenn Menschen so erfrischend ehrlich sind.“ Ich verdrehe meine Augen.

„Kannst du mich rum fahren?“ Dec steht plötzlich hinter mir und ich drehe mich erschrocken um.

„Geht es dir nicht gut?“ sofort kommt wieder die Ärztin durch.

„Ich habe Kopfschmerzen.“ Gibt er zu und ich wühle in meiner Handtasche nach seinen Medikamenten. Ich reiche ihm seine Schmerztabletten und meine Wasserflasche.

„Danke.“ Er atmet erleichtert durch, als er die Tablette genommen hat.

„Ich fahre dich trotzdem gleich rum. Geh schon mal zum Auto, ich verabschiede mich eben noch.“ Ich nicke ihm zu und drücke ihm meinen Autoschlüssel in die Hand.

Ich bahne mir einen Weg zu Ethan.

„Ethan? Ich bringe Dec nach Hause, er fühlt sich nicht gut.“ Erkläre ich ihm.

„Danke Sis.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Haare.

„Wenn was ist, dann ruf mich an.“ bitte ich ihn.

„Mach ich, pass auf Casey auf.“ Er sieht Dec hinterher, der aus der Kirche humpelt.

„Ich gebe mir Mühe.“ Verspreche ich ihm.

„Bye Kathie.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und gehe hinter Dec hinterher.

Er sitzt schon im Auto, als ich ankomme und ich setze mich auf den Fahrersitz.

„Alles Okay?“ frage ich leise, aber sieht nur aus dem Fenster und ich weiß, es ist nicht alles in Ordnung.

Ich fahre zu seinem Haus, helfe ihm beim aussteigen und bringe ihn ins Haus.

Erstaunt sehe ich mich um, es ist so wie ich es erwartet habe… Kühle Eleganz egal wohin man schaut. Eine weiße Ledercouch, dazu ein Glastisch und auch ansonsten alles mit Hochglanzlackfronten… so gar nicht meins.

Er setzt sich auf die Couch und ich stehe ein wenig unschlüssig im Eingangsbereich.

Ich bin im Begriff zu gehen, da sehe ich wie seine Schultern zucken.

Ich gehe zu ihm und setze mich neben ihn auf die Couch.

„Dec.“ Sage ich leise.

Er sieht auf, all die Verzweiflung, die Trauer und die Schmerzen spiegeln sich darin und ich erschrecke mich.

Ich hatte nicht erwartet, dass er es einfach so weg steckt, aber ich hatte noch weniger erwartet, dass er vor meinen Augen die komplette Fassung verliert.

„Ich bin Schuld.“ Seine Stimme ist nicht mehr wie ein Hauch, aber ich höre die Verzweiflung, die in diesen Worten mitschwingt.

„Nein Dec…“ ich nehme ihn in den Arm „Bitte denke das nicht.“

„Ich habe gesagt, wir müssen noch einmal rein.“ Schluchzt er. „Drei meiner Männer sind tot, zwei verletzt im Krankenhaus und Ethans Zug hat einen Mann verloren und noch zwei im Krankenhaus.“ Er sieht mich an und will sich los machen.

„Nein Dec, wenn du Schuld bist, dann bin ich genauso Schuld.“ Ich zwinge ihn mich anzusehen. „Ich war nur darauf bedacht dich zu finden.“

„Aber du hast so vielen geholfen.“ Seine Augen weiten sich ungläubig.

„Ich habe die ganze Zeit daran gedacht, dass ich dich finden muss. Ethan ging es gut, aber du warst weg.“ Ich schließe meine Augen. „Wenn du dir Schuld geben willst, dann gib mir auch die Schuld.“ Sage ich sicher.

„Nein mein Engel…“ er legt seine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf an. „Niemals.“ Flüstert er und seine Lippen legen sich auf meine.

Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn dichter zu mir, wir versinken in einem schier endlosem Kuss.

Als wir uns voneinander lösen, sehe ich ihn an. Wir sagen nichts, aber wir brauchen jetzt keine Worte.

Ich weiß, so viel ist unausgesprochen, aber das ist jetzt nicht die richtige Zeit… nicht jetzt.

Ich beginne die Knöpfe seines Jacketts aufzuknöpfen und ziehe ihm die Jacke schlussendlich aus, dann löse ich seine Krawatte und knöpfe langsam sein weißes Hemd auf, meine Hand gleitet über seine nackte Brust, ich beuge mich vor und küsse sie sanft.

Er seufzt, es scheint aus den Tiefen seiner Seele zu kommen und ich erschaudere leicht. Plötzlich nimmt er unvermittelt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich stürmisch. Ich streife ihm auch das Hemd ab und nestele an seinem Reißverschluss herum, endlich bekomme ich den und seinen Gürtel auf und schiebe seine Hose ein Stück runter. Er hilft mir sie über sein Gipsbein zu ziehen und ich sehe ihn atemlos an. Er sieht gut aus, so verdammt gut.

Ich streiche über die Narben auf seiner Brust, einige kenne ich noch, aber es so viele neu hinzu gekommen…

Er öffnet mit zittrigen Fingern meine Schleife an meinem Kleid und schiebt es nach hinten.

Ich trage dunkelblaue Spitzenunterwäsche und bemerke seinen anerkennenden Blick, er zieht mich in seine Arme und öffnet geschickt meinen BH.

Seine kühlen Hände legen sich sanft auf meine Brüste und er knetet sie sanft.

Ich schließe meine Augen und lasse meinen Kopf leicht nach hinten fallen, das ist wie ein eintauchen in eine andere Welt, eine Welt von der ich geglaubt habe, sie für immer verlassen zu haben. Langsam streift er mir meinen Slip ab und ich stöhne wohlig auf, das hier hat mir so gefehlt.

Sicher, ich habe in Seattle nicht wie eine Nonne gelebt, aber nur er bringt mein Herz so heftig zum schlagen, das ich denke, es müsse aus meiner Brust springen.

Er hebt mich mühelos an und setzt mich behutsam auf seinen Schoß, ich schließe meine Augen, nehme ihn in mich auf und denke, ich müsse keine Luft mehr bekommen.

Das hier ist mit nichts vergleichbar…

Niemand ist mit ihm vergleichbar.

Ich bewege mich langsam, genieße den köstlichen Schmerz der Dehnung und gebe mich ihm völlig hin.

Ich sehe ihn an und streiche ihm die Haare aus der Stirn, ich versinke in seinen Augen und wünsche mir, diesen Augenblick für immer behalten zu können.

Ich werde von einem Orgasmus überrollt und mein ganzer Körper zittert unter seinen Berührungen, er zieht mich noch dichter zu sich und ich merke, wie auch er sich anspannt und Erlösung findet.

Mein Kopf ruht auf seiner Schulter und eine einzelne Träne tropft auf seine Schulter und hinterlässt eine salzige Spur in seinen Schweißtöpfchen.

Er hält mich fest an sich gepresst und ich schließe meine Augen. Eine Weile verharren wir so, dann hebt er meinen Kopf behutsam an und ich lege meine Stirn an seine.

„Ich weiß, es ändert nichts, aber ich liebe dich.“ Flüstert er.

„Dec…“ setze ich an.

„Schon Okay, wenn das hier alles ist, was ich jemals von dir bekommen werde, dann ist das in Ordnung.“ Er küsst mich zärtlich.

„Dec, ich liebe dich, aber ich kann dir nicht vertrauen.“ Erkläre ich mit zitternder Stimme.

Liebe allein reicht manchmal nicht, denn ohne Vertrauen ist eine Liebe zum Scheitern verurteilt…

Er küsst mich erneut und ich schlinge meine Arme um ihn. Ich will ihn spüren, will wissen, dass er bei mir ist…

Langsam erhebe ich mich und merke wie weich meine Knie sind. Ich setze mich neben ihn und breite eine Decke über uns aus.

Wir schweigen und genießen die Nähe des anderen. Draußen versinkt die Sonne glutrot im irischen Meer und ich wünschte mir, ich könnte ihm vertrauen, so wie früher…

Was mich auf eine Frage zurück kommen lässt, die ich ihm eigentlich schon die ganze Zeit stellen wollte.

„Was ist mit Julia?“ flüstere ich.

„Wir sind kein Paar, wir waren auch nie eins.“ Erklärt er mir und streicht sanft über meinen Rücken „Ich hätte es dir ja gleich erklärt, aber du Sturkopf bist ja gleich weggelaufen.“ Er lächelt und ich sehe ihn prüfend an.

„Von mir aus, kannst du doch mit ganz Dublin schlafen, ich habe keinerlei Ansprüche auf dich.“ Versuche ich meine Eifersucht runter zu spielen.

„Das sehe ich anders.“ Er nimmt unsere beiden Ketten, die um meinen Hals hängen, in die Hand.

„Dec, wir warten doch nur, bis die Zeit abgelaufen ist.“ Ich nehme seine Kette ab und lege sie ihm wieder um.

„Können wir uns dann darauf einigen, dass wir die uns verbleibende Zeit als Ehepaar ausnutzen?“ er verzeiht das Gesicht zu einem schelmischen Grinsen.

„Ohne Verpflichtungen, ohne Ansprüche und wenn der Richter sein Okay gibt, dann ist das vorbei.“ Stelle ich die Forderungen.

„Okay.“ Er zieht mich an meiner Kette zu sich. „Ich finde es beruhigend, dass du sie auch noch trägst.“ Sagt er leise.

„Es ist mein Glücksbringer, auch wenn sie mir für unsere Ehe kein Glück gebracht hat.“ Ich lege meinen Kopf auf seine Brust.

„Was sind wir denn jetzt?“ fragt er und ich sehe auf.

„Freunde, die hin und wieder ihren ehelichen Pflichten nachgehen.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und er lacht leise.

„Eheliche Pflichten klingt gut. Kann ich zur Sicherheit, nur um zu wissen worauf ich mich einlasse, noch eine Kostprobe davon haben?“ er streicht mit seinem Zeigefinger an meinem Schlüsselbein entlang.

„Im Bett?“ antworte ich mit einer Gegenfrage und er lacht leise.

„Warum?“ er küsst mich. „Ich fühle mich hier nicht wohl…“ gestehe ich „Es ist kühl und ungemütlich, außerdem habe ich Angst von der Couch zu fallen und deinen super Couchtisch kaputt zu machen.“

Er lacht leise, ich wickele die Decke um mich und er schlüpft in seine Boxershorts. Ich helfe ihm die Treppen hoch, betrete vor ihm das Schlafzimmer und staune, hier ist es wirklich gemütlich. Obwohl helle Beigetöne das Bild dominieren, wirkt es im Zusammenspiel mit dem Honigfarbenen Holz einladend und gemütlich.

„Ich glaube, ich werde mich ab jetzt nur noch in deinem Schlafzimmer aufhalten.“ Ich lasse die Decke fallen und lächle ihn an.

„Nichts dagegen einzuwenden Mrs. Casey.“ Ein anzügliches Grinsen tritt auf sein Gesicht.

Ich lasse mich auf sein Bett fallen und betrachte den Baldachin. Dieses Zimmer strahlt eine ganze andere Atmosphäre wie der Rest des Hauses aus.

Er beugt sich über mich und küsst mich sanft.

„Weißt du noch, was wir damals immer gesagt haben?“ er knabbert an meinem Ohrläppchen.

„Oh Dec, wir haben so vieles gesagt…“ ich drehe mich auf die Seite und sehe ihn an. „Du hast mir nur eine einzige Frage bisher nicht beantwortet.“ Ich werde ernst und ein Schatten huscht über sein Gesicht. „Als Freunde Dec… Warum hast du mich betrogen?“

Er schließt gequält die Augen, ich lege meine Hand auf seine Wange.

„Ich muss es wissen Dec.“ Bitte ich ihn leise.

„Ich würde es dir so gerne sagen, aber ich weiß es doch selber nicht. Ich kann mich nicht einmal an ihren Namen erinnern, ich weiß nur, dass ich mit Ethan und Paul unterwegs war und das nächste an das ich mich bewusst erinnere ist dein Gesichtsausdruck. Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut. Ich habe unser Leben zerstört…“ er schluckt schwer.

„Wir werden uns jeder ein neues Leben aufbauen und bis dahin…“ ich fahre mit meiner Hand über seinen Bauch „… Genießen wir das, was wir haben.“

„Ich danke dir.“ Er küsst mich erst zärtlich und dann immer stürmischer, ich gebe mich ihm völlig hin und verliere mich in ihm.

„Was wolltest du mir vorhin eigentlich sagen?“ ich liege auf dem Rücken und atme schwer.

„Unsere goldene Regel.“ Er dreht sich zu mir und grinst.

„Wir halten die Streits so sauber und den Sex so schmutzig wie möglich.“ Lache ich und er nickt.

„Kam mir vorhin so in den Sinn.“ Er küsst meine nackte Schulter.

„Gott Dec, ich kann kaum noch atmen.“ Lache ich.

„Eine so schlechte Kondition? Und du willst Notärztin sein?“ grinst er und ich setze mich auf ihn.

„Und du kannst wohl nie genug bekommen? Reicht man dir den kleinen Finger…“ setze ich an, er packt mich an der Hüfte und sieht mir tief in die Augen.

„Dann nehme ich die ganze Hand, wie es mir als dein Mann im Übrigen zusteht.“ Beendet er meinen Satz…

„Guten Morgen.“ Werde ich von Dec zärtlich geweckt.

„Guten Morgen.“ Ich strecke mich und kuschele mich in seine Arme.

„Hast du irgendwelche Pläne für heute?“ er küsst meine Stirn.

Ich denke angestrengt nach.

Hailey!

„Ja, ich muss los.“ Ich springe auf und sehe zur Uhr. Verdammt schon kurz nach 12 Uhr.

Wann habe ich das letzte Mal so lange geschlafen?

„Was ist denn los?“ Dec setzt sich auf und beobachtet amüsiert, wie ich nach meinen Sachen suche.

„Ich habe Hailey heute Abend.“ Erkläre ich ihm.

„Wenn du deine Sachen suchst, die sind noch im Wohnzimmer.“ Er zwinkert mir zu.

„Vielen Dank Mr. Casey.“ Ich hebe die Decke von gestern Abend vom Fußboden auf und laufe die Treppen runter. So schnell es geht ziehe ich mich an.

„Kommst du heute Abend vorbei?“ Dec ist auch unten angekommen und sieht mich fragend an.

„Hailey und ich haben unseren Mädchenabend.“ Ich gehe zu ihm, drücke ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich komme morgen vorbei, wenn ich sie bei Ethan und Kathie abgeliefert habe. Okay?“ ich drehe mich zu ihm um und er winkt mir lächelnd hinterher.

Ich komme völlig abgehetzt bei Ethan und Kathie an und Kathie schenkt mir einen Blick, der eigentlich schon alles sagt.

„Halt den Mund.“ Zische ich ihr zu und sie schüttelt lachend ihren Kopf.

„Wir sind verheiratet.“ Flüstere ich und jetzt bricht sie wirklich in schallendes Gelächter aus.

„Oh Alex.“ Sie legt ihren Arm um meine Schultern und wir gehen ins Wohnzimmer.

„Gott Sis, kennst du eine Bürste?“ begrüßt mich Ethan und ich sehe ihn verwirrt an.

„Ähm… ja.“ Stottere ich „Ich habe bei Casey auf der Couch geschlafen.“ Rede ich mich heraus.

„Alles klar.“ Er nimmt es mir ohne mit der Wimper zu zucken ab und ich sehe ihn erstaunt an.

Hmm, das war leichter wie gedacht…

„Holst du Hailey?“ bittet ihn Kathie und er geht nach oben um seine Älteste zu holen.

„Was genau sollte mir ’Wir sind verheiratet.’ sagen?“ Kathie sieht mich immer noch grinsend an.

„Wir sind Eheleute, die Freunde sind und ab und zu den ehelichen Pflichten nachgehen.“ Erkläre ich ihr, jetzt ist es endgültig mit Kathies Fassung vorbei und sie hält sich den Bauch vom lachen.

„Ganz ehrlich Alex…“ sie nimmt mich entschuldigend in den Arm „… Ihr seid beide erwachsen, aber tue dir und ihm nicht weh.“ Bittet sie mich und ich nicke eifrig.

„Alex!“ Hailey kommt angelaufen und ich nehme sie in den Arm.

„Hey Hailey! Na bereit für einen Mädchenabend?“ ich zwinkere ihr zu.

„Aber sicher.“ Lächelt sie.

„Dann komm.“ Ich nehme ihren Rucksack, der neben der Tür steht und sie verabschiedet sich von ihren Eltern.

Nach unserer obligatorischen Pizza liegen wir beide auf der Couch und sehen und bestimmt zum 100. Mal High School Musical an… Dieses Kind hat eine Ausdauer, wenn es darum geht… kaum zu glauben.

Nach dem zweiten Teil schläft Hailey zum Glück selig und ich lasse sie auf der Couch liegen und decke sie zu.

Ich reibe mir verschlafen die Augen, als ich ins Bad gehe und lache leise, mein Spiegelbild sieht mich mit dutzenden Zöpfen an, die in alle Himmelrichtungen von meinem Kopf abstehen. Ich trage blauen Lidschatten und soviel Rouge, das es für 10 weitere Frauen reichen würde.

