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No one like You

„Jen, kann ich mir dein blaues Kostüm ausborgen?“ ich stecke vorsichtig meinen Kopf in das Zimmer meiner Freundin und Mitbewohnerin.

„Welches?“ sie zieht eine Augenbraue hoch und ich verdrehe die Augen.

„Wie viele hast du?“

„Genau genommen zwei. Ein hellblaues und ein dunkelblaues.“ Trumpft sie auf.

„Das dunkelblaue ist schwarz.“ Stöhne ich „Also bitte das hellblaue.“

„Klar doch.“ Sie winkt mich in ihr Zimmer. Dann durchforstet sie ihren Kleiderschrank und reicht mir schließlich besagtes Kostüm.

Jen und Ordnung sind wie Wasser und Öl, unmöglich miteinander zu verbinden und es wundert mich wirklich, dass das Kostüm sauber gebügelt auf einem Kleiderbügel hängt.

„Willst du da wirklich hin?“ sie legt ihren Kopf schief und ich atme erschöpft aus.

„Jen, darüber haben wir doch lang und breit diskutiert.“ Erwidere ich müde.

Ich bin dieser Diskussion wirklich überdrüssig…

„Eve, du weißt genau, dass du ein fast abgeschlossenes Studium hast und diese Stelle nicht einmal annähernd deinen Qualitäten entspricht.“ Sie nimmt meine freie Hand in ihre.

„Du bringst es auf den Punkt…“ ich sammele mich einen Moment „Jen, ich habe ein fast abgeschlossenes Studium. Fast.“ Ich sehe in ihre grau blauen Augen die mich eingehend mustern.

„Wenn du noch einmal mit dem Dekan sprichst, dann bin ich mir sicher, dass er dein Stipendium verlängert.“ Ich treffe ihren bittenden Blick.

„Nein, ich brauche diesen Job. Ich muss auch daran denken, dass ich noch viele Rechnungen zu bezahlen habe. Lawson Industries bezahlt außertariflich. Ich bin Susann dankbar, das sie mir das Vorstellungsgespräch besorgt hat.“ Ich lasse ihre Hand los.

Das stimmt wirklich, ich bin meiner Tutorin, Susan Masters, die mich drei Jahre lang an der Griffith Universtity of Business betreut hat wirklich dankbar, ohne sie hätte ich niemals einen Vorstellungsgespräch bei Lawson Industries bekommen. Sie hat für mich alle Hebel in Bewegung gesetzt, auch wenn ich dafür ehrlich sein musste. Sie ist die einzige Person, die meine Vergangenheit kennt, ohne Beschönigungen und Halbwahrheiten…

„Mach jetzt nicht wieder zu Eve.“ Bittet Jen mich flehentlich.

Ich schließe einen kleinen Moment gequält meine Augen, atme hörbar aus und suche wieder ihren Blick.

„Ich kann nicht anders.“ Gebe ich schließlich schulterzuckend zurück.

„Dann nimm wenigstens auch noch meine weißen Pumps.“ Sie reicht sie mir und grinst ganz zaghaft.

„Ich danke dir Jen.“ Erwidere ich ehrlich und sie nickt leicht.

Ich gehe wieder in mein Zimmer und tausche meine Jeans und mein Poloshirt gegen das Kostüm mit der weißen Bluse. Ich betrachte mich kritisch im Spiegel, oben herum ist es vielleicht etwas weit, aber da ich selber nicht ein einziges Kostüm besitze, wird es wohl auch so gehen.

Ich sehe ungewohnt aus, ich fühle mich nicht sehr sicher in diesen Sachen und weiß schon jetzt, dass ich ständig daran herumzupfen werde.

Und diese Schuhe erst, wer in aller Welt hat Highheels erfunden?

Vorsichtig laufe ich ein paar Schritte.

’Könnte schlimmer sein.’ mache ich mir selbst ein wenig Mut.

Ich gehe staksig über den Flur ins Bad und allein diese kurze Strecke kommt mir vor wie mehrere Kilometer, meine Füße sind wackelig und habe echt Angst, das ich mir etwas breche bevor ich überhaupt das Büro von Mr. Lawson erreiche.

’ Jetzt stell dich nicht so an!’ ermahnt mich meine innere Stimme und ich seufze, sie hat ja Recht.

Ich kämme meine langen hellbraunen Haare durch und entscheide mich sie glatt über Schultern fallen zu lassen.

’Wenn ich sie jetzt noch hochstecke, dann sehe ich aus wie ein Bibliothekarin.’ ich verziehe leicht angewidert mein Gesicht.

’Gott Everly Thornton, was ist nur aus dir geworden?’ schalle ich mich selbst und trage ein wenig Make up auf.

Es hängt viel von dem Vorstellungsgespräch heute ab.

Verdammt viel…

Eigentlich alles.

Meine himmelblauen Augen sehen mich abgehetzt und müde an, aber ich kann das einfach nicht ändern.

Die letzten Wochen, im Grunde genommen das ganze letzte Jahr, stecken mir einfach viel zu sehr in den Knochen.

Ich versuche mit Schminke zu retten, was noch zu retten ist und befinde mich nach 20 Minuten für annehmbar.

’Besser wird’s nicht…’ beschließe ich und gehe in den Flur zurück.

„Du siehst gut aus Eve.“ Jen kommt aus ihrem Zimmer und lächelt mich aufmunternd an.

„Danke Jen.“ Ich nehme sie kurz in den Arm.

„Viel Glück.“ Sagt sie leise und ich weiß, auf ihre Art wünscht sie mir wirklich Glück.

Aber mit dem Unterschied zu mir, will sie, dass ich den Job nicht bekomme.

Sie weiß einfach nicht, was für mich davon abhängt.

Ich werfe einen Blick nach draußen, der Himmel über Dublin ist strahlend blau und ich verzichte auf einen Mantel. Kurz werfe ich meinem ungewohnten Spiegelbild noch einen letzten Blick zu.

’Du schaffst das.’ mache ich mir selbst Mut.

Ich sehe ein letztes Mal kurz zu Jen, sie lächelt leicht und nickt mir aufmunternd zu.

Ich trete in die Junisonne Dublins und steige in meinen alten VW Golf, den ich gestern zum Glück nah am Haus geparkt habe. Mit diesen Schuhen zu laufen ist eine wirkliche Herausforderung für mich und meine Turnschuhgewöhnten Füße, sie tun mir jetzt schon weh und ich habe sie gerade mal eine halbe Stunde an. Ich setze mich hinters Steuern und lasse den Motor an.

Okay, die nächste Herausforderung… Auto fahren mit diesen Schuhen. Vorsichtig versuche ich Gas zu gebe und die Kupplung zu treten.

’Zieh sie aus, wenn du lebend ankommen willst.’ Rät mir meine innere Stimme und ich befolge lieber ihren Rat.

Ich schlängele mich in den Dubliner Morgenverkehr ein und durchquere fast die ganze Stadt um nach Howth zu kommen. Hier wohnen nur die Reichen und Schönen, sie haben sozusagen hier eine kleine Insel für sich. Nur die besten Firmen können es sich leisten sich in einem der wenigen Geschäftsgebäude nieder zu lassen. Ich parke meinen Wagen und gehe auf das mit Glasfronten bedeckte Hochhaus zu. Ehrfürchtig sehe ich an dem Gebäude hoch, also das ist mal imposant…

Lawson Industries steht in fetten silbernen Buchstaben über der Tür und ich atme tief durch.

Ich trete durch die Sicherheitsschleuse, einen Metalldetektor nebst Wachmann, und gehe mit hoch erhobenem Haupt auf die Anmeldung zu.

Eine dunkelhaarige Schönheit betrachtet mich äußerst skeptisch.

„Was kann ich für sie tun?“ fragt sie eine Oktave zu hoch und ich schüttele mich innerlich.

´Oh man, das tut mir in den Ohren weh. ` Ich schaffe es gerade so den Impuls zu unterdrücken meine Nase angewidert kraus zu ziehen.

„Mein Name ist Everly Thornton, ich habe einen Termin im Sekretariat von Mr. Lawson.“ Erwidere ich freundlich und versuche mir ein lächeln abzuringen.

„Hier ist ihre Besucherkarte. Sie nehmen den dritten Aufzug und fahren in den siebenten Stock, dort werden sie in Empfang genommen.“ Sie reicht mir eine Plastikkarte an einem Band und ich hänge sie mir um. Ihre Stimme klingt wie ein Kratzen von Fingernägeln über eine Schiefertafel und ich erschaudere.

„Vielen Dank.“ Ich nicke ihr kurz zu und gehe dann in die Richtung die sie mir vorgegeben hat.

Die ganze Halle ist mit schwarzen Fliesen ausgelegt und jeder einzelne meiner Schritte hallt mehrmals wieder, überhaupt herrschen augenscheinlich im gesamten Eingangsbereich nur zwei Farben vor, Schwarz und Silber. Irgendwie elegant, aber auch beängstigend kühl und steril.

Als der Fahrstuhl hält steige ich ein und atme erneut tief durch. Ich drücke mit zittrigen Händen auf den kleinen viereckigen Knopf mit der 7.

’Atmen Eve.’ erinnere meine innere Stimme mich, als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzt.

Als ich im siebenten Stock ankomme, werde ich von einer Blondine, etwa Mitte 40 begrüßt. Sie steckt in einem atemberaubenden, enganliegenden weißen Kostüm und in Schuhen, auf denen ich nicht einmal einen Meter weit kommen würde.

Sie lächelt mich an, aber sie wirkt dennoch, kühl und unnahbar, aber zugegebener Maßen sehr elegant.

„Miss Thornton?“ sie entblößt eine Reihe strahlend weißer Zähne.

„Ja.“ Hauche ich und mache dann meinen Rücken gerade. „Ja.“ Sage ich erneut mit fester Stimme.

„Kommen sie bitte, Mr. Lawson erwartet sie bereits.“ Sie macht eine Handbewegung die mich dazu bringen soll, mich zu bewegen.

’Einen Fuß vor den anderen.’ mahnt mich meine innere Stimme und ich stöckele los.

Die kühle Blonde schenkt mir einen missbilligenden Blick, da meine Schritte deutlich ungeschickter wie ihre eigenen wirken. Sie scheint auf diesen Schuhen zu schweben, während meine wie Gewichte an meinen Füßen kleben…

Nervös lächelnd bahne ich mir meinen Weg an zwei weiteren Blondinen vorbei.

Ich bin mir fast sicher, dass deren Körbchengröße ihren IQ bei weitem übersteigt. Auch diese mustern mich mehr wie argwöhnisch und ich schlucke schwer, die sehen aus, wie dem neusten Modekatalog entsprungen und in mir wächst der Verdacht, das ich mich vielleicht doch für das dunkelblaue Kostüm hätte entschieden sollen.

’Was zur Hölle ist das hier?’ fragt mich meine innere Stimme leicht zittrig. ’Brust raus Mädchen.’ höre ich plötzlich die Stimme meiner Mum und mache automatisch ein leichtes Hohlkreuz.

„Mr. Lawson, Miss Thornton ist hier. “ Die Frau klopft an eine schwere, dunkle Holztür und ein unfreundliches „Schicken sie sie rein.“ Ertönt.

Sie öffnet, mit einem weiteren Blick auf mich, die Tür und ich betrete ein riesiges Büro. Alles ist aus dunkelrotem Leder und dunklem Holz gefertigt. Auf dem Boden liegt ein kurzfloriger schwarzer Teppich, der augenblicklich das Klack, Klack meiner Schuhe verschluckt.

Dieses Büro strahlt so viel Behaglichkeit aus, wie ein Folterkeller in einem alten Schloss.

Er sitzt mit dem Rücken zu mir, das heißt, ich sehe nur die Rückenlehne seines weinroten Bürostuhls. Unsicher stehe ich mitten im Zimmer und schlucke schwer.

„Die Fusion sollte schon vor einer Woche über die Bühne gehen… Herrgott, stellen sie sich nicht dümmer wie sie sind… Morgen will ich Ergebnisse, ansonsten sollten sie sich nach einem Job umsehen der ihren Qualifikationen besser entspricht.“ Seine Stimme ist eisig und ich schlucke schwer. Die schwere Holztür wird hinter mir zu gezogen und ich zucke zusammen.

Langsam dreht sich der Stuhl zu mir um, ganz langsam und ich bin, um es mit einem netten Wort auszudrücken, erstaunt.

So erstaunt, das mir fast die Kinnlade runter fällt, aber ich reiße mich gerade noch so zusammen und starre ihn stattdessen an.

’Das kann unmöglich Damian Lawson sein. Er kann unmöglich der Chef dieses Imperiums sein. Gott, der ist vielleicht gerade einmal Mitte 30.’ ich schlucke erneut schwer.

„Wollen sie mich weiter anstarren oder werden sie sich setzen?“ mit der gleichen kalten Stimme mit der er gerade am Telefon gesprochen hat, fährt er mich an und ich reiße meine Augen auf.

„Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie mir die Freundlichkeit entgegen bringen würden, mit der sie behandelt werden möchten.“ Meine Stimme zittert leicht, dennoch sieht er mich überrascht an.

Was denn?

Hat ihm noch niemand die Stirn geboten?

„Nehmen sie bitte Platz Miss Thornton.“ Seine Stimme klingt immer noch eisig, aber ich denke ich habe mir vom absoluten Nordpol zwei, drei Grad Richtung Süden bewegt.

Wenigstens was…

„Vielen Dank.“ Erwidere ich übertrieben freundlich, was mir einen weiteren missbilligenden Blick einbringt. Schließlich nehme ich auf dem Stuhl gegenüber dem seinen Platz und schlage meine Beine, wie ich hoffe gekonnt, übereinander.

„Einen Moment bitte.“ Er nickt mir kurz zu und dreht sich zu seinem Laptop.

Ich mustere ihn erneut, zu sehr steckt mir der Schock in den Knochen, das der Mann hier vor mir noch so jung ist. Obwohl er in seinem dunkelgrauen, vermutlich maßgeschneiderten, Anzug und der schwarzen Krawatte älter wirkt, als er wahrscheinlich ist.

Ich lege leicht meinen Kopf schief. Er hat dunkelbraune, fast schwarze Haare die ihm ein wenig wild in alle Richtungen abstehen, er hat dunkelbraune Augen und ein markantes Gesicht. Ich starre einen Moment zu lange auf seine vollen, sinnlichen Lippen.

’Reiß dich verdammt noch mal zusammen!’ herrscht mich nun meine innere Stimme an und ich sehe schnell weg.

Ich sehe auf seine Hände, die über die Tastatur seines Computers fliegen. Auch nicht besser um meine Nervosität in den Griff zu bekommen.

’Everly Thornton, sieh aus dem Fenster meine Güte…’ meine innere Stimme klingt genervt, aber ich befolge ihren Rat.

Ich weiß, wie hartnäckig sie sein kann…

Ich sehe auf die Dublin Bay und atme leise durch. Heute ist herrliches Wetter und die Sonne glitzert auf dem irischen Meer. Tatsächlich beruhigt sich mein Herzschlag etwas und ich lasse meinen Blick schweifen.

„Mrs. Masters hat mir nur gute Dinge über sie erzählt. Sie wissen, dass sie es nur ihr zu verdanken haben, dass sie überhaupt ein Vorstellungsgespräch bekommen haben. Ihr Lebenslauf ist für mich keinen Grund wert…“ er blättert in seinen Papieren „Davon abgesehen, das das letzte Jahr komplett fehlt.“ Er sieht mich an und sein Blick durchbohrt mich.

Meine Güte, wer ist er?

Gott?

So spielt er sich gerade auf.

Wie der barmherzige Gott, der dem armen Mädchen eine Chance gibt, die er ihm eigentlich gar nicht geben will.

„Wenn sie meinen, ich bin hier fehl am Platz, dann habe ich kein Problem damit, dieses Büro und das Gebäude wieder zu verlassen. Auf der Stelle.“ Meine Stimme klingt eine Spur zu feindselig, aber er hat mich auch nicht gerade mit Freundlichkeit überschüttet.

„Hier entscheide immer noch ich, wer mein Büro wann verlässt.“ Sein Blick liegt fast schon drohend auf mir, seine braunen Augen scheinen zu glühen.

„Dann vermitteln sie mir nicht das Gefühl, sie wollen mich nicht hier haben.“ Erwidere ich und versuche meiner Stimme einen belanglosen Klang zu geben.

„Habe ich ihnen das Gefühl vermittelt Miss Thornton?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja. Mr. Lawson. Das haben sie.“ Ich halte seinem Blick Stand.

„Warum fehlt das letzte Jahr in ihrem Lebenslauf?“ er fixiert mich weiter.

„Weil es so ist.“ Gebe ich lapidar zurück und sehe wie sich eine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildet.

Das ist mit Sicherheit nicht die Antwort, die er erwartet hat.

Hat er gedacht ich flüchte mich in Ausreden?

„Sie haben ein Vollstipendium an der Griffith Universtity of Business auslaufen lassen und geben dafür nicht einmal einen Grund an?“ jetzt sieht er mich überrascht an.

„Richtig.“ Ich nicke leicht.

„Sie haben keinen Grund, warum sie ihre gesamte berufliche Karriere in nur einem Jahr an die Wand gefahren haben? Sie haben als Jahrgangsbeste am Summerhill College in Rush vor sieben Jahren ihren Abschluss gemacht, dann haben sie drei Jahre lang bei Jack & O’Flannery als Business Coach gearbeitet und vor vier Jahren haben sie ein volles Stipendium über die gesamten vier Jahre an der besten privaten Universität in Dublin erhalten. Und sie geben keinen Grund an, warum sie mit einem herausragenden Notendurchschnitt von 1,2 vor einem Jahr das Handtuch geworfen haben? Sie haben die besten Chancen gehabt der Elite der Manager anzugehören und sie wollen mir ernsthaft sagen, sie haben das absichtlich getan?“ ich höre die Ungläubigkeit in seiner Stimme.

„Richtig.“ Wieder nicke ich leicht und ihm steht das pure Unverständnis ins Gesicht geschrieben.

„Aber es hatte einen Grund?“ harkt er kühl nach.

„Ja, ich hatte meine Gründe.“ Antworte ich ausweichend in meinem nichtssagenden Tonfall.

„Warum wollen sie für mich arbeiten?“ er lehnt sich etwas zurück, fixiert mich aber weiterhin mit seinem durchdringenden Blick.

„Ich will nicht für sie, sondern für Lawson Industries arbeiten.“ Erwidere ich nüchtern.

„Das kommt aufs Gleiche raus.“ Er macht eine abwertende Handbewegung.

„Nein Sir…“ erwidere ich und wieder sieht er mich überrascht an „… Ich möchte mein Wissen der Firma zu Verfügung stellen und nicht ihnen persönlich.“ Erläutere ich.

’Ich bin nicht dumm… du… aaarrrg….’ selbst meiner inneren Stimme fehlen zu diesem Mann die Worte.

„Miss Thornton, ich bin es nicht gewohnt, dass man so mit mir redet.“ Seine Augen bekommen abermals einen bedrohlichen, dunklen Glanz.

„Ich korrigiere lediglich ihre Ausführungen Mr. Lawson.“ Ich strecke meinen Rücken durch und streiche mir eine Strähne hinters Ohr.

„Die Stelle die zurzeit zu besetzen ist, ist die Stelle meiner persönlichen Assistentin.“ Er funkelt mich an.

Ich stöhne innerlich, entschließe mich aber dann doch meinen Mund zu halten.

„Also warum wollen sie für mich arbeiten?“ er betont das Wort mich extra und ich ärgere mich darüber.

„Weil ich das Geld brauche.“ Ich zucke kurz mit den Schultern.

Wieder sieht er mich verwirrt an.

Was denn?

Man soll doch immer ehrlich sein…

Okay, ich gebe zu, für ein Vorstellungsgespräch nicht gerade die beste Taktik.

„Weil sie das Geld brauchen?“ fragt er ungläubig nach.

„Ja Sir.“ Ich nicke erneut leicht und meine Haarsträhne fällt mir wieder ins Gesicht.

’Verdammt ich hätte mir doch die Haare zusammen binden sollen. Ein Knoten hätte ja nicht sein gemusst…’ ärgere ich mich über mich selbst.

Er scheint einen kleinen Moment nachzudenken, dann drückt er einen Knopf an seinem Telefon „Mrs. O’Bryan, kommen sie bitte in mein Büro.“ Wieder diese kühle Stimmlage. Wenige Sekunden später, erscheint die Frau, die mich in Empfang genommen hat.

Wie sie allerdings fast geräuschlos eingetreten ist, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

„Statten sie Miss Thornton mit den Grundutensilien aus und weisen sie sie bitte ein. Sorgen sie dafür, das sie angemessen eingekleidet wird…“ er sieht zu mir „Dieses Kostüm ist eine Katastrophe, wahrscheinlich gehört es nicht einmal ihr selbst.“ Er schüttelt verächtlich den Kopf.

’Moment mal…Was bildet der sich ein? Gut, es stimmt, aber das gibt ihm nicht das recht über mich zu reden, als wäre ich nicht anwesend.’ fauche ich ihn innerlich an und hole tief Luft.

Gerade als ich zum Gegenschlag ausholen will, trifft mein Blick den der kühlen Blonden und sie schüttelt kaum merklich mit dem Kopf.

Ich besinne mich eines Besseren, schlucke mein Kommentar runter und merke wie sich mein Atem vor Wut beschleunigt.

„Ich erwarte sie am Montag um 8 Uhr. Hier. In angemessener Kleidung und mit zusammen gebunden Haaren.“ Er sieht mich undurchdringlich an. „Den Vertrag wird Mrs. O’Bryan ihnen aushändigen. Sie können ihn gerne gegen lesen lassen, aber bei ihrer Vorbildung können sie das getrost selber übernehmen.“ Er schüttelt mit seinem Kopf.

Dann sieht er mich direkt an und ich bekomme ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend.

’Was bildet er sich ein?’ meine innere Stimme verfällt vor Wut in eine Schnappatmung, doch bevor ich etwas sagen kann fährt er fort.

„Das war es, jetzt können sie mein Büro verlassen.“ Er lehnt sich zufrieden in seinen Bürosessel zurück und ich atme tief durch die Nase ein. Bevor aber mein Temperament endgültig mit mir durchgeht, spüre ich die Hand der kühlen Blonden auf meinem Arm. Ich sehe zu ihr und sie nickt ganz leicht, ruhig dirigiert sie mich nach draußen und schließt leise die Tür hinter uns.

„Kommen sie bitte mit Miss Thornton.“ Sagt sie freundlich und ich folge ihr in einen kleinen Raum. Augenscheinlich ein Lager, denn hier ist außer einem Kopierer, Büromaterialien und einem Faxgerät nichts drin.

Sie drückt mir einen Karton in die Hand.

„Folgen sie mir.“ Weist sie mich erneut an, ehe ich Fragen stellen kann und wir betreten den Raum neben dem Lager.

Ein riesiger Glastisch in der Mitte des Raumes, an dem schätzungsweise 25 Stühle stehen und die weiße Leinwand am Kopfende des Raumes bestätigen meine Annahme, dass es sich um einen Konferenzraum handeln muss.

„Setzen sie sich Miss Thornton.“ Weist mich die kühle Blonde an, ich setze mich auf den erstbesten Stuhl und stelle den Karton auf den Tisch.

„Ich bin Olivia.“ Sie nimmt neben mir Platz und sieht mich kurz an.

„Everly.“ Erwidere ich und lächle zögernd.

Meine Wut verraucht ganz langsam und ich bin ehrlich gespannt, in welche Richtung sich das hier entwickelt.

„Ich arbeite seit sechs Jahren für Mr. Lawson…“ sie schenkt mir ebenfalls ein zögerliches lächeln „… Ich weiß nicht, was du gemacht hast… aber so schnell hat hier noch niemals jemand einen Job bekommen, schon gar nicht den seiner Assistentin. Wir suchen seit fast neun Monaten adäquaten Ersatz für Emilia.“ Sie seufzt leicht.

„Warum ist Emilia gegangen?“ frage ich leise und weiß nicht, ob ich das wirklich hören will.

„Emilias Familiensituation hat sich geändert. Sie hat geheiratet und in dem Job kann man nur eins. Ein Privatleben haben oder für Mr. Lawson arbeiten.“ Sie legt leicht den Kopf schief. „Ich hoffe du weißt worauf du dich eingelassen hast.“ Sagt sie leicht mahnend.

’Nein das weiß ich nicht!’ meine innere Stimme schreit mich an.

„Nicht wirklich.“ erwidere ich vorsichtig und Olivia sieht mich erstaunt an.

„Das wirst du sehr schnell merken…“ kommt es mehrdeutig von ihr und ich schlucke schwer.

„Also gut, ich soll dir die Grundausstattung aushändigen…“ sie nimmt den Karton vom Tisch auf ihren Schoß „… Hier haben wir ein I-Phone 6, das neuste Gerät…“ sie schiebt es mir über den Tisch „Du musst von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends erreichbar sein, manchmal auch darüber hinaus.“ Sie sieht mich prüfend an. „Jeglicher E-Mail- und Telefonkontakt läuft über dieses Gerät. Du filterst die Mails und schickst sie an Mr. Lawson weiter.“

Ich nehme das I-Phone in die Hand und atme tief ein und aus.

„Dann ist hier dein Laptop, du hast einen Schreibtisch im Büro von Mr. Lawson. Drucken und Fax funktionieren über W-Lan. Das Passwort ist Desperado, im Übrigen für alle Geräte.“ Sie schiebt mir einen neu aussehenden Apple MacBook Pro über den Tisch. „Die Kabel, die Bedienungsanleitungen und alles Weitere sind hier drin.“ Sie deutet auf den Karton. „Ich rate dir, leite deine eigenen Anrufe auf das I-Phone um, du wirst es fast nur noch am Ohr haben.“ Sie sieht auf das schwarze Handy in meiner Hand.

„Hmm.“ Ich nicke leicht.

Passwort Desperado?

Muss ich den Sinn dahinter verstehen?

Desperado heißt frei übersetzt Verzweifelter und wie der erscheint er mich nicht gerade…

’Was ist das überhaupt hier? Moderne Sklavenhaltung?’ meine innere Stimme tobt ’Lauf weg! Weit, weit weg! Jetzt!’ schreit sie panisch.

„Dann haben wir hier noch ein I-Pad der neusten Generation, das ist bei Meetings und Geschäftessen Gold wert. Es verfügt über die neuste Technik und auch von diesem Gerät aus kannst du auf alle Drucker und Faxe zugreifen.“ Sie reicht es mir.

Man, da ist ja noch die Schutzfolie drauf…

Obwohl…

Bei näherer Betrachtung der anderen Geräte stelle ich fest, dass auch diese alle noch die Schutzfolie besitzen.

Die sind alle brandneu und noch nie benutzt worden.

„So, das ist die technische Grundausstattung.“ Sie reicht mir den Karton und ich packe erst einmal alles wieder ein.

Ich gebe zu, ich bin gut im Umgang mit technischen Geräten, aber Apple befand sich bisher außerhalb meiner Preisliga… Ich werde mich wohl mit den Geräten auseinander setzen müssen.

„Warte einen Moment, ich hole eben die Verträge.“ Sie entschuldigt sich und verlässt den Raum.

Ich lasse meinen Kopf auf die angenehm kühle Tischplatte fallen.

’Wo bist du hier nur gelandet?’ ich schließe kurz meine Augen.

Ich mag den Job jetzt schon nicht, aber verdammt ich brauche das Geld.

Olivia kommt nur gefühlte Sekunden zurück, ich hebe schnell meinen Kopf und sie reicht mir einen Stapel Papiere.

„Also das erste der normale Arbeitsvertrag.“ Sie deutet auf das Blatt das mit Vertrag betitelt ist.

Also darauf wäre ich auch noch ganz allein gekommen…

„Dann haben wir Anlage eins, das ist die Farbreihenfolge der Woche.“ Erklärt sie mir und ich sehe sie an.

„Die was?“ frage ich erstaunt.

Sie sieht auf ihr Telefon, welches leise vibriert hat und sieht dann wieder zu mir.

„Du wirst morgen um 10 Uhr von Thomas Brown in seiner Boutique in der Dawson Street erwartet.“ Erklärt sie mir, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.

Der Thomas Brown?

Der Designer?

Das kann nicht sein…

„Der Thomas Brown?“ frage ich leicht eingeschüchtert.

„Ja, Mr. Lawson hat mir gerade gemailt, dass dieser dich morgen um 10 Uhr empfängt.“ Sie nickt leicht.

„Ist das immer so?“ ich bin wirklich verunsichert.

Ein Teil von Thomas Brown kostet mehr, wie alle Teile in meinem Kleiderschrank zusammen.

„Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten.“ Sie zuckt mit den Schultern „Aber Mr. Lawson bewegt sich in der High Society Dublins und du wirst sein Schatten sein, ich denke er will nur sicher gehen, dass du dementsprechend gekleidet sind.“ Sie lächelt leicht und reicht mir einen Zettel.

 

Farbschema Büro des CEO Damian B. Lawson

 

Montag: grau

Dienstag: schwarz

Mittwoch: dunkelblau

Donnerstag: dunkelgrau

Freitag: Nadelstreifen grau/weiß

Sonnabend/Sonntag: dem Anlass entsprechend

 

Miss Everly Thornton wird eingekleidet und bekommt genügend Kleidung und Schuhe zu Verfügung gestellt.

 

Ich sehe belustigt zu Olivia.

„Ist das sein Ernst?“ ich lächle leicht.

„Oh ja Everly, das ist es.“ Sie nickt streng und mein lächeln bleibt mir im Hals stecken.

„Müsst ihr euch daran halten?“ frage ich entgeistert, suche nach dem heutigen Tag und betrachte ihr weißes, perfekt sitzendes, Kostüm.

„Nein, aber wir sind auch nicht den ganzen Tag mit ihm unterwegs.“ Sie zuckt leicht mit den Schultern.

„Anlage Zwei…“ sie reicht mir einen weiteren Zettel und ich traue mich gar nicht drauf zu schauen.

 

SONDERVEREINBARUNGEN

 

Ich sehe zu Olivia und sie nickt leicht.

„Keiner hat gesagt, der Job ist leicht.“ Meint sie entschuldigend.

’Das habe ich nach dem Gespräch auch nicht erwartet.’ Denke ich zynisch, aber ich beiße mir auf die Zunge.

„Das werde ich mir am Wochenende genau durchlesen.“ Sage ich stattdessen, packe die Zettel zu den anderen in den Karton.

Mein Baby, wie ich mein I-Phone jetzt auch liebevoll nennen werde, vibriert auf dem Tisch und ich sehe erstaunt zu Olivia.

’Hat der eigentlich einen Exklusiv Vertrag mit Apple? Hmm, ich glaube ich muss mal fragen…’ schießt es mir durch den Kopf.

Zaghaft nehme ich es in die Hand.

Das E-Mail Symbol blinkt und ich drücke auf öffnen.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Stylist

 

Miss Thornton, ich habe ihnen einen Termin bei Aaron Filan bei Keville Hair gemacht. Sie werden sich dort am Sonnabend um 11 Uhr einfinden.

Damian Lawson

 

Ich starre auf das, immer noch abgeklebte, Display des I-Phones in meiner Hand.

„Das kann er nicht.“ Japse ich und schüttele entgeistert mit dem Kopf.

„Everly, ein gut gemeinter Rat von mir…“ Olivia sieht mich mit einem weichen Gesichtsausdruck an „… Er kann und er wird. Glaub’ mir, ich hatte einen riesigen Respekt vor Emilia, das sie es so lange ausgehalten hat.“

„Wie lange hat sie es denn ausgehalten?“ ich wage es kaum die Frage zu stellen.

„Vier ganze Jahre.“ Olivia verzieht ehrfürchtig das Gesicht.

Vier Jahre?

Das ist doch nicht lang, oder?

Olivia tut so, als wäre diese Emilia Jahrzehnte hier gewesen…

Ich seufze leise, krame in den Papieren und suche den Absatz mit meiner Bezahlung, wenn ich mich mit diesem… mir fehlen immer noch die Worte für ihn… auseinandersetze, dann will ich wenigstens gut bezahlt werden.

Endlich finde ich besagten Absatz.

 

§ 4 Arbeitsvergütung


Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Nettovergütung von 4300 € plus Spesen.

 

Wow, also das lohnt sich wirklich.

’Komm Eve, du musst das nur ein knappes halbes Jahr durchhalten, dann sind die Rechnungen bezahlt und du kannst weiter sehen.’ meine innere Stimme redet mir gut zu.

„Ich werde mich von ihm nicht ins Bockshorn jagen lassen.“ Sage ich mit sicherer Stimme und Olivia lächelt.

„So schätze ich dich auch nicht ein.“ Sie zwinkert mir lächelnd zu.

Ich nehme mein Baby erneut in die Hand und gehe auf antworten.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Herzlichen Dank

 

Mr. Lawson, natürlich werde ich mich am Sonnabend bei Keville Hair zum vereinbarten Termin einfinden, ich möchte ihnen ja am Montag keinen Grund zur Klage geben.

Hochachtungsvoll

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und sehe zu Olivia.

„Noch mehr?“ ich sehe auf die Zettel, die vor ihr auf dem Tisch liegen.

„Nur das übliche…“ sie reicht mir den letzten Stapel Zettel „Stillschweigenerklärung im geschäftlichen und privatem Sinne und eine kurze Beschreibung der Firma und deren Firmenpolitik.“

„Hmm.“ Ich nicke, damit habe ich gerechnet.

Ich meine, ich kann nicht mit dem Chef eines Milliardenimperiums arbeiten, ohne eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Das käme einem Selbstmord gleich. In diesem Punkt verstehe ich ihn, ich habe ja schließlich fast vier Jahre Management studiert.

Also das, erstaunt mich mal ausnahmsweise nicht.

Mein Baby vibriert wieder und ich nehme es in die Hand.

Ich habe noch nicht einmal angefangen hier zu arbeiten und er lässt mich jetzt schon nicht in Ruhe.

Was will er denn noch?

Er kleidet mich ein, ich lasse mir die Haare machen…

Was also noch?

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Unnötig

 

Miss Thornton,

ich möchte sie darauf hinweisen, dass ich keine Antworten auf meine E-Mails von ihnen erwarte. Sie haben lediglich das zu befolgen, was ich ihnen mitteile.

Damian Lawson

 

Ich atme tief ein und aus.

„Das wäre es für heute.“ Sagt Olivia plötzlich und holt mich aus meiner Wutstarre.

„Vielen Dank.“ Ich reiche ihr meine Hand und nehme den Karton.

„Wenn du mir Montag die unterzeichneten Papiere gibst, dann bekommst du deine Codekarte für das Gebäude. Du werden uneingeschränkten Zugriff auf alle Bereiche haben.“ Sie deutet auf meinen Besucherausweis.

Ich nicke, ich fühle mich erschlagen von all den Informationen und will nur noch nach Hause.

Denn immerhin habe ich noch 3 ganze Tage, ehe ich mich meinem Schicksal ergebe.

Ich gehe auf wackligen Beinen zum Fahrstuhl und bin erleichtert als sich die Türen hinter mir schließen.

Ich könnte heulen vor Wut…

’Was denkt er sich wer er ist? Oh Eve, stell dich auf ein paar harte Monate ein.’ meine innere Stimme seufzt und ich muss ihr Recht geben.

Das wird eine harte Zeit…

Als ich den Eingangsbereich durchlaufe und meinen Besucherausweis abgebe, da wird mir bewusst, dass ich gerade meine Seele dem Teufel verkauft habe.

Und der Teufel hat einen Namen.

DAMIAN LAWSON

Als ich hinaus in die Sonne Dublins trete, da atme ich tief durch.

’Wenn du deine Rechnungen bezahlt hast, dann bist du wieder weg von hier… von ihm!’ redet mir meine innere Stimme auf dem Weg zum Auto gut zu.

Als ich endlich ankomme, verfrachte ich zu allererst den Karton auf den Beifahrersitz und lasse mich dann hinters Steuer fallen.

Ich erinnere mich im letzten Jahr mal irgendwann Shades of Grey gelesen zu haben und muss plötzlich grinsen. Die arme Hauptfigur wurde ja auch mit allem technischen Schnick Schnack ausgestattet, aber aus einem völlig anderen Grund.

Obwohl, so wie ich die Sache sehe, kommt das mit dem Sklavenvertrag ganz gut hin.

Welch Ironie!

Ich hoffe ja nicht, dass er auch so eine Kammer in seiner Wohnung oder seinem Haus hat…

Aber in einem Punkt hat er aber viel mit der Hauptfigur gemein, er ist augenscheinlich ein Kontrollfreak wie er im Buche steht.

Ha, ha… ich muss über meine eigene Wortwahl lachen.

Ich verstehe bis heute nicht, warum das Buch so einen Hype ausgelöst hat.

Sind die Amerikaner wirklich so prüde, das sie so etwas derart von den Socken haut?

Ich meine, die Hauptfigur ist 21 und noch Jungfrau… schwer vorstellbar für mich.

Ich meine, ich bin niemand den man leicht rum kriegt, aber ich hatte das mit 21 hinter mir. Ebenso zahlreiche kürzere und längere Beziehungen… immer noch lache ich.

Ein Damian Lawson in einer Kammer der Qualen… der ist so steif, das er den Rohrstock wahrscheinlich in seinem Allerwertesten die ganze Zeit mit sich herum trägt. Und wenn das wirklich der Fall ist, dann ist der Rohrstock ein Eiszapfen.

Hmm, der Teufel mit einem Eiszapfen im Allerwertesten…

Ich lache plötzlich laut los.

Ich kann sehr gut über mich selbst lachen und meine innere Stimme gibt mir wahrlich oft genug Gelegenheit dazu.

Nach 25 Minuten finde ich einen Parkplatz nicht weit weg von meiner und Jens Wohnung und nehme den Karton vom Beifahrersitz. Wir wohnen in Smithfield, einem nicht sehr angesagten Stadtteil, aber die Wohnungen sind hier günstig und wir könne uns es leisten.

Ich stöckele das letzte Stück des Weges und dann hoch in den 3. Stock. Natürlich haben wir keinen Fahrstuhl, aber selbst wenn wir einen hätten, bei meinem Glück wäre der ständig kaputt.

Ich klemme mir den Karton unter den Arm und schließe umständlich die Wohnungstür auf.

Ein Blick auf die Garderobe reicht und ich weiß, das Jen noch nicht zu Hause ist, auf dem Weg in die Küche erhasche ich einen Blick auf die Uhr, kurz nach 12 Uhr.

War ich wirklich gerade 2 Stunden bei einem Vorstellungsgespräch? Ein Gespräch bei dem ich gedemütigt, herablassend behandelt und anschließend mit mehr Technik ausgestattet wurde wie in meinem bisherigen Leben?

Scheint, als hätte ich den Job bekommen, oder?

Everly Thornton, persönliche Assistentin des CEO Damian Lawson… klingt ja nicht schlecht.

Aber nur, wenn man Damian Lawson nicht kennt.

Persönliche Assistentin des Teufels trifft es eher und macht auf einer Visitenkarte bestimmt was her…

Ich grinse, stelle den Karton auf den Küchentisch in unserer kleinen Küche und gehe erst einmal in mein Zimmer um aus diesem Kostüm raus zu kommen.

Ich hänge es ordentlich auf den Bügel zurück und nehme mir vor, es zur Reinigung zu bringen, ehe ich es Jen zurück gebe.

Ich ziehe mir eine ausgewaschene Jeans, ein enges hellblaues Top und dicke Socken an. Es ist zwar Sommer, aber unser Dielenboden ist eigentlich immer unangenehm kalt und ich hasse es wirklich kalte Füße zu haben.

Ich gehe kurz in die Küche, stelle die Kaffeemaschine an und gehe ins Bad. Mein Spiegelbild sieht mich nicht sehr begeistert an und ich spritze mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Dann binde ich mir meine Haare locker hoch und gehe zurück in die Küche.

Die Kaffeemaschine ist fertig und ich schenke mir eine Tasse ein, ehe ich mich an den Tisch setze.

Seufzend angele ich mir den Arbeitsvertrag aus dem Karton.

’Bye, bye Leben!’ ruft mir meine innere Stimme und ich verziehe das Gesicht.

Wie in aller Welt hat er es eigentlich geschafft, so schnell Verträge mit meinem Namen aus dem Hut zu zaubern?

’Ein schneller Drucker?’ fragt mich meine innere Stimme und ich nicke geistesabwesend.

Das wird es wohl sein… Zaubern kann er ja schließlich auch nicht.

Ich blättere die erste Seite auf und beginne zu lesen.

 

Arbeitsvertrag


Zwischen

 

Damian B. Lawson

Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc.

Abbey Street 23

Dublin 13

 

- nachfolgend “Arbeitgeber“ genannt -

und

 

Everly Katherina Thornton

Blackhall Street 45, Apartment 24 b

Dublin 7      
                              
- nachfolgend “Arbeitnehmerin“ genannt -


wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen:



§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses


Das Arbeitsverhältnis beginnt am  16.06.2011


§ 2 Probezeit


Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Probezeit entfällt.


§ 3 Tätigkeit


Die Arbeitnehmerin wird als persönliche Assistentin des Geschäftführers eingestellt


und vor allem mit folgenden Arbeiten beschäftigt:


büroübliche Tätigkeiten und persönliche Assistenz

(Siehe ANLAGE SONDERVEREINBARUNGEN)

 

Das ist ja Mal ein dehnbarer Begriff, typische Formularform… ich schüttele meinen Kopf

 

Sie verpflichtet sich, auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen – auch an einem anderen Ort -, die ihren Vorkenntnissen und Fähigkeiten entspricht und nicht mit einer Lohnminderung verbunden sind.

 

Der Freifahrtschein über mich verfügen zu dürfen, ich seufze tief.

’Also doch Sklavenhaltung!’ motzt meine innere Stimme und ich schließe gequält meine Augen um sie zum schweigen zu bringen.

§ 4 Arbeitsvergütung


Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Nettovergütung von 4300 € plus Spesen.

 

Das gefällt mir immer noch, ich grinse leicht.


Soweit eine zusätzliche Leistung vom Arbeitgeber gewährt wird, handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht und auch bei einer mehrfachen Gewährung nicht begründet werden kann. Voraussetzung für die Gewährung einer Gratifikation ist stets, dass das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag weder beendet noch gekündigt ist.

§ 5 Arbeitszeit


Montag bis Freitag hat sich sie Arbeitnehmerin in der Zeit von cirka 8 bis cirka 22 Uhr zu Verfügung zu stellen.

Am Wochenende nach Absprache.

Es gibt keine feste Anzahl an Wochenstunden.


Also eine Mindestdauer zwischen den Tagen, wenigstens ein paar Stunden, in denen ich auch ab und zu schlafen darf, muss schon fest gelegt werden. Ich stehe ihm ja nun nicht 24 Stunden jeden Tag, 7 Tage die Woche zur Verfügung…

Ich denke fast, das erwartet er von mir, aber ich glaube, das ist Gesetzwidrig. Ich klebe mir einen kleinen gelben Post-it an die Stelle.


§ 6 Urlaub

Der Arbeitnehmer hat nur dann Anspruch, wenn auch der Arbeitgeber im Urlaub ist. Er hat Anspruch auf 10 Urlaubstage außerhalb der oben genannten Vereinbarung.

Der Urlaub bedarf einer schriftlichen Einverständniserklärung seitens des Arbeitgebers.

 

Das bewegt sich meiner Meinung nach auch an der Grenze der Legalität. Ich stehe auf und hole mein altes Lehrbuch aus einem Karton und suche den entsprechenden Absatz.

Ha, wusste ich es doch, selbst in einem solchen Fall stehen mir mindestens 15 Tage zu.

Wer weiß, ob der Teufel überhaupt Urlaub macht?

Ein weiterer Zettel landet auf dem Vertrag. Ich bin ja nicht von gestern…


§ 7 Krankheit


Nur im äußersten Notfall darf die Arbeitnehmerin der Arbeit fern bleiben. Eine Arzt-Korrespondenz ist ab dem ersten Tag vorzulegen.

 

Denkt er ernsthaft man macht freiwillig krank… Hmm verlockende Vorstellung, ich grinse schelmisch.

’Everly, du weißt was von dem Job abhängt.’ rügt mich meine zuverlässige innere Stimme, ein weitere Post-it und ich lese brav weiter.

§ 8 Verschwiegenheitspflicht


Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und auch nach dem Ausscheiden, über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. (ANLAGE 3)


§ 9 Nebentätigkeit


nicht gestattet


§ 10 Kündigung

 

Die Kündigung bedarf der Schriftform.

 

§ 11 Zusätzliche Vereinbarungen


siehe ANLAGE 1 und 2

 

Das dürfte auch noch einmal spannend werden, ich schüttele den Kopf. Er muss einfach alles genau kontrollieren.

Ich gebe aber zu, ich verstehe ihn ein wenig, es hängen eine ganze Menge Jobs von ihm ab und Fehler darf er sich nicht erlauben.

’Hast du plötzlich Mitleid mit ihm?’ meine innere Stimme klingt erstaunt.

„Nein… nein.“ Sage ich leise zu mir selbst und plötzlich sehe ich Damian Lawson braune Augen vor mir.

Grrr… ich schüttele mich leicht.

Wenn er nicht der Teufel wäre, dann würde ich mir sogar eingestehen, dass er wirklich gut aussieht.

Aber er ist der Teufel, der Teufel persönlich.

§ 14 Vertragsänderungen und Nebenabreden


Änderungen, Ergänzungen und Nebenabreden bedürfen der Schriftform; dies gilt auch für die Aufhebung der Schriftform selbst.


Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, den Arbeitgeber unverzüglich über Veränderungen der persönlichen Verhältnisse wie Familienstand, Kinderzahl, Adresse oder ähnliches Mitteilung zu machen.




...Dublin, ..........................................

Ort, Datum



…………………………………………………………………………………………………

Unterschrift Arbeitgeber                Unterschrift Arbeitnehmerin

 

Ich atme tief durch. Kurz und knapp, wie ich es erwartet habe.

Aber er denkt nicht ernsthaft, ich setze jetzt hier meine Unterschrift drunter, dafür habe ich noch zu viele Anmerkungen und die will ich erst einmal abgeklärt haben.

Soweit so gut.

Ich nehme mir Anlage 3 zuerst zur Hand

 

Vertraulichkeitsvereinbarung

 Zwischen Damian Lawson und Everly Thornton

Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Mr. Lawson und Miss Thornton werden folgende Vereinbarungen geschlossen:

 

Vertraulichkeitsvereinbarung

 

Vertrauliche Informationen im Sinne dieser Vereinbarung sind:

 

- Alle mündlichen oder schriftlichen Informationen und Materialien, die Eigentum der Lawson Industries Inc. sind oder deren Vertraulichkeit sich aus ihrem Gegenstand oder sonstigen Umständen ergibt.

 

- Alle privaten Geschehnisse (eingeschlossen Telefonate, E-Mail o.ä.)

 

- Die beauftragten Leistungen und sonstige Arbeitsergebnisse.

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, alle ihm direkt oder indirekt zur Kenntnis gekommenen vertraulichen Informationen strikt vertraulich zu behandeln und nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Auftraggebers an Dritte weiterzugeben, zu verwerten oder zu

verwenden.

 

Der Auftragnehmer wird alle geeigneten Vorkehrungen treffen, um die Vertraulichkeit sicherzustellen. Vertrauliche Informationen werden nur an die Mitarbeiter oder sonstige Dritte weitergegeben, die sie aufgrund ihrer Tätigkeit erhalten müssen

 

Die Pflicht zur absoluten Vertraulichkeit dauert auch nach Beendigung der Zusammenarbeit an.

 

Auf Verlangen sind ausgehändigte Unterlagen einschließlich aller davon angefertigten Kopien sowie Arbeitsunterlagen und -Materialien zurückzugeben.

 

Der Auftragnehmer haftet für alle Schäden in vollem Umfang.

(Rufschädigung o. ä. durch die Presse eingeschlossen.)

 

...Dublin, .....................................................

Ort, Datum


…………………………………………………………………………………………………

Unterschrift Arbeitgeber                Unterschrift Arbeitnehmerin

 

 

Das ist nun wirklich nichts Neues und ich unterschreibe zumindestens diesen Teil schon einmal. Ich nehme mir einen weiteren Zettel zur Hand.

 

Sicherheitsvereinbarung

 

- Miss Thornton versichert, dass sie bei bester Gesundheit ist. Etwaige Änderungen sind sofort mitzuteilen.

- Miss Thornton versichert, in ihrer Freizeit keinen Gefährlichen oder hoch riskanten Freizeitaktivitäten nachzugehen.

- Miss Thornton versichert, auf ihre Gesundheit zu achten und sich den Bedingungen entsprechend gesund zu verhalten.

 

Wie bitte verhält man sich denn gesund und riskante Freizeitaktivitäten sind ja wohl Auslegungssache…

Ich denke eine Weile nach, setze dann aber doch meine Unterschrift unter dieses merkwürdige Schriftstück.

Muss ich ihm eigentlich auch mitteilen wann ich Sex habe oder meine Periode?

Vielleicht sollte ich ihn das fragen?

Bei dem Gedanken an seinen Gesichtsausdruck muss ich wieder grinsen.

Ich denke kaum, dass ich ihn damit wirklich aus der Reserve locken könnte, aber der Versuch wäre bestimmt sehenswert.

’Denk nicht einmal darüber nach!’ ermahnt mich meine innere Stimme und ich zucke mit den Schultern.

So nun meine Lieblingsanlage… die Kleiderordnung.

Es hat sich auch bei einem weiteren Blick nicht geändert und ich setze kopfschüttelnd meine Unterschrift darunter.

Dann nehme ich mir den letzten Zettel zur Hand, das wird jetzt spannend, ich bin überrascht, das so wenig auf dem Blatt steht, ich hätte jetzt Seitenweise Anweisungen erwartet.

 

SONDERVEREINBARUNGEN

 

Miss Thornton verpflichtet sich, mich auf allen eventuell anliegenden Geschäftreisen, Geschäftessen und sonstigen der Firma zuträglichen Veranstaltungen zu begleiten. Sie wird sich stets im Hintergrund halten und nur dann Auskunft geben, wenn ich es ihr gestatte.

 

Das war es schon, ich bin fast ein wenig enttäuscht von ihm. Das ist ja wohl Teil meines Jobs, möglichst viel für ihn erledigen und dabei unsichtbar sein.

Könnte schwer werden…

Ich stapele alle Papiere sorgfältig und lese dann das Dossier über die Firma. Damian Lawson soll tatsächlich erst 32 sein und somit nur 6 Jahre älter wie ich.

Ich kann es kaum glauben.

Ansonsten finde ich keinerlei Angaben über sein Privatleben, nur die Verlegung des Hauptsitzes von New York hier her nach Dublin vor 4 Jahren macht mich ein wenig stutzig. Die meisten Geschäfte laufen immer noch in den USA.

Warum also ausgerechnet Dublin?

Vielleicht finde ich es irgendwann heraus…

Die Jahresumsatzzahlen sind wirklich imposant, kaum zu glauben, dass er mit Lawson Industries Inc. im letzten Jahr knapp vier Milliarden Euro Umsatz weltweit gemacht hat. Er war sogar im Forbes Magazin unter den 50 reichsten Jungunternehmern der USA. Ihm gehören noch weitere Firmen in den Staaten und auch in Europa.

Wirklich beachtliche Leistung Mr. Milliardär Damian Lawson…

„Ich bin da!“ Jen kommt durch die Wohnungstür herein gewirbelt und ich sehe auf.

Skeptisch betrachtet sie den Karton.

„Ich habe meine Seele dem Teufel verkauft.“ Ich halte das Bild von Damian Lawson hoch „Darf ich vorstellen, der Teufel in Person, Mister Obererfolgreich und Unfassbar Reich: Damian Lawson.“ Ich grinse schief.

Sie nimmt mir die Mappe aus der Hand.

„Der ist jung und Eve, scheiße, der sieht richtig heiß aus.“ Sie lächelt verschmitzt.

„Oh Jen, wenn du wüsstest…“ ich verdrehe die Augen „… Der ist so heiß wie die…“ ich mache eine Pause und sie sieht mich gespannt an „… die Antarktis.“

„Hä?“ sie legt mal wieder ihren Kopf schief. Eine typische Angewohnheit von ihr, die mich jedes Mal zum grinsen bringt, denn dann habe ich mal wieder etwas gesagt, was für sie keinen Sinn ergibt und fast denke ich, ich kann kleine Fragezeichen um sie herum schwirren sehen.

Also gut, ich kläre sie auf…

„Er ist arrogant, herrisch und hat ein gehöriges Problem damit, alles und jeden kontrollieren zu wollen.“ Ich überlege ob ich ihr die Kleiderordnung zeigen soll und reiche sie ihr schließlich. Sind ja keine Geheiminformation.

Sie liest die Liste und lacht auf.

„Ernsthaft?“ sie sieht mich an.

„Ja, ich werde morgen dementsprechend eingekleidet. Vielleicht sollte ich Mr. Brown fragen, ob er mir farblich passende Schneeanzüge anfertigt. Bei den Temperaturen die Mr. Lawson ausstrahlt, werde ich die sicher nötig haben.“ Ich lege die Liste zurück in die Kiste.

„Was ist das alles?“ sie betrachtet den Karton mit Argwohn.

„Das meine liebe Jen, sind meine Arbeitsmaterialien. MacBook, I-Phone, von mir liebevoll Baby genannt und ein I-Pad. Verdammt, ich muss mich den Geräten auseinander setzen, ab Montag sitze ich nicht nur im Vorzimmer der Hölle, nein, ich sitze in der Hölle. Meinst du, er hat einen Vertrag mit Apple?“ frage ich mich eher selbst. Mache somit einen Gedankensprung und betrachte nachdenklich die Geräte, schließlich lasse ich mich auf meinem Stuhl leicht nach hinten fallen.

„Wie meinst du das?“ Jen zieht ihre Jacke aus und bringt sie in den Flur um sie an unsere hoffnungslos überfüllte Garderobe zu hängen.

„Ich bin die neue persönliche Assistentin des Teufels.“ Sage ich lang gezogen.

„Du bist seine…“ sie deutet auf die geschlossene Mappe „…persönliche Assistentin?“ sie japst nach Luft.

„Ja…“ ich nicke leicht und sie sieht mich mit riesengroßen Augen an „Ich habe meinem Schreibtisch in seinem Büro, verstehst du? Nicht nur davor, wie üblich, nein, in seinem Büro.“ Ich betone das Wort in extra und sie grinst.

„In seinem Büro…“ sie kann sich nun ein lachen nicht mehr verkneifen und ich blicke beleidigt auf.

„Sorry Eve, aber du hast die größte Klappe die ich kenne, es könnte schwer werden dich im Zaum zu halten.“ Sie nimmt entschuldigend meine Hand.

„Ich werde mich viel mit meiner inneren Stimme auseinandersetzen.“ Seufze ich.

„Ihr werdet die besten Freundinnen.“ Feixt Jen.

„Du machst mir echt Mut…“ ich entziehe ihr meine Hand „Wenigstens die Bezahlung ist echt gut, in einem halben Jahr habe ich, so wie ich das sehe, die Rechnungen dann abbezahlt.“ ich atme tief durch.

„Das ist schön Eve, ein halbes Jahr schaffst du locker.“ Sie nickt mir aufmunternd zu. „Apropos Rechnung.“ Sie holt einen Brief aus ihrer Handtasche.

Ich öffne ihn und stöhne auf „Mach ein, zwei mehr Monate draus.“ Ich lege die Rechnung zu den anderen in einen Extra Korb in der Küche.

Die sind nach Wichtigkeit und Datum sortiert und ich ordne die neue Rechnung ganz unten ein.

Ich bin froh, wenn sie endlich alle bezahlt sind, es macht mir ganz schön zu schaffen, das ich so viele Schulden habe.

„Sag mal der Thomas Brown ist nicht…“ Jen legt ihren Kopf schief.

„Doch, genau der Thomas Brown. Ein Kleidungsstück bei dem kostet mehr wie mein ganzer Kleiderschrank und ich werde voll ausgestattet.“ Ich atme tief durch.

Tja, das ist wohl der Preis meines Lebens… das und das verlockende Gehalt.

„Wahnsinn. Du weißt schon, das du jetzt in einer anderen Liga spielst?“ Jen sieht mich ehrfürchtig an.

„Ich? In einer anderen Liga spielen?“ ich verziehe spöttisch das Gesicht „Nein Jen, ich bin sein Schatten und soll möglichst unsichtbar sein. Ich werde also weiterhin zum gemeinen Fußvolk Dublins gehören.“

„Darfst du die Sachen danach behalten?“ sie schubst mich leicht an und lächelt wieder.

„Keine Ahnung, ich kann ihn ja morgen mal fragen.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Na komm Eve, ich weiß, was du jetzt brauchst.“ Sie zwinkert mir zu. „Ein leckeres Essen im Liffeys und eine alte, kitschige Romanze in River Theater.“

„Klingt echt gut.“ Stimme ich ihr zu „In gib mir 5 Minuten!“ ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und sprinte in mein Zimmer, wobei ich nur mit Mühe und Not an meiner Zimmertür zum stehen komme, denn Wollsocken und Holzfußboden sind nicht die besten Freunde. Ich tausche das Top gehen eine luftige hellgraue Tunika, schlüpfe in meine FlipFlops und stehe, nachdem ich meinen Zopf geöffnet habe, wieder bei Jen in der Küche.

„Auf geht’s!“ ich hake mich bei ihr unter und wir machen uns auf den Weg in unser kleines Lieblingsbistro nur ein paar Straßen weiter. Das Essen dort ist gut, ich gebe zu nicht herausragend, aber wirklich gut und das Wichtigste, die Preise stimmen.

Anschließend gehen wir in ein kleines, altes Kino. Dort werden nur wirkliche Klassiker gezeigt und wir verbringen den Abend damit Rhett Buttler anzuschmachten…

Anschließend gehen wir noch in einem kleinen Park, setzen uns auf eine Bank und sehen in die Sterne.

„Das war mal wieder richtig schön, es ist so schön, dass du wieder hier bist.“ Jen nimmt mich fest in den Arm, ich lehne meinen Kopf an ihre Schulter. Sie ist einen halben Kopf größer wie ich und ihre blonden Haare kitzeln mein Gesicht.

„Ich finde es auch schön wieder hier zu sein.“ Gebe ich zu “Du hast mir gefehlt. Du und Dublin.“

„Du mir auch.“ Sie seufzt ganz leise und wir schauen noch einen Moment in den sternenklaren Himmel, ehe wir uns auf den Weg nach Hause machen.

Es ist schon nach Mitternacht, als wir endlich die Wohnungstür aufschließe.

„Gute Nacht Jen, ich muss morgen früh hoch.“ Ich gähne demonstrativ und nehme sie in den Arm.

„Schlaf gut Eve.“ Sie drückt mich kurz an sich, ehe sie mir einen liebevollen Blick schenkt und in ihrem Zimmer verschwindet.

Ich gehe kurz ins Bad, schlüpfe in bequeme Shorts und ein Top und tapse in mein Zimmer. Obwohl ich wirklich müde bin, wälze ich mich noch lange hin und her. Ich habe wirklich keine Ahnung wie spät es ist, als ich endlich unruhig in den Schlaf finde.

Die dunkelbraunen Augen von Damian Lawson verfolgen mich in meinem Träumen und ich fühle mich wie gerädert, als ich am nächsten Morgen aufstehe.

’Lass mich wenigstens zu Hause in Ruhe…’ denke ich mürrisch, als ich meinen Wecker ausstelle und ins Bad tapse.

Jen ist, wie ich erleichtert feststelle, in der Uni und ich bin allein in der Wohnung.

Nach einem kurzen Frühstück, bestehend aus einem halben Toast und einer Tasse Kaffee, ziehe ich mir schnell die Jeans vom gestrigen Abend an, schlüpfe in ein weites T-Shirt und eine Sweatjacke und mache ich auf den Weg in die Boutique von Thomas Brown.

Dann stehe ich vor dem Laden, in dunkelblau wunderschön geschwungenen Buchstaben steht Thomas Brown auf den Schaufenstern und ich schlucke schwer.

Das ich jemals in meinem Leben diese Boutique betreten werde, habe ich mir bis gestern nicht träumen lassen. Das ist ja so, als würde die Queen zu Walmart gehen.

Das passt nicht wirklich…

Ich atme tief durch und drücke die Klinke runter, ein kleines Glöckchen über der Tür kündigt mich an und ich sehe mich unsicher um.

Alles hier sieht elegant und edel aus und ich komme mir in meiner Jeans, meiner Sweatjacke und meinen Converse mehr wie fehl am Platz vor.

„Kann ich ihnen helfen Miss?“ eine dunkelhäutige, äußerst gut aussehende Frau, in einem so engen Kleid, das ich mich frage, ob sie überhaupt jemals was isst, kommt auf mich zu und sieht mich mit ihren schwarzen Augen durchdringend an.

„Mein Name ist Everly Thornton…“ setze ich an.

„Ah Miss Thornton, kommen sie mit. Thomas erwartet sie schon.“ Sie lächelt plötzlich breit und macht eine einladende Handbewegung. Ich folge ihr in den hinteren Teil der Boutique.

„Thomas, Miss Thornton ist hier.“ Trällert sie fröhlich und lässt mich in einer Art Atelier zurück.

„Miss Thornton.“ Ein junger Mann kommt zu mir und reicht mir seine Hand. „Ich bin Tom.“ Stellt er sich freundlich vor und betrachtet mich eingehend während ich ihn mustere.

Er ist ungefähr einen halben Kopf größer wie ich, gut trainiert und trägt natürlich Sachen aus seiner eigenen Kollektion. Dunkelblonde kurze Haare, die nach oben gestylt sind, ein freundliches Gesicht, grasgrüne Augen und wie ich lächelnd fest stelle, hauchzartes Lipgloss auf den fein geschwungenen Lippen.

