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Almost, manchmal reicht beinhahe eben nicht

Ganz langsam setze ich einen Fuß vor den anderen und überlege angestrengt, wie ich meinem Chef gegenüber treten soll. Plötzlich stehe ich auch schon vor seiner Tür, gerade will ich es mir anders überlegen, als die Tür auffliegt und mein Chef mich überrascht ansieht.

„Liljana, da bist du ja…“ er packt mich am Arm und zieht mich in sein Büro. „Ich wollte dich gerade suchen.“

„Dachte ich mir schon.“ nuschele ich leise und er sieht mich fragend an.

„Wie bitte?“ er bugsiert mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und setzt sich auf seinen Stuhl mir gegenüber.

„Ach nichts…“ winke ich ab.

„Ich muss mit dir über deinen letzten Buchentwurf reden.“ setzt er an und ich verziehe das Gesicht.

Genau das habe ich befürchtet…

„Robert, ich weiß nicht, was ich sagen soll…“ setze ich unsicher an.

„Was du sagen sollst? Der Entwurf ist bei Mr. Charlton eingeschlagen wie eine Bombe.“ Er strahlt mich an und entblößt seine eindeutig zu weißen Zähne.

„Wie bitte?“ stottere ich.

„Ja, er ist begeistert. Er meint deine Art zu schreiben wäre erfrischend und ehrlich. Er hätte sich keine bessere Ghostwriterin für seine Biographie suchen können. Er geht sogar soweit, dass das Buch unter deinem Namen veröffentlicht wird und du dein Gehalt als Autorin und die Tantiemen bekommst.“ Er kann gar nicht aufhören zu strahlen, während ich angestrengt versuche das Gehörte in meinem Kopf zusammen zu setzen.

„Aha…“ stammele ich.

Ganz ehrlich, vor fünf Minuten wollte ich kündigen. Nicht das ich meinen Job nicht liebe, aber ich wollte ihm zuvor kommen. Ich dachte wirklich mein Buch ist ein Flop, denn ich war von Anfang an nicht gerade sehr begeistert eine Biografie zu schreiben.

„Nun freu dich ein bisschen!“ er sieht mich an und ich nicke verwirrt.

„Ich versuche es.“ Doch wirklich, ich versuche zu lächeln, aber alles was dabei raus kommt ist eine Grimasse.

„Liljana.“ sagt er kopfschüttelnd, steht auf und kommt um den Tisch herum „Das ist wirklich toll.“ Er nickt mir zu und ich sehe ihn an.

„Ich muss das erst einmal verarbeiten.“ versuche ich mich ein wenig zu rechtfertigen.

Das ist der Traum eines jeden Autors… Sein Name auf einem Buch. Ich glaube einfach, mein Gehirn hat das noch nicht so ganz verarbeitet.

„Gut, dann verarbeite du das erst einmal…“ er setzt sich auf die Schreibtischkante und fährt sich durch seine grauen Haare. „…So, ich denke das reicht.“ Er steht wieder auf und ich sehe ihn verwundert an.

„Was?“ frage ich verdattert.

„Neuer Auftrag…“ er reibt sich die Hände und ich sehe ihn ungläubig an. „Heute Nachtmittag findet im Charlton in Dublin eine Pressekonferenz statt. Du kennst doch Bluefire oder?“ er legt seinen Kopf schief.

„Ja, vom Hören.“ gebe ich zu.

Bluefire sind so etwas wie die Senkrechtstarter der Charts. Ich glaube, es gibt sie schon länger, aber erst in den letzten beiden Jahren ist ihnen der Durchbruch gelungen. Ich gebe zu, ich stehe nicht so auf die Charts, deshalb ist der Großteil an mir vorbei gegangen.

„Also gut, sie wollen sich heute auf der Pressekonferenz eine oder einen der Anwesenden Reporter Schrägstrich Autoren aussuchen, der sie auf ihre Welttournee begleitet und ein Buch darüber schreibt.“ Schon wieder dieses Strahlen mit dem ich nicht umgehen kann.

„Ich schreibe die Reiseleitartikel für die Dublin Post und habe gerade einmal ein Buch veröffentlicht und das auch erst fast.“ gebe ich zu bedenken.

„Liljana, ich vertraue auf dich. Wenn Crosshaven Press diesen Auftrag bekommt, dann haben wir es geschafft.“ Er klatscht in die Hände und ich zucke zusammen.

„Aber…“ setze ich an.

„Liljana…“ er zieht eine Augenbraue hoch. „Die Pressekonferenz ist heute Nachtmittag um 14 Uhr, du musst gute drei Stunden Fahrt einplanen. Du hast also noch zwei Stunden, um dich vorzubereiten.“ Er sieht mich abwartend an. Für ihn ist dieses Gespräch beendet und ich stehe auf.

„Ich versuche mein Möglichstes.“ verspreche ich ihm seufzend.

„Das weiß ich.“ Er nickt mir zu und ich verlasse sein Büro.

Ich stürme an meinen Schreibtisch und Bradley, mein Kollege und bester Freund kommt gleich zu mir.

„Bist du gefeuert?“ er legt seinen Kopf schief und sein blonder Pony fällt ihm ins Gesicht, während mich seine dunkelbraunen Augen mustern.

„Nein…“ erwidere ich lang gezogen.

„Warum siehst du dann so aus?“ er setzt sich auf die Ecke meines Schreibtisches während ich meinen Laptop hoch fahre.

„Also, erstens ist mein Buch über Richard Charlton augenscheinlich ein Erfolg und er wird sogar unter meinem Namen das Buch in den Druck geben…“ beginne ich und Brad springt auf.

„Das ist der Hammer!“ freut er sich und ich grinse schief.

„Und weil das so wunderbar gelaufen ist, schickt mich Robert heute Nachmittag auf eine Pressekonferenz und ich soll den nächsten großen Deal abschließen.“ Ich seufze und gehe auf Google. Ganz ehrlich, ich muss mich wenigstens ein bisschen belesen um nicht völlig dumm da zu stehen.

„Worum geht es?“ Brad setzt sich wieder und legt seinen Kopf schief, während ich meine Brille zu Recht rücke. Heute Morgen war mal wieder keine Zeit für meine Kontaktlinsen…

„Bluefire.“ sage ich und Brad reißt die Augen auf.

„Bluefire? Du gehst zu der Pressekonferenz, um denen auf Welttournee zu gehen?“ er beginnt zu grinsen und ich nicke.

„Witzig oder?“ ich verziehe das Gesicht.

„Miss Ich-höre-nur-was-nicht-in–den–Charts–ist und die Chartstürmer Irlands in einem Raum? Allein das ist schon absurd.“ lacht er.

„Genau das habe ich versucht Robert zu erklären…“ ich seufze und klicke die ersten Artikel an.

Bluefire besteht nur aus drei Männern, die Namen sollte ich mir wohl merken können.

„Kennst du die?“ ich sehe fragend zu Brad und er nickt.

„Klar doch, die laufen im Radio rauf und runter. Wenn du mal ab und zu deine Sweet 60s CD aus deinem Radio nehmen würdest, dann wüsstest du das.“ Er verdreht die Augen.

„Ich liebe Johnny Cash…“ ich zucke mit den Schultern.

Ich weiß sehr wohl, dass mein Musikgeschmack etwas eigen ist, aber wir leben in einem freien Land.

„Gott, die sind ja echt berühmt…“ ich klicke mich durch die unzähligen Artikel.

„Klar doch…“ lacht Brad, holt sich einen Stuhl und setzt sich zu mir „Das Gute ist, die sind wenigstens keine Boy-Band, das heißt dein Trommelfell sollte es überleben. Die sind alle Ende 20, Anfang 30 und machen einen guten Mix aus Rock- und Popmusik.“ erklärt er mir und klickt ein Bild an „Da haben wir ja zumindest die Eckdaten. Also pass auf…“ er sieht mich an und ich nehme mir einen Stift und meinen Block.

„Gegründet wurde Bluefire vor 14 Jahren in Donegal. Die drei Sänger sind zusammen zur Schule gegangen und haben klassisch als Schülerband angefangen, dann haben sie alle mehr oder weniger eine Ausbildung gemacht und die Musik lief nebenbei, bis sie vor 3 Jahren mit “Life is Yours“ den Durchbruch hatten.“ liest Brad vor und ich mache mir Notizen.

„Hast du es?“ er sieht mich fragend an und ich nicke.

„Also gut, die drei Mitglieder heißen Sean Johnson, Jamie O’Levy und Alex Winters, eigentlich Sean, James und Alexander. Johnson ist 28, O’Levy 29 und Winters 31. Sie alle spielen verschiedene Instrumente…“ er scrollt weiter nach unten.

„Muss ich das wissen?“ stöhne ich.

„Lill, Vorbereitung ist alles.“ mahnt Brad.

„Also gut Johnson spielt Bass und Lead Gitarre, Winters ebenfalls Lead Gitarre und O’Levy Keyboard und Schlagzeug. Mann, das müsste dir doch gefallen, du spielst doch auch Keyboard.“ Er sieht zu mir.

Soll ich ihm jetzt wirklich den Unterschied zwischen einem Keyboard und einem Piano erklären? Nein, eher nicht…

„Schön und gut, aber die suchen kein 4. Bandmitglied sondern einen Autor für ein Buch über sie.“ Ich verdrehe die Augen.

„Ist ja gut…“ Brad konzentriert sich wieder auf den Bildschirm. „Alle singen, es gibt keinen wirklichen Leadsänger.“ erklärt er mir weiter. „Johnson ist verheiratet und hat mit seiner Frau Allison eine Tochter Everly, die ist 9 Monate alt. Winters ist seit vier Jahren mit Isabell Matthews zusammen, eine Schauspielerin. Sie spielt in der Serie “Dangerous“ mit…“ er sieht mich an und ich ziehe eine Augenbraue hoch „Ganz ehrlich Lill, ab und zu mal anschauen, was Normalsterbliche gucken, würde dich nicht umbringen…“ jetzt verdreht er die Augen „Und zu guter Letzt, O’Levy ist mit Caroline McAven zusammen, sie ist Model.“ Er betrachtet ein Bild genauer „Und die hat echt nichts auf den Knochen.“ fügt er hinzu.

Ich seufze tief und schreibe weiter eifrig Notizen. Dann gibt mir Brad eine Hörprobe und ich gebe es zu, so ganz schlecht ist das Lied nicht.

Ehe ich mich versehe muss ich auch schon los.

„Bist du heute Morgen eigentlich aus dem Bett gefallen?“ Brad betrachtet mich skeptisch.

„Was denn?“ ich sehe an mir runter. Ich trage eine verwaschene Jeans mit Löchern an den Knien und ein schwarzes Top mit dem Konterfei von Bob Dylan. Dazu meine heiß geliebten Converse und eine schwarze Sweatjacke.

Ich gehörte noch nie zu den Frauen, die stundenlang vor dem Spiegel stehen und sich die passenden Pumps zu ihrem Kleidchen aussuchen. Nicht das ich keine Kleider habe, aber ich bin kein Püppchen und ich mag solche Personen auch nicht.

„Deine Klamotten sind noch das kleinste Übel, ehrlich Lill schon Mal was von Kamm und Bürste gehört?“ er zupft an meinen dunkelbraunen Haaren, die ich heute nur zu einem lockeren Knoten im Nacken zusammen gebunden habe und wo einzelne Strähnen sich mal wieder selbstständig gemacht haben.

„Ich wusste heute Morgen ja nicht, was mich erwartet.“ gebe ich zurück, packe meinen Notizblock ein und werfe meine Tasche über die Schulter.

„Viel Glück!“ ruft mir Brad hinterher und ich schenke ihm ein schiefes Grinsen.

Ich gebe die Adresse des Hotels in mein Navi ein, es ist ja noch von den Interviews mit Richard Charlton gespeichert. Ihm gehört das Hotel und nebenbei noch ungefähr 300 von der gleichen Sorte…

Der Verkehr ist höllisch. Als ich endlich in Dublin ankomme, verfluche ich mich dafür, dass ich mich von Robert hierzu habe überreden lassen... Was soll ich hier? Ich habe mir nicht einmal eine einzige anständige Frage überlegt…

Ich komme auf den letzten Drücker im Hotel an und finde meinen Platz in der letzten Reihe.

Verwundert sehe ich mich um, alle Reporter und Autoren scheinen plötzlich ausnahmslos weiblich zu sein. Und verdammt, alle stecken in Kleidchen, Kostümen und haben Frisuren, bei denen jeder gute Friseur wahrscheinlich länger Hand angelegt hat, als ich bei meiner Recherche. Und wahrhaftig, sie tragen alle Pumps…

Ist das ein Fetisch von Bluefire? Stehen die auf so etwas? Hmm, interessante Frage… Vielleicht sollte ich die aufschreiben, dann habe ich zu mindestens eine.

Dann geht es los, nach minutenlangem Blitzgewitter erscheinen Bluefire und die Fragerunde geht los…

Ich verliere nach gefühlten Stunden, die sich als 20 Minuten entpuppen, auch noch mein letztes Interesse und male kleine Strichmännchen, die sich bekämpfen, auf meinen Notizblock.

Und wieder einmal die alles entscheidende Frage: Was soll ich hier?

Ich gehöre hier genauso wenig hin, wie meine Converse in eine edel Boutique, obwohl die wahrscheinlich noch eher da hin passen würden…

Das war eine Scheißidee, Robert!

Ich bete nur, dass es endlich vorbei ist…

Meine erste Seite ist voll und sieht aus wie der Krieg der Strichmännchen. Vielleicht kann ich damit mein Geld verdienen, wenn Robert mich entlässt…

„… Die junge Dame in der letzten Reihe mit der Brille…“ ertönt eine Stimme und ich starre auf meinen Notizblock ohne darauf zu achten.

„Das bist du!“ ich bekommen einen Stoß in die Rippen und schnappe entsetzt nach Luft.

„Wie bitte?“ ich sehe zu meiner Sitznachbarin die mich angiftet.

„Das bist du, verdammt noch mal.“ zischt sie.

„Was bin ich?“ Ich sehe auf.

„Ja, genau du.“ Ein Mann zeigt mit seinem Finger auf mich.

Hat man ihm nicht beigebracht, dass man so etwas nicht macht?

„Kannst aufstehen und uns deinen Namen verraten?“ fragt er und ich stehe unsicher auf.

„Liljana van Graasten.“ sage ich verwirrt.

Er kommt strahlend auf mich zu und zieht mich mit sich.

„Meine Damen und Herren Miss van Graasten ist also die Glückliche, die Bluefire auf ihrer Welttournee begleiten wird. Herzlichen Glückwunsch!“ er lächelt mich an und unzählige Kameras blitzen auf.

„Für welchen Verlag oder Zeitung arbeitest du?“ er sieht wieder zu mir und ich kneife leicht meine Augen zusammen.

„Crosshaven Press und Dublin Post.“ erwidere ich verdattert.

Nun stehen die Männer von der Band auf und einer von ihnen nimmt mir meinen Notizblock ab, den ich fest umklammert halte. Er wirft einen Blick auf meine kunstvollen Zeichnungen und lächelt.

„So jetzt noch ein Foto und dann ist die Pressekonferenz beendet.“ Der Mann, der mich von meinem Platz hierher geschleift hat, nickt in Richtung der Fotografen und beim anschließenden Blitzlichtgewitter befürchte ich wirklich, ich werde bleibende Augenschädigungen zurück behalten.

„So Miss van Graasten, dann würde ich sagen, wir ziehen uns zurück und ich gebe ihnen ihre Verträge.“ Der Mann, der augenscheinlich hier das Sagen hat, zieht mich mit sich.

Fast könnte man meinen, ich bin nicht imstande mich eigenständig zu bewegen…

Wir gehen in einen Nebenraum und er bugsiert mich auf einen Stuhl. Ich habe immer noch meine Schwierigkeiten diese ganze Situation zu verstehen und da landet auch schon ein Stapel Papiere vor meiner Nase.

„Lesen sie den Vertrag in Ruhe durch. Da stehen nur einige allgemeine Bestimmungen über Schweigepflicht, Datenschutz und einige nützliche Verhaltensregeln drin. Nehmen sie sich Zeit.“ Er nickt mir zu und geht ein Stück weiter weg.

„Ich verstehe nicht…“ setze ich an und sehe zu den Männern, mit denen ich augenscheinlich eine ganze Menge Zeit verbringen werde.

„Warum ich?“ ich nehme meine Brille ab und reibe meine Augen, die immer noch von den grellen Blitzlichtern brennen.

„Ganz einfach…“ der Mann, der mir meinen Notizblock entrissen hat, sieht mich grinsend an „… Du warst die Einzige in diesem Raum…“ er deutet auf die Tür zum Konferenzraum „… die nicht ausgesehen hat, als wollte sie uns unbedingt beeindrucken. Uns schien einfach, dass du wirklich an unserer Story interessiert bist.“ Er reicht mir meinen Notizblock, ich drehe meine bemalte Seite nach unten und merke wie mir die Schamesröte ins Gesicht steigt.

„Keine Panik…“ der Mann, der das Sagen hat, kommt zurück an den Tisch „Ich habe mit BMG gesprochen und sie haben dich kurz durchleuchtet. Erstens bin ich erleichtert, das du 27 bist und somit das Groupiealter schon leicht überschritten hast und zweitens, wird dein letztes Buch über Mr. Charlton hoch gehandelt, also scheinen die Jungs den richtigen Riecher gehabt zu haben.“ Er zwinkert mir zu.

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich bis heute Mittag nie mit Bluefire befasst.“ gebe ich zu.

„Kein Problem.“ Er setzt sich neben mich „Dann stelle ich sie dir jetzt erst einmal vor. Also das sind Sean…“ er deutet auf einen Mann mit kurzen, wuscheligen dunkelblonden Haaren, einem Drei–Tage–Bart, grauen Augen und einem schelmischen Grinsen. Vereinzelt blitzen Tattoos unter seinem Holzfällerhemd hervor. Er winkt mir kurz zu und ich lächle leicht. „Dann haben wir da noch Alex…“ fährt der Mann neben mir fort und deutet auf den Mann neben Sean. Dieser hat schwarze raspelkurze Haare, ein markantes Gesicht, stechend grüne Augen und scheint unbebildert zu sein. „Tja und last but not least Jamie. “Er deutet auf den Dritten im Bunde. Jamie hat dunkelbraune, längere Haare, die aussehen als hätten sie heute weder Kamm noch Bürste gesehen. Er hat warme braune Augen und ein charmantes Lächeln. Ein Tattoo auf seinem rechten Oberarm, welches ich nur halb sehen kann zieht meinen Blick an. Es sieht wirklich interessant aus und ich frage mich den Bruchteil einer Sekunde, ob er noch mehr Tattoos hat. „Und schließlich bin da noch ich…“ der Mann neben mir lacht leise „Ich bin Pete. Ich bin der Tourmanager der Jungs und habe dafür zu sorgen, dass alles glatt läuft.“ erklärt er mir mit Stolz in der Stimme.

„Freut mich.“ bringe ich hervor und die Männer reichen mir ihre Hände.

„Also Liljana…“ setzt Alex an.

„Lill.“ unterbreche ich ihn.

„Also gut Lill, sag mal, wo kommt dein Name her? Sehr irisch klingt er ja nicht.“ Er sieht mich fragend an.

„Aus den Niederlanden, ich habe bis zu meinem 14. Lebensjahr dort gelebt. Als sich meine Eltern scheiden ließen, bin ich mit meinem Dad in sein Heimatland zurück gekehrt, aber wir haben den Familiennamen meiner Mutter behalten. Bei der Hochzeit hatten sie sich auf den geeinigt.“ erkläre ich ihm. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich jemandem meinen Namen erklären muss.

„Also gut Lill, da du ja bestimmt wissen willst, was auf dich zu kommt…“ Pete greift in seine Aktentasche „Voilá hier haben wir den vorläufigen Tourplan.“ Er reicht mir ein Blatt Papier.

Ich nehme es an mich und beginne zu lesen.

 

Welttournee Bluefire

Masterplan (Änderungen vorbehalten)

 

Datum/Land/Stadt/Anzahl Konzerte

11.-15. September/China/Peking/7

3 Tage Aufenthalt

19.-20. September/China/Shanghai/2

21.-22. September/China/Macao/2

23.-27. September/China/Hongkong/5

2 Tage Aufenthalt

30. September-1. Oktober/Südkorea/Seoul/2

2.-3. Oktober/Japan/Nagasaki/2

4. Oktober/China/Taiwan/1

5. Oktober/Laos/Vientiane/1

6. Oktober/Bangladesch/Dhaka/1

7. Oktober/Indien/New Delhi/1

8.-11. Oktober/Russland/Moskau/4

12.-13. Oktober/Ukraine/Kiew/2

2 Tage Aufenthalt

16. Oktober/Weißrussland/Minsk/1

17.-19. Oktober/Polen/Warschau/2

20. Oktober/Rumänien/Bukarest/1

21. Oktober/Bulgarien/Sofia/1

22. Oktober/Bosnien und Herzegowina/Sarajewo/1

23.-25. Oktober/Serbien/Belgrad/3

26.-27. Oktober/Ungarn/Budapest/2

28.-30. Oktober/Tschechien/Prag/2

2 Tage Aufenthalt

3. November/Deutschland/Berlin/1 (Charity)

4. November/Italien/Rom/1

5. November/Österreich/Wien/1

6. November/Deutschland/München/1

7. November/Schweiz/Bern/1

3 Wochen frei

28.-30. November/Frankreich/Paris/3

31. November/Belgien/Brüssel/1

1.-3. Dezember/Niederlande/Amsterdam/3

3 Tage Aufenthalt

7.-8. Dezember/Dänemark/Kopenhagen/2

9. Dezember/Spanien/Madrid/1

2 Wochen Urlaub im Ferienhaus (12 Personen max.)

Weihnachtsfrei 23. Dezember-4. Januar

4.-6. Januar/Großbritannien/London/3

7.-11. Januar/Irland/Dublin/8

12. Januar/Irland/Donegal/Abschlusskonzert 

 

Aufenthalt: Pressekonferenzen, Promotionauftritte oder ähnliches (Termine werden bekannt gegeben)

 

Ich sehe auf und in das grinsende Gesicht von Alex.

„Tja Lill, du siehst viel von der Welt in möglichst kurzer Zeit.“ erklärt er mir augenzwinkernd.

„Das sehe ich.“ erwidere ich perplex.

„Es sieht nach Stress aus und leider ist es meistens Stress, aber wir sorgen schon dafür, dass der Spaß nicht zu kurz kommt.“ Alex legt seinen Arm um meine Schultern. „Das wird lustig.“ Er sieht zu seinen Bandkollegen und die nicken zustimmend.

„Also gut Lill, bevor dich die Jungs ganz verjagen…“ Pete schiebt Alex zur Seite und setzt sich neben mich „Nimm die Verträge mit, lies sie dir in Ruhe durch. Hier sind noch ein paar allgemeine Informationen über die Jungs.“ Er drückt mir einen weiteren Stapel Papiere in die Hand „Du weißt schon, Recherche und so.“ er lächelt mich an.

„Ich habe auch Google auf meinem Computer.“ gebe ich zurück und überfliege die Seiten.

„Gut zu wissen…“ Pete grinst mich schief an „Dann wäre da nur noch eins, übernächsten Samstag findet von BMG aus eine große Party für die Jungs statt, es wäre nett wenn du auch kommen würdest, dann kannst du alle Familien kennen lernen und Louis, der Manager vom BMG, nimmt dich kurz in Augenschein. Gib mir einfach die unterschriebenen Verträge und am Sonntag um 10 Uhr geht euer Flieger nach Asien. Bitte sorge dafür, dass du einen gültigen Reisepass hast und das die wichtigsten Impfungen auf dem neusten Stand sind. Deine Koffer lässt du im Wagen der dich abholt, packe eine kleine Reisetasche für die letzte Übernachtung auf irischem Boden und der Rest wird gleich zum Flughafen gebracht.“ Er reicht mir seine Hand und ich stehe auf. „Vielleicht findest du in deinem Kleiderschrank etwas, das ein wenig mehr nach Abendgarderobe aussieht. Der Wagen wird dich dann am Samstagabend um 17 Uhr in Crosshaven abholen. Versuche bitte dein gesamtes Gepäck auf höchstens fünf Koffer zu verteilen. Ich weiß, das ist schwer, aber unsere Kapazitäten sind begrenzt.“ Er zwinkert mir zu.

„Sollte ich hin bekommen und vielen Dank.“ erwidere ich leicht lächelnd und nehme meine Tasche.

„Bis dann Lill!“ Jamie kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.

Ich bin wie versteinert und kann seine Umarmung nicht erwidern.

„Wir sind alle ganz normale Menschen.“ flüstert er mir zu.

„Gut zu wissen.“ gebe ich zurück.

Auch Alex und Sean folgen seinem Beispiel und ich stehe fünf Minuten später verwirrt auf der Straße vor dem Hotel.

Ich krame mein Handy aus der Tasche und drücke auf die Kurzwahltaste für Brad.

„Du hast es gepackt!“ schreit er mich sogleich an und ich starre auf das Display meines Handys.

„Wie bitte?“ frage ich perplex.

„Wir haben es gerade im Fernsehen gesehen! Du hast es wirklich geschafft!“ jubelt er.

„Ja, das habe ich wohl. Ich mache ich auf den Weg zu euch.“ erkläre ich ihm und schließe mein Auto auf.

„Bis gleich!“ erwidert Brad fröhlich.

Ich lege auf und schüttele den Kopf. Das ist eindeutig zuviel Aufmerksamkeit die mir entgegen gebracht wird… Ich bin nicht der Typ der gerne im Mittelpunkt steht. Früher, als meine Eltern noch nicht geschieden waren, haben sie mich in Sachen Klavier unterstützt und von einem Vorspiel zum nächsten gebracht… Das ist allerdings schon Lichtjahre her.

Meine Güte, ich war damals gerade Mal 14. Seitdem habe ich es nicht so damit, mehr Aufmerksamkeit als nötig zu bekommen und Klavier gespielt habe ich seitdem auch nicht mehr. Mein Dad hat alles versucht, damit ich weiter spiele, aber ich habe die Liebe dazu einfach verloren. Zu einschneidend war das Jahr der Scheidung meiner Eltern. Ich musste mich auf wichtigere Sachen konzentrieren.

Ich setze mich hinters Steuer und nehme tatsächlich mal meine CD aus dem CD Player und begnüge mich mit dem normalen Radioprogramm. Ich schließe mein Handy an die Freisprecheinrichtung an.

„Katie Handy.“ sage ich laut und deutlich und mein Handy zeigt mir an, dass es die gewünschte Nummer wählt.

„Hey, Sweetheart!“ meldet sie sich fröhlich.

„Hey, Puppe!“ grinse ich und merke, wie mir schon allein die Stimme meiner besten Freundin hilft wieder richtig gute Laune zu bekommen.

„Was gibt es, dass du mich um 10 Uhr morgens anrufst?“ fragt sie neugierig.

„Ich bin bald eine Weltenbummlerin.“ Ich fädele mich in den Nachmittagsverkehr Dublins ein.

„Wie meinst du das denn?“ fragt Katie verwirrt. „Willst du etwa auch auswandern?“

„Nein, nein…“ lache ich „Dass du dich in ein anderes Land und auf einen anderen Kontinent verkrümelt hast, ist absolut ausreichend.“

Katie ist vor drei Jahren mit ihrem Freund Ben nach Kanada ausgewandert. Sie leben in Montreal und es macht nicht den Anschein, als würden sie zurückkommen wollen. Sie fehlt mir, aber dank Skype und den ganzen Neurungen der Kommunikationstechnik hält es sich noch gerade so in Grenzen.

„Ich gehe mit einer Rockband auf Welttournee und schreibe ein Buch darüber.“ erkläre ich ihr.

„Echt? Das ist der Wahnsinn!“ jubelt sie. Sie weiß doch noch gar nicht, um wen es geht.

Aber so ist Katie… Erst einmal freuen und dann Fragen stellen.

„Erzähl schon… Wer? Wann? Wieso?“ plappert sie nun drauf los.

„Also gut, die Band heißt Bluefire und sie sind gerade ziemlich angesagt in Irland. Ich muss jetzt nicht erwähnen, dass ich mich bis heute Morgen nicht mit ihnen beschäftigt habe, oder?“ ich verziehe das Gesicht.

„Nein, nein… Aber wie kommt es?“ lacht sie und ich grinse wieder.

„Es gab eine Pressekonferenz und die Band selber hat sich jemanden ausgesucht.“ erläutere ich.

„Und sie haben dich ausgesucht?“ Katie klingt verwirrt. Kein Wunder in meinem Kopf schwirrt es auch immer noch…

„Ja, ich war augenscheinlich die Einzige, die nicht mindestens 12 Stunden im Bad beim Schminken und anschließend 3 Stunden beim Friseur und beim Stylingberater zugebracht hat.“ lache ich.

„Das wird bestimmt super. Freust du dich?“ Katie klingt besorgt und ich weiß auch warum. Ich bin nicht dafür bekannt, meine Chancen wahrzunehmen.

„Ja, ein wenig. Ich betrachte das als ein Teil meines Jobs. Wenn ich das nicht mache, dann entlässt mich Robert und ich brauche den Job. Du weißt, welche finanzielle Belastungen Ami und ich haben.“ Ich seufze leise.

„Ja, Sweetheart.“ Auch sie seufzt „Wie geht es denn deinem Dad?“

„Ich werde später noch anrufen und mit ihm sprechen. Unverändert würde ich sagen.“ Meine Stimme wird leise und ich schlucke.

„Lass das alles erst einmal sacken und wir telefonieren morgen Abend über Skype. Ich muss dich mal wieder sehen.“ bittet sie mich. „Aber sicher. Bestell Ben liebe Grüße. Bis dann, Puppe.“ Ich lächle wieder und habe mittlerweile auch den Stadtverkehr hinter mir gelassen.

„Mach ich, bestell Ami, Josh, Fin und Brad und Cody auch liebe Grüße! Ich vermisse euch alle.“ Sie schickt mir einen Kuss durchs Telefon.

„Mach ich!“ ich schicke ihr einen zurück und lege auf.

Die Fahrt zieht sich in die Länge und ich bin erst um 19 Uhr am Verlag.

Kaum das ich das Büro betreten habe, wirbelt mich Brad durch die Luft.

„Du hast es geschafft Lill!“ jubelt er. Ich hatte tatsächlich die Hoffnung, dass er sich etwas beruhigt hat, aber die wird augenscheinlich enttäuscht.

„Lass mich runter.“ bitte ich ihn und er dreht mich noch einmal im Kreis. „Sofort.“ kreische ich.

Kaum dass meine Füße wieder Bodenkontakt haben, kommt Robert und wirbelt mich ebenfalls durch die Luft. Habe ich schon erwähnt, dass ich nicht einmal mit einem Kinderkarussell fahre, weil mein Magen das nicht verträgt?

„Stop.“ bitte ich Robert und er setzt mich tatsächlich sofort ab.

„Nur zur Info…“ ich sehe Robert an „… Ich werde mir die nächsten beiden Wochen frei nehmen und vor dem 1. Februar nächsten Jahres brauchst du gar nicht mit mir rechnen. Ich bekomme mein Gehalt natürlich weiter und vergiss nicht, mir die Tantiemen auszuzahlen, du weißt, Ami braucht das Geld.“

„Aber sicher. Wow, bis Februar?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja, es ist ja keine Europa sondern eine Welttournee auf die ich dem Verlag zuliebe gehe.“ erkläre ich ihm und beginne meine Sachen von meinem Schreibtisch einzusammeln und in meiner Tasche zu verstauen. Zu guter Letzt nehme ich meinen Laptop und stecke ihn in meine Laptoptasche die neben dem Tisch steht.

„Ach ja, Brad, übernächsten Freitag brauche ich dich als Stilberater. BMG gibt eine Abschiedsparty oder so was ähnliches für Bluefire und Abendkleidung wird erwartet. Außerdem muss ich noch so einige Sachen einkaufen. Ich soll tatsächlich alles in 5 Koffern unterbringen…“ ich sehe zu Brad „Ist es eigentlich schlimm, dass ich nicht einmal einen Koffer besitze?“

„Wieso überrascht mich das nur nicht?“ Brad grinst mich an und sieht zu Robert „Ich bekomme doch einen Tag frei?“

„Am Freitag müssen die Layouts für die Dublin Press raus.“ erinnert er ihn.

„Die mache ich Donnerstag fertig und wenn es dramatische Änderungen geben sollte, dann komme ich Samstag vorbei.“ Er hebt seine linke Hand zum Schwur.

„Also gut…“ Robert seufzt tief „In Anbetracht der Umstände denke ich, eine Sonderzahlung wäre angebracht.“ Er sieht zu mir „Mit 3000 € kannst du bestimmt so einiges erreichen, oder?“ er sieht mich fragend an.

„Wow! Danke!“ ich nehme ihn in den Arm.

„Gern geschehen. Mach mich stolz.“ Er zwinkert mir zu. „Kannst du mir bis nächsten Donnerstag noch ein paar Reiseartikel vorlegen? Dann habe ich das weg, um die Reihe abzuschließen fehlen ja nur noch 5.“ Er sieht mich bittend an.

„Aber sicher.“ verspreche ich ihm, er muss ja nicht wissen, das 4 Artikel schon fertig auf meinem Laptop liegen und ich nicht so viel Arbeit habe, wie er jetzt denkt.

„Ich bin in einer Stunde mit einer Pizza bei euch.“ Brad küsst mich auf die Wange und ich nehme meine beiden Taschen.

„Liljana?“ ruft mir Robert hinterher und ich drehe mich zu ihm um.

„Hab Spaß.“ sagt er lächelnd.

„Ich denke, ich soll arbeiten?“ ich ziehe lächelnd eine Augenbraue hoch.

„Das auch, aber amüsiere dich auch ab und zu. So eine Gelegenheit bekommst du wahrscheinlich nie wieder in deinem Leben.“ Er nickt mir zu.

„Ich bin ja auch schon so wahnsinnig alt…“ lache ich und beobachte wie Brad in sein Auto steigt und vom Parkplatz fährt.

„Du bist erst 27. Das habe ich nicht gesagt und auch nicht gemeint…“ wehrt sich Robert.

„Ich weiß, ich werde versuchen auch Spaß zu haben.“ verspreche ich ihm.

„Wir sehen uns ja noch einmal.“ Er winkt mir zu.

„Bestimmt.“ gebe ich zurück und steige die zwei Treppenabsätze runter und fahre endlich nach Hause.

Als ich das Haus betrete, kommt es mir unwirklich ruhig vor.

„Ami? Josh?“ rufe ich leise, denn seit 4 Monaten wohne ich nicht nur mit meiner großen Schwester und ihrem Mann zusammen, nein, seit 4 Monaten ist Charlie, ihr kleiner Sohn, der Bestimmer hier im Haus.

„Küche.“ kommt es von Ami und ich stelle meine Taschen ab, um in die Küche zu gehen.

Charlie liegt in seinem Wipper auf dem Küchentisch und ich beuge mich über ihn.

„Hey, mein Schatzi!“ begrüße ich ihn und er quietscht vergnügt.

Dann drehe ich mich zu meiner großen Schwester um und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ich habe gute und schlechte Neuigkeiten…“ setze ich an.

„Wissen wir schon, Josh hat es in den Nachrichten gesehen und mich gleich angerufen.“ Sie zwinkert mir zu.

„Oh gut, wo ist mein Lieblingsschwager denn?“ ich sehe mich um.

„Beim Fußballtraining, heute ist Freitag.“ Ami grinst schief.