Ich entwirre die Haargummis und wasche mein Gesicht, ehe ich ins Bett gehe. Ich schlafe sofort ein, was ich auch nicht wirklich verwunderlich finde, denn viel Schlaf habe ich letzte Nacht ja nicht bekommen.

Am nächsten Morgen fahre ich mit Hailey nach dem Frühstück ins Schwimmbad und bringe sie wie immer am frühen Sonntagnachmittag nach Hause.

„Hey Sis, wir wollen abgrillen. Bleib doch.“ Ethan grinst mich breit an. Er trägt eine von diesen albernen Grillschürzen über seinem Fleecepullover.

„Komm schon Ethan, es ist Mitte September.“ Ich zeige ihm einen Vogel.

„Deswegen ja abgrillen.“ Lacht er.

„Ich habe Casey versprochen bei ihm vorbei zu schauen.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Hol ihn ab und bring ihn her, auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an…“ er küsst meine Stirn „Komm schon, James und Luke kommen auch.“

Ich tue als müsse ich nachdenken und Kathie grinst mich breit an.

„Okay…“ ich hebe meine Hände „Ich fahre dann jetzt den Invaliden holen.“ Ich drehe mich um und Ethan lacht herzlich auf.

„Ich erzähle ihm später, dass du ihn so genannt hast.“ Droht er mir.

„Mach doch!“ ich strecke ihm die Zunge raus und steige in meinen Wagen.

Als ich vor Decs Haus parke, da beginnt mein Herz schneller zu schlagen und ich atme tief durch.

Kathie hat Recht, wie sind beide erwachsen und wissen was wir tun…

Ich klopfe und drücke dann die Türklinke runter. Mit den Krücken braucht Dec eh so lange, da kann ich mich auch gleich selbst rein lassen.

„Dec?“ rufe ich und trete in den Hausflur.

„Lässt du dich jetzt schon selber rein?“ er kommt auf mich zu gehumpelt.

„Ich dachte mir, du trödelst immer so und ich wollte nicht warten.“ Grinse ich.

Er kommt bei mir an, nimmt mich in den Arm und küsst mich zärtlich.

Ich schließ meine Augen und ziehe ihn dichter zu mir.

„Hast du mich vermisst?“ ich grinse ihn schelmisch an.

„Du hast ja keine Ahnung…“ ein Schatten huscht über sein Gesicht.

„Komm Dec, zieh dir was Vernünftiges an. Ethan hat uns zum abgrillen eingeladen…“ ich sehe ihn an und erwidert meinen Blick mit einem sehr fragenden. „Er hat mich eingeladen und ich habe gesagt, dass ich bei dir vorbei will um nach die zu schauen. Na ja, du kennst Ethan…“ ich zucke mit den Schultern „James und Luke sind auch da und wie ich Ethan kenne auch noch der Rest eurer Schicht.“

„Das was davon übrig ist…“ er schüttelt den Kopf.

Seine Stimme klingt verbittert und ich zwinge ihn mich anzusehen.

„Hatten wir das nicht vorgestern schon?“ ich streiche mit meinem Daumen über seine Wange.

„Alex, es ist…“ setzt er an.

„Ja, Dolphin’s Barn hat einen schweren Verlust erlitten…“ ich atme tief durch „Aber ihr seid noch hier und die anderen hätten nicht gewollt, das du dich in Selbstzweifelns suhlst. Bitte Dec…“ ich küsse ihn sanft „Für mich.“

„Okay.“ Sagt er schließlich.

„Ich hole dir eine Jeans und einen Pullover von oben.“ Ich zwinkere ihm zu und laufe die Treppe hoch.

Ich gehe an seinen Kleiderschrank und hole eine verwaschene Jeans und einen dunkelblauen Pullover raus, dann helfe ich ihm beim anziehen und wir machen uns auf den Weg. Er hat sich noch seine Fleecejacke von der DFB übergezogen und ich sehe ihn im Auto von der Seite an.

„Dec…“ setze ich an.

„Hey Alex…“ er winkt ab „Für die anderen sind wir Freunde.“

„Danke.“ Ich lächle ihn dankbar an.

Als wir bei Ethan ankommen stehen schon vier Autos in der Auffahrt und ich muss an der Straße parken.

„Dec!“ Taylor kommt zu uns gelaufen, kaum das wir im Garten ankommen.

„Hey Kleiner!“ er struvelt ihm durch seine hellbraunen Haare der kleine Mann strahlt ihn an.

„Fußball?“ Tay betrachtet Decs Gipsbein.

„Wohl eher nicht.“ Ich zwinkere ihm zu „Aber wenn du James fragst, dann spielt er bestimmt mit dir und den anderen Jungs.“ Schicke ich ihn zu James und dieser schickt mir einen Handkuss.

„Hey, der Invalide.“ Wird Dec von Ethan begrüßt und er hält ihm eine Bierflasche hin.

„Hey, du nimmst starke Schmerzmedikamente.“ Erinnere ich Dec und jetzt sehen mich beide an, als sei ich der Spielverderber.

„Ich meine ja nur…“ ich hebe meine Hände „Mach doch was du willst.“ Füge ich hinzu und gehe an Ethan vorbei „Eins Ethan.“ Bitte ich ihn und er nickt.

„Was heißt ihr eigentlich Invalide?“ fragt Dec, als ich di anderen begrüße.

„So hat dich meine liebreizende kleine Schwester vorhin genannt.“ Erklärt ihm Ethan.

„Danke Ethan.“ Rufe ich ihm über meine Schulter zu.

„Invalide also?“ fragt Dec und ich drehe mich um. „Ja, oder so ähnlich.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und er schüttelt lachend seinen Kopf.

Mein Handy vibriert ein paar Minuten später, als ich bei Kathie in der Küche bin, in meiner Tasche und ich hole es raus.

 

- Ich werde dir nachher beweisen, dass ich kein Invalide bin! Sie sind ziemlich frech Mrs. Casey -

 

Ich lächle und Kathie schenkt mir einen tiefen Blick und ein Seufzen.

Ich lache leise und gehe auf antworten.

 

- Da nehmen sie den Mund aber ganz schön voll Mr. Casey. Ich bin gespannt. -

 

Ich drehe mich zu Kathie um und helfe ihr weiter mit dem Salat.

„Es ist schön dich glücklich zu sehen.“ Sagt sie leise und ich sehe sie erstaunt an. „Komm schon Alex, er macht dich glücklich.“

„Ja…“ gestehe ich und zupfe den grünen Salat in kleine Stücke. „…So wie es ist, ist es gut. Keine Verpflichtungen. Ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren.“ Ich zucke mit den Schultern und sie lächelt leicht.

Eine Stunde später sitzen wir alle in dicken Jacken draußen und es ist ein entspannte Atmosphäre… Warum kann es nicht immer so sein?

„Sag mal Casey, wie lange musst du den Gips tragen?“ Luke sieht zu Dec und er sieht zu mir.

„Bin ich deine Ärztin?“ frage ich mit vollem Mund.

„Alex, mit vollem Mund spricht man nicht.“ Hailey sieht mich mal wieder strafend an.

Gehorsam schlucke ich meinen Bissen runter.

„Ich bin nicht deine Ärztin…“ ich sehe zu Dec „Aber wenn du mich fragst, 4 Wochen und zwei Wochen Krankengymnastik. Ich denke, Anfang November habt ihr ihn wieder.“

„Das ist lang.“ Jeff sieht zu mir.

„Gebrochene Knochen heilen langsam.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Ich möchte mit euch anstoßen…“ Ethan hebt sein Bier an und wir tun es ihm mit unseren Getränken gleich „Auf unser Kollegen, die, die wir verloren haben und die, die uns jeden Tag zur Seite stehen.“ Er nickt.

„Auf euch.“ Sage ich leise und wir stoßen an.

Es ist schon kurz nach 12 Uhr als wir endlich los fahren.

„Danke, dass du mich mitgenommen hast.“ Dec sieht mich dankbar an.

„Gern geschehen.“ Lächle ich.

Ich steuere mein Haus an und Dec zieht fragend eine Augenbraue hoch.

„Sollte ich dir jetzt etwa die Frage ’ Zu dir oder zu mir?’ stellen?“ grinse ich.

Er schüttelt lächelnd seinen Kopf.

Ich steige aus und helfe ihm ins Haus.

„Wow, du hast es richtig schön hier?“ er sieht sich um.

„Danke, Ethan hat mir toll geholfen, ohne ihn wäre ich längt nicht so weit.“ Gebe ich zu und hänge meine Jacke auf.

Auch Dec zieht sich seine Jacke aus und ich ziehe ihn in meine Arme.

Ich will seine Lippen auf meinen spüren, ich will ihn…

Tatsächlich zieht Dec quasi mit sofortiger Wirkung zu mir und es kommt mir manchmal unwirklich vor, wie gut wir mit einander auskommen.

Nach vier Wochen kommt der Gips ab und ich nehme ihn mit ins Krankenhaus damit er seine Krankengymnastik bekommt. Anschließend nimmt er sich dann ein Taxi und fährt meist noch kurz bei sich ran.

Am 8. November bekommt er endlich das Okay, dass er wieder arbeiten kann und ich weiß, so gut er sich auch als Hausmann angestellt hat, so sehr fehlt ihm seine Arbeit.

Ich habe Frühschicht und lasse es mir nicht nehmen, ihn zu seiner ersten Schicht zu fahren. Es ist Mittwochnachmittag als er endlich wieder einen Fuß in Dolphin’s Barn setzt, nicht das er die letzten Wochen nicht hier war, aber jetzt endlich kann er wieder arbeiten. Wieder in seiner alten Schicht und in dieser Woche Dienst von Mittwoch auf Donnerstag und dann wieder von Montag auf Dienstag in der nächsten Woche.

Als wir in den Aufenthaltsraum kommen hängt ein großer Banner über dem Fernseher.

 

- Welcome back Lt. Casey -

 

Dec grinst und wird erst einmal von allen überschwänglich begrüßt, natürlich werde auch ich von allen in den Arm genommen und gedrückt. Ethan kommt anschließend zu mir und sieht mich skeptisch an.

„Ehrliche Frage…“ er legt seinen Kopf schief und seine braunen Augen mustern mich „Läuft da wieder was zwischen dir und Casey?“ wir sehen beide zu Dec, der inmitten seiner Männer steht und strahlt.

„Nein.“ Sage ich und mein Herz droht zu explodieren.

„Okay, sonst müsste ich mir Sorgen machen.“ Er zwinkert mir zu.

„Ja ne ist klar.“ Ich wende mich von ihm ab und begrüße Jeff, der gerade rein gekommen ist.

„Hey Alex!“ er drückt mich an seine Brust.

„Da hast du endlich deinen Lieutenant wieder.“ Ich deute auf Dec.

„Endlich, es wird Zeit das hier wieder so etwas wie Normalität in der ersten Schicht eintritt.“ Er lächelt mich an.

„Es wird Zeit, dass er endlich wieder arbeitet…“ ich verdrehe die Augen „Er ist nicht ausgelastet.“

„Und du weißt das, weil…?“ Jeff mustert mich.

„Weil ich eine sehr gute Freundin bin.“ Winde ich mich.

„Okay.“ Gibt er nicht sehr überzeugt zurück.

Ich schenke ihm ein schiefes lächeln.

„So, ich muss nach Hause.“ Ich drücke Ethan an mich, ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut. „Pass auf, dass er wenigstens einen Tag lang keine Dummheiten macht.“ Ich zwinkere ihm zu und er lacht auf.

„Ich gebe mir wirklich Mühe.“ Verspricht er mir.

„Viel Spaß!“ ich drücke Dec einen Kuss auf die Wange.

„Danke Alex.“ Flüstert er mir ins Ohr.

Ich zwinkere ihm lächelnd zu und winke den anderen, ehe ich in mein Auto stiege und endlich nach Hause fahre.

Als ich die Tür aufschließe und mich meiner Schuhe entledige, sehe ich mich einen Moment lang um.

Hier liegen so viele Sachen von Dec… Ich lächle und sammele erst einmal ein paar T-Shirts, Shirts und andere Sachen ein die herum fliegen um eine Waschmaschine anzumachen.

Dann koche ich mir etwas und mache es mir vor dem Fernseher gemütlich.

Es ist merkwürdig, das es so ruhig im Haus ist, die letzten fast 7 Wochen war Dec eigentlich fast immer hier und jetzt habe ich mein Haus ganz für mich allein.

Ich vermisse es, aber ich weiß auch, dass er nach seiner 24 Stunden Schicht wieder mindestens 48 Stunden frei hat.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und ich habe mich viel zu sehr an ihn gewöhnt, das ist nicht gut und ich muss mit ihm darüber reden.

Wir müssen anfangen unsere eigenen Leben zu leben… Denn in nur 10 Monaten sind wir nicht mehr verheiratet und dann ist dieses Arrangement vorbei.

Alleine kuschele ich mich in mein Bett und wälze mich von einer auf die andere Seite.

Verdammt! Verfluche ich mich selbst.

Irgendwann finde ich doch endlich Schlaf, nur leider viel zu spät, ich fühle mich wie gerädert, als am nächsten Morgen früh mein Wecker klingelt.

Mit einem Becher Kaffee in der Hand betrete ich die Notaufnahme.

„Guten Morgen Sonnenschein.“ Begrüßt mich Lisa lächelnd.

„Guten Morgen.“ Erwidere ich gähnend.

„Und bereit für deine letzte Woche?“ Kelly erscheint neben mir und ich grinse halbherzig.

„So bereit, wie man nur sein kann.“ Erwidere ich ohne viel Überzeugung.

„Du hast morgen um 11 Uhr den Termin für deine Prüfung.“ Teilt er mir wie nebenbei mir.

„Morgen? Willst du mich verarschen?“ mir fällt beinahe der Becher aus der Hand.

„Ich weiß, du hast es nicht so mit Prüfungen…“ er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „… deshalb sage ich es dir erst jetzt.“

„Das kannst du nicht machen, wie soll ich mich denn jetzt noch vorbereiten?“ ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Hör’ zu Alex…“ er packt mich an beiden Armen „Du bist bereit dafür, mehr wie bereit. Mach dich nicht fertig.“ Bittet er mich. „Geh da einfach hin und zeige denen, was du mir schon seit einem Jahr zeigst.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich bekomme in dieser Schicht nur sehr leicht Fälle und nähe mehr Wunden wie in einem ganzen Jahr. Am späten Nachmittag verabschiede ich mich.

„Viel Glück morgen!“ Lisa nimmt mich in den Arm.

„Ich danke dir. Ich rufe an, wenn ich was weiß.“ Verspreche ich ihr.

„Zeig es ihnen!“ auch Kelly drückt mich fest an sich.

Ich atme tief durch, lächle gequält und trete in die kalte Luft hinaus. Heute habe ich es mal geschafft in der Tiefgarage zu parken und so mache ich mich auf den Weg dorthin.

Als ich die Treppe hinunter steige sehe ich, dass Dec neben meinem Auto wartet.

Er beginnt zu lächeln als er mich sieht und auch ich kann nicht anders.

„Hi.“ Begrüßt er mich und küsst mich innig.

„Hi.“ Erwidere ich.

„Komm, ab nach Hause.“ Er hält mir die Beifahrertür auf.

„Du fährst?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Hey, wenn ich von den Ärzten das Okay bekomme, das ich wieder in den Einsatz darf, dann darf ich ja wohl auch dein Auto fahren, oder?“ er grinst und steigt ein.

„Ausnahmsweise.“ Erwidere ich und stiege lachend ein.

„Wie war deine Schicht?“ ich sehe ihn von der Seite an.

„Gut, wir hatten nur einen Einsatz, aber es war schön wieder mit den Jungs draußen zu sein. Die beiden Neuen sind wirklich gut.“ Erklärt er mich lächelnd „Und wie war deine Schicht?“ er sieht kurz zu mir und konzentriert sich dann wieder auf die Straße.

„Ich habe morgen meine Prüfungen. Ich muss um 11 Uhr im Krankenhaus sein.“ Ich atme tief durch.

„Morgen schon? Hätte dich Kelly nicht etwas früher darauf vorbereiten können?“ er nimmt meine Hand, als wir an einer Ampel zum Stehen kommen.

„Er weiß, das ich Prüfungsangst habe…“ ich lächle leicht „Er sagt, ich schaffe es so oder so.“

„Natürlich, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.“ Er nickt sicher und ich drücke kurz seine Hand.

Bei dem Gedanken an die Prüfung wird mir schlecht… Ich bin einfach kein Prüfungsmensch…

Zu Hause angekommen setze ich mich mit meinen Büchern auf die Couch und Dec macht uns eine Kleinigkeit zu Essen. Dann nimmt auch er sich eines seiner Bücher und setzt sich zu mir. Schweigend sind wir in unsere Lektüren vertieft und ich merke nicht einmal, dass es draußen schon stockdunkel ist.

„Komm schon Alex…“ Dec nimmt mir das Buch aus der Hand.

„Nein Dec. Was mache ich, wenn mir die richtige Diagnose nicht einfällt? Was mache ich, wenn ich plötzlich einen Black Out habe?“ ich sehe ihn mit großen, angsterfüllten Augen an.

„Das wird nicht passieren…“ er zieht mich zu sich und küsst mich „Ich verspreche es dir.“ Er schiebt den Träger meines Tops über meine Schulter.

„Dec, das ist…“ setze ich an.