„Eve.“ Erwidere ich nach einer gefühlten Ewigkeit.

Niemals im Leben hätte ich erwartet, das er so freundlich ist.

„Eve…“ er schenkt mir ein jungenhaftes Grinsen „Welche Kleidergröße hast du Schätzchen?“ er lässt mich an seiner Hand eine Pirouette drehen.

„36.“ Gebe ich erstaunt zurück.

Er wiegt leicht mit seinem Kopf hin und her. „Bist du dir sicher, Schätzchen? Ich tippe eher auf eine 34. Wie groß bist du?“ er geht an einer Kleiderständer.

„1,69 m.“ ich beobachte ihn genau.

„Und wie viel wiegst du?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„58 kg.“ Erwidere ich leise.

„Und wann hast du das letzte Mal ein Teil deiner Garderobe in Größe 36 gekauft?“ er kommt mit einem Business-Zweiteiler auf mich zu.

„Das ist schon eine ganze Weile her.“ Gebe ich zu.

„Gut Eve Schätzchen, dann schlüpfst du jetzt Mal hier rein.“ Er reicht mir einen kurzen hellgrauen Rock mit einem passenden Blazer.

Lächelnd deutet er auf eine kleine Umkleidekabine und ich lege meine Tasche auf den Tisch und betrete diese.

„Mr. Lawson hat eine Vollausstattung angeordnet…“ denkt Tom draußen laut nach. „Das heißt, wir müssen auch Blusen, Schuhe, Unterwäsche und Strümpfe anpassen.“

Ich halte in meiner Bewegung inne.

Unterwäsche???

Finde ich den Gedanken gut, dass mein Chef weiß, was ich unter meinem Kostüm trage?

Eher nicht, aber mal ehrlich interessiert ihn das überhaupt?

„Eve Schätzchen…“ ruft er in die Kabine.

„Ja.“ Antworte ich leicht fahrig und ziehe den Rock hoch.

„Welche Körbchengröße hast du?“ fragt er leicht unsicher „Ich kann das schwer einschätzen. Schuhgröße 4.5?“

„Ja Schuhgröße 4.5…“ ich denke kurz nach, wann ich mir das letzte Mal einen BH gekauft habe „Körbchengröße 70 C.“ frage ich eher als ich antworte und er lacht leise.

„Das finden wir raus.“ Versichert er mir.

Ich ziehe mir den Blazer über und knöpfe ihn zu. Also eine Bluse brauche ich mit Sicherheit darunter, denn mein schwarzer ausgewaschener BH liegt frei.

„Passt es?“ fragt Tom und ich trete zögerlich aus der Kabine.

„Also der Rock ist noch ein wenig zu lang.“ Er betrachtet mich kritisch und Schätzchen, was du da unter deinem Schlabber T-Shirt versteckt hast…“ er sieht auf meine Oberweite und ich versuche den Blazer hin zu rücken.

„Keine Angst Schätzchen, ich werde dem Ruf des schwulen Modedesigners in allen Facetten gerecht.“ Er zwinkert mir zu.

Dann denkt er einen Moment nach, macht sich Notizen und kaut gedankenverloren am Ende seines Bleistiftes. Ich stehe ziemlich verloren herum und trete mir selber auf die Füße während ich versuche das alles hier zu verarbeiten.

’Tja, das gehört wohl dazu, wenn du einen Pakt mit dem Teufel eingehst.’ Trumpft meine innere Stimme auf und ich schließe kurz meine Augen.

Schließlich kommt er zu mir und steckt mir einige Sachen ab.

„So raus aus dem Teil. Kommst du dann bitte in Unterwäsche zu mir?“ er sieht mich an und ich nicke fragend.

„Ich muss deine Maße nehmen.“ Er lacht leise.

Ich befreie mich von dem Kostüm und trete nur in Unterwäsche wieder raus. Zum Glück habe ich zu dem ausgewaschenen BH wenigstens auch den passenden Stringtanga an.

Obwohl Glück?

Ich komme mir ein wenig albern vor.

Tom nimmt meine Maße und geht dann an seinen Arbeitstisch.

„Also gut Schätzchen, er sieht mich an. Da haben wir die Grundmaße 91 – 56 – 79. Schätzchen, du hast Modelmaße.“ Er grinst mich an.

„Tja, nur die Größe fehlt ein wenig.“ Ich fühle mich unwohl.

„Zieh dich wieder an.“ Er lächelt mir zu und ich sprinte zurück in die Umkleidekabine.

Endlich wieder in meiner Jeans und meinem Sweatshirt fühle ich mich gleich viel wohler. Ich trete neben ihn an den Arbeitstisch und sehe auf die Liste vor ihm.

„Brauche ich das alles?“ ich schlage schockiert meine Hand vor den Mund.

„Ja Schätzchen. Das ist die Grundausstattung. Mr. Lawson hat sehr konkrete Wünsche hinterlassen.“ Er sieht mich an.

„Hast du das schon öfter für ihn gemacht?“ fragend hebe ich eine Augenbraue.

„Mal da ein Kostüm oder ein Hosenanzug für eine seiner Sekretärinnen, aber eine Grundausstattung bisher nicht.“ Er sieht mich an und füllt weiter den Zettel aus.

Ich sehe mich ein wenig um und gehe zu einem der Kleiderstände, gleich vorne hängt ein wunderschönes dunkelblaues Abendkleid, aus fließendem Chiffon das Bustier ist mit kleinen Swarowski Kristallen besetzt. Vorsichtig befühle ich die kleinen funkelnden Steine, es sieht einfach traumhaft aus, wie für eine Prinzessin…

Ich wage einen Blick auf das Preisschild und meine Augen werden groß. 4.900 € steht da und ich schlucke schwer.

„Gefällt es dir?“ Tom beobachtet mich lächelnd.

„Es ist wunderschön.“ Gebe ich zu „Aber so etwas werde ich mir wohl nie leisten können. Ich könnte mir wahrscheinlich nicht einmal einen Gürtel von dir leisten.“ Ich grinse zaghaft.

„Ach was, so ganz uneigennützig mache ich das auch nicht…“ er winkt ab „Du wirst auf vielen offiziellen Anlässen dabei sein. Das ist Gratis Werbung für mich.“ Er zwinkert mir zu.

„Ich glaube kaum, dass so etwas in die Grundausstattung gehört.“ Gebe ich zu bedenken und lasse den weichen Stoff des Kleides los.

„Nein, leider nicht. Ich habe hier 10 Kostüme mit Rock, dazu passende Hosen, farblich abgestimmt Pumps, zwei Mäntel, 15 Sets Unterwäsche, Strümpfe und zwei Taschen.“ Leist er von seiner Liste ab „Allerdings stehen auf der Liste auch zwei Abendkleider, eines in schwarz und eines in grau.“ Er zieht eine Augenbraue hoch.
„Er hat ein Farbschema in der Woche.“ Grinse ich.

„Das erklärt es natürlich. Nicht das ich bei Damian was anderes erwartet hätte.“ Gibt er grienend zurück. „Also, ich habe fast alles da, ich muss hier und da noch ein paar Kleinigkeiten ändern, aber ich denke morgen Nachmittag kannst du alles abholen. Oder sollen wir es zu dir nach Hause bringen?“ er sieht mich fragend an.

„Kannst du es bringen?“ ich nehme einen Stift und einen Zettel aus meiner Tasche.

„Aber sicher. Noch eins: Alle Kleidungsstücke müssen in die Reinigung. Ich empfehle dir Stone, die sind nur zwei Straßen von Bürogebäude entfernt und Mr. Lawson bringt seine Anzüge da auch hin.“ Er nickt mir zu und ich reiche ihm den Zettel mit meiner Adresse.

„So gegen 19 Uhr?“ er nimmt den Zettel und ich nicke.

„Vielen Dank Tom. Vielen Dank für alles.“ Ich reiche ihm meine Hand.

„Wenn was ist, oder was umgeändert werden muss, dann kommst du zu mir ja?“ er sieht mich fragend an. „Ich gebe dir meine Handynummer. Wenn du Fragen zu was auch immer hast, dann melde dich. Ich denke, wir werden uns wohl etwas öfter sehen und ich helfe dir gerne.“

Ich lege fragend meinen Kopf schief und er lächelt.

„Damian und ich verkehren in den gleichen Kreisen, wir sind Freunde. Schätzchen, da bleibt das nicht aus.“ Er lässt meine Hand los.

„Was ist eigentlich, wenn ich kündige oder er mich entlässt? Bringe ich dann alles zurück zu dir?“ ich kaue auf meiner Unterlippe.

„Nein Schätzchen, das ist jetzt deins.“ Er lächelt und entblößt seine strahlend weißen Zähne „Ich wünsche dir viel Erfolg Eve.“

„Danke Tom.“ Erwidere ich erleichtert und er begleitet mich wieder nach vorne.

„Gern geschehen.“ Lächelt er und ich verlasse die Boutique durch den Haupteingang.

Ich atme tief durch, als ich die Straße wieder betrete.

Ich will wirklich nicht wissen, was das alles kostet. Es scheint Damian Lawson wirklich wichtig zu sein, das ich angemessen gekleidet bin.

’Was interessiert es dich? Ist es dein Geld?’ fragt mich meine innere Stimme und ich denke einen Moment nach.

Nein, aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

Ich fühle mich irgendwie gekauft…

Ich schlendere noch etwas durch die Dubliner Innenstadt und gönne mir in einem kleinen Café ein Sandwich und einen großen Latte Macciato.

Als ich am späten Nachmittag wieder nach Hause komme nimmt mich Jen sofort ins Kreuzverhör und will wissen, wie es bei Thomas Brown, dem großen Modeschöpfer war.

„Erzähl schon, wie ist er so?“ sie hibbelt aufgeregt vor mir herum und ich muss mir ein lachen verkneifen.

„Er ist wirklich nett, sehr nett sogar.“ Gebe ich zu und wir gehen ins Wohnzimmer „Ich habe das Gefühl, einen Verbündeten in ihm gefunden haben, der mir hilft mich im Haifischbecken der Dubliner High Society zu Recht zu finden. Ich glaube sonst gehe ich unter wie eine bleierne Ente.“ Ich lasse mich auf die Couch fallen. „Tom hat Kleider, ich sag dir Jen, so etwas Schönes hast du noch niemals gesehen.“ Schwärme ich.

„Und wann bekommst du deine Sachen?“ sie schaltet den Fernseher ein.

„Morgen Abend, mal schauen was er mir so zusammen stellt.“ Ich nehme ihr die Fernbedienung aus der Hand und schalte den Fernseher wieder aus. „Ich habe echt Hunger. Du nicht?“ ich stehe auf und ziehe sie hoch.

„Jetzt wo du es sagst.“ Grinst sei und wir kochen uns eine Kleinigkeit, ehe wir uns dann auf die Couch zurück ziehen und uns vom Fernsehprogramm berieseln lassen. Wir landen irgendwann bei einer Talentshow und Jen und ich haben schon nach kurzer Zeit Bauchschmerzen vom lachen.

Was denken sich manche Leute eigentlich?

Haben sie keine Freunde oder eine Familie die ihnen offen und ehrlich die Meinung sagt?

„Wenn ich mich jemals für so etwas anmelden will, dann halte mich davon ab. Zur Not mit Waffengewalt.“ Lacht Jen und ich reiche ihr feierlich die Hand.

„Ich verspreche es dir.“ Wir reichen uns feierlich die Hände, ehe wir wieder anfangen müssen zu lachen.

Gut gelaunt gehe ich ins Bett und schlafe in dieser Nacht das erste Mal seit langen gut und mehr wie 4 Stunden am Stück.

Ich bin voller Energie und beschließe joggen zu gehen, das habe ich schon viel zu lange nicht gemacht und ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen.

Auf dem Rückweg kaufe ich für mich und Jen noch Brötchen und mache uns, nach einer ausgiebigen Dusche ein leckeres Frühstück.

Als sie verschlafen aus ihrem Zimmer kommt und den gedeckten Tisch entdeckt, da strahlt sie mich an.

„Wow Rührei, Speck und Brötchen.“ Sie betrachtet mein Werk und setzt sich zu mir an den Tisch.

Ich schenke uns Kaffee ein.

„Jen?“ beginne ich zögerlich.

„Na was Eve?“ sie grinst mich an und befördert eine Gabel Rührei in ihren Mund.

„Wenn ich Olivia richtig verstanden habe, dann wir mein Privatleben ziemlich auf der Strecke bleiben…“ ich sehe sie an und sie erwidert meinen Blick traurig. „… Ich möchte, dass du weißt, dass du immer meine beste Freundin sein wirst. Auch wenn ich sehr wahrscheinlich nicht mehr so viel mit dir unternehmen kann.“

„Eve, du warst fast ein ganzes Jahr weg und wir haben uns höchstens ein Mal im Monat gesehen. Wir haben das überstanden, wir werden auch einen Damian Lawson überstehen.“ Sagt sie sicher. „Ist ja nicht für die Ewigkeit.“ Sie zwinkert mir zu.

„Danke Jen.“ Erwidere ich erleichtert.

Ich muss einfach wissen, das sie nach alle dem was hinter uns liegt und mit allem was vor uns liegt, zu mir steht.

Es ist beruhigend zu Wissen, das ich auf sie zählen kann…

„Wie kommst du in der Uni voran?“ ich nehme mir ein halbes Brötchen und sehe zu ihr.

„Gut, wir fangen jetzt mit den Vorbereitungen für die Abschlussprüfungen an. Ich denke, ich muss mich langsam nach einem Praktikumsplatz umsehen.“ Sie seufzt leise.

„Immer noch nichts von Milestone gehört?“ frage ich erstaunt.

„Nein, dabei haben die meine Papiere schon seit einem halben Jahr vorliegen. Ich will unbedingt da arbeiten und ich dachte wirklich, ich habe eine Chance.“ Sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Kaffee.

Milestone ist das größte Kommunikationsunternehmen in Irland und ich weiß, wie gerne sie da arbeiten möchte. Jen ist die geborene Führungspersönlichkeit und Milestone weiß nicht, was sich entgehen lassen, wenn sie sie nicht zu sich holen...

„Die melden sich noch, noch hast du ja 8 Wochen Zeit.“ Ich lege meine Hand auf ihre und mein Blick fällt auf meine Armbanduhr.

„Verdammt, ich muss los.“ Ich springe auf. „Bist du so lieb…“ ich sehe sie abgehetzt an.

In 20 Minuten muss ich in diesem Friseursalon sein und ich muss mal wieder durch die halbe Stadt.

„Ich räume auf, du hast Frühstück gemacht und ich räume das Schlachtfeld auf.“ Sie zwinkert mir zu.

„Ich danke dir!“ ich werfe ihr einen Handkuss zu und stürme aus der Tür.

Ich rase durch die Stadt und bin tatsächlich nur 5 Minuten zu spät.

Der Salon wirkt edel, alles ist in Silber und Weiß gehalten und als ich vor dem Raumschiffartigen Tresen stehe und mich umsehe, da komme ich mir mal wieder völlig fehl am Platz vor.

Scheint, als würde das zu meinem Leben ab jetzt dazu gehören… mich Fehl am Platz zu fühlen.

’Könnte schlimmer sein.’ Redet mir meine innere Stimme gut zu und ich nicke, wahrscheinlich hat sie Recht.

Eine junge Frau in einer schwarzen Hose und einem weißen Poloshirt mit dem Schriftzug Keville Hair kommt auf mich zu.

„Haben sie einen Termin?“ fragt sie freundlich und ich nicke.

„Ja, mein Name ist Everly Thornton. Mr. Lawson hat einen Termin bei Aaron Filan für mich ausgemacht.“ Erkläre ich ihr und die Blondine sieht mich mit großen Augen an.

„Freut mich Miss Thornton, Aaron wartet schon auf sie.“ Sie macht eine einladende Geste und führt mich in den vorderen Teil des Salons. Ein junger platinblonder Mann kommt auf uns zu.

„Hallo Everly, ich bin Aaron.“ Er lächelt mich an und deutet mir an auf einem der Stühle Platz zu nehmen. „Kann ich dir was Gutes tun? Einen Kaffee? Einen Cappuccino oder ein Wasser?“ er legt mir den Umhang um und ich schüttele leicht mit dem Kopf.

„Nein danke, ich habe gerade gefrühstückt.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern.

„Kein Problem. Hast du Vorstellungen?“ er setzt sich auf einen Stuhl hinter mich.

„Nein, ich weiß nicht, was Mr. Lawson erwartet.“ Gestehe ich.

„Ach Damian will nur ein bisschen Form da rein haben und ich soll dir zeigen, wie man sich die Haare hoch steckt und sich dezent schminkt.“ Er zwinkert mir zu.

’Er hat ihm bestimmt erzählt, das du diene Haare nicht ein Stück im Griff hattest.’ Spottet meine innere Stimme.

„Ach so.“ erwidere ich und kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe.

Sind die etwa auch Freunde?

Ich sehe ihn an und er lächelt.

„Ich kenne Damian ziemlich gut, wir spielen im gleichen Tennisclub.“ Erklärt er mir und ich nicke abwesend.

Die Welt ist zu klein und Dublin anscheinend ein Dorf, eindeutig!

„Also gut Everly…“ beginnt er.

„Eve.“ Sage ich leise und er schenkt mir ein strahlendes lächeln.

„Also gut Eve, ich werde dir nur ein paar Stufen schneiden und deine Haare ein wenig dunkler Färben, das passt besser zu deinem Typ und dann zeige ich dir ein paar einfache Hochsteckfrisuren.“ Er nickt mir zu „Und dann sehen wir weiter und ganz nebenbei…“ er beugt sie zu mir runter „Ich beiße nicht, versprochen.“

„Da bin ich erleichtert.“ Lächele ich und er macht sich ans Werk.

Ich beobachte jeden Schritt von ihm ganz genau und er lächelt mich immer wieder aufmunternd an. Nach zwei Stunden ist es geschafft und er dreht mich zum Spiegel.

„und was meinst du?“ er legt seinen Kopf schief und ich kann kaum glauben, dass ich das bin. Er hat meine Haare wirklich nur einen Tick dunkler gefärbt, aber trotzdem wirke ich gleich viel erwachsener und die Stufen umrahmen mein Gesicht, zum Glück hat er in den Längen nicht ganz so viel abgeschnitten und meine Haare fallen seidig und glänzend bis über meine Schulterblätter, die honigblonden und leicht rötlich wirkenden Strähnchen machen es perfekt und lässt die Farbe lebendiger und natürlicher wirken.

„Es ist umwerfend.“ Sage ich leise und er lächelt zufrieden mit sich.

„Und jetzt zeige ich dir ein paar ganz einfache Hochsteckfrisuren.“ Er geht kurz und kommt mit einer Auswahl an Haarklemmen, Spangen und Haargummis zurück.

Na, das wird ja was werden…

Eine Stunde später stelle ich mich zwar nicht mehr an wie der erste Mensch, aber bis mir das leicht von der Hand geht werden wohl noch einige Tage ins Land gehen, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.

Das muss ich auch beim Make up lernen, aber ich mache Aaron schnell klar, dass ich mich auch für einen Mister Damian Lawson nicht in einen Farbtopf stürzen werde.

Wir verbleiben bei Wimperntusche, ein wenig Eyeliner, Rouge und Lipgloss. Das reicht, denn ich soll ja unsichtbar sein. Ich bekomme alle Utensilien mit die ich brauche und komme kurz nach 19 Uhr erschöpft zu Hause an.

„Es wurde was für dich abgegeben.“ Jen sitzt im Wohnzimmer und ruft zu mir in den Flur.

„Wo?“ frage ich nur und ziehe meine Sneakers aus.

„In deinem Zimmer.“ Sie steht auf und ich öffne meine Zimmertür.

Wow, ich brauche wohl einen weiteren Kleiderschrank…

Überall liegen in Folie gepackte Blazer, Blusen, Hosen und Röcke und etliche Kartons stehen drum herum.

„Dem scheint es ja echt wichtig zu sein, das du gut aussiehst.“ Jen schüttelt Kopf. „Und wow, was ist mit deinen Haaren passiert? Du siehst hammermäßig aus.“ Sie bestaunt mich eingehend.

„Scheint so.“ erwidere ich fahrig, ich beginne alles irgendwie an und in meinen Kleiderschrank zu hängen.

Verdammt, ein Zweitüriger hat bisher völlig ausgereicht. Aber das hier füllt ihn alleine schon.

„Hey Erde an Eve, ich habe dir gerade ein Kompliment gemacht.“ Jen zwickt mich und ich sehe sie erschrocken an.

„Was?“ ich versuche immer noch mir einen Überblick zu verschaffen.

„Du siehst wunderschön aus.“ Sagt sie mit einem weichen Ausdruck im Gesicht und ich nehme sie in den Arm.

„Ich danke dir Jen.“ Sage ich und atme tief durch.

Ich nehme mir einen x-beliebigen Karton und befördere ein Paar schwarze Lackpumps an Tageslicht.

Jen verfällt sofort in verzückten kreischen und ich sehe sie fragend an.

„Eve, das sind Manolo Blaniks.“ Quietscht sie.

„Das sind was?“ ich betrachte die Schuhe mit der roten Sohle genauer.

„Das sind die Schuhe überhaupt.“ Jubelt sie und nimmt andächtig einen Schuh in die Hand.

„Die sind hoch, verdammt hoch…“ ich betrachte den Absatz „Der will, das ich mir den Hals breche… ganz sicher.“ Ich schlucke schwer.

„Quatsch Eve. Ich bin jetzt definitiv eifersüchtig, das sind die coolsten Schuhe, die ich je gesehen habe.“ Sie betrachtet die Schuhe mit leuchtenden Augen.

Ich hingegen betrachte immer noch skeptisch den Absatz.

„Hast du mich gehört? Er will, dass ich mir den Hals breche. Ich kann darauf nicht laufen.“ Stöhne ich „Nicht einen ganzen Tag.“

„Ach was Eve, Übung macht den Meister.“ Sie zwinkert mir zu.

„Das habe ich heute schon einmal zu oft gehört.“ Ich nehme mir eine Schachtel und befördere halterlose Strümpfe ans Tageslicht.

„Wow, wow…“ Jen sieht mich an.

„Das ist ein Scherz…“ ich schließe meine Augen „…hoffentlich.“

„Das gehört dazu.“ Jen ist relativ unbeeindruckt, während mein Herz am liebsten aussetzen würde.

Ich verstaue die Strümpfe bei meinen eigenen, meistens mit bunten Comicfiguren bedruckten, Strümpfen.

„Die Blusen sind der Hammer.“ Jen betrachtet ausgiebig ein paar der Blusen. Alle sind zwar weiß, aber haben raffinierte Details.

Eine große Schleife als Kragen, keinen Kragen oder die Knöpfe hören in der Mitte auf…?

Ich lege meinen Kopf schief und sehe zu Jen.

„Echt Eve, du bist ein Glückspilz.“ Sie zaubert feine Spitzenunterwäsche aus einem Karton.

„Oh mein Gott…“ ich setze mich auf mein Bett. „… Ich glaube es nicht, ich hoffe nur Tom hat die Auswahl eigenständig getroffen.“

Ich verfalle ins Grübeln, während sich Jen gar nicht satt sehen kann an meiner neuen Garderobe.

Kurz entschlossen greife ich zu meinem Handy und wähle die Nummer von Tom.

„Thomas Brown.“ Meldet er sich fröhlich.

„Hallo Tom, entschuldige bitte, wenn ich störe. Hier ist Everly Thornton.“ Setze ich vorsichtig an.

„Hallo Eve Schätzchen, was kann ich denn für dich tun?“ seine Stimmung ist weiterhin ungebrochen fröhlich.

„Erst einmal möchte ich mich für deine ausgezeichnete Auswahl bedanken…“ ich schlucke „… Hatte Mr. Lawson auch was mit der Wahl meiner…“ ich stocke und er lacht auf.

„Schätzchen, die Unterwäsche habe ich ganz allein ausgewählt. Keine Angst, der gute Mr. Lawson hat keine Ahnung was du drunter trägst.“ Kichert er.

„Ich danke dir Tom, ansonsten weiß ich nicht, ob ich am Montag hätte ins Büro gehen können.“ Gebe ich zu.

„Ach Schätzchen, Brust raus und Kopf hoch!“ macht er mir Mut „Ich muss jetzt. Wenn was ist ruf an! Bye, bye!“ flötet er.

„Bye, bye.“ Antworte ich und dann ist er auch schon weg.

„Wenigstens hat Damian Lawson nicht meine Unterwäsche bestimmt.“ Sage ich erleichtert zu Jen.

„Das ist eine ziemlich große Nummer, auf die du dich da einlässt.“ Gibt sie zu.

„Ja, ich glaube ich weiß noch gar nicht, wie groß.“ Gestehe ich mir ein.

Dann endlich habe ich alles so gut wie nur irgend möglich verstaunt und sehe schnaubend zu Jen.

„Das bin nicht ich.“ Stelle ich fest und sie steht von meinem Bett auf und nimmt mich in den Arm.

„Nicht wirklich, aber komm schon…“ sie hält ein paar weiße Pumps, wie ich mir von ihr sagen lassen habe, ebenfalls Manolo Blaniks, hoch und grinst „Es gibt Schlimmeres.“

„Wahrscheinlich hast du Recht.“ Ich nicke, wenn auch nicht sehr überzeugend.

„Ich weiß, was du jetzt brauchst…“ sie hält mir ihre Hand hin. „Clubbing mit mir.“ Sagt sie feierlich und ich muss, angesichts ihres begeisterten Gesichtsausdruckes lachen.

„Schmeiß dich in was Schickes, ich gebe dir 20 Minuten, deine Haare sind ja schon fertig.“ Sie treckt mir die Zunge raus und ich angele mir ein kurzes schwarzes Kleid im Empirestil aus meinem Kleiderschrank und nehme meine eigenen schwarzen Pumps, deren Absatz wesentlich kleiner, als der von meinen neuen Schuhen ist und ziehe mich schnell um. Da es heute nicht so warm war, ziehe ich mir noch eine dunkelgraue Strickjacke über und trete in den Flur.

„Du siehst großartig aus.“ Lächelt Jen und schlüpft in ihre roten Pumps, die zu ihrem himbeerroten kurzen, engen Kleid perfekt passen.

„Du siehst auch atemberaubend aus.“ Ich erwidere ihr lächeln.

„Dann lass uns Dublin unsicher machen. Ins Blue?“ sie sieht mich an und ich nicke lachend.

Unten auf der Straße winken wir uns ein Taxi heran und lassen uns zum Blue fahren. Wie immer an einem Samstagabend ist der Club gut besucht, aber Jen wäre nicht Jen, wenn sie nicht über tausend Ecken einen der Türsteher kennen würde und wir so die Schlange umgehen können.

Im Club steht die Luft und der Bass dröhnt so sehr, das sich mein Herzschlag ihm automatisch anpasst.

Jen lässt ihren Blick kurz über die Tanzwütige Menge schweifen, ehe sie meine Hand ergreift und mich zur Bar zieht. Nur Augenblicke später halte ich einen Tequila Sunrise in meinen Händen und beobachte die Menschen um mich herum.

Jen lässt mir wenigstens die Zeit meinen Cocktail zu leeren, ehe sie mich unbarmherzig auf die Tanzfläche zieht und beginnt sich rhythmisch zu bewegen. Ich passe mich ihr an und schließe meine Augen, es ist gerade so als würde die Musik durch mich hindurch fließen und ich genieße es. Viel zu lange waren Jen und ich nicht aus, um uns die Seele aus dem Leib zu tanzen.

Plötzlich spüre ich zwei Hände an meiner Hüfte und reiße meine Augen auf, mit einem Ruck drehe ich mich um und sehe in das Gesicht eines jungen Mannes.

„Es stört dich hoffentlich nicht?“ schreit er mir ins Ohr.

„Doch, es stört mich.“ Ich entwinde mich seinen Händen und sehe ihn entschuldigend an.

„Sorry!“ er hebt seine Hände und nickt mich dann lächelnd zu.

Ich winke ihm kurz zu, mein Herzschlag normalisiert sich wieder und ich wende mich wieder Jen zu.

’Der war doch ganz niedlich.’ Schimpft meine innere Stimme mit mir.

Ich habe weiß Gott andere Sachen im Kopf… denke ich und verdrehe leicht meine Augen.

Wir treffen wenig später auf ein paar unserer Kommilitonen, na ja Jens Kommilitonen und meine ehemaligen.

„Wow Eve, ist das schön dich zu sehen.“ Alice zieht mich, nachdem wir die Tanzfläche verlassen haben in ihre Arme.

„Hallo Alice.“ Ich grinse sie an und bestelle mir einen weiteren Cocktail.

Wir setzen uns in eine etwas ruhigere Nische und sofort beginnen die anderen von ihren Praktikumsplänen zu erzählen, während ich diesen stumm lausche.

’Wo wärst du wohl jetzt?’ fragt mich eine kleine Stimme in meinem Kopf.

Keine Ahnung, aber die Frage stelle ich mir nicht. Ich hatte meine Gründe und ich würde es immer wieder genauso machen…

„Und Eve, was machst du?“ Casper, der neben mir sitzt schubst mich leicht an.

„Ich bin die Assistentin von Damian Lawson.“ Antworte ich und er sieht mich einen Moment fragend an.

„Lawson Industries.“ Füge ich hinzu.

„Man Eve, du solltest keine Assistentin sein, du solltest Managerin sein.“ Er zieht mich in seine Arme.

„Es ist, wie es ist.“ Gebe ich zurück und ringe mich zu einem lächeln durch.

„Ja und einer Sache bin ich mir sicher, du bist mit Sicherheit die beste Assistentin in ganz Irland, wenn nicht sogar in ganz Europa.“ Er zwinkert mir zu.

„Das wird sich heraus stellen.“ Ich lächle und stoße mit ihm an.

Um 3 Uhr morgens merke ich, wie mich langsam aber sicher meine Müdigkeit übermannt und ich sehe müde zu Jen.

Sie nickt mir zu und wir erheben uns.

„So, ich muss ins Bett.“ Jen streckt sich und ich verabschiede mich mit einem Gruß in die Runde.

Endlich draußen atme ich tief die kühlende Nachtluft ein und lasse mich neben Jen ins nächstbeste Taxi fallen.

„Es war komisch, oder?“ Jen sieht mich von der Seite an.

„Was meinst du?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und sie bekommt einen traurigen Gesichtsausdruck. „Komm schon Jen, mein Leben geht ja weiter und Lawson ist nur ein Zwischenstopp.“ Verspreche ich ihr „Wenn sich die Möglichkeit ergibt, dann mache ich weiter.“

„Du musst einfach.“ Sie drückt meine Hand.

„Ja, aber erst einmal muss ich die Schulden los werden. Ich hasse es unerledigte Dinge zu haben.“ Ich seufze leise.

Zu Hause angekommen falle ich wie erschlagen ins Bett und werde erst wach, als die Sonne verhalten in mein Zimmer scheint.

„Bist du wach?“ Jen klopft an meine Tür und schlüpft ins Zimmer.

„Jetzt ja.“ Ich strecke mich und sie lässt sich neben mich ins Bett fallen.

Eine Weile liegen wir nebeneinander im Bett und genießen die Stille.

„Das hat mir am Meisten gefehlt.“ Gibt sie leise zu „Das am Sonntagmorgen im Bett liegen und zu wissen, das alles gut wird.“ Sie kuschelt sich an mich.

„Mir auch Jen.“ Flüstere ich.

Aber wird wirklich alles wieder gut?

Ich weiß es nicht…

Nach einer guten halben Stunde streckt sich Jen ausgiebig und sieht mich an. „Joggen?“

„Warum nicht.“ Ich komme leicht hoch sie springt aus dem Bett.

„10 Minuten.“ Grinst sie und läuft in ihr Zimmer.

Jen und ich wohnen seit 4 Jahren zusammen und sie ist mehr wie eine Schwester als wie eine Freundin. Ich liebe sie und vertraue ihr… außer in einem bestimmten Punkt.

Ich muss es ihr irgendwann sagen, aber nicht heute…

Ich stehe auf und schlüpfe in meine Trainingshose und ein Top ehe ich meine Turnschuhe anziehe und sie zubinde.

Im Bad wasche ich mir das restliche Make up des gestrigen Abends aus dem Gesicht und binde meine Haare hoch.

Als ich in den Flur trete zieht sich Jen gerade ihre Laufschuhe an und ich nicke ihr lächelnd zu.

Wir beschließen die große Runde zu laufen, bis hinunter zum River Paul und durch den Mill Park. Es ist herrlich die salzige Seeluft einzuatmen und die Sonne im Gesicht zu spüren.

Leider nehme ich mir dafür einfach viel zu wenig Zeit…

Auf dem Rückweg kaufen wir schnell ein paar lebensnotwendige Sachen, wie unter anderem Eis und nachdem ich geduscht habe und mich wirklich gut fühle setzen wir uns ins Wohnzimmer und Jen reicht mir einen Löffel. Gemeinsam machen wir uns über das Eis her und reden über alles Mögliche.

’Das bist du, endlich mal wieder.’ Schießt es mir melancholisch durch den Kopf, als dieser bei Jen auf dem Schoß liegt und wir uns die bestimmt 1000ste Wiederholung einer Folge von Grey’s Anatomy anschauen.

Dann setze ich mich mit meinen technischen Geräten auseinander, während Jen für die Vorlesungen lernt und als ich beschließe das es genug für einen Tag ist, da gehen Jen und ich relativ früh ins Bett.

ich finde mal wieder keinen Schlaf und verfluche Damian Lawson, da er mich mal wieder verfolgt…

’Raus aus meinem Kopf! Zurück in die Hölle mit dir!’ schreie ich ihn innerlich an und vergrabe mein Gesicht in meinem Kissen.

Der Wecker dröhnt neben meinem Kopf und ich komme verschlafen hoch. 6 Uhr morgens… ich stöhne und schleppe mich widerwillig ins Bad.

’Dann mal los, nun ist es an dir, die Sachen von Aaron umzusetzen.’ ich spreche mir selbst Mut zu und als ich aus der Dusche komme. Tatsächlich geht mir die Hochsteckfrisur leichter von der Hand wie erwartet und auch das Make up kann sich nach 20 Minuten sehen lassen. Meine hellblauen Augen strahlen und ich sehe wesentlich frischer aus als ich mich in Wahrheit fühle.

Wieder im Zimmer schlüpfe ich eines dieser sündhaft teuren Unterwäschesets und in halterlose Strümpfe, dann suche ich die Farbschemaliste und befreie eines der hellgrauen Kostüme von der Folie. Ich entscheide mich nach kurzem nachdenken für die Bluse ohne Kragen und angele mir passende hellgraue Pumps aus einem der Kartons. Die Bluse ist freizügiger wie gedacht, aber nachdem ich alles ins rechte Licht gerückt habe bin ich zufrieden. Ich werfe einen Blick in den großen Spiegel neben meinem Kleiderschrank.

’Das bist nicht du.’ Schießt es mir augenblicklich durch den Kopf und ich seufze. Ich weiß, meine innere Stimme hat Recht…

Ich gehöre in verwasche Jeans, in ein Top und in Turnschuhe… das bin ich.

’Es ist nicht für immer!’ mache ich mir selbst Mut und atme tief durch.

Noch immer kann ich nicht fassen, wie sehr mich die neue Frisur und diese Klamotten verändern…

Ich wirke wahnsinnig erwachsen und professionell, dabei habe ich keine Ahnung was mich wirklich erwartet.

Ich streiche mir eine der Strähnen die mein Gesicht umrahmen hinters Ohr, dann streiche ich meinen Rock glatt und gehe in die Küche. Über dem Stuhl hängt schon eine schwarze Ledertasche mit dem I-Pad und meinem Baby drin. Die Laptoptasche steht daneben. Ich habe gestern Abend alles vorbereitet und hoffe es hilft mir heute ein wenig.

Wie gesagt, ich bin technisch ja nicht unbegabt.

Auf dem Tresen in der Küche steht ein quietschpinker Thermobecher mit der Aufschrift – sexy Bürohäschen – und zwei weißen Hasen drauf. Daneben liegt ein Zettel und ich nehme ihn lächelnd zur Hand.

 

Guten Morgen Eve,

ich wünsche dir ganz viel Glück an deinem ersten Tag. Auch wenn ich gegen den Job bin, ich weiß, dass du es nur machst um alle die Rechnungen zu bezahlen…

Ich denk an dich und trete Mister Superreich in den Arsch, wenn er nicht nett ist.

Den Becher kannst du je nach Bedarf mit heißem Kaffee für deinen Aufenthalt in der Antarktis oder mit kühlem Wasser für deinen Aufenthalt in der Hölle füllen!

Ich hab’ dich lieb!

Kuss Jen

 

Ich nehme grinsend die Tasse und packe sie in meine Tasche. Dann versuche ich zu frühstücken, aber ich bekomme nichts runter, mein Magen fühlt sich wie verknotet an und ich gebe nach einem viertel Toast auf. Ich begnüge mich vor meinem ersten Arbeitstag mit einem Glas Orangensaft. Kaffee werde ich hoffentlich im Büro bekommen, ich bin aber so nett und stelle die Kaffeemaschine für Jen an. Sie muss in einer halben Stunde aufstehen und freut sich bestimmt über frischen Kaffee.

Ich fahre die knappe halbe Stunde quer durch Dublin und verfluche meine neuen Highheels mehr wie einmal. Ich glaube für meine und sie Sicherheit aller anderen Autofahrer in Dublin ist es sicherer, wenn ich barfuss Auto fahre.

Ich parke auf dem Firmeneigenen Parkplatz und steige mit klopfendem Herzen aus.

’Kopf hoch, Brust raus!’ höre ich wieder die Stimme meiner Mum und straffe meine Schultern.

Ich nehme mir die Laptoptasche und die Aktentasche und schreite möglichst elegant in Richtung Haupteingang.

Die Empfangsdame sieht mich freundlich an und ich erwidere skeptisch ihren Blick.

Am Donnerstag konnte sie mich gar nicht strafend genug ansehen.

Und jetzt?

Tja, Kleider machen Leute.

„Guten Morgen Miss Thornton, sie werden von Mrs. O’Bryan erwartet und sie bekommen im Büro ihre Sicherheitskarte ausgehändigt.“ Begrüßt sie mich freundlich und wieder einmal schafft es ihre Stimme, dass sich mir sämtliche kleinen Nackenhärchen aufstellen.

„Vielen Dank.“ Presse ich hervor und gehe langsam in Richtung Fahrstuhl.

’Tief durchatmen!’ ermahnt mich meine innere Stimme und ich drücke auf den kalten viereckigen Knopf.

Nur wenige Sekunden später öffnen sich die Türen fast geräuschlos und ich trete mit klopfendem Herzen in die Kabine.

Ich drücke auf den siebenten Stock und der Fahrstuhl setzt sich langsam in Bewegung, diese nervige Fahrstuhlmusik läuft im Hintergrund und ich kaue auf meiner Unterlippe herum.

’Na toll, dann kann ich mir den Lipgloss auch sparen.’ denke ich missmutig als die Fahrstuhltüren aufgleiten.

„Guten Morgen Everly, sie sehen umwerfend aus.“ Begrüßt mich Olivia strahlend und ich erwidere es zaghaft. Bevor sie etwas sagen kann, reiche ich ihr die bereits unterzeichneten Papiere aus meiner Tasche und sie überfliegt sie kurz.

„Was ist denn mit dem Arbeitsvertrag?“ sie zieht fragend eine Augenbraue hoch.
„Den muss ich mit Mr. Lawson besprechen.“ Gebe ich zurück und atme tief ein.

Blondie eins und Blondie zwei, die sich das Büro mit Olivia teilen, fallen fast die Augen aus dem Kopf, als sie mich erkennen. Ich hebe meinen Kopf an, lächle und folge dann Olivia.

„Ich zeig dir jetzt deinen Schreibtisch, dann kannst du dich vorbereiten, Mr. Lawson wird in knapp 10 Minuten hier sein.“ Olivia geht weiterhin mir voran und wir betreten Damian Lawsons Büro.

Sie deutet auf einen großen Schreibtisch aus Glas in der rechten Ecke und nickt mir zu.

’Wow, also der ist mal groß.’ Schießt es mir augenblicklich durch den Kopf. ‚Und aus Glas, du kannst nicht mal eben unterm Tisch deine Schuhe ausziehen.’ Stöhne ich innerlich.

Ich nehme meine Laptoptasche und stelle den Laptop auf

Dieses Büro ist so groß, das zum Glück immer noch knappe 10 Meter zwischen meinem und seinem Schreibtisch liegen.

Ich setze mich auf meinen Schriebtischstuhl und atme tief durch, beruhigend legt Olivia ihre Hand auf meinen Unterarm.

„Kaffee?“ fragt sie und grinst mich an.

„Gerne.“ Ich fische meinen geschenkten Bunny Becher aus meiner Tasche und reiche ihn ihr. „Mit Milch und Zucker.“ Füge ich hinzu und sie betrachtet lächelnd meinen Kaffeebecher.

„Wow.“ Sie dreht ihn in ihren Händen.

„Ein Geschenk von meiner besten Freundin, soll mir Glück bringen.“ Erkläre ich ihr und sehe mich um „Und ich glaube, das kann ich gebrauchen.“

„Das wird schon werden Everly.“ Macht sie mir Mut und geht hinaus.

Ich schließe den Laptop an, fahre ihn hoch und konfiguriere ihn gerade mit dem I-Pad, als ein Datenverkehr startet und ich auf meinen Bildschirm starre. Ich stutze einen Moment, aber dann sehe ich, dass dieser direkt von Damian Lawsons Computer kommt und zucke mit den Schultern.

Wird schon seine Richtigkeit haben…

Ich nehme mein Baby aus der Tasche und schalte es ein. Mein erster Arbeitstag hat hiermit offiziell begonnen…

Ich hänge meinen Mantel an den Garderobenständer und sehe kurz auf das Meer, der Ausblick ist herrlich. Gerade geht die Sonne glutrot auf und alles schimmert in den unterschiedlichsten Orange und Rottönen.

„Miss Thornton.“ Damian Lawson betritt das Büro und augenblicklich wird es mindestens 10 Grad kühler. Ich zucke zusammen, atme dann tief durch und setze mich.

„Mr. Lawson.“ Entgegne ich ebenso kühl und schlage meine Beine übereinander. Taktvoll hoffe ich, aber ich denke daran muss ich noch arbeiten.

„Ist der Datentransfer abgeschlossen.“ Sein kühler Blick durchbohrt mich, mustert meine Kleidung und meine Frisur.

„Nein Sir, er ist bei 89 Prozent.“ Gebe ich unbeeindruckt zurück, obwohl mein Magen einen Salto vor Ärger schlägt.

Tut ein wenig Freundlichkeit wirklich weh?

Ich beobachte ihn, wie er seinen Mantel aufhängt und elegant zu seinem Schreibtisch geht. Er hat ein weiches Profil, wie mir auffällt als ich meinen Kopf leicht schief lege und ihn betrachte.

So gar nicht passend zu seiner Verhaltensweise.

Seine Haare sind heute geordneter, dennoch stehen einige widerspenstige ab. Seine Hände sehen frisch manikürt aus und das Hemd schmiegt sich an seinen Körper…

’Du hattest eindeutig zu wenig Schlaf und noch keinen Kaffee.’ meine kleine Stimme holt mich in die Realität zurück.

Mein Laptop gibt ein leises Pling von sich und ich konzentriere mich auf meinen Bildschirm.

„Der Datentransfer ist abgeschlossen.“ Sage ich und starre auf die Dokumente die sich in Windeseile auf meinem Bildschirm aufbauen.

’Was zur Hölle ist das?’ stutze ich.

„Das ist mein Terminplan.“ Beginnt Damian Lawson und ich sehe erstaunt auf.

’Das alles?’ liegt mir auf der Zunge, aber ich schlucke es lieber runter und starre weiterhin auf meinen Bildschirm ’Nimmt das gar keine Ende?’

Endlich baut sich das letzte Dokument auf und ich atme erleichtert durch.

„Jeder Tag ein einzelnes Dokument, laden sie es sich auch auf das I-Phone, das I-Pad und der Laptop werden jeden Morgen wenn sie es anschließen updatiert. Rote Termine bedeuten Einzeltermine nur für mich. Wichtige Kunden und Privattreffen. Orange Termine sind die Termine zu denen sie mich begleiten werden und grüne Termine sind die Termine, die sie alleine wahr nehmen können.“ Erklärt er und blickt nicht einmal von seinen Bildschirm auf. „Machen sie den Plan für heute und schicken sie ihn mir als PDF Dokument an meine E-Mail Adresse.

„Ja Sir.“ Antworte ich knapp und versuche aus den Dokumenten vor mir schlau zu werden.

„Ich erwarte eine Zusammenfassung, jeden Morgen um Punkt 8:15 Uhr.“ Also wenn seine Stimme noch unfreundlicher wird, dann bin ich in der Eiszeit. Er sieht auf die Uhr. „Sie haben heute bis 8:45 Uhr Zeit.“ Fügt er gönnerisch hinzu und ich atme tief durch.

’Was bildet der sich ein?’ schnaubt meine innere Stimme, aber ich halte es wirklich für weiser, meinen Mund zu halten, egal wie schwer es mir gerade fällt.

„Ihr Kaffee Everly.“ Olivia stellt mir meinen pinken Kaffeebecher auf meinen Schreibtisch. Er ist der einzige wirklich Farbtupfer im ganzen Büro und Damian Lawson starrt ihn an.

„Möchten sie etwas über meine Tasse los werden?“ frage ich und kann nicht verhindern, das meine Stimme einen gereizten Unterton bekommt.

„Nein…“ seine Augen sehen mich dunkel und bedrohlich an. Sie scheinen – Pass auf was du sagst, sonst schmeiße ich dich raus – zu sagen.

„Was kann ich noch für sie tun Mrs. O’Bryan.“ Er sieht zu Olivia und diese lächelt ihn an.

Aber ich erkenne, das ihr lächeln falsch ist, denn es erreicht nicht ihre Augen.

„Miss Thornton hat den Arbeitsvertrag noch nicht unterschrieben und möchten sie heute Tee oder Kaffee?“ sie sieht ihn an und er sieht erstaunt zu mir. Ich spüre wie sein Blick auf mir ruht, aber ich starre stur auf meinen Monitor.

Ich muss erst einmal aus dem Wirrwarr an Dokumenten schlau werden, aber nachdem ich mir einen kurzen Überblick verschafft habe, wird mir klar, das es gar nicht so schwer ist, erleichtert atme ich auf.

Mein Baby vibriert auf dem Tisch und ich nehme es zur Hand.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Arbeitsvertrag

 

Unterschreiben sie den Arbeitsvertrag, ich muss ihn an die Anwälte weiterleiten.

Damian Lawson

 

Ich sehe zu seinem Schreibtisch.

Er sitzt mit mir im selben Raum, aber muss mir eine E-Mail schreiben?

Nicht zu fassen…

Ich drücke auf antworten.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Unklarheiten

 

Ich werde den Vertrag solange nicht unterschreiben, bis folgenden Änderungen vorgenommen wurden:

§ 5 Arbeitszeit: ich erwarte das das Cirka in diesem Bereich des Vertrages entfernt wird, sie erwarten von mir das ich mich gesund verhalte und dazu gehört auch ausreichend Schlaf. Auch muss mindestens ein freies Wochenende im Monat gewährleistet sein.

§ 6 Urlaub: laut Gesetz stehen mir 15 Tage frei zur Verfügung zu.

§ 7 Krankheit: Mein Hausarzt unterliegt der Schweigepflicht, ich werde ihn nicht davon entbinden. Wenn ich sage ich bin krank, dann müssen sie mir schon glauben.

Wenn diese Punkte geändert worden sind, bin ich gerne bereit den Vertrag zu unterschreiben.

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und bearbeite dann weiter den Tagesplan, noch habe ich 10 Minuten Zeit.

Wieder vibriert mein Baby und ich verdrehe die Augen und lasse es links liegen, erst einmal muss ich das hier fertig machen.

5 Minuten später drucke ich den Plan für heute aus, schicke ihm ein Exemplar und überfliege ihn noch einmal kurz.

Meine Güte, der Mann ist jeden Tag in der Woche mit Terminen voll gestopft. Die meisten Namen im Planer kenne ich vom Hörensagen und über den Rest muss ich mich mal im Internet schlau machen.

Ich denke, es wird von mir erwartet, dass ich seine Geschäftspartner wenigstens etwas kenne, oder zu mindestens weiß, wie sie aussehen. Kein leichtes Unterfangen, bei der Fülle an Namen und Firmen…

Ich nehme mir erst jetzt mein Baby in die Hand.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Ja

 

Ich stimme den Bedingungen zu.

Das Cirka wird gestrichen.

Im Krankheitsfall ohne ärztliche Korrespondenz entfällt die Lohnfortzahlung.

Die 15 Tage Urlaub sind akzeptabel.

Damian Lawson

 

Gleich kurz darauf ist noch eine E-Mail eingegangen und ich lege meine Stirn in Falten.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Ignoranz

 

Ich kann es nicht ausstehen wenn man mich oder meine Mails ignoriert.

Damian Lawson

 

Er beschwert sich über Ignoranz?

Wer sitzt denn mit mir im selben Raum und redet nicht mit mir?

Ich klicke auf antworten.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Ich bitte um Entschuldigung

 

Ich möchte mich entschuldigen, aber sie beschweren sich über Ignoranz? Sie befinden sich im selben Raum wie ich und schreiben mir E-Mail, anstatt mit mir zu sprechen.

Das nenne ich Ignoranz.

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und ein paar Sekunden später zieht er scharf Luft ein.

„Der Tagesplan?“ er sieht nicht von seinem Laptop auf.

„Um 9 Uhr Termin mit Sterling Airline wegen der neuen Flugsicherheitssoftware. Ich werde mit anwesend sein und sie bekommen spätestens eine Stunde nach dem Meeting eine schriftliche Zusammenfassung. 12:30 Uhr Mittagessen mit Mr. Lawson. 13:30 Uhr Termin bei Mr. Kent von Natioguard wegen des neuen Sicherheitssystems der Firma, auch hier werde ich mit anwesen sein und sie bekommen einen schriftlichen Bericht. 15 Uhr Bürozeit, 16 Uhr personal Training mit Mr. Evans, 17 Uhr Außentermin im Yachtclub mit Mr. Phillips wegen eines Navigationssystems in der Prüfphase.“ Ich sehe von meinem Zettel auf und das erste Mal am heutigen Tag sieht er mich direkt an.

Ich erkenne einen Zug des Erstaunens in seinen Gesichtszügen.

’Ich bin nicht dumm, auch wenn du mich dafür hältst…’ gibt meine innere Stimme triumphierend von sich.

„Wenn der neue Arbeitsvertrag da ist, dann werde ich gerne unterschreiben.“ Füge ich hinzu und beschäftige mich mit den nächsten Tagen, so wird es hoffentlich ein wenig einfacher.

Ich ziehe mir alles auf das I-Pad und gehe die Termine grob durch, ich werde dieses Gebäude oder wo auch immer wir in Dublin sind, keinen einzigen Tag vor 20 Uhr verlassen können, eher noch später.

Ich bin wirklich sein Schatten.

’Hat der Teufel eigentlich einen Schatten?’ ich kaue nachdenklich auf dem Ende meines Bleistiftes.

„Mr. Lawson?“ frage ich vorsichtig und er sieht überrascht auf. „Soll ich ihnen lieber ein E-Mail schreiben?“ frage ich als ich seinen Gesichtsausdruck sehe.

„Nein.“ Seine Lippen sind nur noch zu einem schmalen Strich zusammen gepresst. „Wir werden uns wohl unterhalten können, wenn es im Rahmen bleibt.“ Fügt er hinzu.

Im Rahmen bleiben?

Glaubt er ernsthaft, ich möchte mit ihm Smalltalk führen?

„Ich habe die Termine der gesamten Woche koordiniert, aber zu einem Eintrag kann ich nichts finden…“ ich sehe ihm direkt in die Augen und sie sind so dunkelbraun, das sie schon fast schwarz sind „Hmm…“ ich räuspere mich und konzentriere mich wieder auf meine eigentliche Frage „… Jeden Freitag steht ab 16 Uhr Juliette im Terminplan, aber ich finde nichts dazu.“

„Juliette ist meine Schwester, sie kommt jeden Freitag aus dem Internat direkt hierher. Sie müssen sie beschäftigen, bis ich mit meinen Terminen fertig bin.“ Erklärt er knapp und widmet sich dann wieder seinem Laptop.

’Jetzt bin ich auch noch Babysitter?’ ich verdrehe leicht meine Augen. Plötzlich öffnet sich ein kleines Pop up Fenster auf meinem Bildschirm und mein Laptop gibt ein leises Pling von sich.

 

Die Herren von Sterling Airline sitzen im Konferenzraum 2, sie sind mit Kaffee versorgt und erwarten euch.

Olivia

 

„Hmm.“ Ich räuspere mich erneut und er funkelt mich an.

„Die Herren von Sterling Airline erwarten sie im Konferenzraum 2.“ Meine Stimme zittert leicht, obwohl ich es gar nicht will, denn ob ich nun gerne zu gebe oder nicht, er schüchtert mich doch etwas ein.

Er nickt leicht, steht auf und richtet sein Jackett, ehe er an meinem Tisch vorbei geht und ich ihm mit meinem I-Pad in der Hand folge.

Also gut, meine erste Besprechung…

‚’Du schaffst das Eve!’ mache ich mir selbst etwas Mut.

Als wir aus dem Büro heraus treten geben meine Schuhe auf dem Fliesenboden sofort das mir bekannte Klack, Klack von sich und ich sehe auf meine Füße.

’Sie tun nicht so wie befürchtet.’ Freue ich mich einen kleinen Moment.

Ich sehe auf und mir wird das erste Mal bewusst, wie groß er eigentlich ist. Er ist bestimmt 1,90 m und ich gehe ihn wenn es hoch kommt bis zur Nasenspitze. Ich betrachte seinen breiten Rücken, kein Wunder, das er jeden Tag eine Stunde Sport eingeplant hat, so einen Körper bekommt man bestimmt nicht von ungefähr...

Ich bin so in Gedanken, dass ich nicht merke, dass er langsamer wird und laufe ihm prompt in den Rücken.

„Miss Thornton.“ Fährt er mich an und dreht sich ruckartig um. Seine Augen schimmern schon wieder bedrohlich schwarz und ich schlucke schwer.

„Entschuldigung Sir.“ Stammele ich, sehe wieder auf meine Schuhe und trete einen Schritt zurück.

Irgendwie ist es mir befremdlich zu ihm Sir zu sagen, aber ist mein Chef und der Teufel, da muss ich wohl die Umgangsformen wahren.

Wir betreten den Konferenzraum, in dem ich am Donnerstag schon einmal war. Dieses Mal sind die Fenster abgedunkelt und das Licht eingeschaltet, der Beamer ist bereit und eine große Kanne Kaffee steht auf dem Tisch. Trotzdem wirkt dieser Raum auf mich immer noch einschüchternd und ich ringe mich zu einem lächeln durch, als die Männer zu uns sehen und ich leise die Tür hinter mir schließe.

„Mr. Lawson, es freut uns, dass sie Zeit für uns haben.“ Ein Mann steht auf und Damian Lawson sieht zu mir.

„Das sind Mr. Corgan, Mr. Elliot und Mr. McDaniel von Sterling Airline.“ Lese ich von meinem I-Pad ab und nicke den Männern lächelnd zu.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ Erwidert Damian Lawson freundlich und ich bin erstaunt, wie anders seine Stimme im Freundlichmodus klingt „Das ist meine Assistentin Miss Thornton.“ Stellt er mich kurz vor „Sollten sie Unterlagen haben, so bitte ich sie sie an Miss Thornton weiter zu reichen. Sie wird mir ein Essay zusammen stellen.“ Er nimmt gegenüber den Männern Platz und ich lasse zwei Stühle zwischen mir und ihm frei und setze mich ebenfalls. Einer der Männer schiebt mir eine Mappe zu und ich erkenne einen Bericht. Er zwinkert mir zu und ich lächle leicht, das wird mir meine Arbeit um ein vielfaches erleichtern.

Ich nehme mein I-Pad und verfolge dann die Besprechung, den Power Point Vortag und mache mir immer wieder Notizen. Ich gebe zu von der Materie verstehe ich nicht all zu viel, aber die Männer sind wirklich gut vorbereitet und ihre Ausführungen sogar für mich verständlich. Nach knapp einer Stunde reiche ich allen die Hand und verabschiede mich höflich.

„Vielen Dank.“ Damian Lawson begleitet die Männer zur Tür.

„Zurück ins Büro.“ Er sieht zu mir und ich seufze leise.

„Unterlassen sie das.“ Zischt er mich an und ich sehe erstaunt auf.

„Was denn?“ erwidere ich gereizt und lege meinen Kopf schief.

Er schließt die Tür wieder und sieht mich durchdringend an.

’Nicht gut… gar nicht gut.’ meine innere Stimme stöhnt auf.

„Reden sie nicht in diesem Ton mit mir.“ Warnt er mich eindringlich und verschränkt die Arme vor seiner Brust.

Deutlich zeichnen sich seine Muskeln ab und ich sehe, wie angespannt er ist.

„Dann reden sie nicht mit mir, als wäre ich dumm.“ Entgegne ich.

Bin ich übergeschnappt?

Nein, aber ich weiß, wenn ich heute nicht die Fronten kläre, dann hängen wir fest.

Ich weiß, welche Verantwortung er als Geschäftführer und Vorstandsvorsitzender trägt, aber das ist noch lange kein Grund, dermaßen unfreundlich zu sein.

„Ich halte sie nicht für dumm.“ Ein Ausdruck der Verwirrung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

„Dann reden sie auch nicht so mit mir.“ Ich stehe auf und gehe auf ihn zu, bis ich schließlich nur noch einen knappen Meter von ihm entfernt bin.

„Und wie soll ich mit ihnen reden?“ fragt er fast spöttisch.

„Wie ein normaler Mensch, falls ihnen das Möglich ist.“ Die Antwort kommt viel zu schnell und zu flapsig aus meinem Mund, aber ich sehe ihm weiterhin in die Augen. Diese funkeln mich dunkel an, aber ich gebe mir Mühe mich nicht einschüchtern zu lassen…

„Definieren sie, “reden wie ein normaler Mensch“.“ Er macht Anführungszeichen in der Luft und verschränkt dann wieder die Arme vor seiner Brust.

„Sie werden doch mit Sicherheit die generellen Umgangsformen mit dem Gebrauch der Wörter Bitte und Danke beherrschen. Und ihrer Stimme einen angemessen Tonfall geben, das beherrschen sie auch, wie ich in den letzten 2 Stunden fest stellen konnte.“ Ich dränge mich an einem sehr überraschten Damian Lawson vorbei und gehe zurück ins Büro.

Mein Herz rast in meiner Brust, gerade so, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.

Damian Lawson die Stirn zu bieten schafft mich…

Olivia sieht mich verwirrt an, als ich an ihr vorbei gehe und mich an meinen Schreibtisch setze. Sofort fange ich an das Essay zu schreiben.

Ich muss mich ablenken…

Ich sehe nicht auf, als er kurz nach mir das Büro betritt, aber allein die energischen Schritte zeigen mir, dass er es nicht gewohnt ist, das man ihn in die Schranken weist. Die nächste Stunde arbeite ich still vor mich hin und starre auf meinen Monitor, dann bin ich fertig und schicke ihm eine Mail mit dem Essay.

„Ich gehe zu Mittag.“ Sage ich knapp, stehe auf, nehme mir meinen Mantel und verlasse hoch erhobenen Hauptes das Büro.

Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe atme ich tief durch. Scheint, als hätte ich diesen Kampf gewonnen, aber den Krieg noch lange nicht.

Olivia sieht mich an und ich verziehe meinen Mund zu einem Lächeln.

„Wie lange habe ich eigentlich Mittagspause?“ ich sehe sie fragend an und ziehe meinen Mantel über.

„Wie lange hat er denn?“ sie deutet auf die geschlossene Bürotür.

„Eine Stunde.“ Gebe ich zurück.

„Dann hast du sie auch.“ Sie lächelt und ich drücke auf den Aufzugsknopf.

„Gut, ich brauche dringend frische Luft.“ Ich nicke ihr zu und sie sieht mich mit einer Mischung aus Mitleid und Traurigkeit an „Keine Angst, ich komme wieder.“ Ich zwinkere ihr zu und sie lächelt.

„Ich habe nichts anderes erwartet.“ Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und ich besteige den Fahrstuhl.

Ich fahre in die Lobby und überlege kurz was ich machen soll, ich habe Hunger und wie gesagt, ich brauche frische Luft…

Ich mache mich zu Fuß auf den Weg zum nahegelegenen Yachthafen, unterwegs kaufe ich mir ein Sandwich und setze mich dann auf die Kaimauer.

Der Ausblick ist wunderschön und ich atme tief ein während ich hinaus aufs weite Meer sehe.

Der Wind streicht sanft mein Gesicht, ich genieße einen kleinen Moment die Sonne in meinem Gesicht und lege dann meinen Kopf in meine Hände.

’Warum ist das alles nur so verdammt schwer? Ich würde jetzt gerne meine Mum anrufen, aber das geht nicht. Nie mehr.’ eine einzelne Träne läuft über meine Wange und ich wische sie schnell weg.