„Ich kann mir ja nicht alles merken.“ gebe ich zurück und sie lacht leise.

„Und war Charlie heute lieb?“ ich gehe wieder zu meinem Neffen und kitzele ihn. Eigentlich heißt er Charles, nach unserem Dad, aber wir nennen ihn schon immer nur Charlie.

„Er war heute ganz schön quengelig, ich denke er bekommt Zähne.” Ami widmet sich wieder der Flaschenherstellung für die Raubtierfütterung und Charlie beginnt zu weinen.

„Komm mal her!” ich hebe ihn vorsichtig aus seinem Wipper und wiege ihn sanft. Er ist augenblicklich still und gähnt herzhaft.

„Wie lange ist meine kleine Schwester denn mit den Stars unterwegs?“ Ami sieht zu mir und legt ihren Kopf schief.

„Bis Mitte Januar.“ sage ich leise und sie sieht mich geschockt an. „Es sind immer freie Tage eingeplant, ihr könnt mich besuchen oder ich komme hierher.” Ich gehe zu ihr und stelle mich mit Fin neben sie.

„Dann ist ja gut, du bist unser bestes Schlafmittel für das kleine Monster!” sie deutet mit einem Kopfnicken auf Charlie.

„Hey, sag nicht Monster zu meinem kleinen Engel!” ich sehe sie gespielt beleidigt an.

„Du hast ihn ja nicht 24 Stunden am Tag!” wehrt sie sich.

„Na ja, ich wohne quasi bei euch.” ich grinse sie an.

„Einigen wir uns darauf, dass er der kleine König im Haus ist.” lacht sie.

„Damit können wir leben, nicht wahr Charlie?“ ich gebe Charlie einen Kuss auf die Stirn.

„Wenn Charlie seine Flasche bekommen hat, dann koche ich uns was. Josh ist in einer halben Stunde wieder da.“ Sie sieht zur großen Uhr über der Tür.

„Brauchst du nicht, Brad kommt mit Pizza vorbei.“ Ich zwinkere ihr zu.

„Oh super….” Ami strahlt mich an „…ich hab Brad ja auch schon…” sie denkt angestrengt nach „…. fast ganze drei Tage nicht gesehen.” Sie nimmt mir Charlie ab und er nuckelt nur Sekunden später selig an seiner Flasche.

„Oh Mann, da hast du ja fast vergessen wie er aussieht.” Ich zwinkere ihr zu „Ich telefoniere kurz mit Dad.“

„Mach das Lilly.“ sie nickt mir zu.

Nur Ami nennt mich Lilly… und irgendwie will sie das auch nicht ablegen. Mein Dad hat mich früher immer Lilly genannt und ich kann es nur bei ihr ertragen, so genannt zu werden. Bei jedem anderen schnürt es mir die Kehle zu.

Ich gehe in den hinteren Teil des Hauses, der meine Einliegewohnung darstellt. Ich habe auch meinen eigenen separaten Eingang, aber den benutze ich so gut wie nie. Wenn ich mich recht erinnere, dann weiß ich nicht einmal, wo mein Schlüssel für die Tür ist.

Ich stelle meine Taschen in meinem Wohnzimmer ab und schnappe mir das schnurlose Telefon. Ich setze mich auf die Couch und genieße den Blick in den fast schon herbstlichen Garten. Die Bäume erstrahlen in allen nur erdenklichen Herbsttönen und der Wind wirbelt sie über die große Wiese.

Ich finde jede Jahreszeit hat etwas Schönes, auch wenn ich den Frühling am meisten liebe. Das frische Grün, wenn alles nach dem Winter wieder zum Leben erwacht ist wunderschön. So rein, unverbraucht und neu.

„Schwester Shannon!” ertönt eine fröhliche Stimme am anderen Ende der Leitung und holt mich aus meinen Tagträumen.

„Hallo Shannon, hier ist Lill! Kann ich mit Dad sprechen?” erwidere ich ebenfalls fröhlich.

„Aber sicher, Schätzchen! Ich leg den Hörer neben sein Ohr, dann kannst du reden. Wenn du fertig bist, dann ruf mich. Ja?!” trällert sie. Ganz im Ernst, ich kenne niemanden der so ununterbrochen fröhlich sein kann wie Shannon, aber genau deswegen mögen Ami und ich sie so sehr.

„So wie immer, Shannon!” ich lächle leicht. Dann höre ich wie der Hörer abgelegt wird. „Hi Daddy, ich bin's, Lill. Wie geht es dir denn heute? Mir geht es ganz gut. Ich werde für ein paar Monate mit einer Rockgruppe auf Tour gehen und dann ein Buch darüber schreiben. Ich hoffe du freust dich ein bisschen für mich. In 14 Tagen geht es los. Ich bin schon ein wenig aufgeregt, wenn ich ehrlich bin. Ich werde ganz oft anrufen und dir erzählen wie es überall ist. Ich soll dir wie immer ganz liebe Grüße von Ami, Josh, Brad, Cody und Charlie bestellen. Stell dir vor Charlie bekommt seine ersten Zähne. Er ist schon richtig groß geworden, wir kommen dich aber am Sonntag wieder besuchen, dann kannst du es selber sehen. Dass wir es letztes Wochenende nicht geschafft haben, tut uns leid, aber es war einfach zu viel los. Ich hoffe du warst nicht allzu traurig. Ich liebe Dich Daddy! …” ich schicke ihm einen Kuss durchs Telefon. „SHANNON!” rufe ich ein paar Augenblicke später und habe sie prompt wieder am Telefon.

„Da bin ich wieder, Schätzchen. Wie geht es Dir denn?” fragt sie nun neugierig.

„Ich habe einen neuen Buchauftrag und werde bis Mitte Januar unterwegs sein. Wie geht es ihm denn heute?” will ich nun wissen.

„Ganz gut, Dr. Morris war heute Morgen hier. Er möchte sich irgendwann mal mit Euch hinsetzen und über seinen Zustand reden. Weißt du, Schätzchen, er liegt jetzt schon seit 8 Jahren im Dämmerschlaf und ihr solltet überlegen, was das Beste für ihn und euch ist.” deutet sie vorsichtig an.

„Ich weiß worauf du hinaus willst, Shannon. Wir sind einfach noch nicht so weit.” Ich atme tief durch.

„Ist gut, Schätzchen.” sagt sie leise „Wann kommt ihr mal wieder vorbei?“

„Am Sonntag.“ verspreche ich ihr.

„Das ist schön, da freut er sich.“ Nun ist sie wieder die fröhliche Shannon.

„Bis dann.“ sage ich und schlucke schwer.

„Bis dann Schätzchen.“ singt sie beinahe und legt auf.

Auch ich drücke auf Gespräch beenden und lege das Telefon auf den Couchtisch.

Mein Dad liegt seit 8 Jahren im Wachkoma, seitdem bei einer Routineherz-OP etwas schief gegangen ist…

Es kostet mich und Ami alles an finanziellen Reserven und an Kraft, aber wir sind einfach nicht bereit ihn los zu lassen…

Wie oft haben wir mit Dr. Kyle Morris schon darüber geredet? Unzählige Male… und nie sind wir zu einem Ergebnis gekommen.

Mein Dad wohnt im Lough Cullin Pflegeheim in Bandon, 30 Kilometer von Crosshaven entfernt. Es ist das einzige Heim, das Ami und ich uns leisten können und das unseren Anforderungen entsprach. Zwei Jahre nach der OP kam das Krankenhaus nicht weiter für meinen Dad seine Betreuung auf und es gab Zeiten, in denen erschien es Ami und mir unmöglich, das alles in den Griff zu kriegen. Schließlich nahmen wie eine Hypothek auf unser Elternhaus auf und so ist die Betreuung für unseren Dad gesichert... bis auf Weiteres zumindest. Ich weiß, dass wir uns mit der Frage, wie lange wir das noch können, auseinander setzen müssen…

Ich gehe wieder in die Küche und Ami sitzt mich Charlie am Küchentisch.

„Komm schon mein Süßer nur noch ein bisschen!” versucht sie ihn zu überreden den Rest seiner Flasche zu trinken. Ich lächele in mich hinein.

„Meinst du, das hilft?“ ich setze mich zu ihr an den Tisch.

„Ich hoffe es.“ Sie grinst schief und tatsächlich trinkt Charlie die letzten Schlucke seiner Flasche.

„Ich bring ihn eben ins Bett.“ Ami stellt die leere Flasche auf den Tisch und Charlie macht artig sein Bäuerchen.

Ich hauche ihm einen Kuss auf die Stirn und sie bringt ihn hoch in sein Zimmer.

Ein paar Minuten später geht die Eingangstür polternd auf und ich grinse. Josh hat wie immer das Feingefühl eines Elefanten im Porzellanladen.

„Familie?“ ruft er und ich gehe zu ihm.

„Deine Frau versucht gerade, deinen Sohn ins Bett zu bringen.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch „Wenn du hier rum schreist ist das kontraproduktiv.“

„Ups.“ Er kickt seine Schuhe in die Ecke und stellt seine Sporttasche ab.

„Hallo erst einmal.“ Er nimmt mich in den Arm „Na, wie fühlt man sich als Fernsehstar den tausende von Frauen beneiden?“ er grinst mich an.

„Weiß nicht.“ gebe ich zurück.

„Und warum riecht es hier nicht nach Essen?“ er schaut an mir vorbei in die Küche.

„Oh mein Gott, deine Haussklavin hat doch tatsächlich nicht für dich gekocht.“ Ich sehe ihn gespielt überrascht an.

„Ha, ha.“ gibt er trocken zurück. „Mal ehrlich, essen wir heute kein Abendbrot?“ er lässt mich los und ich kann nicht ernst bleiben, obwohl ich es will.

„Was?“ Josh geht in die Küche und ich folge ihm.

„Brad ist gleich mit Pizza hier.“ erkläre ich ihm.

„Hmm, da warte ich doch gerne noch ein wenig.“ Er reibt sich den Bauch.

„Kommt Cody auch mit?“ er sieht mich fragend an.

„Er hat nichts gesagt, aber kann sein.“ Ich setze mich an den Küchentisch und er setzt sich zu mir.

„Wie hast du das eigentlich geschafft? Liljana van Graasten auf Welttournee mit Bluefire. Ich fass es nicht.“ Er schubst mich leicht.

„Glaub mir, ich auch nicht.“ gebe ich zurück „Sie meinten, ich sei kein Anziehbild einer Barbie und somit wirklich interessiert an ihrer Story.“

„Stimmt das Barbie-Gen ist an die vorbei gegangen.“ Er grinst schelmisch und ich knuffe ihn.

„Was denn? Komm schon… Wann bist du das letzte Mal aus gewesen und hast dich zurecht gemacht?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Ist schon eine Weile her.“ gebe ich zu.

„Komm Lill, du bist jung. Genieße das Leben und sieh das als Chance, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Du schreibst Reiseartikel und warst noch nie in den Ländern über die du schreibst. Du hast fast dein ganzes Leben damit zu gebracht, für deine Familie da zu sein. Ich finde es toll, was Ami und du für deinen Dad machen, aber ihr vergesst euch dabei.“ Er nimmt meine Hand.

„Aber ich habe mein Journalismusstudium abgeschlossen und Ami hat ihre Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht. Es ist ja nicht so, als hätten wir nichts geschafft.“ wehre ich mich.

„Komm schon Lill, du weißt genau, dass ich das nicht meine. Wenn ich nicht durch Zufall ins Büro von McCormick gestolpert wäre, dann hätte ich Ami nie kennen gelernt und ich muss dich nicht daran erinnern, dass du für dein Studium und die Betreuung eures Dads drei Jobs nebenher machen musstest. Ehrlich Lill, ich wünsche mir, dass du mal siehst, dass das Leben noch mehr zu bieten hat.“ Er drückt meine Hand.

„Danke Josh.“ erwidere ich gerührt.

Er hat ja Recht, seit ich 19 bin dreht sich bei mir und Ami alles um meinen Dad und um die Kosten für seine Pflege und Unterbringung, aber wir haben das nie als Belastung angesehen. Er ist doch unser Dad!

Es klopft an der Hintertür und Brad und Cody kommen herein. Sie lassen sich natürlich selber rein, denn ganz ehrlich, manchmal habe ich das Gefühl sie wohnen auch hier.

Die beiden sind schon ein Pärchen für sich. Ich sage nur Gegensätze ziehen sich an…

Cody, der Paradiesvogel und Brad der Bodenständige und trotzdem sind die Beiden schon seit 6 Jahren zusammen.

„Hallo, Sonnenscheinchen!“ Cody stellt die Pizzakartons auf den Küchentisch und zieht mich in seine Arme.

„Ich bin ja so was von aufgeregt.“ Er strahlt mich an. „Also bevor du auf diese Mega-Party von BMG gehst mache ich dir die Haare, ganz ehrlich Sonnenscheinchen, so kannst du da nicht hin.“ Er zupft an meinen Haaren.

„Aber sicher.“ verspreche ich ihm.

Wer sagt schon nein zu einem Haarschnitt von Cody Kegan?

Ich jedenfalls nicht, mir fehlte in den letzten Monaten nur einfach die Zeit dazu.

Dann nimmt mich Brad in den Arm und Cody stürzt sich auf Josh.

Wir verteilen die Pizzakartons und Ami kommt wieder zu uns.

„Schläft er?“ frage ich und sie atmet tief aus.

„Fürs erste, in unserem Haus geht es ja auch zu wie in einem Taubenschlag.“ Sie sieht zu Brad und Josh, die sie erst einmal in den Arm nehmen und sich entschuldigen.

„Schon gut…“ entwindet sie sich lachend aus der Umarmung „Das Monster schläft jetzt ja.“ Sie setzt sich an den Tisch und Cody und Brad ebenfalls.

Eine Weile verfallen wir in gefräßiges Schweigen und ich muss sagen, meine Pizza Hawaii ist ausgezeichnet. Wie eigentlich immer wenn sie von Salvatore kommt…

„Und Lill… Was glaubst du, wie es wird?“ Cody sieht mich fragend an.

„Stressig denke ich…“ ich stehe auf und hole den Tourplan, um ihn ihm zu zeigen.

„Wow, Lill, du siehst echt was von der Welt…“ Cody pfeift anerkennend.

„Ich befürchte ich werde hauptsächlich Hotelzimmer, Konzerthallen und das Flugzeug sehen.“ Ich seufze leise.

„Jede Frau in Irland beneidet dich und du jammerst?“ Josh grinst mich an.

„Schön für jede andere Frau, aber du kennst mich…“ ich verdrehe die Augen „Ich habe mit solcher Musik nichts am Hut. Außerdem finde ich es reichlich übertrieben, sie als Rockband zu bezeichnen…“ ich ziehe eine Augenbraue hoch „Es sei denn, Rockbands treten auch in Anzügen auf.“

„Komm schon, sie sind wirklich gut. Anzüge haben noch keinem Mann geschadet. Außerdem habe ich sie bisher nur ein einziges Mal im Anzug gesehen. Gib ihnen eine Chance und außerdem dachte ich immer, du stehst auf Männer in Anzügen?“ Ami zwinkert mir zu.

„Tue ich ja auch, ich finde das schick…“ gebe ich grinsend zu „Aber die Definition einer Rockband ist bei mir irgendwie anders.“

„Lilly, ganz ehrlich. Die Jungs sind tätowiert, sie spielen ihre eigenen Instrumente… Ich jedenfalls mag sie…“ Ami wirft ihre dunkelblonden Locken in den Nacken und ich lache auf.

„Sagen wir es mal so, Ami du bist das Mainstream Girl und Lill ist eben anders.“ Brad sieht zu mir und ich nicke.

„Genau.“ pflichte ich ihm bei.

„Dir ist schon klar, dass du in den nächsten Monaten bei jeder Gelegenheit Fotografen um dich herum hast, oder? Ich meine, wenn du nicht willst, dass sie dich in der Luft zerreißen, dann, Sonnenscheinchen, solltest du dich ein wenig anpassen.“ gibt Cody zu bedenken.

„Ist ja gut, ich gehe Freitag in zwei Wochen mit Brad einkaufen und ich bin mir sicher, er wird mich nicht nur mit Jeans und T-Shirts nach Hause gehen lassen.“ Ich sehe zu Brad und er grinst verschwörerisch. „Vielleicht wird es einfach Mal Zeit für eine Veränderung.“

„Das ist mein Mädchen.“ Josh sieht mich stolz an.

„Hey, ich bin dein Mädchen.“ Ami wirft ihm einen strafenden Blick zu.

Wir fangen alle an zu lachen und den Rest des Abends spricht keiner mehr meine Reise an… Es ist auch besser so, ich weiß nicht, wie ich die 4 Monate ohne meine Familie und meine Freunde überstehen werde.

Ich komme erst viel zu spät ins Bett und den Samstag verbringen wir, aufgrund des stürmischen Wetters zu Hause. Ich spiele mit Charlie und versuche jede Sekunde mit ihm zu konservieren. Der kleine Mann wird mir so fehlen. Dadurch, dass ich mit Ami und Josh zusammen wohne, ist er fast wie mein eigenes Kind, ich liebe ihn wirklich abgöttisch…

Am Abend nehme ich mir etwas Zeit und telefoniere lange mit Katie. Sie hat sich im Internet schlau gemacht und zieht mich damit auf, dass ich mit den heißesten Männern Irlands unterwegs sein werde…

Zugegeben sie sehen nicht schlecht aus, aber ich soll meine Arbeit machen. Nichts weiter.

Ich muss Katie versprechen mich mindestens einmal die Woche zu melden und Bericht zu erstatten. Typisch Katie, sie will immer alles haarklein wissen, aber bisher war sie ja auch diejenige, die das Meiste zu erzählen hatte. Ich spreche auch noch kurz mit Ben und er gratuliert mir zu meinem Coup…

Ob Glückwünsche wirklich angebracht sind?

Nach einem ausgiebigen Frühstück am Sonntagmorgen machen wir uns alle auf den Weg nach Bandon und werden von den Pflegerinnen begrüßt wie alte Freunde, mittlerweile kennen wir sie ja auch schon einige Jahre.

„Hallo, meine Süßen!“ Shannon nimmt mich und Ami in den Arm, als wir das Zimmer meines Dads betreten.

„Hey, Shannon. Wie macht er sich heute?“ ich deute auf meinen Dad.

„Es geht ihm gut, alles stabil.“ Sie sieht mich an und streicht mir eine Strähne hinters Ohr.

„Und da ist ja der kleine Charlie!“ Shannon nimmt Josh den Kleinen ab und sie betrachtet ihn eingehend.

„Schau mal, Charlie, der kleine Mann wird dir von Tag zu Tag ähnlicher.“ Sie sieht zu meinem Dad.

„Wollen wir einen Kaffee trinken?“ Shannon sieht zu mir und Josh und wir nicken.

Ami und ich haben immer gerne jede ein wenig Zeit allein mit unserem Dad und Shannon weiß das natürlich.

Wir gehen in die Cafeteria und setzen uns an einen der runden Tische.

„Und Lill, hast du deine Neuigkeiten schon ein wenig verarbeitet?“ Shannon setzt Charlie auf ihren Schoß und Josh stellt uns jeder ein Becher Kaffee hin.

„Ja ein wenig. Ich bin gespannt wie es wird.“ gebe ich zu.

Wir unterhalten uns etwas über Shannons Familie und sie betüddelt Charlie die ganze Zeit, dem so viel Aufmerksamkeit nur Recht ist. Eine viertel Stunde später kommt Ami zu uns und ich gehe zu unserem Dad.

Ich setze mich an sein Bett und nehme seine Hand in meine. Wie viel ist noch von dem starken Mann von früher übrig?

Nicht mehr sehr viel… er kommt mir vor wie eine andere Person. Meinen Dad von früher gibt es einfach nicht mehr…

Ich wische mir eine Träne, die sich aus meinem Augenwinkel stiehlt beiseite und drücke kurz seine Hand.

„Hey Daddy…“ ich streiche ihm mit meiner freien Hand eine Strähne seines ergrautes Haares aus der Stirn. Er ist an eine Beatmungsmaschine angeschlossen, dafür hat er einen kleinen Schnitt am Hals, durch den der Schlauch führt, auch ansonsten ist er an unzählige Geräte angeschlossen, die Ami und ich mittlerweile aus dem Effeff kennen.

„Ich beginne mich auf meine große Reise zu freuen….“ beginne ich „Ich weiß, wenn du könntest, dann würdest du mir jetzt unzählige Verhaltensregeln mit auf den Weg geben.“ Ich lächle leicht „Ich bin vorsichtig Daddy, ich verspreche es dir. Hat dir Ami erzählt, dass Charlie seine ersten Zähnchen bekommt? Er ist so ein lieber, aufgeweckter Kerl… Ich werde euch alle so sehr vermissen.“ gestehe ich. „Ich will Ami überraschen und nächste Woche ein paar Tage mit ihr und Charlie auf eine Ranch fahren. Ich glaube, das tut uns ganz gut und ich hatte es schon ewig vor, aber Robert war so nett mir eine Sonderzahlung zukommen zu lassen und jetzt kann ich es endlich machen. Mal schauen wie Josh es findet, ein paar Tage frauen- und kinderfrei zu sein. Dr. Morris will mit mir und Ami sprechen…“ ich wische mir erneut eine Träne beiseite „… Ach Daddy, wir wissen einfach nicht, was wir machen sollen. Wir sind nicht bereit dich gehen zu lassen.“ erkläre ich ihm. Dann erzähle ich ihm ein wenig von meinem letzten Buch und setze mich auf seine Bettkante. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass er mich nur noch ein einziges Mal in den Arm nehmen könnte, aber das wird wohl nie passieren…

Anfangs waren wir noch so voller Hoffnung, aber mit den Jahren ist sie immer mehr verschwunden.

Es klopft leise und Ami, Josh, Shannon und Charlie kommen rein.

„Alles gut?“ Ami nimmt mich in den Arm und ich nicke.

„Ja sicher.“ gebe ich zurück und stehe von der Bettkante auf.

Wir sitzen noch eine Weile bei unserem Dad und fahren am frühen Nachmittag zurück. Als wir zu Hause sind beginne ich Listen zu schreiben und versuche an alles zu denken. Ich buche für mich und Ami eine kleine Pension auf einer Ranch von Donnerstag bis Sonntag in der nächsten Woche und hoffe sie freut sich darüber.

Am Abend kochen Josh und ich und es ist wie immer das reine Chaos, denn sowohl Josh als auch ich sind küchentechnisch nicht die Begabtesten.

Aber das Essen schmeckt und das ist ja die Hauptsache.

„Ami?“ ich sehe zu ihr und sie sieht mich prüfend an.

„Was ist denn Lilly?“ sie legt ihren Kopf schief und ich kann es nicht fassen, wie ähnlich sie unserer Mum sieht.

Unsere Mum… die Frau, von der wir seit der Scheidung nichts mehr gehört haben. Es scheint, als hätte sie sich auch von uns scheiden lassen, nicht nur von unserem Dad.

„Ich habe eine kleine Überraschung für dich und Charlie…“ ich grinse und sie bekommt große Augen „Nächsten Donnerstag fahren wir mit Charlie für 4 Tage auf eine Ranch in der Nähe von Sligo. Ich dachte wir genießen noch ein paar Tage bevor ich los muss.“ Ich sehe sie an und sie beginnt zu strahlen.

„Das ist toll, aber…“ setzt sie an.

„Mach dir keine Gedanken, ich bekomme eine Sonderzahlung von Robert.“ Ich zwinkere ihr zu. „Lass uns ein paar Tage einfach mal nicht an all das denken.“ bitte ich sie.

„Und was ist mit mir?“ Josh sieht mich gespielt beleidigt an.

„Ich stelle Brad und Cody als deine Babysitter ab, ich bin mir sicher, ihr werdet euch amüsieren.“ Ich grinse ihn an.

„Das denke ich auch.“ Er nickt zustimmend.

Ami freut sich wirklich ein paar Tage raus zu kommen und am Montag gehe ich erst einmal zu meinem Hausarzt und lasse meine Impfungen auffrischen. Zum Glück liegt das alles noch im zeitlichen Rahmen und auch die Verlängerung meines Reisepassen, den ich im Übrigen noch nie benutzt habe, geht schnell und komplikationslos.

Ich komme mit meinen Listen gut voran, auch wenn mein Kleiderschrank nicht wirklich viel Nützliches ausspuckt. Ich gehe schon ein paar Sachen einkaufen und ehe ich mich versehe sitze ich mit Ami und Charlie im Auto auf dem Weg nach Sligo.

Die kleine Pension ist traumhaft und als Erstes genießen Ami und ich einen langen Ausritt, während die Pensionsinhaberin auf Charlie aufpasst.

Das Wetter ist traumhaft schön. Ich glaube das nennt man den goldenen Spätsommer. Die Sonne scheint am wolkenlosen, klaren Himmel, es ist kühl aber eben auch wunderschön. Viel zu lange sind Ami und ich nicht mehr geritten, dabei haben wir es früher so sehr geliebt, aber es ist genau wie mein Klavierspiel auf der Strecke geblieben…

Am Abend sitzen wir im großen Gemeinschaftsraum vor dem Kamin und ich starre in das tiefe Rot meines Weines.

„Worüber machst du dir Sorgen?“ fragt Ami vorsichtig.

„Ich werde euch schrecklich vermissen.“ gebe ich zu.

„Wir dich auch, aber Lilly…“ sie nimmt meine Hand „Denk mal an dich und nicht immer so viel an uns.“ Sie lächelt leicht.

„Als wenn du das könntest.“ Gebe ich zurück.

„Sagen wir mal so, wir sind beide schlecht darin, aber Josh hat gesagt, wenn wir jetzt nicht irgendwann damit anfangen, dann ist es zu spät. Ich will, dass meine kleine Schwester glücklich ist.“ Ihr Blick wird weich „Lilly, das Leben besteht nicht nur aus Rechnungen bezahlen und arbeiten. Ich will, dass du dich verliebst… Warst du denn schon Mal richtig verliebt?“ sie sieht mich an und ich sehe auf.

„Das weißt du doch…“ gebe ich zurück.

Klar, ich hatte immer mal wieder Freunde, aber irgendwann sind meine Beziehungen meistens auf der Strecke geblieben. Ich arbeite jetzt seit 2 Jahren bei Crosshaven Press davor habe ich neben meinem Studium gleichzeitig drei Jobs gehabt und studiert, da blieb einfach keine Zeit…

Nein, richtig verliebt war ich bisher nicht. Ich kenne dieses Gefühl von Schmetterlingen im Bauch, aber meistens sind diese ziemlich schnell davon geflattert, wenn die Männer von all den Sachen erfuhren, die mein Leben bestimmen.

Es scheint, als würden sich die Tierchen bei mir nicht sonderlich wohl fühlen.

„Ich will, dass du glücklich bist.“ Ami bekommt eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn. Sie ist gerade einmal 2 Jahre älter als ich, aber wir sehen beide nicht unserem Alter entsprechend aus… Wir haben in unserer Jugend einfach zu viel durchmachen müssen, das kann nicht spurlos an uns vorbei gehen.

„Ich bin glücklich…“ ich sehe auf „Ich bin glücklich, dass ich dich, Josh und Charlie habe. Ihr seid meine Familie. Cody und Brad sind wie große Brüder für mich. Ich habe alles, was ich brauche.“

„Lilly, wir haben eine großen Bruder.“ Ami sieht in ihr Weinglas.

„Ja, einer der nichts von uns wissen will.“ gebe ich gepresst zurück.

„Das weißt du doch gar nicht…“ nimmt ihn Ami in Schutz. „Wer weiß, ob er überhaupt weiß, wo wir leben. Ich bin mir nicht sicher, das unsere Mutter es ihm gesagt hat.“

„Wer weiß das schon?“ ich nehme einen kräftigen Schluck von meinem Wein.

„Du bist doch in Amsterdam…“ sie sieht in den Kamin in dem die Holzscheite hoch lodern und hin und wieder knacken.

„Soll ich einfach bei ihm auftauchen und sagen: „Hallo hier bin ich?“ Ich schüttele leicht meinen Kopf.

„Du würdest es dir nie verzeihen, wenn du es nicht tun würdest.“ gibt Ami zu bedenken „Du hast Dom abgöttisch geliebt und er dich. Seine kleine Zaubermaus… Das kannst du nicht vergessen haben.“

„Natürlich habe ich es nicht vergessen, aber es ist 12 Jahre her.“ Ich drehe das Glas in meinen Händen.

„Du hast ja noch Zeit darüber nachzudenken.“ Ami nickt mir zu.

Sie kennt mich gut genug, um zu wissen, dass es gar nichts bringt, mich zu etwas zu drängen… Ich bin eben einfach nicht gut darin Entscheidungen zu treffen.

„Das werde ich…“ verspreche ich ihr und dann genießen wir eine Weile einfach das Schweigen und die Stille.

Die nächsten drei Tage sind wir viel unterwegs und Charlie lernt Kühe, Schweine, Hühner und Pferde aus nächster Nähe kennen und scheint sie zu mögen. Er quiekt jedes Mal vergnügt, wenn wir in den Stall gehen. Wir schaffen es wirklich uns an den Abenden zu entspannen und wir reden viel…

Am Samstagabend sitzen wir wieder vor dem Kamin und ich winde mich schon die ganze Zeit darum, das Thema Dr. Morris und unser Dad anzusprechen.

„Spuck es aus, Lilly…“ Ami sieht mich grinsend an.

„Was?“ frage ich verwirrt.

„Dir liegt was auf der Seele und es hat weder mit Bluefire noch mit deiner Reise zu tun.“ erklärt sie leise und ich nicke.

Ich kann Ami einfach nichts vormachen.

„Kyle will mit uns sprechen. Shannon sagt, er will mit uns darüber reden, was weiter passieren soll.“ sage ich leise und Ami seufzt.

„Was sollen wir nur machen Lilly?“ flüstert sie.

„Ich weiß nicht, was Richtig oder Falsch ist. Ich kann ihm nicht Goodbye sagen.“ Ich umschlinge meine Beine mit meinen Armen.

„Ich auch nicht. Kyle kann warten…“ sie winkt leicht ab „… Bereise du erst einmal die Welt und dann sehen wir weiter. Ich spreche mit ihm, wenn du weg bist.“

„Danke Ami.“ sage ich liebevoll und sie zieht mich in ihre Arme.

„Wir haben bisher alles geschafft, dass schaffen wir auch.“ verspricht sie mir.

Ich kenne kaum Geschwister, die sich so Nahe stehen wie Ami und ich. Klar, die Gründe dafür sind alles andere als schön, aber ich möchte es nicht missen…

Am Sonntag fahren wir auf dem Weg nach Hause bei unserem Dad vorbei und Shannon freut sich klein Charlie zu sehen. Dieses Mal brauchen weder ich, noch Ami Zeit allein mit unserem Dad. Wir erzählen ihm von unseren kleinen Ferien und fahren erst los, als Charlie anfängt quengelig zu werden.

Josh freut sich riesig, das wir wieder da sind, denn er hat uns, obwohl Brad und Cody jeden Abend hier waren, schrecklich vermisst. Besonders Charlie, er lässt ihn gar nicht mehr los, als wir endlich zu Hause sind.

Ich schicke Robert meine Artikel per Mail und entschuldige mich, dass ich es wohl nicht mehr schaffe, vorbei zu kommen, denn in der letzten Woche rinnt mir die Zeit durch die Finger. Ich habe das Gefühl, die Tage sind vorbei, wenn ich gerade aufgestanden bin. Ich gebe den Vertrag dem Anwalt unseres Verlages und er schaut ihn für mich durch und nimmt ein paar Änderungen vor, die er mir ausführlich erklärt.

Am Mittwoch kommen Ami und ich auf die Wahnsinnsidee, das Wohnzimmer neu zu streichen und ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Auch das Ergebnis kann sich sehen lassen und Ami und ich sind stolz auf unseren terrakottafarbenden Anstrich.

Freitag steht Brad in aller Herrgottsfrühe auf der Matte und wir fahren bewaffnet mit unzähligen Listen die vier Stunden nach Dublin.

Sage und schreibe fünf Stunden später habe ich alles bis auf die Abendgarderobe abgearbeitet und mein Auto ist bis unters Dach beladen. Tatsächlich habe ich mich entschieden mein Styling etwas anzupassen und ich muss sagen, nach anfänglicher Skepsis gefällt es mir dann doch ganz gut.

„Da hin.“ Brad deutet über die Straße auf eine Boutique und ich wir gehen zur nächsten Ampel, um die Straße zu überqueren.

Drinnen angekommen bin ich etwas verunsichert, aber Brad drückt mir sofort eine Auswahl Kleider in die Hand. Er setzt sich auf den Sessel vor die Umkleidekabinen und bewacht die Tüten, während ich in die Kabine schlüpfe.

Das erste Kleid ist weinrot, bodenlang und sieht wirklich verboten aus, als ich es anhabe. Ich sehe unnatürlich blass aus und es sitzt einfach furchtbar. Es drückt meinen Busen platt und ist mindestens 10 cm zu lang.

Ich öffne den Vorhang und Brad bricht in schallendes Gelächter aus.

„Na, danke auch.“ Ich ziehe den Vorhang wieder zu und nehme mir das zweite Kleid vom Bügel.

Damit wage ich es nicht einmal den Vorhang zu öffnen. Wem bitte steht quietschgelb?

Mir jedenfalls nicht…

„Brad, bitte suche mir was Anständiges.“ flehe ich ihn an.

Er reicht mir weitere Kleider und nach dem fünften habe ich endlich eines an, das ich wirklich schick finde. Es ist pastelllila, um den Busen herum eng und fällt dann in weichen Wellen bis zu Boden. Unter der Brust ist ein schwarzes dünnes Band, welches zu einer kleinen Schleife gebunden ist. Meine neu erstandenen schwarzen Pumps wären perfekt dazu.

„Und?“ ich trete hinaus und Brad applaudiert.

„Du siehst wunderschön aus.“ Er reckt beide Daumen in die Höhe.

„Danke.“ Ich mache einen kleinen Knicks „Nicht zu gewollt?“

„Ach Quatsch, du siehst aus wie ein Engel…“ er schickt mir einen Handkuss.

Ich gehe glücklich lächelnd wieder in Kabine und ziehe das Kleid wieder aus.

„Und jetzt?“ frage ich durch den geschlossenen Vorhang.

Brad reißt den Vorhang auf und betrachtet mich in meiner schwarzen Spitzenunterwäsche, zum Glück habe ich meinen BH schon wieder an.

„Hey du Spanner!” lache ich und ziehe den Vorhang wieder zu.

„Nun mach mal keine Szene!” er lacht auf und setzt sich wieder. Ich kann hören wie es sich auf den Sessel fallen lässt.

„Brad, du bist zwar schwul, aber trotz alledem gehört es sich nicht, in die Umkleidekabine einer Frau zu schauen.” tadele ich ihn. „Hat deine Mum dir das nicht beigebracht?“

„Ist ja gut! …” wehrt er sich weiterhin lachend „…aber eins muss ich dir lassen, du bist verdammt gut in Form!”

„Vielen Dank.“ gebe ich großzügig zurück und drehe mich vor dem Spiegel.

Ich bin zufrieden mit mir, ich finde zwar meinen Busen ein wenig zu groß, meine Hüften ein wenig zu breit und meine Beine ein wenig zu kurz. Aber, hey, nobody is perfect…

Ich kann eben nichts dafür, das meine Körbchengröße 75 D ist, dass es nur zu 1,68 m gereicht hat und dass ich das “gebärfreudige“ Becken meiner Mum geerbt habe. Dafür ist mein Bauch flach und straff und meine Brüste sitzen da, wo sie hingehören.