„Das ist genau die Richtige Methode um dich abzulenken.“ Er steht auf und hebt mich auf seine Arme.

Im Schlafzimmer lässt er mich aufs Bett fallen und küsst sanft meinen Bauch.

Ich seufze leise und struvele ihm durch seine Haare…

„Aufstehen.“ Dec küsst meine Stirn und ich öffne verschlafen meine Augen.

Plötzlich schießt mir durch den Kopf, das ich heute meine Prüfungen habe und ich sitze aufrecht im Bett.

„Ganz ruhig mein Engel…“ er zieht mich in seine starken Arme „Es ist erst kurz nach 9 Uhr, wir frühstücken jetzt und dann fahre ich dich zu deinen Prüfungen.“ Er küsst mich ganz sanft. „Geh jetzt duschen.“ Er steht auf und hält mir seine Hand hin.

„Allein?“ frage ich gespielt schockiert.

„Ich war schon duschen.“ Er zuckt mit den Schultern.

Ich verziehe meinen Mund ein wenig, schlage dann die Decke zurück und gehe nackt ins Bad.

Kaum das ich unter der Dusche stehe, spüre ich Decs Hände an meinem Bauch, er dreht mich sanft um und drückt mich gegen die kalten Fliesen.

„Ich dachte, du warst schon duschen?“ necke ich ihn.

„Ein zweites Mal kann nicht schaden.“ Er küsst mich voller Hingabe und hebt mich ein Stück an, sodass ich meine Beine um ihn schlingen kann.

Natürlich bekomme ich zum Frühstück nichts runter und ich ziehe mich mindestens 10 Mal um, ehe ich in einem schwarzen Business Kostüm und einer hellblauen Bluse vor ihm stehe.

„Meinst du, das geht?“ ich sehe ihn unsicher an.

„Aber sicher.“ Er kommt zu mir und legt seine Hand unter mein Kinn. „Du packst das Alex.“ Versichert er mir.

„Danke Dec.“ Ich sehe in seine so wunderbaren blauen Augen, die eine solche Ruhe ausstrahlen, dass es tatsächlich ein wenig auf mich abfärbt.

„Dann komm.“ Er reicht mir meinen Mantel und wir gehen zum Auto.

Auf der Fahrt zum Krankenhaus habe ich mindestens 5 Mal das starke Bedürfnis mich zu übergeben, aber ich unterdrücke es und konzentriere mich auf meine Atmung.

Ich dachte, Dec lässt mich vor dem Krankenhaus raus, aber er steigt mit aus und nimmt meine Hand.

„Ich bin da.“ Flüstert er mir ins Ohr und wir fahren hoch in den 7. Stock.

Mrs. McAllan begrüßt mich freundlich.

„In 10 Minuten geht es los Dr. Casey.“ Sie reicht mir ihre Hand „Kann ich ihnen etwas bringen?“

„Nein danke, kann mein Mann hier auf mich warten?“ ich sehe zu Dec und sie nickt eifrig.

„Aber sicher. Kann ich ihnen dann etwas bringen Mr. Casey? Ich denke, sie werden sich auf ein bis zwei Stunden einstellen müssen.“ Sie sieht zu Dec.

„Ein Kaffee wäre nett.“ Lächelt er.

Ein bis zwei Stunden?

Von diesen ein bis zwei Stunden hängt also meine berufliche Zukunft ab?

Ich setze mich und Dec nimmt meine Hand.

„Du kannst das Alex…“ er zwingt mich mit sanfter Gewalt ihn anzusehen „Ich glaube an dich.“ Er küsst mich ganz sanft.

„Dr. Alex Casey bitte!“ ein älterer Mann steht im Flur und ich erhebe mich mit zittrigen Knien.

„Kommen sie Dr. Casey.“ Er winkt mich zu sich und ich betrete vor ihm den Konferenzraum.

Die nächsten 2 Stunden vergehen so wahnsinnig schnell, das ich das Gefühl habe, ich habe nur einmal geblinzelt.

„Sie können das Ergebnis im Laufe des Nachmittages auf unserer Internetseite lese, hier ist ihr Code.“ Er drückt mir einen Zettel in die Hand und schon stehe ich wieder im Flur. Ich betrachte die Karte in meiner Hand

Medical Board Irland

Steht in fein geschwungenen goldenen Buchstaben auf der Vorderseite und auf der Rückseite finde ich meinen Benutzernamen und einen 10stelligen Code.

„Und?“ Dec kommt zu mir und drückt mich an sich.

„Jetzt heißt es warten.“ Ich seufze leise.

„Wollen wir nach Hause?“ er küsst meine Stirn.

Alle die Anspannung fällt langsam von mir ab und ich sehe ihn prüfend an.

„Was?“ grinst er.

„Ich habe es überstanden.“ Lächle ich.

„Aber sicher.“ Er legt den Arm um meine Hüfte.

„Ich will kurz bei Kelly vorbei und ihm Bescheid sagen.“ Ich drücke auf den Knopf des Fahrstuhls.

„Alles klar.“ Er nickt und wir steigen ein, als sich die Türen fast geräuschlos öffnen.

Wieder sehe ich ihn an, ich beuge mich zu ihm und ziehe ihn am Kragen seines Pullovers zu mir um ihn innig zu küssen. In diesem einen Kuss entlädt sich meine ganze Anspannung und er stöhnt leise.

Als der Fahrstuhl im Erdgeschoss zum stehen kommt sehen wir uns atemlos an.

Ich grinse ihn an und wir steigen aus.

„Wow Alex, du siehst so anders aus.“ Begrüßt mich Lisa und ich lache.

„Ja, es gibt tatsächlich noch andere Sachen, außer den Kasacks und Stoffhosen.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Wie ist es gelaufen?“ will sie gleich wissen.

„Keine Ahnung, sie haben mich jedenfalls nicht unterbrochen und ich denke, ich war nicht schlecht.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Das ist toll.“ Sie umarmt mich, dann fällt ihr Blick auf Dec, der sich ein wenig im Hintergrund hält. „Und Declan, froh endlich wieder arbeiten zu können?“ sie grinst ihn an.

Dec war ja in den letzten Wochen des Öfteren hier und mittlerweile wissen auch alle, das er zwar mein Mann ist aber wir nicht zusammen sind.

Sind wir das wirklich nicht?

Ich meine, ist zusammen leben nicht die Definition von zusammen sein?

Bereitwillig erklärt er ihr, dass es toll ist wieder zu arbeiten und sie nickt verständnisvoll.

„Was machst du denn hier? Schon fertig?“ Kelly legt eine Akte auf die Anmeldung und sieht mich fragend an.

„Ja…“ ich atme tief durch.

„Wann bekommst du Bescheid?“ will er nun wissen.

„Im Laufe des Nachmittages.“ Seufze ich.

„Mach dir keine Gedanken, am Montag betrittst du diese Notaufnahme, als staatlich geprüfte Notärztin und bekommst von Houser deiner Vertrag. Kein Zweifel.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn, nun entdeckt auch er Dec, der sich noch mit Lisa unterhält.

„Hey Declan…“ ruft er ihm zu und Dec sieht auf „Sorge dafür, dass sie das angemessen feiert.“ Bittet er ihn und Dec reckt seinen Daumen in die Höhe.

„Wird gemacht.“ Verspricht er ihm.

„Wir sehen uns Montag, schick mir eine Nachricht, wenn du es weißt.“ Er drückt mir noch einen Kuss auf die Wange und dann geht er in die Aufnahme.

Ich sehe Dean und winke ihm zu, ich weiß, er hat sein Jahr bestanden und ist nun Notarzt und ich weiß auch, dass er in zwei Wochen das Krankenhaus wechselt. Er hat ein gutes Angebot von einer Klinik in seiner Heimatstadt bekommen und ich freue mich wirklich für ihn.

Ich winke ihm kurz zu und dann gehen Dec und ich zu meinem Auto.

„Nach Hause.“ Er lächelt und lässt den Motor an.

Als wir in meine Auffahrt einbiegen, da verwirren mich die vielen Autos in dieser schon ein wenig.

„Was hast du gemacht?“ ich sehe zu Dec.

„Überraschung.“ Er parkt und ich steige aus.

Ich schließe auf und kaum, das ich die Tür geöffnet habe, springen alle aus ihren Verstecken.

„Überraschung!“ jubeln sie und ich sehe strafend zu Dec.

„Du weißt schon, das ich noch nicht bestanden habe, oder?“ ich deute auf die Girlande, auf der Gratulation steht und er zuckt mit den Schultern.

„Wenn du bestehst, was du wirst, dann feiern wir und wenn du nicht bestehst, dann betrinken wir uns.“ Erklärt er mir ohne mit der Wimper zu zucken.

„Damit kann ich leben.“ Gebe ich zurück und begrüße erst einmal alle.

Es ist toll sie mal alle in meinem Haus zu haben und das Fass Bier, welches Ethan, Luke und James mit gebracht haben, stellt sich als gute Wahl heraus.

„Nun schau schon nach.“ Ethan hält mir mein Handy unter die Nase.

Ich atme tief durch und logge mich ein…

„Sehr geehrte Dr. Casey…“ lese ich vor und James dreht die Musik aus „Wir beglückwünschen sie zu ihrer bestandenen Prüfung, ab dem heutigen Tag sind sie staatlich anerkannte und geprüfte Notärztin des Medical Board Irlands. Wir wünschen ihnen viel Glück und eine erfolgreiche…“ weiter komme ich nicht, denn Ethan und Dec nehmen mich in ihre Arme.

„Du hast es geschafft!“ Jubelt Ethan „Meine kleine Schwester ist offiziell die beste Ärztin der Welt!“ er drückt mir einen feuchten Kuss auf die Lippen und ich lache.

Beste Ärztin der Welt, so etwas sagt auch nur ein großer Bruder…

Ich lasse mich ordentlich feiern und genieße den Abend in vollen Zügen.

Gegen 2 Uhr nachts sind nur noch, Dec, Ethan und ich da, alle anderen haben sich in der letzten halben Stunde verabschiedet.

Ich sammele ein paar Plastikbecher ein und beobachte die Beiden. Sie sitzen am Wohnzimmertisch und sind in ihr Gespräch vertieft.

„Na, bei euch alles klar?“ frage ich vorsichtig und setze mich neben Ethan auf die Couch.

„Ja.“ Sagt Ethan und sieht kurz zu mir „Dec und ich sind uns einig, das wir endlich über dem stehen sollten, was vor so langer Zeit passiert ist. Ich meine, wenn ihr es so gut hin bekommt, dann sollten wir das auch schaffen. Nicht Dec?“ er sieht wieder zu ihm.

„Sicher.“ Er nickt erleichtert „Danke Ethan.“

„Dafür nicht.“ Winkt dieser ab „Ich bin froh, meinen besten Freund wieder zu haben…“ er streckt sich leicht und ich sehe das dankbare lächeln auf Decs Gesicht „… Aber jetzt muss ich nach Hause, sonst reißt mir Kathie den Kopf ab.“

„Macht sie schon nicht.“ Versichere ich ihm und begleite ihn zur Tür.

„Ich danke dir Ethan.“ Ich nehme ihn in den Arm.

„Ich danke dir Sis…“ er drückt mir einen Kuss auf die Wange „…Alles Gute noch mal und pass auf dich auf.“ Er winkt mir zu und steigt in ein Taxi, welches er vor ein paar Minuten gerufen hat.

Ich schließe die Tür und drehe mich zu Dec um, er räumt gerade auch noch ein paar Plastikbecher weg und ich lächle, es ist ein gutes Gefühl zu wissen, das Dec und Ethan endlich wieder Freunde sind.

Ich trete hinter Dec und umarme ihn.

„Was haben sie vor Dr. Casey?“ fragt er amüsiert.

„Ich will ins Bett…“ ich nehme seine Hand und ziehe ihn hinter mir her.

„So, so.“ antwortet er lachend.

„Ich bin todmüde, aufräumen können wir auch morgen.“ Ich betrete vor ihm das Schlafzimmer und ziehe mich aus.

Ich schlafe schon fast, als er sich ein paar Minuten später zu mir legt und sich an mich ran kuschelt.

Zufrieden und glücklich schlafe ich ein… Ich weiß, dass ich mir hier etwas vormache, aber manchmal ist es einfach besser in seiner Fantasiewelt zu leben, als sich der Realität zu stellen.

Ich bekomme natürlich meinen Arbeitsvertrag und mein neues Leben als Notärztin beginnt. Es ist keine große Umstellung und ich und Kelly bleiben vorerst ein Team. Alle paar Monate muss ich auf den Notarztwagen und darauf freue ich mich wirklich…

Dec wohnt immer noch bei mir…

Warum auch nicht?

Unser Arrangement läuft ja gut.

„Kommst du Heilig Abend mit Dec zu uns?“ Kathie sieht mich fragend an, als ich Hailey zwei Tage vor Weihnachten, nach einem Wochenende bei mir, abliefere.

„Dec feiert bei seiner Familie, ich komme alleine.“ Erkläre ich ihr.

„Alex?“ sie nimmt meine Hand und zieht mich in die Küche. „Was genau macht ihr Beiden? Ich meine, Ethan sieht das nicht, oder will es nicht sehen, weil er seine neu gefundene Freundschaft mit Dec nicht aufs Spiel setzen will…“ sie sieht mich durchdringend an „Aber du und Dec… ich meine, ihr wohnt zusammen.“

„Ja und? Das bedeutet gar nichts und er wohnt nicht bei mir. Jedenfalls nicht immer.“ Winde ich mich.

„Alex…“ sie seufzt tief.

„Ich weiß es doch auch nicht.“ Gebe ich zu.

„Wir sehen uns ins zwei Tagen.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange, als Ethan rein kommt.

„Bis übermorgen.“ Ich umarme kurz Ethan und mache mich dann auf den Weg zu meiner Schicht.

Das mit Dec und mir wird viel zu Ernst, wir lassen uns scheiden, das hier geht irgendwie in eine andere Richtung.

Die Feiertage verbringen wir tatsächlich getrennt und auch wenn ich es nicht will, er fehlt mir.

Er fehlt mir abends beim einschlafen, er fehlt mir morgens beim aufwachen und ich ertappe mich mehrmals am tag wie ich an ihn denke.

Das ist wirklich nicht gut…

Am 28. habe ich meinen letzten Arbeitstag für dieses Jahr und McBright wird verabschiedet.

Zufrieden mit mir und der Welt verlasse ich das Krankenhaus und laufe prompt Dec in die Arme.

„Hey.“ Er drückt mich an sich und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.

„Hey.“ Strahle ich und umarme ihn fest.

„Was hast du die nächsten drei Tage vor?“ er sieht mich schelmisch grinsend an.

„Nichts?“ frage ich eher als das ich antworte.

„Oh doch.“ Er zieht mich zu meinem Wagen und bugsiert mich auf den Beifahrersitz.

„Was hast du vor und warum steht meine Tasche auf dem Rücksitz?“ ich lege meinen Kopf schief und er lacht leise.

„Sei nicht immer so ungeduldig.“ Tadelt er mich sanft.

„Dec.“ Jammere ich.

Er zwinkert mir zu und fährt los, wir lassen Dublin und die Vorstädte hinter uns und fahren Richtung Süden, nach drei Stunden hält er vor einem großen Hotel in Ballina.

„Unser Domizil für die nächsten drei Tage.“ Er öffnet die Tür und deutet auf die Eingangstür des Hotels.

„Was?“ ich ergreife seine Hand und er küsst meine Nasenspitze.

„Frohe Weihnachten mein Engel.“ Haucht er mir ins Ohr.

Er nimmt unsere Taschen vom Rücksitz und gibt dem Parkservice den Autoschlüssel.

Er hat ein Zimmer reserviert und als wie es betreten staune ich nicht schlecht, wir haben einen wunderbaren Ausblick über die Stadt und dieses Zimmer hat wirklich einiges zu bieten.

„Ich danke dir für die letzten Monate.“ Er küsst sanft meinen Nacken.

„Oh Dec.“ Seufze ich leise.

Wir reden viel in den nächsten Tagen… Gut, wenn wir dazu kommen… aber wir lassen ein Thema wieder ganz geschickt aus.

Ich weiß einfach nicht, was ich will, was ich erwarte und was ich bereit bin zu geben…

Unser Verschwinden bleibt tatsächlich unentdeckt und Silvester erbarme ich mich und schmeiße die Party bei mir.

Es ist feucht fröhlich und herrlich chaotisch.

Das neue Jahr startet, wie das alte aufgehört hat, in den Armen Decs…

Ich beginne mich zu fragen, wie lange wir das noch so handhaben wollen.

Dann kommt es wie es kommen muss…

„Alex?“ Dec kommt aus dem Bad und sieht mich fragend an.

„Was ist?“ ich ziehe mir ein Shirt über und erwidere seinen Blick.

„Das mit uns Beiden…“ setzt er an.

„Bitte nicht Dec.“ Winke ich ab „Ich muss zum Dienst.“

Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und sprinte zu meinem Auto.

Eigentlich habe ich noch Zeit, aber Dec versucht schon seit Tagen dieses Gespräch mit mir zu führen und ich versuchen genauso lange, dem aus dem Weg zu gehen.

Ich werde heute Abend mit ihm sprechen müssen… schießt es mir durch den Kopf, als ich die Notaufnahme betrete. Wir haben den 12. Januar und draußen herrschen fast arktische Temperaturen, ich bin froh endlich drinnen zu sein.