’Durchhalten Everly!’ macht mir meine kleine Stimme Mut und ich nicke leicht. ’Nur ein paar Monate, dann musst du ihn nie wieder sehen, das einzige was euch dann noch verbinden wird, ist die Tatsache, das ihr euch auf dem gleichen Planten aufhaltet…’

Ich esse mein Sandwich und stelle fest, dass es wirklich gut ist. Vielleicht gehe ich öfter Mal zu dem kleinen Café und kaufe mir eins…

Nachdem ich aufgegessen habe mache ich mich langsam auf den Weg zurück ins Büro. Die drei Sekretärinnen haben noch Mittagspause und auch von Mr. Lawson ist weit und breit nichts zu sehen, als ich mich wieder an meinen Schreibtisch setze.

Ich lasse meinen Blick durchs Büro schweifen, es ist merkwürdig wie still und friedlich hier alles wirkt, wenn niemand da ist…

Ich überlege einen Moment, dann nehme ich mir das Telefon zur Hand und wähle eine mir viel zu vertraute Nummer.

„Jonathan Michaels.“ Ertönt schon nach dem zweiten Mal klingeln eine tiefe männliche Stimme.

„Mr. Michaels, hier ist Everly Thornton. Wie lange habe ich noch Zeit alle Außenstände zu begleichen?“ frage ich mit zitternder Stimme.

„Miss Thornton, ich versuche mein Möglichstes. Die Meisten haben einer Ratenzahlung zugestimmt, die die es nicht getan haben, habe ich mit dem Erlös des Hauses bezahlt.“ Die Stimme des Anwaltes klingt kalt und unpersönlich und genauso ist er auch.

„Ich versuche auch mein Möglichstes. Schicken sie mir den Ratenplan und melden sie sich, wenn sich etwas ändern sollte.“ Gebe ich zurück und lege auf.

Als ich aufsehe, sitzt Damian Lawson bereits an seinem Schreibtisch.

Wie ist er denn rein gekommen?

Wie kann sich ein Mann von seiner Statur fast geräuschlos bewegen?

Ich sehe auf meinen Monitor und bearbeite die Terminblätter der nächsten Wochen.

Hat der Mann auch mal so etwas wie freie Zeit?

’Was interessiert es dich denn?’ fragt mich meine innere Stimme fast spöttisch.

Natürlich nicht!

Nachdem die Sekretärinnen wieder da sind, werde ich mit Nachrichten von Olivia gerade zu bombardiert, sie schickt mir dauernd neue Termine und ich pflege sie in meine Terminplanung mit ein.

Als es leise Pling macht stöhne ich leise, weil ich annehme, dass noch mehr Termine kommen, aber Olivia teilt mir nur mit, dass der nächste Termin schon da ist und ich räuspere mich.

„Mr. Kent von Natioguard erwartet sie in Konferenzraum eins.“ Teile ich ihm sachlich mit, stehe auf und warte bis er an mir vorbei gegangen ist.

Der Konferenzraum eins ist nur knapp halb so groß wie die Zwei und weniger einschüchternd. Hier herrscht fast ausschließlich nur eine Farbe vor und das ist weiß, zusammen mit einem hellen Holzton wirkt dieser Raum freundlicher und angenehmer.

Wieder werde ich vorgestellt, suche mir einen Platz ein wenig abseits, lausche den Ausführungen Mr. Kents und mache mir Notizen, denn dieses Mal habe ich nicht das Glück eines Berichtes im Vorfeld.

„Wir werden uns melden.“ Damian Lawson verabschiedet Mr. Kent und ich stehe auf.

„Auf wiedersehen Mr. Kent.“ Ich reiche ihm die Hand und er lächelt mich an.

„Auf wiedersehen Miss Thornton.“ Er nickt mir kurz zu, ehe er hinaus geht und ich die letzten Punkte in meinen Bericht einfüge.

„Miss Thornton?“ er bleibt in der Tür stehen und sieht mich an „Vielen Dank.“ Sagt er leise und ich sehe überrascht auf.

„Gern geschehen.“ Gebe ich zurück und er nickt leicht, er hat einen Ausdruck in den Augen den ich nicht zuordnen kann und ich sehe ihm verwirrt hinterher.

Gut, ich habe ihn gebeten nett zu sein, aber das mich ein einfaches “Vielen Dank.“ aus dem Konzept bringt, damit habe ich nicht gerechnet.

Er hat in diesem hellen, freundlichen Raum warme braune Augen und ich habe gesehen, das er kleine gelbe Sprenkel hat, die seine Augen aussehen lassen wie flüssiger, dunkler Honig…

’Konzentrier dich Everly!’ raunt mir meine innere Stimme zu und ich folge ihm ins Büro, wo ich mich gleich an den bericht setze. Ich halte nichts davon Sachen vor mich her zu schieben, was ich gleich erledigen kann, erledige ich auch gleich… Na ja, fast alles.

Ein leises Pling ertönt und ich sehe auf das kleine Pop up Fenster.

„Der Fahrer erwartet uns vor dem Eingang.“ Ich sehe auf meine Uhr, noch 10 Minuten bis zum Termin im Yachtclub.

„Danke.“ Er sieht mich an und ich nehme meinen Mantel.

„Gern geschehen.“ Gebe ich mit einem gekonnten Augenaufschlag zurück und der Anflug eines Lächelns zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

’Ich hätte nicht gedacht, dass der Teufel lächeln kann.’ Amüsiert sich meine innere Stimme.

Als wir unten ankommen steht ein schwarzer Geländewagen von Volvo für uns bereit und ein Mann hält Mr. Lawson die Tür auf. Da ich so einen Service nicht im Entferntesten gewohnt bin umrunde ich das Auto und setze mich zu ihm auf die Rückbank.

„Sie sollten warten bis Paul ihnen auch die Tür aufhält, das sieht sonst merkwürdig aus.“ Die Stimme von Damian Lawson klingt das erste Mal nicht tadelnd oder strafend, nein, vielmehr klingt sie leicht amüsiert. Ich merke wie ich rot werde und ärgere mich über mich selbst.

„Ich werde daran denken.“ Gebe ich fahrig zurück und mache mich an meinem I-Pad zu schaffen. Ich gebe ihm die Eckdaten des nächsten Termins und der Fahrer steuert uns sicher durch Dublin. Als ich las, dass der Termin am Yachthafen ist, da dachte ich noch an den in der Nähe des Büros, aber tatsächlich hat Dublin 3 verschiedene Yachthäfen. Tja, wer hätte das gedacht?

Am Dublin South Yachthafen angekommen warte ich bis mir Paul die Tür öffnet und steige möglichst elegant aus.

Ich folge Damian Lawson wie sein Schatten und wir werden in eine kleine Nische geführt, wo uns zwei Männer schon erwarten.

„Möchten sie etwas trinken?“ eine junge Kellnerin kommt zu uns und die Männer bestellen sich jeweils einen Kaffee, während Mr. Lawson ein Wasser bestellt.

„Und sie Miss?“ jetzt sieht sie zu mir, doch ich winke freundlich ab.

„Sie nimmt auch ein Wasser. Ein Evian mit einer Zitronenscheibe.“ Bestellt Damian Lawson für mich und ich werfe ihm einen strafenden Blick zu.

Ich bin sehr wohl in der Lage eigenständig eine Entscheidung zu treffen!

Aber ich halte mich gerade so davon ab mit ihm hier und jetzt eine Diskussion anzufangen, das werde ich wohl oder übel später tun müssen.

Die Verhandlungen sind zäh und keine der Parteien möchte nachgeben. Ich versuche alles mit zu schreiben und komme kaum dazu mal von meinem I-Pad aufzusehen.

Endlich, nach drei Stunden sind sich die Herren einig und ich atme erleichtert auf, wenn es noch länger gedauert hätte, dann kann ich hier übernachten…

Ich reiche den beiden Herren freundlich die Hand und verabschiede mich, ehe ich Damian Lawson nach draußen folge und zu ihm in den Wagen steige, allerdings warte ich dieses Mal, bis Paul mir die Tür öffnet.

„Das Essay will ich morgen früh auf meinem Tisch haben.“ Damian Lawson fährt sich durch die Haare.

„Das werden sie bekommen, ich werde es morgen als Erstes schreiben.“ Versichere ich ihm „Und übrigens, wenn ich nichts trinken möchte, dann möchte ich nicht, das sie mir über meinen Kopf hinweg etwas bestellen.“ Füge ich hinzu und er sieht zu mir.

„Ich habe nichts über ihren Kopf hinweg getan.“ Wehrt er sich.

„Doch haben sie und wenn es ihnen nicht einmal mehr auffällt, dann tut es mir leid.“ Ich widme mich wieder meinem I-Pad und ignoriere das wütende schnauben von ihm.

Er zieht es vor den Rest der Fahrt zu schweigen und als wir wieder in das Bürogebäude treten und den Fahrstuhl besteigen, da funkelt er mich dunkel an.

„Sie sollten sich bewusst sein, das ich ihr Chef bin.“ Presst er heraus und ich gebe mir Mühe seinem Blick Stand zu halten.

’Ein wirklich erfolgreicher erster Tag Everly Thornton!’ meine innere Stimme stöhnt auf.

„Ja Sir.“ Ich senke meinen Blick und wir kommen endlich in der 7 Etage an. Ich verlasse den Fahrtsuhl schnellen Schrittes und erreiche das Büro vor ihm, schnell noch schließe ich das I-Pad an den Laptop an und sehe zur Uhr.

Es ist schon nach 19 Uhr und ich beschließe, dass ich für heute genug gearbeitet habe.

„Auf wiedersehen.“ Sage ich kühl.

„Auf Wiedersehen Miss Thornton.“ Noch eine Spur kälter und ich ziehe morgen meinen Wintermantel wieder an.

Ich schnappe mir die Laptoptasche, mein Handy und das I-Pad und laufe an der verwaisten Schriebtischen der Sekretärinnen vorbei zum Fahrstuhl.

Als ich endlich das Bürogebäude verlasse und meinen Blick an der verspiegelten Außenfassade hinauf gleiten lasse, da atme ich tief durch.

Den ersten Tag habe ich überstanden… mehr oder weniger gut, aber immerhin, ich habe meinen Job noch.

Zu Hause angekommen habe ich nicht einmal mehr Lust mich mit Jen über meinen ersten Tag auszutauschen und gehe nach einer Dusche sofort ins Bett.

Ich schlafe augenblicklich ein und als mein Wecker klingelt, da würde ich ihn am Liebsten aus dem Fenster werfen.

Ich stelle erstaunt fest, dass es angenehmer im Büro ist, denn Damian Lawson scheint die grundsätzlichen Umgangsformen zu beherrschen.

Er verzichtet auch gänzlich auf E-Mail Verkehr, wenn er sich in meiner Nähe befindet.

Aber wir reden im Allgemeinen nicht sonderlich viel, die meiste Zeit arbeite ich stumm vor meinem Laptop hin, schreibe Berichte, Essays oder Bilanzen. Ich korrigiere Alles was an ihn gerichtet ist und fahre mit ihm kreuz und quer durch Dublin um mich bei den Geschäftsterminen im Hintergrund zu halten und an den richtigen Stellen zustimmend zu nicken.

Ehe ich mich versehe ist Freitagmittag und ich bin Mitten drin in meinem Pakt mit dem Teufel.

Eine Woche kann einem so unheimlich lang vorkommen…

„Damian.“ Eine dunkelblonde junge Frau, na ja eher ein halbes Kind, kommt ins Büro gestürmt. Sie umrundet leichtfüßig den Schreibtisch von Damian Lawson und zieht ihn in ihre Arme.

„Wie war deine Woche?“ sprudelt es aus ihr heraus und sie strahlt ihn an.

„Stressig wie immer…“ er zwinkert ihr zu „Julie? Miss Thornton wird sich noch ein wenig um dich kümmern, ich habe noch zu tun.“ Er sieht sie entschuldigend und voller Liebe an.

Sein Gesicht sieht so anders aus und ich runzele meine Stirn.

Der Teufel scheint tatsächlich so etwas wie eine Seele zu haben…

Welch erschreckende Erkentniss.

„Hallo Juliette, ich bin Everly.“ Ich stehe auf und sie sieht mich prüfend an.

„Kann ich mit ihr shoppen gehen?“ sie zieht einen Schmollmund in Richtung ihres großen Bruders und er zückt lächelnd seine Kreditkarte.

„Aber klar. Miss Thornton gehen sie mit Juliette ein bisschen in die Stadt, ich denke, ich bin in einer Stunde fertig.“ Er sieht mich an.

„Aber sicher Sir.“ Gebe ich zurück und nehme mir leicht verwirrt meinen Mantel, während Juliette ihren Schulrucksack auf meinem Tisch parkt.

„Bis dann!“ flötet sie in seine Richtung und zieht mich mit sich, ehe ich mich versehe finde ich mich mit ihr in der Lobby wieder.

„Und wo willst du hin?“ ich sehe sie fragend an.

’Eine Stunde shoppen mit ihr kann kaum schlimmer sein, wie eine Stunde arbeiten mit dem Teufel…’ ich runzele leicht meine Stirn ’Hoffe ich…’

„Hmm, was kannst du denn empfehlen…“ sie hält sich plötzlich die Hand vor den Mund.

Ihre großen dunkelbraunen Augen sehen mich erschrocken an und ich erkenne, dass sie keineswegs wie ihr Bruder ist. Sie ist ein junges Mädchen und ich atme erleichtert durch.

„Ist schon Okay, ich bin Eve.“ Ich grinse.

Auch wenn sie nicht so ist wie Damian Lawson, so hat sie doch sehr große Ähnlichkeit mit ihm, die gleichen ausdruckstarken braunen Augen und die gleiche Nase wie er. Nur hat sie lange dunkelblonde Locken, die ihr bis zur Mitte des Rückens reichen und die bei jedem ihrer Schritte leicht schwingen.

Sie ist wirklich hübsch und ich lächle, ich denke, ich mag sie…

„Juls.“ Sie grinst verschmitzt. „Nur Damian nennt mich Julie.“

„Okay. Willst du denn shoppen oder lieber was von Dublin sehen?“ ich sehe sie fragend an.

Ehrlich gesagt, bin ich nicht wirklich der Shopping Typ.

„So eine Langeweile Tour?“ sie verzieht das Gesicht.

„Nein, nein eine Tour der Extraklasse mit mir als Führerin.“ Lächle ich.

„Okay, aber wenn es langweilig ist, dann machen wir was anderes.“ Sie hält mir ihre Hand hin.

„Abgemacht. Wie alt bist du eigentlich?“ ich sehe sie an während ich Paul anpiepe.

Eine Aufgabe die mir vom Herrn und Meister persönlich am Mittwoch übertragen wurde, damit Paul immer gleich zur Stelle ist.

„16.“ Gibt sie zurück und entblößt dabei ihre perfekten weißen Zähne.

„Also gehst du in die Oberstufe?“ erahne ich und sie nickt fragend. „Hast du Hausaufgaben auf?“ ich grinse leicht, als sie das Gesicht verzieht.

„Ja… Wir sollen einen Aufsatz über irische Geschichte schrieben. Ein Thema unserer Wahl.“ Sie zieht einen Schmollmund.

Ich glaube, ansonsten kommt sie mit dieser Tour sehr weit, aber warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden?

Ich umgehe eine Shoppingtour und sie lernt auch noch etwas dabei.

„Das passt doch… Ich weiß, wohin wir fahren.“ Ich zwinkere ihr zu und da hält auch schon Paul vor unserer Nase.

„Guten Tag Miss Juls.“ Er strahlt sie an „Miss Thornton.“ Er verbeugt sich leicht.

„Eve.“ Ich zwinkere ihm zu, etwas mehr Lockerheit kann nicht schaden.

Juls und ich steigen hinten ein und Juls sieht mich gespannt an, dennoch komme ich nicht umhin zu bemerken, das sie von meiner Idee noch nicht so ganz angetan ist.

„Wohin kann ich denn Miss Juls und Miss Eve bringen?“ Paul dreht sich zu uns um.

Er ist cirka Mitte 40, sehr gut durch trainiert mit einem freundlichen Gesicht. Er hat hellblaue Augen und kurz geschorene schwarze Haare.

„Zum Dublin Castle.“ Ich sehe ihn an, er zieht lächelnd eine Augenbraue hoch und fährt dann los.

„Also gut Juls, ein Thema deiner Wahl. Was hältst du von der Geschichte des Dublin Castle?“ ich sehe sie an und wieder verzieht sie das Gesicht. „Komm schon Juls, es ist wahnsinnig interessant…“

Ich beginne ihr die Geschichte des alten Gemäuers näher zu bringen und sie hängt an meinen Lippen.

Ich mag es Leute in meinem Bann zu ziehen und sie für Irland und seine Geschichte zu begeistern, das ist mein Heimatland und liebe es.

Im Gegenzug erzählt sie mir auch ein wenig von sich, sie ist vor 4 Jahren zusammen mit Damian und ihren Eltern hierher nach Irland gekommen, anscheinend Stammen die ursprünglichen Wurzeln der Familie von hier.

Das erklärt zu mindestens zu einem kleinen Teil, warum der Firmensitz hierher verlegt wurde. Als sie mir dann auch noch erklärt, dass sie nach dem Tod ihrer großen Schwester alle Abstand brauchten, da ergibt es dann ein annähernd stimmiges Bild.

Ich hätte Damian Lawson nicht als einen solchen Familienmenschen eingeschätzt… aber gut, ist ja nicht meine Sache.

Warum soll der Teufel nicht auch einen Familiensinn besitzen?

Als wir ankommen springt sie förmlich aus dem Auto und ich folge ihr lachend, ihre Fröhlichkeit ist Balsam für meine Seele. Wir schauen uns alles an, in diesem Gemäuer steckt so viel Geschichte…

Ich erkläre es ihr alles, werfe kleine Geschichten ein und als ich auf die Uhr sehe, erschrecke ich mich fast zu Tode.

„Wir müssen los Juls, dein Bruder wartet bestimmt schon auf dich und wird bestimmt sauer sein.“ Ich nehme ihre Hand und ziehe sie hinter mir her.

„Damian ist als Chef nicht so der Bringer, oder?“ sie legt ihren Kopf schief.

Ich denke einen Moment nach „Nein Juls, das ist er nicht und wir werden richtig Ärger kriegen, wir sind schon über eine halbe Stunde überfällig.“

Schon im Inneren habe ich Paul angepiept und er hält gerade am Bürgersteig, als wir die Straße erreichen.

Wir springen beide von einer Seite rein und er fährt los.

„Schnell zum Bürogebäude.“ Sage ich hektisch und er nickt.

Ich merke, dass er extra Gas gibt, aber das wird mich nicht vor einem Donnerwetter von Damian Lawson retten.

Am Lawson Bürogebäude angekommen schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel und eile mit Juls zu den Fahrstühlen.

Als wir ausstiegen, stellen wir fest, dass schon alle drei Sekretärinnen gegangen sind. Mein Blick fällt auf die große Uhr 17:45 Uhr, oh man eine Dreiviertel Stunde.

Ich atme tief durch, mache mir selbst Mit, sehe zu Juls, nicke und wir betreten das Büro.

„Was denken sie sich eigentlich.“ Werde ich empfangen.

„Mr. Lawson...“ Setze ich an.

„Ich warte seit einer dreiviertel Stunde das sie und Julie zurück kommen, meine Zeit ist kostbar. Ich verdiene in einer Stunde mehr, als sie im ganzen Jahr.“ Herrscht er mich an und ich sehe zu Boden, weil ich einfach nicht weiß, was ihm entgegnen soll.

’Man, du benimmst dich auf wie ein kleines Kind… Zeig mal Rückrat!’ schimpft meine innere Stimme.

„Damian.“ Unterbricht ihn Juls.

„Nein Julie, das ist eine Sache zwischen Miss Thornton und mir…“ er sieht sie an und sie schnaubt verächtlich. „Ich bezahle sie nicht, damit sie stundenlange Shoppingtouren mit meiner Schwester machen, haben sie mich verstanden?“ seine Augen senden Blitze in meine Richtung aus, als ich wage aufzublicken.

„Damian…“ Juls stellt sich vor mich. „Wir waren nicht shoppen…“ sie stemmt ihre Arme in die Hüften „Eve…“ sie sieht mich an „Everly…“ sie verdreht die Augen „Also gut, Miss Thornton und ich waren im Dublin Castle, ich habe ihr erzählt, das ich einen Aufsatz in Irischer Geschichte schreiben muss und sie hat mir alles so toll erklärt. Nur leider sind wir nicht fertig geworden.“ Sie strahlt mich an und ich erwidere schüchtern ihr lächeln.

„Du interessierst dich für Geschichte?“ er sieht sie ungläubig an.

„Eigentlich ja nicht, aber Eve erzählt alles so, das man denkt, man ist Mitten drin. Sie weiß so viel, ich glaube, sie ist wirklich richtig klug.“ Sie wirft mir einen ehrfürchtigen Blick zu.

„Mir hat es auch gefallen Juls, vielleicht fahren wir nächstes Mal, wenn dein Bruder noch zu tun hat, wieder hin.“ Ich sehe sie an und nehme meine Jacke.

„Auf Wiedersehen Mr. Lawson. Wir sehen uns am Montag.“ Ich nehme meine Tasche und verlasse das Büro.

Ich freue mich über die strahlenden Augen von Juls und gleichzeitig hätte ich Damian Lawson am liebsten die Augen ausgekratzt, als er mich so runter gemacht hat.

’Arrogantes Arschloch!’ schreit meine innere Stimme und ich habe wirklich meine Mühe das nicht laut hinaus zu schreien.

„Jen?“ ich streife meine Schuhe ab und lasse sie im Flur stehen.

„Wohnzimmer!“ kommt es aus eben jenen und ich stelle meine Taschen ab und gehe zu ihr. Stöhnend lasse ich mich neben sie auf die Couch fallen.

„Gibt es bei dir so etwas wie einen Überstundenzuschlag?“ sie deutet auf die Uhr und ich winke ab.

„Nein, ich denke, der Teufel meint mit meinem Gehalt ist alles abgeglichen.“

„War es heute wieder so schlimm?“ sie sieht mich fast Mitleidig an, aber eben nur fast… Wenn es nach ihr geht, dann soll ich diesen Job sofort wieder an den Nagel hängen.

„Es ging, ich habe heute die kleine Schwester vom Teufel kennen gelernt und ich muss sagen, sie ist wirklich süß…“ ich grinse sie an „Sie ist 16 und freitags kommt sie aus dem Internat nach Hause. Ich passe auf sie auf, wenn Lawson noch nicht fertig ist.“ Erkläre ich ihr.

„Und wie ist sie so?“ Jen legt ihren Kopf schief.

„Ich würde sagen sie ist ein typischer Teenager, aber ehrlich Jen sie ist das Gegenteil von ihrem Bruder. Ich glaube, Freitag wird mein Lieblingstag.“ Ich ziehe meinen Blazer auf und lege ihn über die Couchlehne.

„Von jedem normalen Menschen ist Freitag der Lieblingstag.“ Erwidert sie lachend.

„Ja.“ Ich verdrehe die Augen.

„Ich weiß, wie du es meinst.“ Sie nimmt mich in den Arm „Und jetzt denke ich, du schmeißt dich in schicke Sachen und wir gehen noch ins Holly’s. Da ist heute Karaoke - Nacht und du weißt, wie sehr ich es liebe mich über die Gesangsversuche lustig zu machen.“ Sie zwinkert mir zu und ich stöhne auf „Ein Nein lasse ich nicht gelten.“ Sie springt auf und zieht mich hoch.

Ich ergebe mich meinem Schicksal und gehe mich umziehen. Zum Glück ist das Holly’s nur ein Pub und eine Jeans und eine Tunika werden vollkommen ausreichen…

Jen und ich haben wirklich Spaß und ich habe nicht die geringste Ahnung wann wir nach Hause kommen, auf Grund dessen verschlafen wir den halben Samstag und kuscheln uns dann auf der Couch zusammen. Die Woche steckt mir in den Knochen…

Der Sonntag wird wirklich ereignislos, Jen ist bei Freunden und ich genieße es, die Wohnung mal ganz für mich zu haben.

Dann hat mich auch schon der Arbeitsalltag wieder.

Ich hasse den Montagmorgen!

Nachdem ich Lawsons Anzüge abgeholt und gerade seinen Terminplan fertig habe, kommt auch er ins Büro. Ein kühler Windhauch folgt ihm und ich bekomme unwillkürlich eine Gänsehaut.

„Der 11 Uhr Termin findet auf meiner Yacht im Wrights Findlater Yachthafen statt.“ Teilt er mir sachlich ohne ein Guten Morgen mit und ich seufze ganz leise.

„Guten Morgen Mr. Lawson…“ erwidere ich „Ich werde Mr. Lewitt informieren, das sich der Treffpunkt geändert hat.“ Füge ich hinzu und suche mir die E-Mail Adresse heraus.

„Guten Morgen Miss Thornton.“ Er zieht sein Jackett aus und ich sehe kurz auf, unsere Blicke treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde und ich sehe schnell wieder auf meinen Bildschirm.

Eine viertel Stunde später bekomme ich die Bestätigung von Mr. Lewitt und atme erleichtert durch.

„Mr. Lewitt wird sich um 11 Uhr auf ihrer Yacht einfinden.“ Teile ich Lawson mit und er sieht von dem Stapel Papiere auf, den er vor sich ausgebreitet hat.

„Wir fahren um 10:30 Uhr los, ich muss noch etwas mit der Leitung des Yachthafens besprechen.“ Er nickt mir kurz zu und ich erwidere es.

„Guten Tag Mr. Lawson, ich störe sie nur ungern, aber ihre Mutter ist auf Leitung drei.“ Olivia kommt herein und Lawson seufzt leise.

„Danke Mrs. O’Bryan.“ Bedankt er sich unwirsch und greift zum Telefon. „Noch etwas?“ er sieht zu ihr, da sie sich nicht bewegt und sie sieht zu mir.

„Ja, die Klassenlehrerin von Miss Juliette ist auf Leitung eins und möchte gerne mit Everly sprechen.“

„Gut.“ er nickt und sie eilt nach draußen.

Sekunden später klingelt mein Apparat und ich nehme ab.

„Everly Thornton, Assistentin von Damian Lawson.“ melde ich mich förmlich.

„Gute Tag Miss Thornton. Mein Name ist Sophia Campbell, ich bin die Geschichts- und die Klassenlehrerin von Juliette Lawson.“ Stellt sie sich vor und ich lege meine Stirn in Falten.

Was will sie von mir?

„Guten Tag Mrs. Campbell. Was kann ich für sie tun?“ frage ich höflich und bin auf ihre Antwort wirklich sehr gespannt.

„Entschuldigen sie bitte, dass ich sie störe, aber ich wollte mich vergewissern, das Juliette bei der Wahrheit geblieben ist. Ihr Aufsatz ist wirklich großartig und ich hatte meine Zweifel, das er wirklich von ihr selbst verfasst wurde.“ Erklärt sie mir und ich lächle leicht.

„Er stammt aus ihrer Feder, ich habe ihr lediglich eine Tour durch das Dublin Castle zugute kommen lassen.“ Führe ich aus.

„Das freut mich wirklich sehr, Juliette wird den Aufsatz am Freitag vor der gesamten Schule vorlesen. Er ist wirklich ausgezeichnet, sie haben ihr mit ihren lebendigen Erklärungen zu einem A+ verholfen.“ Sie lacht und ich stimme mit ein.

„Das ist großartig.“ Freue ich mich „Bestellen sie Juls liebe Grüße und das ich mich auf Freitag freue und genau wissen möchte, wie es war.“

„Das mache ich, vielen Dank für ihre Zeit Miss Thornton.“ Verabschiedet sie sich.

„Nichts zu danken Mrs. Campbell.“ Damit lege ich auf und sehe ihn Damian Lawsons erstauntes Gesicht.

Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr, ich gebe zu diese passt nicht wirklich zu meinem Kostüm, aber wenn ich die Uhrzeit aus den Augen verliere, dann bin ich verloren…

„Wir sollten los, Paul erwartet uns.“ Damit stehe ich auf und übergehe seinen fragenden Gesichtsausdruck.

Ich beobachte, wie er sein Jackett über sein Hemd und seine Weste zieht und muss zugeben, dass ihm diese Kombination wirklich ausgesprochen gut steht.

Er geht an mir vorbei und ich folge ihm, so langsam gewöhne ich mich daran ihm hinterher zu laufen wie ein Hündchen…

’Mach fein Sitz! Ja, so ist es brav!’ amüsiert sich meine innere Stimme als ich neben Lawson im Geländewagen Platz nehme.

„Was wollte die Klassenlehrerin von Julie von ihnen?“ fragt er kaum das wir uns Bewegung gesetzt haben.

„Sie wollte wissen, ob Juls den Aufsatz wirklich selbst geschrieben hat.“ Antworte ich wahrheitsgemäß.

„Und warum ist ihr das wichtig?“ er kneift die Augen leicht zusammen und ich merke, dass es ihm nicht behagt mir die Dinge aus der Nase zu ziehen.

„Weil Juls für ihren Aufsatz ein A+ bekommt und ihn am Freitag vor der ganzen schule vorlesen wird.“ Ich recke mein Kinn leicht in die Höhe.

Immerhin hat er mir ja unterstellt, ich wäre mit ihr shoppen gewesen und hätte sein kostbares Geld verplempert.

„Ich muss mich entschuldigen Miss Thornton.“ Sagt er unvermittelt und ich sehe ihn mit großen Augen an.

„Wie bitte?“ entfährt es mir und er lächelt ganz leicht.

„Ist es so unwahrscheinlich, das ich mich entschuldige?“ fragt er stirnrunzelnd.

„Ja, allerdings.“ Gebe ich zurück und nicke bestätigend.

„Gut…“ er atmet tief ein „Es tut mir leid, ich hätte mich am Freitag Abend nicht im Ton vergreifen dürfen.“ Er nickt mir zu.

„Gut.“ erwidere ich so gelassen wie nur möglich.

„Wir sind da.“ Teilt uns Paul mit und ich stiege aus.

Heute brennt die Sonne regelrecht vom wolkenlosen Himmel und ich schirme mein Gesicht mit einer Hand gegen die Sonne ab.

„Kommen sie Miss Thornton.“ Er geht mir voran zum einem weiß getünchten Haus in dem sich der Hafenmeister befindet. „Warten sie einen Augenblick.“ Er betritt das Haus und ich stelle mich in den Schatten.

Tatsächlich dauert es nur ein paar Minuten bis er wieder kommt und wir den Weg, vorbei an wunderschönen Booten, zu seiner Yacht einschlagen.

’Wow…’ meine innere Stimme pfeift anerkennend.

Ich sehe auf den Rumpf, es interessiert mich wie der Teufel seine Yacht nennt.

DLD 1079

Was ist denn das? Ein Name?

Ich lege meinen Kopf schief.

„Was ist Miss Thornton?“ holt mich Lawsons Stimme zurück und ich sehe ihn fragend an.

„Ist das der Name ihres Bootes?“ ich deute auf eben jenen.

„Ja, haben sie etwas daran auszusetzen?“ er sieht mich abwartend an.

„Nein, nein…“ ich winke ab und lasse mir von einem jungen Mann über einen kleinen Steg aufs Boot helfen.

„Ich merke doch, dass sie irritiert sind.“ Lawson sieht mir zu, wie ich mein I-Pad heraus hole und mein Baby nach neuen Nachrichten checke.

„Ich dachte immer Namen von Booten sollten persönlich sein.“ Gebe ich schulterzuckend zu.

„Ist es doch…“ er sieht mich an, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen „DLD 1079… Damian Lawson Dublin, ich habe die Yacht, denn es ist eine Yacht und kein Boot, 2010 gekauft und ich bin 1979 geboren.“

„Natürlich.“ Ich widme mich meinem I-Pad.

’Er benennt sein Boot… Entschuldigung seine Yacht, nach sich selbst? Größenwahn? Grenzenlose Selbstverliebtheit?’ denkt sich meine innere Stimme ihren Teil während ich die Dokumente aufrufe, die Lawson für seinen Termin braucht. Ich reiche ihm das I-Pad.

„Mr. Lewitt möchte mit ihnen über den Export reden, er möchte mehrere Sektoren übernehmen.“ Erkläre ich ihm.

Tatsächlich läuft der Termin wirklich gut, dennoch bin ich dankbar, als wir wieder im Büro sind, mit diesen Stöckelschuhen über die Schiffsplanken zu balancieren ist fast unmöglich…

Am Freitag kommt eine freudestrahlende Juls herein gestürmt und drückt mich an sich. Normalerweise begrüßt sie zuerst ihren Bruder, aber heute wird mir diese Ehre zu teil.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, dank deiner Führung und meines Aufsatzes stehe ich Geschichte auf einem B und nicht mehr auf einem D, aber Mrs. Campbell sagt, ich muss weiterhin so gut mit arbeiten wie in dieser Woche.“ Erklärt sie mir aufgeregt.

„Juls, das ist großartig und ich verspreche dir, ich helfe dir, so gut ich kann.“ Ich streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich bin wirklich stolz auf dich.“

„Danke Eve.“ Sie sieht mich dankbar an.

„Und jetzt begrüße deinen Bruder, bevor er mich mit seinen Blicken tötet.“ Flüstere ich ihr ins Ohr und deute auf Lawson, der mich ansieht, als würde ich er mich gleich in der Luft in meine Bestandteile zerreißen.

„Hallo Damian!“ sie hüft zu seinem Schriebtisch und nimmt ihn in den Arm.

„Hallo Julie, es ist schön zu hören, dass du dich endlich wohl im Internat fühlst.“ Er schenkt ihr ein lächeln.

„Ja, Eve sagt, man muss alles nehmen wie es kommt, dagegen anzukämpfen macht es nicht einfacher, im Gegenteil, man macht sich nur das Leben schwer.“ Erklärt sie ihm und ich fahre grinsend meinen Computer runter.

„Da muss ich Miss Thornton recht geben.“ Er nickt ihr zu „Ich brauche noch eine Stunde.“

„Super, komm Eve.“ Sie winkt ihrem Bruder zu und zieht mich mit sich nach draußen.

Zur Feier des Tages gönnen wir uns ein Eis und einen Milchshake in einem kleinen Café am Yachthafen um die Ecke und Juls plappert was das Zeugt hält.

Ich wäre gerne auch noch mal so jung und unbeschwert…

Die nächsten Wochen läuft mein Leben wie als wenn jemand auf Vorspulen drückt. Du stehst scheinbar still auf einem Fleck, aber alles um dich herum rast in einer ungeheueren Geschwindigkeit an dir vorbei.

An manchen Tagen weiß ich nicht wo mir der Kopf steht, aber ich beiße mich hartnäckig durch.

Die Arbeit wird stressiger, immer mehr Termine und Abendessen, da sich Lawson Industries Inc. vergrößern will.

Ich komme gerade von meiner Mittagspause und werde von Olivia erwartet.

„Na Eve…“ sie klopft auf den freien Stuhl an ihrem Arbeitsplatz und ich nehme lächelnd Platz.

Kaum zu glauben, aber Liv und ich sind wirklich Freundinnen geworden. Eher aus der Not heraus, aber es macht mir meinen Job um einiges leichter. Sie kennt Lawson schon wesentlich länger und hat mir an so manchem Tag der Kopf gerettet.

„Na Liv.“ Ich grinse sie an und sie erwidert es.

„Ich habe gelesen, dass du am nächsten Dienstag tatsächlich noch einen Termin bei Mr. Matthews von Jenson Inc. bekommen hast, achte darauf, dass sie vorher alles schriftlich haben wollen.“ Sie nickt mir zu.

„Ich danke dir Liv.“ Ich hole mein Baby aus meiner Manteltasche und trage es mir ein, das muss ich Lawson spätestens Montagmorgen auf den Tisch legen…

„Und sonst? Wie geht es dir?“ sie legt ihren Kopf schief dun mustert mich.

„Ich habe das Gefühl, ich schlafe kaum noch und wenn ich dann endlich schlafe verfolgt mich Lawson…“ ich seufze leise „Es ist zum verrückt werden. Kann er mich nicht wenigstens im Schlaf in Ruhe lassen.“

Sie lacht auf und schüttelt den Kopf „Nein Eve, nicht einmal da.“

„Ich freue mich aufs Wochenende.“ Gebe ich zu „und es ist schade, das Juls heute nicht kommt, sie ist mein Lichtblick nach einer Woche mit ihrem Bruder.“ Ich atme tief durch.

„Gönnen wir der Kleinen doch einfach ihre Klassenfahrt nach Paris.“ Sie lächelt mich an und ich nicke.

„Tue ich ja.“ Erwidere ich und Liv schüttelt lachend mit dem Kopf.

Als die Fahrstuhltüren aufgleiten und Lawson samt weiblicher Begleitung das Büro betritt stehe ich auf, zwinkere Liv zu und gehe zu meinen Schreibtisch.

„Miss Thornton, das ist Harriet Devons. Sie ist eine gute Freundin.“ Stellt er mich vor.

„Freut mich Miss Devons.“ Ich nicke ihr höflich zu, auch wenn es mir nicht behagt, wie Besitz ergreifend sie ihre Hand auf seinen Unterarm legt.

Eins muss ich ihm aber lassen, er hat einen guten Geschmack. Harriet Devons ist groß, schlank, leicht sonnengebräunt und entspricht dem Bild eines Models.

Sie hat lange honigblonde Haare und funkelnde grüne Augen, die mich nun unverholen mustern.

„Mrs. Devons.“ Verbessert sie mich und ich ringe mich zu einem lächeln durch.

’Was interessiert es dich, mit wem er ins Bett geht?’ faucht meine innere Stimme und ich zucke leicht zusammen.

’Es interessiert mich nicht!’ kontere ich stumm und sehe wieder auf meinen Monitor.

„Morgen finden sie sich bitte um 10 Uhr bei meiner neuen Yacht im Wrights Findlater Yachthafen ein.“ Damian Lawson fixiert mich und ich sehe ihn erstaunt an.

’Neue Yacht? War die alte mit ihren 20 Metern zu klein?’ spöttelt meine innere Stimme und ich widerstehe dem unbändigem Drang, meine Augen zu verdrehen, gerade so in letzter Sekunde.

Fast will ich erwidern, dass Samstag ist, aber da fällt mir mein Arbeitsvertrag ein.

’Verdammte Sklavenhaltung…’ murre meine innere Stimme.

Man, sie ist heute echt in Gesprächslaune…

„Ja Sir.“ Sage ich ohne jegliche Begeisterung in der Stimme. Es ist ja nicht das erste Mal, das ich an einem Samstag arbeiten muss und mit 100%iger Sicherheit wird es nicht das letzte Mal sein. Ich arbeite seit 4 Wochen hier und hatte bisher zwei freie Samstage. Muss ich mehr sagen?

„Mr. Brown hat ihnen dem Anlass entsprechend was schicken lassen.“ Fügt er hinzu „Können wir Hariett?“ er sieht zu seiner Begleitung und diese nickt mir kurz zu, ehe sie mit ihm das Büro verlässt.

Ich seufze tief, schreibe mein Essay zu Ende und forste mich durch die Terminplanung der nächsten Woche.

Kurz nach 18 Uhr nehme mir meinen Blazer von der Rückenlehne meines Stuhls und lösche das Licht, mal wieder bin ich die Letzte, aber auch daran gewöhnt man sich.

Im Fahrtsuhl lehne ich mich gegen die verspiegelte Rückwand. Selbst die dämliche Fahrstuhlmusik höre ich schon nicht mehr… Die letzten 4 Wochen stecken mir in den Knochen.

Der einzige Lichtblick, war der Gehaltscheck vor zwei Tagen mit dem ich schon zwei Rechnungen bezahlen konnte.

Langsam aber sicher komme ich meinem Ziel, schuldenfrei zu sein, näher.

Ich fahre durch das, um diese Uhrzeit wie immer volle Dublin, und parke eine Straße von unserem Haus entfernt. Etwas Gutes hatten die letzten Wochen ja, ich kann mittlerweile auf Highheels laufen und meine Füße tun auch nicht mehr weh. Anhand der Pflasterpackungen der ersten Woche gemessen ist das ein wirklich großer Fortschritt…

Kaum das ich die Tür aufgeschlossen habe kommt Jen auch schon auf mich zu gestürmt und zieht mich in ihre Arme.

„Paket für dich.“ Grinst sie und hält mir ein Paket mit der Aufschrift Thomas Brown entgegen.

„Mal schauen, was Tom mir so zusammen gestellt hat.“ Ich stelle meine Tasche ab und wir gehen ins Wohnzimmer. Ich befördere eine weiße Caprihose, ein dunkelblau weiß gestreiftes Top und einen weißen leichten Blazer ans Tageslicht. Dazu hat Tom natürlich auch an die passenden Schuhe gedacht und ich bin mehr wie erleichtert als ich sehe, dass es diese typischen Segelschuhe anstatt Pumps sind. Meine Füße brauchen mal eine Auszeit.

Ein kleiner Zettel liegt bei.

 

Liebste Eve,

zwar habe ich solche Schuhe normalerweise nicht im Angebot, aber ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren dich morgen auf Stöckelschuhen über die Planken laufen zu sehen.

Bis morgen

Tom

 

Ich lache leise und reiche Jen den Zettel.

„Was ist denn morgen?“ sie sieht mich fragend an.

„Ich soll morgen um 10 Uhr mit Lawson auf seine neue Yacht.“ Erkläre ich ihr.

„Du weißt schon, dass Ray und Will uns in 20 Minuten abholen?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

Ich schlage mit der flachen Hand an meine Stirn. „Das Konzert.“ Sage ich und Jen lächelt leicht.

„Ich entschuldige dich.“ Sagt sie bedauernd, doch ich winke ab.

Ich habe in den letzten Wochen einfach zu viele Verabredungen abgesagt, heute gehe ich und habe mal wieder etwas Spaß. Ich bin ja dankbar, das Will und Ray überhaupt noch mit mir reden, denn ich habe sie allein in der letzten Woche zwei Mal versetzt…

„Gib mir 10 Minuten.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange, laufe in mein Zimmer und tausche das Kostüm gegen eine kurze Jeansshorts und ein schwarzes, enges T-Shirt, dann schlüpfe ich in meine Chucks und laufe wieder in den Flur.

„Also von mir aus können wir los.“ Ich grinse Jen an, öffne meine Haare, fahre mit den Fingern hindurch und sie lacht auf.

„Dann komm.“ Sie reicht mir eine dünne Sweatjacke, nimmt meine Hand und wir laufen die drei Etagen runter zur Straße, auf der uns tatsächlich schon Ray und Will erwarten.

Wir sind alle zusammen auf die Business School gegangen und beide drücken mich fest an sich.

Es tut so gut sie zu sehen!

„Wir dachten echt, du kommst nicht.“ Will zwinkert mir zu.

„Ich gebe es ehrlich zu, ich hatte es vergessen.“ Ich sehe entschuldigend in die Runde.

„Egal, jetzt bist du ja da.“ Will harkt sich bei mir unter und wir gehen zur nächsten Busstation.

Wir wollen heute alle etwas trinken und da bleibt das Auto eben auch mal stehen und ein Taxi in die Innenstadt kostet fast ein Vermögen. Außerdem sind die Busverbindungen wirklich gut und es macht Spaß mal wieder Bus zu fahren und den Geschichten der Beiden zu lauschen.

Eine Stunde später erreichen wir die Innenstadt und ich habe schon Bauchschmerzen vom lachen. Will hakt sich bei mir unter und wir gehen in Richtung des Clubs in dem das Konzert statt finden soll.

„Wer spielt da überhaupt?“ ich sehe fragend zu Jen.

Sie lacht leise. „Eine alternative Rockband, Ray hat sie ausgebuddelt.“

„Das wird ja was.“ Ich sehe zu Ray und er zieht mich lachend in seine Arme.

„Hast du etwa was an meinem Geschmack auszusetzen?“ er sieht mich prüfend an und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

Es scheint mir Lichtjahre her zu sein, das Ray und ich ein Paar waren, dabei ist es glaube ich gerade Mal knapp 2 Jahre her. Wir haben es geschafft nach unserer Beziehung, die immerhin 8 Monate überdauert hat, Freunde zu bleiben und stehen uns nah, ich mag es ihn um mich herum zu haben, denn er ist die personifizierte Gute Laune. Seine dunkelgrünen Augen sehen mich strahlend an und ich schlinge meine Arme.

Manchmal muss man eben einfach ehrlich zu sich sein, wir sind als Freunde um ein vielfaches besser geeignet als als Paar.

„Wieso sollte gerade ich an deinem Geschmack zweifeln?“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und wir reihen uns in die Schlange ein.

Die Stimmung im Club ist Bestens und Ray organisiert uns erst einmal etwas zu trinken. Jen und ich sehen uns um und checken so ziemlich jedes männliche Wesen in dem Club ab, aber ich gebe zu, meine Gedanken sind nicht wirklich dabei.

’Grrr… raus aus meinem Kopf Damian Lawson!’ schreie ich innerlich.

„Und wie findest du den?“ Jen deutet auf einen jungen Mann in einer zerschlissenen Jeans, in Boots und einem bunt bedruckten T-Shirt, das seine Haare neongrün sind gibt dem ganzen unstimmigen Gesamtbild den Rest.

„Jen ehrlich jetzt? Der sieht aus, als hätte er sich mit Kermit dem Frosch gepaart und er trägt Boots im Hochsommer.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sie lacht prustend los.

„Euch kann man es aber auch nicht Recht machen.“ Mischt sich Will ein und ich lege meinen Arm um ihn.

„Ach Will, wir sind ziemlich speziell, andere Frauen schauen gerne über Äußerlichkeiten hin weg.“ Ich grinse ihn schelmisch an.

„Na danke Eve.“ Er verdreht die Augen und ich lache los. Will ist ziemlich schüchtern was Frauen angeht und das obwohl er wirklich gut aussieht, schwarze strubbelige Haare, grau-blaue Augen und diesen Lausbubencharme. Dazu ist er noch ziemlich gut in Form.

Ich weiß echt nicht, warum er der Dauersingle unserer Gruppe ist…

„Will, du findest deine Traumfrau…“ ich schubse ihn leicht „Du siehst gut aus und bist nett.“

„Eve, du machst es nicht besser.“ Stöhnt er.

„Nein Will, ganz ehrlich.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange „Die Frau die das Glück hat dich zu bekommen, auf die bin ich neidisch.“

Jen und ich tanzen ein wenig zu der, sagen wir mal, alternativen Musik und ehe ich mich versehe hüpfe ich mit ihr im Takt und amüsiere mich. Die Cocktails tun ihr übriges und ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ausgelassen war.

Um kurz vor 23 Uhr kommt die Band, die als PepperYellow vorgestellt wird, auf die Bühne und ich muss sagen, das ist genau mein Geschmack.

Stellenweise ein wenig zu hart, aber genau das Richtige um den Kopf endlich frei zu bekommen.

Es tut so unheimlich gut, meine Gedankenwelt mal nicht um meinen Job und Damian Lawson kreisen zu lassen.

Ich tanze mit Jen, Will und Ray als ob es kein Morgen gibt und irgendwann steht sie auf der Bühne und reicht mir ihre Hand um mich hoch zu ziehen.

Ich lache übermütig und wir tanzen auf der Bühne weiter, plötzlich stellt sie sich an den Rand und lässt sich rücklings in die Menschenmenge fallen, die Hände tragen sie ein Stück und dann wird sie sanft abgesetzt.

’Lass es Eve!’ warnt mich meine innere Stimme, doch ich ignoriere sie und stelle mich an den Bühnenrand.

„Ich lebe nur einmal!“ sage ich leise zu mir selbst, schließe meine Augen und lasse mich nach hinten fallen.

Die Hände fangen mich und tragen mich ein Stück, es ist ein erhabenes Gefühl und ich juchze.

Plötzlich merke ich wie ich ins Rutschen komme und ehe ich wirklich weiß, was passiert mache aus knapp 2 Metern Höhe schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Betonfußboden.

’Gut gemacht Eve, jetzt wirst du zertrampelt.’ meine innere Stimme klingt zornig.

Nicht hilfreich, wirklich überhaupt nicht hilfreich…

Ich versuche die dumpfen Schmerzen die meinen Körper überrollen wie eine Dampfwalze zu ignorieren und schließe verzweifelt meine Augen.

’ So sieht also das Ende von Everly Thornton aus…’ seufzt meine innere Stimme theatralisch.

Zwei starke Arme packen mich und ziehen mich auf die Beine, erleichtert sehe ich in Wills Gesicht und wir erkämpfen uns einen Weg nach draußen.

Zum Glück sind Jen und Ray auch draußen und ich setze mich erst einmal auf den Bordstein.

„Ist alles gut?“ Ray geht vor mir in die Hocke und zwingt mich ihn anzusehen. Vorsichtig befühlt er meinen Kopf und mustert mich.

„Ja, ich denke schon, mein Kopf hat nicht wirklich was abbekommen, ich habe den Sturz eher mit meiner Schulter abgefangen.“ Gebe ich zurück und taste meine Rippen ab, die nebenbei erwähnt höllisch weh tun.

Ich ziehe mein Top hoch und Jen zieht scharf Luft ein.

„Das sieht schmerzhaft aus.“ Sie hilft mir auf und betastet vorsichtig meine linke Seite. „Ich glaube, die sind vielleicht gebrochen. Eve, du musst in ein Krankenhaus.“

„Nein Jen, es geht schon. Die Schmerzen sind auszuhalten.“ Ich winke ab und verziehe bei der Bewegung meiner linken Schulter das Gesicht.

Fällt ein Konzertbesuch eigentlich unter riskante Freizeitaktivitäten?

Wahrscheinlich nicht, aber das Stagediven hätte ich wohl mal lieber sein gelassen.

„Zeig mal her.“ Ray zieht mein T-Shirt ein Stück runter und meine Schulter schillert schon jetzt, so kurz nach dem Sturz, in allen Farben des mir bekannten Farbspektrums.

„Ist sie ausgerenkt?“ Ray tastet sie vorsichtig ab.

„Nein, ich glaube, wenn sie ausgerenkt ist, dann kann man sie gar nicht bewegen.“ Ich bewege leicht meine Schulter und atme erleichtert aus. „Können wir bitte nach Hause?“ ich sehe bittend zu Jen und sie nickt sofort lebhaft.

„Ja klar.“ Sie winkt ein Taxi herbei und Ray setzt mich auf die Rückbank.

„Wenn was ist, dann ruf mich an.“ er sieht mich bittend an und ich nicke leicht.

Endlich zu Hause, gehe ich duschen und anschließend versorgt mich Jen mit Schmerztabletten und irgendeiner nicht sehr gut riechenden Salbe.

Da hätte ich mir das Duschen auch sparen können…

Es hilft ein bisschen und ich mache drei Kreuze, als ich in meinem Bett endlich eine Position finde, in der ich nicht das Gefühl habe vor Schmerzen nicht atmen zu können. Ich atme tief durch und denke an den letzten Monat…

Die letzten 4 Wochen sind unreal und so voll gestopft mit Informationen, dass ich wirklich Mühe habe, das alles zu verarbeiten.

Das Arbeitsklima in meinem und Mr. Lawson Büro ist frostig, aber zum Glück nicht mehr eisig.

Er redet nur das Nötigste mit mir, aber das reicht auch.

Ich habe mir alles durch gerechnet, wenn nicht noch etwas dazwischen kommt, dann muss ich noch 8 Monate bei ihm arbeiten, um alle Rechnungen zu bezahlen.

Dann kann ich mein Leben weiter leben… oder eben nicht.

Das wird sich dann zeigen.

Diese Auszeit heute habe ich endlich Mal gebraucht, ich habe das Gefühl, ich sehe meine Freunde gar nicht mehr, selbst Jen sehe ich kaum und das obwohl ich mit ihr zusammen wohne. Aber meistens wenn ich nach Hause komme ist sie unterwegs und wenn ich aufstehe, dann schläft sie noch. Ich glaube das nennt man aneinander vorbei leben…

Um 8 Uhr klingelt mein Wecker und ich rappele mich auf.

’Bleib liegen Everly.’ versucht mich meine innere Stimme schmerzverzehrt zu überreden.

Wie gerne würde ich ihr nachgeben, aber ich schüttele leicht meinen Kopf und setze mich auf die Bettkante. Ich habe das Gefühl jeder einzelne Knochen tut mir weh und ich kann mich kaum bewegen.

Vorsichtig tapse ich ins Bad und betrachte meine Blessuren des letzten Abends.

’Oh wow Eve, da hast du ja mal ganze Arbeit geleistet!’ meine innere Stimme klingt fast ehrfürchtig.

Mein linker Rippenbogen ist fast durchgängig blau und meine Schulter hat ein Farbe zwischen dunkelgrün, dunkelblau und violett angenommen und verdammt, sie tut echt weh. Ich nehme allein schon zur Vorsicht gleich drei Schmerztabletten und dusche dann schnell, um den Gestank der Salbe los zu werden, denn die riecht auch jetzt nicht besser als heute Nacht.

Da ich meinen linken Arm nicht richtig bewegen kann mache ich mir nur einen geflochtenen Zopf und selbst der dauert fast 20 Minuten. Ich schminke mich dezent und bin froh im eigentlichen Sinne Rechtshänderin zu sein, so kann ich meine Verletzungen vielleicht vor Mr. Lawson verbergen, einen Verdienstausfall kann ich mir nicht leisten.

Ich schlüpfe ich in die von Tom geschickten Sachen und betrachte mich im Spiegel. Sie decken alle meine Blessuren ab, ich sollte es nur vermeiden den Blazer auszuziehen, denn mein Ellenbogen hat auch etwas abbekommen, eigentlich ist mein linker Arm irgendwie von der Schulter bis knapp unter den Ellenbogen durchgängig blau.

’Das schaffst auch nur du.’ Ah, meine Stimme hat ausgeschlafen und nervt mich mal wieder.

„Glanzleistung Thornton.“ Sage ich zu mir selbst, stelle die Kaffeemaschine für Jen an und ziehe dann die Wohnungstür hinter mir ins Schloss.

Als ich endlich den Yachthafen erreiche wird mein kleiner Golf tatsächlich von einem Parkservice entgegen genommen, nachdem ich meine Karte gezeigt habe.

Bewaffnet mit meinem I-Pad und meinem Baby gehe ich zum Anlegeplatz, aber dieser ist leer und ich sehe mich suchend um.

Ach ja, er erwähnte ja nebenbei, das er sich eine neue Yacht gekauft hat. Aber wo zur Hölle ist die?

Ich laufe die Stege ab, es erstaunt mich immer wieder wie viele Menschen in Dublin eine Yacht besitzen.

Planlos laufe ich zwischen den Yachten hin und her, schließlich bleibt mir nicht anderes übrig, als mein Baby heraus zu kramen, denn ob ich will oder nicht, ich muss Lawson fragen.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Name ihrer Yacht

 

Wie gewünscht bin ich am Yachthafen. Würden sie die Güte besitzen und mir den Namen oder den Anlegeplatz ihrer neuen Yacht verraten?

Everly Thornton

 

Ich sehe mich weiter um.

Haben die Leute zuviel Geld?

Ich meine, sie sehen toll aus, aber ist das ein Luxus den man braucht?

Mein Baby vibriert und ich hole es wieder aus meiner Handtasche.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Meine Yacht

 

Name: Juliette

Liegeplatz: 4-18-2

Damian Lawson

 

Juliette?

Ich gebe zu, das erstaunt mich.

Hat er tatsächlich über das, was ich ihm zum Namen seiner alten Yacht gesagt habe, nachgedacht?

Ich weiß, dass er seine kleine Schwester liebt.

Anscheinend liebt er sie so sehr, das er sogar seine neue Yacht nach ihr benennt.

Wow, der Teufel hat ein Herz…

Ich mache mich also weiter auf die Suche und dann erkenne ich es doch schon von weitem.

Die größte Yacht weit und breit.

’Was hast du erwartet?’ spottet meine innere Stimme und ich zucke mit den Schultern, was mir ein schmerzhaftes Stöhnen entlockt.

Merke: Nicht mit den Schultern zucken… oder am Besten so wenig wie möglich bewegen.

Aber meine innere Stimme hat Recht, habe ich von Damian Lawson etwas anderes erwartet?

Nein… die Yacht passt ausgezeichnet zu seinem aufgeblasenen Ego.

Ich steuere zielstrebig die Yacht an und sehe ihn dann an Deck stehen. Er trägt heute mal keinen Anzug, ich glaube ich sehe ihn das erste Mal in Freizeitkleidung.

Hmm, der Teufel in Freizeitkleidung…

Fast will ich über meinen eigenen Witz lachen, aber meine schmerzenden Rippen halten mich davon ab.

Im gleichem Atemzug gestehe ich mir ein, dass er in seiner Jeans und dem dunkelblauen Poloshirt eine wirklich gute Figur macht und lege meinen Kopf leicht schief.

Gott, das tut auch weh…

„Miss Thornton, kommen sie an Bord.“ Weist er mich an, als er mich entdeckt.

Ich ringe mich zu einem halbwegs freundlichem lächeln durch und betrete die Yacht über einen Steg. Sofort fallen mir die Bediensteten in ihren Uniformen auf und ich seufze leicht.

Autsch… auch schmerzhaft, ich schließe eine Sekunde gequält meine Augen.

Kaum bei ihm angekommen fixiert er mich kühl und fast denke ich, er weiß woher auch immer, was passiert ist und hält mir eine Standpauke und feuert mich.

„Notieren sie sich einige Daten zu dem Schiff, ich bin mir sicher, sie werden gefragt werden…“ sagt er stattdessen, lehnt sich an die Rehling und sieht mich abwartet an.

Ich hole mein I-Pad heraus, einen kleinen Moment beobachte ich ihn, wie er in Gedanken seinen Blick über das Deck schweifen lässt.

’Konzentrieren Thornton!’ faucht meine innere Stimme. Ich setze mich ganz vorsichtig auf eine Bank und räuspere mich leise. Es hat den gewünschten Effekt und er nimmt mich wieder wahr.

„Also gut, das Schiff ist ein Motorsegler vom Typ Conrad 115, Von deutschen und holländischen Ingenieuren der Firmen Newcruise-Yacht Projects & Design in Hamburg und Vripack in Amsterdam entworfen und in Polen von Conrad Shipyard gebaut. Die Juliette ist 36 Meter lang, 9 Meter breit und hat einen Tiefgang von 3 Metern. Das Großsegel von North Sails hat eine Fläche von 189 m², die Konstruktion besteht fast ausschließlich aus Aluminium. Neben dem Segel kann die Juliette von 2 CAT C18 Motoren mit jeweils 725 PS angetrieben werden. Sie schafft 12 bis 14 Knoten. Sie wurde erst vor 3 Wochen zu Wasser gelassen und die Innenausstattung wurde mir und meinen Bedürfnissen angepasst. Sie ist nach meiner Schwester benannt.“ Er sieht mich an und ich nicke.

Ich habe gar keine Ahnung von Schiffen, aber dieses Schiff ist imposant und wirklich wunderschön. Es besticht durch gradlinige und dennoch der Natur nachempfundenen Linienführung.

Ja, ich gebe zu in diesem Punkt hat der Teufel wirklich Geschmack.

Seine alte Yacht war um ein Vielfaches klobiger und nicht mit diesem Schmuckstück zu vergleichen.

„Begleiten sie mich ins Innere.“ Er geht mir voran und ich stehe ganz langsam auf.

„Wo bleiben sie denn?“ ruft er mir ungeduldig zu und ich unterdrücke ein Stöhnen.

„Ich bin da Sir.“ Ich habe zu ihm aufgeschlossen und wir betreten das Innere der Yacht.

Wahnsinn, ich fühle mich wie in einem Luxushotel, ich kann gar nicht fassen, das ich mich hier auf einem Schiff befinden soll.

„Meine Gäste treffen in 30 Minuten ein. Der Vorstand von der Hastings Group, Thomas Brown und ich denke Julie wird es sich auch nicht nehmen lassen. Meine Eltern waren sich heute Morgen noch unsicher, ob sie es einrichten können.“ Er sieht mich an. „Stehen sie bitte gerade.“ Weist er mich an und ich gebe mein Bestes.

Doch die Schmerzen sind beinahe unerträglich…

Meine Atmung geht flach und schnell, ein kläglicher Versuch gegen die Schmerzen anzukämpfen.

Gelingen tut es mir allerdings nicht sehr gut und ich lasse meine Schultern wieder etwas hängen.

Besser, viel besser…

„Halten sie sich im Hintergrund, ich will mit den Hastings Leuten erst in Ruhe sprechen, ich werde ihnen Bescheid sagen, wenn ich sie brauche.“ Er sieht abwartend zu mir.

„Ja Sir.“ Antworte ich sofort reflexartig.

„Damian?“ ertönt Juliettes fröhliche Stimme und sie kommt zu uns in den Innenbereich.

„Hier.“ Sagt er überflüssiger Weise und sie nimmt ihn in den Arm.

Ich sehe nun Juls auch das erste Mal ohne ihre Schuluniform und ich muss sagen, sie ist bildhübsch. Sie trägt ein einfaches hellgrünes Sommerkleid und wirkt so herrlich jung und unbeschwert.

„Eve.“ Sie kommt, nachdem sie ihren Bruder noch einen Kuss auf die Wange gedrückt hat, zu mir und umarmt mich.

Ich zucke vor Schmerzen zusammen, aber ich lächle sie tapfer an.

„Es ist schön dich zu sehen.“ Sage ich dankbar und ich meine es auch so. Vielleicht wird der Tag nicht ganz so schlimm.

„Ich freue mich auch, dass du hier bist. Paris war toll, aber ich habe unseren Freitagnachmittag vermisst.“ Sie strahlt mich an.

„Du musst mir unbedingt mehr erzählen bitte ich sie.“ Ich sehe von ihr zu Damian Lawson und sein Blick verfinstert sich „Später natürlich.“ Füge ich schnell hinzu und sie nickt mit einem kurzen Blick auf ihren Bruder.