„Was ist denn nun? Was liegt noch an?“ frage ich erneut.

„Es ist jetzt kurz nach 14 Uhr, wir fahren jetzt zurück nach Crosshaven und Cody bearbeitet deinen Kopf, dann gibt es von mir noch eine Kosmetik- und Wellnessbehandlung im Crosshaven Spa.“ erklärt er mir und ich trete aus der Kabine.

„Echt?“ frage ich erstaunt.

„Aber sicher.“ Er nickt lächelnd „Nur das Beste für meine Kleine.“ Er zwinkert mir zu. „Wow, danke.“ gebe ich gerührt zurück und wir bezahlen das Kleid.

Als wir 4 Stunden später den Salon von Cody betreten nimmt er mich erst einmal überschwänglich in den Arm.

„Ich kann es nicht glauben, dass du übermorgen schon am anderen Ende der Welt bist.“ gesteht er mir.

„Ich auch nicht.“ Ich sehe ihn seufzend an.

„Kein Gejammere…“ er sieht mich durchdringend an und bugsiert mich auf einen der Friseurstühle.

Eine knappe Stunde später dreht er mich zum Spiegel und ich sehe erstaunt in mein Spiegelbild. Ich habe eine leichte Welle bekommen und er hat meine Haarfarbe mit einigen dunkelblonden Strähnen aufgepeppt, es sieht klasse aus und ich sehe ihn überwältigt an.

„Wow Cody….” ich betrachte mich von allen Seiten “… DU bist definitiv mein Haargott!” ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Oh, mein Sonnenscheinchen, wenn ich nicht mit Brad zusammen wäre, dann würde ich sofort über dich herfallen!” grinst er und zieht mich in seine Arme.

„Okay, okay… auseinander!” Brad drängelt sich zwischen uns.

„Wir haben in 15 Minuten unseren Termin im Crosshaven Spa.“ Er zieht mich aus Codys Umarmung und gibt ihm dann einen Kuss.

„Bis später, Sweety.“ Er sieht ihn liebevoll an.

„Bis dann, mein Engel.“ verabschiedet sich auch Cody und wir treten hinaus in die kalte Luft Crosshavens.

Der Aufenthalt im Spa ist so was von entspannend, dass ich mich frage, warum ich das noch nie ausprobiert habe…

Dann fällt es mir wieder ein. Ami und ich haben eben andere Prioritäten.

Die Kosmetikerin verleiht mir den letzten Feinschliff, meine Augenbrauen werden gezupft und ich verspreche ab jetzt wieder meine Kontaktlinsen zu tragen.

Als ich nach Hause komme, sind Josh und Ami schon im Bett und auch ich gehe gleich schlafen. Der Tag hat mich so geschlaucht, dass ich fast augenblicklich einschlafe.

Ich wache erst gegen 11 Uhr am nächsten Tag auf und gehe immer noch verschlafen in die Küche.

„Guten Morgen Lilly!” empfängt mich Ami gut gelaunt. „Ich habe Frühstück gemacht!” sie deutet auf den voll beladenen Tisch.

„Das sehe ich. Das reicht ja für mindestens 10 Leute!” grinse ich.

„Du denkst doch nicht, dass Cody und Brad dich abfahren lassen ohne Bye zu sagen?“ Josh kommt herein und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Wie konnte ich nur?“ erwidere ich gespielt schockiert.

„Sie sind in 20 Minuten hier.“ Ami nickt mir zu.

„Dann wasche ich mich wohl mal kurz.“ Ich gehe wieder zu mir und spritze mir ein wenig Wasser ins Gesicht.

Ich finde es toll, noch einmal alle zu sehen und weiß, dass der Abschied schwer wird. Vier Monate sind eben doch eine lange Zeit.

Ich höre Stimmen aus der Küche und stürme zu Cody und Brad.

„Ihr seid echt süß!” lächele ich.

„Wir lassen doch unseren Sonnenschein nicht einfach so gehen.“ Cody zwinkert mir zu und wir setzen uns alle. Charlie sitzt auf meinem Schoß und ich würde ihn am Liebsten nicht mehr aus der Hand geben.

Unser Brunch zieht sich wirklich in die Länge und um 15 Uhr scheucht mich Cody ins Bad und steckt meine Haare locker hoch. Ich komme mir so anders vor. Wenn ich in den Spiegel schaue erkenne ich mich fast nicht wieder.

Dann schlüpfe ich in mein Kleid und stehe eine halbe Stunde bevor ich abgeholt werden soll wieder in der Küche.

„Wow, Lill, du siehst zauberhaft aus.“ Josh sieht mich mit seinen großen dunkelblauen Augen an.

„Danke Josh.“ Ich setze mich an den Tisch und zupfe am Oberteil meines Kleides herum.

„Lass das Lilly, alles sitzt da, wo es hin gehört.“ Ami nimmt meine Hand. „Ich werde dich so schrecklich vermissen.“

„Ich dich auch.“ Ich schlucke schwer.

„Ich schwöre dir, wenn du jetzt heulst, dann bist du nicht mehr meine Freundin.“ Cody sieht mich lange an und ich lächle.

„Oh man, vier Monate können so lang sein…“ ich fächere mir Luft zu, um nicht zu weinen.

„Hey, wir besuchen Dich!” versprach Cody nun „Zeig noch mal deinen Tourplan, dann machen wir schon einen Tag aus!” er sieht mich lächelnd an und ich gebe ihm den Plan aus meiner Handtasche.

„So, da haben wir ja schon den perfekten Tag. Wir kommen am 13. Oktober nach Kiew und verbringen zwei schöne Tage zusammen und Leute….” er sieht zu Ami, Josh, Brad und Charlie “… die Flugtickets und das Hotel übernehme ich!”

Wir alle fallen ihm jubelnd um den Hals. “Du bist verrückt!” quiekt Brad.

“Ich weiß, aber wir wollen Lill doch nicht allein den Spaß lassen die Welt zu erkunden!” er drückt mir einen Kuss auf die Wange “ … und wenn du jetzt echt heulst, dann bring ich dich um, dein Make-up ist nicht wasserfest.”

In diesem Augenblick klingelt es und Josh geht zur Tür.

„Dein Fahrer.“ bestätigt er meine Vermutung und beginnt meine Koffer raus zu tragen.

Ich nehme Charlie auf den Arm und drücke ihn an mich „Sei lieb zu deiner Mummy und deinem Daddy, mein Engel.” ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Bye, Lilly!” Ami kommt zu uns und nimmt mir Charlie ab, dann drückt sie mich fest an sich. „Steig jetzt ein, bevor wir dich nicht mehr gehen lassen.“ flüstert sie.

„Bye!” ich drücke alle kurz an mich und steige in den Wagen. Ich kurbele das Fenster runter und winke allen zu, während wir vom Hof fahren.

„Sie haben eine wirklich nette Familie!” meint der Fahrer nach einer kleinen Weile lächelnd zu mir.

„Danke. Ja, sie sind toll. Sie sind das Beste, was ich habe.“ bestätige ich ihn in seiner Annahme.

Nach knapp vier Stunden erreichen wir einen Club, den BMG für heute gemietet zu haben scheint, denn am Eingang steht groß: Nur mit Gästeliste.

Wow, ich stehe das erste Mal auf einer Gästeliste…

„So, wir sind da!“ holt mich der Fahrer aus meinen Gedanken.

„Ja, ich sehe es.“ erwidere ich fahrig.

„Keine Sorge Miss, tief durchatmen und auf ins Getümmel.“ Er zwinkert mir zu „Ich bringe ihre Koffer gleich zum Flughafen und ihre kleine Tasche ins Hotel. Sie bekommen ihren Zimmerschlüssel von Peter Hastings, Pete.” er dreht sich zu mir um. „Amüsieren sie sich.“

„Danke für alles!“ ich schenke ihm ein dankbares Lächeln und steige aus. Obwohl ich mir noch ein Blazer über mein schulterfreies Kleid gezogen habe, ist es unangenehm frisch.

Es stehen einige Reporter vor dem Eingang, aber ich komme ungesehen an ihnen vorbei. Erleichtert atme ich aus und gehe zu einer Frau, die hinter einem Stehtisch steht und augenscheinlich die Eintrittsliste verwaltet.

„Darf ich ihren Namen erfahren?“ sie schenkt mir ein Zahnpastalächeln, das selbst auf dem Mars noch zu sehen sein dürfte.

„Liljana van Graasten.“ Ich knete unbewusst meine Hände. Das ist hier komplettes Neuland für ein Landei wie mich.

Sie schaut mehrere Seiten ihrer Liste durch und grinst schließlich. „Ja, ich habe ihren Namen gefunden. Ich sage kurz Pete Bescheid, er will sie persönlich in Empfang nehmen.” sie greift zu ihrem Walkie-Talkie. Nach ein paar für mich unverständlichen Funksprüchen sieht sie wieder zu mir. „Er ist einer Minute hier. Geben sie ihre Jacke drinnen ab und warten sie im Vorraum.“ Sie hebt das Absperrseil und lässt mich ins Innere. Ich bin froh der Kälte zu entkomme und gebe meine Jacke an der Garderobe ab. Ich klammere mich an meine Handtasche und sehe mich suchend um.

Dann kommt Pete und sieht sich ebenfalls suchend um und so sehr ich mich auch in sein Gesichtsfeld dränge, er grinst nur und sucht weiter.

Schließlich gehe ich auf ihn zu und tippe ihm auf die Schulter „Kann es sein, dass du zufällig mich suchst?“

„Liljana?“ er sieht mich skeptisch an.

„Wir waren schon bei Lill.“ Ich zwinkere ihm zu und er sieht mich perplex an.

„Ich fass es nicht…“ er schüttelt lächelnd den Kopf und ich drehe mich um meine eigene Achse.

„Du hast gesagt Abendkleidung und tata, hier ist sie.“ lache ich.

„Du siehst bezaubernd aus.“ Er haucht mir einen Handkuss auf meine linke Hand.

„Vielen Dank, du auch.“ Ich grinse, er trägt ein einfaches weißes Hemd und eine verwaschene Jeans, nicht einmal das Jackett holt es noch raus.

„Ich weiß, ich habe stundenlang vor dem Kleiderschrank gestanden.“ Er bietet mir seinen Arm an und ich hake mich bei ihm unter.

Als wir den vollen Club betreten atme ich tief ein.

„Ganz ruhig Lill. Das sind alles nur Menschen und ich verspreche dir, keiner wird dich auffressen.“ raunt mir Pete ins Ohr und ich schenke ihm ein schiefes Grinsen.

Ich sehe wie sich Sean durch die Menschen zu uns vorarbeitet und Pete angrinst.

„Wen hast du denn da aufgegabelt?“ er sieht mich an und ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Das, mein Lieber, ist euer Schatten der nächsten Monate.“ Er sieht zu mir und wieder zu Sean, der mich nun mit großen Augen ansieht.

„Lill?“ fragt er überflüssiger Weise.

„Wenn sich in den letzten 30 Sekunden nichts geändert hat, dann ja.“ Ich halte ihm meine Hand hin „Schön dich wieder zu sehen.“

„Oh Mann…“ er schüttelt meine Hand. „Du bist echt der Knaller.“

„Vielen Dank, das nehme ich mal als Kompliment.“ Ich mache einen kleinen Knicks.

„Verschiebt euer Geschleime auf später…“ Pete zieht mich mit sich.

„Was?“ ich sehe ihn verwirrt an.

„Da hinten ist Louis Andrews. Ihm gehört BMG hier in Irland.“ Er sieht mich an und wir kommen vor einem älteren Herren mit schütterem Haar zum Stehen.

„Louis, das ist Liljana van Graasten.“ stellt er mich vor und ich reiche dem Mann die Hand.

„Es freut mich sehr Liljana.“ Er lächelt mich an und ich entspanne mich ein wenig. „Ich habe von deinem letzten Buch gehört, als ich mit Richard essen war. Wir sind wirklich stolz darauf, dich bekommen zu haben.“ Er wirkt wirklich erleichtert.

„Vielen Dank.“ Ich erwidere schüchtern sein Lächeln.

„Gern geschehen. Solltest du mit Pete oder den Jungs Probleme haben, dann rufst du mich an.“ er gibt mir eine Karte von sich „Die Verträge gibst du bitte Pete, er wird sich um alles kümmern und dich mit allen bekannt machen. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss weiter.“ Er sieht mich entschuldigend an.

„Kein Problem. Vielen Dank.“ Ich winke ihm mit seiner Karte zu und sehe zu Pete.

„Dann mal los.“ Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und Pete packt mich am Arm.

„Ah ja…“ er sieht sich um „Da hinten haben wir Sean und seine Frau.“ Er zieht mich hinter sich her durch die Menschen.

Schließlich bleiben wir vor Sean und einer blonden Frau stehen. „Also Lill, das ist Allison, Seans Frau.“ stellt er mich vor.

„Und das ist Lill.“ Er sieht zu Allison und sie grinst breit.

„Ally.“ Sie reicht mir ihre Hand.

„Freut mich.“ Ich erwidere ihr Lächeln.

„Du wirst den Jungs also an den Fersen kleben?“ Allys Grinsen wird noch eine Spur breiter und enthüllt ihre weißen Zähne. „Das wird nicht immer schön.“ lacht sie leise und fängt sich einen bösen Blick von Sean ein.

„Ich weiß mich zu wehren.“ Ich zwinkere ihr zu und sie lacht auf. „Du gefällst mir Lill.“ erwidert sie lächelnd.

„Vielen Dank, du mir auch.“ lache ich.

„Ah, da hinten ist Alex! Komm schon Lill!“ Pete packt mich wieder am Arm und ich werfe ihm einen genervten Blick zu.

„Wir sehen uns später!“ Ally winkt mir zu, während mich Pete schon unbarmherzig weiter zieht.

„So, hier haben wir unseren Alex und seine Verlobte Isabell.“ Pete lächelt mich sichtlich stolz auf seine Leistung an.

„Belle.“ Die rothaarige, junge Frau reicht mir ihre Hand.

„Hi, ich bin Lill!” ich sehe zu Belle und schüttele ihre angebotene Hand.

„Du bist also die Lill.” sie sieht zu Alex und dieser sieht mich erstaunt an.

„Ja, die bin ich wohl!” grinse ich.

„Mann Lill, ich hätte dich fast gar nicht erkannt.” Alex nimmt mich lachend in den Arm.

„Tja, mein Kleiderschrank hatte tatsächlich noch was anderes zu bieten.” schmunzele ich.

Dass mein Kleiderschrank bis vor einer Woche außer Jeans und Shirts nichts wirklich zu bieten hatte, muss er ja nicht wissen…

„Das sehe ich.” erwidert er lachend.

„Da ist Jamie.” Pete greift wieder erbarmungslos nach meiner Hand.

Ich stöhne genervt.

„Nur noch Jamie, dann hast du es geschafft!” er grinst mich entschuldigend an und zieht mich weiter.

„Bis später!” höre ich Alex noch rufen.

Ich sehe ihn schon von Weitem und die blonde Frau an seiner Seite ist auch nicht zu übersehen. Kann man seinen Schönheitschirurgen verklagen, wenn er einen so entstellt?

Ich meine, in den Augen anderer mag das ja schön erscheinen, aber ich finde aufgepumpte Brüste einfach nur schrecklich und außerdem bin ich der Meinung, dass man es auf 100 Metern erkennt.

Komischer Weise scheint es mich irgendwie zu stören, wie sie da an Jamies Arm klebt…

Dann bremsten wir vor ihnen ab. „So, da haben wir unseren Jamie und seine Freundin Caroline.” stellt mir Pete Jamies Freundin vor.

„Hallo, ich bin Caroline!” sie mustert mich von oben bis unten und ich ziehe eine Augenbraue hoch. Klar, man mustert manchmal einfach die Menschen, aber ganz ehrlich es geht auch unauffälliger.

„Guten Abend, ich bin Liljana!” erwidere ich steif und mache, ebenso wie sie, keine Anstalten ihr die Hand zu geben.

„Lill!” Jamie nimmt mich in den Arm und drückt mich an sich.

„Hey… Wie geht es dir?” frage ich leise und merke mit Erschrecken, wie mein Herz schneller schlägt.

Nicht gut, aber so etwas von nicht gut…

„Sehr gut und dir?” er lässt seinen Arm um meine Hüfte geschlungen.

„Danke auch gut, wenn mich Pete mal fünf Minuten in Ruhe lassen würde!” ich sehe entschuldigend zu Pete und er grinst.

„Okay Lill, aber erst klären wir kurz die Verträge, dann kannst du tun und lassen, was du willst.” er reicht mir seine Hand und seufzend ergreife ich diese.

„Bis später.“ Jamie sieht mich an und ich lächele verlegen.

Toller Nummer van Graasten…

Warum ausgerechnet er?

Jeder, aber auch wirklich jeder… abgesehen von Alex und Sean, wäre besser für meine verirrten Gefühle geeignet.

Wir kommen in einen kleinen Nebenraum und Pete reicht mir ein Glas Champagner.

Ich stürze es runter und er zieht eine Augenbraue hoch.

„Durst?!“ ich sehe ihn entschuldigend an und er schenkt nach.

Er setzt sich lächelnd und ich hole die Verträge aus meiner Tasche.

Er nimmt sie und überfliegt sie.

„Ah, wie ich sehe hast du einen Anwalt drauf schauen lassen...” grinst er und blättert ihn weiter durch „… er hat einige Klauseln gestrichen…” er liest weiter “… Kannst du mir mal sagen, warum er die Klausel mit den Beziehungen innerhalb der Band und deren Crew gestrichen hat? Ebenso wie die Klausel der Familien betreffend?” er zieht eine Augenbraue hoch.

„Er meinte, das wäre Einschränkung meiner Persönlichkeit und hat in einem solchen Vertrag nichts zu suchen!” lächele ich. „Ihr scheint vergessen zu haben, dass ich Journalistin und nicht irgendeine Tänzerin bin.“ füge ich hinzu und er lacht.

„Okay, aber liebe Lill nimm dich in Acht und sei vorsichtig!” meint er vielsagend und unterschreibt schließlich seinerseits die Verträge.

„So, nun wünsch ich dir viel Spaß! Und trink lieber nicht so viel, du hast morgen einen 12 Stunden Flug vor dir und wir können nicht anhalten, wenn es dir nicht gut geht.” lächelt er.

„Ich kenne meine Grenzen.” Ich schenke ihm ein breites Grinsen.

„Das ist immer gut.“ Pete sieht mich immer noch ein wenig nachdenklich an. „Wir sehen uns morgen früh.“ Er winkt mir zu, ich verlasse mit meinem Champagnerglas in der Hand den kleinen Raum und stehe wieder direkt mitten im Geschehen.

Sean entdeckt mich sofort und kommt auf mich zu.

„Na, wo hast du Pete gelassen?“ er sieht sich suchend um.

„Den bin ich für heute erst einmal los.“ grinse ich.

„Wunderbar, dann komm mit zu uns. Magst du das Zeug?“ er sieht auf mein Glas.

„Nicht so sehr, aber was anderes hat Pete mir nicht angeboten.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Gib her.“ Er nimmt mir das Glas ab und stellt es auf einen der Stehtische „Was willst du denn trinken?“

„Martini dry.“ Ich sehe ihn an und er grinst.

„Hätte ich jetzt nicht vermutet.“ gibt er zu und steuert einen der Kellner an.

Kurze Zeit später kommt er wieder zu mir. „Alles geklärt, sie bringen dir einen an unseren Tisch.“ Er nimmt meine Hand und wir betreten den VIP Bereich. Komisch, im einem Club voller VIPs gibt es tatsächlich noch einen extra VIP Bereich.

Die anderen sitzen in einer gemütlichen Sitzgruppe und lächeln als ich mit Sean zu ihnen komme.

„Hast du ihn endlich abgeschüttelt?“ Ally grinst breit.

„Fürs Erste.“ gebe ich zurück und setze mich neben Alex.

„Und den Schock des Ganzen verarbeitet?“ Alex reicht mir mein Glas, dass ein Kellner abstellt.

„Noch nicht wirklich, aber ich denke, es kann spaßig werden.“ Ich zwinkere ihm zu.

„Dann testen wir dich mal auf deine Spaßtauglichkeit.“ Alex reicht mir seine Hand und deutet auf die Tanzfläche.

Ich zögere einen Moment und ergreife sie schließlich, als ein Lied erklingt, dass sich sogar auf einer meiner CDs findet.

Wir tanzen beide und haben wirklich Spaß. Augenscheinlich sind sie wirklich nett und vollkommen anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Auch ihre Frauen sind aufgeschlossen und freundlich und ich denke, wir könnten so etwas wie Freundinnen werden. Nur auf Caroline als Freundin verzichte ich liebend gerne… Geschenkt ist noch zu teuer.

Nach dem Lied wird Alex von Sean abgelöst und ich grinse ihn an. „Werde ich jetzt rum gereicht?“ ich beuge mich zu ihm, damit er mich verstehen kann.

„So etwas in der Art.“ Er zwinkert mir zu.

„Glaubt ja nicht, dass ich mich von euch beeinflussen lasse. Ich bin Profi.“ grinse ich.

„Darauf hoffen wir.“ Er zieht mich zu sich, als ein langsamerer Song ertönt.

Bitte jetzt nicht weiter tauschen, es fehlt ja nur noch einer…

Und da ist er auch schon und lächelt mich verlegen an.

„Darf ich?“ er tippt Sean auf die Schulter und dieser nickt ihm zu.

Jamie schlingt seinen Arm um meine Hüfte und mir wird bewusst, dass entweder ich klein, oder er groß ist. Ich gehe ihm gerade einmal bis zur Nasenspitze.

„Habe ich dir gesagt, dass du wunderschön aussiehst?“ sagt er leise in mein Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.

„Ja, ich glaube schon.“ gebe ich leise zurück und sehe ihm einen Moment in die Augen.

Das Lied ist zu Ende und ich mache mich von ihm los.

„Danke für den Tanz.“ Ich nicke in seine Richtung und gehe zurück zu den anderen.

Wir unterhalten uns über die letzten Touren von Bluefire und so langsam bekomme ich eine Ahnung davon, was auf mich zukommt…

Gegen zwei Uhr verabschiede ich mich, wir müssen morgen früh aufstehen.

„Ich werde ins Hotel gehen. Wir sehen uns später!“ Ich winke in die Runde und alle erwidern es Lächelnd. Bis auf eine Person, aber die beachte ich schon den ganzen Abend nicht, warum sollte ich jetzt damit anfangen?

Wäre sie mir sympathischer, wenn sie nicht mit Jamie zusammen wäre?

Nein… Egal in welchem Leben und unter welchen Umständen, wir wären niemals Freundinnen.

„Schlaf schön!“ kommt es von allen Seiten und ich mache mich grinsend auf den Weg zum Ausgang. Ich bin schon fast draußen, als sich eine Hand auf meine Schulter legt und sich Fingernägel in sie hinein bohren.

„Finger weg von ihm. Komm ihm zu Nahe und ich mach dich fertig.“ zischt es in meinem Ohr und ich fahre herum.

Ich sehe in Carolines Gesicht, sie mustert mich mit zusammen gekniffenen Augen.

Ich schüttele meinen Kopf „Jamie ist nicht mein Typ, also ganz ruhig Caroline.“ Ich drehe mich wieder um und nehme meine Jacke in Empfang. Als ich mich wieder umdrehe ist Caroline verschwunden… ist auch besser so.

Jamie ist nicht mein Typ?

Nein, eigentlich nicht, aber ich habe eigentlich gar keinen Typ. Das Einzige, was ich weiß, mein Herz schlägt schneller und ich hasse mich dafür. Das ist meine Arbeit und ich kann es mir absolut nicht leisten, diesen Auftrag zu vergeigen, abzusagen oder sonstiges.

Ich werde es ja wohl schaffen meine Gefühlswelt 4 Monate unter Kontrolle zu halten, ich bin schließlich keine 12 mehr.

Ich steige in eines der bereit gestellten Autos.

„Zum Hotel bitte.“ sage ich zögerlich, ich weiß ja nicht einmal in welches.

„Ihren Namen Miss?“ er sieht mich durch den Rückspiegel an.

„Liljana van Graasten.“ antworte ich ihm.

Er sieht auf eine Liste und nickt mir zu. „Es ist nicht weit von hier, in 20 Minuten sind wir da.“ Er lässt den Motor an „Schnallen sie sich bitte an.“ weist er mich an.

„Ja sicher. Entschuldigung.“ Ich lege eilig den Gurt an und merke wie ich ein Gähnen nur schwer unterdrücken kann.

Nach ein paar Minuten kann ich meine Augen nicht mehr offen halten und sinke in den Sitz.

„Hey Lill.“ höre ich eine weit entfernte Stimme.

„Hmm.“ murmele ich verschlafen.

„Möchtest du vielleicht in deinem Zimmer weiter schlafen?“ fragt die Stimme.

Ich öffne langsam meine Augen und sehe in Jamies grinsendes Gesicht. Sofort komme ich hoch und reiße meine Augen auf.

„Was?“ frage ich verwirrt und sehe zu meinem Fahrer.

„Entschuldigen sie Miss, aber er bestand darauf sie persönlich zu wecken.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern.

„Okay.“ sage ich lang gezogen und ergreife zögerlich Jamies Hand, die er mir entgegen hält.

„Vielen Dank.“ Ich sehe ein letztes Mal auf den Fahrer und befinde mich dann vor dem Charlton.

Wow, also das ist jetzt das erste Mal, das ich hier schlafe…

Schweigend gehen Jamie und ich an die Rezeption und melden uns an. Pete sagte ich bekomme meinen Schlüssel hier und tatsächlich reicht uns der junge Mann unsere Schlüssel.

„Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“ sagt er freundlich.

„Vielen Dank.“ bedanke ich mich höflich und wir gehen zu den Fahrstühlen.

Als sich die Türen hinter uns schließen, sehe ich Jamie prüfend an.

„Warum wolltest du mich wecken?“ frage ich verständnislos.

„Wird wahrscheinlich noch öfter passieren…“ er zuckt mit den Schultern „… Wir hocken die nächsten Monate auf engsten Raum zusammen. Im Flieger, im Bus oder sonst wo. Ich dachte ich gebe dir einen kleinen Vorgeschmack.“ Er zwinkert mir zu und seine braunen Augen blitzen schelmisch auf.

„Ach ja und woher willst du wissen, das ich nicht immer schon vor euch wach bin?“ ich sehe ihn herausfordernd an.

Mit einem Pling halten wir in meiner Etage und die Türen gleiten auf.

„Das werden wir wohl herausfinden. Gute Nacht.“ Jamie haucht mir einen Kuss auf die Wange.

In meinem Zimmer steht meine Tasche und ich springe erst einmal unter die Dusche, ehe ich mich hinlege.

Ich sehe immer wieder Jamies verschmitztes Grinsen und schreie erstickt in mein Kissen.

Bitte, bitte nicht… flehe ich stumm.

Doch es nützt nichts, Jamies Augen sind das Letzte woran ich denke, ehe ich endlich einschlafe.

Mein Handy klingelt viel zu früh für meinen Geschmack und ich ziehe die Decke über meinen Kopf.

Nachdem mein Handy mich zwei Mal erinnert hat, dass es jetzt wirklich Zeit zum Aufstehen ist, rappele ich mich auf und wasche mich. Ich binde meine Haare locker im Nacken zusammen, ziehe mir frische Unterwäsche an, schlüpfe in eine dunkelblaue Jeans und ein dunkelblaues Poloshirt. Ich packe mein Kleid in die Tasche und ziehe mir eine weiße Sweatjacke und meine weißen Sneakers an. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass ich mich auf den Weg nach unten machen muss und ich überprüfe ob ich ja alles habe.

Meine Augen brennen, weil ich einfach zu wenig Schlaf bekommen habe und ich setze meine Sonnenbrille auf. Früher hasste ich die Leute, die selbst bei wolkenverhangenem Himmel eine Sonnenbrille tragen, aber jetzt weiß ich sie wirklich zu schätzen.

Als ich in der Lobby ankomme sind schon fast alle da und Sean hat seine kleine Tochter auf dem Arm.

„Guten Morgen, Sonnenschein!“ begrüßt mich Pete fröhlich.

„Guten Morgen, Nervensäge.“ erwidere ich und alle lachen auf.

„Und wer bist du?“ ich schiebe meine Sonnenbrille hoch und kitzele die Kleine auf Seans Arm.

„Das ist Everly.“ Sean grinst mich an und die Kleine gluckst.

„Du bist ja eine süße Maus.“ lächle ich.

„Ja, ganz der Daddy.“ Sean grinst breit. „Aber natürlich.“ gebe ich ironisch zurück und Ally lacht leise.

„So genug für jetzt. Wo ist denn Jamie schon wieder?“ Pete sieht sich suchend um und wie aufs Stichwort steigen Jamie und Caroline aus dem Fahrstuhl.

„Na endlich…“ Pete stöhnt genervt. „Haben alle ihren Schlüssel abgeben?“ er sieht in die Runde und ich gehe an die Rezeption.

Ich stelle mich neben Jamie und reiche der Rezeptionistin meinen Schlüssel.

„Ich hoffe sie hatten eine angenehme Nacht.“ Sie lächelt uns Beide an.

„Ja vielen Dank.“ gebe ich zurück.

„Leider viel zu kurz.“ antwortet Jamie und ich sehe ihn kurz von der Seite an, er sieht zu mir und lächelt leicht, dann gehen wir zurück zu den anderen.

„Bevor ich es vergesse…“ Jamie wendet sich an Pete „Caro kann erst einmal doch nicht mitkommen, sie hat einen Auftrag rein bekommen.“ Er sieht zu Caroline, die ihre Koffer um sich herum hortet.

„Kein Problem, dann verabschiede dich jetzt, die Maschine steht bereit.“ Pete klatscht in die Hände.

Jamie geht zu Caroline und ich merke wie ich unwillkürlich die Luft anhalte. Er haucht ihr einen Kuss auf die Lippen und sie schlingt ihre Arme um seinen Nacken und fährt ihm mit ihren manikürten Fingernägeln durch die Haare.

Ich wende meinen Blick ab und sehe in Alex nachdenkliches Gesicht.

Ich setzte schnell ein Lächeln auf und greife nach meiner Tasche. Ich folge den anderen nach draußen zu einem Kleinbus und setzte mich nach hinten zu Belle, Ally und Everly, den Rest der Abschiedsszene muss ich mir nun wirklich nicht geben…

Als Letzter steigt Jamie ein und wir fahren Richtung Flughafen.

„Eure Pässe.“ Pete sitzt neben dem Fahrer und dreht sich zu uns um.

Ich suche meinen aus meiner Handtasche und reichte ihn nach vorne, dann erreichen wir den Flughafen und Pete steigt aus, während wir weiter zu einem abgetrennten Teil des Flughafens fahren. Als wir aussteigen, find ich mich vor einem Privatjet wieder und sehe zu Belle.

„Nichts besonders“, winkt sie lachend ab. „Ganz ehrlich, es ist wesentlich bequemer.“ Sie zwinkert mir zu und wir besteigen die Maschine.

Diese ist wirklich toll und mit allem möglichem Schnickschnack ausgestattet. 12 Ledersitze in Zweierreihen an jedem Fenster und im hinteren Teil eine Couch und ein Fernseher und das ist nur das, was ich von hier aus sehen kann.

„Willkommen an Board.“ werden wir von Flugkapitän begrüßt und verteilen uns auf die Sitze. Ich nehme mir einen am Fenster und beobachte draußen ein wenig die Leute bis sich Alex zu mir setzt.

„Alles in Ordnung?“ er sieht mich besorgt an.

„Ja, es ist nur komisch.“ gebe ich zu „Ich bin das erste Mal so lange von meiner Familie getrennt.“

„Von deinem Freund?“ er legt den Kopf schief.

„Nein…“ ich lächle leicht „Von meiner Schwester, ihrem Mann, meinem Neffen und meinen besten Freunden.“ erkläre ich ihm.

„Ich würde dir gerne sagen, es ist nicht so schlimm…“ er zuckt entschuldigend mit den Schultern „Aber es ist schlimm.“ gibt er zu.

„Danke.“ Ich seufze.

„Wir werden dich schon ablenken.“ verspricht er mir und ich lache. Es klingt eher wie eine Drohung als wir eine Aufmunterung.

Dann steigt Pete zu uns und spricht mit dem Kapitän. Ehe ich mich versehe, rollen wir auf die Startbahn und Dublin verschwindet unter mir.

Ich lehne mich zurück und interviewe Alex, dann nehme ich mir meinen Laptop und beginne schon einmal ein wenig zu schreiben. Allerdings wird meine Konzentration jäh unterbrochen als Alex aufsteht und Jamie sich mit seinem i-Pod neben mich setzt.

Er lächelt mich kurz an und lehnt sich dann mit geschlossenen Augen zurück.

Tatsächlich schaffe ich es ganze 12 Seiten zu schreiben, ehe ich aufgebe und den Laptop zuklappe.

„Genug für heute?“ Jamie grinst mich an.

„Wir sind ja gerade erst los.“ lächle ich. „Was hörst du?“ ich deute auf seinen i-Pod.

„Hier.“ Er reicht mir einen seiner Ohrstöpsel und ich stecke ihn mir ins Ohr. Ein paar Takte von Halleluja von Guns’ n’ Roses erklingen und ich lächle leicht. Ich liebe dieses Lied und schließe meine Augen.

So viele Erinnerungen strömen auf mich ein und ich versuche, sie fest zu halten. Das war alles bevor mein Dad ins Koma fiel und es sind schöne Erinnerungen, aber leider sind es nur Erinnerungen…

Ich öffne meine Augen und Jamie sieht mich lange an.

Er nimmt meine Hand und drückt sie kurz.

„Du solltest nicht so traurig gucken…“ er küsst meine Fingerknöchel „Ich mag es nicht, wenn du traurig bist“, flüstert er leise und mein Herz setzt einen Schlag aus.

„Man kann nicht immer fröhlich sein“, sage ich leise und gebe ihm seinen Ohrstöpsel zurück.

„Leider nicht“, gibt er bedauernd zu.

„Ich werde versuchen ein wenig zu schlafen.“ Ich strecke mich und lehne mich zurück. Mein linker Arm liegt auf der Armlehne, die meinen und Jamies Sitz voneinander trennt und ich merke wie er ganz sanft meine Fingerspitzen berührt.

Sicher, ich könnte meine Hand jetzt weg ziehen, aber ich genieße diese kleinen Berührungen viel zu sehr. Langsam aber sicher schlafe ich ein und werde erst wach, als es um mich herum etwas lauter zugeht. Verschlafen komme ich hoch und Ally grinst mich an. „Ausgeschlafen?“ sie dreht sich auf ihrem Sitz zu mir und ich nicke leicht.

„Ich glaube schon“, gebe ich zurück und sehe auf meine Uhr. Wahnsinn, ich habe tatsächlich 6 Stunden geschlafen…

„Und?“ Ally legt ihre Beine auf den nun leeren Sitz neben mir, wie gut, das man alle Sitze augenscheinlich um die eigene Achse drehen kann.

„Was und?“ lache ich und Belle kommt zu uns. „Wird das jetzt eine Inquisition?“

Beide lachen hell auf und schütteln den Kopf.

„Nein, nein, aber wir hatten bisher noch nicht die Möglichkeit, dich in Ruhe kennen zu lernen.“ Belle setzt sich im Schneidersitz auf den Sitz neben Ally.

„Ich kenne euch ja auch nicht“, gebe ich zu bedenken.

„Stimmt, also lernen wir uns mal kennen“, beschließt Ally und keine 10 Sekunden später reden wir wie aufgezogen.