„Einlieferung.“ Lisa sieht zu mir und ich gehe raus, um auf den Krankenwagen zu warten.

Doch nicht nur der kommt, sondern auch die beiden Feuerwehrtrucks von Dolphin’s Barn.

Ich behandele den Patienten und gebe anschließend alles in den Computer ein.

„Kann ich dich kurz sprechen?“ Dec steht vor der Anmeldung und ich nicke.

Dann also jetzt…

Ich folge ihm nach draußen und schlinge die Arme um mich.

„Alex, sag mir bitte was ich machen kann…“ er sieht mich bittend an.

„Was willst du denn von mir hören Dec? Ist es nicht gut so, so wie es ist?“ ich versuche seinem Blick Stand zu halten.

„Sag mir, dass sich nichts geändert hat und ich belästige dich nie wieder. Sag mir einfach, das die letzten Monate für dich nicht das bedeutet haben, was sie für mich bedeutet haben.“ Seine Augen sehen mich verzweifelt an.

„Sie haben mir nicht das Gleiche bedeutet.“ Flüstere ich.

„Ist es wirklich so? Hat sich nichts geändert? Vertraust du mir immer noch nicht?“ er zwingt mich ihn anzusehen.

Ich schüttele kraftlos meinen Kopf.

„Gut Alex…“ er lässt mich los „Ich habe mit meinem Anwalt geredet, diese Paartherapie müssen wir nicht machen, dazu kann uns selbst der Richter gegen unseren Willen nicht zwingen. Wir sehen uns im August beim Richter.“ Er schüttelt ungläubig seinen Kopf „Ich werde es einfach noch mal mit Julia versuchen. Sie weiß, dass ich sie niemals so lieben werde, wie ich dich liebe. Aber sie kann mir vertrauen und augenscheinlich ist das das Wichtigste.“

Ich merke wie die Tränen in mir aufsteigen.

„Ich liebe Dich Alex…“ er schließt seine Augen „Aber augenscheinlich ist das nicht genug…“ sein Blick ist verletzt und enttäuscht „Ich dachte wirklich wir bekommen das hin, aber du hast Recht, wir müssen beide unsere Leben leben.“ Er dreht sich um und steigt in den Feuerwehrtruck.

Mein Herz droht zu zerspringen…

„Ich würde dir, ohne zu überlegen, mein Leben anvertrauen.“ Hauche ich, drehe mich um, wische meine Tränen weg und gehe wieder in die Notaufnahme.

„Ist bei dir alles gut?“ Ethan sieht mich an und will mich in den Arm nehmen.

„Nichts ist gut…“ sage ich resigniert und setze meinen Weg fort.

„Sis!“ ruft er mir hinterher.

„Fahr zurück.“ Schreie ich und er sieht mich schockiert an. „Lass mich in Ruhe.“  Ich stürme an Kelly und Lisa vorbei ins Arztzimmer.

Ich breche, kaum das ich im Arztzimmer bin, in Tränen aus. Mit einem kräftigen Ruck reiße ich mir meine Kette vom Hals und schleudere sie in eine Ecke.

Kelly kommt zu mir, ich habe gar nicht bemerkt, wie er rein gekommen ist.

Er hebt meine Kette und meinen Ring auf, kommt zu mir und legt sie vor mir auf den Tisch.

„Ich habe es verbockt.“ Ich sehe zu ihm auf. „Ich habe ihn verloren. Endgültig. Ohne jeden Zweifel.“ Ich wische mit einer schnellen Handbewegung die Kette und den Ring vom Tisch.

Was soll ich noch damit?

Ich habe ihn verloren… Ich habe meinen Mann verloren.

„Oh Alex.“ Er setzt sich zu mir.

Ich weine… ich kann gar nicht aufhören zu weinen.

Kelly drückt mir Papierkram aufs Auge, denn so kann ich unmöglich einem einzigen Patienten unter die Augen treten. Weit nach Ende meiner Schicht verlasse ich am späten Abend die Notaufnahme.

„Hey Alex…“ Kelly hält mich am Arm fest „Du bekommst das hin. Glaub mir, du hast schon andere Sachen hin bekommen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich weiß nicht.“ Ich sehe ihn traurig an, laufe über den Parkplatz und steige in mein Auto.

Ich atme tief durch, ehe ich los fahre und erst einmal fahre ich ziellos durch die Stadt.

Ich will nicht nach Hause…

Dort erinnert mich zu viel an ihn.

Kurz vor 2 Uhr nachts parke ich dann doch in der Einfahrt und schließe die Tür auf.

Bilder blitzen vor meinem inneren Auge auf.

Wie wir uns durchs Wohnzimmer gejagt haben, wie wir herum gealbert haben und wie wir uns geliebt haben.

Ich schließe die Tür hinter mir und gleite an der Tür hinab. Ich sitze auf dem kalten Holzfußboden und weine, ich habe das Gefühl nie wieder aufhören zu können…

Mein Herz ist gebrochen, in eine Million Einzelteile und ich bin selber Schuld.

Warum habe ich es so weit kommen lassen?

Warum war ich nicht ehrlich?

Graue Helligkeit weckt mich, ich liege zusammen gerollt im Flur auf dem Fußboden.

Ich rappele mich auf und zwinge mich zu duschen, mein Leben muss weiter gehen…

Kaum das ich aus der Dusche trete klingelt mein Handy.

„Casey.“ Melde ich mich müde.

„Hey Alex, ich bin’s Kelly. Kannst du kommen? Matthews hat sich krank gemeldet. Ich bekomme das hier nicht allein hin.“ Erklärt er mir entschuldigend.

„Ich bin in 20 Minuten da.“ Verspreche ich und lege auf.

Ich schlüpfe wieder in meine hellblaue Arztkleidung und ziehe mir nur eine dünne Jacke über.

Ehe ich wirklich weiß, was ich tue, stehe ich schon Mitten im geschehen.

Es hat heute Nacht geschneit und ich bekomme mehr gebrochenen Handgelenke, Knöchel und andere Körperteile zu sehen, als mir lieb ist.

„Casey Einlieferung.“ Ruft mir Kelly zu und ich laufe los. Ich schaffe es gerade so, mir neue Handschuhe anzuziehen als die Trage auf mich zu geschoben wird.

„Sturz aus 3 Metern Höhe, er wollte seine Weihnachtsbeleuchtung abnehmen.“ Erklärt mir ein Sanitäter und hinter ihm tauchen Ethan und Dec auf.

„Hören sie mich?“ spreche ich den Mann an und er sieht mich ängstlich an.

„Wie heißen sie?“ frage ich weiter.

„Kevin White.“ Sagt er und ich leuchte ihm in die Pupillen.

„Alles klar Kevin, sie sind in guten Händen…“ ich sehe mich suchend nach Lisa um, die uns zum Glück die Treue hält, auch wenn ihre Schicht schon lange vorbei ist, mittlerweile bin ich seit fast 32 Stunden im Dauereinsatz, aber ich merke die Müdigkeit nicht mehr.

Mir tun langsam die Knochen weh, aber dadurch, das ich nicht einmal Zeit zum durchatmen habe, kann ich auch nicht darüber nachdenken.

Dann entdecke ich Lisa und winke sie zu mir.

„Neue Einlieferung.“ Sagt Kelly und schiebt eine Trage an mir vorbei. „Der nächste Krankenwagen kommt in 3 Minuten.“ Er nickt mir zu.

„Lisa…“ ich atme tief durch und sehe Kevin an.

Konzentrier dich verdammt! Ermahne ich mich selbst.

„Also gut, Komplettröntgen in 4 Ebenen und die Halskrause bleibt dran, bis ich das Okay gebe.“ Ich sehe sie an und sie nickt „ICH Lisa, nicht irgendein Arzt, der meint alles besser wissen zu müssen.“

„Alles klar Alex.“ Sie nimmt mir die Trage ab.

Ich stütze meine Hände auf die Knie und atme tief durch.

„Dr. Casey?“ ich schließe kurz meine Augen, ziehe meine Handschuhe aus und eine Schwester reicht mir neue, die ich mir sogleich überziehe, dann hilft sie mir in einen gelben Schutzkittel.

„Autounfall.“ Der Sanitäter sieht zu mir und ich springe in den Wagen, da ich sehe, dass er reanimiert.

Überall ist Blut, den Mann hat es schlimm erwischt.

Ich verabreiche ihm eine Dosis Adrenalin und schocke ihn, aber nichts.

„Rein mit ihm.“ Sage ich zu dem Sanitäter und springe wieder aus dem Wagen.

Ich verheddere mich mit meinem Schutzkittel und ziehe ihn fluchend aus.

Klar, das so etwas ausgerechnet heute passiert…

Das Blut verteilt sich überall und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll die Blutung zu stoppen.

„Schockraum 3.“ Rufe ich der Schwester zu und sie öffnet mit die Tür.

Ich kämpfe mit allen Mitteln… aber nach einer Stunde gebe ich auf.

„Zeitpunkt des Todes 13:27 Uhr.“ Ich sehe zur großen Uhr.

Ich gehe in den Flur, die Hektik tobt um mich herum, ich ziehe meine Handschuhe aus und werfe sie in den Mülleimer.

Es ist, als würde ich das alles durch irgendeine verzerrte Brille betrachten, ich sehe die Menschen herum laufen, aber ich nehme sie nicht richtig wahr. Es ist, als ob ich der Schnellvorlauf drücke und still Mitten drin stehe.

Ich versuche meine Gefühle abzustellen und darin war ich, ehrlich gesagt, noch nie gut…

Ich reibe mir die Augen und sehe an mir runter.

Tief durchatmen Casey! Mache ich mir selber Mut und lehne mich mit dem Rücken gegen die nächstbeste Wand.

Ich schließe meine Augen, nur einen kleinen Moment...

„Alex?“ Kelly berührt mich leicht am Arm und ich sehe ihn entkräftet an.

„Alles gut…“ winke ich ab „…Ich brauche nur neue Sachen.“

„Alex bitte…“ ruft er mir hinterher.

„Lass gut sein Kelly. Einlieferung…“ ich deute auf die Tür, durch die die nächste Trage kommt. Fast könnte ich denken, alle anderen Krankenhäuser haben heute zu oder die Iren sind wirklich grottenschlecht im Umgang mit Schnee.

„Sis?“ Ethan steht plötzlich vor mir.

„Was macht ihr noch hier?“ ich bleibe abrupt stehen und sehe auf.

„Wir können nicht los, weil ihr die Einsatzprotokolle nicht ausfüllt.“ Erklärt er mir.

Ich sehe zum Schwesterntresen, der nur mit einer sehr jungen Schwester besetzt ist.

Ich gehe auf sie zu.

„Sorge dafür, dass du die Einsatzprotokolle raus gibst, sonst können die nicht wieder los.“ Ich deute auf Ethan, Dec und ihre Männer.

„Ich weiß nicht wie.“ Gesteht sie mir mit hochrotem Kopf.

Ich schüttele verzweifelt den Kopf und gehe an den anderen Computer.

Ich suche die Protokolle, finde sie endlich, drucke sie aus und unterschreibe sie.

„Hier.“ Ich drücke sie Ethan in die Hand.

„Sis.“ Er hält mich am Arm fest.

„Lass es einfach gut sein.“ Bitte ich ihn schwach.

Mein Blick trifft den von Dec und ich sehe zu Boden.

„Ich muss mich endlich umziehen.“ Ich mache mich los und laufe ins Arztzimmer, als ich 5 Minuten später mit frischen Sachen raus komme, da sind sie weg und ich atme erleichtert durch.

Ich kann einfach nicht mehr…

Nach 36 Stunden werden Kelly, Lisa und ich endlich erlöst und ich gehe ins Arztzimmer um meine Jacke zu holen.

„Alles Okay bei dir?“ Lisa sieht mich müde an.

„Ja.“ Sage ich nicht sehr überzeugend.

„Du musst dich vor mir nicht verstellen, du kannst ehrlich sein.“ Sie nickt mir zu und ich erwidere es schwach.

Ehrlich sein…

Tja, warum kann ich nicht einfach ehrlich sein?

Zu mir selber?

Zu ihm?

Zu Ethan?

Die Schicht steckt mir in den Knochen, 36 Stunden steckt man eben nicht einfach weg…

 „Geht es dir gut?“ Kelly sieht mich, ebenso wie Lisa vor ein paar Sekunden, besorgt an.

„Irgendwie werde ich auch das überleben.“ Ich sehe ihn an und nicke leicht.

Dann ziehe ich mir endlich meine Jacke über und laufe über den Parkplatz zu meinem Auto. Schon nach dem kurzen Stück bin ich vom Schneeregen durch geweicht und friere, als ich in mein Auto steige.

„Alex warte!“ höre ich Kelly nach mir rufen.

Doch ich ignoriere ihn, ich steige ein und starte den Motor.

Noch bevor er mein Auto erreicht, gebe ich Gas und fahre vom Parkplatz.

Ich kann nicht mehr stark sein…

Die letzten Tage waren einfach zu viel…

Er hat sich schlussendlich für sie entschieden.

Was gibt es da noch zu sagen?

Die Tränen verschleiern meine Sicht und ich versuche ihnen Einhalt zu gebieten.

Ich habe ihn also dieses Mal wirklich verloren…

Mein Herz krampft sich zusammen und ich schluchze auf.

„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich leise.

Ich sehe stur gerade aus und die Welt zieht an mir vorbei… Schnell, in einem dunklen Schleier aus grau und Schneeregen.

Plötzlich kommt mir ein Auto auf meiner Fahrbahnseite entgegen, ich bin starr vor Schreck und versuche auszuweichen, aber da ist auch ein Auto. Die Stadtautobahn bietet nicht gerade viele Möglichkeiten zum ausweichen und das Auto kommt mir entgegen… Ein Geisterfahrer.

Kann es etwas Schlimmeres geben?

Ich hebe meine Arme und halte sie schützend vor mein Gesicht.

Man sagt immer, wenn man dem Tod ins Auge blickt, dann läuft das Leben wie in Zeitlupe vor deinem inneren Auge ab.

Das stimmt nicht.

Man hat gar nicht die Zeit darüber nach zu denken, man wartet auf den unvermeidlichen Aufprall. Jede Faser deines Körpers ist angespannt und wartet auf das, was kommen muss.

Das Geräusch ist nicht zu beschreiben, es kracht so laut, das eine Millisekunde danach alles in meinem Kopf ruhig ist, weil ich das Geräusch nicht verarbeiten kann. Dann zerbricht all das Glas um dich herum, ich kneife meine Augen zusammen und versuche mich irgendwie zu schützen. Ich werde ruckartig zurück geschleudert und der Airbag geht mit einem Knall auf.

Mein Kopf durchbricht das Seitenfenster, das Auto überschlägt sich und das Blech verbiegt sich.

Ich höre wie meine Knochen brechen, dieses Geräusch und dieses Gefühl sind mit nichts vergleichbar und ich weiß, ich werde es nie wieder vergessen können. Ich habe einen metallischen Geschmack im Mund und versuche gegen die Panik anzukämpfen…

Dann plötzlich ist es ganz still, ich höre rein gar nichts.

Es ist unwirklich und ich versuche Luft in meine Lungen zu bekommen, es tut weh… unbeschreiblich weh.

Ich sehe nach links und sehe den Kleinlaster auf mein Auto zurasen, ich schließe erneut meine Augen und mein Auto wird mit einem weiteren Knall gegen die Abgrenzung geschleudert.

Ich versuche mich zu orientieren, aber selbst das denken tut weh…

„Hilfe kommt gleich.“ Ein Mann kommt zu meinem Auto gelaufen und sieht mich besorgt an, ich befühle meine Stirn und stöhne leise.

Alles ist voller Blut und es tut so weh…

Ich sehe den Mann mit Tränen in den Augen an.

„Es tut weh.“ Sage ich leise.

„Ich weiß, bitte beweg dich nicht. Sie sind gleich hier.“ Er nimmt meine Hand ganz vorsichtig in seine. „Du musst wach bleiben. Wie heißt du?“

„Alex.“ Meine Stimme klingt so fremd in meinen Ohren.

„Alex, ich bin Paul. Komm sieh mich an…“ er legt seine freie Hand an meine Wange und ich sehe ihn erschöpft an „So ist es gut.“ Lobt er mich „Wie alt bist du Alex?“ fragt er weiter und ich weiß, er will nur verhindern, dass ich meine Augen schließe.

„29.“ Sage ich leise und stöhne unter Schmerzen.

„Hey, sie sind gleich hier, ich verspreche es dir.“ Paul sieht mich besorgt an und sieht sich dann panisch um. „Wohnst du in Dublin?“ Paul tätschelt leicht meine Wange und ich bemerke, dass ich meine Augen geschlossen hatte.

„Nein… Ja.“ Flüstere ich.

„Ganz ruhig. Wo wohnst du denn?“ er übt einen leichten Druck auf meine Hand aus.

Er ist schätzungsweise Mitte 50 und in seinen Augen spiegelt sich meine Angst.

„Malahide.“ Flüstere ich „Ich wohne in Malahide.“

„Das ist gut, siehst du.“ Lobt er mich.

Plötzlich durchzucken Blaulichter die Luft und der Sirenenklang ertönt. Ich merke wie Paul erleichtert ausatmet und winkend auf uns aufmerksam macht.