„Mum und Dad lassen sich entschuldigen, sie werden es nicht schaffen.“ Sagt sie nun an ihn gewandt und er zuckt leicht mit den Schultern.

„Um 12 Uhr wird das Essen im hinteren Speisesaal serviert. Sie können gerne zusammen mit der Crew essen, wenn sie Hunger haben.“ Sein Blick bleibt an mir haften und Juls gibt ein stöhnendes Geräusch von sich.

„Damian, mach dich locker. Du hast Wochenende.“ Sie boxt ihn leicht.

„Die Geschäfte kennen kein Wochenende.“ Gibt er zurück.

„Eve, du siehst wirklich hübsch heute aus.“ Sie bestaunt meine Sachen „Tom?“ fragt sie leise und ich nicke lächelnd.

Kaum spricht man von ihm, da kommt er auch schon herein.

„Hallo Damian.“ Er reicht ihm die Hand. „Juliette. Wow Kleine, du wirst von Tag zu Tag hübscher.“ Er verbeugt sich vor ihr, haucht ihre einen Kuss auf ihre Fingerknöchel und sie lacht auf.

Dann entdeckt er mich, kommt zu mir und strahlt mich an.

„Hallo Eve, es ist so schön dich wieder zu sehen.“ Er nimmt meine Hand und haucht auch mir einen Handkuss darauf.

„Ich freue mich auch.“ Gebe ich zu.

Ich beuge mich zu ihm und hauche ihm ein „Danke.“ ins Ohr.

Dann treffen die Männer von Hastings ein und da Mr. Lawson sich mit Juls und Tom schon in den Speisesaal zurück gezogen hat, begleite ich die Herren.

„Mr. Evans, Mr. Prescott, Mr. Sanford und Mr. Kilkenny von Hastings.” Stelle ich die Männer vor und komme mir albern vor, als sich alle mit Vornamen freundschaftlich begrüßen.

Ich gehe an Deck und betrachte eine Weile das Treiben hier oben.

„Wir legen ab.“ Ein älterer Mann sieht mich an und ich erwidere fragend seinen Blick.

„Wir drehen nur eine kleine Runde und gehen dann in der Bay vor Anker. Mr. Lawson hat es so gewünscht.“ erklärt er mir.

„Okay.“ Sage ich mehr zu mir wie zu ihm.

’Wirst du eigentlich Seekrank?’ fragt mich meine innere Stimme und ich versuche mich krampfhaft zu erinnern, wann ich das letzte Mal auf einem Boot war.

Klar, auf der alten Yacht von Lawson, aber die lag immer nur im Hafen, ich glaube nicht, dass man im Hafen seekrank werden kann. Oder doch?

Ich weiß es einfach nicht und ich werde wohl abwarten müssen, ob mir das Geschaukel und die Seeluft bekommt.

Ich verzichte lieber vorsichtshalber darauf etwas zu essen und setze mich auf einen der Stühle und gehe die Termine der nächsten Woche durch. Wenn ich schon hier bin, dann kann ich auch produktiv sein.

Nach dem Essen kommen alle ans Oberdeck und genießen den phänomenalen Ausblick auf Dublin.

„Miss Thornton…“ Damian Lawson ruft mich zu sich und ich gehe mit wackligen Beinen zu ihm. Meinem Magen geht es zwar ganz gut, aber bedingt durch meine Schmerzen habe ich leicht Gleichgewichtsprobleme.

„Geben sie mir bitte die Umsatzzahlen vom letzten Quartal und machen sie eine Berechnung der Anteile von Hastings, erhöhen sie um 5 Prozent und legen sie es mir dann vor.“ Er sieht mich abwartend an und ich erkenne ein leicht spöttisches lächeln in seinen Gesichtszügen.

Ich nehme das I-Pad und halte es ihm ein paar Minuten später unter die Nase.

„Seite 1 die Umsatzzahlen, Seite 2 die aktuellen Zahlen von der Hastings Group und Seite 3 die Neuberechnungen.“ Erkläre ich ihm und er sieht mich fast ein wenig erstaunt an.

’Ich tappe nicht in eine deiner Fallen!’ freut sich meine innere Stimme und schenke ihm ein strahlendes lächeln.

„Wow Damian, ich will auch so eine persönliche Assistentin. Wo bekommt man die her?“ einer der Männer, ich glaube James Sanford, sieht mich staunend an.

Doch dann bemerke ich etwas anderes im Blick des Mannes, der mein Vater sein könnte und ich bekomme eine Gänsehaut.

„Sie wurde mir von einer Bekannten empfohlen.“ Damian Lawson macht eine Handbewegung, dass ich gehen soll und ich ziehe mich zurück.

„Hey, wie geht es dir?“ Juls erscheint neben mir, als ich auf dem Weg nach unten bin. Ich muss in meine Handtasche schauen, ob ich vielleicht noch eine Schmerztablette habe. Ich kann vor Schmerzen kaum atmen.

„Ganz gut.“ Gebe ich gequält zurück.

„Willst du nicht langsam mal deine Jacke ausziehen? Es ist super warm draußen, nur falls dir das noch nicht aufgefallen ist.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Nein, nein…“ ich winke mit der rechten Hand ab „Ich friere so leicht und will kein Risiko eingehen.“

’Was ist denn das für ein Quatsch, Everly Thornton, wir haben mindestens 30 ° C. Für wie dumm hältst du die Kleine?’ meine innere Stimme klingt gefrustet.

„Ich komme gleich wieder hoch.“ Verspreche ich ihr und gehe mit meiner Handtasche auf die Toilette.

Ich spüre ihre fragenden Blicke im Rücken und versuche mich gerade zu machen und die Haltung zu bewahren.

Tatsächlich finde ich eine Schmerztablette und spüle sie mit viel Wasser runter.

Nachdem augenscheinlich der geschäftliche Teil abgearbeitet ist und die Sonne langsam dem Horizont entgegen wandert, machen wir uns auf den Rückweg. Leise Musik schwebt übers Oberdeck und Champagner wird gereicht, augenscheinlich werde ich nicht seekrank aber vom Alkohol halte ich mich lieber fern.

Schmerztabletten und Alkohol sollen sich ja bekanntlich nicht so gut vertragen...

Nachdem ich die ganze Zeit ablehne und mich Lawson die ganze Zeit fixiert nehme ich mir dann doch ein Glas und trinke es artig aus. Juls gesellt sich zu mir und berichtet mir freudestrahlend von Paris. Ich muss ihr versprechen, dass ich mir das auch alles einmal anschauen werde und ich verspreche es ihr, auch wenn ich nicht weiß, ob ich einhalten kann…

„Darf ich bitte?“ James Sanford taucht neben mir auf und hält mir seine Hand hin.

„Ja.“ Ich lächle gequält und merke wie sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellen.

’Sei professionell!’ ermahnt mich meine so zuverlässige innere Stimme.

Kaum das ich ein paar Schritte mit ihm getanzt habe, wandert seine Hand auf meinen Po und ich weiß nicht worauf ich zu erst reagieren soll…

Auf seine Hand, die da ist, wo sie absolut nichts zu suchen hat oder aber auf meine Schmerzen, die mit aller Macht zurück kommen, weil er mich an sich presst.

Ich werde unruhig und er sieht mich wieder mit diesem Blick an.

Ich bekomme Angst von ihm und überlege sogar eine Sekunde lang einfach über die Reling zu springen.

’Geistreich Everly…’ schallt mich meine innere Stimme.

Ich versuche ruhig zu atmen und rieche dabei das Aftershaves des Mannes, der mir eindeutig zu Nahe kommt.

Ich schließe gequält meine Augen und versuche einfach nur diesen Tanz zu überstehen.

„Du erlaubst Jamie?“ Damian Lawson tippt seinem Geschäftpartner auf die Schulter und dieser lässt von mir ab. Erleichtert atme ich auf und Lawson hält mir seine Hand hin, ehe er mich in seine Arme und ich gequält aufstöhne.

„Was haben sie?“ fragt er und die tiefe Falte zwischen seinen Augenbrauen ist zurück.

„Nichts.“ Gebe ich leise zurück und versuche mich auf die Tanzschritte, die ich vor Jahrzehnten gelernt habe, zu konzentrieren.

„Kommen sie mit.“ Zischt er mir gefährlich leise zu und zieht mich an meinem rechten Arm hinter sich her, hinunter in den Innenbereich.

„Ziehen sie ihre Jacke aus.“ Weist er mich an und ich sehe ihn überrascht an.

„Wie bitte?“ japse ich.

„Ich merke schon den ganzen Tag, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Ziehen sie sofort ihren Blazer aus.“ Er fixiert mich eiskalt und ich streife mir langsam meinen Blazer ab.

Natürlich fällt sein Blick sofort auf meinen linken Arm.

„Was in aller Welt haben sie gemacht?“ fährt er mich an.

„Ich war mit Freunden aus und hatte einen kleinen Unfall.“ Gestehe ich leise.

„Sie da…“ er zeigt auf einen jungen Mann aus der Crew. „Holen sie Brandon her.“

Ich stehe wie ein kleines Mädchen vor ihm und würde ihn für seine arrogante Art am liebsten eine Scheuern.

Ja, ich war mit Freunden aus!

Ja, ich habe vielleicht ein bisschen zu viel getrunken!

Und verdammt noch mal… Ja, ich bin beim Stagediving fallen gelassen worden!

Verklag mich wegen Vertragsbruch!

Herrgott!

Ich bin ein Mensch und muss auch mal was anderes tun, wie nur ihre Termine zu ordnen und auf meinem Laptop herum zu tippen.

Ich lebe nur einmal!

Aber nichts von alledem sage ich laut, ich starre auf meine Füße und harre der Dinge die da kommen…

Ein älterer Mann kommt zu uns, nachdem mich Mr. Lawson mit nur einem Fingerzeig in eine der unzähligen Kajüten gebracht hat.

„Damian?“ er sieht ihn fragend an.

„In deiner Position als mein Arzt möchte ich dich bitten Miss Thornton zu untersuchen.“ Er deutet auf mich und auch sein Blick fällt zu erst auf meinen linken Arm.

„Setzen sie sich Miss Thornton, ich bin Dr. Brandon Johnson.“ Weist er mich an und ich setze mich verschüchtert auf die kleine Bank unter dem Bullauge.

Ich erwarte, dass Damian Lawson jetzt den Raum verlässt, aber dieser macht keinerlei Anstalten.

„Ziehen sie bitte ihr Shirt aus.“ Dr. Johnson sieht mich besorgt an und hilft mir dann dabei mein Shirt über meinen Kopf zu ziehen. Ich bin dankbar, dass ich eines dieser sündhaft teuren Unterwäschesets von Tom trage…

„Was zur Hölle hast du gemacht?“ Damian Lawson sieht mich schockiert an.

Hat er mich gerade geduzt?

Ich funkele ihn an und zucke unter Schmerzen zusammen als mich Dr. Johnson abtastet.

„Miss Thornton?“ Dr. Johnson zieht meine Aufmerksamkeit auf sich und ich sehe zu ihm „Wie ist das passiert?“

„Ich bin aus cirka 2 Metern Höhe gefallen.“ Sage ich wahrheitsgemäß, lasse aber den Teil, warum ich in 2 Meter Höhe über dem Boden war, mal lieber aus.

„Sie haben sich 5 Rippen, den Ellenbogen und die Schulter geprellt, das wird ein paar Tage noch sehr schmerzhaft sein.“ Erklärt er mir und ich nicke. „Versuchen sie sich zu schonen, belasten sie den Arm und die Schulter nicht und ruhen sie sich aus.“ Weist er mich an.

Dann hilft er mir wieder in mein Shirt. „Haben sie etwas gegen die Schmerzen dabei?“

„Ich habe bis jetzt 3 Tabletten Ibuprofen genommen.“ Erkläre ich ihm.

„Das kann unmöglich geholfen haben, sie müssen doch höllische Schmerzen haben.“ Erwidert er überrascht.

’Ja verdammte Scheiße, ich habe unerträgliche Schmerzen!’ faucht meine innere Stimme, während ich nur meinen Blick senke.

„Haben sie etwas getrunken?“ er nimmt seine Tasche zur Hand.

„Ein Glas Champagner.“ Antwortet Damian Lawson für mich und ich sehe ihn an.

Fast habe ich vergessen, dass er sich ja immer noch mit uns in einem Raum befindet.

„Das sollte kein Problem sein. Ich gebe dir jetzt eine Spritze, das hilft.“ Verspricht mir Dr. Johnson und ich sehe ihn dankbar an. „Legen sie sich hin und warten sie einen Moment, bevor sie wieder an Deck gehen.“ Weist er mich an und gibt mir die Spritze in die Ellenbeuge meines rechten Arms. „Ich gebe ihnen noch Tabletten mit. Alle drei Stunden zwei Stück, damit sollten sie die nächsten Tage gut überstehen, in einer Woche wird es dann besser.“ Er nickt mir aufmunternd zu.

„Damian.“ Er nickt ihm ebenfalls zu und geht hinaus.

„Sie haben sich Vertragsbrüchig gemacht.“ Schreit mich Damian Lawson an, sobald Dr. Johnson außer Reichweite ist.

„Verklagen sie mich doch.“ Antworte ich erschöpft.

„Das werde ich mir wirklich überlegen.“ Er verschränkt die Arme vor seiner Brust. „Wir legen in 30 Minuten wieder an. Fahren sie nach Hause.“

„Ja Sir.“ Gebe ich kraftlos zurück und er stapft nach draußen.

Ich bemerke gefühlte Sekunden später das anlegen und rappele mich auf.

Also das Schmerzzeug vom Doc ist echt der Hammer, ich habe das Gefühl über den Boden zu schweben.

Ich gehe langsam aufs Oberdeck und halte mich an meiner Tasche fest.

’Bis zum Auto!’ ermutigt mich meine, auf einmal wie Minnie Maus klingende, innere Stimme.

„Was genau haben sie vor?“ Mr. Lawson hält mich am rechten Arm fest und ich halte mich an ihm fest, um nicht endgültig das Gleichgewicht zu verlieren.

„Ich soll nach Hause.“ Ich sehe zu ihm auf.

„Paul fährt sie.“ Er legt seinen Arm beschützend um mich und führt mich die Gangway hinunter.

„Bringen sie Miss Thornton nach Hause und sorgen sie dafür, dass auch wirklich in ihrer Wohnung ankommt.“ Weist Damian Lawson Paul an und setzt mich auf den Rücksitz.

„Ist Miss Eve in Ordnung?“ höre ich Paul besorgt fragen.

„Sie hat ein starkes Schmerzmittel bekommen und steht ein wenig neben sich.“ Ich kann die Wut in Lawson Stimme hören und kichere leise.

’Ich habe den Teufel wütend gemacht! Ich habe den Teufel wütend gemacht!’ singt meine innere Stimme quietschig, was mich nur noch mehr zum kichern bringt.

Ich werde langsam wach und sofort sind alle Schmerzen mit voller Wucht zurück.

Um es nett auszudrücken, ich fühle ich mich wie von einem Güterzug überrollt. Mühsam rappele ich mich auf und gehe langsam in die Küche.

Gott, ich dachte die Schmerzen werden besser…

Jen sitzt am Frühstückstisch und hat allerhand Unterlagen um sich herum ausgebreitet.

„Hey.“ Sie sieht mich mitleidig an.

„Hey.“ Erwidere ich stöhnend „Hast du meine Handtasche gesehen?“ ich setze mich vorsichtig auf einen Stuhl und sehe sie fragend an.

„Ja…“ sie steht auf und geht in den Flur „Hier.“ Sie reicht sie mir und ich nehme die Tabletten raus.

„Wo hast du die denn her und wer war der Mann der dich gestern nach Hause gebracht hat?“ sie reicht mir ein Glas Wasser und ich setze mich ganz langsam aufrecht hin.

„Damian Lawson hat heraus gefunden warum ich mich gestern wie ein Marionette bewegt habe und sein Arzt hat mir die hier mit gegeben…“ ich halte die Tabletten hoch „… Und der Mann…“ ich überlege kurz „Ich denke, das war Paul, der Fahrer von Lawson. Er sollte mich nach Hause bringen.“

„Er hat dich bis ins Bett gebracht.“ Erzählt sie mir und ich sehe sie überrascht an.

„Eve, du warst jenseits von Gut und Böse.“ Sie zuckt mit den Schultern „Geht es dir jetzt wenigstens besser?“

„Nein.“ Gestehe ich und hoffe, dass die Wirkung der Tabletten schnell einsetzt. „Wie spät ist es?“ ich will mich umdrehen, aber lasse es bleiben, da meine Rippen das bestimmt nicht so gut finden.

„Kurz nach 14 Uhr. Was immer dir der Arzt da gestern gegeben hat, es hat dich 18 Stunden ausgeschaltet.“ Sie klingt ein wenig belustigt.

„Hey, wegen dir bin ich in dieser Situation.“ Ich will wütend klingen, aber ich kann es nicht.

Es ist meine Schuld, was bin ich auch so dumm…

„Es tut mir leid…“ sie nimmt meine Hand.

„Ach was, ich bin doch gesprungen, nicht du.“ Gebe ich versöhnlich zurück.

„Ich auch, aber mich haben sie wenigstens sanft abgesetzt. Möchtest du was essen?“ sie legt fragend ihren Kopf zur Seite und ihre blonden Haare fallen ihr wellig über die Schulter. Sie erinnert mich immer an die Elfen aus den irischen Sagen mit ihren goldblonden Haaren…

„Ja, was hast du denn?“ ich sehe mich vorsichtig suchend um.

„Ich war beim Chinesen, ich habe dir gebratene Ente in süß-saurer Sauce mit gebracht.“ Sie holt die Packung aus dem Kühlschrank und stellt sie in die Mikrowelle.

Wir sind beide nicht gerade die geborenen Köchinnen, aber ab und zu probieren wir es aus. Heute hatte sie wohl keine Lust und mein Magen knurrt, als ich den köstlichen Geruch wahr nehme.

Nachdem das Gerät ein leises Pling von sich gegeben hat reicht sie mir die Packung und Stäbchen.

Ja, doch wirklich… Ich kann richtig gut mit Stäbchen essen.

Es schmeckt fabelhaft und mein Magen beruhigt sich ein bisschen, als sich endlich was Essbares darin befindet.

Als es klingelt sehen Jen und ich uns überrascht an.

„Erwartest du jemanden?“ fragt sie mich auf dem Weg in den Flur und ich schüttele leicht mit meinem Kopf.

„Für Dich, ein Dr. Johnson.“ Sie kommt mit dem mir bekannten Arzt in die Küche.

„Dr. Johnson.“ Sage ich überflüssiger Weise, da Jen das gerade schon erwähnt hat.

„Miss Thornton…“ er reicht mir seine Hand „Ich wollte mich erkundigen, wie es ihnen geht.“

„Nicht so gut.“ Gebe ich zu „Ich habe gerade zwei von den Tabletten genommen.“

„Das dachte ich mir schon, ich habe ihnen ein stützendes Korsett mit gebracht und werde ihnen einen Tapeverband an der Schulter anlegen, dann können sie sich zwar nicht mehr ganz so gut bewegen, aber die Schmerzen lassen deutlich nach.“ Erklärt er mir milde lächelnd.

„Hat Mr. Lawson sie geschickt?“ ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

„Ja, er bat mich nach ihnen zu sehen.“ Er nickt mir zu.

Ich stöhne leicht auf und stehe dann doch auf um ihn in mein Zimmer zu führen.

Lawson hin oder her, jeder Mensch der mir hilft diese Schmerzen erträglicher zu machen ist mein Freund.

In meinem Zimmer angekommen hilft er mir aus meinem T-Shirt und legt mir dann eine Art Bandage an. Ich kann zwar nicht mehr richtig atmen, aber die Schmerzen sind wirklich besser. Als er dann auch noch meine Schulter mit einem Klebetape versorgt hat, fühle ich mich erstaunlicher Weise erleichtert, denn ich kann meine Schonhaltung endlich ablegen und entspanne mich.

„Besser?“ Dr. Johnson sieht mich prüfend an.

„Ja, danke.“ Nicke ich dankbar.

„Ich schaue am Mittwochabend noch einmal nach ihnen.“ Er steht auf und ich reiche ihm meine rechte Hand.

„Vielen Dank Dr. Johnson.“ Bedanke ich mich und begleite ihn zur Tür.

„Wer war denn das?“ Jen sieht fragend von ihren Büchern auf.

„Der Arzt von Lawson.“ Ich setze mich wieder zu ihr und drehe das Buch, in dem sie gerade leist, zu mir um.

„Wow, Bilanzenberechnung…“ ich drehe es zurück zu ihr.

„bekommst du Ärger?“ fragt sie vorsichtig.

Ich will mit den Schultern zucken, aber stattdessen sehe ich sie an.

„Keine Ahnung Jen, er war gestern ziemlich sauer.“ Gebe ich zu.

„Eve, es tut mir so leid.“ Sie nimmt meine Hand.

„Wird schon werden.“ Beruhige ich sie und weiß selbst nicht, was ich erwarten soll. „Du solltest dich jetzt konzentrieren.“ Ich schicke ihr einen Handkuss „Viel Spaß.“ Ich nehme mir ihre Teetasse und ziehe mich ins Wohnzimmer zurück.

Eine halbe Stunde später folgt mir Jen.

„Schon fertig?“ ich sehe sie überrascht an, als sie sich neben mich auf die Couch plumpsen lässt.

„Wie man es nimmt…“ sie verzieht das Gesicht „… ich denke es muss erst einmal reichen.“

Ich zappe durch die Kanäle und wir bleiben irgendwann bei einer Dokumentation über Pinguine hängen.

Ja, manchmal haben wir solche Anfälle…

Nein, nein… es ist wirklich interessant.

Gegen Abend steht sie auf und holt mir meine Tabletten und uns einen Becher Bens & Jerrys Schokoladeneis zum Abendbrot.

Ich habe gegen ihre Auswahl nichts einzuwenden, ich liebe Bens & Jerrys in fast allen Geschmacksrichtungen!

„Ich gehe ins Bett, ich muss morgen früh hoch.“ Ich gähne und Jen sieht mich erstaunt an.

„Willst du nicht zu Hause bleiben?“ sie deutet auf meine Schulter.

„Nein, ich kann mir den Verdienstausfall nicht leisten und morgen ist ein wichtiger Termin mit einer Werbeagentur, die kommen extra aus London.“ Erkläre ich ihr und sie schüttelt mit dem Kopf.

„Ich hoffe wirklich für dich, dass du weißt, was du tust.“ Ruft sie mir hinterher.

„Ja, das weiß ich!“ ich grinse sie an.

’Meistens jedenfalls…’ fügt meine innere Stimme hinzu. Man, die habe ich ja heute schon fast vermisst. Wahrscheinlich war sie durch die Schmerzmedikamente vorübergehend ausgeknockt.

„Gute Nacht Jen.“ Ich gehe ins Bad und putze mir die Zähne, ehe ich in mein Zimmer gehe.

„Gute Nacht Eve!“ ruft mir Jen zu als ich meine Tür schon fast geschlossen habe.

Zur Nacht nehme ich 2 meiner Wundertabletten und schlafe wirklich fast 4 Stunden am Stück, den Rest der Nacht suche ich nach einer Position in der ich es aushalten kann.

Ich glaube morgen Nacht schlafe ich im Sitzen…

Ich brauche statt meiner normalen 20 Minuten am Morgen tatsächlich fast 1 Stunde, ehe ich bereit fürs Büro bin.

Ich fahre an der Reinigung vorbei und hole Mr. Lawson seine Anzüge und meine Kostüme ab, die ich am Donnerstag weg gebracht habe.

Mr. Stone, der Inhaber, öffnet die Hintertür für mich jeden Montag um 7: 30 Uhr, damit ich pünktlich im Büro sein kann.

„Danke Mr. Stone.“ Ich lade die Sachen umständlich in meinen Kofferraum, da ich ja nur einen Arm wirklich gebrauchen kann und winke ihm dann kurz zu.

Im Büro begrüßt mich Olivia und wir stimmen kurz ein paar Termine ab.

Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und schließe meine Geräte an, damit sie sich updaten können. Doch nichts passiert und ich sehe sie ungläubig an.

’Du hast sie kaputt gemacht.’ stöhnt meine innere Stimme.

Ach Guten Morgen, du bist ja auch schon da…

Wie soll ich bitte gleich alle drei Geräte kaputt gemacht haben?

Die schwere Holztür des Büros fällt in den Rahmen und ich zucke zusammen, noch immer starre ich meine Geräte an, schließlich nehme ich mein I-Pad zur Hand.

„Guten Morgen Mr. Lawson…“ ich sehe ihn sein verwirrtes Gesicht „Sie haben in einer Stunde einen Termin mit Jason Hitch, ich werde anwesend sein und ihren dann wie immer das Dossier mailen. Alle anderen Termine finden sie auf ihrem Computer.“ Erkläre ich ihm, während er mich immer noch strafend mustert. „Der Datentransfer funktioniert heute Morgen nicht.“ Füge ich hinzu und sehe wieder auf meinen Bildschirm.

Als ich aufsehe, erwarte ich ihn an seinem Schreibtisch zu sehen, stattdessen steht er vor meinem. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und seine Augen sprühen förmlich Blitze.

„Miss Thornton. Was machen sie hier?“ fragt er mit zusammen gepressten Lippen und ich erschaudere.

’Arbeiten! Was sonst? Geht es nicht noch eine Spur kühler? Ich hole gleich meinen Mantel aus dem Schrank!’ faucht meine innere Stimme.

Hmm, der Teufel mag es kalt… Komische Erkentniss.

„Arbeiten Mr. Lawson.“ Erwidere ich ungerührt und sehe wieder auf meinen Monitor.

„Sie sollen sich ausruhen und sich schonen.“ Er stützt seine Arme auf meinem Schreibtisch ab und ich sehe auf. Ich sehe ihm direkt in seiner dunkelbraunen Augen und ein Schauer läuft mir über den Rücken, aber ausnahmsweise mal ein angenehmer und ich schlucke schwer.

„Ich kann mir den Verdienstausfall nicht leisten.“ Erwidere ich lapidar und nehme mir die Akte zur Hand, die neben meinem Laptop liegt.

Er denkt wohl einen Moment über meine Aussage nach, dann dreht er sich abrupt um und geht schnellen Schrittes zu seinem Schreibtisch.

„Gut, ich leite den Transfer ein. Koordinieren sie Termine für heute Nachmittag neu. Hastings hat sich für Freitag anstatt heute angemeldet.“ Er setze sich und Augenblicke später startet der Datenaustausch.

 

Mr. Hitch wartet in Konferenzraum 2

Olivia

 

Erscheint eine Nachricht auf meinem Bildschirm und reißt mich aus den Jahresberichten des letzten Jahres.

„Mr. Hitch erwartet sie.“ Ich nehme mein I-Pad und Mr. Lawson erhebt sich ebenfalls.

Ich begrüße Mr. Hitch freundlich und setze mich dann wie immer ein wenig abseits um das Gespräch zu verfolgen. Das Gespräch zieht sich in die Länge und ich rutsche unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Ich muss meine Wunderpillen nehmen, egal wie gut die Verbände sitzen, es tut trotz alledem weh.

„Vielen Dank Mr. Hitch, sie werden von uns hören.“ Verabschiedet Mr. Lawson endlich 2 Stunden später den Kunden und ich gehe an ihm vorbei ins Büro. Ich nehme meine Tasche und spüle mit einem erleichterten Seufzen meine Tabletten mit Wasser hinunter.

Lawson betrachtet mich einen Moment nachdenklich, dann setzt er sein Pokerface auf und begibt sich an seinen Schreibtisch.

 

Der 11 Uhr Termin ist in Konferenzraum 1

Olivia

 

Ich atme tief durch und sehe in den Terminkalender, man die sind heute aber auch alle pünktlich...

„Mrs. Graston und der Vorstand von Ketech erwarten sie in Konferenzraum 1.“ Ich überspiele meine Aufzeichnungen auf meinen Laptop und stehe dann wieder auf.

Kurz verziehe ich schmerzhaft das Gesicht und schließe meine Augen einen Augenblick.

’Das nächste Mal breche dir lieber was, das kann auch nicht mehr weh tun!’ schimpft meine innere Stimme, die augenscheinlich nicht mehr eingeschnappt ist, weil ich entgegen ihrem Rat heute Morgen zur Arbeit gegangen bin.

Ich atme tief durch und trete in den Sekretärinnenbereich, sofort ertönt das Klack, Klack meiner Schuhe und ringe mich zu einem lächeln durch.

„Danke Olivia.“ Ich nicke in ihre Richtung.

Eine Hand legt sich auf meinen Rücken, ich zucke leicht zusammen „Wenn sie Schmerzen haben, dann gehen sie bitte ins Büro. Ich brauche sie nicht das ganze Gespräch über.“ Sagt Lawson leise und gefährlich nah an meinem Ohr. Ich schlucke schwer und spüre die Wärme die von seiner Hand ausgeht.

„Haben sie mich verstanden?“ fragt er und es ist das erste Mal, das er mit seiner ruhigen und warmen Stimme, die sonst nur Juls vorbehalten ist, spricht.

Ich drehe mich um und sehe ihn erstaunt an.

„Haben sie mich verstanden Miss Thornton?“ er sieht mich durchdringend an. Dieses Mal aber nicht mit seinem eisigen Blick, vielmehr ist da Sorge in seinem Blick und das verwirrt mich mehr, als ich jemals zugeben würde.

„Ja Sir.“ Sage ich leise, weiche seinem Blick aus und wir betreten den Konferenzraum.

Der Rest des Tages verläuft ruhig und ich schaffe es meine Schmerzen mit den Tabletten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und meine Arbeit wie gewohnt zu erledigen.

Schon am nächsten Tag hat mich der ganz normale Arbeitswahnsinn wieder und alles läuft wie gewohnt...

Damian Lawson überwacht mich in den nächsten Wochen mit Argusaugen und endlich Anfang September werde ich die Bandagen endgültig los.

Ich bin endlich wieder in der Lage mich frei zu bewegen und kann gar nichts ausdrücken, was für ein tolles Gefühl das ist.

Es ist kurz vor Feierabend am Donnerstag und ich bin fast fertig, als er sich vor meinen Schreibtisch stellt.

„Miss Thornton, sie werden mich morgen nach Rush begleiten.“ Erklärt er mir und ich sehe ihn erstaunt an.

„Nach Rush?“ frage ich nach.

„Ja Miss Thornton. In Rush ist ein ausgezeichnete Grafikagentur, ich möchte sie für unsere Firma gewinnen.“ Er zieht sich sein Jackett über und ich starre auf meinen Bildschirm.

’Frag ihn, ob er das nicht alleine kann!’ schreit meine innere Stimme panisch.

„Sicher.“ Antworte ich fahrig.

’Du kannst da nicht hin!’ meine innere Stimme überschlägt sich nun fast.

„Ist alles in Ordnung Miss Thornton?“ Damian Lawson sieht mich prüfend an.

Ich sehe auf und hoffe inständig, dass er die Angst und die Panik in meinem Gesicht nicht sieht.

„Alles in Ordnung.“ Ich setzte mein geschäftsmäßiges lächeln auf und er geht hinaus.

„Morgen um 8 Uhr an meinem Wagen, kümmern sie sich um die Verlegung der anderen Termine für morgen.“ Ruft er mir noch zu und ich seufze tief.

Ich öffne das Dokument und schließe beim Namen der Grafikagentur und dem Gesprächspartner gequält meine Augen.

Joshua Callahan von Greyson Graphics…

Warum will Lawson ausgerechnet die haben?

Und warum ist Rush nur so verdammt klein?

Ich bin Joshua Callahan zusammen zur Schule gegangen, er war mit Landon, meinem großen Bruder, in einer Klasse. Wir hatten sogar eine kurze Zeit Kontakt, als er hier in Dublin studiert hat und ich bei Jack & O’Flannery angestellt war. Die haben lange mit Greyson Graphics zusammen gearbeitet und Joshua wurde noch von der Uni aus eingestellt. Zum einen mag das daran liegen, das er wirklich ein guter Grafiker ist, zum anderen wohl auch daran, dass sein Vater ein enger Freund von Daniel Greyson ist. Wie ich hier lesen kann ist Joshua mittlerweile Juniorpartner.

Wow, wer hätte das gedacht?

Ich habe ihn kurz gesehen, als ich das letzte Jahr in Rush verbracht habe, aber wir haben uns nie wirklich unterhalten.

Ich hatte einfach andere Sachen im Kopf.

’Ich vermisse Dich Mummy!’ schluchzt meine innere Stimme, während ich versuche nicht in Tränen auszubrechen.

Ich brauche fast 2 Stunden, bis ich alle seine Termine für den nächsten Tag so verlegt habe, dass es wieder passt. Solche Spontanaktionen kann er unterlassen, es sei denn, er kümmert sich selbst um seinen Terminkalender.

Ich bin durcheinander und müde, als ich die Wohnungstür aufschließe und Jen sitzt über Akten am Küchentisch, sie hat tatsächlich das begehrte Praktikum bei Milestone bekommen und blüht richtig auf.

Es ist schön zu sehen, dass sie ihre Ziele erreicht.

„Hey Eve…“ sie sieht auf und betrachtet mich einen Moment zu lange für meinen Geschmack. „Was ist los? Du siehst furchtbar aus.“ Sie steht auf und kommt zu mir.

„Ich fahre morgen mit Lawson nach Rush.“ Sage ich leise und sie legt ihren Kopf schief.

„Was will Lawson in Rush?“ sie kommt hinter mir her ins Wohnzimmer und wir setzen uns auf die Couch.

„Er will Greyson Graphics dazu bewegen für Lawson Industries zu arbeiten.“ Ich ziehe meine Beine an und umschlinge sie mit meinen Armen.

„Kennst du die Firma?“ sie legt ihre Hand auf meinen Arm.

„Ja, nicht nur das, Joshua Callahan, der Juniorchef…“ ich seufze leise „Ich bin mit ihm zusammen zur Schule gegangen, er war in Landons Jahrgang. Ich will da nicht hin. Ich weiß nicht, wie viel er weiß.“ Gestehe ich.

„Das kann ich dir auch nicht sagen, weil ich nicht einmal alles weiß.“ Sie sieht mich bittend an.

’Sag es ihr endlich…’ bittet mich meine innere Stimme erschöpft.

Ich sehe Jen an und sie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

Was habe ich schon zu verlieren?

Ich atme tief durch und sehe sie an „Jen, meine Mum ist nicht an Krebs gestorben…“ ich zucke entschuldigend mit den Schultern.

Das habe ich allen gesagt, als ich wieder hierher nach Dublin kam, aber es stimmt nicht. Aber mit der Wahrheit wollte ich einfach niemanden belasten…

„Sie ist an ALS, Amyotrophe Lateralsklerose gestorben. Das ist eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Nach und nach werden alle Muskeln gelähmt, sie konnte von einen auf den anderen Tag nicht mehr laufen, dann nicht mehr sprechen, dann nicht mehr schlucken…“ ich wische mir fahrig über die Augen „Landon kam damit nicht klar, er konnte ihr nicht beim Sterben zu sehen. Er ging einfach…“ ich sehe sie an und ihr stehen Tränen in den Augen „Um die Pflege und die neuen Behandlungsmethoden zu bezahlen musste ich mir ihre Lebensversicherung auszahlen lassen, deshalb war nicht genug Geld da, um alles zu bezahlen. Es hat alles nichts geholfen…“ ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel „Ich habe versucht es ihr so angenehm wie möglich zu machen, aber es wurde immer schwerer. Sie starb in meinen Armen, so wie sie es sich gewünscht hat. Ich hielt sie fest als sie ihren letzten schmerzhaften Atemzug machte.“ Noch eine Lüge die ich aufdecke…

„Oh Eve.“ Jen zieht mich geschockt in ihre Arme.

„ALS ist eine Erbkrankheit.“ Sage ich leise und sie lässt mich los.

„Du hast diese Krankheit?“ nun laufen auch ihr Tränen übers Gesicht.

„Ich weiß es nicht, Landon und ich müssten uns testen lassen.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.

„Warum hast du es noch nicht gemacht?“ sie sieht mich fassungslos an.

„Ich habe Angst, unheimliche Angst.“ Gestehe ich flüsternd. „Mein wichtigstes Ziel ist es all die Rechnungen zu bezahlen. Der Pflegedienst bekommt noch so viel, nicht einmal die Beerdigung ist abgezahlt…“ ich sehe sie entschuldigend an „Deswegen konnte ich nicht weiter auf die Business School gehen und habe bei Lawson angefangen. Ich muss erst einmal das alles hin bekommen. Ich weiß nicht, ob ich diese unheilbare Krankheit habe und ich will es im Moment auch nicht wissen.“

„Aber Eve…“ Jen zieht mich wieder in ihre Arme.

„Nein Jen, vielleicht will ich es irgendwann wissen. Aber nicht jetzt. Ich will allen das Geld geben, was ihnen zu steht und ich will leben. Lass mich einfach so weiter leben.“ Bitte ich sie.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ sie sieht mich ängstlich an.

„Genau deswegen habe ich es nicht erzählt. Bitte Jen, tue mir das nicht an.“ Ich sehe sie verzweifelt an. „Bitte, bitte nicht.“

„Oh Eve.“ Schluchzt sie.

Es tut gut, endlich jemandem alles zu erzählen…

Es befreit mich und ich atme tief durch, dennoch mit meinem Geständnis kommt jetzt etwas anderes auf mich zu. Jen wird mich mit Argusaugen bewachen wollen, ich kenne sie einfach viel zu gut.

„Lass mich leben.“ Bitte ich sie inständig.

„Ich bin da, ich hoffe, das weißt du.“ Sie liegt mit ihrem Kopf in meinem Schoß und ich fahre ihr durch ihre langen blonden Haare.

„Ja, Jen.“ Ich sehe sie dankbar an.

„Danke Eve.“ Sie nimmt meine Hand und haucht einen Kuss in meine Handinnenfläche.

„Ich danke dir.“ Ich beuge mich zu ihr runter und küsse ihre Stirn.

Wir liegen eine Weile einfach so da und jeder hängt seinen Gedanken nach, ich gebe zu, es ist viel was ihr als meine beste Freundin zumute, aber ich kann dieses Geheimnis einfach nicht länger mit mir herum tragen.

Sie drückt mich viel zu fest und viel zu lange an sich, als ich mich ins Bett verabschiede und ich streiche ihr beruhigend über den Rücken.

„Ich hab’ dich lieb.“ Flüstere ich ihr ins Ohr.

„Ich dich auch.“ Sie streicht mir eine Strähne hinters Oh rund ich gehe zu Bett.

Am nächsten Morgen bin ich unruhig und viel zu früh am Büro. Paul entdeckt mich und ich steige schon mal ein, während wir auf Lawson warten.

„Geht es ihnen gut Miss Eve?“ er sieht mich besorgt an.

„Ja, die Nacht war nur mal wieder viel zu kurz.“ Ich winke ab und sehe auf die Uhrzeit, schon 10 Minuten nach 8. Wir fahren noch eine dreiviertel Stunde, dabei ist der Stadtverkehr in Dublin aber nicht mit gerechnet.

Ich schüttele den Kopf und schreibe Lawson eine E-Mail, er kann nicht von mir verlangen immer überpünktlich zu sein und selber hält er sich nicht daran.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Verspätung

 

Ich sitze bereits im Wagen und warte auf sie, Mr. Callahan erwartet uns in 1 Stunde. Wollen sie zu spät kommen?

Everly Thornton

 

Ich gehe auf senden und atme mit einem Blick auf meine Uhr tief durch.

Das kleine Briefsymbol erscheint auf den Display und ich klicke es an.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Verspätung

 

Ich teile ihnen hiermit noch einmal höflich mit, ihren Umgangston zu überdenken, Ich bin keiner ihrer Freunde mit denen sie so reden können. Ich bin noch in einer Besprechung und werde in 10 Minuten da sein. Wir fliegen vom Landeplatz am Yachthafen mit dem Hubschrauber nach Rush.

Damian Lawson

 

Ich schnaube und lehne mich zurück.

„Wussten sie, das wir mit dem Hubschrauber fliegen?“ ich sehe zu Paul und er nickt leicht.

„Ja, ein Wagen wurde heute Morgen nach Rush bestellt.“ Teilt er mir mit.

„Danke.“ Ich nehme mein I-Pad und schaue nach, in welcher Besprechung Lawson ist, aber ich finde keinen Eintrag.

’Sonst weißt du sogar welche Unterhose er trägt.’ spottet meine innere Stimme.

„Weiß ich nicht.“ Murmele ich vor mich hin, als die Tür geöffnet wird und Lawson einsteigt.

„Miss Thornton.“ Er nickt mir zu und sieht dann zu Paul „Zum Yachthafen.“ Weist er ihn an und wir setzen uns in Bewegung.

Ich bekomme eine kurze Einweisung für den Helikopter und dann sitze ich auch schon das erste Mal in meinem Leben in einem solchen Gerät. Es ist laut, viel lauter als ich erwartet habe und ich bin froh, das wir diese Ohrschützer tragen.

„Sind sie bereit Mr. Lawson?“ fragt der Pilot und es dröhnt in meinen Kopfhörern.

„Ja Mr. Andrews.“ Antwortet dieser und wir heben ab.

Der Flug ist ruhig und ich sehe aus dem Fenster, ich kann nicht verhindern, dass sich mein Magen verkrampft, je näher wie Rush kommen. Seit der Beerdigung war ich nicht mehr da und ich gestehe, ich habe Angst wieder an den Ort zurück zu kehren, an dem ich aufgewachsen bin und an dem meine Mum gestorben ist.

Wir landen nur 10 Minuten später und ich steige mit wackligen Knien aus.

Uns empfängt ein Wagen und wir fahren durch die Straßen von Rush.

Ich entdecke mein Elternhaus und mein Herz schlägt dröhnend in meiner Brust. Ich hätte das Haus gerne behalten, denn so viele schöne Erinnerungen stecken darin, aber es ging einfach nicht.

Ich konnte es mir schlichtweg nicht leisten.

Es sieht gepflegt aus, die Familie die jetzt darin wohnt scheint sich gut darum zu kümmern.

Tränen sammeln sich in meinen Augen.

Noch vor ein paar Jahren war es meine Familie…

Jetzt sind nur noch Landon und ich übrig und Landon kapselt sich völlig von mir ab.

Er fehlt mir, mein großer Bruder fehlt mir so sehr…

Er ist doch alles was ich noch habe.

Er ist meine Familie…

Ich betrachte nachdenklich das weiße Haus mit dem Reetdach, den Kletterrosen neben der Haustür und der kleinen roten Lampe darüber.

In diesem Haus bin ich geboren, ich habe auf diesem Grundstück dort laufen, Fahrradfahren und Auto fahren gelernt. Ich habe mich mit Landon geprügelt und wir haben uns vor unseren Eltern auf dem Dachboden versteckt.

Mein Dad ist in diesem Haus vor drei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben und meine Mum in meinen Armen vor einem halben Jahr…

Das ist so unwirklich und es schmerzt.

Wir fahren weiten, da die Ampel auf grün springt und ich zwinge mich nicht weiter darüber nachzudenken.

„Wir sind da.“ Sagt der Fahrer und Lawson sieht mich an.

Ich wische mir kurz über die Augen und steige schnell aus.

Wir betreten ein kleines Bürogebäude in der Innenstadt und gehen in den ersten Stock.

An der Anmeldung sitzt eine junge Frau, als sie aufsieht erkenne ich sie und sie sieht mich erstaunt an. Ich sehe auf ihr Namensschild.

Cathlyn Callahan

Sie hat sich also Joshua geschnappt, leicht lächle ich. Ich bin mit Cathlyn in einer Klasse gewesen. Ich habe sie seit unserem Abschluss vor 10 Jahren nicht gesehen.

„Mr. Lawson.“ Sage ich an sie gewandt.

„Ich sage Mr. Callahan eben Bescheid.“ Sie steht auf und ich sehe ihr nachdenklich hinterher.

Was wäre wohl aus mir geworden, wenn ich hier geblieben wäre?

’Nicht das, was du heute bist.’ antwortet meine innere Stimme geistreich und ich schüttele leicht meinen Kopf.

Was bin ich denn?

Was habe ich vorzuweisen?

„Mr. Lawson, kommen sie rein.“ Joshua kommt aus einem der Büros und reicht ihm die Hand.

„Darf ich ihnen meine Assistentin Miss…“ er deutet auf mich.

„Eve?“ Joshua sieht mich erstaunt an.

„Hallo Josh.“ Sage ich leise und er nimmt mich in den Arm.

„Wie geht es dir? Ich habe dich seit der Beerdigung deiner Mum nicht mehr gesehen. Ich wollte mit dir reden, aber da war das Haus schon verkauft.“ Er lässt mich los und betrachtet mich.

„Es geht mir gut, danke Josh.“ Ich entwinde mich seiner Umarmung. „Mr. Lawson hat Greyson Graphics ein Angebot zu unterbreiten.“ Lenke ich Joshs Aufmerksamkeit wieder auf Damian Lawson.

„Natürlich kommen sie rein.“ Er deutet uns an ihm in einen kleinen Besprechungsraum zu folgen.

Die Beiden führen eine wirklich knallharte Verhandlung und einigen sich nach drei Stunden darauf, dass sie sich nicht einig sind. Josh will alles mit Mr. Greyson besprechen und einfach noch etwas Bedenkzeit. Da ich Damian Lawson mittlerweile ziemlich gut kenne, weiß ich, dass ihm das nicht leicht fällt. Aber schließlich stimmt er zähneknirschend zu.

Joshua bringt uns wieder zur Tür.

„Wann bist du mal wieder hier?“ er sieht mich fragend an, als er mich zum Abschied in den Arm nimmt.

„Ich weiß nicht.“ Antworte ich ausweichend. „Mich verbindet nichts mehr mit Rush.“

„Das mit deiner Mum tut mir so unendlich leid…“ er nimmt mich erneut in den Arm und drückt mich an sich „…Ich wollte es euch schon nach der Beerdigung sagen, aber du warst plötzlich weg und Landon habe ich auch nicht mehr gesehen.“

„Schon gut Josh…“ ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange „… Danke.“

„Und es stimmt nicht…“ ruft er mir hinterher und ich drehe mich fragend zu ihm um „… Du hast Freunde hier Eve, dich wird immer etwas mit Rush verbinden.“

„Danke Josh.“ Ich winke ihm ein letztes Mal zu, folge Lawson zum Wagen und wir werden zum Hubschrauber zurück gebracht.

„Alles in Ordnung?“ Damian Lawson sieht mich an und ich nicke fahrig.

„Ja, können wir jetzt nach Dublin zurück?“ ich erwidere seinen Blick und sehe dann schnell wieder aus dem Fenster.

„Aber sicher.“ Wir halten beim Hubschrauber und bekommen, kaum das wir in diesem sitzen, die Kopfhörer aufgesetzt.

Wir schweigen den kompletten Rückflug und auf dem, Weg zurück ins Büro.

„ich komme gleich nach.“ Lawson durchquert die Lobby entgegengesetzt zu unserem normalen Weg und ich fahre alleine hoch ins Büro.

Es ist nur eine Sekretärin da und ich nicke ihr kurz zu. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und bemerke wie sehr meine Hände noch immer zittern. Schließlich hebe ich den Hörer des Telefons an meinem Schriebtisch ab und wähle Landons Nummer. Nach dem vierten Klingeln springt seine Mailbox an und ich atme tief durch.

„Bitte Landon melde dich. Ich vermisse dich so sehr. Gott, ich brauche dich. Bitte Landon, egal was passiert ist, ich liebe dich…“ ich lege auf und wische mir über die Augen.

„Ich mag es nicht, wenn man Privatgespräche von diesem Apparat führt.“ Lawson steht vor meinem Schreibtisch und sieht mich drohend an.

„Und ich mag es nicht, wenn sie so mit mir reden.“ Erwidere ich gereizt und kann nicht verhindern, dass mir eine Träne über die Wange läuft.

Er sieht mich erschrocken an, aber sagt dann nichts.

Am Freitag als die Männer der Hastings Group kommen bin ich dankbar, das Juls früher Schulschluss hat und ich mit ihr beschäftigt bin.

„Ich verabschiede mich mit Juliette, alle Unterlagen finden sie auf ihrem Schreibtisch.“ Ich sehe zu Lawson und er nickt mir zu, ehe er Juls zu winkt und wir uns von Paul in die Innenstadt bringen lassen.

„Du wirkst so abwesend.“ Juls sieht mich von der Seite an, als wir in einem Café sitzen.

„Alles gut.“ winke ich ab und lächle sie an.

„Mein Bruder?“ fragt sie vorsichtig.

„Nein, nein…“ ich verziehe das Gesicht „Alles beim Alten.“

„Also ist er immer noch das Arschloch.“ Sie nimmt an ihrem Cappuccino und ich lache leise.

„So etwas, würde ich nie über meinen Chef sagen.“ Gebe ich zweideutig zurück.

„Du nicht, aber dafür hast du ja mich.“ Kichert sie. „Weißt du, eigentlich ist er nicht so. Damian ist ein super toller großer Bruder und ich fass’ es manchmal nicht, wie der Geschäfts - Damian drauf ist.“ Sie sieht mich mit großen Augen an. „Glaub mir, er ist nicht immer so.“

„Ich kenne nur den Geschäfts – Damian.“ Erkläre ich ihr „Aber das ist in Ordnung, er ist mein Chef.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Willst du eigentlich immer für ihn arbeiten?“ sie legt ihren Kopf schief und ihr Gesichtsaudruck erinnert mich an eine jüngere Ausgabe von Jen.

„Wahrscheinlich nicht.“ Gebe ich zu.

„Ach so.“ sie wirkt enttäuscht und ich tätschele ihre Hand „Das heißt ja dann nicht, das wir uns nie wieder sehen.“ Ich zwinkere ihr zu.

Ich bringe Juls um 18 Uhr wieder ins Büro und die Abgesandten von Hastings sind glücklicher Weise schon weg. Ich brauche nur an James Sandfort denken, schon bekomme ich eine Gänsehaut.

Lawson sitzt an seinem Schreibtisch als wir rein kommen und sieht nur kurz auf.

„Ich bin in 5 Minuten fertig Julie.“ Erklärt er ihr.

„Ich gehe dann jetzt nach Hause. Bis Montag.“ Ich nehme meine Tasche und verstaue mein I-Pad und Laptop darin.

„Ja, vielen Dank Miss Thornton.“ Erwidert er, ich winke Juls kurz zu und verlasse dann das Büro.

Im Fahrstuhl fällt mir auf, das ich meinen Mantel vergessen habe, ich stelle meine Tasche neben den Fahrstuhl und eile zurück.

„Warum bist du so gemein zu Eve?“ höre ich Juls fragen.

„Ich bin nicht gemein zu ihr…“ Damian Lawson stöhnt auf „… Ich bin ihr Chef und sie ist meine Assistentin. Im Geschäftsleben geht es nun einmal hart zu.“

„Damian…“ ich höre wie sie sich auf seinen Schreibtisch setzt „… Eve ist nicht wie Emilia, Emilia war nett aber steif…“ sie lacht leise „Eve ist nicht nur nett, sie ist witzig, sie ist wahnsinnig klug und sie sieht mich nicht als Anhängsel von Chef an. Sie ist für diesen Job nicht gemacht…“ jetzt seufzt sie „…Wenn du nicht aufpasst, das ist sie nicht lange bei dir.“

„Dann suche ich mir eine neue Assistentin.“ Lawsons Stimme klingt weich.

„Du wirst niemals wieder eine finden, die ist wie sie.“ Sagt Juls sicher.

„Oh Julie…“ Lawson steht auf „Ich weiß, du willst immer für alle Menschen das Beste, das ist eine deiner wunderbaren Eigenschaften. Aber ich leite eine Firma, mein Geschäft steht im Vordergrund.“

„Damian, echt jetzt?“ erklingt die gepresste Stimme Juls und ich denke, er drückt sie gerade an sich.

„Ich gebe zu, ich mag sie. Sie ist wirklich außerordentlich klug und sie ist wahnsinnig hübsch…“ ich kann hören, dass er leicht lächelt und mir steigt die Röte ins Gesicht „Aber sie hat ihr Leben weg geschmissen, mit solchen Menschen kann ich nichts anfangen. Außerdem hat sich nicht einmal ihre Beziehung im Griff.“ Fügt er hinzu und es ist, als würde mir jemand in die Magengrube schlagen.

„Du weißt doch gar nicht, warum sie das gemacht hat. Sie hat außerdem keinen Freund.“ Juls klingt resigniert.

„Nein, weil sie es nicht sagt oder zugibt…“ gibt er zu „Aber egal was da vorgefallen ist, niemand der bei Verstand ist lässt sein Stipendium auslaufen und begnügt sich mit einem Job als Assistentin. Sie ist nicht zielstrebig genug, aber so habe ich eine ausgezeichnet ausgebildete Assistentin.“

Ich merke wie meine Atmung sich beschleunigt und ich lehne mich gegen die Wand.

’Er hat dich eingestellt, weil er weiß, dass du mehr auf dem Kasten hast, wie alle anderen…’ meine innere Stimme stöhnt auf ’Er hält dich für schwach und Ziellos… und verdammt Everly, er hat Recht.’ fügt sie missmutig hinzu.

„Er weiß doch gar nicht, wer ich bin.“ Flüstere ich leise und laufe zum Fahrstuhl.

Das dröhnende Klack, Klack, Klack meiner Schuhe hallt mehrfach wieder, es dröhnt regelrecht in meinen Ohren und ich drücke panisch auf den Knopf.

Ich sehe zum Büro und treffe auf den verwirrten Blick von Damian Lawson.

Ich sehe zu Boden und die Fahrstuhltüren öffnen sich endlich und ich steige schnell ein.

„Hey Eve! Ich bin im Wohnzimmer!“ ruft Jen, als ich die Tür bei uns zu Hause aufschließe.

„Hey…“ ich lasse mich neben sie auf die Couch fallen.

„Du siehst Scheiße aus.“ Sie betrachtet mich kurz.

„Danke, wie immer schön nach Hause zu kommen.“ Ich ziehe eine Flunsch.

„Und? Hast du morgen frei?“ fragend zieht sie eine Augenbraue hoch.

„Ja.“ Ich atme tief aus.

„Super, Will und Ray wollen mit uns in die Stadt. Auf dem Dach der Liberty Hall kann man Bungee Jumping machen.“ Ihr lächeln wird immer breiter.

„Echt? Wahnsinn…“ lache ich.

„Komm schon Eve. No Risk, No Fun.“ Sie sieht mich abwartend an.

„Ich glaube, ich habe genug Risk in meinem Leben.“ Ich seufze leicht.

„Eve…“ sie legt ihre Hand auf meinen Unterarm „… Okay, du willst nicht wissen, ob du an einer unheilbaren Erbkrankheit stirbst.“ Sie zuckt leicht mit den Schultern „...das ist zugegebner Maßen ein Risiko, aber das Risiko beim Bungee Jumping ist dagegen minimal.“ Lächelt sie.

Wir haben uns seitdem sie es weiß, noch oft über ALS unterhalten.

Ich weiß, wenn ich diese Krankheit habe, dann wird sie vermutlich zwischen meinem 35. und 40. Lebensjahr, oder eben noch später, ausbrechen.

Ich will es nicht wissen und sie hat Recht…

Ich will doch mein Leben leben, warum nicht mal was Außergewöhnliches machen?

’Spinnst du? Denk an deinen Arbeitsvertrag… Bungee Jumping gehört definitiv zu den riskanten Freizeitaktivitäten.’ ermahnt mich meine innere Stimme.
Seit wann ist sie so vernünftig?

„Warum nicht.“ Sage ich schließlich und Jen nimmt mich in den Arm „Sind ja auch nur 60 Meter.“

„Eben.“ Lacht sie.

„Und jetzt? Essen?“ ich sehe sie an und sie lacht auf.

„Ich dachte schon, du fragst nicht…“ sie steht auf „Hast du Hunger?“ sie zwinkert mir zu und mein Magen knurrt wie auf Kommando.

Ich komme in letzter Zeit nicht wirklich regelmäßig zum Essen und mein Magen ist dankbar für jede Art von Essen, die ich zur Abwechslung mal nicht runter schlingen muss.

„Wie du hörst.“ Gebe ich zurück „Aber erst zieh ich mich schnell um.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und gehe in mein Zimmer.

Ich schlüpfe in bequeme Jogginghose und in ein bauchfreies Top, ehe ich in die Küche gehe.

„Wow, du hast thailändisch gekocht.“ Ich sehe auf die Teller und schaue sie dann anerkennend an.

Wie schon erwähnt, weder Jen noch ich sind besonders herausragende Köchinnen…

„Ja, hoffentlich ist es nicht zu scharf.“ Sie setzt sich und ich tue es ihr gleich.

Wir sehen uns grinsend an und ich probiere eine Gabel voll. Augenblicklich wird mir heiß und mir treten Tränen in die Augen.

„Zu scharf?“ Jen verzieht das Gesicht.

„Ein wenig…“ ich greife nach meinem Wasser und stürze das Glas hinunter.

’Das hilft nicht! Milch!’ schreit meine innere Stimme und ich springe auf.

Im Kühlschrank finde ich zum Glück Milch und nehme einen großen Schluck direkt aus der Packung.

„Was hast du denn da rein gemacht?“ ich sehe atemlos zu Jen und sie zuckt entschuldigend mit den Schultern.

„Im Rezept stand was von einer großen Chilischote, aber da ich nur kleine gefunden habe, habe ich mehrere genommen.“ Sie greift nach ihrer Gabel.

„Tu das nicht.“ Warne ich sie.

„Oh man, ich habe es aber versucht…“ sie zieht eine Flunsch und lässt die Gabel sinken „… Das zählt doch, oder?“

„Ja, aber im Sinne unserer Gesundheit sollten wir das Essen nicht essen. No Risk, No Fun schön und gut, aber das grenzt an Körperverletzung. Komm, wir bestellen uns eine Pizza.“ Ich lege meinen Arm um ihre Schulter.

Eine halbe Stunde später sitzen wir mit einer Familienpizza Hawaii auf der Couch, lachen über ihr Missgeschick und schauen uns einen Film an.

„Sag mal Jen, wie läuft es eigentlich bei Milestone?“ ich angle mir ein weiters Stück, falte es in der Mitte und beiße genüsslich ab.

„Sehr gut, ich habe meine Bewerbung dem Personalleiter gegeben. Bisher hat er noch nichts gesagt.“ Sie zuckt mit den Schultern.

„Die behalten dich… Ganz sicher.“ Ich nicke ihr zu und sie lächelt.

„Deinen Optimismus möchte ich haben.“ Sie verdreht leicht die Augen.

„Ja, bei anderen bin ich groß darin.“ Gebe ich zu. „Mal ganz ehrlich, du arbeitest jetzt seit 3 Monaten da, wir haben Ende Oktober, du hast noch 3 Monate, dein Praktikum läuft doch erst am 31. Januar aus, oder?“

„Ja, aber…“ setzt sie an.

„Jen, du bist toll.“ Ich zwinkere ihr zu „Ich weiß das, du weißt das und Milestone weiß das auch.“

„Hmm.“ Erwidert sie nicht sehr begeistert und ich schubse sie leicht.

„Jedenfalls hält dich niemand bei Milestone für ziellos, rückratlos und unfähig.“ Ich seufze und sie sieht mich fragend an.

„Wer bitte denkt denn so etwas?“ sie schnappt nach Luft.

„Lawson…“ ich nicke leicht „Ich habe durch Zufall ein Gespräch von ihm und Juls mitbekommen. In diesem hat er ihr deutlich klar gemacht, was er von mir hält… aber zumindestens hat er so eine ausgezeichnet ausgebildete Assistentin.“ Zitiere ich ihn und Jen sieht mich fassungslos an.

„Wenn du alles bezahlt hast, dann haust du sofort von ihm ab.“ Bestimmt sie und ich nicke zustimmend.

„Ja, lieber heute als morgen.“

Im Fernsehen beginnt die neuste Folge von CSI und wir essen gemütlich unsere Pizza weiter.

Ich will jetzt nicht mehr an Damian Lawson und seine verletzenden Worte denken…

„Eve? Süße?“ Jen dreht sich nach der Folge zu mir um und ich sehe sie abwartend an.

Wenn sie schon so anfängt, dann kommt nichts Gutes dabei raus.

„Was Jen?“ frage ich leise.

„Hast du was von Landon gehört?“ sie nimmt meine Hände in ihre.

„Nein…“ ich schlucke schwer „Seit er letztes Jahr von Mum weg gelaufen ist, habe ich nicht mit ihm gesprochen. Er war auf der Beerdigung, aber anschließend war er genauso schnell wieder weg. Ich rufe ihn mindestens einmal die Woche an… aber nichts.“

„Weißt du wo er ist?“ sie zieht mich zu sich.

„Nein, ich hoffe er ist bei Hailey in Belfast. An die Festnetznummer geht aber auch keiner ran.“ Ich atme tief aus.

„Wie lange sind die Beiden zusammen?“ Jen sieht mich an und ich lächle leicht.

„Seit Landon 18 war, also 13 Jahre jetzt.“ Erkläre ich ihr.

„Er meldet sich bestimmt.“ Macht sie mir Mut.

„Ich hoffe doch.“ Ich versuche zu lächeln.

Vielleicht braucht Landon einfach nur Zeit…

Ich kann nur warten und hoffen.

Nach einem Film, zu dem wir uns noch eine Flasche süßen Rotwein gönnen, gehen wir ins Bett.

Jen ist am nächsten Morgen, entgegen ihrer eigentlichen Art früh wach und macht Frühstück für uns.

Ziemlich verschlafen setze ich mich in meiner Schlafanzughose und einem Top zu ihr.