Ich erfahre das Belle in einer Soap mitspielt und dass sie wirklich lustig ist. Ally kennt Sean noch von der Schule und die beiden sind schon seit 14 Jahren zusammen. Sie erzählt mir von ihrer Hochzeit im letzten Frühjahr und ich bekomme eine Ahnung davon wie sehr sich die beiden lieben.

„Und Lill, wie sieht es bei dir an der Liebesfront aus?“ Belle grinst mich an.

„Düster“, gebe ich zurück und beide sehen mich nun fragend an. „Na ja, ich habe neben meinem Studium drei Jobs gehabt und da war keine Zeit und seitdem ich bei Crosshaven Press arbeite, habe ich das Gefühl, ich habe noch weniger Zeit. Klar, hin und wieder lerne ich jemanden kennen, aber ich bin misstrauisch, was die Männerwelt angeht.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Schlechte Erfahrungen?“ Ally nimmt sich eine Hand voll Popcorn, die uns Sean vor ein paar Minuten gebracht hat und sieht mich an.

„Nein, eigentlich nicht. Aber die Scheidung meiner Eltern war sehr unschön…“ ich seufze „Ich habe seitdem nie wieder etwas von meiner Mum gehört und mit meinem Dad ist es nicht…“ ich suche nach den richtigen Worten „… einfach.“

Belle legt ihren Kopf schief und ich ringe mit mir.

„Okay…“ sage ich leise „Aber bitte versprecht mir, dass ihr das euren Männern nicht erzählt. Ich will nicht mitleidig angeschaut werden. Ich mache hier meinen Job und das ist meine oberste Priorität.“ Ich sehe beide nach einander an.

„Wenn du das nicht möchtest, dann werden wir nichts sagen,“ verspricht mir Belle.

„Meine Eltern ließen sich scheiden als ich 14 und meine Schwester Ami 16 war. Wir zogen mit Dad nach Crosshaven, weil er dort aufgewachsen ist. Anfangs kamen wir klar, mein Dad tat alles für uns und wir lernten mit der neuen Situation umzugehen. Als ich 19 und Ami 21 war, da hatte meine Dad eine Routineherz–OP. Es gab schwere Komplikationen und er liegt seitdem im Koma. Ami und ich haben immer nur dafür gearbeitet, dass wir den Pflegeplatz und das Haus bezahlen können. Deshalb auch meine 3 Jobs neben dem Studium und deshalb habe ich auch diesen Auftrag angenommen, obwohl mir am Anfang nicht wohl bei der Sache war“, erkläre ich leise „Ami und ich stehen seit 8 Jahren alleine mit allem da, unsere Mum interessiert sich nicht für uns und unseren großen Bruder Domenic haben wir seit der Scheidung auch nicht mehr gesehen. Ich tue mich schwer damit, jemandem zu vertrauen. Ich wurde zu oft vom Leben enttäuscht.“

„Das tut mir leid…“ Ally greift nach meiner Hand.

„Muss es nicht, ich bin dankbar, dass ich Ami habe und ich weiß, wir stehen alles gemeinsam durch.“ Ich lächle leicht „Ich überlege ob ich Domenic in Amsterdam besuche...“

„Wir sind da, wenn was ist“, verspricht mir Belle und ich nicke dankbar.

„Danke, dass du uns vertraust.“ Ally hebt ihre Cola und ich tue es ihr gleich.

„Auf eine super Tour, auf eine tolles Buch und auf neue Freunde“, sagt sie feierlich und wir stoßen mit Belle an.

Nach und nach kommen die Männer wieder zu uns und ich sammele Informationen für mein Buch. Wir gehen den Tourplan durch und ich bekomme von Pete ein paar wichtige Tipps, wie ich mich in bestimmten Ländern zu benehmen habe.

„Worauf freust du dich besonders?” Sean legt seinen Kopf schief und sieht mich prüfend an.

„Ehrlich?“ hake ich nach und er grinst.

„Ich bitte doch darum.“ Er sieht mich herausfordernd an.

Auf seinem Schoß liegt Everly und schläft friedlich und ich streiche ihr über den Kopf.

„Amsterdam“, gebe ich schließlich zu.

„Bist du da geboren?“ fragt Sean weiter.

„Ja, geboren und aufgewachsen“, gebe ich zu.

„Hast du noch Bekannte da?“ Alex lehnt sich über die Rückenlehne von Seans Sitz.

„Ja, Freunde von früher“, erwidere ich ausweichend und sehe zu Belle.

„Dann hast du sie ja eine ziemlich lange Zeit nicht gesehen, oder? Wann warst du das letzte Mal da?“ Alex lächelt, übergeht meinen Blick zu Belle und ich rechne fieberhaft nach.

„Vor 10 Jahren glaube ich, aber nur kurz“, erkläre ich ihm schließlich.

„Wow, eine lange Zeit.“ Sean sieht mich nun wieder an.

„Ja“, stimme ich ihm zu.

„Vielleicht hast du ja noch ein wenig Zeit für eine Stadtführung?“ Jamie setzt sich neben mich und ich denke nach.

„Sollte sich einrichten lassen“, sage ich schließlich.

„Super.“ Jamie hält seine Hand hoch und ich schlage ein.

„Wir landen in 30 Minuten in Peking.“ Pete kommt zu uns und ich stehe auf.

„Ich ziehe mir eben was anderes an“, erkläre ich und gehe in den hinteren Teil der Maschine.

Wow, also an Unterhaltungselektronik wurde hier nicht gespart… Ganz im hinteren Bereich ist ein kleines Schlafzimmer und ich nehme meine Tasche, um meine Jeans und mein Poloshirt gegen ein Sommerkleid auszutauschen.

Als ich wieder nach vorne gehe, ziehen sich auch Ally und Belle um. Ich erkläre mich bereit Everly kurze Sachen anzuziehen und sie windet sich quiekend unter meinen Händen.

Schlussendlich habe ich es geschafft und halte sie Sean entgegen.

„Wahnsinn, scheint als hättest du Übung darin.“ Er nimmt sie mir ab.

„Ja, Charlie ist auch so zappelig…“ ich zwinkere ihm zu „Mein Neffe“, füge ich hinzu.

Ich sehe mich suchend nach den anderen um und mein Blick bleibt an Jamie hängen, der sich gerade sein Sweatshirt über den Kopf zieht. Ich ziehe scharf Luft ein und betrachte seinen muskulösen Oberkörper, nun kann ich auch sein ganzes Tattoo sehen, ein Kreuz, das ihm fast bis zum Hals geht und Engelsflügel auf dem Rücken. Sehr gut gestochen, eine wundervolle Arbeit. Auf dem Bauch hat er noch eins, aber das kann ich nicht erkennen.

„Hmm“, räuspert Sean sich und ich sehe erschrocken zu ihm.

„Ich habe dich gerade gefragt, wie alt Charlie ist…“ er grinst „Die Frage habe ich allerdings schon ungefähr viermal gestellt.“ Er sieht zu Jamie „Aber mir scheint, als wärst du abgelenkt gewesen.“ Er zwinkert mir zu.

„Ich muss ja mit euch auch über eure Tattoos reden. Eure Fans interessiert bestimmt deren Bedeutung“, rede ich mich heraus „Charlie ist 4 Monate“, antworte ich ihm endlich auf seine Frage. „Deshalb ist es so toll das Everly mit ist.“ Ich sehe sie an und sie quietscht vergnügt.

„Ich bin auch froh, dass Ally und Eve mit dabei sind. Ich vermisse sie immer so schrecklich“, gesteht er mir und ich lächle.

„Kann ich gut verstehen.“

„Setzt ihr euch bitte und schnallt euch an? Wir landen in fünf Minuten.“ Pete kommt wieder in den vorderen Teil und wir setzen uns alle.

Jamie lässt sich neben mich auf den Sitz fallen und sieht mich an.

„Was?“ frage ich lächelnd.

„Das Kleid ist hübsch“, sagt er leise und deutet auf mein weißes Kleid mit Streublumen in rot, blau und gelb.

„Vielen Dank.“ Ich merke, wie ich erröte.

Dann beginnt die Maschine zu sinken und ich kralle meine Hände in die Armlehne.

„Ganz ruhig“, flüstert mir Jamie ins Ohr und nimmt meine Hand in seine. Sanft streicht er mit seinem Daumen über meinen Handrücken und tatsächlich beruhige ich mich etwas.

Als wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen haben, lässt mich Jamie los.

„Und, war es so schlimm?“ er zwinkert mir zu.

„Dank dir nicht“, gestehe ich und nehme meine Tasche.

Eine Hitzewelle schlägt uns entgegen und wir werden mit einem kleinen Bus sofort ins Hotel gebracht. Die neun Stunden Zeitunterschied machen mir schwer zu schaffen und ich habe echte Mühe mich zu motivieren, die Jungs zu ihrem Soundcheck zu begleiten. Dennoch entscheide ich mich dafür. Vielleicht ist es noch wichtig für mein Buch. Ich lerne auch die drei Bodyguards von Bluefire kennen und muss sagen, dass die zwar aussehen wie frisch aus dem Gefängnis entlassen, aber in Wirklichkeit alle sehr nett sind. Roger, Derek und Mike… drei Kleiderschränke mit einem Herz aus Gold und einem unschlagbaren Humor.

Ich sehe und höre die Jungs das erste Mal live und ich muss mir eingestehen, dass sie wirklich gut sind…

Ich begleite sie vor dem Konzert noch zu zwei Promotionauftritten.

„Und sie sind sicherlich Miss van Graasten, die glückliche Journalistin die Bluefire begleitet.“ Plötzlich hält die Moderatorin doch tatsächlich mir das Mikro unter die Nase.

„Ja, die bin ich.“ Ich sehe hilfesuchend zu Alex.

„Liljana schreibt ihren nächsten Bestseller über uns, aber wir möchten Sie bitten, ihre Privatsphäre zu respektieren.“ Alex sieht die Moderatorin an und ich trete einen Schritt zurück.

„Aber natürlich.“ Sie lacht affektiert. „Ich wollte nur fragen, wie es ist mit den Superstars Irlands auf Tour zu sein.“

Merken: Wenn die Jungs Interviews geben, dann gehe ich in den Nebenraum.

„Das können sie dann alles in ihrem Buch lesen.“ Sean lenkt charmant die Aufmerksamkeit auf sich und ich verstecke mich hinter Roger, als Bodyguard hat er ein ausreichend breites Kreuz um mich zu verstecken.

„Alles in Ordnung?“ fragt er besorgt und ich nicke verstört.

Was wollen die denn von mir?

Noch vor dem Konzert sehen wir uns die Aufzeichnung des Interviews an und tatsächlich haben sie mich heraus geschnitten… Zum Glück.

„Bereit?“ Sean grinst mich an, als wir wieder zu Halle fahren.

„Immer doch“, lache ich und lasse mich von der aufgedrehten Stimmung anstecken.

Dann stehen wir hinter der Bühne und die Jungs atmen noch einmal tief durch, ehe sie diese stürmen.

Das Konzert ist ein voller Erfolg und ich beobachte das ganze Treiben mit Ally, Belle und Everly aus der VIP-Lounge.

Nach dem Konzert interviewe ich noch ein paar der chinesischen Fans. Also kreischen können die jedenfalls.

In den nächsten Tagen spielen die Jungs pro Tag drei Konzerte und ich bewundere, wie sie das durchhalten. Ich komme gut mit meinem Buch voran, ich mache Fotos und interviewe die Crew.

Dann haben wir drei Tage frei und ich besuche die Chinesische Mauer und die Verbotene Stadt. Es ist so wahnsinnig aufregend und ich komme mir vor wie in kleines Kind in einem Spielzeugladen. Alles ist neu, spannend und unheimlich aufregend.

„Na, was hast du heute vor?“ Jamie setzt sich beim Frühstück zu mir.

„Himmelspalast“, gebe ich zurück und blättere in meinem Reiseführer.

„Hast du nicht schon mal eine Reisebericht über China geschrieben?“ er sieht mich fragend an.

„Ja“, sage ich und nehme einen Schluck von meinem Orangensaft.

„Und dann warst du noch nie hier? Ich bin schockiert…“ lacht er nun und ich grinse.

„Tja, darüber schreiben und das alles mit eigenen Augen zu sehen, ist schon ein Unterschied“, gestehe ich. „Du hast meine Artikel in der Dublin Post gelesen?“

„Sicher doch, ich muss ja wissen, wie du so schreibst…“ er zwinkert mir zu. Er meint doch nicht ernsthaft meine Reiseartikel über Länder in denen ich nie war mit dem hier vergleichen zu können…

„Hast du was dagegen, wenn ich dich begleite?“ er sieht mich fragend an.

„Wenn du Lust hast?“ antworte ich mit einer Gegenfrage.

„Würde ich sonst fragen?“ lacht er nun und in meinem Magen breitet sich ein warmes Gefühl aus.

„Wahrscheinlich nicht“, gebe ich zu.

„Gut, wir treffen uns in 30 Minuten an der Rezeption.“ Er nimmt sich seinen Toast und steht auf, während ich meinen Orangensaft austrinke und ebenfalls aufstehe.

In meinem Zimmer angekommen packe ich fast meinen ganzen Koffer erneut aus und überlege fieberhaft, was ich anziehen soll. Nach langen hin und her entscheide ich mich für kurze Jeansshorts und ein enges türkises Top, ich werfe meinem Spiegelbild einen skeptischen Blick zu. Durch das Top wirken meine Augen nun auch fast türkis und meine Haare fallen mir in weichen Wellen über die Schultern.

Meine Güte. Das ist kein Date oder so etwas… ich sehe mir nur mit einem Freund Sehenswürdigkeiten an.

Ich packe mir eine Wasserflasche und meinen Reiseführer in eine Tasche und werfe sie mir über die Schulter, ehe ich mein Zimmer verlasse.

„Nanu, wo willst du denn hin?“ Belle grinst mich auf dem Flur an.

„Ich schaue mir den Himmelspalast an. Wer weiß, wann ich noch einmal die Gelegenheit dazu bekomme“, erwidere ich fröhlich.

„Allein?“ sie sieht mich skeptisch an.

„Nein, Jamie hat gefragt ob er mitkommen kann, also spiele ich die belesene Fremdenführerin.“ Ich grinse sie an.

„Jamie und Kultur?“ lacht sie „Also das ist mal neu…“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Echt?“ ich merke wie ich leicht unsicher werde.

„Ach was, macht euch einen schönen Tag. Wahrscheinlich will er einfach seinen Horizont erweitern…“ sie winkt ab „Kann ihm nicht schaden.“

„Bis später.“ Ich besteige den Fahrstuhl und unten in der Lobby wartet Jamie schon mit Derek auf mich.

„Hey Derek, nimm dir den Tag frei. Lill und ich kommen alleine klar.“ Jamie sieht zu Derek und dieser atmet tief durch.

„Ich habe die Anweisung dich nicht aus den Augen zu lassen.“ Er legt den Kopf schief.

„Komm schon Derek, ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen, außerdem…“ er setzt sich ein Basecap und eine Sonnenbrille auf „… So erkennt mich keiner.“

„Aber sicher.“ Derek sieht ihn skeptisch an.

„Außerdem passt Lill auf mich auf“, trumpft Jamie auf und Derek sieht zu mir.

Ich sehe zwischen den Beiden mit meinen 1,68 m echt verloren aus und Derek lacht auf.

„Hey“, wehre ich mich.

„Ganz ehrlich Jamie…“ Derek sieht wieder zu ihm.

„Komm schon.“ Jamie sieht ihn bittend an und er nickt seufzend.

„Danke Kumpel.“ Jamie hakt mich unter und zieht mich nach draußen.

Er pfeift ein Taxi heran und wir machen uns auf den Weg. Ich nehme meinen Reiseführer und erkläre ihm auf dem Weg einige Gebäude und Sehenswürdigkeiten. Er hört mir gespannt zu und ich habe das Gefühl, dass es ihn wirklich interessiert. Dann sind wir da und betreten die riesige Anlage. Es ist traumhaft schön und ich erkläre ihm begeistert alles.

„Du solltest alles Plätze dieser Welt sehen“, sagt er leise und ich sehe ihn an.

„Wie meinst du das?“ ich lege meinen Kopf leicht schief und eine Haarsträhne fällt mir ins Gesicht.

„Du bist so begeistert und so fröhlich. Ich sehe dich viel zu selten so.“ er streicht die Strähne vorsichtig hinter mein Ohr.

„Wir kennen uns gerade einmal eine Woche“, gebe ich zurück und setze mich auf eine Wiese in der Nähe des Palastes.

Er setzt sich zu mir „Mir kommt es viel länger vor.“

„Lass das Jamie“, bitte ich ihn leise.

„Was Lilly?“ er sieht mich an und allein das Aussprechen meines Spitznamens jagt mir einen Schauer über den Rücken.

„Tu das nicht.“ Ich sehe in die Ferne „Ich schreibe ein Buch über euch, nicht mehr“, erkläre ich mit sicherer Stimme.

„Okay“, erwidert er und, als ich zu ihm sehe, betrachtet er die Umrisse des Palastes.

„Und nenn mich bitte Lill“, füge ich leise hinzu.

„Wenn du das möchtest.“ Er sieht mich an und ich schlucke.

Ich möchte, dass du mich in deine Arme nimmst und küsst… das würde ich gerne sagen, wenn ich ehrlich wäre und nicht so viel davon abhinge, statt dessen höre ich mich selber sagen „Ja, das möchte ich.“

Eine Weile sitzen wir schweigend da und nehmen die Kultur dieses uns so fremden Landes in uns auf.

„Stört es dich, wenn ich kurz telefoniere?“ ich stehe auf und Jamie winkt ab.

Ich wähle Katies Nummer und schon nach einem Klingeln geht sie ran.

„Na, wie ist China?“ fragt sie aufgeregt.

„Toll“, gebe ich zu, aber ich merke, dass meine Stimme nicht sehr begeistert klingt.

„Was ist los Lill?“ fragt Katie auch sogleich und ich seufze.

„Ich befürchte, ich habe mich in eine echt beschisse Situation gebracht…“ ich atme tief durch und beobachte Jamie, der sich entspannt in der Sonne zurück gelegt hat.

„Raus mit der Sprache“, fordert mich Katie auf und ich zucke zusammen, da meine Gedanken gerade nicht bei ihr waren.

„Ich glaube ich habe mich verliebt“, gestehe ich.

„Das ist doch Klasse, ich freue mich für dich“, jubelt sie.

„Bevor du dich für mich freust…“ ich seufze erneut „… Er ist mein Kunde und hat eine Freundin.“

„Einer von Bluefire?“ sie japst nach Luft.

„Ja“, gestehe ich leise „Ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich in ihn verliebt bin… Ich meine, ich kenne das doch gar nicht.“

„Schlägt dein Herz beim bloßem Gedanken an ihn schneller?“ fragt Katie.

„Ja“, gebe ich zu.

„Möchtest du ihn immer um dich herum haben?“ bohrt sie weiter nach.

„Ja.“ Ich verziehe mein Gesicht… das hier endet nicht so, wie ich es mir erhofft habe.

„Prickelt deine Haut, wenn er dich berührt?“ Katie atmet tief aus.

„Ja“, sage ich nach einigem Zögern.

„Drei von Drei… Lill du bist verliebt“, erklärt mir Katie und ich sehe zu Jamie.

So fühlt sich das also an…

Verliebt sein…

Unglücklich und hoffnungslos…

„Und jetzt?“ frage ich leise.

„Keine Ahnung“, gesteht Katie mir „Ich kann dir nichts raten. Du hast ausnahmsweise Mal Recht, die Situation ist beschissen.“

„Danke.“ Ich lehne mich gegen das Geländer.

„Was fühlt er denn?“ fragt Katie und ich zucke mit den Schultern bis mir bewusst wird, das sie mich nicht sieht.

„Keine Ahnung“, gebe ich schließlich zu.

Ich weiß es wirklich nicht…

„Dann frag ihn einfach“, erklärt sie mir wie nebenbei und ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Einfach so?“ frage ich nach und sie lacht.

„Ja Lill, einfach so.“

„Es war schön deine Stimme zu hören.“ Ich atme tief durch.

„Ich habe mich auch gefreut. Schick mir ja weiter Bilder per Mail, ich will auch was von deinem Trip haben“, lacht sie und ich lächle ebenfalls.

„Ich schick dir Hunderte“, verspreche ich ihr.

„Pass auf dich auf“, sagt sie etwas ruhiger.

„Du auch auf dich. Bestell Ben liebe Grüße.“ Ich schicke ihr einen Kuss durchs Telefon und lege, nachdem sie ihn erwidert hat, auf.

Dann gehe ich zu Jamie und setze mich wieder neben ihn.

„Na, Familie?“ er sieht mich fragend an.

„Ja, so etwas in der Art…“ ich strecke mich ebenfalls und genieße die Sonne auf meiner Haut „… meine beste Freundin. Sie wohnt in Toronto.“

„Wow, weit weg.“ Er dreht sich auf die Seite und stützt seinen Kopf auf seinen Ellenbogen.

„Ja… Kann ich dich was fragen?“ ich drehe mich auch auf die Seite und sehe ihn fragend an.

„Klar, für dein Buch?“ er sieht mir direkt in die Augen und ich muss mich konzentrieren, um meine Frage nicht zu vergessen.

„Nein, privat“, gebe ich zurück.

„Schieß los.“ Er lächelt und ich versinke in seinen Augen.

„Was bin ich für dich?“ frage ich leise.

„Unsere Journalistin“, sagt er gerade heraus.

„Eure Journalistin?“ frage ich erstaunt nach.

„Ja, sicher… Was dachtest du denn?“ er sieht mich an und ich merke, wie sehr mich seine Worte verletzen.

„Ach nichts…“ ich winke ab und wende mich ab.

Er dreht mich zurück „Du bist wirklich unglaublich hübsch, du bist klug und ich finde, du hast wunderschöne Augen, aber ich bin eben ich und du bist du“, erklärt er mir.

Dann kommen seine Lippen meinen ganz nahe und ich spüre die Berührung seiner Lippen auf meinen, dann sickert das Gesagte zu mir durch.

Ich mache mich von ihm los und sehe ihn an.

„Was meinst du damit? Bin ich nicht gut genug?“ ich stehe auf.

„Nein, Lilly, so meinte ich das nicht“, versucht er sich zu wehren.

„Doch, genauso meintest du es. Ich bin eben kein Model oder Schauspielerin. Ich bin eben nur ich und verdammt, nenn mich nicht Lilly“, fauche ich ihn an.

„Nein…“ er versucht mich am Arm fest zu halten, doch ich mache mich los und stürme aus dem Park in das nächstbeste Taxi.

Im Hotel angekommen, entdeckt mich zu erst Derek und sieht mich besorgt an.

„Er ist gleich da“, rufe ich ihm im Vorbeigehen zu.

Ich verzichte auf die Gesellschaft der anderen zum Essen und sehe sie erst am nächsten Tag beim Auschecken.

„Hey, wo warst du denn gestern Abend?“ Sean sieht mich besorgt an, doch ich winke ab.

„Ich war einfach müde und habe geschlafen.“ Ich gebe meinen Schlüssel ab.

Schweigend fahren wir zum Flughafen und Pete nimmt mich im Flieger zur Seite.

„Hier, das soll ich dir von Louis geben. Du sollst es in deinem Buch mit verarbeiten.“ Er drückt mir eine dicke Akte in die Hand.

„Danke, mach ich“, verspreche ich ihm und setze mich, froh etwas zu tun zu haben, wieder auf meinen Platz.

In den nächsten Tagen arbeite ich fast ununterbrochen und bin froh für die Ablenkung. Shanghai, Macao und Hongkong bekomme ich nur am Rande mit und begleite die Jungs nur zu ihren öffentlichen Auftritten.

Ehrlich, diese Distanz hätte ich von Anfang an halten sollen…

Belle, Ally und ich sitzen viel zusammen, aber sie haben zu viel Taktgefühl um mich mit Fragen zu löchern. Die beiden freien Tage in Hongkong bin ich mit Sean, Ally und Everly unterwegs. Es tut so gut, Eve um mich herum zu haben, dann vermisse ich Charlie nicht ganz so sehr. An unserem letzten Abend in Hongkong spiele ich gerne den Babysitter, denn die Jungs wollen mal mit ihren Frauen ausgehen.

„Kommst du auch mit?“ Jamie kommt mir im Flur entgegen.

Das erste Mal seit Peking spricht er mich direkt an und ich sehe erstaunt auf.

„Nein, ich passe auf Eve auf.“ Ich gehe weiter und er hält mich am Arm fest.

„Lill hör zu, das was ich gesagt habe, war einfach nur dumm…“ versucht er sich zu entschuldigen.

„Ach, hier bist du. Bist du soweit? Die anderen wollen los.“ Caroline kommt aus seinem Zimmer und ich mache mich von Jamie los. Sie ist seit zwei Tagen hier und jedes Mal wenn ich sie sehe, muss ich meinen Drang ihr meine Meinung zu sagen, unterdrücken.

Sie stolziert auf uns zu und ich schließe kurz genervt meine Augen.

„Viel Spaß“, wünsche ich Jamie übertrieben freundlich.

„Es ist ja so nett, dass du auf Evelyn aufpasst“, trällert Caroline und ich verdrehe die Augen.

„Sie heißt Everly und ich mache es gern.“ Ich klopfe an die Tür von Sean und Ally.

Sean grinst mich an und ich erwidere sein Lächeln, als er mir Eve auf den Arm gibt.

„Na, Mäuschen, bereit das Hotelzimmer zu zerlegen?“ ich kitzele sie und sie lacht vergnügt.

„Danke, Lill. Das ist wirklich nett.“ Sean drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Gern geschehen. Macht euch einen schönen Abend.“ Ich sehe zu Ally „Du sieht wirklich hübsch aus.“ Ich lächle sie an und sie macht einen kleinen Knicks.

„Vielen Dank und du bist sicher, dass du wirklich nicht mit willst? Derek, Roger oder …“ setzt sie an.

„Nein, nein…“ Ich sehe zu Eve „Ich freue mich auf den Abend mit Eve.“ Ich umarme Ally und sie und Sean folgen Jamie und Caroline.

Ich lege mich mit Eve ins Bett und schon eine halbe Stunde später ist sie eingeschlafen, auch mir fallen kurze Zeit später die Augen zu.

„Hey“, weckt mich eine sanfte Stimme und ich öffne meine Augen „Danke fürs babysitten.“ Sean lächelt mich an.

„Hmm.“ Ich komme hoch und reibe mir verschlafen die Augen.

„Jamie bringt dich in dein Zimmer. Wir sehen uns morgen früh.“ Er sieht mich an und ich nicke benommen.

Jamie kommt zum Bett und hebt mich auf seine Arme. Ich will protestieren, aber ich bin viel zu müde. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter und er trägt mich zu meinem Zimmer. Er öffnet die Tür und legt mich auf dem Bett ab.

Ich merke wie er mir sanft über die Wange streichelt und sehe ihn an.

„Mach es nicht noch Schlimmer für mich“, bitte ich ihn inständig.

„Es tut mir leid, was ich gesagt habe“, flüstert er und küsst mich sanft.

Ich schlinge aus einem Reflex heraus meine Arme um seinen Nacken und seine Zunge fordert Einlass in meinen Mund. Ich lasse ihn gewähren und wünsche mir, dass dieser Kuss nie endet, doch er endet und Jamie streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.

„Du bist du und das ist mehr wert als alles andere“, sagt er sanft und küsst mich erneut. Dann macht er sich von mir los und geht hinaus.

Ich sehe ihm hinterher und atme tief durch…

Was ist das hier für ein Spiel? Egal was für eins es ist… es gefällt mir nicht.

Ich drehe mich seufzend auf die Seite und finde nur unruhig in den Schlaf. Am nächsten Morgen kreisen meine Gedanken immer wieder um den Kuss und ich bin viel zu spät dran.

„Lill, ich mag es nicht, wenn man unpünktlich ist.“ Pete sieht mich strafend an.

„Geschenkt“, erwidere ich gereizt und er sieht mich erstaunt an, während ich meinen Schlüssel auf den Rezeptionstresen lege.

„Das sind grundsätzliche Verhaltensregeln…“ setzt Pete an.

„Ich habe es verstanden. Okay?“ ich sehe ihn funkelnd an. „Können wir dann jetzt?“ ich schnappe mir meine Tasche und marschiere nach draußen.

Ich setze mich in die letzte Reihe des Kleinbusses und versuche mich zu beruhigen. Es tut mir leid, dass Pete alles abbekommen hat, aber ich weiß nicht wohin mit meinen Gefühlen…

Als wir wieder in der Maschine sitzen, ziehe ich mich zurück, stöpsele meinen i-Pod an und schreibe weiter an dem Buch. Schließlich bin ich ja zum Arbeiten hier.

Seoul ist wirklich schön und ich schlendere ein bisschen durch die Stadt, während sich die Jungs vorbereiten. Nagasaki läuft nach dem selben Schema ab und ich habe schon über 400 Seiten geschrieben, wenigstens etwas Positives hat die ganze Situation ja.

In Taiwan müssen sich Ally und Belle erst einmal verabschieden und ich nehme beide traurig in den Arm.

„Ihr werdet mir echt fehlen.“ Ich sehe zu Belle und sie nickt.

„Wir sind ab Paris ja wieder da.“ Sie drückt mich an sich „Immer Kopf hoch, Kleine.“ Sie sieht mich aufmunternd an.

„Danke Belle.“ Ich seufze tief und nehme dann Eve auf den Arm „Du wirst mir besonders fehlen.“ Ich stupse ihr auf die Nase.

„Mir wird unser spitzenmäßiger Babysitter fehlen.“ Ally grinst breit.

„Wir sehen uns bald.“ Ich winke ihnen hinterher, als sie die Privatmaschine wieder besteigen, die sie nach Dublin bringt und dann zurück kommt.

Traurig komme ich im Hotel an und nehme meinen Zimmerschlüssel entgegen.

„Hey, Kleine, was ist los?“ Alex steht plötzlich vor mir.

„Nichts“, sage ich ausweichend.

„Komm schon, Lill.“ Er zieht mich mit sich in den Garten des Hotels „Ich kenne dich nun schon ein bisschen, wir hocken seit über 4 Wochen jeden Tag aufeinander. Seit ein paar Tagen bist du echt komisch.“ Er bugsiert mich auf eine Bank.

„Alex…“ setze ich an. „Ich vermisse einfach Belle und Ally. Ich weiß nicht wie ich es finden soll, die Einzige Frau zu sein“, gebe ich zu.

„Aber wir sind doch alle für dich da.“ Er lächelt.

„Du bist keine Frau“, gebe ich zu bedenken.

„Okay, Punkt für dich, aber Caroline ist doch auch noch da.“ Er sieht mich triumphierend an.

„Super…“ ich verdrehe die Augen „Schick mir doch gleich einen Kobold auf den Hals.“

„Du magst sie nicht, oder?“ ahnt er.

Mit Ally und Belle war ich mir einig, dass sie eine Zicke ist… aber Alex?

Ich meine, er ist der beste Freund von Jamie.

„Ja… Nein… Keine Ahnung“, stammele ich und er lacht auf.

„Ist ja gut. Mal ganz im Ernst, ich kann sie auch nicht leiden, sie ist…” er ist schon fast den Tränen vom Lachen nahe.

„… nicht gut genug für Jamie!” vervollständige ich seinen Satz.

„Eigentlich wollte ich sagen, dass sie eine ganz schöne Zicke ist, aber was du sagst ist auch interessant.” Er zwinkert mir zu und will gehen.

„Alex warte, das meinte ich nicht so….” Ich halte ihn am Ärmel fest “…jedenfalls nicht so, wie du es aufgefasst hast!” winde ich mich. Er sieht mich an und setzt sich wieder.

„Okay, Lill… wir spielen ein kleines Spiel.“ Er sieht mich an und ich lege meinen Kopf schief.

„Wir sind beide aus dem Alter für Spielchen raus“, gebe ich zu bedenken.

„Keine Angst, das tut nicht weh…“ verspricht er mir „Du beantwortest meine Fragen einfach nur mit ja oder nein. Nicht mehr. Okay?“ Er sieht mich an und ich nicke zögerlich.

„Heißt du Lill?“ er lächelt leicht.

„Nein, ich heiße Liljana“, erkläre ich ihm.

„Nur mit ja oder nein“, erinnert er mich und ich sehe ihn immer noch skeptisch an.

„Also weiter, bist du in Amsterdam geboren?“ er sieht mich an und ich nicke leicht.

„Ja“, sage ich schließlich.

„Hattest du als Kind einen Hund?“

„Nein.“

„Magst du Schokolade?“ er grinst leicht und ich frage mich wirklich, was er damit bezwecken will.

„Ja.“

„Hast du Geschwister?“

„Ja.“

„Liebst du deine Familie?“

„Ja.“

„Schreibst du ein Buch über uns?“

„Ja.“

„Magst du Caroline?“

„Nein.“

„Bist du in Jamie verliebt?“

„Ja.“

„Danke.“ Er grinst mich an und begreife das eben gesagte.

„Alex nein…“ ich sehe ihn an und Tränen steigen mir die Augen.

Wieso hat er mich das gefragt?

Und wieso habe ich ihm ehrlich geantwortet?

Dieses verdammte Frage-Antwort-Quiz…

„Lass gut sein Lill…“ Er sieht zu mir und bemerkt das ich Tränen in den Augen habe „… hey, ich habe es schon gewusst.“ Er nimmt mich in den Arm.

„Aber woher?“ schluchze ich und er wischt mir eine Träne weg.

„Ich kenne Jamie mein ganzes Leben…“ er nimmt meine Hand „… So wie ihr euch anseht, wenn ihr denkt keiner beobachtet euch. Wie er dich ansieht, selbst wenn du mit deinen Gedanken ganz wo anders bist. Wie du seine Nähe suchst, obwohl du wahrscheinlich so viel Abstand wie nur möglich haben willst…“ er lächelt leicht „… Ich wusste es als ich euch das erste Mal zusammen sah, als ihr bei der Party von BMG getanzt habt“, gibt er zu.

„Sag ihm nichts… Es würde alles nur noch schlimmer machen. Ich bin eben ich und er ist er“, zitiere ich Jamie und Alex sieht mich erstaunt an.

„Wer hat denn diesen Mist verzapft?“ er zieht eine Augenbraue hoch.

„Jamie“, sage ich leise.

„Lill…“ Er zwingt mich ihn anzusehen „… Du bist toll, genau so wie du bist und wenn er das nicht erkennt, dann ist er ein Idiot. Auch wenn er mein bester Freund ist, so kann ich doch nicht alle seine Entscheidungen nachvollziehen.“

„Danke Alex“, flüstere ich.

„Und bitte tue mir einen Gefallen…“ er wischt mit dem Daumen eine weitere Träne weg und ich sehe ihn fragend an „Werde bitte die fröhliche Lill, die ich so mag und die ich echt vermisse. Lass nicht zu, dass diese Sache diese tolle Reise beeinflusst. Bitte.“

„Ich gebe mir wirklich Mühe“, verspreche ich ihm.

Wir sitzen noch eine Weile draußen und gehen erst zum Abendessen rein.

Ich nehme mir Pete zur Seite und entschuldige mich für mein Verhalten der letzten Tage. Zum Glück nimmt er es nicht so schwer und das Abendessen wird entspannt, was wohl auch daran liegt, das Jamie und Caroline nicht dabei sind.

Nach Laos, Dakar und New Delhi kommen wir nach Moskau und werden von Schnee begrüßt.

Das ist eine wirklich Umstellung und ich friere in den ersten Tag nur. Ich fange mir eine leichte Erkältung ein und werde von Pete mit Säften und Tabletten versorgt.