„Sie ist schwer verletzt, ich habe versucht sie wach zu halten.“ Erklärt er einem Mann und dieser beugt sich zu mir runter.

„Hallo, ich bin Kevin. Kannst du mich hören?“ fragt mich ein junger Polizist.

Ich versuche meine Augen auf zu machen und meine Lider flattern, als ich ihn ansehe.

„So ist es gut.“ Lobt er meinen verzweifelten Versuch bei Bewusstsein zu bleiben.

„ALEX!“ höre ich plötzlich Ethan rufen.

Es ist klar, er hat mein Auto erkannt… seinen Wetteinsatz.

„Bleib hier Ethan.“ Versucht ihn einer der anderen Feuerwehrleute aufzuhalten, doch ich kenne Ethan. Wenn er einen Weg finden will, dann findet er auch einen.

„Oh Gott Alex.“ Er ist bei mir angekommen und ich sehe ihn unter Tränen an.

„Ich bin so feige Ethan.“ Meine Stimme ist kaum mehr wie ein flüstern.

„Oh nein… nein… nein. Ich bin hier, hörst du mich?“ er nimmt ganz vorsichtig meine Hand.

„Hilf mir Ethan, es tut so weh.“ Wimmere ich.

„Ich bin hier. Halte durch.“ Fleht er mich an.

„Ich liebe ihn…“ ich spüre die Tränen die über mein Gesicht laufen nicht mehr.

„Ich weiß Kleines.“ Er streicht mir eine Strähne, die mit Blut verklebt ist, aus dem Gesicht. „Er ist doch dein Mann.“

„Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm nicht vertraue.“ Schluchze ich leise.

„Er liebt dich so sehr. Er ist gleich hier Sis.“ Versichert er mir.

„Nein.“ Ich versuche meinen Kopf zu bewegen, doch ich kann nicht.

Die Schmerzen werden immer schlimmer, ich schaffe es kaum noch meine Augen aufzuhalten.

„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich mit letzter Kraft.

„ALEX! NEIN!“ Dec taucht neben ihm auf.

Ein letztes Mal sehe ich nun in Decs wunderbare tiefblaue Augen, dann merke ich, wie ich keine Luft mehr bekomme, dann ist alles schwarz um mich herum.

Ich fühle mich plötzlich leicht wie eine Feder und habe das Gefühl davon zu schweben.

Plötzlich ein greller Lichtblitz und ich werde zu Boden geschleudert. Mühsam rappele ich mich wieder auf und sehe mich um. Es ist ein so friedlicher Ort, er sieht aus wie aus Wolken gemacht.

Wieder ein greller Lichtblitz und dieses Mal werde ich so heftig zu Boden geschleudert, das ich mich nicht wieder aufrappeln kann.

Ich schließe meine Augen, als ich sie wieder öffne, da sitzt plötzlich meine Mum neben mir und ich sehe sie verwirrt an.

„Jeder macht im Leben Fehler mein kleiner Liebling.“ Sagt sie sanft.

„Nicht solche wie ich.“ Erwidere ich zögernd.

„Ach meine Kleine. Kein Fehler ist so schlimm, dass er nicht vergeben werden kann.“ Ihre Stimme klingt so nah und so weich.

„Nein Mummy, meinen Fehler kann ich nicht wieder gut machen.“ Ich beginne zu weinen.

Sie legt ihre Hand auf meine Wange „Wenn wir lieben, machen wir Fehler, das ist nun einmal so.“ sie küsst meine Stirn und ich schließe meine Augen.

Ich treibe dahin, Stimmfetzen fliegen um mich herum, immer wieder durchzucken Lichtblitze die Idylle aus Wolken und kristallblauem Himmel.

Ich fühle mich frei, aber ich kann mich nicht bewegen…

Es ist, als wäre ich fest gebunden, aber ich sehe keine Seile, die mich zurück halten. Ich trage ein schneeweißes Kleid, treibe dahin und sehe den kristallblauen Himmel über mir… Ich treibe auf den Wolken dahin, sie tragen mich und halten mich fest.

„Mein kleiner Liebling…“ höre ich die Stimme meiner Mum „Es ist Zeit für dich zurück zu gehen.“ Sagt sie sanft.

„Ich will nicht.“ Flehe ich sie an.

Dieser Ort ist so friedlich, so ruhig und ich fühle mich so erleichtert.

„Du musst aber mein kleiner Liebling.“ Sagt sie mit Nachdruck.

„Aber warum?“ ich sehe mich um, versuche sie zu finden. Ich will nicht nur ihre Stimme hören, ich will sie sehen.

Dann taucht sie aus den Wolken auf und nimmt meine Hand in ihre. Ich spüre ihre Berührung kaum, aber das ist mir egal. Ich betrachte ihr wunderschönes Gesicht, ihre grasgrünen Augen, ihre langen hellbraunen Haare, sie ist etwa in meinem Alter und wirklich wunderschön… es gibt kein anderes Wort, welches sie beschreiben kann.

„Ich will bei dir bleiben Mummy.“ Flehe ich sie erneut an.

„Nein mein kleiner Liebling…“ sie sieht mich an und schüttelt sanft mit dem Kopf „Deine Zeit ist noch nicht gekommen.“

„Aber ich habe nichts…“ setze ich an.

„Oh doch mein kleiner Liebling, du hast Rick, du hast Ethan, du hast Kathie, du hast Olivia, du hast Taylor und Hailey braucht dich. Nicht zu vergessen, du hast auch Dec.“ Sie küsst meine Stirn.

Ich will ihr antworten, aber ich werde von diesem friedlichen Ort weg gezogen.

Ich will mich orientieren und höre ein Stöhnen, ich brauche etwas Zeit, um zu erkennen, dass ich diejenige bin, die stöhnt.

Die Schmerzen sind schlimm, ich kann nicht einmal sagen, was mir genau weh tut, ich denke sie haben mich mit Schmerzmitteln voll gepumpt…

Ich versuche meine Augen zu öffnen und nach mehreren Anläufen gelingt es mir endlich.

„Hi Sis.“ Ethan steht neben meinem Bett und sieht mich erleichtert an.

„Ethan.“ Krächze ich.

„Nicht sprechen.“ Er nimmt meine Hand vorsichtig in seine.

Ich drehe leicht meinen Kopf und registriere die ganzen Apparate und Maschinen um mich herum.

„Was ist passiert?“ flüstere ich.

Mein  Kopf dröhnt und ich kann die Puzzelteile einfach nicht zusammen fügen.

Ich weiß nur noch, dass ich mit Dec geredet habe…

Oh Dec.

Ich schließe gequält meine Augen.

„Hey, meine Lieblingspatientin ist endlich aufgewacht.“ Kelly taucht neben Ethan auf und strahlt mich an.

„Lass mich raten, dir tut alles und ich meine wirklich alles weh, dein Kopf explodiert gleich und dein Hals brennt.“ Er setzt sich auf meine Bettkante und ich nicke schwach. „Tja Dornröschen, ich würde dir gerne sagen, es ist gleich vorbei, aber leider wirst du dich noch eine ganze Weile ziemlich beschissen fühlen.“ Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Ethan? Lässt du mich kurz mit ihr alleine? Ich muss ihre Reflexe prüfen und sie untersuchen.“ Er dreht sich zu Ethan um und dieser nickt ihm kurz zu.

Dann reicht er mir eine Schnabeltasse mit Wasser und das kühle nass ist eine wahre Wohltat für meinen Hals.

„Kannst du dich erinnern was passiert ist?“ Kelly sieht mich fragend an.

„Nein.“ Flüstere ich, meine Stimme klingt zum Glück nicht mehr so kratzig, aber mein Hals brennt immer noch.

„Du hattest einen schweren Autounfall…“ er nimmt meine Hand „Es sah wirklich übel aus.“ Er schließt kurz seine Augen. Ich weiß, das Kelly nicht die Art von Mensch ist, die sich ihre Gefühle gerne anmerken lassen, umso mehr bestätigt er mich in der Annahme, das ich mehr Glück wie Verstand gehabt habe.

„Du hast dir 8 Rippen gebrochen, deine Lunge ist kollabiert, du hast einen sechsfachen Schädelbruch, du hattest schwere innere Blutungen und dein linker Arm ist an 6 verschiedenen Stellen gebrochen gewesen.“ Zählt er mir meine Verletzungen auf und ich schließe gequält meine Augen.

„Hey…“ sagt er sanft „Deine Rippen heilen sehr gut, deine Lunge erholt sich langsam, dein Kopf ist noch dran und deine Blutungen haben wir in den Griff bekommen. Dein Arm wurde gerichtet und verschraubt und du hast unwahrscheinliches Glück gehabt, das deine Wirbelsäule nichts abbekommen hat.“ Er legt seine Hand auf meine Wange „Du hattest einen sehr eifrigen Schutzengel… Wir mussten dich mehrmals reanimieren, aber du hast nicht aufgegeben.“

„Ich weiß das alles nicht mehr.“ Ich merke wie mir eine Träne übers Gesicht läuft.

„Du müsstest doch am Besten wissen, dass das eine natürlich Schutzreaktion des Körpers ist. Die Hauptsache ist, das du weißt, wer ich bin.“ Er grinst leicht und ich erwidere es schwach.

„Ich weiß noch, dass ich mit Dec geredet habe und er mich verlassen hat.“ Erkläre ich ihm leise.

„Also so gut will dein Körper dich dann doch nicht schützen.“ Er seufzt leise. „Hör’ zu Alex, Ethan, Patrick und Declan geben sich hier die Klinke in die Hand. Was immer bei dir und Declan los ist, in den letzten drei Wochen war er hier.“

„Rick? Drei Wochen?“ ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Ja, scheint als hätte Dornröschen ihren Schlaf gebraucht und Patrick ist zwei Tage nach deinem Unfall angekommen, er lässt doch seine kleine Schwester nicht allein…“ er steht auf „Ich untersuche dich jetzt kurz. Houser schaut später nach dir und überprüft, ob er dir die Drainagen aus deinem wunderhübschen Kopf entfernen kann.“ Er beginnt routiniert seine Untersuchungen und ist schlussendlich ganz zufrieden mit mir.

„Ich stelle die Schmerzmitteldosis ein wenig höher ein, aber davon wirst du müde.“ Er nickt mir zu und ich schenke ihm einen dankbaren Blick.

„Ich komme morgen wieder vorbei.“ Verspricht er mir.

Kaum das er das Zimmer verlassen hat kommen Ethan und Rick herein. „Hey kleine Schwester.“ Rick setzt sich an mein Bett und streicht mir über die Wange.

„Du hättest nicht extra kommen müssen.“ Ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an.

„Es gibt nichts, was mich davon hätte abhalten können.“ Er drückt mir einen vorsichtige Kuss auf die Stirn.

„Danke.“ Ich lege meine Hand auf seine.

„Was hat Kelly gesagt?“ Ethan steht neben Rick und sieht mich besorgt an.

„Soweit sieht es ganz gut aus, die Brüche heilen und es wird entschieden wann ich die Schläuche los werde.“ Ich deute auf meinen Kopf. „Mum hat gesagt, meine Zeit ist noch nicht gekommen.“ Flüstere ich.

„Sie hatte Recht.“ Ethan beugt sich über mich „Wir brauchen dich Sis.“

„Ich bin so müde.“ Gestehe ich.

„Alles klar, wir lassen dich etwas schlafen.“ Rick küsst erneut meine Stirn. „Wir kommen später wieder.“

„Wie spät ist es?“ frage ich leise.

„Kurz nach 17 Uhr.“ Antwortet mir Ethan mit einem Blick auf seine Uhr.

„Fahrt nach Hause, schlaft euch aus…“ bitte ich sie „Ich bin morgen auch noch hier. Versprochen.“

„Okay, aber nur weil du es bist.“ Ethan nimmt mein Gesicht in seine Hände „Mach so etwas nie wieder.“ Ihm treten Tränen in die Augen „Ich könnte es nicht ertragen dich zu verlieren.“

„Oh Ethan.“ Schluchze ich leise. „Ich liebe Dich.“

„Ich dich auch.“ Er küsst mich ebenfalls auf die Stirn.

Dann winken mir beide zu und verlassen mein Zimmer. Die Schmerzen gehen langsam auf ein erträgliches Maß zurück und ich lehne mich erschöpft zurück.

Etwas oder jemand hält meine Hand fest und ich öffne langsam meine Augen, ich sehe neben mich und erkenne, das Dec mit seinem Kopf auf meiner Hand liegt und schläft. Er muss gerade von seiner Schicht gekommen sein, denn er trägt noch seine Dienstsweatjacke.

Ich streiche ihm langsam über den Kopf und er sieht auf.

„Hi.“ Sagt er fast schüchtern.

„Wie spät ist es?“ frage ich leise, ich habe immer noch kein Zeitgefühl.

„Kurz nach 3.“ Antwortet er und ich schließe kurz meine Augen.

„Fahr nach Hause Dec.“ Sage ich sanft.

„Nein…“ erwidert er sicher.

„Ich habe Durst.“ Ich schlucke schwer und er reicht mir meinen Becher.

Dankbar nehme ich einen Schluck.

„Dec… „setze ich an.

„Nein Alex, bitte nicht.“ Seine Augen flehen mich an.

„Ich weiß noch, was du gesagt hast und ich weiß auch, was ich gesagt habe.“ Ich merke wie sich die Tränen in meinen Augen sammeln.

„Ich hätte nicht von dir erwarten dürfen, das du mir wieder vertrauen kannst…“ er küsst meine Hand „Ich will, das du es mir irgendwann aus freien Stücken sagst, ohne das Gefühl zu haben, ich will es hören. Lass uns von vorne anfangen und nicht einfach da weiter machen, wo wir aufgehört haben. Ohne den Druck der anderen, wenn es klappt, dann können wir es ihnen immer noch sagen.“ Bittet er mich.

„Von vorne? Beim ersten Date?“ frage ich leise.

„Ja Alex, beim ersten Date und dann sehen wir wohin sich das entwickelt. Wenn unsere Liebe stark genug ist, dann überstehen wir es, wenn nicht, dann haben wir zumindestens alles versucht.“ Er küsst erneut meine Hand „Alex, willst du mir ausgehen?“

„Ja, gerne.“ Erwidere ich „Aber ich denke du wirst dich noch etwas gedulden müssen.“

„Ich warte gerne auf dich.“ Er beugt sich über mich du küsst mich ganz sanft.

„Danke Dec.“ Gebe ich gerührt zurück.

„Jetzt schlaf ein bisschen.“ Er sieht mich liebevoll an und ich schließe meine Augen.

Früh am nächsten Morgen kommt Dr. Houser und die Schläuche werden entfernt, ein weiterer kleiner Schritt Richtung gesund Werdens.

Die Schritte sind klein, aber ich bin für jeden Dankbar…

Nach 3 Tagen kann ich auf Normalstation verlegt werden und als erstes darf mich Hailey besuchen.

„Alex!“ sie kommt weinend an mein Bett und ich nehme sie vorsichtig in den Arm.

„Hey Süße.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf ihre Haare, die wie immer nach Erdbeeren riechen.

„Ich hatte solche Angst um dich.“ Weint sie.

„Ich bin hier meine Süße.“ Versuche ich sie zu beruhigen.

„Bitte geh nicht weg.“ Schluchzt sie.

„Hi.“ Dec kommt mit Kathie und Ethan ins Zimmer.

„Ich geh nicht weg.“ Verspreche ich Hailey und sie schluchzt leise auf.

„Ich passe auf, dass sie nicht weg geht. Okay?“ Dec sieht zu ihr und sie sieht unter Tränen auf.

„Versprochen?“ fragt sie ungläubig.

„Ganz fest versprochen.“ Dec hebt seine Hand zum Schwur.

Hailey beruhigt sich tatsächlich und Kathie, Olivia und Taylor begrüßen mich, da sie auf der Intensivstation ja nicht zu mir durften. Sie bringen mir Obst und Zeitschriften mit und auch Rick lässt es sich nehmen und kommt vorbei. Irgendwann wird es der Schwester zu bunt und sie setzt alle sanft aber bestimmt vor die Tür.

Ich werde jeden Tag ein Stückchen wieder mehr ich selbst… wenn ich Kelly glauben schenken, dann werde ich sogar schlimmer. Ich hasse es, nicht das zu machen, was ich gerne will.

Rick fliegt nach 2 weiteren Wochen in Dublin wieder nach Seattle zurück und ich habe die Zeit mit meinen beiden großen Brüdern wirklich genossen.

Auch die anderen Männer von Dolphin’s Barn und Jeff besuchen mich natürlich, decken mich mit Obst, Süßigkeiten und Zeitschriften ein.

Sie sind toll und es rührt mich, welche Sorgen sie sich um mich gemacht haben.

Zwei Monate nach dem Unfall darf ich endlich nach Hause, auch wenn mein Arm noch eingegipst ist, so bin ich froh, dass ansonsten alles gut verheilt ist.

Ethan und Dec haben Schicht und ich rechne damit, das Kathie mich abholt, aber als ich aus dem Krankenhaus trete, da stehen tatsächlich die beiden Trucks von Dolphin’s Barn vor der Tür und hupen lautstark.

Ich schüttele lachend meinen Kopf und Ethan hilft mir zu ihm in den Truck zu steigen.