„Guten Morgen Sonnenschein!“ grinst sie und ich kann nicht anders, als wie es zu erwidern.

Es ist viel zu lange her, das wir einen Samstag so in Ruhe und so entspannt gestartet haben. Wir reden über belangloses Zeug, lachen und genießen den Augenblick.

„Keine Arbeit dieses Wochenende.“ Sie hält ihre Hand hoch und ich schlage ein.

„Nein, nur du, Will, Ray und ich!“ beschließe ich feierlich und hebe meine Hand zum Schwur.

Kaum denkt man an die Beiden, da klingelt es auch schon.

„Ich geh…“ ich springe auf und öffne die Tür.

„Eve!“ Ray drückt mich fest an sich.

Wir waren seit Monaten, genauer gesagt seit unserem Konzertbesuch vor fast 3 Monaten, nicht mehr zusammen aus und ich vermisse die Beiden.

„Es ist schön dich zu sehen.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Will!“ ich grinse diesen ebenfalls an und Ray umarmt Jen, während ich Will an mich drücke.

„Seid ihr startklar?“ Ray klatscht in die Hände.

„Gebt uns 10 Minuten, in der Küche steht der Rest vom Frühstück.“ Ruft Jen ihnen zu und zieht mich in ihr Zimmer.

„Es gibt da was, was ich dir sagen muss…“ sie kaut auf ihrer Unterlippe.

„Was genau?“ ich neige meinen Kopf leicht zur Seite.

„Na ja, ich war ja ein paar Mal allein mit Ray und Will aus, weil du ja beschäftigt warst…“ druckst sie herum.

„Was genau wird das?“ lächle ich.

„Ich mag Ray, ich mag ihn sogar sehr und ich wollte fragen, ob das für dich in Ordnung ist.“ Sie sieht mich fragend an.

„Du und Ray?“ ich sehe sie erstaunt an.

„Nein, es gibt noch kein Ray und mich…“ sie winkt ab „Ich will wissen, ob es Okay für dich ist, ehe ich mich da in was rein stürze.“

„Aber sicher…“ lache ich „Du bist meine beste Freundin und ich weiß, das Ray toll ist.“

„Danke, ich dachte nur weil ihr Beide…“ setzte sie an.

„Jen, das ist fast 3 Jahre her, Ray und ich sind Freunde.“ Ich nehme sie in den Arm „Schnapp ihn dir.“ Flüstere ich ihr zu und laufe dann in mein Zimmer.

Es ist Ende Oktober, heute haben wir einen wunderschönen Herbsttag…

Strahlend blauer Himmel, klare Luft…

Was will ich mehr?

’Ich will, dass du den Quatsch mit dem Bungee Jumping vergisst!’ faucht meine innere Stimme und ich verdrehe meine Augen.

Guten Morgen auch…

Nein, ich werde springen!

Ich schlüpfe in eine enge, dunkelblaue Jeans, in meine Lieblingssneakers, einen dünnen Pulli und eine dickere Strickjacke, denn egal wie schön es draußen aussieht, es ist kalt…

„Fertig!“ ich laufe in die Küche und die Jungs klatschen begeistert.

„Haben deine Haare heute schon mal so etwas wie eine Bürste gesehen?“ Ray zieht eine Augenbraue hoch.

„2 Minuten.“ Rufe ich ihnen zu und laufe ins Bad, wo ich auf Jen treffe.

„Bürste und Haargummi.“ Ich halte meine Hand auf, da sie vor dem Spiegel steht.

„Wann hast du deinen nächsten Termin bei Keville Hair?“ sie sieht mich fragend an und reicht mir die gewünschten Utensilien.

„Nächste Woche. Warum?“ ich bürste meine Haare durch und binde mir einen hohen Pferdeschwanz.

„Dein Ansatz ist schon wieder ganz schön hell. Ich will auch einen Chef, der mir jeden Monat einen Friseurbesuch sponsert.“ Sie zieht eine Flunsch.

„Komm her.“ Ich nehme ihr ihre Bürste aus der Hand und mache ihr einen Bauernzopf.

„Und?“ frage ich sie und die drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke.“ Sie geht vor mir aus dem Bad und im Flur halten uns Will und Ray unsere Jacken entgegen.

„Ich fahre.“ Sagt Will gönnerhaft und wir machen uns gut gelaunt auf den Weg.

Will hat tatsächlich einen Parkplatz fast direkt vor unserer Haustür ergattert und wir besteigen seinen Geländewagen. Auf dem Weg zur Liberty Hall reden Jen und wie aufgezogen und Ray und Will bekommen kaum noch Luft vor lachen.

„Euch zu zuhören ist besser wie jede Talkshow.“ Ray wischt sich die Lachtränen aus den Augen. „Dieser Lawson muss echt Courage haben sich mit dir anzulegen.“ Er zwinkert mir zu.

„Hey, ich mache das nur wegen dem Geld.“ Erwidere ich und recke meinen Kopf in die Höhe „Wenn ich das durch gezogen habe, dann suche ich mir einen Job der nicht der Sklavenhaltung gleich kommt.“

’Gesteh dir endlich ein, dass du es nicht nur wegen dem Geld machst.’ Seufzt meine innere Stimme.

„Ach Psst.“ Ich schüttele meinen Kopf worauf hin mich Ray und Jen verwirrt ansehen.

„Innere Meinungsverschiedenheit.“ Ich zucke mit den Schultern und Jen lacht los.

Die Innenstadt ist, wie nicht anders zu erwarten, zu geparkt, aber Will scheint heute das Glück auf seiner Seite zu haben und findet einen Parkplatz nur eine Straße von unserem Ziel entfernt.

Zu Fuß machen wir uns das letzte Stück auf den Weg.

„Was ist denn hier los?“ Jen sieht zu mir. Auf dem Parkplatz des Gebäudes stehen unzählige schwarze Limousinen und Anzugträger und Frauen in feinen Kostümen betreten das Gebäude.

Angestrengt denke ich nach.

„Keine Ahnung, bei Lawson stand nichts im Planer.“ Ich zucke mit den Schultern und wir steuern eine kleine Gruppe neben einem provisorischen Containerlager an.

„Hallo, seid ihr die Leute für das Bungee Jumping?“ Ray sieht sie fragend an und sie nicken.

„Ja, die sind wir. Wollt ihr springen?“ ein junger Mann mit einem ziemlich haarsträubenden Akzent sieht uns freundlich an.

„Also ich ja.“ Ray hebt die Hand und sieht in die Runde.

„Ich auch.“ Ich hebe ebenfalls meine Hand.

„Ich weiß noch nicht…“ Jen sieht hoch und ich runzele meine Stirn.

’Wollte sie nicht gestern noch unbedingt?’ meine innere Stimme ist verwirrt und ich zugegebener Maßen auch.

„Einzel oder Tandem?“ der junge Mann sieht zu mir.

„Einzel.“ Sage ich sicher und sehe nun auch nach oben.

„Wenn du Angst hast, dann springe doch mit mir im Tandem.“ Bietet Ray Jen an und ich lache leise.

’Ziel erreicht, Mission abgeschlossen.’ kichert meine innere Stimme und ich sehe zu Jen, die mich anstrahlt.

Ich hatte ja keine Ahnung, wie durchtrieben sie ist…

„So dann kommt mal mit.“ der junge Mann winkt uns zu sich „Ich bin Mads, ich werde euch jetzt alles erklären und euch mit den Sicherheitsbestimmungen vertraut machen.“

„Na dann.“ Ray reibt sich die Hände und strahlt in die Runde „Wir sind Ray, Jen und Eve und der Drückeberger da ist Will.“ Er deutet auf Will und dieser winkt ab.

„Ich habe echt Höhenangst, ich schau mir das lieber von hier unten an.“

Dennoch stellt er sich zu uns und wir hören uns die Sicherheitsbestimmungen mehr oder weniger interessiert an.

Eine halbe Stunde später wird mir das Geschirr angelegt und mein Herz rast vor Aufregung in meiner Brust.

’Mach das nicht!’ bittet mich meine innere Stimme eindringlich.

Ich bin nicht auf dieser Welt, um so zu sein, wie andere mich gerne hätten und schon gar nicht ein Damian Lawson! Ich lasse mir von ihm nicht verbieten mein Leben zu leben…

Auch Jen und Ray werden in das Gurtzeug gesteckt und Mads und sein Kollege Lasse sind zufrieden, nachdem sie meines noch einmal einen Tick fester gezogen haben. Ich bekomme zwar kaum noch Luft, aber lieber das, wie eine Fleck auf dem Bordstein zu werden.

„Dann los.“ Mads geht uns voran und Jen greift meine Hand.

„Aufgeregt?“ flüstert sie und ich nicke.

„Und wie.“ Ich strahle sie an, ich fühle mich das erste Mal seit einem halben Jahr wieder richtig lebendig und voller Adrenalin.

Ein schönes Gefühl!

„Eve?“ die Stimme die meinen Namen ruft kenne ich und ich drehe mich, als wir die Eingangshalle betreten, suchend um.

Ich entdecke Juls und winke ihr zu.

Sie kommt mit wehenden Haaren auf mich zu gelaufen und nimmt mich in den Arm.

„Was machst du denn hier?“ ich sehe sie prüfend an, sie trägt einen Hosenanzug und zieht eine Schnute.

„Heute ist hier irgend so eine Galerieeröffnung und ich wurde quasi gezwungen mir das anzutun.“ Sie verdreht die Augen.

„Hey etwas Kultur hat noch niemandem geschadet.“ Ärgere ich sie.

„Du klingst wie meine Mum.“ Stöhnt sie.

„Dann ist deine Mum bestimmt eine sehr kluge Frau.“ Ich lächle sie an und sie erwidert es strahlend.

„Ja, ist sie.“ Stimmt sie mir zu.

„Juls?“ Wie aufs Stichwort erscheint eine Frau mittleren Alters hinter ihr.

„Mum, das ist Everly Thornton, Damians Assistentin.“ Stellt mich Juls vor und ich reiche ihr die Hand.

Sie ist überhaupt nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe.

Aber wie stellt man sich die Mutter des Teufels vor?

Jedenfalls nicht als eine wirklich hübsche Frau mit einer lockeren Hochsteckfrisur, der gleichen engelsgleichen Haarfarbe wie Juls und den unverkennbaren braunen Augen. Sie ist nicht das, was ich als schlank bezeichne, eher ist sie etwas rundlich, aber das tut ihrer Ausstrahlung in ihrem schwarzen Cocktailkleid keinerlei Abbruch. Freundlich lächelt sie mich an und nimmt meine angebotene Hand in ihre.

„Es freut mich wirklich sehr sie kennen zu lernen Miss Thornton, mein Sohn hat schon viel von ihnen erzählt.“ Sie strahlt mich an und ich muss sagen, ihre Freundlichkeit ist wirklich entwaffnend.

Ich will gar nicht wissen, was er über mich erzählt hat, aber nach dem Gespräch, welches er mit Juls über mich hatte, kann ich es mir lebhaft vorstellen.

Ziellos, perspektivlos und gute Arbeit für wenig Geld…

„Es freut mich auch sie kennen zu lernen Mrs. Lawson.“ Erwidere ich schließlich und sie gibt meine Hand wieder frei.

„Schau mal Greg, das ist Everly Thornton, Damians Assistentin.“ Sie zieht einen Mann zu sich und jetzt weiß ich, woher Lawson seinen Eisblick hat. Sofort bekomme ich Gänsehaut und reiche ihm steif meine Hand.

„Es freut mich sie kennen zu lernen Mr. Lawson.“ Sage ich steif und seine Hand umfasst meine Schraubstockartig.

„Sie sind also Miss Thornton, es ist interessant endlich ein Bild von ihnen zu haben.“ Er fixiert mich und ich entziehe meine Hand der seinen.

Die Teufelsgene scheinen sich nur auf der männlichen Seite der Lawson weiter zu vererben…

„Ich muss jetzt los…“ ich sehe zu Ray und Jen, die nach mir winken und sehe entschuldigend zu Juls. „Wir sehen uns Freitag.“

„Aber was hast du denn vor?“ sie deutet auf mein Gurtzeug.

„Das würde ich auch gerne erfahren Miss Thornton.“ Die Stimme klingt nicht sehr erfreut und Damian Lawson taucht hinter seiner Schwester auf.

Ertappt reiße ich meine Augen auf, sein Blick trifft meinen und seine Augen scheinen fast Funken zu sprühen.

Er ist sauer, das ist schon mal nicht zu übersehen.

’Natürlich ist er sauer, du machst dich gerade vertragsbrüchig und du bist so was von geliefert, wenn er dich feuert.’ Quengelt meine innere Stimme und ich schlucke schwer.

„Ach nichts…“ versuche ich es mit der Ablenktechnik und winke fahrig ab.

’Klar, und das was du trägst ist nur der neuste Schrei aus Mailand?’ meine innere Stimme lacht gehässig.

„Kommst du Eve?“ Mads geht an mir vorbei und tippt mir auf die Schulter.

„Bin gleich da.“ Rufe ich zurück.

„Das machen sie nicht.“ Lawson hält ich am Arm fest und ich sehe ihn erschrocken an.

„Ich mache, was immer mir gefällt…“ gebe ich abwehrend zurück.

„Sie haben einen Vertrag unterschrieben.“ Zischt er gefährlich leise.

„Und? Ich will leben. Sie werden das nicht verstehen, aber ich MUSS das tun…“ ich mache mich von ihm los und laufe den anderen hinterher zum Fahrstuhl.

Die Türen schließen sich, kurz bevor Lawson ihn erreicht hat.

„War das nicht…“ setzt Jen an.

„Das war Damian Lawson, wie er leibt und lebt.“ Gebe ich zurück.

„Hat ihr Freund was dagegen wenn sie springen?“ Mads sieht mich fragend an.

„Er ist nicht mein Freund…“ ich winke ab.

’Das würde mir noch fehlen…’ raunt meine innere Stimme.

„Das war mein Chef und ja, er hat was dagegen.“ Ich sehe zu Mads und er grinst.

Wir erreichen den 15. Stock und Mads geht uns voran die Treppe zum Dach hoch.

Hier erwarten uns zwei weitere Männer und stellen sich kurz vor. Mikkel und Allan heißen die Beiden, die uns jetzt für den eigentlichen Sprung vorbereiten.

„Wo kommt ihr eigentlich her?“ ich sehe Mikkel an, der mein Gurtzeug erneut fest zurrt.

„Dänemark. Hört man das nicht?“ er grinst und ich nicke lachend.

„Euer Akzent ist nicht überhören.“ Gestehe ich und er lacht.

„Zuerst Einzel.“ Bestimmt er nun und Mads deutet auf mich.

„Bereit?“ fragt Mikkel und ich nicke nur.

Zu einem anderen Zeitpunkt würde ich die Aussicht, die sich mir hier bietet bestimmt mehr genießen, aber im Moment sehe ich nur den Steg, von dem ich mich gleich in die Tiefe stürzen werde.

Mikkel reicht mir seine Hand und setzt mir den Helm auf.

„Alles gut?“ fragt auch er mich und haut leicht auf den Helm. Ich atme tief ein und aus und sehe ihn dann an.

„Ja.“ Ich recke meinen Daumen in die Höhe.

Wir betreten den Steg und das Seil wird an mir befestigt.

„Immer daran denken, Hände vor der Brust verkreuzen und Beine durch strecken.“ Erinnert er mich und klopft mir erneut auf den Helm.

„Warten sie!“ ertönt eine Stimme und Mikkel sieht zur Tür, die aufs Dach führt. Auch ich wage es mich umzudrehen und sehe einen äußerst wütenden Damian Lawson.

’Ist er die Treppe hier hoch gelaufen?’ fragt mich meine innere Stimme amüsiert, da Lawson kaum noch Luft bekommt. ’Dafür, dass er mindestens 3 Mal die Woche trainiert ist er ganz schön aus der Form.’

Lauf du mal 15 Etagen hoch… kontere ich.

„Wer sind sie?“ Mikkel sieht er ihn und dann mich verwirrt an.

„Das hat sie nicht zu interessieren.“ Blafft ihn Lawson an und ich hole zischend Luft.

„Sie springen nicht da runter.“ Sagt er drohend und deutet mit dem Finger auf mich.

„Oh doch.“ Ich sehe zu Mikkel und er reckt den Daumen in die Höhe.

„Sie verstehen das nicht.“ Sage ich lächelnd zu Lawson und stelle mich an die Kante des Sprungsteges.

Ich atme tief durch und lasse mich dann fallen…

Adrenalin rauscht durch meine Adern, der Wind pfeift mir um die Ohren und ich gebe einen lang gezogenen Schrei von mir.

Der Rückzug ist gewaltig und ich werde fast bis auf die Sprunghöhe zurück katapultiert.

Ich kreische, lache, juble und das alles zur gleichen Zeit.

Das Gefühl ist berauschend…

Dann pendele ich langsam aus und kann nicht aufhören zu lachen. Ich fühle mich aufgeputscht und so lebendig, wie noch nie in meinem Leben.

Ganz langsam wird das Seil nach unten gelassen und Lasse greift nach meinen Händen um mich wieder auf den Boden zu ziehen.

„Das war der Wahnsinn.“ Ich falle ihm um den Hals und er befreit mich von dem Seil und meinem Helm.

„Ich hoffe für sie, dass es das Wert war ihren Job aufs Spiel zu setzen.“ Ertönt die dunkle, wütende Stimme von Damian Lawson.

’Was macht der hier unten?’ fragt mich meine innere Stimme, die immer noch vor Vergnügen quietscht.

Ich sehe zu ihm und gehe langsam auf ihn zu.

Oh je, er ist wirklich wütend - Tiefe Falte zwischen den Augenbrauen, zusammen gekniffene Lippen und zu Schlitzen verengte Augen - Auf einer Skala von 1 bis 10 eine glatte 20.

„Ja, das war es wert.“ Sage ich und versuche ruhig zu klingen.

Plötzlich verändert sich sein Gesichtsausdruck und wird überraschender Weise weicher, jetzt sieht er mich eher erstaunt an und ich lächle als ich bei ihm ankomme.

„So etwas habe ich noch nie erlebt. Wenn man runter springt, das ist das das pure Leben, man durchlebt alle Gefühle die es gibt in Sekundenbruchteilen. Am Liebsten würde ich sofort noch einmal springen.“ Ich lache und sehe nach oben, wo Jen und Ray gerade fertig gemacht werden.

„Unterstehen sie sich…“ zischt Lawson.

Ich sehe ihn immer noch lächelnd an, lege meine Hand sanft an seine Wange und er sieht mich mit großen Augen an.

„Wenn es sie beruhigt, ich werde nicht noch einmal springen. Zum einen kann ich es mir nicht leisten und zum anderen möchte ich nicht, das sie einen Herzinfarkt bekommen.“ Erkläre ich ihm ruhig. „Ich weiß, dass ich lebe und das war Sinn und Zweck des Ganzen.“ Ich streiche ihm sanft für einen Sekundenbruchteil über die Wange und lasse dann meinen Arm wieder sinken.

„Habe ich noch einen Job?“ frage ich vorsichtig.

„Am Montag sind sie um 8 Uhr im Büro.“ Er klingt verunsichert, sein Blick ruht auf meinem Gesicht und er schließt für ein paar Sekunden gequält seine Augen.

Gerade will ich noch etwas sagen, aber da dreht er sich auch schon zu Juls und seinen Eltern um und geht zu ihnen.

Juls reckt ihren Daumen in die Höhe und ich strahle sie an.

Wie ich schon sagte, dieses Wahnsinnserlebnis war alles wert und hey, wider erwartend habe ich sogar meinen Job noch…

„War das dein Boss?“ Will steht plötzlich neben mir.

„Ja.“ Ich sehe ihm einen Moment hinterher.

„Bedeutet das Ärger?“ er legt seine Hand auf meinen Rücken und ich schüttele mit dem Kopf, ehe ich mich zu ihm umdrehe.

„Nein, erstaunlicher Weise nicht.“ Ich zucke mit den Schultern „Ich habe meinen Job noch.“

„Das ist doch super…“ er grinst breit „Und wie war es?“ Will er nun wissen und ich nehme ihn in den Arm.

„Unglaublich!“ lache ich und feiere mich einen Moment selbst.

„Ich habe echt Respekt vor euch, das ihr euch von da oben in die Tiefe stürzt.“ Er sieht ehrfürchtig nach oben, dort bekommen Ray und Jen gerade die letzten Instruktionen und ich starre wie gebannt zu ihnen.

Dann springen sie und ich kann es nicht fassen, dass ich das selbst vor einer viertel Stunde getan habe.

Es ist Wahnsinn das alles aus dieser Perspektive noch einmal zu sehen.

Auch die beiden jubeln, schreien und lachen und ich nehme Wills Hand.

Als die Beiden wieder auf ihren Füßen stehen, nimmt Ray Jens Gesicht in die Hände und küsst sie sanft.

Ich und Will jubeln den Beiden zu.

’Jennifer Cornell hat mal wieder das bekommen, was sie wollte.’ freut sich meine innere Stimme ehrlich für die Beiden und ich kann ihr nur beipflichten.

Als sie endlich abgekoppelt sind kommt Jen jubelnd zu mir gelaufen und wir liegen uns in den Armen.

„Das war der Hammer!“ sie hüpft mit mir im Arm aufgeregt auf und ab und ich lache übermütig.

„Ja Jen und Glückwunsch, es hat Tatsache nur ein paar Stunden gedauert und du hast ihn um den Finger gewickelt.“ Ich deute auf Ray und sie bekommt ein roten Kopf.

„Es ist ja nicht so, dass ich ihn erst seit heute toll finde, ich wollte nur sicher sein, das ich dir nicht weh tue.“ Gesteht sie und ich lächle sie an.

„Nein Jen, es ist in Ordnung und ihr Beiden seht wirklich süß zusammen aus.“ Ich nehme sie erneut in den Arm.

„So, dann befreien wir die Ladies jetzt mal von dem Gurtzeug.“ Lasse kommt zu und hilft uns aus den Geschirren.

Endlich wieder frei atmen…

„Und jetzt?“ Ray stellt sich hinter Jen und legt seinen Arm um sie.

„Essen? Pizza?“ Will sieht in die Runde und wir nicken zustimmend.

Total aufgedreht fahren wir zu einem kleinen Italiener am Hafen und Will amüsiert sich köstlich, wie aufgedreht wir alle sind.

Ich erschrecke mich, als ich auf meine Uhr sehe und erstaunt fest stellen muss, dass es schon kurz nach 22 Uhr ist.

Wo ist der Tag denn bitte hin?

„Wollen wir noch ins Holly’s?“ Will klatscht in die Hände und ich sehe in die Runde.

„Warum nicht, dafür müssen wir uns nicht umziehen.“ Jen nickt mir zu und ich erwidere es.

Im Holly’s angekommen setzen wir uns an einen der wenigen freien Tische und bestellen uns eine Runde Guinness. Genau das richtige, um diesen grandiosen Tag würdig abzuschließen.

Die Musik kommt heute von einer Irish Folk Band und Will fordert mich irgendwann zum tanzen auf.

„Echt jetzt?“ ich sehe grinsend auf seine Hand, die er mir hinhält.

„Ja Eve, ich weiß, das du das kannst.“ Er lächelt und ich ergreife seine Hand.

Tatsächlich tanzen wir beide wirklich gut zusammen und ich strahle ihn an.

„Darf ich?“ ein junger Mann taucht neben Will auf und dieser sieht zu mir, ganz leicht nicke ich.

„Aber gerne.“ Er reicht meine Hand an ihn weiter.

Mein neuer Tanzpartner kann wirklich richtig gut tanzen und lächelt mich freundlich an.

„Ich bin Oliver.“ Stellt er sich vor.

„Eve.“ Erwidere ich.

„Ich hoffe, es stört deinen Freund nicht, dass ich mit dir tanzen möchte.“ Er legt seinen Kopf leicht schief.

Ich denke einen Moment nach, eigentlich ist dieser Oliver genau mein Typ. Groß, blond und wunderschöne blaue Augen, dennoch sträubt sich alles in mir dagegen ihn nett zu finden…

„Nein, es stört ihn nicht, er weiß, dass ich weiß, wo mein Platz ist.“ Antworte ich ihm schließlich und sehe die Enttäuschung in seinem Gesicht.

’Hast du gerade Will als deinen Alibifreund ausgegeben? Spinnst du Everly Thornton?’ schimpft meine innere Stimme wie ein Rohrspatz.

Das Lied ist zu Ende und er verabschiedet sich schnell von mir. Außer Atem komme ich zurück an unseren Tisch.

„Wow, der war ja mal süß.“ Jen sieht mich verzückt an und Ray legt seine Stirn in Falten.

„Natürlich nicht so süß wie du.“ Fügt sie hinzu und Will macht Würgegeräusche, was mich zum lachen bringt.

„Ja, er war nett.“ Sage ich schließlich.

„Warum ist er dann so schnell weg?“ Jen wirft mir einen fragenden Blick zu.

„Er wollte sich nicht mit meinem Freund anlegen.“ Ich sehe zu Will und dieser verschluckt sich an seinem Guinness.

„Dein Freund?“ japst er.

„Keine Angst Romeo…“ winke ich ab „Er ist davon ausgegangen und ich habe ihn lediglich nicht korrigiert.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern.

„Aber Eve…“ setzt Jen an.

„Hör’ zu Jen, im Moment kann ich viel gebrauchen, aber bestimmt keinen Mann.“ Erkläre ich ihr und sie nickt leicht.

Ich weiß, dass dieser Abend noch ein Gespräch nach sich ziehen wird.

Jen beugt sich zu Ray und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen.

Oder ich habe Glück und sie vergisst es…

Gegen 2 Uhr gähne ich herzhaft und auch Will kann ein Gähnen nicht unterdrücken.

„Ich muss nach Hause.“ Stelle ich sachlich fest und Will nickt zustimmend.

„Ich fahre mit zu Ray… Wenn es dich nicht stört?“ Jen sieht zu mir und ich winke lächelnd ab.

„Quatsch.“ Ich stehe auf und die anderen folgen meinem Beispiel.

Draußen nehme sich zu erst Jen und Ray ein Taxi und ich drücke Jen an mich.

„Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.“ Flüstere ich ihr ins Ohr.

„Ich werde mit Sicherheit nichts tun, was du nicht schon vor mir getan hast.“ Kichert sie.

„Jen, das ist unheimlich.“ Ich schüttele lachend meinen Kopf.

„Irgendwie schon, oder?“ sie denkt einen kleinen Moment nach.

„Genieß es einfach.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und schubse sie quasi auf die Rückbank.

„Bis bald Eve!“ Ray drückt mich an sich „Ich hoffe das mit mir und Jen ist Okay für dich?“ er sieht mich fragend an.

„Ja, wie ich schon Jen gesagt habe, ihr Beide seid ein wirklich süßes Paar…“ ich nicke ihm zu „Versau es nicht Raymond Benson.“ Warne ich ihn und er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Niemals.“ Verspricht er mir und steigt zu Jens ins Taxi. Ich schließe die Tür hinter den Beiden und das Taxi fährt los.

„Bis bald Eve!“ jetzt nimmt mich auch Will in den Arm.

„Bis bald Will und danke, der Tag war wirklich toll und genau das, was ich mal wieder gebraucht habe.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und besteige das nächste Taxi.

„Fand ich auch, es war schön dich mal wieder so zu erleben.“ Stimmt er mir zu und winkt kurz, ehe auch er in ein bereit stehendes Taxi steigt.

Als ich endlich zu Hause bin, schaffe ich es noch gerade so mich auszuziehen, ehe ich ins Bett falle und augenblicklich einschlafe.

Ich schlafe lange am Sonntag, so lange wie schon ewig nicht mehr und genieße es, die Wohnung mal ganz für mich zu haben. Jen bleibt noch bei Ray, wie sie mir per SMS irgendwann gegen Mittag mitteilt und ich setze mich, nachdem ich ausgiebig geduscht und mir ein kleines Beautyprogramm gegönnt habe, mit einer Schüssel Popcorn vor den Fernseher. Heute bietet sich draußen ein ganz anderes Bild wie noch gestern, es stürmt und die Stadt versinkt in einem Grauton.

Als ich mir Nachschub holen will, fällt mir siedend heiß ein, dass ich mein Baby noch aufladen muss und krame es aus meiner Tasche.

Das kleine Briefsymbol blinkt mich an und ich drücke verwirrt darauf.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Vertragsbruch

 

Miss Thornton, ein solches Verhalten, wie sie es heute an den Tag gelegt haben, ist unzumutbar. Sie haben einen Vertrag unterschrieben und wagen es, sich nur mit einem Gummiseil von einem Hochhaus zu stürzen?

Ich erteile ihnen hiermit eine Abmahnung, ein weiteres Mal werde ich ein solches Verhalten nicht durchgehen lassen.

Damian Lawson

 

Oh je, ich glaube der war gestern echt wütend… Ich schaue auf die Uhrzeit, die hat er gestern Abend geschrieben. Einen Moment ringe ich mit mir, dann gehe ich auf antworten.

Schlimmer machen kann ich es ja fast gar nicht…

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Vertragsbruch

 

Mr. Lawson, ich werde mich nicht für mein Verhalten entschuldigen, denn darin sehe ich ehrlich gesagt keinen Sinn.

Ja, ich habe mich nicht an die Zusatzklausel Nr. 2 gehalten, aber was erwarten sie von einem Menschen, der in ihren Augen sein Leben an die Wand gefahren hat, schon Großartiges?

Ich weiß, sie halten mich für schwach und dumm, aber das bin ich nicht.

Ich wollte spüren, dass ich lebe.

Sie werden das nicht verstehen, aber das ist die einzige Begründung die sie etwas angeht.

Everly Thornton

 

’Mach das nicht… Schick sie nicht ab.’ meine innere Stimme versucht auf mich ein zu reden.

Aber ich ignoriere sie und drücke auf senden.

Ich weiß, dass er weiß, dass ich ihn gehört habe.

Ich schließe das Stromkabel an und gehe wieder ins Wohnzimmer, ich will meinen Film weiter sehen. Mir darüber Gedanken zu machen, was er morgen sagen wird… dazu habe ich noch genug Zeit.

Irgendwann schlafe ich auf der Couch ein und rappele mich erst gegen Mitternacht wieder auf, um ins Bett zu gehen und dort weiter zu schlafen. Ich nehme mein I-Phone und benutze es als Taschenlampe.

Wieder das Briefsymbol und ich stöhne leicht auf. Vielleicht feuert er mich ja und ich kann morgen ausschlafen.

Verlockende Vorstellung…

Ich klicke darauf und die E-Mail erscheint.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: …

 

Uiii kein Betreff?

Ansonsten reißt er mir den Kopf ab, wenn ich mal keinen Betreff angebe.

 

Ich halte sie weder für dumm noch für schwach, sie sind klug und ich kann nur erahnen wie stark sie eigentlich sind. Ich hatte einfach Angst.

Damian Lawson

 

Ich stutze und laufe vor Schreck gegen den Bettpfosten meines Bettes.

Ich merke wie mein Herz in meiner Brust rast und versuche es unter Kontrolle zu bringen.

’Warum schreibt er so etwas?’ meine innere Stimme klingt verunsichert.

Ja, so fühle ich mich… verunsichert.

Ich lasse mich auf Bett fallen und reibe mir meinen großen Zeh.

„Verdammt.“ Fluche ich laut und das gilt nicht nur meinem Zeh.

Ich starre die E-Mail an, aber sie verändert sich nicht. Er hat das wirklich geschrieben.

Schließlich drücke ich auf antworten.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Es tut mir wirklich leid

 

Ich wollte ihnen keine Angst einjagen, es tut mir leid. Ich entschuldige mich in aller Form.

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und lehne mich in meine Kissen zurück. Damian Lawson hat eine Seite die ich nicht an ihm kenne und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann macht mir das Angst.

Ich kann ja viel in meinem Leben gebrauchen, aber bestimmt nicht noch mehr Verkomplizierungen…

Mein I-Phone vibriert in meine Hand und ich drücke mit zittrigen Fingern auf den kleinen Briefumschlag.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Schlafenszeit

 

Danke, dass sie sich entschuldigen. Gehen sie jetzt zu Bett und schlafen sie, ich brauche morgen eine ausgeschlafene Assistentin.

Damian Lawson

 

Ich lege mein Baby weg und drehe mich auf die Seite.

Vor ein paar Minuten war ich noch furchtbar müde und jetzt? Ich werfe mich von einer auf die andere Seite und finde einfach keinen Schlaf…

Was hat dieser Mann an sich, das ich ständig an ihn denken muss?

Klar, er ist mein Chef und mein Berufsleben dreht sich ausschließlich um ihn… aber trotzdem.

’Sieh den Tatsachen ins Augen…’ setzt meine innere Stimme an.

„Halt die Klappe.“ Fluche ich und schreie erstickt in mein Kissen.

Nein, das ist unmöglich… in jeden aber NICHT in ihn!

Ich habe mich auf keinen Fall in ihn verguckt…

Nein, nein, nein….

Sicher, er sieht unheimlich gut aus, er kann sehr charmant sein, wenn er es denn will und ich sehe ihn immer heimlich von der Seite an, wenn er beschäftigt ist….

Oh nein, nein, nein.

Ich bin definitiv nicht in Damian Lawson verknallt!

Nein!

Ich sehe auf meinen Kalender, der auf meinem Nachttisch steht.

Noch drei Monate und dann kündigst du sofort, dann musst du ihn nie wieder sehen!

Guter Plan, sehr guter Plan, ausgezeichneter Plan…

Zufrieden mit meinem Plan und verwirrt von meinen Einsichten, schlafe ich dann doch irgendwann ein und laufe am nächsten Morgen wie aufgescheucht durch die Wohnung um mich fertig zu machen. Fast vergesse ich seine Anzüge in der Reinigung abzuholen und lege ein riskantes Wendemanöver im Berufsverkehr hin.

Als ich ins Büro komme ist er schon da und ich sehe ihn verwirrt an.

„Guten Morgen.“ Stottere ich und lege ihm seine Anzüge über den Stuhl.

„Guten Morgen.“ Er sieht mich kurz an und ich nicke leicht.

Ich schließe meine Geräte an und warte auf das kleine Signal, das mir sagt, dass ich anfangen kann.

Dann bearbeite ich alle neu herein gekommenen Dokumente und vermeide es zu Lawson zu sehen.

„Dein Kaffee Eve.“ Olivia stellt mir mit einem freundlichen Lächeln meinen Kaffeebecher auf den Tisch.

„Danke Liv.“ Ich nicke ihr dankbar zu und nehme einen Schluck Kaffee.

Dann stellt sie auch Mr. Lawson eine Tasse hin und verschwindet geräuschlos, so wie immer.

„Tragen sie bitte am 8. Dezember nur Termine bis 16 Uhr ein. Am Abend, um 20 Uhr gebe ich eine kleine Weihnachtsfeier für den Hastingsvorstand und andere wichtige Kunden, ich erwarte sie auch dort zu sehen.“ Sagt Lawson und seine Stimme klingt plötzlich nicht mehr wie – 20 °C sondern eher warm und weich.

’Du bist weich in der Birne Everly Thornton!’ schimpft meine innere Stimme und ich sehe auf.

„Ja sicher.“ Gebe ich zurück und trage es gleich in den Terminplaner, es sind ja noch 5 Wochen bis dahin.

„Ab Mittwoch bin ich für 4 Wochen in den USA, sie kümmern sich bitte darum, dass alle Termine hier abgesagt oder umgelegt werden. Kümmern sie sich um die Abrechnungen der einzelnen Abteilungen. Ich werde mich jeden Tag melden und sie bringen mich auf den Neusten Stand.“ Erklärt er mir und ich sehe ihn erstaunt an.

Er will 4 Wochen weg?

Einfach so?

„Ja Sir.“ Ich sehe zurück auf den Bildschirm.

Man, da kommt eine ganze Menge Arbeit auf mich zu.

Wie soll ich denn bitte alle Termine umlegen?

„Julie kommt trotz alledem, wenn es sie nicht stört, an den Freitagen hier her.“ Er steht plötzlich vor meinem Schreibtisch und ich sehe erschrocken auf.

„Nein, natürlich nicht.“ Antworte ich ihm.

„Danke.“ Er nickt mir leicht zu und ich kann meinen Blick kaum von seinen Augen abwenden.

’Bist du übergeschnappt? Reiß dich los und arbeite weiter!’ meine innere Stimme klingt zornig. ’Erinnere dich: Keine Verkomplizierungen!’

„Gern geschehen.“ Murmele ich und konzentriere mich wieder auf den Kalender vor mir.

In den nächsten Tagen bin ich vollends damit beschäftigt alle seine Termine umzulegen, einige sind leichter zu händeln wie andere, da ich mit denen schon lange zu tun habe. Mit manchen bin ich sogar per du, zum Beispiel mit Matthew Browser, ein hohes Tier im Finanzwesen und ein Freund von Damian Lawson. Er hat keine Probleme damit, sich von mir einen Termin erst kurz vor Weihnachten geben zu lassen und sagt mir, dass er zur Not ja auch auf der Weihnachtsfeier mit Lawson sprechen kann.

Also kommt er auch… gut zu wissen, denn mit der Planung dieser Feier habe ich rein gar nichts zu tun. Wahrscheinlich macht das eine seiner Sekretärinnen, er hat ja schließlich 3 und die müssen ja auch was für ihr Geld tun.

Erleichtert bin ich Mittwochmittag mit allem fertig.

„Ich mache mich jetzt auf den Weg, meine Maschine startet in 20 Minuten.“ Lawson steht auf und sieht mich an.

„Einen angenehmen Aufenthalt in den Staaten.“ Wünsche ich ihm förmlich.

„Danke…“ er zieht sich seinen Mantel über, macht Anstalten raus zu gehen und kommt dann zu meinem Schreibtisch zurück. „Ich danke dir wirklich Everly.“ Sagt er leise.

Ich sehe ihn an, seine dunkelbraunen Augen bohren sich in meine Seele und ich sehe schnell wieder auf meine Hände.

„Gern geschehen Damian.“ Flüstere ich und dann geht er.

Ich atme schwer.

Wie kann es mich so aus der Fassung bringen, dass er mich beim Vornamen genannt hat?

Ganz einfach, weil der Teufel langsam aber sicher der Hölle entsteigt und es hier mächtig heiß wird…

Am nächsten Morgen erscheine ich in Jeans, Bluse und Blazer im Büro und auch Liv trägt heute mal etwas Legeres. Die anderen beiden Sekretärinnen haben Urlaub genommen und so sind nur sie und ich da.

„Guten Morgen Eve!“ begrüßt sie mich strahlend „Kaffee?“ sie hält meine Tasse hoch und ich setze mich zu ihr.

„Komisch, oder?“ sie sieht sich um und ich nicke.

„Macht er so was öfter? Ich meine, mal eben für 4 Wochen in die Staaten zu fliegen?“ ich sehe sie fragend an und nehme einen Schluck von meinem Kaffee.

„Nein, das ist das erste Mal, dass ich das erlebe.“ Gibt sie zu und ich runzele meine Stirn.

„Und so kurzfristig macht er sonst nie etwas, wenn bei ihm nicht alles schon Wochen im Voraus geplant ist, dann fühlt er sich nicht wohl.“ Führt sie weiter aus.

„Er legt Atypisches Verhalten an den Tag.“ Denke ich laut nach.

„Wie meinst du denn das?“ Liv sieht mich fragend an.

„Er hat mich gestern beim Vornamen genannt.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Echt jetzt? Noch eine Premiere…“ sie betrachtet mich eingehend.

„Was?“ frage ich sie nach ein paar Minuten.

„Nichts…“ sie winkt ab „Ich habe einen Arbeitsplan von Lawson bekommen.“ Sie deutet auf einen Stapel Papiere.

„Ja, ich auch…“ ich atme tief durch „Ich denke, er will sicher gehen, das ich etwas für mein Geld tue. Ich darf die nächsten Wochen alle Abrechnungen, Bilanzen und Jahresendabrechnungen aller Abteilungen machen.“ Ich verdrehe die Augen. „Das wird ein Spaß.“

„Komm schon Eve, wenn einer das hin bekommt, dann doch du.“ Lacht sie und ich stehe auf.

Ich setze mich an meinen Schreibtisch und lasse meinen Blick über den leeren Schreibtisch von Lawson gleiten.

’Er fehlt dir.’ Stellt meine innere Stimme nüchtern fest.

„Quatsch.“ Fauche ich leise und konzentriere mich dann auf meine Arbeit.

Nach nur einem Tag merke ich, das es für mein Arbeitspensum keinen gravierenden Unterschied macht, ob Lawson hier oder in den Staaten ist, Ich bin quasi zu geschüttet mit Arbeit…

Jeden Abend schicke ich ihm einen Kurzbericht und er ruft dann kurz an, meistens um noch etwas ändern zu lassen oder um um Recherche zu bitten. Noch immer ist es mehr wie befremdlich Damian zu ihm zu sagen, aber nach ein paar Telefonaten ist es nicht mehr ganz so befremdlich, eben nur noch merkwürdig.

Ich freue mich riesig als Juls am Freitag herein gestürmt kommt und mich an sich drückt.

„Ich habe mich die ganze Woche auf heute gefreut.“ Gibt sie zu und ich strahle sie an.

„Ich mich auch Juls.“ Gestehe ich. „Und, Hausarbeiten?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Ja, Mathematik.“ Sie zieht eine Flunsch.

„Dann fällt shoppen heute aus. Komm, wir gehen in den Konferenzraum und ich helfe dir.“ Ich halte ihr meine Hand hin und sie ergreift sie stöhnend.

„Du weist schon, das ich mir DAS so nicht vorgestellt habe, oder?“ Sie zieht ihre Jacke aus und hängt sie über den Stuhl.

„Echt nicht?“ grinse ich und setze mich. „Komm schon.“

„Okay, aber nächste Woche gehen wir shoppen, da bekommen wir unsere vorläufigen Noten.“ Sie setzt sich nun auch und befördert ihr Mathematikbuch zu Tage.

„Nur wenn deine Noten gut sind.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Die sind Bestens, seitdem du mir hilfst.“ Erklärt sie stolz und ich lache leise.

„Die meiste Arbeit hast trotz alle dem du.“ Ich nehme mir ihr Aufgabenheft.

Prozentualrechnung… Sollte ich gerade noch so hin bekommen.

Eine Weile erkläre ich ihr alles und sie ist wirklich schlau und versteht es sofort.

Nach einer Stunde packt sie ihre Mathematiksachen ein und ich grinse sie an.

„Und wie war deine Woche sonst so?“ ich lehne mich zurück und nippe an meinem Kaffee.

„Es ist komisch ohne Damian, ich meine, er wohnt ja nicht bei Mum und Dad, aber sonst war er fast jeden Abend zum Essen da. Es ist plötzlich so ruhig, aber ich freue mich, wenn er wieder kommt, ich habe ihm eine Einkaufsliste gemailt.“ Sie strahlt mich an.

„Das kann ja was werden.“ Ich kann nicht anders und erwidere ihr strahlen.

„Ich bin auch gespannt, ob er es hin bekommt.“ Gibt Juls zu.

Es klopft leise und Liv steckt ihren Kopf zur Tür herein.

„Paul wartet auf Miss Juls.“ Sagt sei und ich nicke ihr dankbar zu.

„Danke Liv, Juls ist in 5 Minuten bei ihm.“ Ich stehe auf und Juls tut es mir gleich.

„Der Nachmittag ist wieder einmal viel zu schnell vergangen.“ Sie zieht eine Flunsch und ich nehme sie in den Arm.

„Nächsten Freitag machen wir was Schöneres wie Prozentualrechnung.“ Verspreche ich ihr und begleite sie zum Fahrstuhl.

„Danke Eve. Bis nächste Woche!“ sie winkt mir zu und sie Fahrstuhltüren schließen sich.

„Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!“ Liv schnappt sich ihre Handtasche und läuft an mir vorbei, als ich auf dem Weg zurück ins Büro bin.

„Ich dir auch!“ rufe ich ihr hinterher und hole auch meine Sachen.

Ich bin gerade im Begriff das Büro zu verlassen als mein I-Phone klingelt.

„Büro Damian Lawson, Everly Thornton am Apparat.“ melde ich mich förmlich.

„Hallo Everly, hier ist Damian Lawson. Ist Julie noch da?“ ertönt seine Stimme und ich atme hörbar ein.

„Nein, ich habe sie gerade Paul anvertraut.“ Antworte ich ihm.

„Schade, dann rufe ich zu Hause an. Haben sie alles für heute erledigt?“ er klingt gelöst und freundlich.

„Ja, sicher. Ich habe ihnen alles als PDF zu geschickt. Am Montag beginne ich mit der Versandabteilung.“ Erkläre ich ihm und ziehe mir meinen Mantel über.

„Danke. Ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende. Bis Montag Everly.“ Erwidert er freundlich.

„Das wünsche ich ihnen auch Damian.“ Damit lege ich lächelnd auf.

’Schalt dein Gehirn ein Everly!’ ermahnt mich meine innere Stimme und ich nicke zustimmend.

Keine Komplikationen für mein Leben!

Mein neues Lebensmotto.

Obwohl ich insgeheim gehofft habe, dass es im Büro entspannter wird, so werde ich enttäuscht. Das einzige was mich entspannt ist die Vorfreude auf Freitag.

Ich nehme einige Geschäfttermine wahr, die mir Lawson alleine zu traut und ansonsten bin ich vollends mit den Jahresabschlußberichten beschäftigt. Mein Kopf schwirrt schon von den ganzen Zahlen.

Am Freitag sitze ich immer noch mit den Abrechnungen der Versandabteilung vor mir, man derjenige der die Zahlen verzapft hat, der gehört gesteinigt. Da ist kein System drin und sie sind nicht einmal vollständig ins Firmeneigene Programm übertragen.

Als mein I-Phone klingelt, denke ich, das sich endlich jemand von der IT-Abteilung meldet und mir sagt, wie ich die Zahlen ins Programm bekomme ohne sie alle einzeln zu übertragen, denn dafür bräuchte ich Tage, wenn nicht sogar Wochen…

„Ich hoffe wirklich, du hast eine Lösung dafür, wie ich diese verdammten Zahlen ins Programm bekomme, ansonsten reißt mir Lawson so etwas von den Kopf ab und du, Patrick Sullivan, bist Schuld.“ Gehe ich ans Telefon.

„Ich denke nicht, dass ich ihnen ihren Kopf abreißen werde.“ Meldet sich die belustigte Stimme von Damian Lawson und ich schließe gequält meine Augen.

’Du bist manchmal echt zu doof…’ spottet meine innere Stimme ’… und jetzt rette, was zu retten ist.’ Befielt sie mir und ich atme tief durch.

„Es tut mir leid, ich habe noch nicht mit ihrem Anruf gerechnet.“ Gebe ich zu und er lacht auf.
„Das habe ich gemerkt.“ Gibt er zu. „Was haben sie denn für Probleme?“

„Die Versandzahlen sind alle nicht in SpreadNet eingetragen und ich weiß nicht wirklich, wie ich sie da rein bekomme.“ Gebe ich zu „Aber ich arbeite an der Lösung.“ Versichere ich ihm schnell.

„Sie meinen, sie haben Mr. Sullivan aus der IT-Abteilung darauf angesetzt.“ Fragt er nach.

„Ja, ich kenne mich nicht allzu gut mit dem firmeneigenen Netzwerk aus.“ Ich ziehe eine Schnute und seufze leise.

„Manchmal ist es gut die Dinge zu delegieren.“ Stimmt er mir zu. „Ich nehme mal an, das die Zahlen wohl noch nicht fertig sind, oder?“

„Nein, ich arbeite mit Hochdruck dran.“ Verspreche ich ihm.

„Ganz ruhig Everly, machen sie sich keinen Stress.“ Sagt er sanft und ich runzele meine Stirn.

„Ich hoffe sie erholen sich etwas.“ Frage ich ihn und versuche ihn so abzulenken.

„Etwas, ich gehe gerade Julies Einkaufsliste durch. Was zur Hölle sind Manolos?“ fragt er mich belustigt.

„Das sind Schuhe, schöne Schuhe…“ ich betrachte meine eigenen, die ich trotz meiner Jeans trage und lächle „Sie heißen Manolo Blaniks und sie haben eine rote Sohle.“

„Die Schuhe die sie immer tragen?“ fragt er nach und wieder lege ich meine Stirn in Falten.

’Lass das, weißt du wie teuer Botox ist?’ faucht meine innere Stimme.

„Ja genau.“ Gebe ich ihm Recht ,, Juls hat übrigens Schuhgröße 6 und sie will die Manolos unbedingt in dunkelblau.“

„Was würde ich nur ohne sie machen?“ lacht er.

„Das kann ich ihnen nicht sagen, aber sie sind ja vorher auch ohne mich klar gekommen, also ist das kein allzu großes Problem für sie.“ Antworte ich ehrlich.

„Doch, jetzt wäre es ein Problem für mich…“ eine kleine Pause entsteht „Ich habe sie als meine Assistentin schätzen gelernt.“

„Damian…“ höre ich eine weibliche Stimme im Hintergrund seufzen „Wie kann man nur so gut aussehen und so bescheuert sein?“

„Ich wollte sie nicht stören Damian, wir sprechen uns Montag.“ Damit lege ich schnell auf und starre das Telefon in meiner Hand an.

Mein Herz rast in meiner Brust und ich habe ein flaues Gefühl im Magen…

Ob aufgrund der Tatsache, das er mit einer Frau zusammen ist oder aber weil er mir fast ein Kompliment gemacht hat, kann ich gerade nicht definieren. Mir behagt weder das eine noch das andere.

Vor Schreck lasse ich mein Handy beinahe fallen, als er erneut klingelt und mich aus meinen Gedanken reißt. Erleichtert stelle ich fest, dass es dieses Mal wirklich Patrick ist und er eine Lösung für mein Problem hat.

Um Punkt 14 Uhr steht Juls strahlend vor meinem Schriebtisch und hält Stolz ihr Zeugnis hoch.

„Schau mal, ein B+ in Geschichte, ein B in Mathematik und ein A- in Literatur.“ Sie hüft auf meine Schreibtischkante „Und das habe ich nur dir zu verdanken.“

„Nein Juls, das warst du alleine.“ Ich betrachte ihr Zeugnis und lächle sie an „Ich bin echt stolz auf dich.“

Mein Handy klingelt und ich schlucke, als ich sehe, dass Damian Lawson anruft.

„Dein Bruder.“ Ich deute auf mein Handy und Juls nimmt es in die Hand.

„Büro Damian Lawson, Juliette Lawson die Spitzenschülerin mit dem coolsten Zeugnis seit Menschengedenken am Apparat.“ Meldet sie sich lachend und ich schüttele leicht meinen Kopf.

Sie unterhält sich einen Moment mit ihrem Bruder, prahlt mit ihrem Zeugnis und reicht mir dann das Handy.

„Er möchte dich sprechen.“ Sie sieht mich an und ich greife mit zittrigen Händen nach meinem Baby.

„Everly hier.“ Melde ich mich.

„Es tut mir leid wegen heute Vormittag.“ Entschuldigt er sich.

„Es gibt nichts, wofür sie sich entschuldigen müssen.“ Unterbreche ich ihn.

„Doch Everly…“ setzt er erneut an.

„Nein Damian, wirklich nicht.“ Ich lache hohl, das klingt selbst für mich aufgesetzt und ich seufze anschließend leise.

„Okay…“ er holt tief Luft „Nehmen sie sich bitte die Firmenkreditkarte und gönnen sie sich mit Julie einen Wellnessnachmittag und ein schönes Abendessen. Sie haben es sich verdient, ich danke ihnen wirklich sehr.“

„Danke Damian, das machen wir.“ Ich sehe zu Juls und sie klatscht in die Hände.

„Bis Montag Everly.“ Er klingt leicht verunsichert.

‚Der Teufel verunsichert?’ meine innere Stimme staunt.

„Bis Montag Damian.“ Damit lege ich auf.

„Was hältst du von einem Nachmittag im Spa und einem Essen bei Giuliano?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch und Juls fällt mir um den Hals.

Der Nachmittag wird wirklich schön und ich entspanne mich unter den kraftvollen Händen von einem Masseur namens Frederik.

Erst um 22 Uhr setze ich Juls zu Paul ins Auto und mache mich dann auch auf den Heimweg in meine verwaiste Wohnung.

Nachdem ich die Versandabteilung endlich abschließen kann geht mir der Rest gut von der Hand und Juls hält mir am nächsten Freitag einen großen Schokoladenadventskalender vor die Nase.

„Für dich!“ grinst sie.

„Ich danke dir.“ Ich nehme mein Geschenk an mich und wir brechen zu einer kleinen Shoppingtour auf.

Kaum zu glauben, das ich heute schon mein zweites Türchen aufmachen darf, wir haben tatsächlich schon den 2. Dezember und heute ist mein vorläufig letzter Freitagnachmittag mit Juls. Sie hat zwar schon Ferien, aber ihre Eltern erlauben ihr trotzdem den Nachmittag mit mir zu verbringen. Am Montag kommt Lawson zurück und ich muss gestehen, ich freue mich…

Ich werde die Freitagnachmittage vermissen, aber Mitte Januar geht die Schule ja wieder los und sie kommt wieder.

Ich glaube, sie wird mir wirklich fehlen.

So wie meine beste Freundin, die ich, seitdem sie mit Ray zusammen ist, überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekomme.

Aber ich gönne es ihr, sie ist so verdammt glücklich.

„Ich bin da!“ Juls kommt ins Büro gestürmt und ich sehe von meinem Laptop auf.

„Ich bin in 5 Minuten fertig.“ Lächle ich und schicke ihr einen Handkuss.

„Alles klar.“ Sie setzt sich in die Sitzecke, die neben der Tür steht.

Mein I-Phone klingelt und ich sehe, dass Damian Lawson mich anruft.

„Dein Bruder.“ Ich halte das Handy hoch und Juls springt auf.

Eigentlich ruft er am Freitag immer um diese Zeit an um mit ihr zu sprechen, also wundert es mich nicht wirklich, dass er sie mal wieder genau abgepasst hat.

„Hey großer Bruder.“ Geht sie fröhlich ans Telefon.

Während sie mit ihm spricht, drucke ich die letzten Berichte aus und fahre meinen Laptop runter.

„Ich hole schnell die Ausdrucke.“ Sage ich zu Juls und sie nickt.

Der Drucker, den ich von meinem Laptop aus benutze steht in der Kammer neben dem Büro und ich nehme meine Ausdrucke in Empfang. Ich sortiere alles und hefte es dann zusammen, meine Arbeit der letzten 4 Wochen…

Ich bin völlig in Gedanken versunken und pralle mit Juls zusammen als ich wieder heraus komme.

„Soll ich wegen dir einen Herzinfarkt bekommen?“ schimpfe ich lachend mit ihr.

„Nein…“ erwidert sie ebenfalls lachend „Damian will dich kurz sprechen.“ Sie hält mir mein Handy hin.

„Hallo?“ frage ich perplex.

„Hallo Everly…“ er stockt und ich lege meine Stirn in Falten, eigentlich dachte ich, das zwischen uns alles wieder so ist, wie es vor seiner Abreise war, aber manchmal überkommt mich ein komisches Gefühl…

„Ich hoffe, alles hat in den letzten Wochen geklappt. Sind die Berichte für Montag fertig?“ fängt er sich und ich nicke, bis mir einfällt, das er mich nicht sehen kann.

„Ja, ich habe sie gerade ausgedruckt und lege sie gleich auf ihren Schreibtisch, die Dateien sind alle auf ihrem Computer und ich habe sie auch an ihre Mailadresse geschickt.“ Erkläre ich ihm und Juls verdreht die Augen.

„Gut, vielen Dank Everly. Wir sehen uns Montag.“ Verabschiedet er sich.

„Bis Montag Damian.“ Ich lege auf, Juls mustert mich einen kurzen Moment und dann seufzt sie leise.

„Was denn?“ ich sehe sie an und sie winkt ab.

„Leg ihm sein Zeug hin und hole dir deinen Mantel.“ Scheucht sie mich wieder ins Büro.

Wir wollen in ein kleines Restaurant und uns ein verspätetes Mittagessen gönnen und machen uns zu Fuß auf den Weg.

„Seit wann nennst du meinen Bruder Damian?“ fragt Juls und hakt sich bei mir unter.

„Es hat sich ergeben bevor er in die Staaten ist.“ Erkläre ich ihr und wieder mustert sie mich.

„Juls lass das.“ Schalle ich sie lächelnd.

„Was denn? Ich finde einfach, das du und mein Bruder das perfekte Paar wärt.“ Sie zuckt mit den Schultern.

„Spinnst du?“ ich schüttele vehement meinen Kopf „Dein Bruder ist mein Chef und er hält mich nicht einmal für sonderlich schlau.“

„Ach was Eve, er hat seine Meinung längst revidiert. Er ist ja nun auch nicht auf den Kopf gefallen.“ Erklärt sie mir und ich seufze.

„Lass es einfach Juls, dein Bruder und ich als Paar, das ist so wahrscheinlich als wenn es in der Sahara schneit.“ Lache ich und sie verdreht die Augen.

Eine Stunde später sitzen wir nach unserem Spaziergang in einem kleinen Restaurant und genießen einen Salat als Vorspeise. Nach dem Essen wollen wir noch ins Kino, ich will endlich mal einen aktuellen Film sehen. Ich habe Juls die Wahl überlassen und bin gespannt, was wir zu sehen bekommen…

„Ich freue mich das Damian am Sonntag wieder kommt.“ Juls strahlt mich an „Ich habe schon Entzugserscheinungen weil mich keiner Julie nennt.“ Kichert sie.

„Ja, er war lange weg.“ Bestätige ich ihr. „Es waren wohl viele Geschäfte in den Staaten zu klären.“

„Er war ja zum Glück nicht nur geschäftlich da, ansonsten hätte ich hin verprügelt. Die letzten beiden Woche hat er das erste Mal seit Jahren so etwas wie Urlaub gemacht. Ganz ehrlich, Los Angeles bietet sich für so etwas ja förmlich an, außerdem hat letztes Wochenende seine Ex geheiratet. Sie verstehen sich noch sehr gut und er wollte das nicht verpassen.“ Plappert sie fröhlich drauf los und ich stutze.

War das die Frau im Hintergrund?

Oder hat er noch eine andere Frau kennen gelernt?

Und warum zur Hölle macht mich der Gedanke an Damian Lawson mit einer anderen Frau so nervös?

’Sieh es ein… Du hast ihn vermisst.’ sagt meine kleine, gehässige innere Stimme.

„Er hat Fotos geschickt und Sarah, so heißt sie, hatte ein so schönes Kleid an. Von Vera Yang und ich sage dir, diese Frau ist eine Göttin…“ schwärmt sie „Warst du schon mal in L.A.?“ Juls sieht mich an und holt mich aus meinen Gedanken.

„Nein, ich war noch nie in den Staaten. Im Grunde genommen, bin ich noch nie aus Irland raus gekommen, es sei denn zum “raus kommen“ zählt auch Nordirland.“ Erkläre ich ihr lächelnd und der Kellner stellt unsere bestellte Pasta ab.

„Echt jetzt?“ sie sieht mich mit großen Augen an.

„Ja. Ich bin eben durch und durch Irin.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Weißt du, als Virginia starb, da standen wir eine ganze Zeit alle neben uns. Mum war wie gelähmt und ich war ziemlich neben der Spur, von Dad ganz zu schweigen, er redete kaum noch mit einem von uns. Damian hat dann für uns alle beschlossen, das wir einen Neuanfang brauchen. Ich war am Anfang gegen Irland, ich wollte hier einfach nicht her. Ich wollte mein tolles Leben in New York nicht aufgeben…“ sie sieht mich an „Aber jetzt bin ich froh, das ich hier bin. Ich bin ich selbst und das wäre in New York nie möglich gewesen.“

„Was ist mit Virginia passiert?“ frage ich vorsichtig.

Sie hat mir schon oft von ihr erzählt, aber was mit ihr passiert ist, hat sie noch nicht gesagt.

„Sie ist bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen. Weißt du, sie liebte den Kick…“ sie lächelt ins ich hinein „Sie war immer die Wilde von uns. Ich kenne sie nur aufgedreht und kaum zu halten. Sie hat alles gemacht, was du dir vorstellen kannst... Wildwasserkanu fahren auf dem Missouri, Base Jumping in den Grand Canyon, Bungee springen von der Golden Gate…“ sie grinst „Ich weiß nicht, was sie nicht probiert hat.“

„Magst du das Risiko?“ ich sehe sie prüfend an.

Ihre Augen strahlen, wie immer wenn sie von ihrer großen Schwester spricht, sie scheint sie sehr geliebt zu haben und sie vermisst sie.

„Nein, eher nicht… Aber Damian würde mich nie etwas machen lassen, was auch nur annähernd gefährlich ist.“ Sie winkt ab und ich denke an meinen Bungeesprung.

„Er hat Angst um dich.“ Erkläre ich ihr und sie nickt.

„Aber manchmal muss er mich einfach meine Erfahrungen sammeln lassen.“ Sie sieht auf und ich lege meinen Kopf schief.

„Lass ihm Zeit.“ Rate ich ihr.

Aber im Grunde genommen weiß ich nicht, ob das was hilft.

Ich verstehe jetzt besser, warum er alle Menschen um sich herum beschützen will, aber weiß er auch, was er ihnen damit an tut?

Juls ist noch so wahnsinnig jung, sie muss ihre eigenen Erfahrungen sammeln dürfen und sie muss sich dafür auch das eine oder andere Mal einem Risiko aussetzen, das bleibt einfach nicht aus…

„Hast du Geschwister?“ sie schiebt sich eine Gabel mit Spaghetti in den Mund und sieht mich an.