Das Konzert am ersten Abend verpasse ich, weil ich in einem von den Medikamenten verursachten Tiefschlaf liege. Am zweiten Tag hat Alex Geburtstag und ich schlüpfe mit schmerzenden Gliedern in eine Jeans, ein Top und eine Bluse. Die Jungs wollen unbedingt in der Stadt einen drauf machen und ich habe versprochen, sie zu begleiten.

Pünktlich holt mich Alex ab und ich gratuliere ihm zum wiederholten Mal zum Geburtstag. Wir gehen in einen Club im Zentrum Moskaus und eines muss man den Russen lassen, sie wissen echt wie man feiert.

Mein Kopf und Gliederschmerzen werden mit jedem Glas Wodka besser und irgendwann tanze ich mit Alex auf dem Tisch. Die Musik dröhnt in meinen Ohren und meine Bluse habe ich schon lange ausgezogen. Alex strahlt und ich fühle mich so ausgelassen wie schon ewig nicht mehr. Das mag wohl auch daran liegen, dass ich ansonsten wirklich meine Grenzen kenne, aber seitdem ich Jamie kenne, erkenne ich mich und meine Gefühlswelt eh nicht wieder. Von daher… hoch die Gläser!

„Es wird Zeit fürs Bett, Tanzmaus!“ Sean sieht mich belustigt an.

„Ach was!“ rufe ich und drehe mich im Kreis.

Nicht meine beste Idee, denn ich verliere das Gleichgewicht und lande in Jamies Armen.

„Du gehörst in dein Bett. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich deine Erkältungsmedikamente nicht mit Alkohol vertragen.“ Er sieht mich an und ich kichere.

„Keine Ahnung.“ Ich sehe ihn grinsend an.

„Ich bringe sie ins Hotel“, sagt er an Alex und Sean gewandt.

„Vielleicht lieber nicht.“ Alex steigt nun ebenfalls vom Tisch und sieht Jamie an.

„Ich bekomme das hin. Feiert ihr noch etwas, wir sehen uns morgen Nachmittag zum Soundcheck“, sagt er sicher und bahnt sich mit mir auf dem Arm einen Weg durch den Club. Als wir vor die Tür treten, dämmert es bereits und ich drehe mein Gesicht an Jamies Brust, weil mir die Helligkeit in den Augen weh tut.

Er bugsiert mich in ein Taxi und gibt dem Fahrer die Adresse des Hotels. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und sehe zu ihm auf.

„Du spielst mit mir“, lalle ich und er sieht mich erstaunt an.

„Wie kommst du darauf?“ fragt er mich leicht amüsiert.

„Ich weiß, dass du mich auch magst, aber dir ist die Presse und dein Ansehen wichtiger.“ Ich schließe meine Augen, das Taxi beginnt sich um mich herum zu drehen.

„Lill…“ setzt er an.

„Lass gut sein, dann bin ich eben nicht gut genug für dich und muss damit leben.“ Ich winke ab und lehne meinen Kopf nach hinten an die Kopfstütze.

Lange überlebe ich diese Fahrt nicht mehr…

„Wir sind da“, erlöst mich der Fahrer und ich öffne meine Tür, um gleich darauf in Jamies Arme zu fallen.

Oh Mann, völliger Kontrollverlust meiner Extremitäten.

Er nimmt mich wieder auf den Arm und lässt sich an der Rezeption meinen Zimmerschlüssel geben.

Im Fahrstuhl stellt er mich vorsichtig ab und ich halte mich an ihm fest. Ich will einfach nur noch schlafen. Der Adrenalinschub der Partynacht lässt nach und mein Körper zeigt mir eindeutig was er jetzt braucht… Mindestens 20 Stunden Schlaf.

Ich merke, wie Jamie mich ablegt und beginnt mich auszuziehen, ich wehre mich und lache andauernd.

„Mach es mir doch nicht so schwer“, bittet er mich lächelnd und ich sehe ihn an.

„Findest du es fair, dass ich mich ausziehe und du noch alles an hast?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Ein Kleidungsstück von mir gegen eins von dir.“ Ich grinse ihn schelmisch an und schließlich geht er darauf ein, weil ihm bewusst wird, dass ich mich ansonsten gar nicht bewege.

Schließlich liege ich unter meiner Bettdecke und ziehe ihn an seiner Kette zu mir.

„Bitte bleib“, wispere ich.

Er scheint mit sich zu ringen, aber schließlich spüre ich, wie sich die Matratze neben mir senkt und mich starke Arme umschließen.

„So muss es im Himmel sein“, sage ich leise, bevor mich die Müdigkeit übermannt.

Als ich aufwache brauche ich einen Moment, um mich zu orientieren, dann fällt mein Blick neben mich und ich sehe in Jamies entspanntes Gesicht. Ich kann nicht anders und streiche ihm eine widerspenstige Strähne aus der Stirn.

Zum Glück dröhnt mein Kopf nicht, wie ich es eigentlich befürchtet habe und auch ansonsten scheint mir meine Wodkaorgie besser bekommen zu sein als gedacht.

Jamie öffnet die Augen und sieht mich an, ich lächle verlegen und wickle mich in meine Decke ein, denn ich trage nur noch meine Unterwäsche.

Wann hat er mich denn ausgezogen?

Ich versuche mich zu erinnern und dann kommt die Erinnerung an unseren kleinen Kampf zurück. Er trägt nur noch seine Boxershorts und ich kann nicht anders und fahre mit meiner Hand über seine glatte Brust und zeichne die Konturen seines Tattoos nach.

Er sieht mich lange an, dann legt er seine Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich, um mich innig zu küssen.

Ich lasse mich fallen, ich will einmal in meinem Leben nicht verantwortungsbewusst sein.

Doch ich kann nicht aus meiner Haut und mache mich los.

„Ich kann das nicht… Auch wenn ich sie nicht mag, aber du bist mit Caroline zusammen“, sage ich leise und er sieht mich traurig an.

Ich stehe auf und mein Blick fällt auf mein Handy und somit auf die Uhr.

„Du musst in 30 Minuten beim Soundcheck sein.“ Ich drehe mich zu ihm um.

Er steht auf und beginnt sich anzuziehen.

„Kommst du mit?“ fragt er hoffnungsvoll und ich nicke leicht.

„Ja.“ Ich stehe auf und wasche mich, ehe ich mir eine frische Jeans und einen Pullover anziehe.

Schweigend lassen wir uns von Derek zur Halle bringen und als wir auf die große Bühne treten, stellen wir fest, dass von Sean und Alex noch jede Spur fehlt.

Mein Blick fällt auf den Flügel, der für die Eröffnungsnummer auf der Bühne steht. Er wird von einem der Musiker gespielt und ich bewundere ihn bei jedem Konzert.

„Kannst du spielen?“ fragt Jamie leise und ich nicke.

„Früher“, erwidere ich leise.

Er nimmt meine Hand und setzt mich auf den Hocker vor den Flügel. Ich fahre vorsichtig über die Tasten.

„Spielst du für mich?“ haucht er mir ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.

„Ich habe lange nicht gespielt.“ Ich seufze und drücke eine Taste runter.

„Ich möchte dich gerne spielen hören.“ Er küsst sanft meinen Nacken und ich sehe ihn überrascht und strafend an.

„Bitte, mach das nicht“, bitte ich ihn inständig.

Er nickt leicht und ich sehe wieder auf die Tasten. Plötzlich ist alles wieder da und ich gehe in die Grundstellung.

Die ersten Töne sind ein wenig holprig, aber dann geht es mir plötzlich leicht von der Hand und ich merke wie ein Techniker das Mikrofon des Flügels anstellt und die Klänge von Beethovens Mondscheinsonate erklingen.

Ich schließe meine Augen und meine Händen spielen wie von alleine. Ich spiele nicht die ganze Sonate und meine Hände verweilen nach ein paar Minuten auf den Tasten.

„Das war wunderschön“, sagt Jamie leise und ich sehe ihn an.

„Ich habe es geliebt zu spielen…“ gestehe ich.

„Was ist passiert?“ fragt er vorsichtig.

„Zu viel“, gebe ich ausweichend zurück.

„Hast du gespielt?“ Alex kommt zu uns und ich sehe auf meine Hände.

„Ja, das war Lill.“ Jamie sieht zu ihm und steht auf.

„Das war wunderschön, aber traurig“, sagt Alex und ich stehe auf.

„Beethovens Mondscheinsonate…“ erkläre ich ihm „… Na, ja ein Teil davon.“

„Lill…“ Jamie sieht mich an und ich schlucke schwer.

„Ich fahre zurück ins Hotel, ich fühle mich nicht so gut.“ Ich gehe an den beiden vorbei und steige draußen in den Wagen mit dem Sean gerade ankommt.

„Wo willst du denn so schnell hin?“ er sieht mich fragend an, aber ich winke ab.

Im Hotel angekommen, treffe ich als Erstes auf Caroline und stöhne auf, die hat mir gerade noch gefehlt…

„Hast du Jamie gesehen?“ flötet sie.

„Ja, Soundcheck.“ Ich gehe an ihr vorbei Richtung Fahrstuhl.

„Etwas Freundlichkeit würde dir nicht schaden“, ruft sie mir hinterher.

Ganz ruhig Liljana… spreche ich mir selbst gut zu und betrete die Fahrstuhlkabine.

Als sich die Türen endlich schließen, lasse ich den Kopf an die kühlende Verkleidung sinken und betrachte mein Spiegelbild.

Das bin nicht ich…

Ich bin niemand, der Beziehungen zerstört. Ich bin niemand, der sich nicht voll und ganz auf seinen Job konzentriert.

Ich schließe meine Augen einen Moment und sehe mich dann wieder an.

Doch genau das bist du Liljana van Graasten, du bist in einem Mann verliebt, der eine Freundin hat und du bist nicht bei der Sache, was dein Buch angeht…

Tja, das sind die Tatsachen, aber zu mindestens an einer Tatsache kann ich etwas ändern.

Ich setze mich, im Zimmer angekommen an meinen Laptop und komme ein gutes Stück voran. Die Lektorin wird eine ganze Menge zu tun haben.

Ich skype kurz mit Katie und sie spricht mir weiterhin Mut zu.

„Ganz ehrlich, Kleine, Gefühle zu unterdrücken bringt rein gar nichts…“ sie sieht mich mitleidig an, als ich meine letzten Tränen weg wische „… Außer vielleicht ein Magengeschwür.“ Sie grinst zögerlich.

„Oh Katie, in was bin ich hier rein geraten?“ Ich stütze meinen Kopf auf meine Hände.

„Keine Ahnung. Du bist die verantwortungsvollste und pflichtbewussteste Person, die ich kenne. Dass ausgerechnet du dich in einen Rockstar verliebst, der eine Freundin hat, das hätte niemals einer ahnen können.“ Sie legt ihre Hand auf den Monitor und ich tue es ihr gleich.

„Ich vermisse dich“, sage ich leise.

„Ich dich auch.“ Sie schickt mir einen Luftkuss und ich lächle leicht.

„Ich werde noch schnell Ami anrufen, ich muss Charlie mal wieder sehen.“ Ich atme tief durch und Katie nickt.

„Lenk dich ab, konzentrier dich auf dein Buch und nur so am Rande, vielleicht solltest du den Jungs von deinem Dad erzählen. Wenn man nicht deine ganze Geschichte kennt, ist man leicht mit deinen Gefühlsregungen überfordert.“ Sie zwinkert mir zu und ich nicke zögerlich.

„Ally und Belle wissen es“, gestehe ich.

„Dann sage es auch den anderen. Du hast noch eine ganze Zeit mit ihnen vor dir“, ermutigt sie mich.

„Ich danke dir Katie.“ Ich schicke ihr nun auch einen Kuss und sie legt auf.

Ami ist zum Glück gerade online und es tut so wahnsinnig gut Charlie zu sehen. Ich freue mich schon ihn in zwei Tagen wieder in die Arme schließen zu können. Kaum zu glauben, dass ich schon 5 Wochen unterwegs bin. Aber entgegen meiner Befürchtungen habe ich gar keine Zeit Heimweh zu haben. Die Eindrücke, die ich in den letzten Wochen gesammelt habe, sind einfach zu überwältigend… in jeder Hinsicht.

Früh am nächsten Morgen besteigen wir den Privatjet und machen uns auf den zweistündigen Flug nach Kiew. Morgen Nachmittag landen Ami, Josh, Brad, Cody und mein kleiner Charlie. Wir werden uns am Abend das Konzert von Bluefire ansehen und dann zwei ganz entspannte Tage genießen. Pete hat dafür gesorgt, dass wir alle im selben Hotel unter gebracht sind und ich freue mich riesig auf ein paar schöne Stunden mit ihnen.

Kaum dass wir in der Luft sitzen, beginnt Caroline uns mit irgendwelchen Geschichten zu unterhalten, die nur sie lustig findet. Ich nehme mein Handy und ziehe mich zurück. Es ist der erste Flug auf dem Pete nicht mit dabei ist, denn er ist schon gestern geflogen, da es Probleme mit der Halle gab.

Ich setze mich in die letzte Reihe und drücke auf die Kurzwahltaste für meinen Dad.

„Schwester Shannon!” meldet sich die mir so vertraute Stimme.

„Hi, Shannon, hier ist Lill. Kann ich mit Dad sprechen?” ich atme tief durch.

Wird es jemals normal, niemals eine Antwort von Dad zu bekommen?

„Klar, mein Schätzchen! So wie immer ja?!” ich kann hören, dass sie genau spürt, dass etwas nicht stimmt und dass sie mich mit Sicherheit nach dem Gespräch mit meinem Dad darauf ansprechen wird. Shannon hat ein Gespür für die Gefühle anderer Menschen. Ich glaube, das macht sie so ausgezeichnet in ihrem Job.

„Wie immer Shannon!” sage ich leise und höre wie der Hörer aufs Kopfkissen gelegt wird.

„Hallo Daddy! Ich bin´s Lill! Wie geht es dir heute? Mir geht es ganz gut. Wir sind gerade auf den Weg von Moskau nach Kiew. Es ist alles so wahnsinnig aufregend. Ich habe echt Farbe bekommen. Wir haben schon 5 Wochen hinter uns, ich habe so viel gesehen und muss dir unbedingt die ganzen Fotos zeigen. Die Jungs sind alle nett zu mir und auch ihre Frauen zum großen Teil, aber wie sagst du immer so schön: Man kann nicht mit allen Menschen klarkommen, es muss auch Menschen geben, die man auf den ersten Blick nicht mag. Bisher kannte ich es nicht, aber jetzt verstehe ich dich voll und ganz. Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht vorher angerufen habe, aber es gab so viel zu sehen. Wir waren schon an so vielen überwältigenden Orten. Stell dir vor, ich war schon in Peking, Shanghai, Macao, Hongkong, Seoul, Nagasaki, Taiwan, Vientiane, Dhaka, New Delhi und wie schon gesagt sind wir gerade auf dem Weg von Moskau nach Kiew. Ich schaffe es sogar, mir immer ein wenig von allem anzusehen und manchmal haben wir auch freie Tage. Ich habe mir schon so viel angeschaut, die Verbotene Stadt, den Himmelspalast, die Chinesische Mauer, den Oriental Pearl Tower, verschiedene Tempel, den Macao Tower… Daddy, die verstehen echt was davon, hoch zu bauen. Mir ist fast schlecht geworden, als ich runter geschaut habe und du weißt, ich habe keine Höhenangst. Ich habe mir noch so viele andere Sachen angeschaut, aber das erzähle ich dir alles, wenn ich wieder da bin. Ich wünschte, du könntest es auch mal sehen. Ich melde mich bald wieder! Ich liebe Dich.” ich atme tief durch. “SHANNON!” rufe ich und sofort ist sie wieder am Telefon.

„Ich habe mit gehört. Oh Schätzchen, es freut mich, dass es dir so gut gefällt!” sagt sie fröhlich.

„Danke, Shannon. Ich melde mich bald wieder! Gib ihm einen Kuss von mir!” erwidere ich schnell und will das Gespräch beenden, ich habe keine Lust auf eine Inquisition.

Nicht jetzt, nicht nach den letzten Tagen…

„Warte kurz Lill, was ist los?” schafft sie es tatsächlich bevor ich auflegen kann.

„Es ist nichts wichtiges, Shannon, wirklich nicht.“ Ich weiß selber, dass ich nicht sehr überzeugend klinge.

„Hör auf, Lill! Männergeschichten?” trifft sie genau ins Schwarze.

“Woher? Ach egal. Ja, du hast recht, aber ich will jetzt nicht darüber reden. Okay?” erwidere ich resigniert.

„Okay Schätzchen, aber melde dich bald wieder!” gibt sie auf.

„Und Schätzchen, jeder Mann den du liebst und der es nicht zu schätzen weiß, der ist ein Dummkopf und nicht gut genug für dich.“

„Du bist lieb, Shannon. Danke.“ Ich lächle leicht.

Shannon übernimmt so manches Mal die Mutterrolle für mich und Ami und wahrscheinlich mögen wir sie auch aus diesem Grund so sehr. Ich drücke auf Gespräch beenden und sehe auf. Alex und Jamie sehen mich fragend an.

„Was sagt denn dein Dad dazu, dass du um die Welt jettest?“ Alex grinst mich breit an.

„Nichts“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Wie meinst du denn das?” Alex sieht mich verständnislos an.

„Mein Dad kann mir nicht antworten. Schon lange nicht mehr“, gebe ich zu und sehe zu Boden.

Alex und Jamie setzen sich zu mir und Sean dreht sich mit seinem Sitz um, während Caroline im vorderen Teil damit beschäftigt ist, sich ihren eigenen Fernsehauftritt anzuschauen.

„Was ist passiert? Ich meine ist er tot?“ Sean stellt die Frage ganz bedächtig und ich schüttele sachte den Kopf.

„Nein, er ist nicht tot. Er wurde vor 8 Jahren am Herzen operiert und nach der OP ist er nicht wieder aufgewacht. Schwere Narkoseprobleme steht im Arztbericht. Seitdem liegt er im Wachkoma und Shannon, mit der ich gerade telefoniert habe, ist seit 6 Jahren seine Pflegerin. Ami und ich standen alleine da, wir haben früh Verantwortung übernehmen müssen und versuchen alles, um seine Unterbringung zu finanzieren, denn wir können ihm nicht die Pflege geben die er braucht.“ Ich sehe in die betroffenen Gesichter.

„Und eure Mum?“ Alex nimmt meine Hand.

„Unsere Mum? ...“ Ich lache verächtlich „Die hat sich nicht nur von unserem Dad, sondern auch von mir und Ami scheiden lassen. Wir haben seit 13 Jahren nichts von ihr gehört. Unser Dad hatte es anfangs schwer, aber wir sind zurecht gekommen. Wir konnten uns keine Pferde mehr leisten, obwohl ich und Ami so gerne geritten sind. Ich verzichtete darauf, dass er mir ein neues Klavier kauft, denn das Geld brauchten wir woanders…“ ich sehe zu Jamie „… Ich wünschte mir manchmal, es wäre nicht alles so gekommen, aber wir haben uns mit jeder neuen Situation arrangiert und eins habe ich gelernt: Vertrauen und Halt sind kostbar und man bekommt sie nicht geschenkt“, schließe ich meinen Monolog.

Jamie zieht mich in seine Arme und ich merke, wie sich die ersten Tränen ihren Weg bahnen. Ich will nicht weinen und ich will nicht, dass Jamie mich tröstet. Aber je mehr ich mich wehre, umso fester hält er mich. Schließlich lege ich meinen Kopf an seine Schulter und schluchze leise. Ich sehe zu Alex, er nickt mir leicht zu, packt sich Sean und sie gehen nach vorne, um mit Caroline ein Gespräch anzufangen.

„Es tut mir so schrecklich leid.“ Er wiegt mich sanft in seinen Armen.

Ich brauche eine Weile bis ich mich beruhigt habe und er lässt mich ein wenig los, um mir meine Tränen aus dem Gesicht zu streichen.

„Ich…“ setzt er an, doch ich schüttele meinen Kopf.

„Nein, Jamie…“ unterbreche ich ihn. Seine Freundin sitzt keine 5 Meter von uns entfernt und ich mache mich bei diesem Gedanken vollends los „… Du bist du und ich bin ich.“ Damit stehe ich auf.

Er hält mich an meiner Hand fest und ich sehe ihn traurig an.

„Es ist Okay“, flüstere ich und er lässt mich resigniert los.

Ich gehe an den anderen vorbei in die Toilette und spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Es tut gut, nun alles gesagt zu haben, auch wenn es an meiner Situation nicht viel ändert…

Als ich die Tür wieder öffne, steht Caroline vor mir. Überrascht sehe ich sie an.

„Versuchst du es jetzt auf die Mitleidstour?“ Ihr Blick wandert über mein Gesicht und sie rümpft die Nase „Wirklich Schade, dass Jamie für so etwas völlig unempfindlich ist.“ Sie drängt sich an mir vorbei und ich sehe sie kopfschüttelnd an.

„Wie du meinst“, winke ich schließlich ab und gehe wieder in den hinteren Teil der Maschine, wo sich Sean und Alex gerade eine imaginäre Weltraumschlacht liefern.

„Kann ich mitspielen?“ Ich setze mich im Schneidersitz vor die Couch und Alex reicht mir einen Controller.

Ich bekomme ein Kurzeinweisung und bin 20 Minuten später Meisterin darin, meine Mitspieler statt die Aliens zu erschießen…

„Ich hoffe wirklich, du schreibst besser als du X-Box spielst.“ Alex grinst breit.

„Ups.“ Ich lasse den Controller sinken.

„Wir landen gleich.“ Jamie kommt zu uns und Alex hilft mir auf die Beine, er zieht mich kurz in seine Arme.

„Danke, dass du uns vertraust“, haucht er mir ins Ohr und ich nicke ihm zu, ehe ich mich hinsetze.

Kiew ist kalt, aber längst nicht so kalt wie Moskau. Wir werden zum Hotel gefahren und, da wir reichlich spät dran sind, haben wir nicht einmal Zeit auszupacken ehe wir zur Halle fahren.

Am nächsten Tag beim Frühstück zappele ich aufgeregt auf meinem Stuhl herum und Pete sieht mich zum wiederholten Male strafend an.

„Was ist denn nur los mit dir?“ stöhnt er.

„Ich bekomme heute Besuch und die nächsten drei Tage bin ich für euch nicht ansprechbar.“ Ich zwinkere ihm zu.

„Gott, Derek, fahr das Mädchen zum Flughafen. Sie macht mich wahnsinnig“, lacht Pete und Derek nickt mir lachend zu.

„Könnt ihr mich und Caroline mitnehmen? Ihr Flieger geht in 1 Stunde und Colm kommt um 11 Uhr.“ Jamie sieht von mir zu Derek.

„Wir warten, beeilt euch“, antworte schließlich ich ihm.

Ich gehe in mein Zimmer und ziehe mich warm an, ehe ich mit Derek an der Rezeption auf Jamie und Caroline warte.

Dann endlich tauchen sie in der Vorhalle auf und wir besteigen den Kleinbus.

„Warum steht denn hier ein Kindersitz.“ Caroline drängelt sich in die hinterste Reihe.

„Geht dich nichts an.“ erwidere ich unwirsch.

„Entschuldigung, Miss Wichtig“, lästert sie und ich atme tief durch.

„Weißt du was, Caroline, du gehst mir so etwas von auf die Nerven. Ich halte es kaum aus, mit dir im selben Hotel zu sein, geschweige denn in ein und demselben Wagen. Wenn hier jemand Miss Wichtig ist, dann du. Wir haben alle schon mindestens 20-mal die bescheuerte Aufzeichnung deines “Ach so wichtigem“ Interviews gesehen, ob wir wollten oder nicht... Ich bin unsagbar froh, dass du endlich nach Hause fliegst. Das Interview ist öde und dein Hintern sieht im Fernsehen fett aus.“ Ich drehe mich um und Derek verkneift sich ein Lachen.

Das Interview ist wirklich öde, aber sie hat keinen fetten Hintern, sie hat gar keinen Hintern…

Egal, ich weiß, dass sie daran jetzt zu knabbern hat.

Ich drehe mich nach vorne um und Derek fährt los. Immer wieder wundere ich mich, wie sie es schaffen sich in jeder Stadt auszukennen. Ich mit meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn, würde mich heillos verfahren.

Nach 20 Minuten erreichen wir den Flughafen und Caroline checkt ein während ich mich zur Ankunftshalle begebe. Ich sehe zur großen Uhr, in 20 Minuten soll die Maschine aus Dublin landen. Ich freue mich so wahnsinnig und kann gar nicht anders als zu strahlen.

Nach einer Weile stellt sich Jamie neben mich.

„Wer kommt dich denn besuchen?” er lächelt schüchtern.

„Hat dir Caroline etwa erlaubt mit mir zu reden?” erwidere ich schnippisch.

„Was habe ich dir denn jetzt getan?” er sieht mich verletzt an.

“Ach nichts…” Ich winke ab. Er hat ja Recht, nur weil Caroline eine dumme Kuh ist muss ich es ja nicht an ihm auslassen. Anderseits sind die beiden ein Paar und die steckt man ja bekanntlich gerne Mal in eine Schublade. Schließlich lächele ich zaghaft „…Ich warte auf Ami, ihren Mann, meine besten Freunde und Charlie.” beantworte ich schließlich seine Frage.

„Ich finde es übrigens gemein, dass du wirklich alles von uns weißt, aber wir längst nicht alles von dir.” Er zieht einen Schmollmund.

„Du weißt schon mehr über mich als mir lieb ist…“ gestehe ich und er lächelt.

„Dann teste ich dich. Auf wen warte ich?“ er zieht eine Augenbraue hoch und ich lache auf.

„Du wartest auf Colm, deinen 11 Jahre jüngeren Bruder. Eigentlich hatten deine Eltern geplant mitzukommen, aber dein Dad hat nicht frei bekommen und deine Mum ist bei deiner Grandma, weil die krank ist. Und wie gut bin ich?“ ich grinse ihn an.

„Unheimlich! Wirklich unheimlich!” er schüttelt sich gespielt geschockt.

„LILLY!“ ertönt eine mir bekannte Stimme und ich sehe zu den Glastüren die sich gerade geöffnet haben.

Ami läuft auf mich zu und ich laufe ihr entgegen. Wir halten uns aneinander fest und sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände.

„Gott Lilly, du fehlst mir so.“ sie drückt mich erneut an sich.

„Darf ich jetzt auch?“ Brad schiebt Ami beiseite und wirbelt mich durch die Luft. „Es ist so schön, dich zu sehen“, strahlt er.

„Lass mich runter“, kreische ich erschrocken und er setzt mich ab und Josh nimmt mich in den Arm.

„Mein Sonnenscheinchen.“ Er grinst mich an und ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

Josh steht mit Charlie auf dem Arm in Sicherheitsabstandsreichweite und beobachtet uns lächelnd.

„Josh.“ Ich gehe zu ihm und er drückt mich an sich.

„Du fehlst uns“, sagt er gerührt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Hey, Charlie.“ Ich sehe zu meinem kleinen Engel und er streckt die Ärmchen nach mir aus. Ich nehme ihn auf den Arm und drücke ihn glücklich an mich.

Im Augenwinkel sehe ich wie Jamie seinen Bruder begrüßt.

„Wollt ihr mit uns ins Hotel zurück?“ ich drehe mich zu Jamie um.

„Nein, nein wir werden was essen gehen und dann Derek anrufen“, winkt er lächelnd ab.

„Darf ich dir Ami, Josh, Brad, Cody und Charlie vorstellen?“ ich grinse ihn an „Nicht dass du wieder sagst, ich weiß alles und du nichts.“ Ich zwinkere ihm zu.

„Leute, das sind Jamie und sein Bruder Colm“, stelle ich ihm alle vor und es werden Hände geschüttelt.

„So, wir gehn jetzt ins Hotel. Bis später!“ Ich winke Jamie zu und wir gehen zum Kleinbus, wo ich alle mit Derek bekannt mache.

Im Hotel angekommen plappern wir alle durcheinander und ich genieße es, so viele Neuigkeiten aus der Heimat zu hören.

„Was haben wir heute noch vor?“ Josh und Ami haben zusammen mit Charlie das Zimmer links und Brad und Cody rechts neben meinem bezogen und Josh sieht mich nun fragend an.

„Was haltet ihr von ein bisschen Sightseeing? Die drei Tage müssen ausgenutzt werden und heute Abend gehen wir aufs Konzert, Pete hat uns allen Backstagepässe besorgt.“ Ich zwinkere ihm zu.

„Wow, das ist mal cool. Wo schleppst du uns jetzt hin?“ er grinst schelmisch.

„Hmm…“ ich tue als müsse ich nachdenken und Ami, Brad und Charlie kommen zu uns. „…Also gut, ich schlage vor, wir schauen uns heute die Sophienkathedrale an und morgen sehen wir weiter.“ Ich sehe in die Runde und wir machen uns auf den Weg.

Im Bus sitzt Ami neben mir und sieht mich prüfend an.

„Ist der Jamie von vorhin DER Jamie?“ sie legt ihren Kopf schief und ich seufze.

„Ja.“ Ich sehe sie traurig an.

„Er sieht gut aus“, stellt sie sachlich fest.

„Ich weiß und das hilft nicht gerade.“ Ich ziehe eine Flunsch.

„Komm schon Lilly, er hat dich nicht verdient.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Warum sagen das alle? Vielleicht bin ich auch einfach nicht gut genug für ihn.“ Ich zucke mit den Achseln.

„Oh doch Lilly, das bist du. Lass dir niemals etwas anderes einreden.“ Sie sieht mich beinahe strafend an und ich hebe abwehrend meine Hände. Ich will mal einen Nachmittag nicht über ihn nachdenken. Nach 30 Minuten kommen wir bei der Kathedrale an und ich staune nicht schlecht. Derek fährt zum Hotel und wartet dort bis wir ihn anrufen.

Die Architektur ist atemberaubend und ich bin in meinem Element und erkläre Ami, Josh, Brad und Cody alles. Anfangs dachten sie noch, dass so eine Sightseeing-Tour langweilig ist, aber ich stecke sie mit meiner Begeisterung an.

Als wir am frühen Abend wieder im Hotel ankommen, finden wir mit Pete gleich eine Mitfahrgelegenheit zur Halle und versorgen als erstes Charlie mit Schalldichten Kopfhörern, denn der Lärm ist wirklich ohrenbetäubend.

Alle sind begeistert von dem Konzert, aber da Charlie irgendwann auf Joshs Arm einschläft fahren wir schon etwas früher zurück ins Hotel.

Wir sind alle geschafft und, als ich endlich in meinem Bett liege, da hat sowohl mein Kopf als auch mein Körper damit zu tun, den heutigen Tag zu verarbeiten.

Am nächsten Morgen machen wir uns schon früh auf den Weg und auch wenn Derek sich anbietet, so nehmen wir alle ein Taxi und fahren als erstes zum botanischen Garten. Der ist wunderschön und auch die drei Kirchen in die ich meine kleine “Reisegruppe“ schleppe sind atemberaubend.

Als wir kurz nach 18 Uhr wieder ins Hotel fahren, sind die Jungs gerade auf den Weg ins Restaurant.

„Kommt ihr mit?“ Sean sieht mich fragend an und ich sehe in die Runde.

„Essen? Sicher, ich sterbe vor Hunger.“ Josh reibt sich den Bauch. „Dieses Gelaufe überall“, fügt er theatralisch hinzu.

Ich sehe auf Charlie hinunter, der auf meinem Arm eingeschlafen ist. Irgendwie kommt man sich vor wie eine Känguru Mama, die ihr Junges überall umher trägt. Wozu haben wir den Kinderwagen mitgenommen?

„Ich bringe ihn hoch und frage Roger oder Mike, ob sie ein Auge auf ihn haben.“ Ich sehe zu Ami, die mich nun ängstlich ansieht.

„Pete vertraut ihnen Bluefire an, dein Sohn ist in den besten Händen.“ Ich zwinkere ihr zu und steige in den Fahrstuhl.

Ich lege Charlie in das Kinderbett bei Ami und Josh im Zimmer und Roger verspricht, ihn im Auge zu behalten.

„Danke.“ Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

Als ich in den Fahrstuhl steige, drängen sich Jamie und sein Bruder in letzter Sekunde in die Kabine.

„Willst du auch runter zum Abendbrot?“ Colm sieht mich fragend an.

„Ja, ich habe einen Bärenhunger“, lächle ich.

„Ich auch. Mann, Jamie wollte mir irgend so eine alte Kirche zeigen und die hatte doch tatsächlich zu.“ Er verdreht die Augen und ich lache leise.

„Manchmal ist ein Reiseführer nicht schlecht.“ Ich sehe zu Jamie.

„Beim nächsten Mal frage ich vorher dich.“ Er verzieht das Gesicht.

„Brauchst du nicht, es gibt Reiseführer aus Papier, kann ich dir wärmstens empfehlen. So ein richtiger Reiseführer kostet ordentlich was und ich glaube nicht, dass die springen nur weil du sagst, sie sollen es.“ Ich stecke meine Hände in die Hosentasche.

„Die tanzen noch Samba dazu und fragen wie hoch“, erwidert er arrogant.

„Jamie?!“ Colm sieht verständnislos zu seinem Bruder.

„Tja, dann solltest du dir wohl eine Reiseführerin besorgen, es sei denn du willst deinem Bruder weiterhin geschlossene Kirchen zeigen.“ Die Tür öffnet sich und ich stolziere aus dem Fahrstuhl.

„Colm geh schon mal vor, ich komme gleich.“ Jamie packt mich am Arm und zieht mich in eine Ecke.

„Was soll denn das?“ fragt er bedrohlich leise.

„Lass mich los.“ Ich versuche meinen Arm seinem Griff zu entwinden.

„Nein Lilly…“ Er sieht mich durchdringend an.

„Nenn mich nicht…“ setze ich an, aber weiter komme ich nicht, seine Lippen legen sich auf meine und bringen mich so zum schweigen.

„Du machst mich wahnsinnig“, raunt er mir ins Ohr „Ich bitte dich, verzichte darauf, mich vor meinem Bruder bloßzustellen.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und streicht mit den Daumen über meine Wangen.

„Ich weiß einfach nicht, was ich denken und fühlen soll.“ Ich sehe ihn an.

Das war mal die absolute Wahrheit… Verdammt, ich weiß es wirklich nicht.

„Ich auch nicht“, gibt er zu und drückt mich an die Wand.

Ich sehe ihn an und ziehe ihn zu mir, um ihn zu küssen.

Leidenschaftlich erwidert er meinen Kuss und seine Hände gleiten über meinen Rücken.

„Jamie?“ hören wir Alex nach ihm rufen und er lässt von mir ab. Meine Lippen fühlen sich geschwollen an, er streicht sanft darüber, sein Blick wird traurig und er tritt aus der Ecke raus.

„Ich bin hier, ich habe nur kurz telefoniert.“ Er geht zu Alex und die beiden gehen ins Restaurant.

Ich gehe ein paar Minuten später hinterher und setze mich neben Ami.

„Alles in Ordnung?“ Sie sieht mich besorgt an.

„Ja, alles gut.“ Ich studiere die Karte und bestelle dann doch irgendwas, was die anderen auch nehmen.

Meine Familie und meine Freunde amüsieren sich köstlich mit den Jungs und es wird ein langer Abend.

Am nächsten Tag beschließen wir uns das goldene Tor von Kiew anzusehen und nach einem wirklich guten Mittagessen fahren wir einmal mit der Standseilbahn durch die Stadt.