Wir fahren zur Wache, wo extra Pizza bestellt wurde und als wir in die Halle fahren, kommt Dec zum Truck und hilft mir beim aussteigen.

„Ich rechne damit, dich am Samstag auszuführen.“ Er küsst meine Hand.

„Gerne.“ Ich strahle ihn an.

Ethan hüpft nach mir aus dem Truck.

„Was flüstert ihr denn?“ er sieht von mir zu Dec.

„Wenn du es wissen solltest, dann hätten wir ja wohl kaum geflüstert.“ Gibt Dec zu bedenken.

„Da ist sie ja!“ Jeff kommt aus dem Aufenthaltsraum und schließt mich vorsichtig in seine Arme.

„Hallo Jeff.“ Begrüße ich ihn.

„Es tut so gut dich zu sehen.“ Er legt seinen Arm um meine Schulter und wir gehen in den Aufenthaltsraum, wo schon mehrere Kartons mit duftender Pizza auf dem Tisch.

„Ich verhungere gleich.“ Ich reibe mir den Bauch, aber bevor ich etwas zwischen die Zähne bekomme, lassen es sich die anderen nicht nehmen und drücken und herzen mich.

Das ist meine Familie… schießt es mir durch den Kopf.

Mein Dad hat immer gesagt, wir haben zwei Familie, die die zu Hause wohnt und Dolphin’s Barn.

Er hatte Recht, jeder andere hätte sich über eine kleine Willkommensparty zu Hause sicherlich mehr gefreut, aber ich will genau das hier…

Dec fährt mich später nach Hause und verabschiedet sich mit einem Kuss auf die Wange von mir.

Wir haben endlich über die wichtigen Dinge in unserem Leben geredet und ja, wir fangen von ganz vorne an… beim ersten Date.

Im Haus ist alles ordentlich und sauber und ich hege den Verdacht, das Kathie des Öfteren vorbei geschaut haben muss, denn so sauber habe ich mein Haus nicht verlassen.

Die erste Nacht in meinem eigenen Bett ist himmlisch…

Der Frühling macht sich mit kleinen Schritten bemerkbar und ich entdecke am nächsten Morgen die ersten Krokusse im Garten.

Am späten Nachmittag kommt mich Ethan besuchen und erkundigt sich, ob ich zu Recht komme, denn immerhin kann ich nur einen Arm benutzen. Aber ich bin mittlerweile geschickt darin alles nur mit rechts zu machen.

„Hey Sis, am nächsten Wochenende komme ich vorbei und mähe den Rasen.“ Er deutet nach draußen.

„Danke Ethan.“ Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.

„Wie ist es denn wieder zu Hause zu sein?“ fragt er leise.

„Herrlich.“ Gebe ich zu.

„Und fehlt dir deine Arbeit?“ er grinst leicht.

„Und wie, aber noch muss ich wohl zwei, drei Wochen überstehen, ehe sie mich wieder in die Notaufnahme lassen.“ Ich ziehe einen Schmollmund. „Dieser doofe Gips.“ Fluche ich.

„Ich bin froh, dass das jetzt nur ein Gips ist und du nicht deinen Kopf unter dem Arm trägst.“ Er setzt sich und ich setze mich zu ihm.

Wir haben die ganze Zeit im Krankenhaus nicht über den Unfall gesprochen.

„War es schlimm?“ ich lege meine rechte Hand auf seine, die auf seinem Knie liegt.

„Ja Alex, es war das Schlimmste was ich in meinem Leben erlebt habe.“ Gesteht er mir „Ich dachte, ich verliere dich. Ich dachte wirklich, du stirbst mir unter den Händen weg.“ Er sieht mich an und ich schlucke schwer.

„Es tut mir so leid.“

„Alex, es war doch nicht deine Schuld…“ er küsst meine Stirn „… In den Wochen da an deinem Krankenbett ist mir etwas klar geworden.“ Er atmet tief durch.

„Was?“ hake ich nach.

„Weißt du, Dec und ich sind wieder richtig gute Freunde…“ er sieht mich an und ich nicke „… Aber ich bin nicht blind. Du hast mir nach deinem Unfall gesagt, das du ihn liebst und ich weiß, er liebt dich auch.“ Er schluckt schwer „Ihn so zu sehen wie an dem Tag deines Unfalls…“ er schüttelt leicht seinen Kopf „… Alex, er ist zusammen gebrochen, ich habe ihn noch nie so verzweifelt und so voller Angst gesehen.“ Er sieht mich an „Wenn es für mich der Schlimmste Tag in meinem Leben war, dann war es für ihn sein Armageddon.“

„Ich weiß…“ ich wische mir meine Tränen weg.

„Ich will mich bei euch nicht einmischen, aber was immer du tust, er hat sich verändert, er versucht mit allen Mitteln, das was er getan hat, wieder gut zu machen.“ Erklärt er mir und  es berührt mich, das er es plötzlich ist, der mich darum bittet Dec eine zweite Chance zu geben.

„Dec und ich fangen bei Null an. Entweder es klappt, oder eben nicht.“ Ich lächle leicht.

„Das ist gut Sis, das ist wirklich gut. Ich verspreche ich halte mich da raus.“ Er hebt die Hand zum Schwur.

„Wir machen es nur unter uns aus.“ Erkläre ich ihm und sehe ihn bittend an.

„Von mir erfährt niemand etwas, aber wenn was ist, dann kommst du zu mir, ja?“ er zieht mich in seine Arme.

„Klar, für was habe ich denn einen großen Bruder?“ grinse ich.

„Hey, lass das nicht Rick hören.“ Er knufft mich leicht.

„Ich habe zwei ganz besondere große Brüder.“ Ich lege meine Stirn an seine. „Ich weiß, was ich euch verdanke.“

Etwas später verabschiedet sich Ethan und ich mache mich für mein Date mit Dec fertig. Unschlüssig stehe ich vor meinem Kleiderschrank und wähle schließlich ein knielanges, dunkelblaues Kleid und eine weiße Strickjacke. Ich schlüpfe in meine weißen Pumps und überprüfe zum x-ten Mal mein Make up, als es endlich klingelt.

Strahlend öffne ich die Tür und lasse ihn herein. Er zaubert einen wunderschönen Strauß weißer Calles und rosaner Rosen hinter seinem Rücken hervor.

„Für dich, du siehst wunderschön aus.“ Lächelt er und küsst meine Wange.

„Danke Dec.“ Ich nehme die Blumen gerührt an mich. „Ich stelle sie schnell ins Wasser.“ Ich gehe ins Wohnzimmer und suche eine Vase heraus und stelle dann die Blumen auf den Küchentisch.

„Wohin führst du mich aus?“ ich nehme meine Jacke und hake mich bei ihm unter.

„Warum bist du nur immer so neugierig?“ lächelt er und hält mir die Tür von seinem Auto auf, denn ich habe ja zurzeit keins…

„Okay, ich frage nicht weiter…“ ich sehe ihn prüfend an, er trägt eine dunkle Jeans, ein weißes Hemd und ein schwarzen Jackett, sehr einfach aber ungemein kleidsam.

„Du siehst wirklich gut aus.“ Gestehe ich ihm und er küsst meine Hand.

„Ich sagte bereits, wie wunderschön du aussiehst und jetzt schnall dich bitte an.“ er lächelt und dieses lächeln lässt ihn schon fast unverschämt gut aussehen.

Ich tue ihm den Gefallen und als wir vor einem großen Gebäude halten, da weiß ich genau, wo wir sind.

„Du erinnerst dich?“ frage ich grinsend.

„Ich könnte nie das erste Date mit meiner Frau vergessen.“ Er hält mir die Tür auf und hilft mir beim aussteigen „Tatsächlich hattest du damals auch einen Gips.“ Er lacht leise.

„Ja…“ ich stimme in sein lachen mit ein „Ich bin in der Akademie beim Klettertraining aus den Haltegurten gerutscht und habe mir das rechte Handgelenk gebrochen.“ Erinnere ich mich.

Wir betreten das Gebäude und eine halbe Stunde später sitzen wir unter dem Sternenhimmel.

Das Planetarium…

Wie lange war ich schon nicht mehr hier?

Es scheint mir eine Ewigkeit her zu sein.

Wir hören uns tatsächlich den gleichen Vortrag wie damals an und Dec ergreift zögerlich meine Hand.

Ich sehe in die Sterne und lächle… das ist Richtig was wir hier tun.

Wir lagen falsch, als wir annahmen einfach nahtlos an damals anzuknöpfen. Wir müssen von Vorne anfangen und uns neu kennen lernen, wir haben uns verändert in den letzten 8 Jahren und das ist auch gut so.

Nachdem die Vorstellung zu Ende ist führt mich Dec in ein italienisches Restaurant aus, es ist wunderbar, ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so wohl gefühlt habe.

Als er vor meinem Haus hält und aussteigt, um schnell ums Auto herum zu laufen, da wird klar, das ich nie aufgehört habe ihn zu lieben.

Er begleitet mich zur Tür und sieht mich lächelnd an.

„Ich bedanke mich für den wundervollen Abend.“ Seine Hand legt sich unter mein Kinn „Ich hoffe, dass ich dich bald wieder ausführen darf.“

„Jederzeit.“ Erwidere ich glücklich und seine Lippen berühren meine für einen sanften Kuss.

„Heute Abend?“ er sieht auf seine Uhr und grinst verschmitzt.

„Sehr gerne.“ Ich nicke ihm zu, er lächelt und geht zurück zu seinem Auto.

Am nächsten Abend gehen wir ins Kino und auch die nächsten zwei Wochen führt er mich fast jeden Abend aus.

Wir wollen es langsam angehen, aber es fällt mir immer schwerer die Finger von ihm zu lassen.

„Bis morgen.“ Ich küsse ihn innig.

„Leider nicht.“ Er lächelt wissend „Ich arbeite auch ab und zu.“

„Oh…“ entfährt es mir enttäuscht.

„Aber ich verspreche dir, Samstagabend koche ich für dich. Um 18 Uhr bei mir?“ er küsst mich erneut.

„Gerne.“ Ich winke ihm hinterher und als ich die Tür hinter mir schließe, da schlägt mir mein Herz bis zum Hals.

Lächelnd gehe ich ins Bett und schlafe wirklich ausgesprochen gut.

Ich langweile mich am nächsten Abend und bestelle mir um kurz nach 23 Uhr ein Taxi.

„Wohin Miss?“ der Fahrer dreht sich zu mir um.

„Dolphin’s Barn bitte.“ Erwidere ich lächelnd.

„Alles klar Miss.“ Er dreht sich wieder um und fährt los.

Nach 20 Minuten bitte ich ihn etwas abseits der Wache zu halten und bezahle ihn.

Ich gehe dieses Mal nicht durch die Halle, sondern durch den Seiteneingang. Ich möchte nicht, dass mich jetzt jemand sieht, da würden nur Fragen auftauchen, die ich nicht beantworten will. Ich sehe den Großteil der Schicht im Aufenthaltsraum sitzen, aber Dec ist nicht dabei. Ich schleiche mich die Treppe rauf und grinse, ich tue gerade so, als ob ich etwas Verbotenes machen würde…

Ich sehe, das in Decs Büro Licht brennt, ich klopfe nicht, sondern ich gehe einfach rein und er sieht mich überrascht an.

Ich schließe die Tür hinter mir ab und verdunkele die Jalousien.

„Was hast du vor?“ fragt er lächelnd.

„Langsam angehen schön und gut, aber als wir uns kennen gelernt haben, da hat es keine zehn Dates oder zwei Wochen gedauert, ehe du über mich hergefallen bist.“ Erkläre ich ihm mit einem koketten Augenaufschlag.

„Und nun bist du hier? …“ er zieht eine Augenbraue hoch.

Ich ziehe meinen Mantel aus und öffne die Schleife meines Wickelkleides, ich stehe nur in Spitzenunterwäsche vor ihm und seine Augen funkeln.

„Noch Fragen?“ ich gehe langsam auf ihn zu.

„Nein…“ er lächelt „… Komm her!“ mit einer geschickten Bewegung zieht er mich in seine Arme und küsst mich verlangend. Ich ziehe ihm zwischen zwei Küssen seinen Pullover über den Kopf und nestele an seinem Hosenknopf herum.

„Sicherheitsknopf.“ Nuschelt er und ich fluche leise, was ihn wiederum zum lachen bringt und er sich selbst von seiner Hose befreit.

Ich drücke ihn auf das Bett und setze mich auf seinen Schoß.

Er öffnet geschickt meinen BH und legt mich sanft aufs Bett, zärtlich küsst er mich und ich stöhne leise. Seine Hand gleitet unter meinen Slip, berührt mich ganz leicht und ich schließe meine Augen.

Er ist zärtlich und so liebevoll, das ich meine unter seinen Händen zu zerfließen. Als er endlich in mich eindringt sehe ich ihm in die Augen und kann nicht fassen, wie viel Liebe ich darin sehe…

Ich küsse ihn unablässig und als wir beide unseren Höhepunkt erreichen, da beiße ich ihm sanft in die Schulter um keinen Mucks von mir zu geben.

Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und sieht mich liebevoll an.

„Was?“ frage ich leicht verlegen.

„Danke mein Engel.“ Er beugt sich über mich und küsst mich.

„Lieutenant?“ einer seiner Männer klopft an seine Tür.

„Was gibt es Walker?“ fragt Dec um Haltung in seiner Stimme bemüht.

„Wir haben Pizza bestellt.“ Erklärt er ihm.

„Ich bin in 10 Minuten unter.“ Ruft Dec ihm durch die geschlossene Tür zu.

Die Schritte entfernen sich und er sieht mich entschuldigend an. „Sorry.“ Er küsst mich innig.

„Na ja, du bist ja zum arbeiten hier und nicht zu deinem Vergnügen.“ Ich stehe auf und beginne mich anzuziehen.

„Also die letzte Stunde war eindeutig mein Vergnügen.“ Er haucht einen Kuss auf meine nackte Schulter.

Wir ziehen uns beide schweigend an, aber immer wenn sich unsere Blicke treffen, dann erscheint ein lächeln auf unseren Gesichtern.

Er bringt mich zur Hintertür.

„Ich danke dir mein Engel.“ Er küsst mich zum Abschied.

„Ich danke dir mein Held.“ Ich winke ihm zu und rufe mir an der nächsten Ecke ein Taxi nach Hause.

Las ich am nächsten Morgen aufwache fühle ich mich beschwingt wie lange nicht mehr.

Heute wird ein guter Tag, draußen scheint die Sonne, die Temperaturen steigen langsam an und es ist für Ende März wirklich herrlich.

Ach ja, nicht zu vergessen, mein Gips kommt heute endlich ab!

Ich habe um 10 Uhr einen Termin im Krankenhaus und bin viel zu früh da, weil ich es gar nicht erwarten kann den Gips endlich los zu werden.

Dr. Izobell Terence, meine Orthopädin ruft mich zu sich rein, als sie mich entdeckt und ich betrete lächelnd ihr Sprechzimmer.

„Bereit?“ fragte sie und ich setze mich.

„Ich kann es kaum erwarten.“ Gebe ich zurück und sie beginnt sogleich den Gips zu entfernen. Anschließend muss ich zum röntgen und sie ruft mich wieder zu sich.

„Also Alex, das sieht alles wirklich gut aus. Du kannst langsam anfangen deine Hand zu belasten. Eine Woche solltest du noch warten, ehe du wieder arbeitest, aber dann kannst du los legen.“ Sie grinst mich an und ich atme erleichtert aus.

„Ich danke dir Izzy, ich drehe fast durch.“ Gebe ich zu und sie lacht.

„Immer das gleiche mit den Ärzten.“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich will dich in zwei Wochen noch mal zum röntgen sehen, dann sollte die Sache ausgestanden sein. Wenn du Dienst hast, schau einfach vorbei, zur Not kann ich die Aufnahme auch selber machen.“ Sie zwinkert mir zu.

„Danke Izzy!“ ich winke ihr zu und betrachte meine Hand, sie ist noch etwas blass und steif, aber das bleibt nach fast 12 Wochen Gips nicht aus.

Sich einen Knochen nur einmal zu brechen heilt wesentlich schneller als ihn sich 6 Mal zu brechen…

Als ich nach Hause komme, steht Decs Auto in der Auffahrt und ich lächle.

Leise betrete ich das Haus und er schläft auf der Couch.

Ich lege mich neben ihn und streiche ihm durch die Haare, langsam öffnet er seine Augen.

„Hey.“ Er reibt sich verschlafen die Augen.

„Hey Einbrecher.“ Lächle ich.

„Ich bin nicht eingebrochen und ganz ehrlich, du solltest dir ein neues Versteck für deinen Zweitschlüssel suchen.“ Er küsst mich.

„Hmm, bisher hat ihn noch niemand gefunden.“ Gebe ich zurück.

„Ich bin nicht niemand.“ Er zieht mich in seine Arme.

„Das stimmt.“ Lache ich. „Komm du bist müde.“ Ich ziehe ihn von der Couch hoch und führe ihn ins Schlafzimmer.

„Du schläfst jetzt etwas und ich wecke dich zum Abendbrot.“ Ich küsse ihn und stehe wieder auf.

„Der Gips ist ja ab.“ Er sieht mich erstaunt an.

„Endlich.“ Lächle ich „Und jetzt schlaf.“ Sage ich im strengen Ton und schließe die Verdunklungsrollos.