„Ja, ich habe einen großen Bruder… Landon.“ Sage ich und atme tief durch.

„Landon?“ sie sieht mich erstaunt an und ich nicke leicht „Was ist los?“ fragt sie besorgt.

„Ich habe ihn seit der Beerdigung unserer Mum nicht gesehen oder mit ihm gesprochen.“ Gestehe ich.

„Deine Mum ist gestorben? Warum hast du mir das noch nie erzählt? Wann denn?“ fast klingt sie ein wenig vorwurfsvoll.

„Ach Juls, ich wollte dich nicht belasten. Meine Mum ist im Mai gestorben.“ Gebe ich zu.

„Hey Eve, du sagst immer wir sind Freundinnen, dann musst du auch mal etwas von dir Preis geben.“ Sie nimmt meine Hand. „Warum hast du ihn seitdem nicht gesehen?“

„Er kam nicht damit klar.“ Ich sehe auf und sehe sie bittend um keine Nachfragen an. „Das ist eine lange und komplizierte Geschichte, du kannst froh sein, das dein Bruder nach dem Tod deiner Schwester für eure Familie da war.“

„Okay.“ Sagt sie leise und ich nicke dankbar.

„Du bist großartig Eve.“ Sagt sie leise und ich sehe von meinem Teller auf.

„Danke Juls, das ist süß.“ Ich lächle leicht „Du bist auch etwas ganz Besonderes und ich weiß, dass du es irgendwann einmal allen zeigen wirst.“ Sage ich sicher und sie lächelt geschmeichelt.

Wir essen eine Weile schweigend, bis sie die Stille durchbricht.

„Freust du dich schon auf die Weihnachtsfeier auf der Juliette?“ sie grinst ganz zaghaft und ich erwidere es.

„Mal schauen, hauptsächlich bin ich ja im Auftrag deines Bruders als seine Assistentin da.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sie schüttelt lachend den Kopf.

„Wie konnte ich das nur vergessen.“ Sie schlägt sich an die Stirn.

„Ja wirklich Juls, wie konntest du das nur vergessen.“ grinse ich.

„Aber trotzdem, es wird bestimmt schön.“ Sagt sie sicher.

„Ganz bestimmt.“ Pflichte ich ihr bei und sie lacht.

Zum Nachtisch gönnen wir uns ein großes Eis und ich strahle sie an, als die Eisbecher auf den Tisch gestellt werden.

„Ich liebe Eis.“ Sie nimmt sich einen großen Löffel und ich lache leise.

„Das weiß ich Juls.“ Ich probiere von meinem Eis und muss sagen, es ist wirklich gut. Selbstgemachtes italienisches Eis ist das Beste…

Dann möchte ich die Rechnung haben und bezahle mit meiner Karte.

„Nimmst du die Rechnung gar nicht mit?“ Juls sieht mich fragend an.

„Nein, wieso denn?“ ich ziehe mir meinen Mantel wieder über.

„Na, du holst dir doch das Geld von Damian wieder, oder?“ sie schlüpft ebenfalls in ihren Mantel.

„Nein Juls, wir sind Freunde und das rechne ich nicht mit deinem Bruder ab.“ Erkläre ich ihr lachend.

„Aber…“ setzt sie an.

„Kein Diskussion.“ Ich hake mich mein ihr unter und wir treten auf die Straße „Unser Film fängt gleich an.“

„Aber…“ probiert sie es erneut.

„Hör’ zu Juls, ich würde ja auch nie auf die Idee kommen ein Essen von Jen, Ray und mir bei deinem Bruder einzureichen, oder?“ ich sehe sie an und sie grinst zaghaft.

„Eher nicht.“ Gibt sie zu.

„Siehst du, dann nenn mir einen Grund, warum ich das bei dir tun sollte?“ ich sehe sie an und sei atmet tief ein.

„Weil ich des Teufels kleine Schwester bin.“

Ich lache leise und lege meinen Arm um ihre Schultern. „Dafür kannst du nichts.“

„Aber du wirst gezwungen Zeit mit mir zu verbringen.“ Wir gehen ein Stück die Straße entlang.

„Juls, ich werde zu gar nichts gezwungen. Glaubst du ich würde mich zwingen lassen?“ ich sehe sie an und ziehe eine Augenbraue hoch.

„Eher nicht.“ Gibt sie zu.

„Juls, du bist meine Freundin…“ ich lächle „… So etwas wie meine kleine Schwester, die ich nicht hatte.“

„Ich danke dir so sehr Eve!“ sie drückt mich an sich, als wir das Kino erreichen.

„Keine große Sache. Ich würde sagen, du kaufst uns jetzt Popcorn.“ Ich zwinkere ihr zu und hole unsere bestellten Karten.

Nur ein paar Minuten später lasse ich mich neben ihr in den weich gepolsterten Kinosessel fallen und sie hält mir den Eimer mit Popcorn hin. Lächelnd nehme ich eine Hand voll.

Hmm herrlich duftendes Popcorn… Ich liebe es!

’Deine Hüften auch!’ schimpft meine allseits beliebte innere Stimme.

Ach halt den Mund… bringe ich sie gedanklich zum schweigen und stecke mir eine weitere dieser aufgepoppten Maiskugeln in den Mund.

Der Film ist wirklich gut, wahrscheinlich werde ich mich in ein paar Tagen nicht einmal mehr an den Titel erinnern, aber die Romantik tut meinem Herzen gut und die Situationskomik bring mich das eine oder andere Mal richtig zum lachen.

Als wir nach dem Film auf die Straße treten hält der große schwarze Geländewagen schon am Straßenrand und zu meiner Überraschung steigt Mrs. Lawson aus.

„Mum? Was machst du denn hier?“ Juls nimmt sie in den Arm.

„Ich war noch bei Freunden und dachte mir, ich kann dich mit nach Hause nehmen.“ Sie streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

Ich beobachte diese Geste, sie wirkt so typisch mütterlich. Meine Mum hat das auch immer bei mir gemacht und ich weiß, ich habe es gehasst. Wenn ich darüber nachdenke, dann mache ich das auch manchmal bei Juls… Ich hoffe wirklich sie stört das nicht.

„Danke für den tollen Nachmittag und den Abend!“ Juls drückt mich fest an sich.

„Ich danke dir Juls.“ Lächle ich.

„Ich möchte ihnen auch danken Miss Thornton…“ Mrs. Lawson reicht mir ihre Hand, als Juls schon eingestiegen ist. „… Es bedeutet Juls viel, das sie sich ihrer annehmen. Ich kann mir vorstellen, das es manchmal nicht ganz einfach ist, die Termine mit ihr bei den ganzen anderen Terminen unter zu bringen. Ich hoffe Damian zahlt ihnen wenigstens einen Zuschlag.“

„Mir bedeuten die Freitagnachmittage auch viel und Juls ist keineswegs ein Termin.“ Ich lächle sie an „Sie ist meine Freundin und ich möchte gar nicht, das Damian mir etwas extra dafür zahlt. Ich mache es wirklich gerne und weil ich es möchte.“ Füge ich hinzu.

„Dann danke ich ihnen umso mehr Everly.“ Ihr Gesicht bekommt einen dankbaren Ausdruck und ich nicke ihr zu.

„Sie ist toll.“ Sage ich leise und sie nickt.

„Ja, das ist sie und sie tun ihr gut.“ Pflichtet sie mir bei.

„Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend Mrs. Lawson.“ Ich mache Anstalten zu gehen.

„Sie tun nicht nur Juls gut… Und bitte Everly, nenn mich Estelle.“ Bittet sie mich und ich halte in meiner Bewegung inne.

„Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend, Estelle.“ Ich fange mich und lächle.

„Sollen wir dich rum fahren?“ fragt sie besorgt, als ich meine Handschuhe anziehe und meinen Schal um meinen Hals schlinge.

„Nein, nein…“ winke ich ab „Ich möchte noch ein wenig Spazieren gehen.“

„Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“ Sie stiegt ein „Spätestens auf der Weihnachtsfeier nächsten Freitag.“ Fügt sie zwinkernd hinzu, ehe sie die Tür schließt und sich der Wagen in Bewegung setzt.

„Ganz sicher!“ ich winke dem Auto einen Moment lang hinterher.

Ich gehe runter zum Hafen und schaue eine Weile aufs Meer, es ist dunkel und die Lichter der Stadt spiegeln sich in der Irischen See.

Es ist so friedlich… überall Weihnachtsschmuck und dieses tiefe Gefühl von Freude.

Ich liebe die Vorweihnachtszeit, diese ganz besondere Atmosphäre und die Gerüche überall.

Dann kommen mir die Worte von Estelle wieder in den Sinn.

… Du tust nicht nur Juls gut…

Was meint sie damit?

Etwa Damian?

In wie fern tue ich ihm denn gut?

Ich arbeite für ihn und plötzlich verschwindet er für 4 Wochen aus dem Land, ist es das, was sie unter gut tun versteht?

Das er endlich mal Urlaub macht?

Wahrscheinlich…

Ich setze mich auf eine Bank und lasse meinen Blick schweifen, der Film, so schön er auch war, hat mich nachdenklich gemacht.

Seit Monaten erzähle ich Jen, dass ich mein Leben leben will, aber vergesse ich da nicht etwas Offensichtliches?

Gehört die Liebe nicht unbedingt dazu?

Ja, sie gehört dazu, aber meine amourösen Absichten verschiebe ich auf die Zeit, wenn ich nicht mehr bei Damian Lawson arbeite und wieder ein Privatleben habe…

Es sind ja nur noch zwei Monate…

Mein Rechnungsstapel besteht nur noch aus zwei Rechnungen, eine kann ich Anfang Januar begleichen und eine Anfang Februar, dann ist es geschafft.

Dann kann ich mein Leben neu ordnen und von vorne anfangen. Ich habe zwar noch keine Ahnung wie das aussehen soll, aber das muss ich wohl auf mich zukommen lassen…

Langsam wird es kalt und ich mache mich auf den Weg nach Hause. Ich winke mir ein Taxi heran und lasse mich zum Restaurant bringen, da ich dort meinen Wagen abgestellt habe.

Als ich nach Hause komme, erwarte ich, wie sooft in den letzten Wochen, niemanden vor zu finden. Doch Ray und Jen sitzen zu meiner Verwunderung auf der Couch.

„Hey Eve, ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.“ Ray springt auf und nimmt mich fest in den Arm.

„Euch sieht man ja auch nicht.“ Gebe ich zurück und auch Jen drückt mich an sich.

„Wo warst du denn?“ Jen sieht mich fragend an, als ich mich ihr und Ray gegenüber auf die kleine Couch setze.

„Ich war mit Juls essen und dann im Kino.“ Erkläre ich ihr und ziehe meinen Pullover aus. Das gute an den letzten 4 Wochen war, das ich mich nicht an irgendeinen Farbcode halten musste und wenn ich keine Termine hatte, dann konnte ich so wie ich wohl fühlte ins Büro.

„Es scheint mir Ewigkeiten her zu sein, das ich dich mal zu Gesicht bekomme.“ Neckt mich Ray.

„Na ja, da du mit Jen jetzt seit knapp 5 Wochen zusammen bist und sie fast nur bei dir ist…“ ich mache eine kleine Pause „… Da denke ich, das du nicht erstaunt sein darfst.“ Grinse ich und er sieht mich schuldbewusst an.

„Komm schon Ray, ich gönne es euch und ich hatte weiß Gott genug um die Ohren.“ Ich nehme seine Hand und drücke sie kurz.

„Wie war es denn so ohne den Teufel?“ Jen zieht eine Augenbraue hoch.

„Komisch…“ gebe ich zu „Es waren nur Liv und ich im Büro und ja, es war entspannt, aber so ungern ich es zugebe, er fehlt mir.“

Jen bekommt große Augen und will gerade etwas sagen, als ich meine Hand hebe.

„Spar es dir Jennifer Cornell.“ Warne ich sie und Ray sieht sie verständnislos an.

„Ich meine ja nur, du lässt alle anderen Typen abblitzen, du gibst sogar Will als Alibifreund aus…“ sie zuckt mit den Schultern.

„Ja, weil ich mit meiner Arbeit genug zu tun habe.“ Falle ich ihr ins Wort.

„Mit deiner Arbeit?“ echot sie und ich nicke lebhaft.

’Du glaubst echt, sie kauft dir das ab?’ lacht meine innere Stimme.

„Wie läuft es denn Milestone?“ wechsele ich gekonnt das Thema und Jens Augen beginnen zu leuchten.

„Sie haben mir eine Anstellung nach meinem Studium angeboten.“ Sie strahlt und ich sehe sie erstaunt an.

„Jen, das ist der Hammer! Ich freue mich so für dich!“ ich stehe auf und nehme sie in den Arm. „Das ist das, was du immer wolltest.“

„Ja, es läuft ziemlich gut in letzter Zeit.“ Sie wirft Ray einen verliebten Blick zu.

„Und du? Wie läuft es bei dir?“ jetzt sehe ich auch zu Ray und er berichtet mir stolz von seinem Praktikum.

„Das könntest du jetzt auch sein.“ Sagt Jen traurig.

„Ja, vielleicht…“ ich zucke mit den Schultern, setze mich in eine Ecke der Couch und ziehe meine Beine an „Aber wenn ich weiter studiert hätte, dann würde ich den Großteil meiner Schulden noch nicht zurück gezahlt haben und ich wäre den Menschen die mir und meiner Mum die letzten Wochen ihres Lebens lebenswert gemacht haben immer noch so viel Geld schuldig. Es war die richtige Entscheidung. In zwei Monaten bin ich durch und dann kann ich sehen, was ich machen will. Vielleicht mache ich ab dem nächsten Sommer mein letztes Semester.“

„Das wäre toll.“ Ray nickt mir zu.

„Es sind noch zu viele Sachen ungeklärt.“ Denke ich laut nach und Ray sieht mich fragend an. „Ich weiß nicht, ob Jen es dir erzählt hat.“

„Nein, ich habe ihm nichts gesagt.“ Sagt Jen und schüttelt den Kopf.

„Was ist hier los?“ Rays Gesicht wird ängstlich und ich versuche zu lächeln.

„Meine Mum ist an einer schweren Krankheit gestorben.“ Erkläre ich ihm.

„An Krebs, oder?“ er neigt seinen Kopf leicht zur Seite und sieht mich mit seinen himmelblauen Augen fragend an.

„Nein Ray, sie ist an ALS gestorben, das ist eine degenerative Nervenkrankheit, die nach und nach zur Lähmung aller Muskeln führt… Es war schwer ihr dabei zuzusehen und nichts tun zu können.“ Ich seufze leise und er nimmt meine Hand „ALS ist eine Erbkrankheit.“ Füge ich leise hinzu.

„Du hast sie?“ er wird kreidebleich.

„Ich weiß es nicht, ich habe mich noch nicht testen lassen…“ ich zucke leicht mit den Schultern „Ich möchte es zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht wissen.“ Gebe ich zu. „Im Moment habe ich das beklemmende Gefühl, mein ganzes Leben besteht aus unabgeschlossenen Kapiteln. Ich weiß nicht, ob ich diesen Test, ob ich das ADL Gen in mir trage, machen soll…“ ich sehe ihn ratlos an „Will ich wissen, dass ich unheilbar krank bin und mein Leben darauf ausrichten?“

Und das entspricht mal der vollen Wahrheit.

Ich weiß nicht, ob ich bereit dafür bin.

Ich weiß es einfach nicht.

„Egal was du machst, du weißt, dass Jen und ich hinter dir stehen.“ Er steht auf und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ja Ray und das bedeutet mir unheimlich viel.“ Ich sehe ihn dankbar an.

„Mach jetzt den Film rein Ray, ich freue mich schon den ganzen Tag darauf Matt Bomer oben ohne zu sehen.“ Jen setzt sich zu mir und wir quetschen uns schließlich alle drei auf die kleine Couch und sehen uns Magic Mike an.

Nachdem ich auf der Couch fast einschlafe scheucht mich Jen ins Bett und ich bin dankbar, das ich in dieser Nacht wie ein Stein schlafe, denn ich bin wirklich nicht erpicht darauf zu hören, was im Zimmer nebenan vor sich geht.

„Aufstehen Murmeltier!“ werde ich am nächsten Morgen mit einem unerbittlichen Klopfen an meiner Tür geweckt.

Mühsam rappele ich mich auf und schlurfe verschlafen in die Küche.

„Warum seid ihr so früh auf?“ ich sehe Jen verständnislos an und sie deutet auf die Uhr.

„Zu deiner Info, es ist kurz nach 10 Uhr, also keineswegs früh…“ sie sieht mich an und ich reibe mir den Schlaf aus den Augen „… außerdem haben wir beschlossen dich heute mit zu Gina und Rob zu nehmen.“

„Was soll ich bei deinen Schwiegereltern in Spe?“ ich nehme mir eine Kaffeetasse und gieße mir frischen Kaffee ein.

„Sie würden sich echt freuen, dich mal wieder zu Gesicht zu bekommen.“ Ray kommt rein und ich sehe ihn nicht sehr überzeugt an. „Komm schon Eve, meine Eltern mögen dich.“

„Ich weiß nicht.“ Ich kaue auf meiner Unterlippe.

Ich weiß, Ray hat Recht, seine Eltern mögen mich. Sie mochten mich nicht nur als seine Freundin, sondern auch darüber hinaus als eine Freundin. Außerdem ist Rays Mum eine ausgezeichnete Köchin und der Unterhaltungswert von seinem Dad ist nicht zu unterschätzen.

„Okay.“ Gebe ich mich geschlagen. „Aber umziehen ist noch drin, oder?“

„In 30 Minuten fahren wir los…“ Ray nimmt mir meine Kaffeetasse aus der Hand, nimmt einen Schluck und zieht mich hoch „Husch, husch!“ lacht er und schiebt mich ins Bad.

Ich mache mich fertig und schlüpfe in eine bequeme Jeans und einen dunkelgrauen Pullover mit V-Ausschnitt. Tatsächlich bin ich zum verabredeten Zeitpunkt fertig und wir machen uns auf den Weg.

Gina und Rob freuen sich wirklich mich zu sehen und der Tag bei ihnen wird entspannt und ruhig. Das Essen ist phantastisch und Rob unterhält uns prächtig.

Es ist schön für einen Tag mal wieder einfach Eve zu sein…

Am Abend fährt mich Ray rum und nimmt Jen mit zu sich, wenn das so weiter geht, dann muss ich mir bald eine neue Mitbewohnerin suchen…

Den Sonntag verbringe ich alleine in Schlabbersachen auf der Couch. Ich krame ein angefangenes Buch aus meinem Regal und genieße es mal in Ruhe zu lesen.

Früher habe ich oft und viel gelesen…

Als ich zu meiner Mum zurück zog um ihr beizustehen, da habe ich ihr oft vorgelesen, dabei war es nicht wichtig worum es ging, sondern sie hörte mir einfach nur gerne zu.

Seit ihrem Tod habe ich heute das erste Mal wieder ein Buch in der Hand und es ist schön in eine Fantasiewelt einzutauchen die jemand anderes erschaffen hat.

Ich lese das Buch tatsächlich zu Ende, dann mache ich mir ein Sandwich und schaue eine dieser sinnfreien Sendungen, bei denn man nicht wirklich nachdenken muss.

Mein Handy vibriert auf dem Wohnzimmertisch und ich nehme es zur Hand.

Eine Mail, ich drücke verwundert auf den kleinen Briefumschlag.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Angekommen

 

Guten Abend Everly, ich wollte ihnen nur mitteilen, das ich wieder sicher in Dublin angekommen bin und mich freue, sie morgen im Büro zu sehen.

Damian Lawson

 

Ich lächle und drücke auf antworten.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Es freut mich

 

Guten Abend Damian, es freut mich, das sie wieder irischen Boden unter den Füßen haben und ich freue mich auch auf morgen. Es war sehr ruhig ohne sie.

Everly Thornton

 

’Warum teilt er seiner Assistentin mit, dass er zurück ist?’ fragt sich meine innere Stimme.

Weil er einfach nett sein will, denke ich…

Dann bleibt mein Handy still und da ich weiß, dass mich morgen im Büro Stress erwartet gehe ich lieber früh zu Bett.

Am nächsten Morgen muss ich tatsächlich mein Farbschema suchen, denn ich habe vergessen welche Farbe am Montag auf dem Plan steht. Schließlich schlüpfe ich in ein graues Kostüm und stecke meine Haare hoch. Ich merke, dass ich aufgeregt bin und versichere mich drei Mal, ob ich auch ja nichts vergessen habe.

Als ich aus dem Fahrstuhl steige habe ich Herzklopfen und ich verfluche mich dafür.

’Sieh es ein…’ seufzt meine innere Stimme.

’Ich sehe gar nichts ein!’ bringe ich sie zum Schweigen.

„Guten Morgen Liv!“ begrüße ich diese freundlich, nehme meinen gefüllten Kaffeebecher von ihrem Tisch und lächle sie an.

„Er ist schon da.“ Sagt sie leise.

„Danke.“ Ich zwinkere ihr zu und betrete das Büro.

Er sitzt an seinem Schreibtisch und sieht leicht lächelnd auf, als ich herein trete.

Er sieht erholt aus, braun gebrannt und das erste Mal seit ich ihn kenne, wirkt er entspannt.

„Guten Morgen Everly.“ Begrüßt er mich freundlich.

„Guten Morgen Damian.“ Erwidere ich grinsend und hänge meine Jacke auf.

Ihn am Telefon oder in unseren Mails mit Vornamen anzusprechen ist mittlerweile normal, aber jetzt wirkt es plötzlich wieder wie Neuland für mich. Ich zwinge meinem Herzen einen normalen Rhythmus auf und setze mich an meinen Schreibtisch, ich verkable meinen Laptop und harre der Dinge die da kommen…

Der Datentransfer startet und dieses Mal braucht er länger, wesentlich länger...

Ich ahne schlimmes und meine Vorahnung bestätigt sich, als sich die Dokumente mit rasender Geschwindigkeit auf meinem Bildschirm aufbauen. Die gesamte Woche ist voll mit Terminen, das ich jetzt schon weiß, das ich A: wenig Schlaf bekomme B: Überstunden machen muss und C: Kreuz und Quer mit Lawson durch Dublin fahren muss.

Ich stöhne leise.

„Alles in Ordnung?“ fragt Lawson sofort besorgt und ich sehe ertappt auf.

„48 Stunden Tage wären schön.“ Erwidere ich und er lacht leise.

„Wenn nicht sie, wer soll es dann hin bekommen?“ er zwinkert mir zu und vertieft sich dann wieder in seine Dokumente.

Ich versuche alle Termine irgendwie unter zu bringen und Liv kommt zwei Stunden später leise rein.

„Mr. Brown erwartet sie in Konferenzraum 1 und das Intranet ist ausgefallen.“ Erklärt sie ihm „Ich muss ihnen wohl heute persönlich Bescheid sagen, wenn die Termine da sind.“ Sie sieht ihn entschuldigend an.

„Kein Problem Olivia, sagen sie Mr. Brown, das ich in 5 Minuten für ihn da bin.“ Er nickt ihr freundlich zu und ich kann nicht anders wie ihn anzustarren.

Was ist mit ihm passiert?

Gehirnwäsche?

Tatsächlich ist die Woche, obwohl vollgestopft mit Terminen, seltsam entspannt. Lawson ist gut gelaunt und wirkt verändert.

Inwiefern kann ich nicht sagen, aber irgendetwas muss in den Staaten passiert sein…

Dann endlich ist Freitag und ich bin gerade dabei die letzten Unterlagen für heute auszudrucken.

„Gehen sie nach Hause und machen sie sich fertig. Paul holt sie in drei Stunden ab.“ Damian Lawson steht in der Bürotür und sieht mich an.

„Ich mache noch schnell die…“ setze ich an.

Er kommt zu meinem Schreibtisch und klappt den Laptop zu.

„Nein Everly, sie fahren jetzt nach Hause.“ Er zwinkert mir zu und ich sehe ihn perplex an.

„Aber…“ versuche ich es erneut.

„Nochmals nein Everly, fahren sie nach Hause, ich habe von Tom etwas dem Anlass entsprechendes zu ihnen schicken lassen.“ Er hält mir meine Jacke hin.

Ich nehme sie ihm ab, ziehe sie über und packe den Laptop und das I-Pad in meine Tasche. Den Laptop werde ich wohl heute Abend zu Hause lassen, aber das I-Pad werde ich definitiv brauchen.

Lächelnd nimmt er mir die Taschen ab und stellt sie auf meinen Schreibtisch zurück.

„Was?“ ich sehe ihn verwirrt an.

„Heute Abend lassen sie das Mal hier, sie sind meine Begleitung, nicht meine Assistentin.“ Er lächelt mich leicht verunsichert an und ich schlucke schwer.

Was?

’Du bist seine Begleitung?’ japst meine innere Stimme.

„Ist alles in Ordnung Everly?“ fragt Damian Lawson mich beunruhigt.

„Ja.“ Erwidere ich fahrig und verlasse fluchtartig das Büro.

„Eve?“ ruft mir Liv hinterher, aber ich winke ab und trete eilig in den Fahrstuhl.

Gott, mein Herz springt gleich aus meiner Brust und ich muss mich zwingen ruhig zu atmen.

’Was denkt er sich dabei?’ meine innere Stimme scheint den Schock verwunden zu haben.

„Keine Ahnung.“ Flüstere ich leise und schließe mein Auto auf.

Auf dem Weg nach Hause nehme ich tatsächlich jemandem die Vorfahrt und baue fast einen Unfall, weil ich wirklich verwirrt bin.

Ich bin dankbar, als ich fest stelle, dass Jen zur Abwechslung mal zu Hause ist. Es riecht herrlich nach frisch gebackenen Keksen, wenn wir auch nicht kochen können, backen können wir sehr wohl.

„Eve!“ sie entdeckt mich und nimmt mich in den Arm. „Was machst du denn schon hier?“ sie sieht mich verwundert an „Vor einer halben Stunde ist etwas für dich abgegeben worden.“ Sie deutet auf ein Paket auf dem Tisch.

Ich atme tief durch, hänge meinen Mantel auf, kicke meine Highheels weg und widme mich dann dem Paket.

Als ich es öffne, schlage ich meine Hände vor den Mund.

Das kann nicht sein…

„Was ist los?“ sie kommt zu mir und betrachtet den Inhalt ebenfalls.

„Wow.“ Sagt sie leise und streicht über den Stoff.

Das wundervolle dunkelblaue Abendkleid, welches ich bei meinem ersten Besuch bei Tom gesehen habe, liegt in diesem Paket.

Natürlich, wie immer, mit einem Zettel von Tom.

 

Liebste Eve,

ich will dieses Kleid an niemanden anderem sehen wie an dir. Ich freue mich sehr darauf mein Meisterwerk zu betrachten. Ich freue mich auf dich.

P.s. Bring dein Strahlen mit.

Tom

 

Vorsichtig hebe ich das Kleid aus dem Karton.

„Wahnsinn, das ist wunderschön.“ Jen betrachtet es eingehend. Das wunderschöne Bustier mit den Swarowski Kristallen, das lange fließende Unterteil aus Chiffon… Dieses Kleid ist ein Traum.

„Für welchen Anlass hat er es dir geschickt?“ Jen sieht zu mir, während ich immer noch das Kleid betrachte.

„Heute Abend ist eine kleine Weihnachtsfeier auf der Juliette.“ Nuschele ich.

„Und dafür bekommst du so ein Kleid? Lawson will wohl das seine Assistentin alle Blicke auf sich zieht.“ Sie nimmt mir das Kleid ab und hängt es über die Rückenlehne der Couch, während ich noch die passenden Schuhe und eine Clutch aus dem Paket zaubere.

„Ich bin seine Begleitung, nicht seine Assistentin.“ Ich sehe sie verwirrt an.

„Was?“ beinahe bleibt ihr der Mund offen stehen und die meine Ungläubigkeit spiegelt sich in ihren Augen.

„Das hat er mir vor einer halben Stunde im Büro gesagt.“ Ich setze mich und sehe sie hilflos an. „Was soll ich jetzt machen?“

„Er gefällt dir, oder?“ sie setzt sich neben mich. „Ich meine so richtig.“

„Ja, der Teufel übt eine gewisse Anziehung auf mich aus.“ Ich zucke hilflos mit den Schultern.

„Was willst du?“ sie nimmt meine Hand.

„Ich will keine Verkomplizierung meines Lebens.“ Erwidere ich nachdenklich. „Das kann ich im Moment einfach nicht gebrauchen.“

„Gut…“ sie legt ihre Hand unter mein Kinn und zwingt mich sie anzusehen „Halte ihn auf Abstand, bring die letzen Wochen bei ihm hinter dich, ordne dein Leben neu, schließe unerledigte Sachen ab und dann siehst du weiter.“

„Okay.“ Sage ich leise und sehe wieder zu dem Kleid.

„Und jetzt machen wir dich fertig.“ Sie steht auf und reicht mir ihre Hand.

„Danke Jen.“ Sage ich den Tränen nahe.

Ich bin überfordert mit der Situation… heillos.

„Dafür doch nicht.“ Sie zieht mich in ihre Arme. „Jetzt mal ohne das alles drum herum…“ sie betrachtet mich eingehend „Gefällt dir Damian Lawson?“

„Ganz ehrlich?“ ich sehe sie an und sie nickt leicht.

„Ja Eve, ganz ehrlich.“ Bittet sie mich.

„Ja, er gefällt mir.“ Gebe ich zu.

’Gefallen? Das ich nicht lache… Da ist doch mehr!’ witzelt meine innere Stimme und kneife meine Augen zusammen.

Lass mich in Ruhe! Flehe ich stumm.

Jen nimmt wieder meine Hand und zieht mich in mein Zimmer, wo sie sogleich beginnt meine Haare zu bearbeiten und zu überlegen, welche Schminke denn für so einen Abend angebracht ist.

Zwei Stunden später stehe ich vor dem großen Spiegel im Flur und kann kaum glauben, dass das da wirklich ich bin…

Das Kleid passt wie angegossen, aber habe ich von Tom wirklich was anderes erwartet?

Es umschmeichelt meine Figur und lässt mich aussehen wie eine Prinzessin.

Jen hat meine Haare kunstvoll und locker hoch gesteckt. Obwohl die Frisur nur nach ein paar Minuten Arbeit aussieht, hat sie fast eine Stunde dafür gebraucht. Ein paar Strähnen umrahmen mein Gesicht und ich sehe so erwachsen und so anders aus. Das Make up ist ein wirkliches Meisterwerk von Jen, smokey Eyes, etwas Rouge und Lipgloss.

Bin das wirklich ich?

Ich drehe mich etwas vor dem Spiegel, das Kleid schwingt wunderbar mit und die Tasche und Pumps sind perfekt darauf abgestimmt. Dazu trage ich einfache Ohrstecker aus kleinen Kristallen zu Sternen geschliffen, die ich von meiner Mum zu meinem 18 Geburtstag bekommen habe, und das passende Armband dazu.

Auf die Halskette verzichte ich, denn das Kleid spricht für sich, eine Kette würde das Bild stören…

Als es klingelt fahre ich zusammen und sehe ängstlich zu Jen.

„Dein Fahrer.“ Sie betrachtet mich lächelnd „Du siehst so wunderschön aus, deine Mum wäre furchtbar stolz auf dich.“ Sie nimmt mich in den Arm und reicht mir meinen Mantel, den ich überziehe und schließe.

„Danke.“ Ich atme tief durch und öffne die Tür.

„Viel Spaß Aschenputtel.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und schiebt mich sanft aber bestimmt in den Hausflur.

Unten angekommen sehe ich, dass Paul in der zweiten Reihe parkt und mir die Tür aufhält.

„Guten Abend Miss Eve. Sie sehen hinreißend aus.“ Er nickt mir zu und ich steige mit einem kleinen lächeln auf den Lippen ein.

„Vielen Dank Paul.“ Erwidere ich und schnalle mich auf dem Rücksitz an.

Umso näher wir dem Yachthafen kommen, desto mehr Herzklopfen bekomme ich. Ich sehe aus dem Fenster und frage mich einen kleinen Moment, ob Paul wohl eine Sondergenehmigung braucht, um bi direkt an den Anleger zu fahren…

Paul steigt aus, umrundet den Wagen und hält mir die Tür wieder auf, ehe er mir eine Hand reicht und mir so beim aussteigen hilft.

„Amüsieren sie sich Miss Eve.“ Er nickt mir aufmunternd zu und ich gehe über den Steg hinauf zur Yacht.

„Eve!“ Juls entdeckt mich als Erste und kommt zu mir.

„Hey Juls. Genießt du deine Ferien?“ ich zwinkere ihr zu.

„Oh ja.“ Sie führt mich ins innere der Yacht.

Alles ist festlich geschmückt, ein kleines Buffet ist aufgebaut und leise Musik erfüllt die Räume. Wieder fallen mit zuerst die Bediensten auf, die in ihren Uniformen heraus stechen.

Der Vorstand von Hastings ist auch schon da und ich stöhne innerlich. Hoffentlich kann ich mir James Sanford vom Hals halten, ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie er mich angegrabscht hat.

„Ihren Mantel Ma’am.“ Ein junger Mann sieht mich an und ich öffne meinen Mantel.

„Wow Eve, du siehst phänomenal aus.“ Juls strahlt mich an.

„Du siehst auch wunderhübsch aus.“ Ich reiche dem jungen Mann den Mantel und bestaune Juls lavendel farbendes Kleid. Es passt zu ihr, fröhlich aber dennoch elegant.

„Eve, mein Juwel!“ Tom kommt zu mir und drückt mich an sich „Dieses Kleid ist wie für dich gemacht. Kannst du mir verraten, wer der Designer ist?“ er zwinkert mir zu.

„Ich danke dir so sehr.“ Ich hauche ihm einen Kuss auf die Wange.

„Dafür doch nicht.“ Er winkt verlegen ab.

„Everly…“ Damian Lawson kommt zu uns und lässt seinen Blick meinen Körper entlang schweifen. Sofort merke ich, wie mir heiß und gleichzeitig kalt wird und mein Herz in meiner Brust Purzelbäume schlägt.

’Atmen nicht vergessen.’ raunt meine innere Stimme und ich atme weiter, augenscheinlich habe ich das wirklich vergessen.

„Sie sehen bezaubernd aus.“ Lawson sieht mir tief in die Augen, nimmt meine Hand sanft in seine und haucht einen Kuss auf meine Fingerknöchel.

Ich schlucke verlegen und merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt.

„Damian, kommst du mal kurz? Wir haben da noch eine Frage wegen dem Jahresabschluss.“ Ein Mann, den ich als Vorstandmitglied von Waterford erkenne, winkt Lawson zu sich.

„Der erste Tanz des Abends gehört mir.“ Er sieht mich lächelnd an und folgt dann dem Mann.

„Everly, du siehst hinreißend aus.“ Estelle kommt zu uns und ich nicke ihr dankend zu.

„Ich danke dir Estelle, du siehst auch wunderschön aus.“ Ich deute auf ihr weinrotes Kleid und sie deutet auf Tom.

„Der Junge hat goldene Hände.“ Grinst sie.

„Oh ja.“ Stimme ich ihr zu.

„Wie geht es dir? Die erste Woche war bestimmt stressig, oder?“ sie nimmt sich ein Glas Champagner von einem der Tabletts, die die Kellner durch die Gegend tragen und reicht mir ebenfalls eins.

„Ja, es war stressig, aber nicht so schlimm wie befürchtet. Damian ist sehr geschickt im Umgang mit den Kunden und konnte ein paar Termine aufs neue Jahr schieben.“ Erkläre ich ihr.

„Er wirkt gelöster und entspannter seitdem er wieder da ist.“ Stellt sie mit einem weichen Blick zu ihrem Sohn fest und ich nicke zustimmend.

Ihr Mann gesellt sich zu uns und wieder sieht er mich durchdringend an.

„Entschuldigst du mich Estelle?“ ich sehe sie bittend an „Ich mache mich eben mal frisch.“

„Aber sicher.“ Sie winkt lächelnd ab.

„Ich komme mit.“ Juls schleißst sich mir an und wir gehen aufs untere Deck und gehen in die erste Kabine.

„Was ist denn mit dir los?“ Juls sieht mich fragend an, als ich eine Hand auf meinen Bauch lege und tief durch atme.

„Dein Bruder ist ein Rätsel für mich und ganz ehrlich Juls, dein Dad ist der unheimlichste Mann, dem ich jemals begegnet bin. Wenn er mich ansieht, dann denke ich, er kann meine Gedanken lesen.“ Ich atme tief ein.

„Wenn deine Gedanken einen halbnackten Damian beinhalten, dann sollte er das wohl besser nicht wissen.“ Lacht sie.

„Du bist nicht im Geringsten Hilfreich Juliette Lawson.“ Rüge ich sie.

„Mein Dad ist eigentlich nicht so, nur wenn es um seine Familie geht, dann kennt er nichts…“ sagt sie aufmunternd und ich nicke leicht.

„Was hältst du davon, wenn wir uns etwas vom Buffet holen?“ ich sehe sie fragend an.

„Oh ja, ich sterbe vor Hunger.“ Juls hakt sich bei mir unter und wir gehen zum Buffet.

„Miss Thornton, welche Augenweide.“ Begrüßt mich James Sanford und ich nicke ihm zu.

„Mr. Sanford, Mr. Evans, Mr. Prescott, Mr. Kilkenny.” Ich nicke jedem kurz zu, nehme mir dann eine Kleinigkeit vom Buffet und geselle mich zu Tom und Juls an einen der Stehtische.

Der Abend verläuft gut, ich denke es sind an die 40 Leute hier und alle scheinen sich gut zu amüsieren. Nachdem sich alle etwas gestärkt haben baut sich ein Streichquartett auf und sanfte Klänge erfüllen die Luft.

„Würden sie mir die Ehre des ersten Tanzes gewähren?“ Mr. Lawson Senior erscheint neben mir und hält mir seine Hand hin.

„Eigentlich hatte den ihr Sohn für sich beansprucht.“ Gebe ich mit zittriger Stimme zurück und zu meiner Überraschung lächelt er leicht.

„Er wird sich mit dem zweiten Tanz begnügen müssen.“ Er macht eine kleine Verbeugung und ich ergreife zaghaft seine Hand.

Er führt mich auf die Tanzfläche, lässt mich eine kunstvolle Drehung vollführen und übernimmt die Führung.

„Sie wirken sehr angespannt Miss Thornton.“ Sagt er und ich wage es nicht aufzuschauen.

„Das tut mir leid.“ Entschuldige ich mich sofort und er lacht leise.

„Das muss ihnen nicht leid tun Everly.“ Kommt es nun von ihm und ich sehe erstaunt auf. „Ich bin nicht der Unmensch für den sie mich halten.“ Fügt er hinzu.

„Ich halte sie nicht…“ setze ich an.

„Ich bin mir meiner Wirkung auf meine Umwelt sehr wohl bewusst.“ Unterbricht er mich.

„Sie machen mir Angst.“ Gestehe ich schließlich und wieder lächelt er.

„Das war nicht meine Absicht…“ er lässt mich eine Drehung vollführen und ich lande wieder in seinen Armen „… Ich bin sehr vorsichtig was Juls und Damian betrifft, denn sie sind mir noch geblieben.“

„Ihr Verlust tut mir leid.“ Unterbreche ich ihn und beiße auf meine Unterlippe.

’Lass den Mann ausreden Everly Thornton, hast du gar keine Erziehung genossen?’ höre ich die Stimme meiner Mum und senke schuldbewusst meinen Kopf.

„Sie tun Juls gut, sie ist endlich in Irland angekommen und das erste Mal seit dem Tod von Virginia ist sie wieder sie selbst. Ich weiß sehr wohl, dass ich das auch ihnen zu verdanken habe. Sie haben, ob bewusst oder unbewusst, den Platz ihrer großen Schwester eingenommen und ich danke ihnen.“ Fährt er fort und ich schlucke leicht.

„Sie ist meine Freundin.“ Sage ich, als würde das alles erklären.

„Das weiß ich zu schätzen…“ das Lied ist zu Ende und er führt mich zurück zu Tom und Juls. „Vielen Dank für den Tanz Everly.“

„Ich danke ihnen Mr. Lawson.“ Ich nicke ihm leicht zu.

„Gregory.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Fingerknöchel und geht dann zu seiner Frau, während ich aus dem Augenwinkel sehe, wie Damian Lawson auf mich zusteuert.

Mein Herz schlägt so heftig in meiner Brust, das ich denke, es müsse gleich heraus springen.

„Nachdem sie mir den ersten Tag verwehrt haben, möchte ich sie um diesen Tanz bitten.“ Er hält mir seine Hand hin und ich ergreife sie, während Tom Juls auffordert.

Ich versuche ruhig zu bleiben, aber ihn so nah bei mir zu spüren macht mich nervös…

„Entspannen sie sich Everly.“ Haucht er mir ins Ohr und tatsächlich entspanne ich mich ein klein wenig.

’Halte ihn auf Abstand…’ hallt Jens Stimme in meinem Kopf wieder und ich wage es aufzusehen.

Ein schwerer Fehler, denn ich sehe ihm direkt in die Augen und mir läuft ein angenehmer Schauer über den Rücken.

„Sie sehen wirklich wunderschön aus.“ Flüstert er mir zu und lässt mich dabei nicht aus den Augen.

’Sag was!’ schreit meine innere Stimme.

„Danke sie auch.“ Ich versuche zu lächeln.

’Das war ja mal grandios Everly…’ lacht meine kleine gehässige Stimme und ich schließe kurz meine Augen.

„Sie tanzen wirklich gut.“ seine Hand streicht leicht über meinen Rücken und ich merke, wie sehr mein Körper auf seine Anwesenheit reagiert.

„Darf ich?“ Tom erscheint in meinem Gesichtfeld und Damian reicht ihm meine Hand, während er nach der von Juls greift.

Tom ist kein so guter Tänzer wie meine beiden Tanzpartner vorher, aber wir arbeiten uns zum Rand der Tanzfläche vor, was mir ganz gut passt, denn ich kann den Blick von Damian Lawson nicht mehr viel länger Stand halten…

„Du wirkst so angespannt Eve.“ Tom sieht mich besorgt an.
„Das ist nicht meine Liga.“ Ich sehe mich um.

Das hier ist unwirklich für mich, ich trage ein Kleid, was mehr kostet, als ich in einem halben Jahr verdiene und alle Anwesenden haben mindestens 6 Nullen mehr auf dem Konto wie ich, ich fühle mich verloren und deplatziert.

„Ach was…“ Tom lacht leise „Ich bin der Junge aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Limerick. Wenn du hier nicht her gehörst, dann ich genauso wenig.“ Er zwinkert mir zu. „Entspann dich und genieße den Abend, du siehst hinreißend aus und die Männerherzen fliegen dir zu.“ Er deutet auf Damian Lawson, der sich gerade mit Matthew Browser unterhält.

„Tom, das ist inakzeptabel.“ Ich sehe ihn vorwurfsvoll an.

„Was, findest du Matt so wenig reizvoll?“ er sieht mich erstaunt an.

’Gott Everly, er redet von Matthew…’ meine innere Stimme stöhnt gequält auf.

„Nein, nein… aber ich trenne privates und geschäftliches.“ Weiche ich aus und er sieht mich prüfend an.

„Lügen musst du lernen Schätzchen.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich merke wie ich rot werde. „Außerdem bin ich nicht blind.“ Fügt er vielsagend hinzu.

„ich muss mal eben frische Luft schnappen.“ Erntschuldige ich mich bei ihm und er nickt mir lächelnd zu. Auf dem Weg nach draußen kippe ich mir ein Glas Champagner auf Ex runter und es ist mir total egal, ob das jemand sieht.

Wenn ich den weiteren Abend überleben will, dann brauche ich etwas zu trinken.

’Clevere Taktik… Ist die schon jemals aufgegangen?’ seufzt meine innere Stimme und ich bin froh als ich an Deck ankomme und mir die kalte Dezemberluft ins Gesicht schlägt.

Ich genieße den atemberaubenden Anblick über den Hafen, die tanzenden Lichter auf dem Wasser und die Skyline.

Das hier ist nicht meine Welt, aber für den heutigen Abend ist sie das.

Wie bei Aschenputtel… nur muss ich nicht Punkt Mitternacht nach Hause.

Ich schließe meine Augen und meine Lungen füllen sich mit der kühlenden Luft.

„Sie haben sich heute aber fein gemacht Miss Thornton.“ Erklingt die schmierige Stimme von James Sanford, ich zucke zusammen und reiße meine Augen auf.

„Sie sehen auch sehr gut aus Mr. Sanford.“ Ich weiche einen Schritt zurück und versuche das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken.

„Wo wollen sie denn hin Herzchen?“ er macht einen Schritt auf mich zu und ich spüre die Reling in meinem Rücken.

„Ich gehe jetzt wieder rein.“ Meine Stimme klingt nicht nach mir und ich merke wie die Panik in mir aufsteigt.

Ich will ihm nicht so Nahe sein, ich will nicht, dass seine wulstigen Hände mich anfassen.

Er hält mich fest und zieht mich zu sich.

„Lassen sie mich los.“ Wimmere ich.

„Ach was, wenn du nicht wolltest, das dir jemand zu Nahe kommt, dann hättest du mit Sicherheit nicht ein solches Kleid angezogen…“ er fährt mir mit dem Fingen an meinem Ausschnitt entlang und ein Übelkeitsgefühl steigt in mir auf. „Weißt du, es ist ein ungeschriebenes Gesetzt, Assistentinnen sind Freiwild.“ Er sieht mich lüsternd an.

„Lassen sie mich los.“ Ich versuche seine Hand abzuschütteln, aber dieser Kerl ist zum einen größer wie ich und zum anderen schätzungsweise doppelt so schwer wie ich. Er drückt mich gegen die Reling und ich winde mich hilflos unter ihm.

’Es muss mir jemand helfen!’ flehe ich zu Gott.

Er beugt sich vor, presst seine Lippen auf meine und ich schmecke Zigarren und Cognac, mir ist speiübel und ich stemme meine Hände gegen seine Brust.

„Fassen sie mich nicht an.“ presse ich unter Anstrengung hervor.

Er lacht gehässig, holt aus und schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Sofort schießen mir Tränen in die Augen und meine linke Gesichtshälfte brennt.

„Ich sagte fassen sie mich nicht an.“ wiederhole ich, doch er holt erneut aus und trifft mich.

„So redest du nicht mit mir, niemand lässt mich abblitzen. Hat dir dein Chef keine Manieren bei gebracht?“ faucht er.

Mit dem dritten Schlag in mein Gesicht verlieren meine Highheels ihren Halt auf den glatten Planken und ich merke, wie ich das Gleichgewicht verliere.

Aber ich will mich nicht fest halten… Lieber gehe das Risiko eines Bades im eiskalten Wasser ein, als wie mich weiter von ihm demütigen zu lassen.

Er greift nach mir, versucht mich fest zu halten, aber ich schlage nach ihm und kippe rückwärts über die Reling.

Mit einem lauten Platsch lande ich im Wasser und es ist als würde all die Luft in meinen Lungen mit einem Schlag hinaus gepresst werden. Die Kälte des Wassers ist wie tausend Nadelstiche auf meiner Haut, ich rudere mit den Armen, versuche mich zu orientieren und merke, wie die Panik immer und immer mehr Besitz von mir ergreift.

Endlich kommt mein Kopf wieder an die Wasseroberfläche und ich hole tief Luft. In meinem Kopf herrscht das totale Chaos und ich versuche mich krampfhaft über Wasser zu halten, die Kälte kriecht in mich, betäubt meine Hände und Füße und ich merke, das mein Körper dem nichts entgegen zu setzen hat.

„Halt dich fest Eve!“ höre ich eine Stimme und mit einem Platsch landet ein Rettungsring neben mir im Wasser. Mit letzter Kraft halte ich mich daran fest und werde zu Anleger gezogen. Tom hilft mir aus dem Wasser, in dem er die kleine Leiter hinunter steigt und selber bis zu den Knien im Wasser steht. Er zieht mich in seine Arme und ich schluchze trocken an seiner Schulter.

Auf dem Anleger angekommen wickelt er mich in eine Decke ein und nimmt mich auf den Arm. Ich halte mich an ihm fest, ich will ihn nie wieder los lassen…

„Was machst du nur?“ flüstert er mir ins Ohr und wieder entweicht meiner Kehle nur ein trockenes Schluchzen.

Ich will etwas sagen, will ihm erklären, was passiert ist, aber meine Stimme gehorcht mir einfach nicht…

Er trägt mich auf die Yacht zurück und steigt mit mir die Stufen aufs Unterdeck hinunter.

„Wo ist Brandon?“ er sieht zu Juls, die mich erschrocken ansieht.

Damian Lawson kommt zu uns, tauscht einen Blick mit Tom aus und sieht sich suchend um.

„Brandon?“ ruft er in die Menschen hinein und die Musik verstummt.

„Ich bin hier.“ Dr. Johnson taucht aus der Menschentraube auf, die sich um mich gebildet hat.

Er wirft einen Blick auf mich, nickt Tom zu „Kommt mit.“ Bestimmt er und Tom trägt mich in eine der Kabinen und setzt mich auf einer Couch ab.

„Sie müssen die nassen Sachen ausziehen.“ Weist er mich an und ich versuche mit zittrigen Händen wenigstens meine Schuhe abzustreifen, aber meine Hände sind steif vor Kälte und ich sacke in mich zusammen.

„Warte.“ Dr. Johnson geht zur Tür „Juliette, kommst du bitte?“ ruft er hinaus und Juls kommt sofort herein. „Sie muss die nassen Sachen ausziehen.“ Sagt Dr. Johnson zu ihr und sie hilft mir aus dem nassen Kleid, aus meinen Schuhen und den Strümpfen, dann wickelt sie mich in mehrere Decken ein.

„Everly hörst du mich?“ fragt er besorgt und ich bringe unter zittern ein nicken zustande. „Ich untersuche dich jetzt kurz. Tut dir was weh?“

„Kopf.“ Bringe ich unter Anstrengungen hervor und er nickt leicht.

Er misst meinen Blutdruck, meine Temperatur und überprüft meinen Puls. Nach ein paar Minuten lässt das zittern ein wenig nach und angenehme Wärme breitet sich in mir aus.

Dann untersucht er vorsichtig mein Gesicht.

„Das sieht nach einem schweren Hämatom aus. Hast du dich gestoßen?“ er sieht mich fragend an und ich schüttele mit dem Kopf.

Ich würde so gerne die letzte Stunde aus meinem Gedächtnis streichen und niemals auf die Idee kommen, an Deck zu gehen.

Vielleicht wäre das dann alles nicht passiert…

„Ich besorge ihnen jetzt einen heißen Tee, sie haben wirklich Glück gehabt.“ Er sieht mich an und ich merke wie die Tränen in mir aufsteigen.

„Was ist denn passiert?“ Juls streicht mir eine Strähne meines nassen Haares hinter mein Ohr und befühlt vorsichtig mein Auge.

„Das würde ich auch gerne wissen.“ Damian Lawson ist unbemerkt von mir und Juls in die Kabine gekommen und sieht mich fragend an.

„Sanford ist mir zu Nahe gekommen, ich wollte weg, da war niemand.“ Schluchze ich und Juls sieht mich bestürzt an.

„Gott Eve.“ Sie nimmt mich in die Arme.

„Ich. War. Alleine.“ Flüstere ich „Er hat mich geschlagen, ich habe das Gleichgewicht verloren, weil er mich gegen die Reling gedrückt hat und dann fiel ich…“ ich schließe meine Augen „Es. War. So. kalt.“ Ich zittere immer noch am ganzen Körper.

„Er hat was?“ Lawson funkelt mich wütend an und ich weiß einen Moment nicht, ob die Wut mir oder Sanford gilt.

Ich sehe zu Boden und merke wie sich Lawson neben mich setzt und Juls Platz einnimmt.

„Ich hole deinen Tee.“ Sagt sie leise und schließt die Tür hinter sich.

„Was hat er gemacht?“ fragt Lawson neben mir und ich wage es nicht aufzublicken.

Wer glaubt mir denn schon?

Sanford ist ein reicher Unternehmer und ich nur die Assistentin von einem seiner Geschäftskunden.

Ein niemand…

Eine warme Hand legt sich unter mein Kinn. „Was hat er gemacht?“ er zwingt mich ihn anzusehen.

„Er hat mich geküsst…“ ich bekomme bei dem bloßen Gedanken daran eine Gänsehaut „… Ich habe mich gewehrt, er hat mich angefasst und mich dann geschlagen, weil ich ihm gesagt habe, er hat mich nicht anzufassen.“ Meine Stimme ist stockend und ich würde jetzt am liebsten aufstehen und gehen.

Aber mein Körper würde mir wahrscheinlich nicht gehorchen, also lasse ich es.

Damian Lawson sieht mich einen Moment lang nachdenklich an, dann geht die Tür auf und Sanford kommt herein gestürmt.

Sein bloßer Anblick reicht aus und ich zucke zusammen.

Lawson sieht ihn wütend an und steht dann auf.

„Was immer die kleine Schlampe erzählt hat, es stimmt nicht. Ich bin glücklich verheiratet, sie könnte meine Tochter sein.“ Er steht schnaufend in der Tür und ich sehe ihn angewidert an. „Außerdem hat sie sich doch den Champagner runter geschüttet wie Wasser, alles was sie sagt ist ihrem kleinen kranken Hirn entsprungen.“ Wettert er weiter gegen mich und ich kämpfe mit den Tränen.

„James, ich werde mich später mit dir darüber unterhalten.“ Lawsons Stimme klingt nicht feindselig wie ich es erwartet habe, sondern eher verständnisvoll.

Schockiert sehe ich ihn an.

’Was?’ schreit meine innere Stimme zitternd. Doch sie zittert nicht vor Angst oder Kälte, sondern vor Wut…

Juls kommt zurück und stellt mir eine Teetasse auf den Tisch.

„Ich will sofort nach Hause.“ Ich sehe sie an und sie sieht zu ihrem Bruder, welcher mich unsicher ansieht. Traurig senke ich meinen Blick…

’Ist doch klar das Lawson seinem Geschäftspartner glaubt… du bist nur seine ASSISTENTIN!’ wütet meine innere Stimme und ich schließe gequält meine Augen, weil ich weiß, das sie Recht hat.

„Sofort.“ Sage ich mit Nachdruck.

Ich versuche aufzustehen, doch meine Beine geben unter mir noch, Lawson will mir helfen und legt seinen Arm um mich.

„Fassen sie mich nicht an.“ zische ich und stehe endlich wieder auf meinen Beinen.

An der Tür muss ich an Sanford vorbei, sein Geruch lässt den Würgereiz erneut in mir aufsteigen und ich will einfach nur noch weg von hier.

„Sie haben doch nicht wirklich gedacht, dass auch nur einer ihnen glauben wird.“ Spottet er und ich sehe mich hilfesuchend nach einem Ausgang um.

„Kommen sie Miss Eve, ich bringe sie nach Hause.“ Paul ist plötzlich an meiner Seite und ich halte mich dankbar an ihm fest.

„Everly…“ Damian Lawson kommt hinter uns her.

„Lassen sie mich in Ruhe Mr. Lawson.“ Ich drehe mich zu ihm um „Mir reicht es für heute.“

Paul führt mich behutsam zum Wagen und setzt mich vorsichtig auf die Rückbank.

„Soll ich sie nicht lieber in ein Krankenhaus fahren?“ er dreht sich zu mir um, nachdem er ebenfalls eingestiegen ist.

„Nein, nein…“ winke ich ab „Ich will nur nach Hause.“

„Okay Miss Eve.“ Er dreht sich wieder um und startet den Motor.

20 Minuten später halten wir von meinem Haus und Paul hilft mir auszusteigen und bringt mich die Treppe hoch.

Ich schließe die Wohnungstür auf und stelle fest, dass ich alleine bin.

„Kann ich sie alleine lassen Miss Eve?“ erkundigt sich Paul besorgt.

„Ja, ich brauche nur ein heißes Bad, dann ist alles gut.“ Versichere ich ihm halbherzig und schließe die Tür hinter mir.

Ich höre wie sich Pauls Schritte entfernen und gleite weinend an der Tür zu Boden, haltlos schluchze ich und bekomme kaum Luft.

Nur ein Satz kreist in meinem Kopf: Er hat mich verraten!

Ich fühle mich hilflos, schutzlos und einsam…

So einsam wie noch niemals in meinem Leben.

Es kommt mir vor als liege ich schon seit Stunden auf dem Fußboden und das schluchzen will einfach nicht abebben. Mein Körper schmerzt und ich meine Gedanken drehen sich im Kreis.

Endlich habe ich so viel Kraft, das ich mich aufrappele und ins Bad gehe. Ich schalte das Licht an und schütze meine Augen vor dem grellen Licht. Langsam trete ich vor den Spiegel… mein linkes Augen ist angeschwollen und hat eine unnatürlich dunkle Schattierung, meine linke Wange ebenfalls und mein Kopf tut furchtbar weh. Mein Make up ist verlaufen und ich schüttele meinen Kopf.

Ich gehöre einfach nicht in diese Welt…

Dann sacke ich auf dem Badezimmervorleger zusammen und rolle mich ganz klein zusammen.

Ist es meine Schuld gewesen?

Hätte ich etwas anders machen können?

Irgendwann schlafe ich schluchzend auf dem Badezimmervorleger ein…

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gedemütigt und verraten gefühlt und das Schlimme ist, das ich nicht weiß, was schlimmer ist.

Die Demütigung von Sanford oder der Verrat von Lawson.

Fast dachte ich, er mag mich…

Fast dachte ich, dass alles irgendwie doch einen Sinn hat…

Ich höre wie der Schlüssel im Schloss herum gedreht wird und rolle mich noch mehr zusammen, ich will nicht, dass mich irgendjemand so sieht.

„Eve?“ höre ich Jen nach mir rufen, aber ich bin zu erschöpft um ihr zu antworten.

Sie öffnet die Badezimmertür ein Stück weiter, schlägt die Hände vor den Mund und stürzt zu mir.

„Gott Eve!“ sie nimmt mich in den Arm und streicht mir über die Haare, was mir nur ein weiteres Schluchzen entlockt.

Hinter sehe ich, wie Dr. Johnson unser Badezimmer betritt.

’Wo kommt der denn her?’ meine innere Stimme klingt erschöpft und kraftlos.

„Komm Süße, steh auf.“ Jen zieht mich behutsam auf die Beine und stützt mich ab, damit ich nicht wieder zusammen sacke. Ich sehe auf und mein Blick trifft den meinen im Spiegel. Miene blauen Augen wirken leer und stumpf, mein Gesicht ist blass und meine Wange und mein Augen sind mittlerweile blau und grün angelaufen…

Jen bugsiert mich in mein Zimmer und legt mich in mein Bett.

„alles wird gut.“ verspricht sie mir.

„Nein Jen.“ Ich sehe sie ausdruckslos an.

Dr. Johnson setzt sich auf meine Bettkante und holt sein Stethoskop heraus.

„Lassen sie mich alleine.“ Sage ich schwach und winke ab.

„Ich will nur nachschauen, ob es ihnen gut geht.“ Bittet er mich eindringlich.

’Ob es mir gut geht? Sind sie blind?’ meine innere Stimme scheint wieder zu Kräften gekommen zu sein und tobt.

„Nein, gehen sie und halten sie sich gegenüber Mr. Lawson an ihre Schweigepflicht, es geht ihn ein Scheißdreck an wie es mir geht.“ Ich funkele ihn an und er nickt seufzend.

„Sicher Miss Thornton. Lassen sie es mich wissen, wenn ich etwas für sie tun kann.“ Er packt seine Sache wieder zusammen, legt seine Karte auf meine Kommode und verlässt mein Zimmer. Müde schließe ich meine Augen und Jen begleitet ihn zur Tür.

Ein paar Sekunden später legt sie sich zu mir ins Bett.

„Was ist denn nur passiert?“ sie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und ich beginne zu weinen.

Sie hält mich einfach nur fest, sie stellt keine weiteren Fragen und lässt mich einfach weinen.

Nachdem ich mich beruhigt habe sehe ich sie an.

„Es war schlimm Jen, richtig schlimm.“ Flüstere ich.
„Was denn nur?“ sie sieht mich besorgt an.
„Einer von Lawsons Geschäftspartnern hat mich angefasst, ich habe mich gewehrt…“ ich schließe bei dem Gedanken an die gestrige Nacht gequält meine Augen „…Er hat mich geschlagen und ich bin über Bord gegangen, weil ich eher in Kauf nehmen wollte im Eiswasser unterzugehen, als mich weiter von ihm demütigen zu lassen.“

„Oh mein Gott…“ sie presst mich wieder an sich. „Was hat Lawson gemacht?“

„Erst einmal hat mich Tom raus gezogen und als ich Lawson alles erzählt habe, tja… Was hat er gemacht? Er hat seinem Geschäftspartner geglaubt. Ich habe zu viel getrunken und wüsste nicht, was sich sage.“ Ich sehe sie an und wieder steigen Tränen in mir auf.

„Dieses arrogante, aufgeblasene Arschloch…“ sie sieht mich bestürzt an „Und damit meine ich Beide. Dieser Sanford ist ein Widerling. Du musst ihn anzeigen.“

„Nein…“ erwidere ich schwach. „Ich will es einfach vergessen.“ Ich kuschele mich an sie.

Ich schlafe wirklich schlecht in dieser Nacht, in jedem meiner Träume sehe ich immer und immer wieder James Sanfords gehässiges Grinsen und immer und immer wieder schrecke ich davon hoch.

Ich will diesen Abend einfach nur vergessen…

Jen hält mich fest in den Armen und redet beruhigend auf mich ein, bis es die gewünschte Wirkung erreicht. Mitten in der Nacht telefoniert sie mit Ray und er verspricht am Morgen vorbei zu kommen.