Es ist so herrlich entspannend und ich genieße die Zeit in vollen Zügen, vor allen Dingen, da ich weiß, dass sie morgen früh los müssen.

Am Abend essen wir dieses Mal alleine, denn Bluefire hat einen Fernsehauftritt.

„Sag mal, Sonnenscheinchen, dieser Jamie hat es dir angetan, oder?“ Cody zieht eine Augenbraue hoch.

„Ach was“, wehre ich mich halbherzig.

„Komm schon, wie lange kenne ich dich jetzt?“ Er sieht mich kopfschüttelnd an.

„Zu lange anscheinend, es wird Zeit für neue Freunde, welche, die mich nicht gleich durchschauen.“ Ich stütze den Kopf auf meine Hände.

„Ach Sonnenschein, wenn du mich fragst… und ich tue jetzt einfach mal so, als hättest du mich gefragt… Er ist verliebt in dich.“ Cody streicht mir über den Rücken.

„Wie kommst du darauf?“ Ich sehe ihn an.

„Auch wenn ich schwul bin…“ er grinst breit „So wie er dich ansieht, glaub mir, der ist bis über beide Ohren in dich verliebt.“

„Dann hat er eine merkwürdige Art das zu zeigen. Ich darf dich erinnern, er ist mit Caroline–Model–Blondie zusammen und die letzten Bilder der Beiden sind heute morgen auf allen Titelseiten zu bewundern gewesen.“ Ich grinse schief „Und außerdem passen meine und seine Welt nicht zusammen.“

„Was heißt hier nicht zusammen passen? Was nicht passt wird passend gemacht. Liebe schafft alles…“ er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Deinen Glauben an die Liebe will ich haben“, seufze ich. „Wenn dieser Auftrag vorbei ist, dann will ich ihn in meinem Leben nie wieder sehen und ich will endlich meine innere Ausgeglichenheit zurück.“ Ich sehe zu Ami und sie lacht leise.

„Du warst noch nie innerlich ausgeglichen“, sagt sie sicher.

„Was soll das denn heißen?“ Ich sehe sie empört an und muss dann angesichts ihres Gesichtsausdruckes doch grinsen.

„Du und ausgeglichen…“ Sie zeigt mir zur Verdeutlichung einen Vogel.

„Na danke auch.“ Ich werfe meine Serviette nach ihr.

„Wir sind wieder da!“ Alex, Sean und Jamie kommen lautstark ins Restaurant. Was aber keinen weiter wirklich stört, weil wir in einem Bereich sitzen, wo sonst keine weiteren Gäste sitzen.

„Ich habe euch gar nicht vermisst“, stelle ich trocken fest und sie setzen sich zu uns an den Tisch.

„Hmm, lecker.“ Alex schnappt sich eine Karotte von meinem Teller.

„Hast du keine Erziehung genossen?“ Ich schlage nach ihm.

„Doch manchmal“, gibt er mit vollem Mund zurück und ich sehe zu Charlie, der lacht und in die Hände klatscht.

„Schau dir das bloß nicht ab.“ Ich strubble ihm durch die Haare, was ihn nur noch mehr zum Lachen bringt.

Ich muss auch lachen und Brad springt plötzlich mit seinem Handy in der Hand auf.

„Foto, wenn Lill mal so fröhlich ist, dann will ich das für die Nachwelt fest halten.“ Er zwinkert mir zu und wir rücken alle zusammen.

Nachdem Brad endlich ein brauchbares Foto hat, setzt er sich wieder zu uns.

„War Lill schon immer so nachdenklich und gewissenhaft?“ Alex sieht zu Ami.

Sie denkt einen Moment nach „Ja…“ sie entdeckt den alten Flügel in der Ecke des Saals „… Ich weiß noch als sie 12 war, da saß sie stundenlang am Klavier, weil es nicht so klang, wie sie es wollte. Sie hat das Stück geübt bis zur Perfektion und dann hat ihr beim Vorspielen ihre Nervosität einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Sie sieht mich an und ich grinse gequält.

„Vielen Dank auch, dass du mich daran erinnerst.“

„Ludwig van Beethovens Mondscheinsonate…“ Amis Blick wird weich „Dad hat es geliebt, wenn du es gespielt hast.“ „Ich weiß…“ gebe ich zurück und sehe auf meine Hände.

„Ich habe dich schon jahrelang nicht mehr spielen gehört“, sagt sie leise.

„Sie hat vor 3 Tagen gespielt, es war wunderschön.“ Jamie sieht zu Ami.

„Wirklich?“ Sie sieht zu mir und ich nicke.

„Es ging wie von alleine“, gestehe ich.

„Wie hast du dich gefühlt?“ Josh der neben mir sitzt legt seinen Arm um meine Schulter.

„Es fühlte sich so vertraut an, fast habe ich gedacht, Dad kommt zu mir als ich fertig war und Mum sagt mir, wie wunderbar ich gespielt habe.“ Ich sehe traurig auf.

„Spiel für uns“, bittet er mich und ich schüttele den Kopf.

„Nein Josh…“ wehre ich mich.

„Es ist eine Schande, dass du mit dem Klavier spielen nur traurige Erinnerungen verbindest. Ich habe die Aufnahmen von dir gesehen, du warst wunderbar, es hat dir Spaß gemacht. Komm schon versuch es…“ er legt seine Hand unter mein Kinn „Ich habe auch einen Wunsch. Great Balls of Fire.“ Er grinst breit.

Ami und ich haben das früher zusammen gespielt und ich muss lächeln, das ist eine wirklich schöne Erinnerung.

Ami steht auf und reicht mir ihre Hand.

„Für mich?“ fragt sie und ich stehe seufzend auf.

Wir gehen Hand in Hand zum Klavier und ich setze mich.

„Ich weiß gar nicht ob wir auf dem spielen dürfen?“ ich sehe auf den Flügel.

„Komm schon.“ Ami drückt mich auf den Hocker und ich lege meine Hände in die Startposition.

Dann beginne ich zu spielen und Ami und ich singen schief mit, erst ein wenig zögerlich, aber dann ganz plötzlich kommt der Spaß zurück.

Die anderen steigen mit ein und ich kann vor Lachen kaum noch spielen.

Nach einander erfülle ich verschiedene Wünsche und Ami und Josh haben recht, es ist schön die Freunde an der Musik zurückzugewinnen.

„Woher kannst du die ganzen Lieder?“ Alex sieht mich verblüfft an.

„Ich habe ein musikalisches Gehör. Wenn ich ein Lied oft genug höre, dann kann ich es spielen.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Und du hast nie was daraus gemacht?“ Sean ist beinahe entsetzt.

„Nein, sie wurde am der Amsterdamer Hochschule für Musik abgelehnt und dann hat sich keine weitere Gelegenheit ergeben“ erklärt ihm Ami „Als wir nach Irland gezogen sind, da hat sie dann ganz aufgehört.“

„So wie du mit dem Reiten.“ Ich sehe sie an „Ami war und ist eine begnadete Reiterin. Wir haben alle unsere Opfer gebracht.“ Ich sehe zu Sean. „Manchmal muss man entscheiden, was Wichtiger ist. Für uns war es unsere Familie.“

„Wisst ihr eigentlich, wie großartig ihr seid?“ Josh drückt mir einen Kuss auf die Stirn und geht dann zu Ami um sie liebevoll zu küssen.

„Hey, jetzt waren fast alle dran, jetzt will ich auch einen Wunsch erfüllt bekommen…“ Jamie sieht mich an und ich lege meinen Kopf schief „…Maybe I'm Afraid - Kerrie Roberts.“

„Okay, ich spiele du singst. C Dur?“ Ich sehe auf die Tasten nur, um ihn nicht weiter ansehen zu müssen.

Die anderen setzen sich um uns herum.

Das Lied ist wunderschön, ich kenne es schon so lange…

Jamies Stimme verleiht dem Lied eine ganz eigene Note. Seine leicht rauchige Stimme dringt in meine Seele ein und ich wage es nicht ein einziges Mal aufzusehen.

Als wir fertig sind applaudieren uns die anderen und ich sehe zu Brad.

„Das war der Wahnsinn“, sagt er stolz.

„Danke.“ Ich nicke leicht und will den Deckel über der Tastatur zuklappen.

„Stopp ein Song musst du noch spielen, zur Strafe, weil ich ihn mir im Büro gefühlte 1 Million mal anhören musste…“ Brad setzt sich neben mir auf den Hocker. „Come on…“ er schubst mich leicht „Für mich „Stand By Me““

Ich lache auf. Mit dem Lied habe ich ihn wirklich eine Zeit lang gequält… Ich sehe ihn an und gebe ihm einen Kuss.

„Aber nur dafür, dass du es ertragen hast.“ Ich zwinkere ihm zu und beginne zu spielen.

„So genug für heute. Ihr müsst morgen früh hoch.“ Ich sehe in die Runde und klappe den Deckel zu.

„Wir sollten das öfter machen. In dir stecken wirklich ungeahnte Talente.“ Sean nimmt mich in den Arm.

„Mal schauen“, gebe ich zurück.

Im Bett denke ich noch lange über die Liederauswahl von Jamie nach und schlussendlich schreie ich in mein Kissen, weil mich dieser Mann wirklich um den Verstand bringt.

Der nächste Morgen kommt viel zu schnell und ich packe meine Sachen zusammen. Schon heute Mittag sind wir wieder in einer neuen Stadt…

Ich wünschte mir, wir würden länger an einem Ort bleiben, so wie hier in Kiew. Hier habe ich wenigstens Mal mehr gesehen, als die Konzerthalle und das Hotel.

Aber das hier soll ja nicht mein Vergnügen sein, es ist mein JOB!

Ami will mich am Flughafen gar nicht los lassen.

„Wir telefonieren“, sagt sie bestimmt schon zum 100. Mal.

„Ja“, verspreche ich ihr und nehme Charlie ein letztes Mal auf den Arm. „Eurer Flug wurde gerade zum letzten Mal aufgerufen.“ Ich deute auf die Abflugtafel.

„Bis bald, ich habe dich lieb!“ Ami schickt mir einen Handkuss und geht mit den anderen, die mir alle ein letztes Mal zuwinken, durch die Sicherheitsschleuse.

„Alles gut?“ Pete steht hinter mir.

„Ja, ich wünsche mir, es wären ein paar Tage mehr gewesen“, gebe ich zu.

„Ja, das Leben mit Rockstars ist nicht einfach.“ Er zuckt mit den Schultern und nimmt mir meine Tasche ab.

„Wohin fliegen wir heute noch mal?“ ich lasse mich in den Ledersitz der Privatmaschine falle und sehe zu Alex.

„Keine Ahnung? ...“ er sieht mich erschöpft an „… Pete? Wohin fliegen wir gleich?“ fragt er in den hinteren Teil der Maschine.

„Minsk. Die nächsten Tage werden stressig, fast jeden Tag eine neue Stadt…“ Pete kommt zu uns „… Nutzt die Zeit im Flieger zum Schlafen, das wird hart.“ Er setzt sich hin und reibt sich die Augen.

So langsam bekomme ich ein Gefühl für den Job, den Pete macht und ganz ehrlich, für kein Geld der Welt würde ich mit ihm tauschen wollen…

Kaum in der Luft ist es still im Flieger und ich nutze die Zeit, um weiter an meinem Buch zu arbeiten.

Pete hat nicht zu viel versprochen. Wenn mich einer fragt, was ich von Minsk, Warschau, Bukarest, Sofia, Sarajewo, Belgrad und Budapest gesehen habe, dann kann ich ruhigen Gewissens sagen den Flughafen und das Hotel…

Wir hetzen von einem Termin zum anderen und ich bewundere die Jungs, die bereitwillig in jede Kamera strahlen und freundlich Autogramme schreiben, während ich so müde und kaputt bin, das ich wahrscheinlich im Stehen schlafen könnte. Dann machen wir auch noch einen ungeplanten Abstecher nach Tokio, weil die neue Single unbedingt promotet werden muss. Sie ist eingeschlagen wie eine Bombe und auf Platz eins der Charts geklettert. Das heißt für uns alle, nach den Konzerten in Budapest, von denen eines kurzfristig in der Uhrzeit verlegt wurde, ab in den Flieger und 20 Stunden nach Tokio und jetzt liegt der Weg zurück vor uns.

Wir sitzen ja nicht genug im Flieger…

Wenn ich für diesen Job Vielfliegermeilen bekomme würde, dann müsste ich nie wieder auch nur einen Flug bezahlen…

„Auf nach Prag…“ Pete geht an uns vorbei und ich stöhne leise. Ich schnappe mir meine Tasche und meinen Kaffeebecher und folge ihm einfach.

In der letzten Nacht habe ich drei Stunden Schlaf bekommen, weil wir erst um 3 Uhr von den Terminen und Aufzeichnungen wieder im Hotel waren. Augenscheinlich können die Jungs damit besser umgehen, denn die sehen nur halb so fertig aus wie ich.

Kaum im Flieger lasse ich mich auf den erstbesten Sitz fallen und seufze. Ab einem bestimmten Punkt der Müdigkeit beginnen einem die Knochen weh zu tun, ich glaube, diesen Punkt habe ich längst überschritten… Mir tut alles weh.

Jamie setzt sich neben mich und sieht mich mitleidig an.

„Geht’s?“ fragt er vorsichtig.

Seit Kiew haben wir kaum zwei Worte mit einander gewechselt, aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich meistens über meinem Laptop gehangen habe und die Jungs so viele Termine hatten, dass es ein Wunder ist, dass Pete sie alle auf dem Schirm hatte.

„Hmm…“ ich nicke schwach und sehe kurz zu ihm.

„Schnallt euch an…“ Pete setzt sich in die Reihe hinter uns.

„Kommen wir jetzt nicht zu spät in Prag an?“ ich sehe ihn fragend an.

„Ich habe das erste Konzert auf den nächsten Tag verschoben, dann spielen sie zwei Konzerte an einem Tag“, erklärt mir Pete und ich frage mich wirklich, wann er das geregelt hat. Egal… das ist ja nicht mein Job. Zum Glück!

„Wie lange fliegen wir?“ Ich schnalle mich an und drehe mich dann wieder um.

Pete holt sein PDA aus der Tasche und tippt darauf herum.

„Knapp 18 Stunden, wir haben Rückenwind“, teilt er mir mit und ich lehne mich zurück.

Ich bekomme vom Start nichts mit, denn kaum habe ich meine Augen geschlossen, schlafe ich auch schon.

Ich bewege mich leicht und öffne meine Augen, ich liege mit dem Kopf auf Jamies Schoß und dieser schläft ebenfalls.

Erst will ich hoch kommen, aber dann entscheide ich mich doch dagegen. Ich lächle und schließe meine Augen wieder.

Irgendwann wird die Schlafposition aber dann doch unbequem und ich strecke mich. Ich erwarte in Jamies Gesicht zu sehen, aber stattdessen liege ich auf Petes Schoß.

Ruckartig komme ich hoch und er lacht auf.

„Na, Murmeltier. Ausgeschlafen?“ er streckt sich auch ein wenig.

„Ich denke schon. Wie lange habe ich geschlafen?“ Ich sehe mich um, Pete und ich sind allein im vorderen Teil der Maschine.

„Fast 10 Stunden“, erwidert dieser fast beeindruckt und ich reibe mir den Nacken.

„Ich glaube, ich war müde.“ Ich zucke mit den Schultern, die, wie ich bemerke, höllisch weh tun. „Sorry, dass ich dich als Kopfkissen missbraucht habe.“

„Ach was, bedank dich lieber bei Jamie, ich habe ihn erst vor einer knappen Stunde abgelöst.“ Pete zwinkert mir zu.

„Dann mach ich das mal. Ich muss mir eh die Füße vertreten und schauen, ob ich wieder Gefühl in mein linkes Bein bekomme.“ Ich stehe auf und verziehe das Gesicht.

Also jetzt tut mir wirklich alles weh…

Ich gehe in den hinteren Teil der Maschine und Sean und Alex spielen an einer der Konsolen und Jamie schaut ihnen zu.

„Na, Dornröschen…“ Jamie grinst mich breit an.„Ausgeschlafen?“

„Ich denke ja, aber dafür tut mir jetzt wirklich alles weh. Erholsam war es ja, aber nicht bequem…“ Ich versuche mich zu dehnen und setze mich dann auf den Boden vor die Couch.

„Was spielt ihr?“ Ich sehe auf den Bildschirm.

Mann, der Fernseher bei Ami und Josh ist nur halb so groß…

„Need for Speed“, erklärt mir Sean uns beisst sich fast auf die Zunge.

„Gib mal her.“ Ich nehme ihm den Controller ab und tatsächlich stelle ich mich gar nicht so dumm an.

Jamie rückt hinter mich und erklärt mir die verschiedenen Funktionen, während Sean Alex coacht.

Ich bewege leicht meinen Nacken und verziehe das Gesicht.

„So schlimm?“ fragt Jamie besorgt und ich zucke leicht mit den Schultern.

„Gibt Schlimmeres“, sage ich abgelenkt durch das Spiel. Mann, Alex ist aber auch gut, wahrscheinlich spielt er das nicht zum ersten Mal…

Plötzlich legen sich Jamies Hände auf meine Schultern und beginnen sie sanft zu massieren. Ich bin abgelenkt und krache mit meinem Rennwagen in die Begrenzungsmauer.

„Was machst du denn? Konzentrier dich“, lacht Jamie leise.

Ich unterdrücke mir einen Kommentar und schaffe es tatsächlich mit meinem Wagen ins Ziel.

Dann übergebe ich gerne den Controller wieder an Sean und setze mich zu Jamie auf die Couch.

Er zieht mich zu sich und ich lege meinen Kopf ins seinen Schoß.

So sind wir uns nah, aber nicht auffällig nah. Ich verstehe schon. Seine Welt und meine Welt…

Der Flug zieht sich hin wie Kaugummi und ich bin echt froh, als wir nach 18 Stunden endlich in Prag landen.

Tschechien zeigt sich von seiner besten Seite. Es ist frischer Schnee gefallen und Prag liegt in einem weißen Gewand vor uns. Der Anblick ist atemberaubend, aber ich kann ihn nicht lange genießen, denn wir besteigen den Bus und fahren zum Hotel.

„Sightseeing?“ Jamie lächelt mich wie ein kleiner Junge an, als ich meinen Zimmerschlüssel in Empfang genommen habe.

„Ich weiß nicht…“ gebe ich zurück und sehe zu Alex.

„Ich geh schlafen, nicht jeder hat im Flieger ausgeschlafen.“ Er zwinkert mir zu.

„Ha, ha…“ gebe ich trocken zurück und sehe zu Sean.

„Ich muss auch schlafen“, winkt dieser ab.

„Nur ich“, stellt Jamie fest.

„Ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ Ich ringe mit mir. Auf der einen Seite möchte ich gerne Zeit mit Jamie allein verbringen, auf der anderen Seite geißele ich mich damit nur selbst.

„Derek steht mit einem Wagen vor dem Hotel…“ Pete deutet nach draußen „… Er kennt sich aus.“

Wie in aller Welt ist Derek hierher gekommen und warum zur Hölle kennt er sich in Prag aus?

Fragen über Fragen…

Vielleicht sollte ich Derek mal interviewen…

„Seid um Punkt 16 Uhr wieder hier. Da müssen Alex, Sean und Jamie zum Soundcheck.“ Pete gähnt herzhaft und ich zucke resigniert mit den Schultern.

Ein Blick auf die große Uhr hinter der Rezeption verrät mir, dass wir noch knapp 5 Stunden haben.

„Dann los“, sage ich an Jamie gewandt und ziehe meine Jacke wieder an, ich fische meinen Schal, meine Mütze und meine Handschuhe aus meiner Tasche und gebe sie dann ab.

„Wir bringen sie auf ihr Zimmer Miss van Graasten.“ Die Angestellte nickt mir freundlich zu.

„Das ist wirklich nett“, bedanke ich mich.

„Ihre Taschen werden auch auf ihr Zimmer gebracht Mr. O’Levy.“ Sie lächelt Jamie schüchtern an.

„Vielen Dank“, bedankt auch er sich freundlich und wir gehen nach draußen.

Derek hält uns die Tür auf und lächelt.

„Wollt ihr ein wenig die Stadt erkunden?“ fragt er grinsend und setzt sich hinters Steuer.

„Ja, aber du kannst zum Hotel zurück fahren, ich komme ohne dich klar.“ Jamie schnallt sich an und ich tue es ihm gleich.

„Jamie, du weißt, was ich für Anweisungen habe.“ Derek stöhnt. Ich habe ja keine Ahnung, wie oft er diese Diskussion führen muss, aber augenscheinlich des Öfteren…

„Derek…“ Jamie seufzt tief „Wenn ich sage, es ist in Ordnung, dann ist es in Ordnung.“

„Okay, wo wollt ihr hin?“ gibt Derek auf und Jamie sieht mich an.

Lächelnd hole ich eine Liste aus meiner Handtasche.

„Am Besten lässt du uns am Altstädter Ring raus, dann könnt wir uns das Clementinum, die Karlsbrücke und die Neroduva ansehen?” Ich sehe zu Jamie.

„Klingt gut”, meint Jamie nach ein paar Sekunden und ich nicke zufrieden.

Derek steuert uns sicher durch den dichten Verkehr und nach 30 Minuten lässt er uns am Altstädter Ring raus.

„Ich hole euch genau hier um 15 Uhr ab.“ Derek sieht uns ernst an.

„Ja Daddy“, Lacht Jamie und wir gehen durch die kleinen malerischen Gassen. Die Architektur ist wunderbar in der Altstadt und wir erreichen einen kleinen Park.

„Wollen wir uns eine Minute hinsetzen?” Ich deute auf eine kleine Bank.

„Ja klar.” Jamie geht vor und wischt den Schnee mit einer schnellen Handbewegung von der Sitzfläche.

Ich setze mich neben ihn und genieße die wärmenden Sonnenstrahlen in meinem Gesicht.

„Es ist wirklich schön hier“, stellt Jamie fest und ich sehe zu ihm.

„Ja das ist es. Aber es ist so irreal für mich. Was ich in den letzten Monaten gesehen habe ist der Wahnsinn.“ Ich lächele leicht.

Jamie erwidert mein lächeln „Ich hätte niemals geglaubt, dass uns unsere Musik all diese Türen öffnen würde.“

„Du tust das was du liebst und bekommst auch noch Geld dafür…“ ich zwinkere ihm zu „… Du bist ein Glückpilz.“

„In manchen Dingen…“ erwidert er ausweichen „… Lilly?“ fragt er zögerlich. „Ich bin sehr froh, mit dir hier zu sein. Ich könnte mir niemanden vorstellen, mit dem ich lieber hier wäre.” Er nimmt meine Hand in seine.

„Nicht einmal mit Caroline?” Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

„Nein, schon gar nicht mit ihr.” Er lässt meine Hand los und weicht meinem Blick aus.

„Es tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht verletzten“. entschuldige ich mich augenblicklich. Manchmal kann ich meine vorlaute Klappe aber auch einfach nicht halten.

„Schon okay… bei mir und Caroline war schon länger der Wurm drin. Wir haben uns vor ein paar Tagen getrennt. Ich denke spätestens in ein paar Tagen, kannst du es in allen Einzelheiten in den Zeitungen lesen. Vielleicht gib sie ja wieder ein Interview.“ Er grinst schief.

„Es tut mir leid Jamie.” Ich versuche wirklich mitfühlend zu klingen. Aber das fällt mir angesichts dessen, dass ich mich darüber freue, wirklich schwer.

Jamie sieht auf und lacht leise. „Ganz ehrlich Lilly, ich habe noch niemals gehört, dass jemand, das was er sagte, so wenig meinte, wie du eben gerade“, lächelt er.

„Wie bitte?” Ich versuche mein Lächeln zu unterdrücken.

„Lilly, es tut dir gar nicht leid. Eher das Gegenteil, ich denke, es freut dich.“ Er sieht mich herausfordernd an.

„Woher willst du das wissen?“ Ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Weil du sie nicht ausstehen konntest und weil ich wirklich denke, dass ich jetzt endlich, das hier, ohne schlechtes Gewissen tun kann…“ er beugt sich zu mir und küsst mich sanft.

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und er zieht mich ganz dicht zu sich.

„Du machst mich wirklich wahnsinnig“, raunt er mir ins Ohr.

Ich bin nicht fähig etwas zu erwidern und kann nur lächeln.

„Komm her.“ Er zieht mich an meinem Schal wieder zu sich und küsst mich erneut. Es fühlt sich so gut an, ihn endlich ohne schlechtes Gewissen küssen zu können.

„Ich habe keine Lust mehr auf Sightseeing…“ Er sieht mich an und ich lege meinen Kopf an seine Brust. Sanft streicht er meine Haare aus dem Nacken und küsst ihn hauchzart.

„Wollen wir ins Hotel zurück?“ fragt er leise und ich nicke.

Ich mache mich von ihm los und er steht auf, um mir seine Hand hin zu halten.

„Wollen wir Derek anrufen?“ Ich sehe ihn fragend auf und nehme seine Hand.

„Nein, wir nehmen uns ein Taxi.“ Er lächelt, zieht sich seine Mütze weiter ins Gesicht und setzt seine Sonnenbrille auf.

Wir ergattern eine Straße weiter ein Taxi und lassen uns zum Hotel zurück bringen. Unser Sightseeing hat gerade Mal eine Stunde gedauert und Derek sieht uns fragend an, als wir die Lobby betreten.

„Zu kalt“, sagen Jamie und ich wie aus einem Mund und Derek zieht eine Augenbraue hoch.

Ich zucke mit den Schultern und wir betreten den Fahrstuhl, der gerade gehalten hat. Kaum im Fahrstuhl nimmt mich Jamie in den Arm und küsst mich.

„Das hier ist besser wie Sightseeing, oder?“ Er grinst mich an und ich nicke lächelnd.

„Oh ja“, gebe ich zu.

Das leise Pling ertönt und zeigt uns, dass wir unsere Etage erreicht haben. Jamie lässt mich los und ich trete einen Schritt zurück.

Keine Sekunde zu früh, denn plötzlich steht Alex vor uns.

„Wolltet ihr nicht die Stadt erkunden?“ Er gähnt herzhaft.

„Eigentlich schon, aber es ist echt scheiße kalt.“ Ich sehe ihn an „Und wolltest du nicht schlafen?“

„Ja, aber ich brauche eine von diesen Verdunklungsbrillen, ich bekomme kein Auge zu.“ Wieder gähnt er und steigt in den Fahrstuhl.

Ich schließe die Tür zu meinem Zimmer auf und Jamie schlüpft hinter mir in das Zimmer.

Er öffnet den Reißverschluss meiner Jacke und streift sie mir über die Schultern. Ich kann nur lächeln…

Alles erscheint mir wie ein Traum, unwirklich und surreal.

Doch als er mich küsst, da weiß ich, das hier ist real.

Auch ich ziehe ihm seine Jacke aus und die anderen Kleidungsstücke folgen.

Schlussendlich stehe ich nur noch in Unterwäsche vor ihm und streiche ihm über sein Tattoo, es ist wirklich wunderschön…

„Was bedeutet es?“ frage ich leise und streiche über die Einzelheiten des großen keltischen Kreuzes.

„Mein Glaube…“ er lächelt zaghaft „Ich hatte ihn Mal verloren und dank meiner Familie und meiner Freunde habe ich wieder den richtigen Weg gefunden. Ich will das nicht vergessen“, erklärt er mir und ich küsse ihn.

Er zieht mich in seine Arme und öffnet geschickt meinen BH, ich sehe ihn an und ziehe belustigt eine Augenbraue hoch.

„Da hast du wohl Übung drin“, lache ich leise.

„Na ja, die ganzen Groupies, da bekommt man eine gewisse Fingerfertigkeit…“ Er winkt ab und ich knuffe ihn.

„Nein Lilly…“ Er küsst mich innig „…Anfängerglück.“

Wir landen beide auf meinem Bett und er bedeckt meinen Körper mit hauchzarten Küssen. Das fühlt sich so wunderbar an und ich wuschele ihm durch seine Haare.

„Ich habe mich in dich verliebt“, gestehe ich ihm leise.

„Du bist mir seit der Pressekonferenz nicht aus dem Kopf gegangen“, erwidert er und befreit mich von meinem Slip „Du weißt gar nicht, wie lange ich das hier schon machen will.“

„Ich glaube, ich habe eine gewisse Vorstellung….“ Ich schiebe ihm seine Shorts runter. „… Ich will, was ich will“, hauche ich ihm ins Ohr und er dringt in mich ein.

Mein Körper bäumt sich auf und ich stöhne leise. Seine Bewegungen passen sich meinen an und wir verschmelzen miteinander. Noch niemals hat mich jemand so geliebt und ich lasse mich fallen.

Das erste Mal in meinem Leben kann ich mich fallen lassen und sehe ihn, nachdem wir unseren Höhepunkt erreicht haben glücklich an.

Unsere Hände sind ineinander verschlungen und ich streiche über seinen muskulösen Rücken.

„Du bist wahrlich ein Engel…“ Ich küsse seine Stirn und zeichne seine Engelflügel nach.

„Du bist mein Engel.“ Er kommt hoch und küsst mich leidenschaftlich.

Eine Weile liegen wir einfach nur aneinander gekuschelt im Bett und ich betrachte unsere Hände.

„Wie soll es weiter gehen?“ stelle ich die Frage die mir seit Stunden auf der Seele brennt.

„Ich will den Jungs und Pete erst einmal nichts sagen. Ich will dich, solange es nur geht, aus der Presse halten. Verstehst du das?“ Er stützt seinen Kopf auf seinem Arm ab und sieht mich an.

Ja…

Nein…

Schön und gut die Presse aus all dem rauszuhalten, das ist mir nur Recht. Aber die Jungs? Pete?

„Die Presse kann ich nachvollziehen, aber Alex und Sean? Und auch noch Pete?“ Ich sehe ihn fragend an.

„Du schreibst ein Buch über uns. Ich will nicht, dass da irgendjemand was in den falschen Hals bekommt.“ Er setzt sich leicht auf.

„Du verlangst eine ganze Menge von mir“, gebe ich zu bedenken.

„So ist mein Leben, so bin ich.“ Er zuckt leicht mit den Schultern.

„Jamie ich…“ setze ich an. Aber was genau will ich eigentlich sagen? „Ich versuche es“, sage ich schließlich.

Er beugt sich über mich und küsst mich zärtlich.

„Wenn die Tour vorbei ist, dann sagen wir es ihnen, okay?“ er legt seine Stirn an meine.

„Hmm“, erwidere ich unsicher.

Wie soll ich mich Alex und Sean gegenüber verstellen?

Und Ally und Belle kommen auch in einer Woche bis Spanien mit auf Tour… Weiß er denn nicht, was für eine schlechte Schauspielerin ich bin?

Doch nur ein Kuss von ihm lässt mich alles vergessen… er lässt mich vergessen, dass ich ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend habe.

„Ich muss mich anziehen und in die Lobby, Pete reißt mir sonst den Kopf ab.“ Jamie beugt sich über mich und küsst mich ein letztes Mal eher er aufsteht.

„Ich komme auch gleich.“ Ich angele mir meinen BH vom Bettpfosten und ziehe ihn mir an.

Nachdem Jamie sich fertig angezogen hat und ich auch so gut wie fertig bin, setze ich mich auf die Bettkante und betrachte ihn mit gemischten Gefühlen.

„Hey Lilly…“ er setzt sich zu mir „Ich tue das für uns, ich will nicht, dass sie dich in der Luft zerreißen und ich will auch nicht, dass Alex, Sean oder Pete was Falsches von dir denken. Okay?“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände.

„Okay“, sage ich leise.

Er zieht mich auf meine Füße und küsst mich.

„Bis heute Abend.“ Er zwinkert mir zu und schlüpft dann aus der Tür.

Ich ziehe mich zu Ende an und fahre dann auch in die Lobby. Pete sieht mich an und deutet auf seine Uhr.

„Lill…“ setzt er an.

„Ich habe es begriffen Pete und wenn du dir deine Moralpredigt sparst, dann können wir jetzt los.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch und er seufzt leise.

„Los geht’s!“ Er winkt alle zu sich und wir besteigen den Kleinbus.

Ich schreibe während des Konzerts weiter an dem Buch und ich glaube, ich werde es bald abschließen können.

Nach dem Konzert kommt Alex zu mir.

„Ist alles in Ordnung?“ er sieht mich besorgt an.

„Ja…“ Ich sehe auf „Warum fragst du?“

„Du wirkst abwesend“, gibt er zu und mustert mich eindringlich.

„Ich bin in meine Arbeit vertieft…“ Ich versuche zu lächeln „Etwas was dir und Bluefire zu Gute kommen wird“, füge ich hinzu und nun lächelt auch er.

„Übertreib es nicht.“ Er zwinkert mir zu und geht dann in die Umkleide, um zu duschen.

Ich bin wirklich eine miserable Schauspielerin…

Wir kommen erst spät wieder im Hotel an und ich gähne herzhaft, als wir den Fahrstuhl verlassen.

„Man sollte meinen, wir sind fertig.“ Sean sieht mich belustigt an.

„Sorry, aber ich bin todmüde“, gebe ich zurück und schließe mein Zimmer auf.

„Bis morgen.“ Ich winke Alex, Sean und Jamie zu, ehe ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehe.

Ich genehmige mir eine heiße Dusche und komme gerade aus dem Bad, als es leise klopft.

Ich öffne die Tür und ein grinsender Jamie steht vor der Tür.

„Kann ich rein kommen?“ Er zieht mich in seine Arme und küsst mich, während er mich ins Innere des Zimmers bugsiert und die Tür hinter ihm ins Schloss fällt.

„Du bist doch schon drin.“ Ich lächle leicht und schlinge meine Arme um seinen Nacken.

„Anstand?“ Er zuckt leicht mit den Schultern und küsst mich erneut.

Als wir irgendwann einschlafen, fühle ich mich so wohl wie selten in meinem Leben. Ich genieße seinen Atem in meinem Nacken und selbst das leise Schnarchen stört mich überhaupt nicht.

Früh am nächsten Morgen klingelt sein Handy und ich stöhne leise.

„Bis später.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und zieht sich an, ehe aus meinem Zimmer schlüpft.

Beim Frühstück muss ich jedes Mal grinsen, wenn sich unsere Blicke treffen und auch er kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Die zwei Tage Aufenthalt in Prag müssen gestrichen werden, denn Pete hat noch Promo Termine für Deutschland und Italien bekommen. Nach dem Konzert heißt es gleich in den Flieger und ich setze mich neben Jamie.

Kaum in der Luft wird die Beleuchtung gedimmt und ich höre die anderen leise schnarchen. Jamie beugt sich zu mir und küsst mich innig.

„Jamie“, zische ich leise.

„Die anderen Schlafen. Glaub mir, selbst wenn das Flugzeug jetzt explodiert, dann bekommen die nichts mit.“ Er zeichnet die Konturen meines Gesichtes mit seinem Zeigefinger nach.

Ich kuschele mich an ihn und frage mich bestimmt schon zum tausendsten Mal ob das alles so Richtig ist. Aber ich will nichts sagen, viel zu sehr genieße ich dieses Gefühl und ich habe Angst, es zu zerstören…

Er wird irgendwann zu mir… zu uns stehen. Da bin ich mir sicher... Na ja, fast…

Berlin, Rom, Wien, München und Bern sind Stippvisiten und ich bekomme nichts von den Städten mit. Wir landen meist am frühen Morgen, dann Interviews, Promotiontermine, ab ins Hotel, dann zur Halle und nach dem Konzert wieder in den Flieger.