„Ich liebe Dich.“ Flüstert er.

„Ich dich auch.“ Erwidere ich ebenso leise.

Ich koche uns was Chinesisches zum Abendbrot und es ist so schön ihn wieder im Haus zu haben, ich habe es so sehr vermisst… Ich habe ihn so sehr vermisst.

Nach einer Woche kann ich endlich wieder arbeiten und Kelly freut sich wie ein kleines Kind mich endlich wieder zu haben.

„Endlich!“ er drückt mich an sich.

„Hey, das kann als sexuelle Belästigung gelten.“ Lache ich und mache mich los.

„Na, na.“ Er sieht mich grinsend an. „Bereit?“ er reicht mir meinen Pieper.

„Immer.“ Antworte ich ihm und wir gehen in die Einlieferung.

Es tut so gut endlich wieder zu arbeiten und ich merke, wie sehr es mir gefällt hat.

Bei mir und Dec spielt sich so etwas wie Routine ein, ohne das es sich danach anfühlt. Wenn ich Nachtdienst habe, dann besucht er mich im Krankenhaus und wenn er Schicht hat, dann statte ich ihm einen Besuch ab.

Wir sind glücklich… etwas, was ich vor einem Jahr nicht ansatzweise für möglich gehalten habe.

Ich bin fast fertig mit meiner Freitagabendschicht, als Izzy in die Notaufnahme kommt.

„Alex? Hast du nicht was vergessen?“ sie stemmt die Hände in die Hüfte und versucht mich strafend anzusehen.

„Das Röntgen!“ ich schlage mir mit der flachen Hand an die Stirn.

„Ja, vor einer Woche.“ Sie schüttelt nachsichtig den Kopf und winkt Kelly zu „Kelly? Kann ich sie dir für 20 Minuten entführen?“ fragt sie ihn.

„Nimm sie mit, sie hat eh Dienstschluss…“ er winkt ab.

„Wie immer nett mit dir gearbeitet zu haben.“ Ich verdrehe die Augen.

„Du weißt, dass ich gut bin.“ Lacht er und ich seufze.

„Ja Kelly du bist der Größte…“ ich sehe zu Izzy „Spinner.“ Füge ich leise hinzu.

„Montag um 7 Uhr, genieße deine Wochenende.“ Ruft mir Kelly hinterher und ich nicke ihm lachend zu.

Ich fahre mit Izzy in den 4. Stock.

„Ich mache die Bilder, setz dich…“ wir gehen in den Röntgenraum „Oh man, ich habe das lange nicht gemacht.“ Sie loggt sich in den Computer ein. „Also Fragebogen.“ Stöhnt sie.

Nachdem wir meine Personalien durch gegangen sind, hebt sie ihren Kopf. „Schwangerschaft ausgeschlossen?“

Ich will ja sagen, aber da schießt mir durch den Kopf, dass ich seit meinem Unfall meine Periode noch nicht einmal hatte.

„Ich denke ja.“ Sage ich schließlich.

„Denken ist nicht wissen.“ Sie schüttelt den Kopf und legt mir eine Bleischürze um.

Ich bin gar nicht bei der Sache und denke angestrengt nach, wann ich das letzte Mal meine Periode hatte, Mitte Dezember…

„Sag mal Izzy, wie lange braucht der Körper um so einen Unfall zu verarbeiten?“ frage ich, als sie mir die Röntgenbilder vorlegt.

„Meist ein bis zwei Monate. Wieso?“ sie legt ihren Kopf schief.

„Ach nichts.“ Winke ich ab. „Und was siehst du?“ ich deute auf die Bilder.

„Alles wie es sein soll. Wie geht es mit dem Arm und der Hand? Gefühlsausfälle? Taubheit?“ sie sieht mich fragend an.

„Nein und nein.“ Sage ich sicher.

„Wunderbar, dann ist das abgeschlossen.“ Sie klickt auf die Esc-Taste ihres Computers. „Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.“

„Ich danke dir Izzy!“ ich stehe auf und verlasse immer noch in Gedanken ihr Büro.

Ich bin heute mit Decs Auto hier und ich fahre an die nächste Apotheke mit 24 Stunden Service.

„Was kann ich für sie tun?“ ein älterer Herr sieht mich fragend an.

„Ich hätte gerne einen Schwangerschaftstest, so einen mit Wochenanzeige wenn möglich…“ ich knete nervös meine Hände „Nein, gebe sie mir gleich zwei.“ Füge ich hinzu und er lächelt mich nachsichtig an. Er packt sie in eine Tüte und bezahle schnell.

Ich muss nach Hause…

Dec hat für uns gekocht und ich stochere in meinem Essen herum.

„Was ist los?“ fragt er und legt seinen Kopf schief.

„Mir ist heute was aufgefallen und ich weiß nicht, was ich davon halten soll…“ ich lege mein Besteck hin, er räumt meinen Teller ab und setzt sich auf den Tresenhocker neben mich.

„Was denn?“ er küsst meine Hand.

„Na ja, Izzy hat heute die letzte Röntgenuntersuchung wegen meinem Arm gemacht…“ ich atme tief durch.

„Ist was nicht in Ordnung?“ fragt er besorgt nach.

„Doch, doch alles gut…“ ich streiche ihm sanft über die Wange „Sie musste den Fragebogen ausfüllen und bei der Frage nach einer Schwangerschaft, da stutzte ich plötzlich…“ ich sehe ihn ängstlich an.

„Warum?“ er versteht nicht, worauf ich hinaus will.

„Ich habe lange überlegt, wann ich das letzte Mal meine Periode hatte und ich hatte sie das letzte Mal um und bei dem 20. Dezember, danach nicht mehr.“ Erkläre ich ihm.

„Aber hätten sie das nicht nach deinem Unfall fest gestellt?“ er hält meine Hände fest umschlossen.

„Es gab keinen Verdacht, also überprüfen sie es nicht.“ Erkläre ich ihm.

„Und jetzt?“ er lächelt verunsichert.

„Ich habe einen Schwangerschaftstest gekauft…“ ich stehe auf und gehe zu meiner Tasche „Im Grunde genommen habe ich zwei gekauft.“ Ich halte die Packungen hoch.

„Dann ab ins Bad mit dir.“ Er steht auf.

„Was, wenn ich wirklich schwanger bin?“ flüstere ich und mein Herz hämmert in meiner Brust.

„Dann…“ er zwingt mich ihn anzusehen „Dann haben wir unseren Vorsatz es langsam anzugehen nicht wirklich eingehalten, aber ich wäre der glücklichste Mensch der Welt.“ Er küsst mich innig. „Es seid denn, du willst kein Kind.“ Jetzt klingt er ängstlich und ich lächle.

„Natürlich will ich Kinder…“ ich erwidere seinen Kuss „Ich habe immer davon geträumt mit dir Kinder zu haben.“ Gestehe ich und seine Miene hellt sich auf.

„Dann ab mit dir.“ Er drückt mir eine Packung in die Hand und scheucht mich ins Bad.

Ich führe den Test wie beschrieben durch und komme wieder raus.

„Und jetzt?“ er sieht mich gespannt an.

„3 Minuten warten.“ Ich atme tief durch.

„Hey mein Engel…“ er nimmt mich in seine starken Arme „Selbst, wenn du jetzt nicht schwanger sein solltest. Wir werden Kinder haben, ich glaube wirklich, dieses Mal funktioniert das mit uns Beiden.“ Er lächelt glücklich.

„Das Gefühl habe ich auch.“ Erwidere ich ebenfalls lächelnd.

Mein Handy piept und er nimmt meine Hand, zusammen gehen wir ins Bad und er nimmt den Test in die Hand.

„Es sollte besser wirklich funktionieren…“ er lächelt glücklich „Du bist schwanger, wenn ich dem Ding hier glauben darf, dann in der 13. Woche.“

Ich falle ihm überglücklich um den Hals und küsse ihn stürmisch.

„Oh wow…“ er hebt mich hoch und wirbelt mich im Kreis herum. „Wir bekommen ein Baby.“

Er freut sich so sehr und auch mein Herz droht vor Glück über zu laufen… Nach allem was passiert ist, bekommen wir ein Baby.

Das ist unglaublich!

Ich ziehe ihn dichter zu mir und küsse ihn immer wieder, schließlich nimmt er mich auf der Couch im Wohnzimmer und ich habe Angst, dass das alles nur ein Traum ist und ich gleich aufwache…

„Wann wollen wir es Ethan sagen?“ ich sehe zu Dec auf und er grinst.

„Ich glaube, wir sollten ihm das alles…“ er sieht mir tief in die Augen „… Ich meine uns und das Baby, häppchenweise verkaufen. Ich weiß nicht, ob er es so gut findet, das ich seiner kleinen Schwester einen Braten in die Röhre geschoben habe.“

„Wie redest du von deiner Frau?“ frage ich gespielt empört.

Er lacht und drückt mich an sich.

„Meine Frau… Oh ja.“ Lächelt er. „Nein ganz ehrlich, wollen wir es ihnen nächstes Wochenende auf Haileys Geburtstag sagen?“

„Gute Idee.“ Stimme ich ihm zu „Vor Zeugen wird er dich nicht töten.“

„Du gehst am Montag bitte gleich zum Arzt, lass dich durchchecken…“ bittet er mich „Ich komme mit.“ Er küsst mich zärtlich.

„Okay.“ Ich kuschele mich an seine Brust und er legt seine Hand auf meinen Bauch.

Wir verbringen das Wochenende fast ausschließlich im Bett und schmieden Pläne, wie gut das wir schon verheiratet sind und uns darum nicht auch noch kümmern müssen…

Kelly merkt am Montag sofort, das etwas anders an mir ist, aber ich sage ihm kein Wort…

Er nervt mich so sehr, das ich kurz davor bin einzuknicken.

„Nun komm schon Alex… sprich mit mir. Ich bin es, dein Mentor, dein Freund, dein…“ redet er auf mich ein.

„Hallo mein Engel!“ Dec kommt rein und ich atme erleichtert durch.

„Hey!“ ich nehme ihn in den Arm und küsse ihn. „Mein Mentor, mein Freund, mein… Kollege.“ Ich sehe zu Kelly „Du entschuldigst mich doch für eine halbe Stunde, oder?“

Ich warte seine Antwort nicht ab, sondern nehme Dec an die Hand und wir gehen Richtung Fahrstuhl.

Eine Kollegin in der Gynäkologie ist so nett uns dazwischen zu schieben und dann sehen wir es das erste Mal… unser Baby.

Dec hat Tränen in den Augen, als ich zu ihm sehe und ich halte seine Hand fest umschlungen.

„Es sieht alles wunderbar aus Dr. Casey…“ meine Kollegin sieht mich zufrieden an „… Sie sind, wie der Test schon gesagt hat in der 13. Woche, alles sieht gut aus…“ sie tippt auf dem Ultraschall herum „Der errechnete Stichtag ist der 21. September.“ Teilt sie uns mit und ich strahle Dec an.

„Ich gebe eine Mitteilung ans Personalbüro.“ Sie zwinkert mir zu und drückt mir die ersten Ultraschallbilder in die Hand.

„Vielen Dank.“ Ich richte mich auf und ziehe meinen Kasak wieder runter.

Als wir beide strahlend in die Notaufnahme zurück kehren stemmt Kelly die Hände in die Hüften und sieht mich strafend an.

„Was ist hier los? Ich drehe gleich durch.“ Seufzt er übertrieben.

„Also gut…“ ich sehe zu Dec und er nickt leicht „Ich bin schwanger.“ Lasse ich die Bombe platzen „Und du weißt nichts…“ drohe ich ihm „Du bist der erste der es erfährt weil jetzt nichts mehr mit Nachtdiensten ist.“

„Alles Gute!“ er fällt mir um den Hals und reicht Dec die Hand. „Oh… Keinen Nachtdienst mehr?“ er sieht mich an.

„Ja. Warum?“ ich lege meinen Kopf schief.

„Du hast 24 Stunden Wache auf Dolphin’s Barn von Donnerstag auf Freitag.“ Er atmet tief durch „Ich übernehme…“

„Nein Kelly, das bekomme ich hin. Ich mach das gerne.“ Ich sehe lächelnd zu Dec.

Das ist seine Schicht und was soll mir schon passieren, wenn mein Mann, der Feuerwehrheld, auf mich aufpasst?

„Okay, das ist aber das letzte Mal.“ Dec sieht zu Kelly.

„Aber sicher.“ Verspricht er ihm. „Ich glaube es nicht… Vielleicht hätte ich um meine Ehe auch so kämpfen sollen?“ sinniert er.

„Dafür ist es nie zu spät.“ Rät ihm Dec.

„Hmm…“ Kelly tut als müsse er nachdenken, er greift in seine Tasche und reicht mir meinen Ring und meine reparierte Kette. „Ich wusste, dass ihr es hin bekommt.“ Er lächelt mich an.

„Danke Kelly.“ Ich nehme die Kette und den Ring gerührt an mich. „Ich danke dir für alles.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Gern geschehen und Dec…“ er sieht ihn grinsend an „Sieh zu, das du verschwindest, ich brauche deine Frau mit voller Konzentration auf ihre Arbeit.“

„Okay, ich hole dich später ab.“ Dec drückt mir einen Kuss auf und verschwindet dann lächelnd.

Die Arbeit geht mir leicht von der Hand, ich bin im Reinen mit mir und allem anderen, ein Gefühl, was ich sehr lange nicht hatte.

Ich freue mich, als ich am Donnerstag mit Dec auf die Wache komme und alle begrüßen mich überschwänglich.

„Endlich mal wieder bei uns!“ James drückt mich eine Spur zu fest an sich, ehe ich was sagen kann, geht der Alarm los und wir laufen zu den Trucks und den Autos.

Ein Hausbrand…

Als wir ankommen macht sich das Squad Team gerade fertig und macht eine erste Hausdurchsuchung, als ich sehe wie Dec in voller Montur ins Haus stürmt, da dreht sich mir der Magen um.

Ich bin quasi mit der Feuerwehr aufgewachsen und ich kenne solche Einsätze, aber er ist mein Mann und der Vater meines ungeborenen Kindes. Vielleicht sind auch die Hormone Schuld, denn ansonsten kann ich gut damit umgehen.

Als wir Patienten bekommen, konzentriere ich mich auf sie und das Gefühl in meinem Magen lässt langsam nach.

Bis wir zurück auf die Wache kommen, dann kommt alles hoch und ich stürme zu Decs Truck.

„Was glaubst du eigentlich was du da machst?“ ich schlage mit der Faust gegen seine Brust, kaum das er aus dem Truck ausgestiegen ist.

„Was ist denn los?“ er sieht mich verständnislos an und reibt sich die Brust.

„Was los ist?“ ich schnappe nach Luft „Du stürmst ohne Absicherung in das Haus? Hast du sie nicht mehr alle?“ ich schlage erneut nach ihm.

„Alex…“ setzt er erneut an.

„Nichts Alex, denkst du auch ab und zu an mich? Und daran, das wir Eltern werden?“ ich stemme meine Hände in die Hüften und er verkneift sich ein lachen.

„Lustig?“ frage ich zischend mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Oh mein Engel, ich dachte, das mit den Stimmungsschwankungen bleibt mir noch etwas erspart.“ Gibt er zu und ich muss nun auch lächeln.

Ich führe mich hier nicht gerade sehr erwachsen auf. Die Hormone machen mich also jetzt schon fertig…

Super, ich bin in der 13. Woche, wie soll das denn bitte noch werden?

„Ich hatte Angst um dich.“ Gestehe ich leise und sehe zu Boden.

„Vertraust du mir?“ er legt seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen.

Wieder einmal stehen wir vor dieser Frage und die Antwort ist mir sonnenklar.

„Ich vertraue dir. Ich würde dir mein Leben anvertrauen.“ Ich sehe ihm in die Augen und küsse ihn zärtlich. Er hebt mich leicht an und ich umschlinge ihn mit meinen Beinen.

Um uns herum applaudieren und johlen die anderen und ich sehe ihn nach dem Kuss lächelnd an.

„Jetzt ist es wohl offiziell.“ Flüstere ich.

„Ja, endlich.“ Gibt er zu und küsst mich erneut.

Dann lässt er mich runter und Ethan kommt auf uns zu.

„Alles Gute ihr Zwei.“ Er hält Dec die Hand hin, doch er zieht ihn in eine Umarmung und sie schlagen sich freundschaftlich auf den Rücken. „Oh man ein Baby, aber mal ehrlich ihr habt schon immer einen etwas anderen Plan verfolgt, also wundert mich das nicht wirklich.“ Ethan zuckt mit den Schultern „Ich gratuliere euch!“ er zieht mich in seine Arme.

„Was ist denn hier los?“ Jeff kommt in die Halle und sieht uns verwundert an.

„Casey und Casey bekommen ein Baby.“ Feixt James.

„Ach so. Alles Gute!“ Jeff winkt uns zu und dreht sich dann wieder um, um in sein Büro zurück zu gehen.

„War das alles Jeff?“ rufe ich empört.

Lächelnd dreht er sich um und kommt auf uns zu.