Tatsächlich liege ich alleine im Bett, als ich aufwache und stehe langsam auf. Jeder Knochen in meinem Körper scheint mir weh zu tun, ich ziehe mir ein weites T-Shirt über und gehe in die Küche.

„Hey Eve…“ Ray steht auf und nimmt mich in den Arm „Das sieht böse aus.“ Er betrachtet mein Auge und ich zucke zusammen, als er es leicht berührt.

„Ich muss duschen.“ Sage ich mehr zu mir, als wie zu ihm und Jen.

Ich trage immer noch die Unterwäsche von Freitagabend und ich brauche dringend andere Sachen auf meiner Haut.

„Möchtest du was essen?“ fragt mich Jen erwartungsvoll und ich will meinen Kopf schütteln, bis ich ihren besorgten Blick sehe und ganz leicht nicke.

Als ich ins Badezimmer trete, stelle ich Dusche an, pelle mich aus meinen Sachen und stiege unter den heißen Strahl.

Es ist angenehm, meine Kopfhaut prickelt und ich lehne mich erschöpft mit meiner Stirn an die Fliesen.

Nach einer halben Stunde trete aus der Dusche in das mit Kondenswasser angereicherte Bad, ich stehe vor dem Spiegel und wische langsam den Dunst beiseite. Mein Auge und meine Wange schillern in verschiedenen Grün- und Blautönen und ich sehe, obwohl ich in den letzten Tagen so viel geschlafen habe, einfach nur müde aus.

Ich ziehe mir neue Unterwäsche, einen dicken Kuschelpullover und eine Jogginghose an und gehe zu Ray und Jen ins Wohnzimmer.

Ray zieht mich in seine Arme und ich lege meinen Kopf auf seine Brust, er zwingt mich nicht zum reden und redet beruhigend auf mich ein. Er erzählt mir das Neuste von seiner Familie und Jen macht uns was zu Essen.

Mühsam esse ich ein wenig, von dem wirklich guten Hühnchen und rolle mich dann auf der Couch zusammen.

Ich habe nur etwas gegessen, weil ich weiß, dass Jen sich wirklich Sorgen um mich macht.

Ich fühle mich wie ein blinder Passagier in meinem Körper, alles erscheint mir unwirklich, gerade so, als würde ich mir aus einer anderen Perspektive zusehen…

Es ist befremdlich und der Verrat von Lawson schmerzt mehr, wie das eigentliche Geschehen.

Aber ich stecke jetzt nicht den Kopf in den Sand, ich bin so kurz davor mein Ziel zu erreichen, die letzten Wochen überstehe ich auch irgendwie.

Um 22 Uhr rappele ich mich auf und Jen und Ray sehen mich fragend an.

„Willst du zu Bett?“ Ray steht ebenfalls auf und ich nicke.

„Ich muss morgen früh hoch, ich will nicht zu spät im Büro sein.“ Erkläre ich ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht Ray.“ Sage ich leise und beuge mich zu Jen runter. „Schlaf schön Jen.“

„Aber…“ setzt Jen an.

„Nein, alles gut.“ Ich winke ab „Ich danke euch.“ Füge ich hinzu und Jen sieht mich traurig an.

„Ich habe dich sehr lieb.“ Sagt sie leise und ich nicke.

„Ich dich auch Jen.“ Ich gehe ins Bad und anschließend ins Bett.

Mein Blick fällt auf meine Clutch und ich nehme mein Handy heraus, wie nicht anders zu erwarten ist der Akku leer und ich verkabele es mit dem Ladegerät. Kaum das es am Strom ist piept und vibriert es, aber ich mache mir nicht die Mühe nachzusehen, sondern stelle es auf lautlos und lege mich ins Bett.

Ich starre hinaus in die dunkele Nacht Dublins, ich will die Vorhänge nicht schließen, denn dann ist es stockdunkel in meinem Zimmer und das kann ich im Moment einfach nicht ertragen. Wieder einmal sammeln sich Tränen in meinen Augen, aber dieses Mal schlucke ich sie tapfer runter.

Ich will nicht wegen ihm weinen.

Nicht wegen Lawson und schon gar nicht wegen Sanford, denn das haben sie Beide nicht verdient.

Ich schlafe unruhig und fühle mich wie gerädert am nächsten Morgen, dennoch mache ich mich fertig, versuche mein Feilchen so gut es eben geht zu überschminken und schlüpfe in eines meiner grauen Kostüme.

Ich nicke meinem Spiegelbild aufmunternd zu.

’Durchhalten Everly!’ meine sonst so gegen mich arbeitende innere Stimme macht mir Mut und ich setze meine Sonnenbrille auf.

Als ich bei der Reinigung anhalte und meine Sonnenbrille absetze sieht mich Mr. Stone bestürzt an.

„Kindchen. Was ist ihnen denn passiert?“ er reicht mir Lawsons Anzüge und meine Kostüme.

„Ich war nur ungeschickt.“ Winke ich ab und versuche zu lächeln.

„Passen sie ein wenig besser auf sich auf.“ Er winkt mir hinterher als ich meinen Weg fortsetze.

Als ich in den Fahrstuhl steige überkommt mich ein komisches Gefühl, aber auch das schlucke ich runter, atme tief durch und steige im 7. Stock aus.

„Gott Eve!“ Liv kommt sofort zu mir und ich seufze leicht.

„Was ist denn nur passiert?“ sie nimmt mir meine Sonnenbrille ab und betrachtet mich eingehend.

„Nichts weiter.“ Wehre ich ab und will meinen Weg fortsetzen.

„Eve?“ sie sieht mich lange an und ich schüttele leicht meinen Kopf.

„Okay…“ sagt sie sanft „Ich besorge dir ein Coolpack, das hältst du dann da rauf.“ Fügt sie hinzu und ich nicke.

Widerstand wäre eh zwecklos…

„Bekomme ich dann auch einen Kaffee?“ ich verziehe das Gesicht zu einem kleinen lächeln.

„Aber sicher.“ Sie nickt mir zu und ich gehe ins Büro.

Ich fahre meinen Laptop hoch und arbeite an den Berichten von Freitag weiter, denn der Datentransfer funktioniert mal wieder nicht.

„Everly? Was machen sie hier?“ begrüßt mich Lawson und sieht mich besorgt an.

„Ich bin auf der Arbeit, da wo ich hin gehöre.“ Erwidere ich, blicke nicht auf und presse meine Lippen zusammen.

Ich will nichts sagen, was ich später bereuen kann.

Ich starre so sehr auf meinen Bildschirm, dass die Buchstaben beginnen zu verschwimmen.

„Hier Eve, kühl dein Auge.“ Liv drückt mir ein Kühlpack in die Hand „Und hier ist dein Kaffe, extra stark, du siehst aus, als könntest du ihn gebrauchen.“ Sie zwinkert mir zu und stellt dann auch Lawson eine Tasse auf den Tisch.

Mein I-Phone vibriert und ich nehme es zur Hand.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Befinden

 

Wie geht es ihnen Everly? Meine Mum, Julie und Thomas haben versucht sie zu erreichen und Dr. Johnson sagte mir, dass sie sich nicht untersuchen lassen wollten. Ich habe mir Sorgen gemacht.

Damian

 

’Was zur Hölle soll das? Erst rammt er dir im übertragenden Sinne ein Messer in den Rücken und jetzt dreht er es in der Wunde herum?’ meine innere Stimme ist mehr wie empört.

Ich gehe auf antworten und das Display leuchtet bei meinem festen Druck in allen Regenbogenfarben.

Ich bin so wütend auf ihn, wütend und enttäuscht.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

Betreff: Umgangsformen

 

Mr. Lawson, ich würde es begrüßen, wenn sie mich wieder mit Miss Thornton ansprechen würden. Sie sind mein Chef und ich ihre Angestellte, Vornamen haben im Berufsleben nichts zu suchen. Es sei denn, man gehört zu den oberen 10.000 von Dublin. Dazu gehöre ich nicht und will ich auch nicht gehören.

Richten sie ihrer Mutter und Juliette aus, das es mir gut geht.

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und widme mich dann wieder meinen Berichten.

Ein kleines Pop - up erscheint auf meinem Monitor, der erste Termin des Tages ist da und ich merke, das auch der Datenaustausch angefangen hat.

„Ihr 9 Uhr Termin ist da. Ich werde sie nicht begleiten, denn ich werde die Termine von morgen zusammenstellen.“ Erkläre ich Lawson.

„In Ordnung Miss Thornton.“ Erwidert er.

„Immer doch Sir.“ Ich merke, dass meine Stimme vielleicht etwas zu ironisch klingt, aber ich widme mich einfach weiter meiner Arbeit. In meiner Mittagspause schreibe ich Tom und Juls eine Mail und sage ihnen, dass es mir gut geht.

Wie weit das von der Wahrheit entfernt ist, müssen sie nicht wissen, denn noch niemals in meinem Leben habe ich mich so schlecht gefühlt.

Aber das ist etwas, was ich mit mir selbst ausmachen muss…

In den nächsten Tagen arbeite ich stur vor mich hin und vermeide es ihn anzusehen oder mit ihm zu sprechen, wenn es denn nicht unbedingt sein muss.

Ich bin unendlich erleichtert, als es am Freitag auf den Feierabend zugeht, denn ich fühle mich nicht besonders Wohl. Mein unfreiwilliges Bad in der Dublin Bay hat mir eine fürchterliche Erkältung beschert. Allerdings stopfe ich mich fürs Büro mit so viel Anti-Grippe Mitteln voll, das es ein Wunder ist, das ich noch nicht am Laptop eingeschlafen bin.

„Ich bin für heute fertig. Wir sehen uns Montag Mr. Lawson.“ Ich nehme mir meinen Mantel und ziehe ihn mir über.

Ich drehe mich um und greife nach meiner Tasche, als ich realisiere, dass er vor meinem Schreibtisch steht.

„Bitte Everly…“ sagt er leise und ich höre tatsächlich Unsicherheit aus seiner Stimme.

„Das war alles für heute.“ Ich dränge mich an ihm vorbei, doch er hält mich am Handgelenk fest.

„Ich bitte dich.“ Sein Blick dringt in meine Seele, doch ich entwinde mich ihm und schüttele mit dem Kopf.

„Auf Wiedersehen.“ Damit verlasse ich das Büro und falle, kaum das ich zu Hause bin, wie erschlagen ins Bett.

’Was denkt der sich eigentlich? Denkt er, ich kann vergessen, das er mir nicht geglaubt hat?’ ich schließe meine Augen und schlafe dann auch schon…

Die nächste Woche zieht sich quälend in die Länge und da mein Gesicht wieder normal aussieht, begleite ich Lawson wieder zu seinen Meetings und Geschäftsessen.

Dann ist endlich Freitag, dann habe ich erst einmal frei… Weihnachtsfrei.

Ich wusste gar nicht, dass es das in der Sklavenhaltung gibt?

Ist es Sklaven wirklich gestattet Weihnachten zu feiern?

Von mir aus könnte ich auch alle Feiertage arbeiten, ich stehe eh völlig neben mir, da würde es darauf auch nicht ankommen.

Aber so?

Ich werde die Feiertage im Bett verbringen und hoffen, dass ich meine Erkältung endlich los werde, denn mein Körper ist nach zwei Wochen Erkältungsattacken ziemlich geschwächt. Ich habe dem einfach nicht mehr viel entgegen zu setzen…

Ich bin in meine letzten Abrechnungen vertieft, als am Freitag um kurz nach 9 Uhr Morgens mein Apparat klingelt und ich gehe erstaunt ran.

Eigentlich ist Liv für die eingehenden Gespräche verantwortlich.

„Büro Damian Lawson, Everly Thornton am Apparat.“ melde ich mich verwirrt.

„Hallo Eve, hier ist Juls. Sag mal hast du heute Nachmittag Zeit? Ich würde gerne mit dir einen Kaffee trinken. Ich möchte mich überzeugen, dass es dir wirklich gut geht und Mum hält es für eine richtig gute Idee. Natürlich nur, wenn Damian nichts dagegen hat. 16 Uhr? Dann kann ich mit Damian nach seinem letzten Termin zusammen nach Hause fahren.“ Sprudelt es aus ihr heraus und ich lächle leicht.

In den letzten beiden Wochen haben wir ein paar Mal telefoniert, aber wie haben es nicht geschafft uns zu sehen.

Ich gebe zu, ich würde mich auf ein paar ruhige Stunden mit freuen.

„Von mir aus gerne. Warte ich stelle dich zu deinem Bruder durch.“ Ich drücke ein paar Tasten auf meinem Telefon und sehe zu ihm.

„Juliette auf der 1.“ Teile ich ihm mit und er nimmt ab.

Die Beiden sprechen kurz mit einander, dann steht er auf und kommt zu meinem Schreibtisch.

„Natürlich können sie mit Julie einen Kaffee trinken gehen.“ Sagt er leise und ich sehe auf. Seine Augen wirken irgendwie verloren, von dem einstigen Blick der mich in die Hölle jagte ist außer Verzweiflung nicht mehr viel geblieben.

„Danke Sir.“ Erwidere ich steif und widme mich wieder meinen Papieren.

„Miss Thornton, ich möchte, dass sie eins wissen…“ er verschränkt die Arme vor der Brust „… Ich habe den Vertrag mit der Hastings Group mit sofortiger Wirkung gekündigt.“

Verwirrt schnellt mein Kopf in die Höhe und ich sehe ihn perplex an.

„Wieso?“ frage ich leise.

„Da fragen sie noch? ...“ sein Blick wird erstaunt „Ich lasse nicht zu, dass sich ein Mann so verhält, wie es James Sanford getan hat. Mit einer Firma, die hinter so einem Mann steht, will ich nicht zusammen arbeiten. Niemand hat das Recht sich einer Frau auf diese Art und Weise zu nähern und ihnen schon gar nicht.“ Er nickt ganz leicht und ich starre ihn immer noch verwirrt an. „Können sie bitte den Termin mit Matthew Browser auf heute Nachmittag 17 Uhr im Yachtclub legen? Ich denke, meine Besprechung mit den neuen Zulieferern wird länger dauern.“ Er sieht zur Uhr und ich nicke perplex.

’JA!!! Er hat dir geglaubt!’ jubelt meine innere Stimme und ich versuche dem Chaos meiner Gedanken und Gefühle irgendwie Herr zu werden…

Ich brauche fast eine halbe Stunde, ehe ich zum Telefon greife und Matthew anwähle.

„Matthew Browser.“ Meldet sich die mir inzwischen schon sehr vertraute Stimme von ihm.

Lawson und er treffen sich mindestens alle 2 Wochen und besprechen das Wachstum der einzelnen Abteilungen.

„Matt, hier ist Eve. Du hast heute einen Termin mit Damian.“ Beginne ich.

„Ja, um 11:00 Uhr.“ Erwidert er erstaunt.

„Kannst du um 17 Uhr? Er hat noch eine wichtige Besprechung dazwischen bekommen.“ Bitte ich ihn inständig.

„Klar Eve, für dich tue ich was alles. Soll ich in sein Büro kommen, oder ist der Yachtclub in Ordnung?“ fragt er nach und ich sehe in den Plan.

„Der Yachtclub ist in bester Ordnung. Ich danke dir so sehr.“ Ich atme erleichtert aus und tippe auf meinen Tasten herum.

„Dafür nicht. Wir sehen uns später.“ Erwidert er fröhlich.

„Heute nicht Matt, ich treffe mich mit Juls, vielleicht nächstes Mal wieder.“ Ich lege schwer atmend auf.

Meine Hand fährt über meine Stirn auf der der kalte Schweiß steht, eigentlich dachte ich, das Fieber muss langsam mal runter gehen.

Ich greife in meine Tasche und nehme eine weitere dieser tollen Mach – mich – schnell - gesund Pillen und versuche mich zu konzentrieren.

Ich habe nur noch wenige Tage, wir haben den 20.12., ich muss das alles bis zum Jahresende fertig bekommen…

„Haben sie Matthew erreicht?“ kurz vor 16 Uhr kommt Lawson endlich aus seiner Besprechung.

„Ja, er erwartet sie in einer knappen Stunde im Yachtclub.“ Antworte ich und speichere den letzten meiner Berichte für heute, Juls will gleich kommen und ich freue mich wirklich auf sie.

Ich wische mir wieder fahrig über die Augen und er sieht mich besorgt an.

„Geht es dir gut Everly? ...“ er legt seine Stirn in Falten „Ich meine, geht es ihnen gut Miss Thornton?“ verbessert er sich.

„Ja, alles gut.“ Ich winke ab und atme tief durch.

„Mir ist aufgefallen, dass sie noch keine Spesenabrechnung eingereicht haben.“ Er setzt sich an seinen Schreibtisch und blättert in seinen Unterlagen.

„Ich habe keine Spesen abzusetzen.“ Gebe ich zurück und schlüpfe in meinen Mantel.

„Aber das Essen gehen, die Ausflüge, die Kaffees mit Julie. Sie müssen mir doch dafür die Quittungen geben.“ Er sieht mich an und ich lächle.

„Juls ist meine Freundin und kein Geschäftstermin.“ Erkläre ich ihm.

„Aber…“ setzt er an.

„Nein Damian, sie ist meine Freundin.“ Unterbreche ich ihn und er lächelt nun ebenfalls.

Ein Ausdruck der Erleichterung erfasst sein Gesicht und ich nicke ihm kurz zu.

Friedensangebot?

Ja.

„EVE!“ Juls kommt ins Büro gestürmt und strahlt mich an.

„Hey Juls!“ ich nehme sie kurz in den Arm

„Du bist aber ganz schön heiß.“ Sie zwinkert mir zu und ich lache leicht verlegen.

„Ich schwitze in meinem Mantel. Komm lass uns gehen. Ins Mirou?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Klar, da ist doch der süße Kellner.“ Sie hakt sich bei mir unter und winkt ihrem Bruder zu.

„Bis später Bruderherz!“ lacht sie und wir besteigen den Fahrstuhl.

„Bevor wir einen Kaffee trinken gehen, will ich noch ein paar Geschenke kaufen, wenn das Okay ist.“ Sie sieht mich fragend an und ich nicke.

Zwar ist mir jetzt nicht nach einem Einkaufsmarathon mit Juls, aber ich kann ihr irgendwie keinen Wunsch abschlagen. Obwohl mir jeder Knochen in meinem Körper weh tut, lasse ich mich überreden und wir entern die nächste Shoppingmall.

Tatsächlich ist es schon weit nach 18 Uhr, als Juls endlich alles zusammen hat und auch ich eine Kleinigkeit für Jen, Ray und Will gekauft habe.

Vielmehr Menschen habe ich ja nicht zu beschenken.

Mein Freundeskreis ist sehr überschaubar und an meine Familie möchte ich jetzt nicht denken…

Es gibt nur noch mich und Landon.

Oh Landon….

„Wenn du noch das Gedicht für deine Grandma fertig bekommen willst, dann müssen wir uns jetzt ein Café suchen.“ Ich sehe auf mein Baby, als dieses in meine Hand vibriert. Juls sieht mich mit einer hoch gezogenen Augenbraue an, es liegt auf der Hand, wer sich meldet.

„Mein Bruder.“ Stellt Juls eher fest als sie fragt und ich nicke, als ich auf meinen E-Mail Eingang gehe.

 

von: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

an: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

Betreff: Julie

 

Everly, könntest du Julie zu mir in den Yachtclub bringen? Matt und ich brauchen wohl noch etwas länger.

Damian

 

„Dein Bruder möchte, dass ich dich in den Yachtclub bringe, dann können wir ja da das Gedicht fertig machen. Was meinst du?“ ich sehe zu Juls und sie nickt.

Ich ziehe sie zu mir und wir steigen zu Paul in den Wagen.

„Guten Tag die Ladies. Wo darf ich denn Miss Juls und Miss Eve hinbringen?“ er dreht sich zu uns um und lächelt breit.

„Zum Yachtclub bitte.“ Ich nicke ihm zu und verdrehe leicht die Augen.

Er lacht und fährt los. Ich sehe aus dem Fenster und Juls ergreift meine Hand, als wir uns die wunderschön geschmückten Häuser ansehen.

„Virginia liebte Weihnachten.“ Sagt sie leise.

„Ich auch, es ist fast magisch.“ Ich lächle sie an und sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter.

„Danke, dass du meine Freundin bist.“ Flüstert sie und ich hauche ihr einen Kuss auf ihre, nach Himbeeren riechenden, Haare.

„Ich bin froh, durch dich fühle ich mich irgendwie, als hätte ich noch eine Familie.“ Gestehe ich ihr „Meine kleine Schwester.“

„Du hast eine Familie…“ sagt sie sicher „Deine Freunde werden immer deine Familie sein und ich immer deine Schwester.“

Ich schlucke, es rührt mich, wie einfühlsam sie ist und ich bin auch ein wenig stolz, denn ich weiß, ich habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet…

Nach 20 Minuten lässt uns Paul vor dem Yachtclub raus und ich und Juls laufen hinein, denn es ist ganz schön kalt. Weiter unter Null Grad und vielleicht bekommen wir ja endlich mal wieder eine weiße Weihnacht.

Kaum sind wir eingetreten, werden wir vom Personal in Empfang genommen und in einen Separée gebracht, mittlerweile kennt man mich hier und braucht nicht mehr zu fragen wer ich bin und zu wem ich gehöre.

Matthew steht sofort auf, als er uns entdeckt und wird erst einmal von Juls begrüßt.

„Ich wusste ja nicht, dass du sein Termin bist.“ Sie strahlt übers ganze Gesicht.

„Na Kleines, wie geht es dir?“ er gibt ihr einen Kuss auf die Wange.

„Super, Eve und ich waren bis eben Weihnachtsgeschenke einkaufen.“ Erzählt sie ihm stolz und ich hakte ein paar der Tüten hoch.

„Hallo Eve.“ Matthew strahlt mich an.

„Hallo Matt.“ Erwidere ich grinsend. „Ich und Juls werden dann noch ein letztes Weihnachtsprojekt in Angriff nehmen. Wir setzen uns an den Nebentisch.“ Ich sehe zu Lawson und er nickt lächelnd.

Ich merke, das ich ihm mit meinem Friedensangebot eine Last von den Schultern genommen habe, auch wenn ich noch nicht weiß, was ich im Großen und Ganzen davon halten soll und es ist erstaunlich, wie jugendlich er durch das entspannte lächeln wirkt.

„Möchtest du auch ein Glas Wein Eve?“ Matt sieht zu mir rüber.

„Nein danke, heute lieber nicht.“ Winke ich ab.

„Komm schon Eve, es ist Wochenende.“ Er sieht mich belustigt an.

„Ein Glas.“ Willige ich ein.

Ich weiß zwar nicht, ob sich das so gut mit meinen Medikamenten verträgt, aber viel schlechter kann es mir danach auch nicht gehen.

Matt grinst und der Kellner stellt mir ein Glas Rotwein auf den Tisch.

Ich proste den beiden Männern zu und probiere den Wein, er ist wirklich ausgezeichnet. Fruchtig, rund und vollmundig.

Ich sehe zu Juls und sie legt ein Blatt Papier auf den Tisch. Dann beraten wir uns, wie genau denn ihr Weihnachtsprojekt aussehen soll und sind schon ein paar Minuten später vertieft in unsere Arbeit.

Es macht Spaß und Juls ist richtig gut in so etwas, ich merke, wie Lawson mich immer wieder ansieht und dann leicht lächelt.

„Was ist denn mit dem los?“ fragt mich Juls leise und deutet auf ihren Bruder.

„Was meinst du?“ erwidere ich flüsternd.

„Er ist das erste Mal seit Wochen mal nicht grummelig, angespannt und zum davon laufen.“ Erklärt sie mir und ich lege meinen Kopf schief.

„Der freut sich bestimmt auf Weihnachten.“ Winke ich ab und Juls lacht.

„Ganz bestimmt und ich bin der Osterhase.“ Sie zeigt mir einen Vogel.

„Konzentrier dich jetzt Häschen, sonst wirst du nie fertig.“ Necke ich sie, tatsächlich sind wir zwei Stunden später fertig und auch Matt und Lawson scheinen ein Ende gefunden zu haben.

„Setz euch doch noch zu uns.“ Matt strahlt und winkt mich und Juls zu ihnen an den Tisch.

„Nein, ich muss nach Hause. Ein anderes Mal gerne.“ Ich winke ab und nehme meinen Mantel.

Ich komme hoch, in meinem Kopf dreht sich plötzlich alles und ich versuche mich am Tisch fest zu halten.

Damian Lawson erkennt die Situation sofort, er springt auf und fängt meinen Fall ab, ehe ich Bekanntschaft mit dem Holzfußboden mache.

„Everly, alles in Ordnung?“ er sieht mich besorgt an.

„Ja.“ Hauche ich und versuche mich auf zu rappeln.

„Gott, du glühst ja.“ Er sieht mich bestürzt an und legt seine Hand auf meine Stirn.

’Oh, die ist so schön kühl…’ leiert meine innere Stimme geschwächt. „Der Teufel hat kühlende Hände?“ fragt sie dann erstaunt.

„Alles gut.“ Winke ich fahrig ab.

„Nein, nichts ist gut.“ Er zieht mich behutsam auf die Beine.

Wenn ich stehe und gerade aus sehe, dann sehe ich nur auf seinen Brustkorb, also hebe ich gezwungener Maßen meinen Kopf an.

„Du siehst krank aus.“ Sagt er leise.

„Danke Sir.“ Gebe ich zurück.

„Matt, fährst du Juls ins Haus? Ich muss mich um Eve kümmern.“ Er sieht zu Matthew und dieser scheint zu nicken, dann er legt seinen Arm fest um mich und wir gehen raus.

’Hat er mich gerade Eve genannt? Und Juls tatsächlich Juls?’ meine innere Stimme kann den Geschehnissen nicht ganz folgen.

Die kalte Luft ist wie ein Schlag ins Gesicht und ich sinke in seine Arme.

„Gott Everly.“ Er nimmt mich auf den Arm und trägt mich schnell zum Auto. Er steigt mit mir hinten ein und mein Kopf ruht auf seinem Schoß.

„Zu Everly nach Hause.“ Weist er Paul an und dieser fährt los.

„Es geht mir gut.“ wispere ich.

„Nein Eve, dir geht es nicht gut.“ sagt er bestimmt und streicht mir eine Strähne meines schweißnassen Haares aus dem Gesicht. Ich merke wie meine Lider schwer werden und kurz darauf bin ich eingeschlafen.

Gefühlte Stunden später halten wir und er trägt mich die Treppe zu meiner und Jens Wohnung hinauf.

Er klingelt und eine schockierte Jen öffnet ihm die Tür.

„Eve, was ist mit dir?“ sie streicht mir eine Strähne, die mir ins Gesicht gefallen ist, aus dem Gesicht.

„Wo ist ihr Zimmer?“ Fragt Damian sie und sie zeigt den Flur entlang.

„Ich kann selber gehen.“ Wimmere ich, wohl weißlich, dass ich das mit Sicherheit nicht kann.

„Sei nicht albern.“ Ertönt Damians tiefe Stimme über mir und ich merke, wie ich auf mein Bett gelegt werde.

„Ich rufe Dr. Johnson an, passen sie auf sie auf Jennifer.“ Höre ich ihn sagen, ehe sich seine Schritte entfernen.

„Was machst du denn?“ Jen beugt sich über mich und hilft mir aus meinem Mantel und meinen Blazer, dann knöpft sie meine Bluse auf, hilft mir aus meinem Rock und meinen Strümpfen und steckt mich dafür in ein weites T-Shirt und deckt mich mit meiner Patchworkdecke zu.

Damian kommt zurück und meine Lider werden wieder schwer.

Merke: Wein und Medikamente vertragen sich nicht… mache ich eine Notiz für mich selber.

„Er ist in 10 Minuten hier.“ Ich merke wie sich mein Bett auf der einen Seite senkt, als er sich hinsetzt.

Dann spüre ich seine kühle Hand auf meiner kochenden Stirn. „Sie glüht.“ Sagt er leise.

„Sie ist schon seit 2 Wochen krank…“ sagt Jen leise „Zwei, drei Tage nach ihrem Bad in der Bay. Ich habe sie bekniet zum Arzt zu gehen, aber sie stopft lieber diese Anti Grippe Mittel ins sich rein.“ Ich höre den Ärger in Jens Stimme.

„Warum hat sie nichts gesagt?“ höre ich Damian erstaunt fragen.

„Weil sie sie nicht enttäuschen will, obwohl sie sich von ihnen verraten fühlt.“ Erklärt ihm Jen.

„Wieso verraten?“ fragt er erstaunt.

„Sie haben ihr nicht bei gestanden, sie glauben ihr nicht was diesen Sanford angeht.“ Sie schnaubt verächtlich.

„Natürlich habe ich ihr geglaubt, aber ich konnte nicht riskieren auf meiner Yacht eine Szene zu machen, gleich am nächsten Tag habe ich sämtliche Verträge mit Sanfords Firma fristlos gekündigt. Ich bin vor Angst um sie wie gelähmt gewesen.“ Er atmet tief durch.

’Er hatte Angst um dich.’ Wimmert meine innere Stimme.

„Mögen sie sie?“ fragt Jen leise und ich stöhne leise.

Warum in aller Welt tut sie das?

Er scheint einen Moment nachzudenken „Ja, ich mag sie.“ Sagt er schließlich „Ehrlich gesagt, war ich wegen ihr in den Staaten…“ ich kann quasi sehen wie er leicht lächelt „Erst hat sie mich in den Wahnsinn getrieben und dann merkte ich, das ich mehr für sie zu empfinden begann. Ich musste raus, ich musste das alles mit Abstand betrachten.“

„Sie hätten mir ihr reden müssen.“ Sagt Jen traurig.

„Sie hat wirklich gedacht, ich stehe zu Sanford und nicht zu ihr und trotzdem ist sie weiterhin zur Arbeit gekommen?“ ich höre die Ungläubigkeit in seiner Stimme.

„So ist sie. Eve ist der aufrichtigste, ehrlichste und gütigste Mensch den ich kenne. Selbst wenn ihr ein Messer in den Rücken gestochen wird, dann dreht sie sich um und bietet auch noch die Vorderseite an.“ Gibt sie zurück.

„Bin ich so ein schlechter Mensch?“ kommt es leise von ihm.

„Nein, nur um es mit Eve Worten auszudrücken, der Teufel persönlich. Gutaussehend aber wahnsinnig arrogant, Kontrollsüchtig und nicht sehr freundlich. Es hat sie sehr verletzt, dass sie dachte, sie haben ihr nicht geglaubt. Ich habe sie noch nie so leiden sehen.“ Ich höre wie er scharf Luft einzieht.

Wie viel hat Jen getrunken?

’Weiß sie mit wem sie da redet?’ krächzt meine innere Stimme.

„Sie hat nie ein Wort gesagt und ich weiß, sie nimmt keinen Blatt vor den Mund.“ Erwidert er nun.

„Mr. Lawson mit allem nötigen und unnötigen Respekt. Sie haben keine Ahnung wer die wahre Everly ist. Das da… ist es jedenfalls nicht. Die echte Eve habe ich seit fast 2 Jahren nicht mehr gesehen. Ab und zu blitzt sie Mal auf, aber das da ist sie nicht.“ Sie lacht leise „Sie haben nicht einmal eine Ahnung, warum sie das macht, oder?“

„Nein.“ Antwortet er leise.

Es klingelt und ich merke wie Damian aufsteht.

Ich höre wie durch Watte Dr. Johnsons Stimme und merke nur ansatzweise, wie er mich abhorcht, Fieber misst und meinen Puls und meinen Blutdruck kontrolliert.

„Everly? Hören sie mich?“ fragt er behutsam und ich öffne mit flatternden Lidern meine Augen.

„Mir geht es gut.“ nuschele ich.

„Nein Everly, ihnen geht es ganz und gar nicht gut…“ erwidert er.

„Sie hat hohes Fieber und ist total erschöpft. Ich tippe auf eine verschleppte Lungenentzündung. Sie muss ein paar Tage das Bett hüten, ansonsten bricht sie völlig zusammen. Dann sollte es ihr wesentlich besser gehen. Kann einer von ihnen in den nächsten Tagen bei ihr bleiben?“ höre ich ihn mit Jen und Damian reden.

„Ich fliege morgen früh mit meinem Freund zu meinen Eltern nach London.“ Erklärt ihm Jen.

Gott, wie lange habe ich nicht mit ihr gesprochen?

’Seit 10 Tagen.’ meldet sich meine innere Stimme zickig.

Gott, mein Leben gleitet mir durch die Hände.

Sie scheint es kurzfristig entschieden zu haben, sie stellt Ray ihren Eltern vor. Es ist den Beiden wirklich Ernst…

Ich merke wie mich die Müdigkeit endgültig übermannt, schemenhaft sehe ich meine Mum und Landon…

„Landon, wo bist du?“ wispere ich leise und erschrecke mich über mich selbst.

Wie lange habe ich schon nicht mehr seinen Namen laut gesagt? Wie lange nicht über ihn gesprochen?

Es kommt mir vor wie ein anderes Leben…

„Wer ist Landon? Ihr Freund?“ höre ich eine Stimme neben meinem Bett die Damian gehört.

„Ich weiß nicht, ob sie will, dass ich dir das sage.“ Kommt es von der anderen Seite des Bettes, von Jen.

„Bitte Jennifer.“ Sagt Damian Lawson in einem sanften Tonfall, den ich noch nie bei ihm gehört habe.
Jen seufzt leise und ich spüre wie sie meine Hand nimmt.

„Landon ist nicht ihr Freund, es ist ihr Bruder. Die Beiden haben sich seit dem Tod ihrer Mum nicht mehr gesehen.“ Sagt sie ausweichend.

„Landon.“ Wieder kommt das Wort über meine Lippen und ich merke, dass sich mein kalter Schweiß mit heißen Tränen mischt.

„Sie wollten mir vorhin sagen, warum Eve das tut, was sie tut.“ Tastet sich Damian langsam voran.

„Mr. Lawson…“ setzt Jen an.

„Damian.“ Unterbricht er sich und Jen seufzt. „Bitte Jen.“ Bittet er sie eindringlich.

„Eves Mum ist vor zwei Jahren sehr krank geworden und Eve hat die Business School abgebrochen um zu ihr nach Rush zu ziehen. Sie hat sie gepflegt, hat ihr Beigestanden und hat versucht ihr alles was irgendwie möglich ist zu geben… Landon ist gegangen, weil er es nicht ertragen konnte. Um die Pflege und alle Behandlungsmöglichkeiten zu bezahlen, musste sie sich die Lebensversicherung ihrer Mum auszahlen lassen…“ Jen wischt mir den Schweiß von der Stirn „Als sie starb, da hatte sich Eve mit 10.000 € verschuldet, um ihr alles zu ermöglichen und die Beerdigung zu bezahlen. Deshalb hat sie das Stipendium auslaufen lassen, sie wollte erst einmal ihre Schulden los werden.“ Ich höre wie Jen sich schnäuzt „Sie hatte so unglaublich viel Potenzial, aber das Leben hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

„Warum hat sie mir das nicht gesagt?“ Damian klingt verwirrt.

„Sie… entschuldige… Du bist ihr Chef und der Teufel in Person. Sie wollte dich nur überleben.“ Ich kann hören, dass Jen grinst.

Oh meine Jen… ich merke wie mich die Müdigkeit endgültig übermannt.

„Bist du sicher, dass du hier bleiben kannst?“ Jens Stimme klingt unsicher und bei mir schrillen sämtliche Alarmglocken.

Ich hebe meine Hand und will etwas sagen.

„Nicht reden Eve.“ Sagt die ungewohnt sanfte Stimme von Damian.

„Ja.“ Sagt er schnell.

„Danke Damian, ich weiß, sie ist bei dir in guten Händen.“ Jen Stimme klingt nicht mehr so sorgenvoll.

’Wie lange habe ich geschlafen? Stunden? Tage? Wochen?’ murrt meine innere Stimme. ’Wann sind Jen und Damian Lawson beste Freunde geworden?’

Ich kann diesen Gedanken nicht fest halten und schlafe wieder ein, unruhig und von Alpträumen gequält.

Als ich das nächste Mal wach werde, fühle ich mich besser, wesentlich besser.

Ich wische mir über die Stirn und stöhne leicht.

„Hey, du bist wach.“ Damian Lawson kommt neben mir hoch und ich starre ihn an.

Was macht er in meinem Bett?

Mein Gehirn versucht irgendwie die Puzzleteile zusammen zu setzen, aber ich scheitere an meinen Kopfschmerzen.

Er sieht so anders aus… Damian meine ich.

Er trägt eine verwasche Jeans und ein weißes Poloshirt. Seine sonst immer so geordneten Haare sind zerzaust.

„Hmm.“ Murmele ich schließlich.

„Das ist gut, das ist wirklich gut. Ich rufe Brandon an, er wollte, das ich ihm Bescheid sage, wenn du aufwachst.“ Er setzt sich auf, schwingt seine Beine aus dem Bett, nickt mir lächelnd zu und nimmt sein Handy in die Hand.

Gott, diese Kopfschmerzen…

Als er zurück kommt, setzt er sich auf die Bettkante und befühlt meine Stirn.

„Das Fieber scheint gut runter gegangen zu sein.“ Sagt er mehr zu sich, wie zu mir.

Ich bin irgendwie noch nicht ganz wach, meine Gedanken haben Mühe den Geschehnissen zu folgen.

Was zur Hölle macht Damian Lawson in meinem Zimmer?

In meinem Bett?

Ich bin doch in meinem Zimmer, oder?

Ich drehe meinen Kopf ganz leicht und atme erleichtert aus.

Ja, ich bin in meinem Zimmer.

Bruchstückhaft kommt die Erinnerung an das Gespräch von Jen und Lawson wieder in meinen Kopf.

„Jen?“ frage ich leise.

„Die ist mit Ray bei ihren Eltern. Sie ruft jeden Tag mindestens 10-mal an und fragt wie es dir geht.“ Erklärt er mir lächelnd.

„Welcher Tag ist heute?“ ich reibe mir meine Augen.

„Der 24., ich glaube, du brauchtest ein wenig Schlaf.“ Er lächelt schüchtern.

„Wow, Heilig Abend.“ Ich schließe gequält meine Augen.

Als es klingelt springt Lawson auf und lässt Dr. Johnson rein.

„Hallo Everly.“ Begrüßt er mich lächelnd „Wie fühlst du dich?“ er sieht mich fragend an.

„Ganz gut. Aber ich habe Kopfschmerzen.“ Gebe ich zu.

„Das bekommen wir auch noch hin.“ Er lächelt und setzt sich auf die Bettkante, auf der vor einer Minute noch Lawson gesessen hat.

„Lässt du uns einen Moment allein Damian?“ er sieht zu Lawson und dieser verlässt mit einem Nicken mein Zimmer.

Dann untersucht er mich gründlich und sieht mich dann halbwegs zufrieden an.

„Das klingt alles sehr gut, die Lungenentzündung ist auf dem Rückmarsch, dein Puls, dein Blutdruck und deine Temperatur sind wieder normal. Das Schlimmste hast du hinter dir.“ Er räumt seine Utensilien weg.

„Dr. Johnson?“ frage ich leise.

„Brandon.“ Er lächelt und ich erwidere es schwach.

„Brandon…“ ich schlucke schwer „Kannst du mir einen Gefallen tun?“

Mir ist gerade ein Licht aufgegangen…

Ich sage mir immer, ich will mein Leben leben, aber ich weiß gar nicht, wie mein Leben in ein paar Jahren aussehen wird.

Entweder ich trage ALS in mir und mein Leben ist früher zu Ende wie erwartet oder aber ich habe ein langes, glückliches Leben vor mir…

Vielleicht mir ihm?

Mit Damian…

Denn eines ist ganz klar, ich habe ich Hals über Kopf in ihn verliebt…

’Hallelujah!’ jubelt meine innere Stimme ’Endlich!’ fügt sie hinzu.

„Was bedrückt dich Everly?“ fragt Brandon besorgt.

„Haben sie die Möglichkeit mir Blut abzunehmen und mich auf Amyotrophe Lateralsklerose zu testen?“ frage ich immer noch unsicher.

„ALS?“ er sieht mich mit großen Augen an.

„Ja, meine Mum ist im Frühjahr daran verstorben und ich weiß nicht, ob ich es auch habe.“ Gestehe ich.

„Aber natürlich. Ich kann dir gleich Blut abnehmen und ich denke, ich kann dir das Ergebnis nächste Woche sagen.“ Er nickt leicht.

„Danke Brandon…“ ich mache meinen Arm frei „Sag bitte Damian hiervon nichts.“ Bitte ich ihn inständig.

„Natürlich nicht, ich habe meine Schweigepflicht.“ Er holt eine Spritze aus seiner Arzttasche und nimmt mir ein Röhrchen Blut ab.

Darin liegt also meine Zukunft…

„Versuch nicht immer zu daran zu denken.“ Brandon tätschelt meine Hand.

„Ich denke seit fast 2 Jahren an nichts anderes. Danke für den Rat, aber den werde ich kaum befolgen können.“ Ich seufze leicht.

„Wir telefonieren.“ Er steht auf und ich sehe ihn dankbar an.

„Danke für alles Brandon.“ Ich sehe ihm hinterher, wie er zur Tür geht.

„Dafür nicht Everly.“ Er dreht sich noch einmal zu mir um „Fröhliche Weihnachten.“

„Wünsche ich dir auch.“ Er geht raus und ich höre wie die Wohnungstür geschlossen wird.

Augenblicke später kommt Lawson zurück.

„Hey.“ Er lächelt scheu.

„Hey.“ Erwidere ich schwach.

Warum ist er auf einmal so zu mir?

Ich muss doch erst einmal alles für mich selber auf die Reihe bekommen…

„Fahr nach Hause zu deiner Familie.“ Ich sehe ihn an und ringe mich zu einem lächeln durch.

„Nein…“ er setzt sich wieder zu mir „Wieso sollte ich denn?“ er sieht mich verwirrt an.

„Es ist Heilig Abend, du gehörst zu deiner Familie.“ Ich wage es nicht ihn anzusehen.

„Das ist doch Quatsch, ich bin bei der Frau, die ich liebe…“

Er liebt mich?

Er legt seine Hand auf meine Wange und dreht meinen Kopf, so dass ich ihn ansehen muss. „Ich bin also genau da, wo ich sein will.“ Er beugt sich vor und seine Lippen berühren meine.

Es fühlt sich himmlisch an, seine Lippen sind so sanft und weich und ich schließe meine Augen. Seine Zunge verlangt schüchtern Eintritt in meinen Mund und ich lasse sie gewähren. Unsere Zungen tanzen umeinander herum und meine Kopfhaut beginnt zu prickeln.

’Das ist Falsch…’ meldet sich meine innere Stimme ’Du musst erst einmal wissen, woran du bist, ansonsten tust du ihm weh. Willst du das?’

„Damian, bitte nicht.“ Wehre ich mich und er lässt von mir ab.

„Eve.“ Bittet er mich leise.

„Nein Damian, es geht einfach nicht.“ Ich schüttele sachte meinen Kopf. „Ich möchte, dass du gehst.“ Füge ich hinzu und meine Stimme klingt härter wie beabsichtigt.

„Sag, dass du nichts für mich empfindest und ich gehe.“ Er sieht mich flehentlich an. „Dann gibt es aber kein zurück mehr.“ Fügt er verbittert hinzu.

Augenscheinlich ist Damian Lawson ein Mann, der mit Zurückweisung nicht umgehen kann.

„Ich empfinde nichts für dich.“ Hauche ich.

’Abgesehen natürlich von der Tatsache, das du ihn liebst.’ meine innere Stimme klingt resigniert.

„Gut, ich werde noch Jen anrufen und ihr sagen, das es dir wesentlich besser geht.“ Er steht auf und sieht mich verletzt an.

Am liebsten würde ich meine Hand nach ihm ausstrecken, ihm sagen, dass ich ihn auch liebe, doch ich tue es nicht. Ich nicke nur leicht und sehe dann schnell aus dem Fenster.

Der Teufel hat ein Herz und ich habe es ihm gerade gebrochen…

Mit einem letzten verletzen Blick geht er hinaus.

Als ich höre, wie die Haustür ins Schloss fällt beginne ich zu weinen.

Alles bricht über mir zusammen und ich schluchze haltlos.

Er liebt mich!

Er liebt mich!

Er liebt mich!

Und ich habe ihn zurück gewiesen…

Mein kleines Stück von Glück war so nah und ich habe es geschafft, mir das selbst zu verwehren.

Gegen Abend habe ich mich soweit beruhigt, dass ich es wage aufzustehen. Ich gehe ins Bad und sehe mein Spiegelbild voller Verachtung an.

’Du hast es nicht besser verdient. Wie kann man so dumm sein? Ja, er hatte Recht… Du bist dumm Everly Thornton, du hast das Beste, was dir in deinem Leben bisher passiert ist einfach zerstört! Du hast den Mann der dich liebt und den du liebst, eiskalt abserviert und ihm das Herz gebrochen!’ klagt mich meine innere Stimme an.

Ich sehe in meine Augen, sie sind Blut unterlaufen und ich habe tiefe Augenringe.

Auf meinen Lippen kann ich immer noch seine spüren und es zerreißt mich das Herz.

Das Schlimmste ist, ich kann meiner inneren Stimme nicht einmal widersprechen…

Ich muss mein Leben ordnen, ich muss sehen, das sich was ändert… JETZT.

Ich gehe duschen und schlüpfe in eine Jeans und einen dicken Pullover. Früher wäre ich jetzt zu meiner Mum gefahren und hätte sie um Rat gefragt, aber das geht nicht.

Nie wieder…

Ich schlüpfe in meine Converse und ziehe mir meine Winterjacke über. Mein Handy liegt auf dem Küchentisch und ich werfe einen Blick darauf.

22 Anrufe in Abwesenheit, 12 Nachrichten und 17 E-Mails

Ich beachte es nicht weiter, nehme es aber zur Hand und tippe eilig eine E-Mail.

 

von: Everly Thornton, persönliche Assistentin des Geschäftführers, Dublin

an: Damian Lawson, Geschäftführer und Inhaber Lawson Industries Inc., Dublin

 Betreff: Kündigung

 

Sehr geehrter Mr. Lawson,

 

hiermit kündige ich mit sofortiger Wirkung. Ich werde bei Gelegenheit alle Unterlagen und Kommunikationsgeräte ins Büro bringen.

 

Everly Thornton

 

Ich drücke auf senden und lege es dann zurück auf den Küchentisch.

Tief atme ich durch…

Ich kann nicht weiter mit ihm zusammen arbeiten, ich kann seinen verletzten Gesichtsausdruck nicht ein weiteres Mal ertragen, es bricht mir mein Herz.

Ich wische meine Tränen, die unablässig über mein Gesicht laufen beiseite und nehme meinen Autoschlüssel.

Als ich im Wagen sitze, merke ich, wie sehr meine Hände zittern. Ich versuche mich zu beruhigen und überlege, ob das jetzt alles so richtig ist.

Ist es nicht… stelle ich fest, aber dann starte ich den Motor und fädele mich in den Dubliner Stadtverkehr ein.

Nach 2 Stunden erreiche ich Belfast und finde die Adresse, die ich mir zu Hause noch heraus gesucht habe, erstaunlich schnell, wenn ich bedenke, dass ich erst einmal hier war.

Mittlerweile ist es dunkel und ich sehe Licht im Haus.

Meine Chancen stehen also nicht schlecht, dass er da ist.

Ich steige aus und schließe meinen Wagen ab, ehe ich langsam auf das Haus zugehe.

’Du kannst das!’ macht mir meine innere Stimme Mut und ich drücke auf den Klingelknopf.

Dann öffnet sich die Tür und er steht vor mir, sofort laufen mir die Tränen wieder über die Wangen.

Auch ihm stehen die Tränen in den Augen, er sieht mich einen Moment nur an, dann zieht er mich in seine Arme und ich schluchze auf.

„Oh Evy.“ Flüstert er mir ins Ohr.

„Landon.“ Schluchze ich.

Hailey kommt aus dem Wohnzimmer, sie begreift augenscheinlich schnell die Situation und lächelt ganz zaghaft.

„Kommt rein, es ist kalt hier draußen.“ Sie gibt Landon einen leichten Schubs und schließt die Tür hinter uns.

Nach einer Weile lässt mich Landon los und sieht mich mit großen Augen an.

„Was machst du denn hier?“ er legt seine Hand auf meine Wange.

„Ich brauche dich Landon, du bist alles was ich habe.“ Weine ich.

„Es tut mir so leid Evy.“ Er drückt mich erneut an sich.

„Bitte sag, dass du mich immer noch lieb hast.“ Bitte ich ihn schluchzend.

„Aber natürlich. Ich liebe dich Evy.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände „Ich bin so ein Feigling, es tut mir so wahnsinnig leid.“

„Kommt, wir setzen uns erst einmal.“ Hailey nickt mir zu und nimmt mich dann in den Arm. „Du hast ihm wirklich gefehlt. Er fühlt sich so mies.“ Sagt sie leise, dann nimmt sie mir die Jacke ab und wir gehen ins Wohnzimmer.

Ich setze mich zu Landon auf die Couch und er nimmt meine Hand.
„Du siehst schlimm aus Kleine. Was ist denn nur los?“ er übt leichten Druck auf meine Hand aus.

„Ich habe dich so vermisst.“ Meine Schultern beben unter meinem Schluchzen.

„Komm her.“ Er zieht mich wieder in seine Arme und mein Kopf ruht auf seiner Brust.

Ich brauche lange, ehe ich mich beruhigt habe und dann beginnen wir zu reden.

Endlich, nach fast einem Jahr sind wir Beide im Stande dazu.

„… Es war falsch und ich kann nicht sagen, wie leid mir alles tut. Ich konnte Mum nicht leiden sehen und dich auch nicht.“ Landon sieht mich entschuldigend an.

„Ich weiß…“ ich zucke leicht mit den Schultern „Es war hart, aber ich musste das einfach tun. Verstehst du mich?“

„Ja und ich fühle mich so unglaublich schlecht, weil ich dich mit allem alleine stehen lassen habe.“ Er wischt sich über die Augen.

„Nein Landon…“ ich nehme seine Hand runter „Ich bin hier, ich will keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen oder sonst etwas los werden. Ich will dich zurück. Du bist mein großer Bruder, ich liebe und ich brauche dich.“ Sage ich eindringlich.

„Ich liebe dich auch und ich brauche dich.“ Gibt er zu und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. „Wie hast du es geschafft, alles hin zu bekommen? Ich meine Finanziell?“ er sieht mich beschämt an.

„Ich habe meine Seele dem Teufel verkauft.“ Ich sehe in sein erschrockenes Gesicht „Ich habe für Damian Lawson als seine persönliche Assistentin gearbeitet.“ Füge ich hinzu und Landon sieht mich prüfend an.

„Der Damian Lawson? Wow…“ er zieht eine Augenbraue hoch „Da ist noch mehr, oder?“ hakt er behutsam nach.

„Ja…“ ich sehe ihn unter Tränen an „Ich habe mich in den Teufel verliebt…“ ich schluchze.

„Oh Evy.“ Sagt er einfühlsam und ich lächle leicht unter Tränen „Er liebt mich auch.“

„Aber was ist denn dann los?“ jetzt ist er wirklich verwirrt.

„Ich habe ihn abblitzen lassen.“ Ich kaue auf meiner Unterlippe.

„Das verstehe ich jetzt nicht. Du liebst ihn, er liebt dich…“er sieht mich an und ich nicke „… Und du lässt ihn abblitzen?“

„Ich muss etwas Entscheidendes in meinem Leben vorher klären. Ich will ihm nicht weh tun.“ Ich sehe auf meine Hände, die ineinander verschlungen sind.

„Du lässt dich testen?“ fragt er und ich nicke erneut „Ich habe mich schon testen lassen.“ Sagt er leise und ich sehe ihn erstaunt an. „Im Sommer. Hailey und ich haben die Ungewissheit nicht ausgehalten.“ Gibt er zu und Hailey setzt sich neben ihn.

Ich sehe ihn einfach nur an und versuche aus seinem Gesichtsausdruck irgendetwas ablesen zu können. Er sieht zu Hailey und sie gibt ihm einen Kuss.

„Ich habe es.“ Sagt er schließlich und ich schlage die Hände vor meinen Mund.

„Nein.“ Entweicht es mir und ich beginne wieder zu weinen.

„Hey Kleine…“ Landon nimmt mein Kinn in seine rechte Hand und ich sehe auf „Es ist Okay, ich weiß es jetzt. Es ist wirklich Okay, Hailey und ich gehen den Weg gemeinsam. Ich kann dich aber verstehen, warum du ihn abblitzen lassen hast, es hat mich und Hailey viel Zeit und Arbeit gekostet, jetzt so mit der Situation um zu gehen.“ Er sieht liebevoll zu Hailey und sie lächelt leicht.

„Es ist schwer zu verstehen, das der Mensch den du liebst irgendwann vor seiner Zeit sterben wird…“ sie streicht Landon eine Strähne seines widerspenstigen dunkelblonden Haares aus der Stirn „Aber die Ungewissheit war schlimmer. Wir wissen was uns erwartet und es ist in Ordnung.“

Ich sehe die Beiden an.

Sie haben so etwas Tolles und Großartiges…

Ich bewundere sie aus tiefsten Herzen.

„Bleibst du über die Feiertage bei uns?“ wechselt Landon sanft das Thema und ich zucke mit den Schultern.

„Komm schon.“ Hailey grinst mich an.

„Ich habe keine Sachen mit.“ Gebe ich zu bedenken.

„Und? Meine Sachen müssten dir passen und eine Zahnbürste finden wir auch noch.“ Sie zwinkert mir zu.

„Gerne.“ Sage ich schließlich.

Einem Menschen, den man so sehr liebt, wie ich Landon liebe, dem kann man nicht böse sein und ehrlich gesagt, ich will es auch nicht. Diese Situation war nicht leicht und wer weiß, vielleicht wäre auch ich weg gelaufen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte…

Ich bin nur froh, dass wir uns wieder haben.

Wir sitzen lange zusammen und erzählen über alles Mögliche.

Die nächsten beiden Tage sind schön, viel zu schön um wahr zu sein. Landon tut meinem gebrochenem Herzen gut und er weiß einfach instinktiv, was ich brauche.

„Wie geht es mit dir und Mr. Superreich denn jetzt weiter?“ wir sitzen dick eingepackt und mit einer heißen Schokolade auf der Hollywoodschaukel im Garten und sehen in die Ferne.

„Gar nicht. Ich habe gekündigt und werde am 29. meine Sachen ins Büro bringen. Da hat er den ganzen Tag über Termine und ich laufe ihm nicht über den Weg.“ Ich seufze leicht.

„Ist es denn das, was du wirklich willst?“ Landon schubst mich leicht.

„Nein…“ gebe ich zu „Ich will ihn, mehr wie alles andere und mehr wie ich es mir jemals vorstellen konnte…“ ich sehe zu ihm und lächle leicht „… Aber ich habe diese Entscheidungen alle getroffen und stehe jetzt dazu. Ich werde morgen Bewerbungen schreiben und hoffen, das ich schnell was Neues finde.“

„Wann bekommst du die Testergebnisse?“ er legt seinen Arm um mich und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.

„Ich weiß es nicht genau.“ Ich atme tief ein und aus „Brandon sagte, irgendwann in der nächsten Woche.“

„Das bedeutet nicht das Ende.“ Macht er mir Mut „Ich weiß, wovon ich rede.“

„Ich kann es nicht glauben, wie kannst du damit so souverän umgehen?“ ich wische mir verstohlen über die Augen.

„Ich lebe intensiver, bewusster und genieße jeden Augenblick. Das Ausbruchsalter der Krankheit liegt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Ich will mit Hailey reisen, ich will ihr was von der Welt zeigen und wenn es dann soweit ist, will ich nichts bereuen.“ Erklärt er mir sicher.

„Ich wollte auch bewusster leben…“ ich grinse schief „Ergebnis: Geprellte Rippen, geprellte Schulter und eine Lungenentzündung.“

„Das meine ich nicht…“ lacht er leise „Ich meine, lerne den Augenblick zu leben. Jeder Einzelne ist kostbar, er kommt nie wieder zurück.“ Er atmet tief durch. „Dieser Moment hier, er ist wertvoll und so wunderbar.“ Er küsst meine Stirn.

„Danke.“ Hauche ich.

„Ich danke dir.“ Er lächelt und mein Herz zieht sich zusammen.

Am 27. fahre ich morgens nach dem Frühstück zurück nach Dublin und als ich die Haustür aufschließe, da kommt mir Jen entgegen gelaufen.

„Wo warst du?“ schreit sie mich zornig an und ich mache einen Schritt zurück. „Ich bin gestorben vor Sorge um dich! Ich habe sogar die Polizei eingeschaltet.“

„Es tut mir leid Jen, ich musste weg.“ Ich ziehe meine Jacke aus.

„Wo warst du?“ jetzt steigen ihr Tränen in die Augen.
„Es tut mir so leid Jen.“ Ich nehme sie in den Arm „Es tut mir wirklich leid.“

„Was ist denn passiert? Ich dachte erst du bist bei Damian, aber der reagiert irgendwie allergisch auf deinen Namen. Ich wusste nicht, wo ich dich suchen soll.“ Sie steht völlig neben sich und es tut mir leid, dass sie sich solche Sorgen gemacht hat.

„Wir setzen uns.“ Ich bugsiere sie zur Couch, dann nehme ich ihre Hände in meine „Ich war bei Landon. Ich musste ihn sehen, ich brauchte ihn einfach…“

„Landon?“ sie sieht mich mit großen Kulleraugen an.

„Ja, ich war bei ihm und Hailey und musste meinen Kopf frei bekommen.“ Ich seufze leicht „Du solltest Damian vielleicht nicht mehr anrufen. Ich habe ihm gesagt, das ich nichts für ihn empfinde und er ist gegangen.“ Erkläre ich ihr und ihr Gesichtausdruck wechselt von Freunde zu Verwirrung.

„Wieso hast du das gemacht?“ fragt sie nach einigen Sekunden.

„Ich habe mir von Brandon…“ sie sieht mich fragend an „von Dr. Johnson.“ Erkläre ich ihr „Blut abnehmen lassen für die Gen Untersuchung.“

„Damit habe ich nicht gerechnet.“ Gibt sie zu.

„Wie sollte ich mich auf ihn einlassen, wenn ich selber nicht weiß, woran ich bei mir bin?“ ich seufze erneut.

„Hat Landon den Test auch schon gemacht?“ sie sieht mich an und mir steigen die Tränen in die Augen.

„Ja.“ sage ich leise. „Er hat ALS.“

„Oh mein Gott.“ Sie sieht mich bestürzt an.

„Es ist Okay…“ ich winke ab „Er und Hailey kommen gut damit zu Recht.“

„Und was ist jetzt mit dir und Damian?“ fragt sie mich leise, nachdem sie den Schock verdaut hat.

„Nichts…“ ich sehe sie an und sie legt den Kopf schief „Ich habe gekündigt und werde übermorgen die Sachen weg bringen. Ich kann ihm nicht noch einmal in die Augen sehen und sehen, wie sehr ich ihn verletzt habe.“

„Es tut mir leid.“ Sagt sie aufrichtig.

„Hey… keine Tränen mehr.“ Ich lächle sie an „Ich will nicht mehr weinen. Im letzten Jahr habe ich so viel geweint, das es für den Rest meines Lebens reicht. Wenn ich ALS habe, dann will ich jeden Moment leben und wenn nicht…“ ich sehe sie an „Dann auch. Jeder Augenblick ist kostbar.“ Zitiere ich Landon und sie lächelt.

„Wo ist Ray?“ frage ich, nachdem ich mich das wirklich schon die ganze Zeit frage.

„Noch in London.“ Gibt sie zurück und ich sehe sie erstaunt an.

„Und du bist hier?“

„Meine beste Freundin war plötzlich wie von Erdboden verschluckt.“ Sie zuckt mit den Schultern.

„Das geht gar nicht…“ ich stehe auf und nehme meine Kreditkarte aus meiner Geldbörse. „Du bewegst deinen hübschen Hintern jetzt zum Flughafen und fliegst zurück nach London. Ich will dich erst im neuen Jahr wieder sehen.“

„Eve…“ setzt sie an.
„Mach hin.“ Scheuche ich sie auf.

Sie zieht sich in Windeseile um und steht dann leicht unentschlossen vor mir.

„Nun geh schon.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

„Danke. Ich melde mich, wenn ich wieder in London bin.“ Sie winkt mir zu und nimmt dann immer zwei Stufen mit einem Satz.

Zufrieden gehe ich wieder in die Küche, das I-Phone blinkt, wahrscheinlich weil der Akku bald schlapp macht. Ich nehme es in die Hand und schalte es aus. Dann beginne ich alle Sachen zusammen zu suchen und packe sie in einen Karton. Kaum zu glauben, was sich in einem halben Jahr alles so ansammelt, Papiere, Papiere und noch mehr Papiere. Dann gehe ich an meinen Kleiderschrank und packe alle Kostüme und sonstige Kleidungstücke von Tom ebenfalls in einen großen Karton. Die Unterwäsche und die Strümpfe behalte ich mal.

So etwas gibt man doch nicht zurück, oder?

Zufrieden mit mir setze ich mich drei Stunden später auf die Couch und schaue fern.

Komisch, nach allem was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist müsste ich mich furchtbar fühlen, aber Landon hat mir geholfen alles wieder ins rechte Licht zu rücken.

Mir geht es eigentlich ganz gut.

Ich koche mir sogar eine Kleinigkeit zum Mittag und räume dann um.