Nach dem Konzert in Bern atmen wir alle tief durch, es stehen drei Woche Urlaub an und Jamie und ich haben vereinbart, dass wir eine Woche für uns nehmen. Wir haben uns in einem kleinen Hotel in einem kleinen Kaff namens Kingscourt ein Zimmer gemietet und wollen unseren Familie sagen, dass wir nur zwei Wochen Urlaub bekommen haben. Na ja, ich für meinen Teil werde Ami, Josh, Brad und Cody die Wahrheit sagen. Wie Jamie das mit seiner Familie hält, ist nicht meine Sache. Okay ist es schon, aber ich kann ihn ja schlecht zwingen…

Wir landen um 4 Uhr morgens in Dublin und ein Fahrer bringt mich nach Crosshaven. Um 8 Uhr stehe ich bei uns zu Hause vor der Tür und Ami nimmt mich in den Arm.

„Gott, bin ich froh dich zu sehen.“ Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände „Wir vermissen dich hier“, gibt sie zu und der Fahrer lädt meine gefühlten 10 Taschen aus dem Auto.

„Ich hole sie dann in drei Wochen ab.“ Er nickt mir zu und ich erwidere es.

„Aber…“ setzt Ami an und ich versetze ihr einen Stoß in die Rippen.

„Lass uns rein gehen.“ Ich nehme ein paar meiner Taschen und Ami schnappt sich den Rest.

„Was war das denn?“ Ami lässt die Taschen fallen und sieht mich skeptisch an „Hast du nicht gesagt, du musst in zwei Wochen schon wieder los?“

„Ami, können wir das auf später verschieben?“ Ich sehe sie bittend an. „Ich brauche eine Dusche und ein paar Stunden Schlaf, eher ich mich deiner Inquisition stelle“, gebe ich zu und sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Okay, Brad und Cody kommen zum Kaffee.“ Sie sieht mich durchdringend an und ich winke lässig ab.

„Warum nur war mir das klar?“ Ich gehe in den hinteren Teil und lasse meine Taschen achtlos fallen.

Wie ich feststelle, ist mir Ami nicht gefolgt und ich gehe unter die Dusche, ehe ich mich in mein Bett kuschele.

Bevor ich schlafe, telefoniere ich kurz mit Jamie.

„Bist du gut zu Hause angekommen, mein Engel?“ erkundigt er sich besorgt.

„Ja, alles gut. Ich bin nur müde und werde erst einmal Schlaf nachholen.“ Ich versuche ein Gähnen zu unterdrücken.

„Kann ich gar nicht verstehen“, kommt es von ihm und ich lache leise.

„Ich komme ja kaum zum Schlafen“, rüge ich ihn. „Willst du dich beschweren?“ Er lacht nun ebenfalls.

„Niemals, aber irgendwann braucht mein Körper einfach mehr als drei Stunden Schlaf am Stück“, gebe ich zu.

„Ich vermisse dich.“ Er schickt mir einen Kuss durchs Telefon.

„Ich dich auch.“ Ich lege mich ins Bett und schließe meine Augen.

„Ich liebe dich“, sagt er leise.

„Ich dich auch“, flüstere auch ich und lege auf.

Als ich wach werde, muss ich mich erst einmal orientieren. Kein Hotelzimmer… Nein, meine Wohnung, mein Bett und mein zu Hause!

Ich stehe auf und ziehe mir eine Jogginghose und ein Top an, ehe ich barfuss nach vorne zu Ami und Josh gehe.

Brad und Cody sind schon da und ich werde erst einmal von allen in den Arm genommen, ehe ich mir Charlie kralle und ihn an mich drücke.

„Hey, mein Süßer.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf den Mund und er quiekt.

„Hinsetzen, Liljana.“ Ami sieht mich streng an und auch die anderen mustern mich skeptisch.

„Was hast du ihnen erzählt?“ ich sehe von Ami zu Cody, Brad und Josh.

„Nur dass es mir komisch vorkommt, dass du mir gesagt hast, du musst in zwei Wochen wieder los und der Fahrer dich in drei Wochen abholen will. In meiner Zeitrechnung fehlt da irgendwie eine Woche.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Ja, weil ich die Woche woanders verbringe.“ Ich setze mich mit Charlie auf dem Schoß an den Tisch.

„Und wo bitte?“ Brad mustert mich und ich kann nicht verhindern, dass ich lächeln muss.

„In Kingscourt“, gebe ich zurück.

„Wo zum Teufel ist Kingscourt und was machst du da?“ Josh legt seinen Kopf schief.

„Kingscourt ist ein kleines Kaff im Norden Irlands und ich bin dort in einem Hotel.“ Ich atme tief durch.

„Mit wem?“ Josh lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

„Mit Jamie“, gebe ich schließlich zu und alle sehen mich mit großen Augen an.

„Wie ist das denn bitte passiert?“ fängt sich Cody als Erster.

Ich erzähle ihnen von Prag und auch von der Bitte, die Jamie mir gegenüber geäußert hat.

„Schämt er sich für dich?“ Ami sieht mich entsetzt an.

„Nein, ich glaube er ist einfach nur vorsichtig.“ Meine Stimme klingt unsicher und genauso fühle ich mich auch.

Unsicher darüber ob Jamies Gefühle echt sind, denn die Trennung von Caroline ist schon durch alle Instanzen der Presse und so blind können Sean, Alex und Pete nicht sein, oder doch?

Ich schiebe das erst einmal beiseite und höre mir dann die Neuigkeiten an die mir die anderen erzählen.

„Wow, wenn ich euch so höre, dann war ich nicht nur drei Monate weg, sondern ein halbes Leben“, lache ich und Brad zieht mich an seine Brust.

„Mir kommt es so vor, als seihst du schon Jahre weg.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ihr fehlt mir alle“, seufze ich leise.

„Glaub mir, du fehlst uns auch.“ Ami sieht auf Charlie, der auf meinem Arm eingeschlafen ist.

„Ich bringe ihn ins Bett“, sage ich leise und stehe mit ihm auf dem Arm auf.

Ich lege ihn in sein Bett und betrachte ihn einen Moment.

Er ist so wahnsinnig gewachsen und seine blonden Haare werden immer dunkler. Scheint als würde er doch nicht immer blond bleiben. Ich streiche ihm über sein Köpfen, stelle den Babyalarm ein und gehe wieder nach unten.

„Ob sie weiß, was sie tut?“ höre ich Josh besorgt fragen.

„Sie ist 26, wir können sie nicht vor allem beschützen“, erwidert Cody ihm und ich muss grinsen.

Sie machen sich Sorgen um mich und klar, ich würde gerne sagen, dass sie das nicht brauchen… Aber… Tja aber. Ich habe keine Ahnung wohin das alles führen wird und ob es gut geht, aber dieses Mal können sie mich nicht beschützen, das muss ich schon alleine machen.

„Kommt Jungs, Lilly ist clever. Wenn es dieser Jamie nicht ernst mit ihr meint, dann wird sie ihn durchschauen“, meldet sich nun Ami zu Wort und ich betrete die Küche.

„Ich bin schon groß, Jungs.“ Ich setze mich lächelnd hin und alle sehen mich ertappt an. „Es ist super lieb, dass ihr euch Sorgen macht. Aber bitte, das ist meine Sache.“ Ich sehe sie an und sie nicken alle.

„Wir wollten uns nicht einmischen.“ Cody nimmt meine Hand.

„Ich weiß“, gebe ich lächelnd zurück.

„Wein?“ Ami steht auf und holt eine Flasche aus dem Küchenschrank.

„Immer doch“, lächle ich.

Sie zwinkert mir zu und ich weiß, sie will einfach nur, dass die Jungs ihre Großer–Bruder-Anwandlungen mal sein lassen.

In den nächsten zwei Wochen merke ich, dass 24 Stunden für einen Tag verdammt wenig sind. Wir besuchen unseren Dad, ich verbringe viel Zeit mit Charlie und gehe mit Brad und Cody einkaufen.

Erst jetzt merke ich so richtig, wie sehr sie mir fehlen und wie gerne ich all meine Erlebnisse mit ihnen teilen möchte.

Außer Ami spricht mich keiner auf Jamie an, aber ich denke, sie wissen einfach wie unsicher ich mir bin und wollen nicht noch Salz in die Wunde streuen.

Außer mein Schwesterherz natürlich… sie streut so viel Salz in die Wunde, wie es ihr passt.

„Stelle ihm ein Ultimatum…“ Sie sieht mich durchdringend an, als ich meine Tasche packe.

„Ami, ich will ihn nicht verlieren.“ Ich seufze leise. Wie oft haben wir genau dieses Gespräch in den letzten 14 Tagen geführt? 100 Mal würde nicht ausreichen…

„Wenn er dich wirklich liebt, dann verlierst du ihn nicht.“ Sie setzt sich aufs Bett und sieht mich an.

„Bitte Ami…“ ich sehe sie bittend an „… Lass mich meine eigenen Entscheidungen treffen.“

„Okay Lilly, aber bitte lass nicht zu, dass er dich ausnutzt.“ Sie nimmt meine Hand.

„Ich passe auf mich auf“, verspreche ich ihr.

Draußen hupt das Taxi und ich nehme sie in den Arm.

„Ich will einfach nicht, dass er dir das Herz bricht“, sagt Ami leise.

„Das wird er nicht.“ Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

Das Taxi bringt mich zu einem Parkplatz etwas außerhalb von Crosshaven und ich lächle, als ich Jamie in einem Leihwagen sitzen sehe. Mein Herz schlägt so heftig, dass ich denke, es müsste hinaus springen.

Ich bezahle schnell den Fahrer und steige auf der Beifahrerseite des Leihwagens ein.

Er strahlt mich an und küsst mich zärtlich.

„Du hast mir gefehlt, mein Engel.“ Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr.

„Du mir auch“, grinse ich.

Dann lässt er mich los und startet den Motor, wir haben noch fast 4 Stunden mit dem Auto vor uns ehe wir in Kingscourt sind.

Er erzählt mir von seiner Familie und ich erzähle ihm, was Ami, die Jungs und ich so angestellt haben. Es ist schon später Nachmittag, als wir im Hotel ankommen.

„Schönen Guten Tag und willkommen im Kingscourt Manor. Wie kann ich ihnen helfen?“ Eine junge Frau sieht mich und Jamie ein wenig skeptisch an.

Jamie trägt ein Basecap tief ins Gesicht gezogen und eine Sonnenbrille, obwohl der Himmel draußen voller Wolken ist.

„Wir haben reserviert. Mr. und Mrs. Black“, sagt Jamie und ich unterdrücke ein Grinsen.

Wie einfallsreich…

Sie tippt auf ihrem Computer herum und sieht dann wieder zu uns „Wir haben die Juniorsuite für sie reserviert.“ Sie reicht uns eine Schlüsselkarte über den Tresen. „Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“

„Vielen Dank“, bedanke ich mich höflich und Jamie nimmt unsere Taschen, während ich die Karte an mich nehme.

Das Zimmer ist wirklich schön geschmackvoll eingerichtet und das riesige Bett lädt zum Schlafen regelrecht ein. Doch kaum das wir im Zimmer sind, lässt Jamie die Taschen fallen und küsst mich stürmisch.

„Was wird denn das?“ lache ich und sehe ihn lächelnd an.

„Ich bin auf Entzug und will dich“, raunt er mir ins Ohr und zieht mir meine Jacke aus.

Wir fallen beinahe übereinander her und ich grinse ihn eine Stunde später atemlos an.

„Das war…“ ich versuche wieder Luft in meine Lungen zu bekommen „… Wow“, sage ich schließlich.

„Und das ist erst der Anfang.“ Er lächelt süffisant und ich rolle mich auf ihn.

„Versprich nichts, was du nicht halten kannst.“ Ich küsse ihn hingebungsvoll.

„Niemals“, grinst er und umfasst meinen Po.

Tatsächlich kommen wir die nächsten 7 Tage nicht einmal aus dem Zimmer und nutzen alle Möglichkeiten, die es bietet, um mit einander zu schlafen. Der Zimmerservice versorgt uns wirklich gut und keiner stellt Fragen. Unsere Handys sind ausgeschaltet und ich genieße die Zeit. So ruhig war es selten in meinem Leben und ich beschließe, dass ich mir solche Auszeiten öfter gönnen muss. In ein paar Stunden schon treffen wir uns mit den anderen am Flughafen in Dublin. Ich will nicht über Amis Worte nachdenken, aber dennoch ertappe ich mich immer wieder dabei.

„Jamie?“ Ich hebe meinen Kopf von seiner Brust liegt.

„Was denn?“ Er streicht zärtlich über meinen Rücken.

„Ich will es vor Alex, Sean und Pete nicht länger geheim halten. Ich kann das einfach nicht…“ gestehe ich leise.

„Warum auf einmal?“ fragt er nach ein paar Sekunden.

„Schämst du dich für mich?“ antworte ich mit einer Gegenfrage.

„Natürlich nicht, wie kommst du darauf?“ Er dreht sich und ich sehe ihn nun an.

„Ami versteht diese ganze Heimlichtuerei nicht“, gebe ich zu.

„Du hast es Ami erzählt?“ fragt er erstaunt.

„Jamie… Sie ist meine Schwester. Selbst wenn ich es wollte, ich kann so etwas nicht vor ihr geheim halten.“ Ich schließe gequält die Augen.

„Was genau erwartest du von mir?“ Seine Stimme klingt plötzlich kühl und ich sehe ihn erstaunt an.

„Was ich will?“ echoe ich und er nickt.

„Ich will, dass du zu uns stehst“, sage ich leise.

Ist das nicht offensichtlich?

„Lilly, ich liebe dich, aber…“ setzt er an.

„Nein Jamie, dieses eine Mal kein aber“, bitte ich ihn.

„Ich kann das nicht.“ Er setzt sich auf und ich rolle mich zusammen. Ich kann nicht verhindern, dass mir einzelne Tränen über die Wangen laufen.

„Bitte nicht weinen.“ Er legt sich zu mir und zieht mich in seine Arme.

„Ich kann das so nicht“, schluchze ich, „Die letzten Wochen waren die Schönsten und zugleich die Schlimmsten in meinem Leben. Ich liebe dich so sehr, aber ich kann mich nicht tagsüber verstellen, während wir in den Nächten so tun, als sei alles normal so wie es ist.“

„Nach der Tour kläre ich alles auf, versprochen.“ Er küsst meine nackte Schulter.

„Dann ist unsere Beziehung so lange auf Eis gelegt. Ich belüge Alex, Sean und Pete nicht länger“, sage ich sicher.

Diese Entscheidung habe ich eben gerade getroffen und ich habe nicht vor, mich davon abbringen zu lassen.

„Lilly bitte.“ Er zieht mich zu sich.

„Nein Jamie…“ ich mache mich los „Werde dir klar darüber was du willst, was du bereit bist zu geben und was du von mir genau erwartest. So wie es bisher gelaufen ist wird es nicht funktionieren.“ Ich stehe auf und beginne mich anzuziehen.

„Ich liebe dich, Lilly“, sagt er leise.

„Ich dich auch, aber das ist augenscheinlich nicht genug.“ Ich ziehe mir meinen Pullover über. „Ich nehme mir ein Taxi nach Dublin. Pack in Ruhe, wir sehen uns am Flughafen.“ Ich nehme meine Tasche und ziehe die Tür hinter mir ins Schloss.

Als ich im Taxi sitze, rufe ich zuerst Ami an und sie versucht mich zu trösten und mir Mut zu zusprechen, dass schon alles gut gehen wird. Katie teilt ihre Meinung nicht und hält mit ihrer Meinung über Jamie nicht hinterm Berg, als ich sie nach Ami anrufe.

Am Flughafen gibt er erst einmal ein großes Hallo und ich bekomme tolle Komplimente, wie fertig ich aussehe.

„Ihr habt mir auch gefehlt.“ Ich verdrehe die Augen, als sie endlich fertig sind.

„Dieses Mal nur 10 Konzerte, dann 14 Tage Urlaub und dann haben wir Weihnachtsfrei“, freut sich Sean und lässt sich neben mich plumpsen.

„Ja, ich freue mich auch“, gebe ich zu „Wann kommen Ally und Eve?“

„Sie kommen direkt nach Spanien, wow 14 Tage Erholung…“ Er streckt sich und ich grinse.

„Du hast sie doch gerade 3 Wochen um dich gehabt.“ Ich schüttele den Kopf.

„Für wahre Liebende ist auch nur ein Tag der Trennung eine Qual.“ Er zwinkert mir zu.

„Ist das euer nächster Song?“ feixe ich.

Sean hebt eine Augebraue und Jamie setzt sich uns gegenüber.

Nur kurz treffen sich unsere Blicke und ich sehe schnell weg.

„Lill, du sollst in zwei Tagen zu Louis ins Büro, er möchte mit dir einige Sachen wegen der Veröffentlichung sprechen und die Sachen durch gehen, die du schon geschrieben hast.“ Pete setzt sich neben Jamie und sieht mich an.

„Aber sicher“, gebe ich leicht verwirrt zurück.

„Also fliegen wir von Paris aus nach Brüssel und du wieder hierher nach Dublin.“ Er tippt auf seinem i-Pad herum. „Ich gebe dir Derek mit, dann hast du einen Fahrer.“ Er sieht auf und ich nicke.

„Danke“, stottere ich.

„Was ist los Lill?“ Sean grinst breit „Überrascht?“

„Ja“, gebe ich zu.

„Komm schon, wie viel hast du schon geschrieben? Das wird sicher nicht lange dauern.“ Er drückt meine Hand.

„Um genau zu sein habe ich schon über 800 Seiten und muss schauen, was ich wie kürze…“ Ich atme hörbar aus. „Wahrscheinlich wollte Louis das nicht am Telefon durch gehen und deswegen will er mich sehen.“

„Du telefonierst mit Louis?“ kommt es von Pete und Sean gleichzeitig.

„Aber sicher, er ist quasi mein Auftraggeber.“ Ich sehe beide an „Was habt ihr denn gedacht? Dass ich hier munter vor mich hin schreibe und ihm dann alles auf den Tisch knalle, wenn ich fertig bin?“ Ich sehe fragend zu Pete.

„Ja, im Grunde genommen habe ich genau das gedacht“, gibt er zu.

„Ist aber nicht so, ich telefoniere alle 14 Tage mit Louis.“ Ich sehe aus dem Fenster und stelle fest, dass wir schon rollen.

„Es geht los.“ Pete schnallt sich an und wir tun es ihm gleich.

Als wir starten sehe ich Dublin in der Nacht unter uns verschwinden…

Ein Lichtermeer. Wunderschön.

„Du hast Louis doch nicht…“ Jamie beugt sich zu mir.

„Was habe ich Louis nicht?“ Ich funkele ihn an.

Das ist ja schon fast paranoid.

„Von uns erzählt…“ flüstert er.

„Für wie doof hältst du mich?“ Ich schüttele den Kopf und stehe auf.

Alex und Sean zocken und ich setze mich zu ihnen, um sie zu beobachten. Jamie setzt sich neben mich und ich rutsche ein Stück von ihm weg. Er sieht mich an und ich schüttele nur leicht mit dem Kopf.

Als wir in Paris landen, lasse ich es mir nicht nehmen und sehe mir, noch bevor ich ins Bett gehe, den Eifelturm bei Nacht an.

„Wunderschön nicht wahr?“ raunt mir eine Stimme ins Ohr, als ich hinauf sehe.

„Jamie, was soll das?“ Ich fahre herum.

„Komm schon, Lilly, bitte tue mir das nicht an…“ Er nimmt meine Hände in seine.

„Ich tue dir gar nichts an…“ ich mache mich los „… Wir haben einen Deal, halt dich dran und halte dich von mir fern.“

„Das kann ich nicht“, gibt er zu, er nimmt mein Gesicht ins seine Hände und küsst mich. „Glaub mir Lilly, so sehr ich es auch versuche, ich kann es nicht.“ Er sieht mich bittend an.

„Dann steh zu uns“, flüstere ich.

„Ich kann nicht“, gibt er zurück.

„Dann gehe ich jetzt.“ Ich atme tief durch, dann gehe schnurstracks zum nächstbesten Taxi und lasse mich ins Hotel bringen. Während die Jungs am nächsten Tag ein volles Programm haben, klinke ich mich aus und überarbeite mein Geschriebenes. Ich muss Louis ja nicht 800 Seiten vorlegen…

Am Abend machen wir eine Stadtrundfahrt und Jamie, der in der hintersten Reihe neben mir sitzt nimmt meine Hand, während Derek uns den Fremdenführer gibt und uns alles erklärt.

„Je t'aime“, flüstert er mir ins Ohr und ich drücke seine Hand.

Ich zweifele daran, ob er mich wirklich liebt… Wenn er mich so sehr liebt, wie er sagt, warum steht er dann nicht einfach zu uns?

In der Nacht schleicht er sich zu mir und wir liegen nebeneinander im Bett, ohne uns zu berühren. Wir reden nicht, sondern sehen uns einfach nur an. Ich will so gerne nachgeben, aber was hätte das für einen Sinn?

Nach dem zweiten Konzertabend verabschiede ich mich vorerst und fliege das erste Mal seit Monaten mit einer Linienmaschine. Ich gebe zu, ich vermisse den Luxus des Privatjets ein wenig. Derek sitzt neben mir und mustert mich argwöhnisch.

„Was läuft mit dir und Jamie?“ fragt er plötzlich.

„Was? Nichts“, antworte ich viel zu schnell und viel zu heftig.

„Komm schon Kleines, ich bin doch nicht blind.“ Er zwinkert mir zu und ich erkenne, dass hinter der Frage keine böse Absicht steckt.

„Es ist kompliziert.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Das ist es immer.“ Er stößt mich leicht an. „Lass dir nicht das Herz brechen.“

„Ich versuche es“, gebe ich zurück.

Ein Wagen steht am Flughafen und bringt mich und Derek erst einmal in ein Hotel und am nächsten Morgen, früh zu Louis.

Tatsächlich brauchen wir fast 2 Tage bis ich mein Buch soweit gekürzt habe, dass es annähernd passt.

„Was willst du noch alles schreiben?“ Louis sieht mich fragend an, als ich meinen Laptop wieder in der Tasche verstaue.

„Ich will noch mehr über ihre Musik schreiben und über das Zusammenspiel mit der Crew“, denke ich laut nach.

„Klingt gut, ich bin sehr zufrieden mit dir und ich bin dankbar, dass du das alles so professionell machst.“ Er lächelt leicht und mein Lächeln gefriert.

„Danke Louis“, presse ich heraus und reiche ihm die Hand.

„Wir hören uns, Liljana.“ Er drückt meine Hand und ich erwidere den Druck.

„Aber sicher“, erwidere ich und lasse mich von ihm zur Tür begleiten.

„Bestell Pete und den Jungs einen lieben Gruß von mir.“ Louis winkt mir hinterher, während mich Derek in Empfang nimmt.

„Das mach ich.“ Ich winke ebenfalls und Derek und ich stiegen in den Fahrstuhl.

„Du siehst müde aus.“ Derek betrachtet mich.

„Ich bin wirklich erledigt, ich habe letzte Nacht nur 3 Stunden geschlafen.“ Ich unterdrücke ein Gähnen.

„Dann komm. Der Flieger nach Amsterdam geht in einer Stunde. Wir müssen uns beeilen, wenn Pete noch mal umbuchen muss, dann bekommt er einen Herzanfall.“ Er lacht leise und ich stelle mir Pete vor, wie er sich ans Herz greift und muss ebenfalls lachen.

Kaum im Flugzeug übermannt mich meine Müdigkeit.

„Komm Kleines, wir sind da“, weckt mich Derek und zieht mich hoch.

Wir warten schier endlos lange auf unser Gepäck und sind dann auch schon im Hotel.

Ich gehe ins Bett und obwohl es erst später Nachmittag ist, schlafe ich bis zum nächsten Morgen durch.

„Aufstehen!“ es hämmert an meiner Tür und ich sehe verschlafen zu meiner Uhr.

8:22 Uhr blinkt mich an und ich stöhne leise.

„Bist du wach?“ ertönt eine fröhliche Stimme und ich erkenne die Stimme von Belle.

„Ja“, murmele ich und sie kommt rein.

„Hey, du!“ Sie setzt sich zu mir aufs Bett und nimmt mich in den Arm.

„Hey, ich wusste gar nicht, dass du kommst.“ Ich grinse sie an.

„Überraschung“, lächelt sie „Ich bin schon seit gestern hier, aber Louis hatte dich ja in Beschlag genommen.“

„Ich freue mich, dass du hier bist“, gebe ich zu.

„Und?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.

„Was und?“ Ich sehe sie verständnislos an.

„Hast du wegen deinem Bruder recherchiert?“ Sie zieht eine Augenbraue hoch.

Einen Moment lang dachte ich wirklich, sie hat irgendwie Wind von der Sache mit mir und Jamie bekommen…

Ach ja, Domenic…

„Ich habe recherchiert und ich habe seine Adresse, er wohnt in…“ ich hebe meinen Laptop, der neben meinen Bett steht auf meinen Schoß und tippe kurz darauf herum „Er wohnt in der Emmastraat in Weesp, ein Vorort von Amsterdam. Das hoffe ich zu mindestens, er ist der einzige Domenic van Graasten im Telefonbuch.“ Ich sehe sie an und sie nickt zufrieden.

„Sicher, dass du das machen willst?“ Sie nimmt meine Hand.

„Ja, ich muss wissen, was los war. Warum er sich nicht meldet. Ich war seine Zaubermaus und dann plötzlich nichts mehr?“ Ich zucke leicht mit den Schultern.

„Ich bin hier, wenn was ist.“ Sie lächelt und ich muss grinsen, ihr Lächeln kann einen ganzen Raum erhellen. „Und jetzt komm, die Jungs sind beim Frühstück und warten auf ihre versprochene Stadttour.“ Sie zwinkert mir zu und springt auf „In 20 Minuten bist du unten.“ Sie dreht sich in der Tür kurz um und ich steige aus meinem Bett. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass es regnet… Es wird also eine Tour im Auto.

Ich ziehe mich um und gehe dann in den Speisesaal.

„Guten Morgen!“ begrüßen mich alle fröhlich und ich bestelle mir im Vorbeigehen bei der Kellnerin einen O-Saft und ein Rührei.

„Guten Morgen.“ Ich setze mich an den Tisch und alle sehen mich gespannt an.

„Was denn?“ grinse ich.

„Wann geht’s los?“ Alex legt seinen Kopf schief.

„Also gut Jungs, versprochen ist versprochen…“ Die Kellnerin stellt mir mein Frühstück vor die Nase „Danke.“ Bedanke ich mich höflich und sehe dann wieder in die gespannten Gesichter „Dem Wetter entsprechend wird es wohl eine Autotour, aber ich denke, das wird euch gefallen.“

Nachdem ich aufgegessen habe machen wir uns auf den Weg und dieses Mal chauffiert uns Roger. Ich habe mich tatsächlich schon gefragt, ob Derek auch mal schläft.

Wir fahren zum Stadthafen und ich mache mit allen eine Grachtentour. Sie sind begeistert und ich erzähle einige Anekdoten aus meiner Kindheit. Dann fahren wir zum Anne Frank Haus, zum van Gogh Museum und zu guter Letzt zur Amsterdam Arena. Die Jungs sind wirklich begeistert und als wir dann auch noch die heiligen Hallen der Arena betreten dürfen, da ist es um sie geschehen.

Tja ich kenne die Jungs, sie lieben Fußball und schauen sich fast in jeder Stadt das Stadion an.

Erst kurz vor ihrem Konzert kommen wir an der Halle an und es wird einen Moment richtig hektisch.

Wie immer nach einem Konzert, sind die Jungs danach wie aufgezogen und ich kann nur den Kopf schütteln. Ich für meinen Teil bin echt erledigt.

Als wir an einer Kreuzung halten sieht Alex raus und dann zu mir.

„Ist das die Musikhochschule?“ er deutet auf ein Gebäude und ich nicke.

„Ja“, sage ich nur.

„Fragst du dich manchmal, wie es gelaufen wäre, wenn sie dich genommen hätten?“ Belle sieht zu mir und ich zucke mit den Schultern.

„Nein, eher nicht. Alles hat seinen Sinn, so wie es gekommen ist.“ Ich sehe kurz zu Jamie und er sieht mich leicht lächelnd an.

Wieder im Hotel beschließen Belle, Sean und Alex noch an die Hotelbar zu gehen, während ich mich ins Bett verabschiede. Jamie steigt zu mir in den Fahrstuhl und ich sehe ihn überrascht an.

„Willst du nicht mit den anderen mit?“ Ich lehne mich gegen die Rückwand.

„Nein, denn dann könnte ich das nicht tun.“ Er kommt mit einem großen Schritt zu mir und küsst mich zärtlich.

„Jamie…“ Ich mache mich von ihm los.

„Lilly, ich will einfach neben dir einschlafen.“ Er sieht mich bittend an.

Ich ringe einen Moment mit mir und nicke dann ganz leicht.

Eine Stunde später liegen wir in meinem Bett und ich betrachte ihn.

„Warum kannst du es ihnen nicht sagen?“ flüstere ich.

„Ich habe Angst“, gibt er das erste Mal zu und ich nehme seine Hand.

„Wovor denn?“ meine Stimme ist nur ein Hauchen.

„Ich will nicht, das sie was Falsches denken. Ich habe mich gerade nach fünf Jahren von Caroline getrennt und stürze mich gleich in die nächste Beziehung. Ich weiß nicht, ob das alle verstehen können.“ Er seufzt leise.

„Und nach der Tour ist es anders?“ Ich sehe ihn unsicher an.

„Dann ist ein wenig Gras über die Sache gewachsen.“ Er sieht mich an und ich beuge mich zu ihm um ihn zu küssen.

„Danke.“ Ich fahre ihm durch die Haare und er sieht mich erstaunt an.

„Wofür denn?“ Er zieht mich zu sich.

„Das du ehrlich warst“, gebe ich zu.

So langsam ergibt es in meinem Kopf einen Sinn. Jamie hat Angst… So einfach ist das. Kann ich es verstehen? Nein… Ja… Ein wenig.

Er küsst meinen Hals und ich stöhne leise. Wollte ich nicht genau das verhindern? Dass wir uns wieder so nahe kommen? Langsam schiebt er den Träger meines Tops runter und küsst meine Schulter. Egal… Ich will ihn. Ich ziehe ihn hoch und küsse ihn stürmisch.

„Wie war das mit Abstand?“ fragt er mich atemlos.

„Echt jetzt?“ Ich sehe ihn an und der grinst schelmisch.

„Natürlich nicht.“ Er zieht mir mit einer geschickten Handbewegung das Top über den Kopf.

Ich lache leise und knöpfe sein Hemd auf, meine Hände streichen über seine Brust und fahren hinunter zu seinem Hosenbund.

„Ganz ehrlich Lilly, du machst mich wahnsinnig“, raunt er.

Ich nestele an seinem Gürtel herum und öffne den Reißverschluss. Er stöhnt leise und ich schließe meine Augen, unsere Bewegungen sind koordiniert und es ist fast gespenstisch, wie gut wir uns nach der kurzen Zeit kennen. Ehe ich wirklich weiß, was geschieht ist er über mir und ich sehe ihn an. Seine braunen Augen sehen mich voller Liebe und Hingabe an und als er in mich eindringt, da halte ich mich an ihm fest. Er bewegt sich langsam, quälend langsam und ich umschlinge ihn mit meinen Beinen. Irgendwann hat er endlich Erbarmen und fängt an sich schneller zu bewegen, doch das reicht mir nicht. Ich schubse ihn leicht und liege Augenblicke später auf ihm. Ich setze mich auf und er sieht mich erstaunt an.

Nun kann ich endlich das Tempo bestimmen, meine Haare kleben feucht an meinem Rücken und an meiner Brust und er umfasst meinen Po, um mich zu kontrollieren. Doch ich lasse mich nicht unter Kontrolle bringen, ich bin ungehemmt und wild und als ich endlich meinen Höhepunkt erreiche, da tanzen tausend kleine Sternchen vor meinen Augen. Auch Jamie kommt und drückt mich auf seinen Schoß. Atemlos lasse ich mich auf seine Brust sinken.

„Wow, mein Engel…“ flüstert er und obwohl ich ihn nicht sehe, weiß ich, dass er grinst.

„Halt die Klappe“, flüstere ich und merke wie ich rot werde.

„Also wirklich…“ rügt er mich lachend.

Ich rolle mich von ihm runter und kuschele mich an ihn.

„Wollen wir morgen den ganzen Tag im Bett bleiben?“ Er knabbert zärtlich an meinem Ohr.

„Nein, eher nicht. Ich habe noch etwas zu erledigen“, gebe ich ausweichend zurück.

Ich habe furchtbare Angst davor, wie mein Treffen mit Domenic laufen wird, aber ich muss das machen. Wer weiß schon, wann ich das nächste Mal die Gelegenheit dazu habe.

„Was denn?“ fragt Jamie und ich schlucke.

„Eine Sache aus meiner Vergangenheit muss geklärt werden“, antworte ich wage.

Ich will ihn nicht mit den Problemen meiner Familie noch mehr belasten, das was er weiß genügt schon…

„Okay.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und ich merke wie ich langsam einschlafe.

Ich blinzele ein paar Mal, denn die Sonne scheint direkt ins Zimmer und sucht sich diesen kleinen Spalt zwischen den Vorhängen um mich zu blenden. Ich strecke mich und sehe Jamie an, der friedlich neben mir schläft.

Ich lächle und entwinde mich seiner Umarmung, ich schleiche ins Bad, dusche und ziehe mich an. Ich binde meine Haare zu einem lockeren Knoten und betrachte mich skeptisch.

Wie wird Domenic nach 12 Jahren reagieren mich zu sehen? Wird er mich sehen wollen? Ich atme tief durch und schleiche mich dann aus meinem eigenen Zimmer. Im Flur laufe ich prompt Belle in die Arme.

„Na bereit?“ Sie legt ihren Arm um meine Schulter.

„Ich denke ja“, gebe ich zurück und sie lächelt.

„Alles wird gut, verlange nicht zu viel von ihm und stelle keine zu hohen Erwartungen“, rät sie mir, als wir den Fahrstuhl in der Lobby verlassen. „Willst du nicht mit uns Frühstücken?“

„Nein, nein…“ ich winke ab „… Ich habe keinen Hunger.“

„Viel Glück, Lill!“ ruft sie mit hinterher und ich besteige das erstbeste Taxi.

„In die Emmastraat 24 in Weesp“, weise ich den Fahrer an und wir setzen uns in Bewegung.

Mein Herz droht stehen zu bleiben, als wir vor dem Haus halten und ich bezahle den Taxifahrer mit zitternden Händen. Ich suche nach dem Klingelschild am Gartentor und werde schließlich fündig.

Domenic, Mieken & Piet van Graasten

Gott, mein Bruder ist verheiratet und hat ein Kind… Kein Wunder, ich meine er ist 31. Was habe ich erwartet? Ich ringe mit mir und drücke schließlich auf den Klingelknopf.

„Ja?“ ertönt eine männliche Stimme durch die Sprechanlage und ich schlucke.

„Hallo? Ist da jemand?“ fragt die Stimme nun.

„Dom?“ frage ich leise.

„Ja, ich bin Domenic. Wer sind sie?“ Er klingt verwirrt.

„Ich bin’s… Liljana“, sage ich und versuche meine Stimme sicher klingen zu lassen.

Dann ist ein Klicken in der Leitung zu hören und das Tor springt auf.

Ich setze ganz langsam einen Fuß vor den anderen. Dieses Grundstück ist riesig und das Haus erst. Die Tür geht auf und ich sehe ihn das erste Mal nach so langer Zeit wieder.