„Natürlich nicht…“ er nimmt mich in seine starken Arme „… Ich gratuliere euch von ganzen Herzen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn „Ich bin stolz auf dich meine Kleine und du Casey…“ er lässt mich los und sieht Dec streng an, ehe er auch ihn in den Arm nimmt „Pass gut auf sie auf.“ Sagt er ernst und ich weiß, er meint es genauso ernst.

„Aber sicher Chief.“ Versichert ihm Dec.

„Also gut Leute, Nachbesprechung in 30 Minuten.“ Jeff klatscht in die Hände.

Ich schlinge meine Arme um Dec und er strahlt mich an.

„Also, ich muss mich nur vor den Augen meiner über alles geliebten Frau in Gefahr bringen und schon vertraut sie mir?“

„Untersteh dich…“ ich boxe ihn leicht „Nein Dec, du hast mir in den letzten Monaten immer wieder gezeigt, das ich dir vertrauen kann, aber ich hatte Angst.“ Gestehe ich ihm.

„Und jetzt hast du keine Angst mehr?“ er legt seinen Kopf schief und ich fahre ihm durch die Haare.

„Nein, warum auch? Ich bin ja schließlich mit einem Feuerwehrmann zusammen.“ Lächle ich.

„Ich liebe Dich.“ Haucht er und presst mich an sich.

„Ich dich auch.“ Erwidere ich glücklich.

„Okay, genug für jetzt…“ Ethan sieht uns kopfschüttelnd an „Sis, dein Mann hat noch 20 Stunden Schicht vor sich.“

„Ich auch, wenn ich dich erinnern darf.“ Entgegne ich und er verdreht die Augen.

„Warum nur? Warum ausgerechnet ich?“ seufzt er theatralisch.

„Weil ich nun einmal eure Notärztin bin, zu mindestens jetzt noch. Hast du dich etwa immer noch nicht daran gewöhnt?“ Ich kneife ihm in die Wange.

„Okay Jungs, duschen!“ ruft er in die Runde und alle machen sich auf den Weg nach oben.

„Ihr auch!“ sagt Dec zu seinen Männern und auch diese gehen in Richtung Treppenhaus.

Ich drehe mich zu Dec um und umschlinge seinen Nacken mit meinen Armen.

„So richtig überrascht scheint keiner.“ Lächle ich.

„Glaubst du wirklich, das deine nächtlichen Besuche unbemerkt geblieben sind?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Wohl eher nicht.“ Gebe ich zu und wir gehen ebenfalls in Richtung Treppenhaus. Oben angekommen, schubse ich ihn in sein Schlafraum und schließe die Tür hinter ihm ab.

„Dr. Casey, wir haben in 30 Minuten Einsatzbesprechung und ich muss noch duschen.“ Er sieht mich grinsend an.

„Lt. Casey, aus Erfahrung weiß ich, das sie weniger wie 5 Minuten zum duschen brauchen.“ Ich ziehe meine Jacke aus und er nimmt mich lachend in den Arm.

„Meine Frau steht echt auf mich.“

„Und wie.“ Ich küsse ihn leidenschaftlich.

„Ich glaube, wir bekommen es dieses Mal hin.“ Ich ziehe mir meinen BH wieder an, küsse ihn ganz sanft und er lächelt unter meinem Kuss.

„Glauben? Ich weiß es, mein Engel.“ Flüstert er.

Dann geht er duschen und ich warte kurz auf ihn und ordne meine Sachen, Hand in Hand gehen wir zum Besprechungsraum. Kurz vor der Tür nimmt er mich in den Arm und küsst mich zärtlich.

„Oh mein Gott… ehrlich Leute, sucht euch ein Zimmer!“ Ethan sieht uns kopfschüttelnd an.

„Haben wir schon gemacht.“ Ich sehe Ethan an und er verdreht die Augen.

„Ehrlich, das ist nicht normal mit euch beiden.“ Schimpft er theatralisch.

„Was ist schon normal?“ ich sehe ihn grinsend an.

„Ihr jedenfalls nicht.“ Er winkt unwirsch ab und betritt vor uns den Besprechungsraum.

„Was er nur wieder hat?“ lache ich und Dec nimmt mein Gesicht in seine Hände um mich erneut zu küssen.

„Mir egal, er gewöhnt sich schon dran.“

„Ich höre euch, ich bin nur 1 Meter von euch entfernt.“ Ethan lässt sich auf den nächstbesten Stuhl fallen und die anderen sehen uns feixend an.

„Das weiß ich Ethan…“ ich struvele ihm durch die Haare „Wenn wir gewollt hätten, dass du es nicht mit bekommst, dann hätten wir geflüstert.“ Erkläre ich ihm süffisant lächelnd und wir setzen uns ebenfalls.

„Gut, da wir ja nun vollzählig versammelt sind…“ Jeff wirft mir und Dec einen schiefen Blick zu „Beginnen wir…“

20 Minuten später gehen wir alle in den Aufenthaltsraum und der neue Anwärter kocht für uns. Es ist lustig und ungezwungen, aber wie das immer so ist… Ich habe mir noch nicht einmal eine Gabel in den Mund geschoben, da erklingt der Alarm.

Es trifft nur mich und den Rettungswagen und die anderen feixen.

„Viel Spaß Casey!“ ruft mir James hinterher und ich schenke ihm einen bösen Blick.

Als wir tatsächlich 2 Stunden später wieder kommen, haben uns die anderen gnädiger Weise etwas aufgehoben und nachdem ich endlich was gegessen habe setze ich mich zu Dec auf die Couch.

„Alles gut bei euch?“ er zieht mich in seine Arme und ich lege meinen Kopf an seine Schulter.

„Alles bestens.“ Ich strahle ihn an.

Nachdem nun alle Bescheid wissen und auch unser Nachwuchs angekündigt ist, geht alles ganz schnell. Dec verkauft sein Haus und zieht endlich mit Sack und Pack zu mir und ich habe das Gefühl, als ob er sowieso schon immer bei mir gewohnt hat.

Meine Dienste im Krankenhaus werden an meine neue

“Situation“ angepasst und ich lerne auch mal den geregelten Dienstplan kennen.

Mitte August trete ich meinen Mutterschutz an und Dec und ich richten das Kinderzimmer ein, wir haben gerade alles soweit fertig als er mit einem Brief in der Hand herum wedelt.

„Was ist denn das?“ ich setze mich auf die Couch und halte die Hand auf.

„Vom Gericht.“ Er reicht mir einen Brief und zieht einen Zweiten aus seiner Gesäßtasche „Ich habe auch einen bekommen.“

Ich überfliege den Brief kurz und sehe zu ihm.

„Scheint, als müssen wir am 07. September vor Gericht erscheinen.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Ja, aber dafür bezahle ich keinen Anwalt, das können wir auch alleine klären.“ Sagt er sicher und ich nicke zustimmend.

Heute Nachmittag muss Dec zur Schicht und ich habe in den letzten Monaten gelernt meine Männerfreien Abende zu genießen, heute kommt Lisa vorbei und wir wollen uns einen romantischen Film anschauen.

Das haben wir schön öfter gemacht und ich freue mich immer, wenn ich von ihr auf den Neusten Stand in Sachen Notaufnahmentratsch gebracht werde.

Am 7.09. machen Dec und ich uns am frühen Nachmittag auf den Weg zum Gericht, unser Termin ist um 14:30 Uhr und Dec hat ab 16 Uhr Schicht und bis dahin muss alles geklärt sein, aber dieses Mal sollte das wirklich kein Problem werden…

„Mr. und Mrs. Casey bitte!“ der Gerichtsdiener sieht uns an und wir gehen lächelnd in den Gerichtssaal.

„Sie verzichten auf ihre Anwälte?“ fragt uns ein weiterer Gerichtsdiener, wir nicken Beide und setzen uns an unsere Tische.

Dann tritt der Richter ein und erheben uns.

„Verhandlungssache Casey gegen Casey, Verhandlung auf Scheidung der am 22.07.2002 geschlossenen Ehe, nach Erfüllung der Auflagen vom 01.04.2011.“ Erklärt der Gerichtsdiener. „Den Vorsitz hat der ehrenwerte Richter William Jenkins.“

„Setzen sie sich.“ Der Richter sieht uns an und wir setzen uns.

„Sie erscheinen heute beide ohne ihre Anwälte?“ er sieht zuerst mich und dann Dec über den Rand seiner Lesebrille hinweg an.

„Ja euer Ehren.“ Antworte ich und Dec nickt zustimmend.

„Darf ich den Grund dafür erfahren?“ Richter Jenkins lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Mr. Casey?“ er sieht zu Dec und dieser steht auf.

„Ja euer Ehren…“ er sieht lächelnd zu mir „Wir wollen nicht, das unsere Ehe geschieden wird.“ Erklärt er ihm kurz und knapp.

„Darf ich auch erfahren, warum sie keine Scheidung mehr möchten?“ der Richter sieht ihn gespannt an.

„Meine Frau und ich haben uns ihren Ratschlag zu Herzen genommen. Wir haben an uns gearbeitet, die letzten 18 Monate waren nicht immer leicht, aber wir haben es hin bekommen. Wir wohnen zusammen und wir erwarten in Kürze unser erstes Kind.“ Er lächelt mich verliebt an.

„Das freut mich zu hören.“ Ein lächeln huscht über das Gesicht des Richters „Hiermit lehne ich eine Scheidung ab.“ Er klopft auf sein Holztäfelchen und nickt uns zu.

„Danke Richter Jenkins.“ Sage ich wirklich und aus vollem Herzen dankbar zu ihm.

„Es freut mich zu sehen, dass meine Menschenkenntnis mich nicht getäuscht hat.“ Gibt er zu „Ich wünsche ihnen Beiden, dass sie das, was sie sich vor genommen haben, hinbekommen.“

Wir nicken beide dem Richter zu und verlassen Hand in Hand den Gerichtssaal.

„Ich fahre dich rum.“ Sage ich sicher und Dec sieht mich besorgt an. „Komm schon Dec, ich habe noch fast drei Wochen, ich bin in der Lage Auto zu fahren.“ Ich schüttele lächelnd meinen Kopf.

Als wir an der Wache ankommen ist Ethan noch nicht da und da ich unbedingt noch mit etwas besprechen muss, beschließe ich zu warten.

Ich gehe mit Dec in sein Büro und er zieht sich um. Ich schließe kurz meine Augen und seufze leise.

„Was ist los mein Engel?“ sofort sitzt Dec neben mir.

„Ich bin nur müde.“ Sage ich erschöpft und streiche ihm über die Wange.

„Schlaf doch ein bisschen.“ Er nickt mir zu und ich gebe mich geschlagen, ich bin wirklich müde… Ich lege mich in sein Bett und kuschele mich in die Decke.

„Bis später.“ Dec küsst meine Stirn und ich schließe meine Augen.

Es ist schon dunkel als ich wach werde und ich habe Schmerzen. Ich rappele mich mühsam auf und will zur Toilette, auf dem Weg dorthin platz meine Fruchtblase und ich halte mich an einem der Pfeiler fest.

„Hallo?“ rufe ich unter Schmerzen, aber es ist keiner da. Es ist ganz ruhig im Haus, also sind sie im Einsatz…

Verdammt, warum denn ausgerechnet jetzt?

Ich schleppe mich mühsam zurück ins Bett, die Wehen kommen in immer kürzeren Abständen und ich greife nach meinem Handy, aber hier drin hat man so gut wie keinen Empfang.

Ja klar, wieso auch nicht…

Ich versuche die Wehen zu veratmen, so wie es mir im Geburtsvorbreitungskurs bei gebracht wurde, aber lange wird das hier nicht mehr dauern.

Dann höre ich endlich Stimmen. Sie sind zurück.

„Hallo?“ rufe ich und nach ein paar Minuten steckt James de Kopf zur Tür herein.

„Gott Alex, was ist los?“ er beugt sich bestürzt über mich.

„Ich bekomme das Baby…“ presse ich hervor „Würde es die große Umstände machen meinen Mann her zu holen?“ ich veratme die nächste Wehe.

„Nein, warte…“ er läuft hinaus.

„Sag das dem Baby.“ Ich versuche tief ein zu atmen.

„Gott Sis!“ Ethan stürmt in das Zimmer und nimmt meine Hand.

„Sind die Sanitäter mit euch zurück gekommen?“ frage ich und unterdrücke den Drang zu pressen.

„Nein.“ Er sieht mich fast panisch an.

„Dann machst du das.“ Bestimme ich und er reißt seine Augen auf „Ethan bitte.“ Flehe ich ihn an.

Er schlägt die Decke zurück und wird über sein Funkgerät mit einem Arzt verbunden, er befolgt die Anweisungen und ich versuche es ebenfalls.

Das fällt mir allerdings etwas schwer, da ich von dem Schmerz ziemlich abgelenkt bin.

Dann stürmt Dec herein und ich sehe ihn unter Tränen an. Er ist sofort an meiner Seite und hilft mir, so gut er eben kann. Dann erklingt ein glockenklarer Schrei.

„Ein Mädchen.“ Sagt Ethan ergriffen und legt sie mir auf den Bauch.

Alle anderen die herum stehen klatschen Beifall und mir laufen die Tränen übers Gesicht.

„Hallo Sara, ich bin dein Daddy.“ Dec haucht ihr einen Kuss auf die Stirn.

Wir haben lange und nervenaufreibende Gespräche geführt, was unsere Namensauswahl anging, aber für ein Mädchen waren wir uns dann erstaunlich schnell einig. Sara, nach meiner Mum…

Dann tauchen die Sanitäter auf und versorgen mich, Dec und Sara. Ich werde auf eine Trage gelegt und Jeff kommt hinzu.

„Also, ich kann mit Fug und Recht behaupten das Dolphin’s Barn die erste Feuerwehrwache in ganz Dublin ist, in der ein Kind zur Welt gekommen ist.“ Er schüttelt lächelnd seinen Kopf.

„Hallo Jeff…“ ich sehe ihn geschafft aber glücklich an „Darf ich dir Sara vorstellen.“ Ich deute auf das dick eingepackte Bündel auf meiner Brust.

„Sie ist zauberhaft und schneller wie die Feuerwehr.“ Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Wenn dein Dad und deine Mum dich jetzt nur sehen könnten.“ Ihm treten Tränen in die Augen.

„Sie sehen mich Jeff, sie sehen mich jeden einzelnen Tag…“ versichere ich ihm „Und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, Dad hat seine Hand im Spiel, wenn es um den Geburtsort seiner Enkelin geht.“

„Ganz bestimmt. Willkommen in der Familie Sara Casey.“ Er wischt sich verstohlen eine Träne weg.

Epilog

„Sara?“ Dec sieht sich suchend nach ihr um.

„Was denn Dad?“ sie kommt mit ihrem Freund Kevin an der Hand zu uns und sieht uns strafend an.

„Gar nichts, ich wollte nur wissen wo du bist.“ Dec zuckt mit den Schultern.

„Dad, ich bin 16, ich kann auf mich alleine aufpassen. Außerdem sind wir hier auf einem Feuerwehrfest, egal wo ich hin gehe, mich kennt hier jeder.“ Sie verdreht die Augen.

„Und das ist auch gut so.“ feixt Dec und sieht zu Kevin.

„Glauben sie mir Lt. Casey, mein Dad hat mir Manieren bei gebracht.“ Erwidert dieser lächelnd.

„Das will ich James auch geraten haben.“ Dec schlägt dem Jungen leicht auf die Schulter.

Dann gehen die Beiden wieder und ich nehme Dec in den Arm.

„Sie wird erwachsen.“ Flüstere ich ihm zu.

„Ja… Leider.“ Seufzt er.

„Komm schon Schatz, wir haben noch drei weitere um die du dir Sorgen kannst.“ Necke ich ihn.

„Wo stecken die denn?“ wieder dreht er sich suchend um.

„Ian und Matthew sind bei Hailey und ihren Kindern.“ Ich deute auf die große Rasenfläche, auf der Hailey eine Decke ausgebreitet hat und unsere 12jährigen Zwillinge mit ihren beiden 3jährigen Jungs herum albern. „Und Sophie ist bei Ethan.“ Lächle ich. Sophie ist 10 und vergöttert Ethan regelrecht.

Wir gehen ein Stück die Straße entlang, plötzlich hält mir Dec die Augen zu.

„Dec was soll das?“ wehre ich mich halbherzig.

„Vertraust du mir?“ flüstert er mir ins Ohr.

„Ich vertraue dir.“ Erwidere ich leise.

„Augen auf.“ Haucht er in mein Ohr.

Ich öffne die Augen und vor mir steht eine dunkelblaue Corvette.

„Wo hast du die denn her?“ ich falle ihm um den Hals.

„Ethan und ich haben lange gesucht, das Baby sah milde ausgedrückt Scheiße aus, aber wir haben es hin bekommen.“ Er reicht mir den Schlüssel.

„Willst du eine Runde drehen?“ fragt er lächelnd.

„Aber nur wenn du fährst.“ Ich werfe ihm den Schlüssel wieder zu.

„Du vertraust mir wirklich, oder?“ er geht um den Wagen herum und setzt sich hinters Steuer.

„Ich würde ihnen ohne mit der Wimper zu zucken mein Leben anvertrauen Lt. Casey.“ Ich steige auch ein und küsse ihn.

„Ich danke dir.“ Erwidert er gerührt.

Er lässt den Motor an und wir fahren die lange Straße hinunter zum Strand… vor uns versinkt die Sonne glutrot im Meer.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für euch alle! Danke!

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