Liegt wohl in der Natur der Frauen umzuräumen oder sich die Haare schneiden zu lassen, immer dann wenn es in der Liebe mal nicht so läuft.

Meine Haare?

Nein, nein, die bleiben schön wie sie sind.

Ich telefoniere mit Jen und mit Landon und gehe früh zu Bett. Mein Körper hat die Lungenentzündung zwar gut überstanden, aber ich fühle mich noch ein wenig angeschlagen.

Am nächsten Morgen fahre ich zuerst zu Tom und er ist erstaunt, als ich seinen Laden betrete.

„Was machst du denn hier? Musst du nicht arbeiten?“ er legt seinen Kopf schief und drückt mir dann rechts und links ein Küsschen auf die Wange.

„Sehe ich so aus?“ ich deute an mir runter.

Ich trage eine dunkelblaue enge Jeans, meine schwarz-weißen Converse und ein enges, weißes Kapuzensweatshirt. Meine Haare habe ich nur locker zusammen gebunden und ein paar verirrte Strähnen fliegen um meinen Kopf herum. Beim letzten Blick in den Spiegel waren meine Augenränder nicht zu übersehen.

Auch wenn es mir besser geht wie vermutet, so geht es mir doch schlecht genug. Vor allen Dingen bei dem Gedanken an Damian…

„Nein nicht wirklich.“ Gibt er zu. „Was kann ich für dich tun?“ er sieht mich fragend an.

„Ich bringe dir deine Sachen zurück.“ Ich deute auf den Karton, den ich neben der Tür abgestellt habe.

„Wie zurück?“ fragt er verwirrt nach.

Augenscheinlich verwirre ich ziemlich viele Menschen in letzter Zeit… mit mir mal angefangen.

Ja, ich verwirre mich selber.

„Ich arbeite nicht mehr für Mr. Lawson. Ich habe gekündigt und ich halte es für falsch die Sachen zu behalten.“ Erkläre ich ihm.

Er legt seine Stirn in Falten. „Will ich wissen was passiert ist?“

„Willst du nicht.“ Antworte ich sicher „Ich danke dir für alles.“ Ich drücke ihn kurz und er seufzt leicht.

„Er hat es verbockt, oder?“

„Nein Tom, ich habe es verbockt und das auf nur alle möglichen Arten.“ Ich lächle leicht und eine Träne läuft über meine Wange, schnell wische ich sie weg und gehe zur Tür. „Du bist wunderbar Tom.“ Rufe ich ihm über die Schulter zu und steige wieder in mein Auto.

Als ich vor dem Firmengebäude stehe atme ich tief durch und gehe, nachdem ich den Haupteingang passiert habe, schnurstracks zu den Fahrstühlen.

„Miss? Sie können hier nicht einfach so rein.“ Ruft mir die Empfangsdame hinterher und ich drehe mich langsam um.

„Miss Thornton? Entschuldigen sie, ich habe sie nicht gleich erkannt.“ Sie nickt mir zu und ich setze meinen Weg fort.

’Das wundert dich jetzt nicht wirklich, oder?’ meine innere Stimme scheint aus ihrer tagelangen Schockstarre zu erwachen und ich schüttele leicht meinen Kopf.

Nein, es wundert mich nicht… nicht im Geringsten.

Als sich die Türen im 7. Stock langsam öffnen sehe ich zuerst das erstaunte Gesicht von Olivia.

„Hey Liv.“ Begrüße ich sie und versuche zu lächeln. „Hier ist die Grundausstattung und alles an Dokumenten zurück.“ Erkläre ich ihr.

„Du hast also wirklich gekündigt?“ sie schüttelt leicht mit dem Kopf.

„Ja.“ Sage ich leise.

„Oh Eve.“ Sie nimmt mich in den Arm.

„Ich danke dir für alles Liv, ohne dich wäre ich unter gegangen.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich muss schnell meine Sachen einsammeln, ich möchte ihm nicht über den Weg laufen.“

„Hmm.“ Sie nickt und wischt sich verstohlen eine Träne Weg.

Ich gehe ins große Büro und stelle erleichtert fest, dass er wirklich nicht da ist.

Ich räume meinen Schreibtisch aus und verstaue alles in einem kleinen Karton. Ich stelle ihn auf dem Tisch ab und sehe aufs Meer...

Der Wind peitscht es auf und hohe Wellen brechen sich an der Kaimauer, ein tolles Naturschauspiel.

Ich lehne meine Stirn gegen die Scheibe und genieße die Kälte die von ihr ausgeht einen Moment.

Was macht er jetzt wohl?

Wo ist er?

’Das Recht, das zu wissen hast du verwirkt…’ gesteht mir meine innere Stimme ein und ich nicke.

Leise Tränen bahnen sich ihren Weg und ich denke an meine erste Begegnung mit ihm. Ich sehe zu seinem Schreibtisch und erinnere mich an den Moment an dem ich zum ersten Mal in seine Augen sah und an seinen erstaunten Gesichtsausdruck, als ihm endlich mal jemand Paroli geboten hat. Ich lächle unter Tränen, meine Hand gleitet an der kühlen Scheibe nach unten und drehe mich langsam um.

Ich muss hier raus…

Ich erstarre in meiner Bewegung, er steht in der Tür. Die Hände in den Hosentasche an den Türrahmen gelehnt und betrachtet mich.

„Was genau tust du?“ fragt er ganz ruhig ohne jede Gefühlregung in der Stimme.

„Ich räume meinen Schreibtisch.“ Meine Stimme zittert und meine Hände auch, als ich den Karton in die Hand nehme.

Ich kann seinem Blick nicht Stand halten und sehe zu Boden.

Ich höre wie die Tür geschlossen wird und schließe gequält meine Augen.

Das war es jetzt endgültig…

Ich setze ganz langsam einen Fuß vor den anderen und sehe dann wieder auf.

Statt wie ich es erwartet habe, die Tür von außen geschlossen zu haben, steht er nur einen knappen Meter vor mir und sieht mich lange an. Mein Herz rast in meiner Brust, so sehr, das es fast schon weh tut.

„Es tut mir so leid.“ Meine Stimme ist nicht mehr wie ein Flüstern.

„Mir nicht.“ Sagt er sicher und ich sehe auf, meine Sicht ist von den erneut aufsteigenden Tränen ganz verschwommen und als ich blinzele, da kullern sie über meine Wangen.

„Mir tut es nicht leid, dass ich dich eingestellt habe. Mir tut es nicht leid, dass ich auf Susan Masters vertraut habe. Mir tut es nicht leid, das ich dich geküsst habe und mir tut es überhaupt nicht leid, das ich mich in dich verliebt habe.“ Sagt er sanft und kommt immer weiter auf mich zu.

„Bitte, bitte nicht Damian.“ Meine Stimme ist nur ein wimmern, welches in diesem riesigen Büro untergehen zu scheint.

Er kommt zu mir und nimmt mir den Karton aus der Hand.

„Ich liebe Dich Everly Thornton, ob es dir nun passt oder nicht und ich weiß aus sicherer Quelle, dass du mich auch liebst.“ Er zwingt mich ihn anzusehen.

„Ich will dir nicht weh tun.“ Schluchze ich.

„Glaub mir, mehr leiden wie ich die letzten Tage gelitten habe, ist nicht möglich.“ Er sieht mir in die Augen und ich sehe kurz den Schmerz in seinen aufblitzen.

Doch dann wird dieser Ausdruck von Liebe abgelöst.

Damian Lawson sieht mich voller Liebe an…

„Ich wiederhole mich gerne, ich liebe dich Eve.“ Er lächelt scheu.

Jeder Augenblick ist kostbar und gerade dieser hier ist so unglaublich kostbar, das es mir fast die Luft zum atmen nimmt.

Er ist das was ich will, egal mit welchen Konsequenzen…

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Er atmet erleichtert ein und erwidert stürmisch meinen Kuss.

„Und ich liebe Dich.“ Seufze ich.

Er drückt mich dichter an sich heran und ich halte mich an ihm fest, immer und immer wieder finden sich unsere Lippen zu einem Kuss und ich möchte, das dieser Moment niemals endet...

„Wir sind uns wirklich mal einig.“ Sagt er lächelnd zwischen zwei Küssen.

„Oh ja.“ Erwidere ich und er wischt mir meine letzten Tränen weg.

„Du sollst nie wieder wegen mir weinen.“ Bittet er mich inständig.

Ich schüttele meinen Kopf und lege meine Hand auf seine Wange. „Ich möchte nicht mehr weinen.“ Gebe ich zu.

„Du solltest dich bei jemandem bedanken. Ich glaube, ich war anfangs nicht ganz so nett.“ Damian sieht mich an und öffnet die Tür.

Ich traue meinen Augen nicht, Landon steht bei Olivia und unterhält sich lachend mit ihr.

„Landon?“ frage ich, zweifellos überflüssig und er grinst mich an.

Er dreht sich zu mir um und öffnet seine Arme, ich lasse Damians Hand los und stürme auf ihn zu. Lachend fängt er mich auf und wirbelt mich im Kreis herum, ehe er mich fest in den Arm nimmt.

„Alles gut Evy?“ er sieht mich an und ich lächle.

„Ja Landon, alles gut.“ ich sehe zu Damian und er grinst, dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich danke dir.“

„Dafür nicht.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn „Du bist meine kleine Schwester.“

„Er hat sich echt für dich ins Zeug gelegt.“ Erklärt Damian, kommt zu uns und legt seinen Arm um meine Taille.

„Wenn es um Evy geht, dann kämpfe ich wie ein Löwe…“ Landon sieht mich liebevoll an „Ich habe einiges bei ihr wieder gut zu machen.“

„Nein Landon.“ Ich schüttele mit meinem Kopf „Das brauchst du nicht.“

„Doch Evy, du bist meine bezaubernde, kluge und starke kleine Schwester…“ er zwinkert mir zu „Aber ich denke, den Aufpasserjob hier in Dub kann ich jetzt getrost Damian überlassen.“

„Ja, gute Idee.“ Pflichtet ihm Damian bei und ich sehe zwischen den Beiden hin und her.

„Was wird das?“ frage ich lächelnd.

„Was denn?“ antworten beide wie aus einem Mund.

„Männer.“ Liv sieht zu mir und ich lächle.

„Ja, die sind schon komisch.“ Gebe ich zu und Damian haucht mir einen Kuss auf die Schläfe.

„Weil ihr Frauen ja so einfach seid.“ Seufzt er.

„Aprospros Frauen. Meine kleine Lieblingsschwester tut doch alles für mich, oder?“ Landon sieht mich fragend an. „Was genau?“ frage ich leicht amüsiert. „Übrigens bin ich deine einzige Schwester.“

„Wohnungsschlüssel? Hailey und ich müssen heute irgendwo schlafen.“ Er hält seine Hand auf. „Und glaub mir Evy, zwei von dir würde ich gar nicht überleben.“ Lacht er und ich krame in meiner Hosentasche nach meinem Wohnungsschlüssel, während ich versuche ihn vorwurfsvoll anzusehen, schließlich kann ich nicht anders und erwidere sein schelmisches Grinsen.

„Hier.“ Ich reiche ihm meinen Schlüsselbund.

„Wie kommst du heute in deine Wohnung?“ Landon zieht eine Augenbraue hoch.

„Ich klingele.“ Lache ich.

„Nein, nein…“ winkt Damian ab „Ich nehme sie mit zu mir und wir treffen uns morgen um 10 Uhr im Capris zum Frühstück.“

„Hey, keine Entscheidungen über meinen Kopf hinweg.“ Wehre ich mich.

„Gute Idee, bis morgen um 10. Schick mir die Adresse.“ Bittet er Damian auf dem Weg zum Fahrstuhl und dieser nickt lächelnd.

Als die Fahrstuhltüren aufgleiten und Landon einsteigen will, stürmt Brandon an ihm vorbei.

„Everly, ich suche dich schon überall.“ er kommt zu uns und ich sehe ihn verwirrt an.

„Wolltest du nicht anrufen?“ ich greife nach Damians Hand.

„Habe ich, geschätzte 50 Mal, aber an dein Handy geht niemand ran.“ Er kommt vor mir zum Stehen. „Wofür hast du das Ding eigentlich?“ schimpft er leise und ich sehe schuldbewusst zu Boden.

Dann sehe ich wieder auf und atme tief durch „Wie ist das Ergebnis?“ ich merke wie sich sämtliche Muskeln in meinem Körper anspannen und Damian drückt sanft meine Hand.

Er sieht zu Damian und zu Landon, der zurück gekommen ist.

„Ich nehme mal an, du bist im Bilde?“ Brandon zieht eine Augenbraue hoch und Damian nickt.

„Ja, Landon…“ er deutet auf ihn „ist Eves Bruder. Er hat ALS, also ja, ich bin voll im Bilde.“

„Vorweg, ich habe den Test drei Mal gegen gecheckt um sicher zu sein…“ er sieht zu mir und ich halte die Luft an.

’Jetzt hier wird sich dein Schicksal heraus stellen…’ meine innere Stimme klingt atemlos.

„Du hast es nicht.“ Brandon lächelt mich an und ich atme erleichtert aus.

„Danke.“ Ich falle ihm um den Hals.

„Dafür nicht.“ Erwidert er lächelnd.

Damian betrachtet mich und zieht mich dann in seine Arme. „Ich bin unendlich froh.“ Flüstert er mir ins Ohr.

„Ich auch.“ Gebe ich zu und lege meinen Kopf an seine Brust, deutlich höre ich, wie sehr sein Herz in seiner Brust schlägt.

„Alles gut?“ Landon streichelt über meinen Kopf und ich nicke. „Ich mach mich vom Acker, Hailey ist seit 3 Stunden alleine in der Stadt unterwegs und ich habe ihr meine Kreditkarte gegeben.“ Er zwinkert mir zu.

„Ich liebe Dich Landon Thornton!“ rufe ich ihm hinterher.

„Ich dich auch Everly Thornton! Oder soll ich jetzt Lawson sagen?“ er lacht und die Fahrstuhltüren schließen sich hinter ihm.

„Spinner.“ Lächle ich und Damian sieht mich nachdenklich an.

„Eigentlich keine so schlechte Idee.“ Er zuckt leicht mit den Schultern.

„Alles klar…“ ich lache leise „Brandon gib ihm was, damit er zur Besinnung kommt.“ Ich sehe zu Brandon und er lacht ebenfalls.

„Macht das unter euch aus, ich wollte es dir nur sagen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke Brandon.“ Ich winke ihm hinterher, als er ins Treppenhaus geht.

’Der gute Doktor nimmt die Treppe, nimm dir ein Beispiel…’ ah ja, meine innere Stimme ist wieder in Topform…

„Nein jetzt ehrlich Eve, heirate mich.“ Damian holt mich aus meinen Gedanken, sieht mich liebevoll an und mir bleibt der Mund offen stehen.

„Du bist durch geknallt.“ Sage ich nach ein paar Sekunden. „Definitiv.“

„Eigentlich dachte ich, ich bin der Teufel.“ Er lächelt verschmitzt.

„Das auch noch.“ Gebe ich schmunzelnd zu.

„Aber du bist der Hölle entstiegen und hier ist es plötzlich ganz schön heiß.“ Ich ziehe ihn in meine Arme.

„Da ist sie endlich wieder…“ er küsst meine nasenspitze „Dieses freche Dubliner Mädchen, welches mich schon am ersten Tag zur Weißglut getrieben hat.“

„Ich gebe mein Bestes.“ Antworte ich so ernst wie möglich und er schüttelt lachend seinen Kopf.

„Nein, ganz ehrlich Eve, heirate mich.“ Bitte er mich.

„Warum?“ ich sehe ihn verständnislos an. „Wir haben doch noch so viel Zeit.“

„Damit ich immer aufpassen kann, das du keine Dummheiten machst. Und ja, wir haben Zeit, aber das Leben ist zu kurz um nicht das zu tun, wovon dein Herz dir sagt, das es richtig ist. Ich liebe dich und möchte keinen Tag mehr ohne dich sein.“ Er nimmt meine Hand „Muss ich betteln?“

„Hmm.“ Ich tue als würde ich nachdenken.

Er seufzt und geht auf die Knie. „Everly Thornton…“ er räuspert sich Liv klatscht freudig in die Hände. „… Würdest du einen Pakt mit dem Teufel eingehen und seine Frau werden?“ seine Augen sehen mich voller Liebe an und ich lächle.

„Ja.“ Hauche ich „Ja, ja und nochmals ja.“

Er steht auf und küsst mich erleichtert.

„Natürlich bekommst du noch einen Ring, aber erst einmal halte ich dich hoffentlich so davon ab, weg zu laufen.“ Grinst er.

„Hmm, könnte klappen.“ Gebe ich zu.

„Olivia, sagen sie alle Termine bis zum 5. Januar ab oder delegieren sie sie so, dass sie von jemand anderem wahr genommen werden können.“ Damian sieht zu Liv und diese nickt lächelnd.

„Aber sicher Mr. Lawson.“ Sie setzt sich an ihren Computer.

 „Damian bitte.“ Er zwinkert ihr zu und sie lächelt.

Kopfschüttelnd sieht sie zu mir.

„Ich wusste, dass du etwas besonders bist…“ erklärt sie mir „Schon als du in diesem furchtbaren hellblauen Kostüm durch die Tür gestolpert bist.“

„Ich danke dir Liv.“ Ich gehe um den Schreibtisch herum und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

„Dafür doch nicht.“ Sie winkt verlegen ab.

„Oh doch, ohne dich hätte ich nicht einmal meine erste Woche überstanden.“ Ich nicke bestätigend.

„Und das hier, gebe ich dir mal wieder.“ Sie holt mein I-Phone hervor. „Ich habe es geladen, aber du musst es heute Abend einstecken. Die 40 Anrufe in Abwesenheit, die unzähligen Mails und SMS erwähne ich jetzt mal nicht.“
Ich nehme es zur Hand, aber Damian entwendet es mir.

„Das hat Zeit.“ Sagt er sicher und ich sehe ihn erstaunt an.

„Was ist, wenn es was Wichtiges ist?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Deine oberste Priorität bin hoffentlich ich.“ Er grinst verschmitzt.

„Immer.“ Gebe ich zurück und versuche ihm mein Handy aus der Hand zu nehmen.

„Sehr gut, das behalte ich und wir fahren jetzt erst einmal zu mir.“ Bestimmt er und ich ziehe eine Schnute. „Schlechte Taktik Miss Thornton.“

Er hält mir seine Hand hin und gerade als ich sie ergreifen will geht der Fahrstuhl auf und Tom kommt herein.

„Was machst du denn hier?“ ich sehe ihn überrascht an.

„Könnte ich dich auch fragen.“ Er bleibt stehen und sieht von Damian, zu Liv und zurück zu mir.

„Kann ich etwas für dich tun?“ Damian sieht ihn abwartend an.

„Ja… Nein.“ Tom legt seinen Kopf schief „Ich bin eigentlich hier, weil ich dir als Freund sagen wollte, dass du Eve nicht gehen lassen darfst.“ Erklärt er ihm und Damian lächelt.

„Danke Tom, aber das habe ich nicht vor.“ Er nimmt meine Hand in seine und haucht einen Kuss auf meine Fingerknöchel. „Ich hoffe im Übrigen darauf, dass du für meine zukünftige Frau ein Brautkleid entwirfst, welches ihrer würdig ist.“

„Was?“ Tom bekommt große Augen und ich nicke leicht. „Das ist der Wahnsinn!“ er reißt mich in seine Arme und ich quieke auf. „Ihr beide seid perfekt für einander.“ Schwärmt er.

„Ja und ich würde im Augenblick wirklich meine Firma verkaufen, um eine halbe Stunde mit Eve alleine zu haben.“ Seufzt Damian.

Tom verbeugt sich lachend und deutet auf den Fahrstuhl.

Ehe ich verstehe, was er mit dieser Geste sagen will, packt mich Damian am Handgelenk und zieht mich zum Fahrstuhl.

„Wo willst du hin?“ frage ich ihn perplex.

„Nach Hause.“ Er atmet tief durch und drückt auf den Knopf für das Erdgeschoss.

„Ich habe keinen Schlüssel mehr.“ Denke ich laut nach.

„In mein Haus…“ er zieht mich in seine Arme und küsst mich.

’Ja natürlich, was wäre Damian ohne das Bedürfnis alles unter Kontrolle zu haben?’ berichtigt mich meine innere Stimme.

„Bekomme ich eine Führung?“ grinse ich.

„Lässt sich einrichten.“ Er küsst meine Nasenspitze und wir steigen in der Lobby aus.

Er greift meine Hand und wir durchqueren im schnellen Tempo die Eingangshalle.

Als wir hinaus treten, schlinge ich die Arme um mich, denn es ist wirklich kalt und Damian zieht mich auf dem Weg zum Wagen in seine Arme.

„Ohne Jacke, also wirklich.“ Rügt er mich.

„Hey…“ wehre ich mich.

„Steig ein.“ Befiehlt er und ich sehe ihn mit einer hochgezogenen Auenbraue an.

„Bitte.“ Fügt er hinzu und Paul hält mir die Tür auf.

„Hallo Miss Eve, Mr. Lawson.“ begrüßt er uns lächelnd.

„Hallo Paul.“ Erwidere ich sein lächeln, ehe mich Damian quasi ins Auto schubst.

Ich will gerade was sagen, als er mich auf der Rückbank durchschiebt und sich neben mich fallen lässt, während Paul das Auto umrundet und sich hinters Steuer setzt.

„Wohin Mr. Lawson?“ fragt Paul.

„Zu meinen Eltern bitte…“ er sieht zu mir und ich sehe ihn überrascht an „… Und bitte Paul, fahren sie langsam.“ Fügt er hinzu und fährt die Trennscheibe hoch.

„Was wird das?“ frage ich verunsichert.

Er greift nach meiner Hand und zieht mich rittlings auf seinen Schoß.

„Hmm…“ er knabbert sanft an meinem Nacken „Ich genieße 20 Minuten mit meiner Verlobten.“ Erklärt er, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt.

Das Wort Verlobte im Zusammenhang mit mir aus seinem Mund zu hören beschert mir eine Gänsehaut, obwohl… das kann auch daran liegen, das seine Hand sanft unter mein Shirt fährt und meinen Rücken streichelt.

„Damian…“ seufze ich zwischen zwei Küssen.

„Ja Eve?“ fragt er belustigt und küsst meinen Brustansatz.

„Das ist nicht…“ setze ich an.

„Hey Sweetheart…“ er zwingt mich in anzusehen und seine Augen blitzen schelmisch „Als Teufel bin ich ziemlich gut darin mit dem Feuer zu spielen.“

„Sweetheart? Ernsthaft?“ lache ich leise.

Statt zu antworten küsst er mich leidenschaftlich und ich merke, wie sich eine angenehme Wärme in meinem Unterleib ausbreitet.

Der Mann macht mich wahnsinnig…

Der Wagen hält an und Damian hebt mich von seinem Schoß.

„Wir sind da.“ Sagt er und ich lege meinen Kopf schief.

„Warum genau sind wir jetzt bei deinen Eltern?“ frage ich zögerlich.

„Weil sich mich sonst nicht in Ruhe lassen würden… von Julie will ich gar nicht anfangen.“ Erklärt er mir.

„Warum?“ frage ich erneut und er lächelt.

„Sagen wir mal so…“ er denkt einen Moment nach „Ich bin nicht sehr gut darin mit Abweisung umzugehen und ich habe mich in den letzten Tagen vielleicht etwas daneben benommen.“

„Es tut mir leid.“ Sage ich leise und sehe auf meine ineinander verschlungenen Hände.

„Hey, hey…“ er legt seine Hand unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen „… Es ist Okay, doch wirklich. Um es mit Julies Worte von heute Morgen zu sagen: Hör’ auf dich wie ein verwöhntes Kind zu benehmen und sieh ein, das sich nicht die ganze Welt um dich dreht.“

„Klingt nach Juls.“ Gebe ich zu.

„Ja und dann klingelte Landon.“ Er zuckt leicht mit den Schultern. „Ich habe ihn nicht sehr freundlich empfangen bis Julie an mir vorbei gerauscht ist und ihn rein gelassen hat. Dann begann er zu erklären…“ er streicht sanft über meine Wange. „Mit jedem Satz in dem er dich und deine Handlungen verteidigte wurde mir bewusst, dass ich dich liebe und ich wirklich aufhören muss mich ein verwöhntes Kind zu benehmen. Mit wurde klar, das ich dich nicht gehen lassen KANN, nicht so…“

„Die letzten Tage waren furchtbar…“ gebe ich zu „Obwohl, der ganze letzte Monat war nicht wirklich…“

„Es tut mir leid.“ Unterbricht er mich und beugt sich zu mir „Ich hätte mich bei Sanford vor dich stellen müssen, anstatt einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.“

„Du bist jetzt hier, das zählt.“ Ich umschlinge seinen Nacken und ziehe ihn zu mir „Nur das zählt.“

Die Autotür wird aufgerissen und Juls steht neben dem Auto.

„Hattet ihr vor heute noch auszusteigen?“ sie verschränkt die Arme vor der Brust und Damian stöhnt leise.

„Ja…“ er sieht zu ihr „In 2 Minuten.“ Er zieht die Tür wieder zu.

Dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich zärtlich.

Schließlich lässt er von mir ab und atmet tief durch.

„Okay?“ er sieht zu mir und ich nicke lächelnd.

Er öffnet die Tür und steigt geschmeidig aus, dann reicht er mir die Hand und hilft mir auszusteigen.

Ich hebe meinen Kopf und sehe das riesige Haus vor mir.

’Braucht man hier ein Navi?’ fragt mich meine innere Stimme und ich schlucke schwer.

Damian ergreift meine Hand und zieht mich zur Haustür, als wir eintreten kommt Juls auf uns zu gelaufen, schubst ihren Bruder eher unsanft zur Seite und nimmt mich in den Arm.

„Ich bin so froh.“ Flüstert sie mir ins Ohr und ich grinse sie an.

„Ich erst.“ Gebe ich zu.

„Wo sind Mum und Dad?“ fragt Damian sie und sie lässt von mir ab.

„Sie sind im Wohnzimmer.“ Antwortet sie ihm und zieht mich mit sich.

Warum ziehen mich heute alle ständig hinter sich her?

Im Wohnzimmer, oder das was ich dafür halte sehen mich Gregory und Estelle lächelnd an.

„Hallo Eve, es ist schön dich zu sehen.“ Estelle kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.

„Vielen Dank, es ist auch schön dich zu sehen.“ Erwidere ich zugegebner Maßen perplex.

„Hallo Liebes, möchtest du einen Tee oder einen Kaffee?“ auch Gregory steht auf und zieht mich in eine reichlich feste Umarmung. „Es ist schön euch zusammen zu sehen.“ Sagt er leise und ich nicke.

„Also Tee? Kaffee?“ erinnert er mich an seine eigentliche Frage.

„Tee?“ frage ich eher als ich antworte und Damian legt seinen Arm um mich.

„Eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworte ist nicht sehr hilfreich.“ Gibt er zu bedenken und ich schenke ihm einen gequälten Blick. „Entspann dich Sweetheart.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und bugsiert mich auf eine der großen, beigen Ledercouchen.

„Ich hole uns eben einen Tee.“ Gregory nickt mir zu und verlässt den Raum durch die große Flügeltür, durch die wir gerade rein gekommen sind.

„Das Haus ist wunderschön.“ Ich sehe zu Estelle und sie erstrahlt.

„Vielen Dank, anfangs war es uns etwas zu groß, aber mittlerweile haben wir für fast alle Räume einen Verwendungszweck gefunden.“ Erklärt sie mir.

„Ja und ich habe nur ein Zimmer.“ Quengelt Juls.

„Also ehrlich.“ Sagen Estelle und ich wie aus einem Mund und Juls stöhnt auf.

„Sei dankbar für das, was du hast.“ Sage ich zu ihr und zieht eine Flunsch.

„Ich hätte es nicht besser sagen können.“ Stimmt mir Estelle zu.

„Wenn ich jetzt mal so indiskret sein darf…“ Estelle deutet auf unsere Hände die ineinander verschlungen sind.

„Ja Mum, Eve geht ein Pakt mit dem Teufel, also mit mir, ein…“ erklärt ihr Damian lächelnd und küsst meine Hand „Einen sehr exklusiven sogar, Eve wird nämlich meine Frau.“

„Was?“ Juls springt auf und stürzt sich auf mich.

Damian rettet sich mal wieder mit einem gekonnten Hechtsprung vor seiner Schwester und sieht sie grinsend an.

„Ja Julie, ich habe Eve gefragt ob sie meine Frau werden will und sie hat ja gesagt.“ Erklärt er ihr, während sie mich immer noch fest an sich drückt.

„Mein Sohn, ein Mann schneller Entscheidungen…“ Gregory zwinkert ihm zu „Zumindestens was Eve betrifft.“ Fügt er hinzu und nimmt seinen Sohn in den Arm. „Ich gratuliere euch.“

„Danke Dad.“ Damian erwidert die Umarmung, während Juls endlich von mir ablässt und Estelle mich an sich drückt.

„Es ist, als würde ich eine neue Tochter bekommen…“ sie wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel „Ich freue mich so.“

„Ich danke dir.“ Gebe ich gerührt zurück.

Dann vergeht der Nachmittag wahnsinnig schnell, Juls und Estelle planen meine Hochzeit und ich bin froh, wenn ich ab und zu mal was dazu einwerfen darf. Es ist schön die beiden so glücklich zu sehen und Damian wirft mir hin und wieder einen verliebten Blick zu.

Die Situation ist so entspannt und locker, das ich es fast nicht glauben kann, das ich bei Damians Eltern in deren Haus auf der Couch sitze und sie mich nicht einmal etwas schräg ansehen, weil ich seine Assistentin war oder bin.

’Das musst du irgendwann mal klären…’ erinnert mich meine innere Stimme.

„Weißt du Eve, schon als ich das erste Mal gesehen habe, da habe ich gewusst, das Damian sich dir nicht lange entziehen kann und als er dann urplötzlich für vier Wochen zu Sarah geflogen ist, da wusste ich es…“ Estelle sieht ihren Sohn lächelnd an „Damian neigt dazu sich bei Entscheidungen die ihn betreffen etwas schwer zu tun und Sarah war ihm schon immer eine Entscheidungshilfe.“ Erklärt sie mir und Damian drückt kurz meine Hand.

„Es sah ihm nicht ähnlich, aber als ich dich kennen gelernt habe, da wusste ich, wieso er seinen Kopf frei bekommen musste.“ Stimmt auch Gregory seiner Frau zu.

„Ich habe es ja hin bekommen, oder?“ unterbricht Damian seine Eltern.

„Ja, aber auf die letzten Tage hätte ich getrost verzichten können.“ Juls wirft Damian einen vielsagenden Blick zu.

„Ich schulde dir was.“ Gibt er zu und sie erstrahlt.

„Wie nimmt es deine Familie denn auf, dass du jetzt mit Damian zusammen bist?“ Estelle nippt an ihrem Wein, auf den wir nach dem Tee umgestiegen sind und sieht mich fragend an.

„Ich habe nicht mehr viel an Familie, meine Eltern sind beide verstorben.“ Erkläre ich ihr „Und mein Bruder Landon findet es gut, ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier.“

„Oh Eve, das tut mir leid.“ Entschuldigt sie sich sofort.

„Nein, nein…“ ich winke ab „Wenn meine Mum nicht gestorben wäre, dann hätte ich niemals bei Damian angefangen.“ Ich lächle ihn an und er haucht mir einen Kuss auf meine Fingerknöchel „Also hat also irgendwie einen Sinn.“

„Jetzt hast du ja uns.“ Juls zwinkert mir zu.

„Ja, hat sie… aber jetzt entschuldigt ihr uns.“ Damian steht auf und übergeht den Protest seitens Estelles.

„Mum, ich verspreche dir hoch und heilig, das ich Eve öfter mitbringe, aber jetzt möchte ich nach Hause. Der Tag war lang und anstrengend.“ Entschuldigt er sich und Estelle nickt schließlich.

„Gut ihr Zwei, kommt ihr zu unserer Silvesterfeier?“ sie begleitet uns zur Tür, nachdem wir uns von Gregory und Juls verabschiedet haben.

„Eher nicht Mum, ich möchte es dieser Jahr ganz ruhig feiern. Nur Eve und ich.“ Er haucht ihr einen Kuss auf die Wange.

„Aber zum Neujahressen kommst du, das ist Tradition.“ Sie kneift ihm in die Wange und während ich leise kichere, stöhnt er auf.

„Ja Mum.“ Murrt er schließlich.

„Machs gut Eve.“ Sie drückt mich an sich.

„Bye Estelle.“ Ich winke ihr zu, während Damian mich zum Auto zieht.

„Wo ist den Paul?“ wundere ich mich, als sich Damian hinters Steuer setzt.

„Der gute Mann hat ab und zu frei.“ Lächelt er „Wenn ich im Büro bin, dann steht er mir zur Verfügung, ansonsten kann ich sehr gut alleine Auto fahren.“

„Hmm, dann bist du also nur was deine Assistentinnen angeht ein Sklaventreiber.“ Necke ich ihn und er sieht mich stirnrunzelnd an. „Komm schon, dein Arbeitsvertrag lässt nicht gerade viel Freiraum.“ Erkläre ich ihm schmunzelnd.

„Ich habe gerne alles unter Kontrolle.“ Gibt er zu.

„Was du nicht sagst.“ Necke ich ihn und er wirft mir einen belustigten Blick zu, als wir das Tor passieren und er sich in den Stadtverkehr einfädelt.

Ich greife nach seiner Hand und halte sie fest, ich will ihn nie wieder los lassen…

„Wie ist das jetzt eigentlich… Bin ich noch deine Assistentin?“ frage ich leise.

„Wenn du willst, aber dir muss klar sein, das sich einiges ändert.“ Sagt er im harten, geschäftlichen Tonfall und ich schlucke schwer.

„Soll heißen?“ hake ich vorsichtig nach.

Er ist auf die Straße konzentriert und sieht mich nicht an, während er nachdenkt.

„Kein Arbeitsvertrag.“ Sagt er schließlich „Du wirst nicht nur als meine Assistentin, sondern auch als meine Verlobte vorgestellt und ein paar deiner Aufgaben gibst du an Olivia ab, damit du ab dem nächsten Semester dein Studium fort setzen kannst. Wenn du das dann hinter dir hast, wirst du Vorstandsmitglied.“ Er hält an einer roten Ampel und sieht mich an.

„Was?“ frage ich verwirrt.

’Zaubert er gerade einen Zukunftsplan aus seinem Ärmel?’ japst meine innere Stimme.

„Ich habe darüber nach gedacht.“ Gibt er zu „Du hast unglaubliches Potenzial, welches ich gerne für Lawson Industries nutzen möchte, aber nicht so, wie es im Moment der Fall ist.“

Ich starre ihn an, während er sich lächelnd auf den wieder fließenden Verkehr konzentriert.

„Alles Okay Sweetheart?“ fragt er nach ein paar Sekunden.

„Das ist alles ein bisschen viel.“ Gebe ich zu.

„Ich bin es gewohnt Entscheidungen zu treffen…“ er zuckt entschuldigend mit den Schultern „Wenn du dich übergangen fühlst, dann sag es mir.“ Bittet er mich.

„Ich liebe Dich Damian Lawson.“ Flüstere ich und er atmet erleichtert auf.

„Und ich liebe Dich Everly Thornton.“ Er küsst meine Hand, die seine noch immer fest umschlungen hält.

Wir fahren auf ein großes Tor zu und er öffnet es mit einem Knopf an der Sonnenblende.

„Home sweet Home.“ Er sieht zu mir und wir fahren auf ein wunderschönes weiß getünchtes, großes Haus zu.

„Wow…“ ich sehe an der Fassade hoch, als wir vor dem Haus parken.

„Es ist das Haus was ich immer wollte…“ er steigt aus und hält mir die Tür auf „Es fehlte nur etwas wichtiges.“ Er nimmt mich in den Arm während er aufschließt.

„Und was?“ ich betrete das Haus und sehe mich staunend um. Es ist hell, perfekt aufeinander gestimmt eingerichtet und strahlt Wärme, Ruhe und Geborgenheit aus.

’Also wenn das die Hölle ist, dann will ich hier bleiben.’ Staunt meine innere Stimme und ich nicke bestätigend.

„Mir fehlte die Frau die ich liebe.“ Sagt Damian sanft und zieht mich fest in seine Arme.

„Da du die jetzt hast…“ grinse ich „Was steht als nächstes auf deinem Plan?“

„Ab da habe ich keinen Plan, da mir das, bis du in mein Leben getreten bist, höchst unwahrscheinlich erschien.“ Gibt er zu.

„Damian Lawson hat keinen Plan?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Für die nächsten Stunden hätte ich schon einen.“ Lacht er und hebt mich an, so dass ich meine Beine um ihn schlingen kann.

„Ich bin ganz und gar einverstanden.“ Ich küsse ihn zärtlich und fahre ihm durch die Haare.

Er trägt mich küssend die Treppe rauf und stößt die erstbeste Tür mit seinem Fuß auf. Ehe ich mich versehe legt er mich auf einem unerhört weichem Bett ab und beugt sich über mich. Er öffnet den Reißverschluss meiner Sweatjacke und küsst meine Halsbeuge.

Ich nestele an seiner Krawatte herum und öffne sie schließlich, damit ich sie im hohen Bogen weg werfen kann. Er sieht mich in die Augen und ich erkenne nichts mehr von dem kontrollsüchtigen und herrischen Geschäftmann in ihm, jetzt ist er einfach nur Damian und ich muss sagen, das gefällt mir ausgesprochen gut.

Unsere erste Nacht wird wunderbar und ich kann mich nicht erinnern mich jemals so geborgen und geliebt gefühlt zu haben.

„Aufwachen Sweetheart.“ Haucht mir eine Stimme ins Ohr und ich drehe mich brummend auf die Seite.

„Hey…“ versucht es die Stimme erneut und zieht mich in ihre Arme.

Oh ja, das ist schön…

„Wir müssen aufstehen, Landon und Hailey warten in einer Stunde auf uns, ich habe ihm gerade die Adresse vom Capris geschickt.“ Flüstert mir Damian ins Ohr und ich drehe mich in seinen Armen zu ihm um.

Ich kann nicht anders als wie zu lächeln und streiche ihm eine störrische Strähne aus dem Gesicht.

„Was?“ grinst er.

„Du und ich.“ Sage ich leise und er küsst mich.

„Es ist wunderbar.“ Haucht er mir ins Ohr und ich kann nur nicken.

Wir kuscheln uns noch einen Moment aneinander, ehe er schließlich unter meinem murren aufsteht.

„Komm schon…“ er zieht mir neckend meine Bettdecke weg.

„Landon kann warten.“ Gebe ich zurück und angele mir seine Bettdecke.

„Nichts da, wenn ich etwas verspreche, dann halte ich es auch.“ Er hält mir seine Hand hin „Bitte.“

„Okay.“ Ich rappele mich auf und ergreife seine Hand.

Zielstrebig führt er mich ins Bad und ich finde mich in einer großen Dusche wieder. Das Wasser plätschert wie warmer regen auf mich und Damian beginnt mir meinen Rücken einzuseifen.

„Ist es immer noch so schlimm aufzustehen?“ haucht er mir ins Ohr und ich lehne mich zufrieden seufzend an ihn.

Nachdem wir fertig geduscht haben schlüpfe ich in meine Unterwäsche und in meine Jeans.

„Wir sollten vielleicht mal in deine Wohnung und ein paar Sachen holen.“ Stellt er fest, als ich mir mein Sweatshirt vom Vortag überziehe.

„Ja und vielleicht bei Tom vorbei meine Kostüme wieder abholen.“ Pflichte ich ihm bei und binde meine Converse zu.

Ich sehe ihn an und grinse, auch er trägt eine verwaschene Jeans, Sportschuhe und einen Kapuzensweater und er sieht gut darin aus, ich meine richtig gut.

„Du siehst so anders aus.“ Gebe ich zu.

„Ich fühle mich anders.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Lippen und nimmt mich in den Arm „Das erste Mal in meinem Leben fühle ich mich komplett.“

’Ich schmelze…’ seufzt meine innere Stimme selig.

„Du bist wunderbar.“ Flüstere ich und er bugsiert mich nach draußen.

Wir kommen tatsächlich fast pünktlich im Capris an und Landon macht winkend auf sich aufmerksam. Das Capris ist eher ein mittelklasse Restaurant und unser Aufzug fällt nicht wirklich auf, als wir zum Tisch gehen und Landon mich in den Arm nimmt.

„Gut geschlafen Schwesterherz?“ neckt er mich und ich grinse ihn an.

„Das geht dich mal gar nichts an.“ erwidere ich schließlich.

„Damian, das ist Hailey, Landons Freundin.“ Stelle ich Ihm Hailey vor und sie grinst mich, nachdem sie ihm die Hand geschüttelt hat, breit an.

„Freut mich Hailey.“ Damian rückt mir den Stuhl zurecht und setzt sich dann ebenfalls.

„Und wie sieht es aus? Hunger?“ Landon sieht in die Runde und ich nicke zustimmend.

„Oh ja.“ Gebe ich zu.

„Ich würde sagen, wie nehmen alle das Frühstücksbuffet, das ist wirklich ausgezeichnet und es ist für jeden was dabei.“ Schlägt Damian vor und wir nicken zustimmend.

Ich hole mir erst einmal einen Kaffee und einen Orangensaft und beobachte Damian und Landon die sich am Buffet unterhalten.

„Er scheint wirklich nett zu sein.“ Hailey setzt sich zu mir und ich nicke lächelnd.

„Ja, das ist er.“ Ich nehme einen großen Schluck von meinem Kaffee.

Nachdem Damian und Landon zurück sind holen Hailey und ich uns etwas und einen ganz kleinen Augenblick versinkt unser Tisch im gefräßigen Schweigen.

„Und Damian, wann machst du aus meiner Schwester eine ehrbare Frau?“ Landon grinst ihn an und ich verschlucke mich an meinem Croissant.

„Landon!“ rüge ich ihn.

„Was denn? Ich muss doch auf dich aufpassen.“ Wehrt er sich eher halbherzig.

„Ich habe deine Schwester gestern gebeten meine Frau zu werden und sie hat dem zu gestimmt, also denke ich, wird es nicht mehr allzu lange dauern und wenn ich bedenke, das meine Mum und meine Schwester schon die Hochzeit bis ins Detail planen…“ er denkt einen Moment nach „Ich denke nach Eves Studienabschluss.“ Er nickt mir zu.

„Du bist verlobt?“ fragt mich Landon fast vorwurfsvoll.

„Ja, muss ich dich dafür vorher um Erlaubnis fragen?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Wow, meinen Glückwunsch:“ er steht auf und erhebt das Glas.

„Setz dich wieder hin.“ Zische ich, als ich sehe, dass uns schon alle anschauen.

„Auf meine einzigartige kleine Schwester und ihren zukünftigen Mann.“ Er prostet mir mit Saft zu und ich erhebe mein Glas, in der Hoffnung er setzt sich wieder.

„Auf Eve und Damian!“ fügt er noch hinzu, ehe er sich, zu meiner Erleichterung, wieder hin setzt.

 

*************

„Damian? Wo ist meine weiße Bluse? Die mit den Bändern am Kragen.“ ich laufe aufgescheucht durchs Haus und er hält besagtes Kleidungsstück hoch.

„Durchatmen Sweetheart.“ Erinnert er mich und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.

„Ich kann es nicht glauben, ich habe es wirklich geschafft.“ Grinse ich.

„Und sogar mit Auszeichnung.“ Er drückt mich an sich „Lawson Industries ist wirklich stolz darauf, eine solche talentierte Managerin in seinem Vorstand begrüßen zu dürfen.“ Erklärt er mir und reckt sein Kinn in die Höhe.

Gestern habe ich mein Zeugnis bekommen und heute werde ich dem Vorstand als neues Mitglied vorgestellt, ich bin nervös und kann kaum einen klaren Gedanken fassen.

Als ich endlich die Bluse anhabe und in einen Rock und den passenden dunkelblauen Blazer geschlüpft bin, komme ich in die Küche, wo Damian schon in der Morgenzeitung versunken ist.

Ich setze mich zu ihm und ziehe mir meine Highheels an und atme tief durch.

„Trink bitte einen Kaffee.“ Er schiebt mir eine Tasse über den Tresen.

„Ich bekomme nichts runter.“ Jammere ich.

Er steht auf und stellt sich vor meinen Barhocker. „Sieh mich an.“ sagt er sanft und ich blicke in seine dunkelbraunen Augen. „Du schaffst alles.“ Sagt er zuversichtlich.

„Ich liebe Dich.“ Erwidere ich leise und er beugt sich ein Stück runter um mich zu küssen.

„Und ich liebe Dich Everly Lawson.“ Haucht er.

Ach ja, Damian und ich haben ziemlich spontan im März auf einer Geschäftsreise nach Las Vegas geheiratet, aber wir haben Estelle hoch und heilig versprochen noch ein “Richtige“ Hochzeit hier in Irland auszurichten. Wenn denn dafür Zeit ist…

Ich trinke noch schnell einen Schluck von meinem Kaffee und dann steigen wir auch schon ins Auto um ins Büro zu fahren.

„Hastings kommt um 11 Uhr ins Büro.“ Erinnere ich ihn „Mit kompletten Vorstand.“ Füge ich hinzu.

„Ich weiß, Adrian Smith, der CEO hat mich gestern angerufen und mir Nahe gelegt mir nochmals durch den Kopf gehen zu lassen, Hastings wieder als Zulieferer zu nehmen.“ Erklärt er mir.

„Würde es sich denn rentieren?“ ich kaue auf meiner Unterlippe.

„Ja, wir würden 8 Prozent einsparen.“ Gibt er zu.

„Dann gib Hastings doch den Auftrag wieder.“ Ich sehe ihn an.

„Solange Sanford bei denen im Vorstand sitzt, werde ich keine Geschäfte mit denen machen.“ Er ballt seine Hand, die auf dem Schaltknauf liegt zur Faust.

„Damian…“ sage ich sanft.

„Nein.“ Wiegelt er ab und ich seufze leise.

„Du hast heute um 14 Uhr einen Termin bei Brandon, ich begleite dich?“ erklärt er mir nun und ich sehe ihn verwirrt an.

„Letzten Monat habe ich es wegen dem Prüfungsstress durchgehen lassen, aber glaubst du wirklich, ich bemerke nicht, das du kaum isst und ständig Bauchschmerzen hast?“ er sieht zu mir und zieht eine Augenbraue hoch.

„Wie konnte ich das auch nur denken…“ sage ich eher zu mir wie zu ihm und er nimmt meine Hand und haucht einen Kuss auf meine Fingerknöchel.

„Ich mache mir Sorgen um dich.“ Gesteht er mir leise und ich sehe ihn lächelnd an.

„Das ist lieb, ich werde Brandon einfach mal drauf schauen lassen.“ Ich nicke und er sieht zufrieden wieder auf die Straße.

Wir parken in der Tiefgarage und Damian nimmt meine Hand, als wir in den Fahrstuhl steigen.

„Bereit?“ er legt seine Stirn an meine und ich nicke leicht.

Dann erreichen wir den 8. Stock und er tritt vor mir aus dem Fahrstuhl.

Ich folge ihm und wir betreten den großen Tagungsraum, in dem sich jeden Mittwoch der Vorstand trifft.

Ich grüße mit einem Nicken in die Runde und Damian setzt sich ans Kopfende, während ich mich auf einen Stuhl nahe dem Ausgang setze.

„So, die Tagespunkte für heute?“ Damian sieht fragend in die Runde und sofort gehen die Gespräche los.

Nach 90 Minuten erhebt sich Damian und sieht zu mir.

„Zum Abschluss der heutigen Versammlung möchte ich ihnen allen unser neustes Vorstandmitglied vorstellen…“ er deutet auf mich „Mrs. Everly Lawson, sie hat als Jahrgangsbeste an der Dublin Business School abgeschlossen und wir mit sofortiger Wirkung den Einkaufsektor übernehmen.“ Erklärt er und alle nicken mir freundlich zu „Des Weiteren ist sie, wie auch bisher, meine rechte Hand und unterstützt mich in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden.“ Führt er weiter aus und ich lächle.

Er nickt mir zu und ich stehe auf „Es freut mich sehr, das ich diese Möglichkeit erhalte und ich möchte sie bitten, mich als eigenständig zu betrachten und nicht als die Ehefrau Damian Lawsons. Das bin ich natürlich auch, aber ich habe eine umfangreiche Ausbildung genossen und möchte meinem Wissen Lawson Industries zu Verfügung stellen.“ Ich versuche an den Gesichtern der anderen Vorstandsmitglieder irgendetwas zu erkennen, aber sie haben alle ein Pokerface… Es wird sich wohl erst mit der Zeit zeigen, wie gut sie damit umgehen können. Das mir mit der Hochzeit und dem Ehevertrag 49 Prozent der Firma gehören erwähne ich jetzt besser nicht.

Eine viertel Stunde später betrete ich das Büro und Liv reckt mir einen riesigen Blumenstrauße entgegen.

„Alles Gute zur bestandenen Prüfung!“ jubelt sie und nimmt mich in den Arm.

„ich danke dir.“ Ich bestaune die Blumen.

„Wow, die sind ja mal schön…“ Damian sieht mich anerkennend an.

„Von Liv.“ Erkläre ich ihm stolz „Für meine bestandene Prüfung.“ Ich nehme den Strauß, der glücklicher Weise schon in einer Vase steht, mit und platziere ihn auf meinem Schreibtisch.

Ich habe immer noch meinen Schreibtisch bei Damian im Büro, aber mittlerweile ist er etwas größer und ich habe uneingeschränkten Zugriff auf alles.

Damian setzt sich an seinen Computer und ich tue es ihm gleich, ich muss noch die neusten Einkaufzahlen hoch laden und bearbeiten.

„Du bekommst natürlich von mir auch noch etwas für deinen Abschluss.“ Damian steht vor meinem Schreibtisch, stürzt seine Arme ab und küsst mich, als ich aufsehe.

„Ich habe alles was ich brauche.“ Erkläre ich ihm lächelnd.

„Der Vorstand und der CEO von Hastings erwarten sie im Konferenzraum 2.“ Liv sieht uns an und Damian seufzt leise.

„Auf geht’s.“ er geht mir voran und ich betrete mit klopfendem Herzen den Konferenzraum, sofort erblicke ich ihn und mein Magen dreht sich um.

Ich meine wirklich… mir wird schlecht und ich halte mich an der Lehne des nächstbesten Stuhls fest.

„Ganz ruhig.“ Flüstert mir Damian ins Ohr und bugsiert mich auf den Stuhl, an dem ich mich fest halte.

„Vielen Dank, das sie uns empfange Mr. Lawson.“ Beginnt ein älterer Mann „Ich habe den Vorstand mit gebracht, um die Unstimmigkeiten aus dem Weg zu schaffen, die dafür verantwortlich sind, das Lawson Industries nicht mehr mit uns zusammen arbeitet.“

„Vielen Dank Mr. Smith, ich weiß es zu schätzen, dass sie mich aufsuchen, aber ich kann ihnen keine großen Hoffnungen machen, dass Lawson Industries die Zusammenarbeit mit ihnen vorsetzt.“ Damian zuckt mit den Schultern „Im Übrigen habe ich nicht mehr das alleinige Sagen, was die finanziellen Belange, und darauf wird es hinaus laufen, der Firma angeht.“ Erklärt er ihm weiter.

„Haben sie Anteile an Lawson Industries verkauft?“ fragt Mr. Smith erstaunt.

„Nein, meiner Frau Everly Lawson…“ er deutet auf mich „… gehören 49 Prozent der Firma.“

„Das ist lächerlich.“ Ereifert sich James Sanford und Mr. Smith sieht ihn überrascht an.

„Was James? Haben sie Angst, das ans Licht kommt, das ihre Weste nicht so weiß ist, wie sie vorgeben?“ Damian sieht ihn durchdringend an.

„Wie meinen sie das?“ jetzt wird Mr. Smith hellhörig.

„Mr. Sanford hat sich auf unsittliche Weise meiner Assistentin, die jetzt meine Frau ist, genähert, er hat sie geschlagen und sie bedroht.“ Damian sagt das ohne einen einzigen Hauch von Emotionen, während sich mir wieder der Magen umdreht.

„Sie haben keine Beweise.“ James Sanford schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und ich sehe erstaunt auf.

„Ich habe das Wort meiner Frau.“ Nun erhebt auch Damian seine Stimme „Solange James Sanford bei ihnen im Vorstand sitzt, wird Lawson Industries keine Geschäfte mit ihnen machen.“ Sagt Damian sicher und will aufstehen.

„Bleiben sie bitte sitzen.“ Mr. Smith sieht ihn bittend an und Damian lässt sich wieder in seinen Stuhl sinken.

„James, sie sind hiermit mit sofortiger Wirkung aus dem Vorstand entlassen.“ Sagt er nun an Sanford gewandt und dieser schnappt empört nach Luft.

„Sie glauben dieser…“ er deutet auf mich.

„Überlegen sie sich sehr gut, was sie sagen.“ Warnt Damian ihn gefährlich leise und ich lege beruhigend meine Hand auf seinen Unterarm.

„Ja James, ich glaube Mr. Lawson…“ Mr. Smith sieht zu ihm „Wir hatten niemals Schwierigkeiten und ich kenne Mr. Lawson als ehrlichen, aufrichtigen und loyalen Geschäftsmann und ich wüsste keinen Grund, warum er mir nicht die Wahrheit sagen sollte.“ Mr. Smith spricht ruhig mit ihm und ich ahne was jetzt kommt.

Tatsächlich rastet Sanford aus und wird 10 Minuten später von der Security nach draußen geleitet.

„Ich spreche mein zu tiefstes Bedauern über das, was geschehen ist aus und hoffe sie sind zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit.“ Mr. Smith sieht mich an und hält mir seine Hand hin.

Ich nicke und ergreife diese „Vielen Dank Mr. Smith.“

Damian hält sein Wort und beginnt sofort mit Neuverhandlungen der Zuliefererkonditionen und ich entschuldige mich, um mich weiter mit meinen Zahlen zu beschäftigen.

„Kommst du Sweetheart? Brandon erwartet uns.“ Damian steht in der Tür und ich sehe überrascht auf.

„Ist es schon so spät?“ ich sehe erschrocken auf meine Uhr.

„Ja.“ Er kommt zu mir und klappt den Monitor runter „Und du hast mal wieder nichts zu Mittag gegessen.“ Rügt er mich, während ich meine Jacke nehme und wir an Liv vorbei eilen.

„Für heute habt ihr keine Termine mehr.“ Sie winkt uns hinterher.
„Danke Liv!“ rufe ich ihr noch zu, ehe sich die Fahrstuhltüren schließen.

Tatsächlich kommen wir 5 Minuten zu spät zu Brandon und ich bin das erste Mal in seiner Praxis.

„Da seid ihr ja.“ Begrüßt er uns und nimmt mich in den Arm. „Wie geht es dir?“ er betrachtet mich ein wenig sorgenvoll, nachdem er auch Damian begrüßt hat.

„Sie isst kaum etwas und hat ständig Bauchschmerzen, erst dachte ich, das liegt am Stress, aber jetzt, da die Prüfungen vorbei sind, möchte ich wirklich gerne, das du sie durchcheckst.“ Erklärt ihm Damian und ich werfe ihm einen schiefen Blick zu.

„Okay Eve, komm mit.“ Brandon grinst mich an und Damian folgt uns.

„Ich sagte Eve.“ Er deutet auf den Wartebereich und Damian nimmt murrend Platz.

Im Sprechzimmer angekommen misst er meinen Blutdruck und meinen Puls und als das zu seiner Zufriedenheit ausfällt bittet er mich, mich auf die Behandlungsliege zu legen.

„Machst du deinen Bauch frei? Das was Damian beschreibt klingt nach einem Magengeschwür.“ Er sieht mich an und ich schließe seufzend meine Augen.

„Komm schon Eve, es wird schon nicht so schlimm sein.“ Macht er mir Mut und verteilt das kalte Gel auf meinem Bauch.

„Ruhig atmen und still halten.“ Weißt er mich an.

Dann ist es still… unheimlich still.

„Warte kurz.“ Er nickt mir zu und geht hinaus, um ein paar Sekunden mit Damian zurück zu kommen.

„Was ist los Brandon?“ will er sofort wissen und auch ich sehe meinen behandelnden Arzt fragend an.

„Ich denke, das solltet ihr sehen.“ Gibt sich Brandon geheimnisvoll und Damian setzt sich neben mich auf einen Hocker.

Dann dimmt er erneut das Licht und setzt den Schallkopf wieder an.

„Hier ist euer Magengeschwür…“ er deutet auf den Monitor und ich komme leicht hoch „Es hat einen kräftige Herzschlag und wenn ich meinen Berechnungen glauben darf, dann bist du in der 11. Woche. Herzlichen Glückwunsch.“ Er strahlt uns an und Damian starrt erst auf den Monitor und sieht dann mich an.

„Ich habe doch gesagt, du bekommst was von mir zum Abschluss…“ grinst er.

„Wir bekommen ein Baby.“ Flüstere ich.

„Ja.“ Stimmt mir Brandon zu „Jetzt ist es umso wichtiger das du ausgewogen isst.“ Sagt er mahnend.

„Ich liebe Dich.“ Damian beugt sich über mich und küsst mich zärtlich „Du machst mein Leben komplett.“

„Ich liebe Dich auch!“ eine einzelne Träne rinnt mir aus dem Augenwinkel und Damian wischt sie sanft fort.

’Das ist Liebe…’ haucht meine innere Stimme und ich lächle glücklich unter Tränen.

Ja, das ist Liebe!

 

Epilog

 

„Liv? Wann ist Damian wieder da?“ ich sehe sie fragend an, als ich aus dem Fahrstuhl stiege und die Babyschale abstelle.

Lächelnd kommt sie zu mir und wirft einen Blick hinein.

„Es ist unglaublich wie schnell sie wachsen.“ Sie streicht ihm über seine dunkelblonden Haare und er öffnet sie Augen um sie mit seinen dunkelbraunen Knopfaugen anzusehen.

„Damian ist in 15 Minuten hier.“ Gibt sie zurück und ich seufze. „Was ist denn los?“

„Wir sind heute bei Jen und Ray zum Essen eingeladen, wir wollen noch die letzten Details für ihre Hochzeit besprechen und ich will nicht zu spät kommen…“ ich sehe sie an und sie lächelt „Ich mache drei Kreuze, wenn die Fusion endlich über die Bühne ist und ich meinen Mann wieder etwas öfter sehe.“ Gestehe ich ihr.

„Frag mich mal…“ sie verdreht die Augen „Übrigens danke, das du dich um die Termine der nächsten Woche gekümmert hast.“

„Kein Problem, ich habe ja Zeit. Shane schläft ja fast den ganzen Tag.“ Ich deute auf den kleinen Mann, der tatsächlich selig vor sich hin schlummert.

„Und wie geht es dir sonst als Mummy?“ sie setzt sich und reicht mir eine Tasse Tee.

„Sehr gut, Estelle steht mir mit Rat und Tat zur Seite und ich glaube Damian hat sie angestiftet mich nicht aus den Augen zu lassen.“ Ich grinse „Wenn er schon nicht selbst alles unter Kontrolle haben kann, dann schickt er seine Mum vor.“

„Ich kann es nicht glauben, dass er schon 2 Monate alt ist.“ Wieder betrachtet sie ihn und schüttelt leicht ihren Kopf.

„Ich auch nicht, dabei ist er doch gerade gestern geboren.“ Ich sehe ihn an und lächle.

Er räkelt sich und ich nehme ihn auf den Arm.

„Hey meine Süßer…“ ich küsse seine Stirn und er saugt heftig an seinem Schnuller.

„Hunger?“ Liv sieht mich fragend an.

„Ich habe ihn erst vor einer halben Stunde gestillt.“ Ich wiege ihn sanft und er beruhigt sich schnell wieder.

Die Fahrstuhltüren gleiten auf und Damian betritt das Büro, als er mich entdeckt beginnt er zu strahlen und kommt zu mir.

„Was macht ihr denn schon hier?“ er küsst mich innig und haucht Shane einen Kuss auf die Haare.

„Schon ist gut…“ ich gebe ihm Shane auf den Arm und merke, das er sich sofort entspannt. Manchmal wirkt so ein kleines Bündel Mensch schon wahre Wunder. „Wir wollen in einer Stunde bei Jen und Ray sein.“ Erinnere ich ihn.

„Ich muss noch…“ setzt er an und ich werfe ihm einen langen Blick zu.

„Du musst gar nichts…“ ich gehe zu ihm und streiche ihm über die Wange „Du kommst jetzt mit Shane und mir mit, wir machen uns einen schönen Abend bei Ray und Jen und dann genießen wir ein Wochenende, an dem ich nichts von der Firma hören will. Nichts ist so wichtig, das es nicht bis Montag warten kann.“

„Du hast Recht.“ Pflichtet er mir bei.

Ich nehme sein I-Pad von Tisch und bringe es ins Büro, um es auf die Aufladestation zu stellen, als ich hinaus sehe und sehe wie glücklich Damian Shane ansieht, da kann ich mir kaum vorstellen, das das der gleiche Mann ist, der mich vor fast zwei Jahren hier empfangen hat.

Tja, Zeiten und Menschen ändern dich…

Ich habe ihn geändert und er mich und genau so muss es sein. Wir wachsen aneinander…

 

Wir leben jeden Augenblick intensiv und ich weiß, wenn ich irgendwann auf mein Leben zurück blicke, dann muss ich nicht eine einzige Sekunde bereuen.

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.07.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem Mann, der auch manches Mal der Teufel persönlich ist. Aber er hat ja mich, ich kann gut mit Feuer umgehen.

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