Ich hätte ihn unter Millionen Menschen wieder erkannt. Seine grünen Augen sehen mich fragend an und seine Haare sind strubbelig wie eh und je.

„Zaubermaus?“ Er läuft auf mich zu und ich lächle unter Tränen. Er kommt bei mir an und drückt mich fest an sich.

„Du hast mir so sehr gefehlt“, gesteht er mir leise.

„Du mir auch Dom“, schluchze ich.

„Komm lass uns rein gehen. Mieke und Piet sind gerade bei Miekes Eltern…“ Er sieht mich an, schüttelt ungläubig den Kopf und drückt mich erneut an sich. „…Ich freue mich so sehr dich zu sehen und Wahnsinn…“ er betrachtet mich einen Augenblick „Du bist wunderschön.“

„Danke.“ Ich wische meine Tränen beiseite und wir betreten sein Haus.

Es ist wunderschön eingerichtet und ich sehe mich staunend um.

„Wow, du hast es echt geschafft, oder?“ Ich sehe zu ihm und er nimmt mir meine Jacke ab.

„Ich bin Börsenmakler, auch wenn die letzten Jahre hart waren, so habe ich mir doch einiges erarbeitet“, gibt er zu und wir gehen ins Wohnzimmer.

Ich setze mich auf die Couch und er reicht mir ein Glas Wasser, das ich mit zittrigen Händen entgegen nehme.

„Wie kommst du hier her?“ Er setzt sich neben mich.

„Ich bin beruflich unterwegs und habe drei freie Tage hier. Ich war nicht sicher, ob ich zu dir kommen soll…“ Ich sehe ihn prüfend an.

„Aber warum denn nicht?“ Er sieht mich bestürzt an.

„Wir haben seit 12 Jahren weder etwas von dir noch von Mum gehört.“ Ich drehe das Glas in meinen Händen.

„Aber das kann ich nicht sein, ich habe immer wieder Briefe geschrieben und versucht euch zu finden, die Iren sind nicht sehr auskunftsfreudig.“ Er stützt seinen Kopf auf seine Hände und plötzlich ist er in meinen Augen wieder 19, da haben wir uns das letzte Mal gesehen… Vor Gericht.

„Was hat Mum dir erzählt?“ will ich nach einer kleinen Pause wissen.

„Dass Ami, Dad und du nach Sligo gezogen seid. Irgend so eine Stadt im Nordwesten Irlands und dass ihr keinen Kontakt wünscht.“ Er sieht mich an und ich merke, wie es in seinem Kopf Klick macht. Das haben wir nie gewollt und es scheint, als werde ihm das gerade klar.

„Das stimmt nicht, oder?“ fragt er vorsichtig.

„Nein Dom…“ ich nehme seine Hand „Du bist unser großer Bruder, wir haben dich jeden Tag vermisst und wir wohnen nicht in Sligo, sondern in Crosshaven. Das ist eine kleine Stadt im Südosten Irlands und 350 km weit von Sligo entfernt.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Sie hat mich manipuliert.“ Er schüttelt traurig den Kopf.

„Wie geht es ihr?“ Meine Stimme zittert, denn eigentlich will ich es gar nicht wissen.

„Keine Ahnung. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr. Das letzte Mal habe ich sie vor 5 oder 6 Jahren gesehen. Sie hat neu geheiratet und wohnt in Eindhoven glaube ich. Willst du sie sehen?“ Er sieht mich an und ich schüttele den Kopf.

„Nein, ich habe ihr nichts zu sagen“, gebe ich sicher zurück.

„Ich kann es nicht glauben…“ er sieht mich immer noch ungläubig an.

„Ich bin hier“, flüstere ich.

„Ja…“ Er nimmt mich erneut in den Arm und ich spüre seine Tränen auf meiner Wange, die sich mit meinen vermischen. „Meine Zaubermaus.“

„Mein Dom“, erwidere ich leise.

Eine Weile sitzen wir einfach nur so da, dann sieht er mich an und lächelt unter Tränen.

„Was machst du beruflich, dass es dich nach Amsterdam verschlägt?“ Er drückt meine Hand.

„Ich bin Schriftstellerin oder Autorin…“ ich lächle ebenfalls und seine grünen Augen leuchten „… Ich habe Journalismus studiert und arbeite für einen kleinen Verlag. Im Moment bin ich mit einer ziemlich angesagten Band unterwegs und schreibe ein Buch über sie“, erkläre ich ihm.

„Wow, meine kleine Schwester ist erwachsen…“ er nickt stolz „Ich dachte immer, du machst was mit Musik.“

„Ich spiele kein Klavier mehr, erst vor ein paar Wochen habe ich das erste Mal wieder gespielt.“ Ich seufze leise.

„Wie geht es Ami?“ will er nun wissen und ich fühle mich wie bei einem Interview… Nur kommen hier die Fragen von beiden Beteiligten.

„Sie hat vor 2 Jahren Josh geheiratet. Eigentlich Joshua, er ist toll. Sie haben sich bei der Arbeit kennen gelernt, sie sind beides Bürohengste…“ ich lache leise „… Ich wohne mit ihnen zusammen, ich habe eine Einliegerwohnung im hinteren Teil des Hauses. Am 6. Juni haben sie und Josh einen kleinen Sohn bekommen. Charlie.“

„Wie, Dad“, stellt Josh fest und ich nicke.

Er weiß nichts… schießt es mir durch den Kopf. Er weiß nicht, was mit Dad passiert ist… Gott, er weiß nichts!

„Wie geht es Dad?“ stellt er die Frage, vor der ich mich am meisten gefürchtet habe.

„Nicht gut.“ Ich atme tief durch und erzähle ihm alles.

Er weint und tigert im Zimmer auf und ab.

„Ich hätte da sein müssen.“ Er fährt sich durch seine dunkelblonden Haare.

„Dom, es hätte nichts geändert…“ ich stehe auf und gehe zu ihm. „Ami und ich bekommen das alles hin.“

„Ja, aber er ist auch mein Dad.“ Dom sieht mich unter Tränen an.

„Er hat dich geliebt, er hat dich sehr geliebt und er liebt dich immer noch.“ Ich nehme ihn in den Arm.

„Ich werde mit Mieken sprechen, ich will ihn sehen“, sagt er sicher und ich nicke.

„Er wird sich sehr freuen.“ Ich drücke ihn an mich.

„Wie lange bist du hier?“ er wischt sich seine Tränen beiseite.

„3 Tage noch, dann geht es nach Kopenhagen.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.

„Mieken und Piet kommen erst in 4 Tagen wieder, wenn ich sie anrufe, dann kommen sie bestimmt früher.“ Er sieht mich an.

„Nein, ich werde nicht das letzte Mal hier sein…“ ich nehme seine Hand in meine „Versprochen.“

„Bleibst du dann wenigstens bei mir? Ich habe so viele Fragen“, bittet er mich und ich nicke.

„Gerne.“ Ich lege meinen Kopf an seine Schulter.

„Danke“, erwidert er gerührt.

Ich rufe Derek an und er bringt mir meine Sachen. Er stellt keine Fragen und lächelt nur, als er das Haustürschild sieht.

Ich glaube, er ist gut im kombinieren…

Dom und ich reden viel. Wir reden über alles und wir rufen Ami an. Sie freut sich so sehr Doms Stimme zu hören und weint die ganze Zeit am Telefon. Ich rufe auch Katie an und sie lernt meinen großen Bruder kennen. Die Zeit rinnt mir durch die Finger, am liebsten würde ich nicht los müssen, aber am Mittwochmorgen steige ich in ein Taxi zum Flughafen.

„Meld dich.“ Dom drückt mich, neben dem Taxi, an sich und ich nehme sein Gesicht in meine Hände.

„Du wirst mich nicht wieder los“, verspreche ich ihm und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich liebe dich, Dom.“

„Ich liebe dich auch, meine Zaubermaus.“ Er küsst meine Stirn und ich steige glücklich ins Taxi.

Am Flughafen stelle ich erfreut fest, das Ally und Eve auch schon da sind und Belle nimmt mich, kaum im Flugzeug in Beschlag.

„Wie ist es gelaufen?“ Sie setzt sich mir gegenüber und schnallt sich an.

Eve wird kurzerhand ihrem Daddy aufs Auge gedrückt und Ally setzt sich ebenfalls zu uns.

Ich grinse, das ist ja wie in einem schlechten Film.

„Wird das ein Verhör?“ lächle ich und beide nicken ernst.

„Komm schon, spann uns nicht auf die Folter.“ Ally sieht mich ungeduldig an.

„Es war super. Dom und ich haben uns ausgesprochen, es ist, als wären wir nie getrennt gewesen“, erkläre ich den beiden lächelnd und Ally drückt meine Hand.

Ich sehe zu Jamie, aber dieser weicht meinem Blick aus. Ich wundere mich, aber konzentriere mich dann wieder auf Ally und Belle, die wirklich alles wissen wollen.

Die nächsten drei Tage geht mir Jamie aus dem Weg und so sehr ich auch versuche ihn mal alleine zu erwischen, ich schaffe es einfach nicht. Dann entlässt uns Pete nach dem Konzert in Madrid in unseren Urlaub. Wir werden zu einem Ferienhaus nach Atamaria ans Mittelmeer gebracht. Ich sitze in der Mitte mit Ally und Belle und wir reden die ganzen 4 Stunden wie aufgezogen.

„Ihr seid schlimmer als ein Hühnerhaufen“, beschwert sich Sean und Ally schenkt ihm einen herzlichen Blick.

Dann erreichen wir das Haus und es ist wirklich wunderschön, ehrlich es gibt kein anderes Wort, das es beschreiben kann.

Es ist eine Villa, mit einem riesigen Swimmingpool, obwohl das Meer nur 10 Meter von der Terrasse entfernt ist. Große Glasfronten und alles in herrlichen mediterranen Farben gehalten.

„Das ist der Wahnsinn!“ jubelt Ally und zieht mich in den ersten Stock um uns die Schlafzimmer anzusehen. Wir werden uns schnell einig und ich bekomme ein Zimmer mit Meerblick und einem kleinen Balkon direkt neben Alex und Belle. Auch die Jungs sind angetan von allem und beschließen gleich ins Meer zu springen.

„Wir gehen erst einmal was zu Essen einkaufen“, verkündet Ally und drückt Sean Eve auf den Arm. „Ihr entschuldigt uns doch?“ sie schenkt ihm ein zuckersüßes lächeln.

„Aber…“ setzt er an und Alex stellt sich vor ihn.

„Halt die Klappe Sean, ich will in den nächsten Tagen nicht verhungern, also lass unsere Frauen einkaufen gehen.“ Er macht einen Knicks und Belle gibt ihm einen Kuss.

Belle packt mich am Handgelenk und zieht mich hinter Ally nach draußen zum Bus, an dem Mal wieder Derek steht.

Wer auch sonst?

„Wo ist die nächste Stadt?“ Ally sieht ihn an und er lächelt.

„Das ist Cartagena, knapp 30 km“, erklärt er uns und schiebt die Bustür auf „Rein mit euch“, lacht er und geht um dem Bus herum, um sich auf den Fahrersitz zu setzen.

Wir steigen ebenfalls lachend ein und er chauffiert uns nach Cartagena. Die Stadt ist wirklich schön und wir entern den erstbesten Supermarkt. Die Mädels kennen nichts und wir schaffen es drei Einkaufswagen zu füllen.

„Haben wir alles?“ Ally sieht uns an und ich sehe zu Belle.

„Sangria. Kommt schon Mädels, wir sind in Spanien!“ Ally geht zu den Spirituosen und kommt gleich mit einer Kiste besagtem Getränk zurück.

„Was hast du denn vor?“ lacht sie „Ich bin nicht nur eine Mummy, ich will mal wieder Spaß!“

Wir kaufen uns noch das typische Zubehör zum Sangria trinken und Derek schüttelt nur den Kopf als wir alles in den Bus laden.

„Mal ganz ehrlich Derek…“ ich stelle mich neben ihn „Warum kennst du dich überall aus?“

„Ganz ehrlich Kleine?“ er zwinkert mir zu.

„Ich bitte darum…“ ich lege meinen Kopf schief.

„Ich habe ein sehr gutes Navi auf meinem Smartphone und trage den Bluetooth Empfänger im Ohr.“ Sein Lachen wird bei meinem entgeisterten Gesichtsausdruck noch breiter „Komm schon Kleines, ich kann nicht alle Städte kennen.“ Er knufft mich in die Wangen und ich steige zu Belle und Ally ein, die sich vor Lachen schon den Bauch halten.

„Warum sind Roger und Mike nicht mit?“ Ich beuge mich vor zu Derek und er lacht mal wieder.

„Einer reicht meint Pete“, gibt er zurück.

Wieder im Haus machen auch wir den Strand unsicher und lassen uns in der Sonne braten. Es ist herrlich… Die Sonne… Der Strand… Das Meer… Ich suche Jamies Blick, aber er weicht mir immer aus. Ich weiß einfach nicht, was er hat und ich komme nicht an ihn heran, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

„Hunger!“ Sean lässt sich neben seine Frau fallen und kitzelt Eve, die mit einem Eimer im Sand spielt.

„Okay.“ Sie schüttelt den Kopf und drückt ihm Eve auf den Arm. „Kommt Mädels, die Jungs haben Hunger“, scheucht uns Ally hoch und wir gehen ins Haus. Mit einem erstaunten Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es schon kurz nach 19 Uhr ist.

Eine knappe Stunde später brutzeln die Steaks der Jungs auf dem Grill und wir Frauen haben einen Salat gezaubert.

Eve liegt nach ihrem eigens zubereiteten Abendbrot in ihrem Kinderwagen und schläft friedlich.

„Sag mal, Derek, kannst du heute Abend ein Auge auf Eve haben?“ Ally läuft zu ihm und setzt ihren besten Bitte–Bitte–Blick auf.

„Klar doch.“ Er zwinkert ihr zu und sie kommt zu uns zurück gehopst.

Wir bereiten den Sangria zu und setzen uns dann mit dem Eimer auf die Terrasse.

„Wollt ihr nicht erst einmal was essen?“ Alex sieht Belle fragend an.

„Wir haben schon eine Grundlage geschaffen.“ Sie zwinkert ihm zu.

Der Rest des Abends verschwimmt irgendwie ein wenig.

Ich erinnere mich, dass ich irgendwann mit Ally über den Strand tanze und, dass wir uns ein Bad im Pool gönnen… mit Sachen.

Als ich am nächsten Morgen aufwache geht es mir hundeelend. Ich übergebe mich erst einmal und tapse dann in die Küche.

Auch Ally und Belle scheint es nicht besonders zu gehen und ich setze mich an den Tisch, peinlich darauf bedacht kein lautes Geräusch zu machen.

„Guten Morgen Welt!“ Alex kommt die Treppen runter gepoltert und ich verziehe mein Gesicht. „Na, Sonnenschein!“ Er drückt mir einen Kuss auf die Haare.

„Nicht so laut“, bitte ich ihn leise.

„Kopfschmerzen?“ Er zieht eine Augenbraue hoch.

Ich nicke kaum merklich und er reicht mir die Schüssel mit Rührei.

„Oh Gott…“ Ich halte meine Hand vor den Mund und beeile mich ins nächste Bad zu kommen, dabei renne ich Sean fast über den Haufen, aber das interessiert mich überhaupt nicht. Ich schaffe es gerade so und schließe, nachdem sich der Würgereflex gelegt hat, erschöpft meine Augen.

Alex ist mir gefolgt und sieht mich mitleidig an.

„Du solltest nicht trinken, wenn du es nicht verträgst“, rügt er mich und hilft mir auf die Beine. Die gehören aber irgendwie noch nicht zu mir und knicken ein.

„Komm her“, sagt Alex und hebt mich hoch.

Er platziert mich auf einer Liege im Schatten und reicht mir eine Flasche Wasser. „Ruh dich aus und trink viel Wasser.“ Er lächelt und ich sehe ihn dankbar an.

Gott, ich kann ja wirklich gar nichts ab…

Ich vegetiere den ganzen Tag auf der Liege vor mich hin, trinke und renne zur Toilette, Ally bringt mich am Abend in mein Zimmer.

Am nächsten Morgen erwarte ich wirklich, dass es mir nach den gefühlten 100 Litern Wasser besser geht, aber nichts da…

Mir geht es genauso schlecht wie am Tag davor und während sich die anderen auf den Weg machen, um die Umgebung zu erkunden, nehme ich meinen Platz auf der Liege wieder ein. Ally erkundigt sich besorgt, ob sie nicht bleiben soll, aber ich winke ab.

Tatsächlich arbeite ich ein wenig und mein Buch ist zu meinem Erstaunen so gut wie fertig.

Wow und dabei habe ich noch einen Monat Zeit.

Ich schlafe ansonsten und trinke Wasser, wie es mir Alex heute Morgen wieder einmal verordnet hat. Ich glaube, ich habe mein ganzen Leben noch nie so viel Wasser getrunken, aber ich hoffe wirklich darauf, dass es mir hilft.

Als der nächste Morgen wieder über der Toilettenschüssel anfängt bugsieren mich Belle und Ally in den Bus und fahren mich ins Krankenhaus nach Cartagena.

„Ganz ehrlich, selbst wenn du ein Fass von dem Gebräu getrunken hättest, dir müsste es langsam besser gehen.“ Ally sieht mich an und ich schließe erschöpft meine Augen.

Ich will nur, dass es aufhört… Sofort.

Ally, die echt spanisch spricht organisiert mir einen Arzt und ich werde untersucht, mir wird Blut abgenommen und dann sollen wir uns ins Wartezimmer setzen. Irgendwann taucht der Arzt wieder auf und versucht uns verständlich zu machen, was mir fehlt. Er gibt mir eine Tablette und ein Packung selbiger. Schließlich drückt er Ally einen Umschlag in die Hand und sie sieht mich geschockt an.

„Das sollten wir nicht hier besprechen.“ Sie hilft mir beim Aufstehen uns wirft Belle einen Blick zu, den ich nicht im Entferntesten einordnen kann.

Eine viertel Stunde später sitzen wir in einem kleinen Café und Ally sieht mich lange an.

„Helfen die Tabletten?“ erkundigt sie sich und ich nicke, mir geht es wirklich wesentlich besser.

„Ja. Was ist los?“ Ich spüre, das hier was nicht stimmt.

„Wie lange läuft das mit dir und Jamie schon?“ fragt sie mich direkt.

„Wie…“ setze ich an.

„Komm schon, wir sind nicht blind. Wie lange?“ Ally sieht mich prüfend an und ich seufze leise.

„Seit Prag“, gebe ich schließlich zu.

„Dann passt es ja…“ sie atmet tief durch „Lill, du bist in der 6. Woche.“

„Ich bin in der 6. Woche was?“ ich sehe sie verständnislos an und sie reicht mir ein Ultraschallbild.

„Du bist schwanger“, sagt sie schließlich und ich merke wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht.

„Geht’s?“ Ally sieht mich besorgt an und ich nicke verwirrt.

Klar, ich wollte immer Kinder, aber doch nicht so… Ich wollte dazu einen Mann. Okay habe ich ja… fast… irgendwie. Nein, habe ich nicht, gestehe ich mir ein.

„Was jetzt? Du musst mit Jamie reden.“ Belle nimmt meine Hand.

„Ich versuche seit Tagen mit ihm zu reden, aber er geht mir aus dem Weg. Ich weiß nicht, was ich ihm getan habe“, erkläre ich ihr. „Klar, wir wollten unsere Beziehung auf Eis legen, bis nach der Tour. Aber das hat ihn sonst auch nicht davon abgehalten, mit mir zu reden.“

„Was ist da genau los? Ich meine bei euch beiden?“ Ally sieht mich verständnislos an.

Ich versuche ihr und Ally alles so gut wie möglich zu erklären und sacke in mich zusammen, als ich fertig bin.

„Schöne Scheiße, oder?“ Ich sehe auf und Ally und Belle sehen mich gezwungen lächelnd an.

„Ihr bekommt das hin.“ Ally drückt meine Hand. „Du musst mit ihm reden“, fügt sie hinzu und ich nicke.

„Sofort.“ Belle zieht mich hoch „Glaub mir, es wird nicht besser, wenn du es vor dir her schiebst.“ Sie legt Geld auf den Tisch und wir gehen zum Bus zurück.

Es ist komisch mal nicht von Derek gefahren zu werden und als wir wieder am Ferienhaus ankommen finden wir alle am Strand vor.

Ich straffe meine Schultern und gehe auf Jamie zu.

„Ich muss mit dir reden“, sage ich eindringlich und er sieht mich nicht einmal an.

„Verdammt Jamie, ich MUSS mit dir reden.“ Ich ziehe ihn am Arm hoch und ein Stück von den anderen weg.

Alex und Sean sehen uns argwöhnisch an.

„Was gibt es denn so dringendes?“ Jamie verschränkt die Arme vor der Brust.

„Jamie, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…“ beginne ich stammelnd.

„Nun sag es doch einfach.“ Er funkelt mich an.

„Ich bin schwanger….“ Ich wage es aufzusehen „…Von dir“, füge ich unsinniger Weise hinzu.

„Nein, nein, nein… Oh nein. Das kann nicht sein.“ Jamie macht reflexartig einen Schritt zurück.

„Ach ja, weil wir uns ja um Verhütung so viele Gedanken gemacht haben?“ Ich sehe ihn an, es verletzt mich, dass er so reagiert.

„Verdammt noch Mal, das ist unmöglich…“ schreit er nun und ich sehe aus dem Augenwinkel wie Alex von Belle zurück gehalten wird.

„Ich bin genauso geschockt wie du“, schreie nun ich.

„Woher willst du wissen, dass es von mir ist und nicht von deiner alten Liebe aus Amsterdam?” Seine Stimme überschlägt sich nun beinahe.

„Wie bitte?” keifte ich. Ich habe mich wohl verhört…

„Du hast mich schon verstanden. Ich habe euch gesehen und ich habe dich mit Ally und Belle über ihn reden gehört.” Er fährt sich durch die Haare „Dein Dom.“

„Das Kind ist von dir!“ Ich kann nicht fassen, was er mir hier vorwirft.

„Ich will das Kind nicht! Lass es weg machen oder kümmere dich alleine darum!“ Nun steht er nur noch ein paar Zentimeter entfernt von mir und ich atme schwer.

„Ist das dein letztes Wort?“ Ich verschränke nun meinerseits die Arme vor der Brust.

„Ja, verdammt noch mal. Das ist mein letztes Wort.“ Er kann nicht aufhören mich anzuschreien.

„Gut…“ sage ich ruhig, viel zu ruhig, selbst für meinen eigenen Geschmack. „… Nur zu deiner Information…“ ich sehe ihn an und schüttele meinen Kopf „Mein Dom…“ ich lache verächtlich „... ist mein Bruder.“ Ich drehe mich um und gehe, erst langsam und dann laufe ich los. Kurz bevor ich das Haus erreicht habe, holt mich Alex ein.

„Warte Lill!“ ruft er mir hinterher und dreht mich zu sich um. Er will mich in den Arm nehmen, aber ich mache mich los.

„Lass mich einfach ein bisschen allein“, bitte ich ihn.

„Okay, ich komme aber gleich zu dir.“ Belle sieht mich an und ich nicke fahrig.

Als ich das Haus betrete, laufe ich in mein Zimmer und packe alle meine Sachen zusammen. In meinem Kopf dreht sich alles und ich versuche mir ein Taxi zu organisieren, aufgrund meiner fehlenden Spanischkenntnisse erweist sich das, als äußerst schwierig.

„Ich fahre dich.“ Derek nimmt meine Tasche und stellt sie in den Bus. Er bugsiert mich auf den Beifahrersitz und fährt dann vom Gelände.

„Wohin?“ er sieht mich an und ich sehe mit verweinten Augen zu ihm.

„Zum nächsten Flughafen“, schniefe ich.

„Hast du dich wenigstens verabschiedet?“ fragt Derek nach einer Weile.

„Ich habe einen Zettel da gelassen.“ Ich versuche meiner Tränenflut Einhalt zu gebieten.

Tatsächlich werden die anderen nur einen Zettel finden:

 

Ich kann nicht eine Sekunde länger hier bleiben. Ich werde das tun, was Jamie vorgeschlagen hat. Sagt Louis, er bekommt das Buchscript nächste Woche. Mein Buch ist so gut wie fertig, mein Auftrag ist erledigt.

Liljana

 

Aber das ist gut so, ich habe nicht die Kraft mich weiter mit ihnen auseinander zu setzen. Wie schon erwähnt: Mein Buch ist beendet, mein Auftrag erledigt…

Am Flughafen in Murcia verabschiede ich mich von Derek.

„Wo willst du denn jetzt hin, Kleine?“ Er nimmt mich in den Arm.

„Keine Ahnung“, gebe ich zurück, nehme meine Tasche und winke ihm zu, ehe ich den Flughafen betrete.

Ich gehe zum der Tür am nächsten gelegenen Schalter einer Fluggesellschaft.

„Was kann ich für sie tun?“ fragt mich die ältere Dame hinter dem Tresen und mustert mich besorgt.

Ich muss furchtbar aussehen, aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken.

„Ich brauche einen Flug nach Toronto.“ Ich reibe mir die Schläfen und schiebe ihr meine Kreditkarte über den Tresen.

„Miss, ich habe hier einen Flug von Madrid aus direkt nach Toronto. In 30 Minuten geht eine Maschine nach Madrid von Gate 2. Ich bräuchte ihren Reisepass.“ Sie sieht mich an und ich nicke.

„Vielen Dank.“ Ich reibe meine Schläfen, ich habe Kopfschmerzen, unheimliche Kopfschmerzen. Ich suche meinen Pass und lege auch diesen auf den Tresen.

„Das macht dann 980€.“ Sie nimmt meine Kreditkarte und zieht sie durch, Augenblicke später reicht sie mir die Flugtickets.

„Einen angenehmen Flug.“ wünscht sie mir und ich nehme alles an mich und mache mich auf den Weg zu Gate 2. Ich gebe meine Tasche auf und betrete die Sicherheitsschleuse.

„Sind sie krank oder brauchen sie Medikamente?“ Ein junger Flughafenangestellter sieht mich prüfend an.

„Ich bin schwanger und brauche die hier.“ Ich reiche ihm die Tabletten, die mir der Arzt gegeben hat.

„In Ordnung, Miss.“ Er gibt sie mir wieder, nachdem er sie überprüft hat.

Ich bekomme meine Tasche, meine Schuhe und meinen Gürtel wieder und reihe mich in der Schlange am Gate ein.

Eine knappe Stunde später hebe ich ab und schließe meine Augen.

Ich fühle mich wie erschlagen, ich habe immer noch Kopfschmerzen und das Übelkeitsgefühl ist zurück. Der erste Flug dauert nur 40 Minuten und mein Anschlussflug geht zum Glück gleich. Kein langes Warten und keine Schlangen. Ich bekomme meine Tasche und kann gleich einchecken.

Ich atme tief durch als wir in der Luft sind und suche in den unendlichen Weiten meiner Handtasche nach meinem Handy. Na super, das habe ich wohl vergessen… Ich frage ob ich meinen Laptop benutzen darf, da ich mir immer ein wenig unsicher bin, was die Benutzung elektronischer Geräte in Flugzeugen angeht. Die Stewardess erlaubt es mir und ich wähle Katie an.

„Wo bist du?“ fragt sie atemlos. „Ami hat schon zig Mal angerufen.“

„Tut mir leid Katie, ich bin in 7 Stunden in Toronto. Sag Ami bitte nichts…“ Ich ringe um Beherrschung.

„Was ist denn nur los?“ Sie klingt nun wirklich besorgt.

„Ich kann dir das nicht am Telefon sagen. Bitte Katie, hole mich ab“, bitte ich sie.

„Aber sicher Lill“, verspricht sie mir.

„Ich komme mit dem Flug AC 233-4 aus Madrid. Wir sollen um 16 Uhr Ortszeit landen“, lese ich von meinem Flugticket ab.

„Ich werde da sein.“

„Danke, Katie, bis später.“ Ich lege auf und atme tief durch.

Was soll ich in Kanada? Keine Ahnung, aber noch weniger Ahnung habe ich, was ich in Irland soll…

Ich brauche Abstand, so viel Abstand wie nur möglich.

Ich muss auf meine Tasche ewig warten, da sie mit zu letzt eingecheckt wurde, endlich kommt sie und ich werfe sie mir über die Schulter. Als ich aus dem Ankunftsbereich heraus trete sehen mich einige ganz schön merkwürdig an. Das kann zum einen an meinem gesamten Erscheinungsbild liegen, oder aber an den kurzen Jeansshorts und dem bauchfreien Top gepaart mit meinen FlipFlops…

Vor 12 Stunden hatte ich noch keine Ahnung, dass ich mich am frühen Abend in einer anderen Klimazone wieder finden würde.

Katie entdeckt mich und ich falle ihr weinend um den Hals, die letzten Stunden habe ich mich zusammen gerissen, aber jetzt kommt alles wieder hoch. Ich bin schwanger. Mein so genannter Freund traut mir eine Affäre mit meinem Bruder zu. Und er will, dass ich das Kind abtreibe.

Ein bisschen viel für einen Tag.

„Hey Süße! Alles wird gut.“ Katie hält mich fest und ich versuche mich wenigstens ein bisschen zu beruhigen. Sie legt mir ihre Jacke um die Schultern und bringt mich zu ihrem Auto.

Die ganze Fahrt zu ihrem und Bens Haus in Brighton, 1 ½ Stunden von Toronto entfernt, weine ich und, als mich Ben zur Begrüßung in den Arm nimmt, bin ich nicht im Stande auch nur einen einzigen vernünftigen Satz zu formulieren.

„Komm Süße, ich bring dich erst einmal ins Bett.“ Er nimmt mich auf die Arme und trägt mich quer durchs Haus, um mich dann in ein Bett zu legen.

„Schlaf erst einmal. Wir reden morgen.“ Er sieht mich an und ich nicke dankbar.

Ich habe wirklich keine Ahnung wie lange ich noch weine, irgendwann holt sich mein Körper den Schlaf den er braucht. Am nächsten Tag will ich nicht aufstehen und Ben und Katie lassen mich erst einmal in Ruhe. Katie besteht nur auf Biegen und Brechen darauf, dass ich wenigstens eine Kleinigkeit esse. Ich tue ihr den Gefallen… wenn auch widerwillig. Ich bin in einer Art Schockstarre und meine Gedanken schwirren wild in meinem Kopf hin und her. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffe es tatsächlich das fertige Buchskript zu Louis und zu Robert zu schicken.

Abgeschlossen.

Abgeharkt.

„Komm schon Süße, rede mit mir.“ Katie setzt sich auf mein Bett und streicht mir beruhigend über den Rücken. „Du verkriechst dich jetzt seit einer Woche hier“, sie seufzt leise.

„Oh Katie.“ Ich drehe mich zu ihr um.

„Nichts ist so schlimm, dass du es mir nicht sagen kannst.“ Sie sieht mich bittend an.

„Ich bin schwanger…“ Meine Stimme versagt und sie sieht mich geschockt an. Sie will gerade etwas sagen, als ich meine Hand hebe.

„Jamie hat irgendwie was von dem Treffen von mir und Dom mitbekommen und natürlich falsche Schlüsse gezogen. Er hat mir unterstellt, ich hätte eine Affäre mit ihm und mir gesagt, ich soll das Kind weg machen lassen.“ Ich schließe meine Augen. Das ganze klingt absurd, wie in einer wirklich schlechten Seifenoper… nur leider ist es keine, es ist mein verkorkstes Leben.

„Was willst du tun?“ fragt sie nach einer Weile.

„Ich weiß es einfach nicht“, gestehe ich.

„Ich besorge dir erst einmal einen Termin bei Dr. Masters im Campbellford Memorial Hospital. Ich war bei ihm vor ein paar Monaten in Behandlung. Er ist wirklich nett.“ Sie sieht mich an und ich nicke mechanisch.

Am nächsten Morgen raffe ich mich tatsächlich auf und schleiche am nächsten Morgen in die Küche. Ben und Katie sehen mich erstaunt an und ich setze mich zu ihnen.

„Hey…“ Ben sieht mich besorgt an. Mir ist sofort klar, dass Katie ihm alles erzählt hat.

„Bitte nicht Ben, mach es nicht noch schlimmer“, bitte ich ihn. „Katie? Kann ich nachher Ami anrufen?“ Ich sehe zu Ami.

„Ich habe gestern mit ihr gesprochen. Du sollst dir keine Sorgen machen, sie hat alles im Griff. Du sollst dir alle Zeit der Welt nehmen und heraus finden, was du willst.“ Sie nimmt meine Hand und drückt sie leicht.

„Ich danke dir…“ Ich sehe sie an und ihre Augen mustern mich traurig „… Es tut mir so leid, ich bin wirklich unausstehlich. Ich bin irgendwie nicht mehr ich selbst. Es scheint mir, als sei ich plötzlich nur noch eine schlechte Kopie von mir“, versuche ich mich zu erklären.

„Mach dir keine Sorgen. Wir bekommen das hin…“ verspricht sie mir sicher „Du hast in 3 Stunden einen Termin bei Dr. Clarksen.“

„Danke Katie.“ Ich nehme mir eine Scheibe Toast und bestreiche sie dünn mit Butter.

Irgendwie schmeckt in letzter Zeit alles gleich… nach Pappe.

„Ich bin froh, dass du wenigstens ein bisschen isst.“ Ben klingt erleichtert und ich versuche zu lächeln.

„Lass das lieber bleiben…“ er legt den Kopf schief „Du machst mir Angst.“ Er grinst zaghaft.

„Danke auch.“ Ich nehme seine Hand „Danke“, flüstere ich und er nickt.

Drei Stunden später sitze ich in einem Wartezimmer und Dr. Clarksen ruft mich irgendwann auf. Die Untersuchung ist kurz und schmerzlos.

„Du bist in der 7 Woche, plus 2 Tage“, erklärt er mir und ich nicke leicht.

Auch wenn Mathematik in der Schule nicht zu meinen Stärken gehört hatte, das konnte selbst ich mir ausrechnen.

„Willst du das Kind bekommen?“ fragt er mich nun direkt und ich sehe auf.

„Ich weiß es nicht“, gebe ich zu.

„Du hast noch Zeit, hier in Kanada kannst du bis zur 20. Woche völlig legal abtreiben. Überlege es dir und melde dich dann bei mir. Bisher sieht alles gut aus.“ Er reicht mir seine Hand.

„Vielen Dank Dr. Clarksen.“ Ich erhebe mich und er sieht mich prüfend an.

„Achte auf dich…“ er begleitet mich zur Tür „Und ich bin Michael.“ Wieder nickt er und ich erwidere es.

„Danke Michael.“ Ich verlasse das Sprechzimmer und Katie nimmt mich in Empfang.

„Alles gut?“ Sie sieht mich fragend an und ich nicke.

„Ja“, antworte ich einsilbig und wir fahren schweigend die 40 Minuten zurück nach Brighton.

Die Zeit läuft weiter, auch wenn ich mir wünsche, sie würde einfach mal für einen Tag stehen bleiben, damit ich meine Gedanken und Gefühle sortieren kann. Aber den Gefallen tut sie mir nicht und ich denke von früh bis spät nach.

Weihnachten versuchen Katie und Ben alles Menschenmögliche um mich abzulenken, es gelingt ihnen sogar stundenweise ganz gut. Der Baum ist wundervoll, das Essen wirklich gut und die Geschenke praktisch. Hauptsächlich Klamotten, denn meine Wintergarderobe, die ich mir vor drei Wochen gekauft habe, ist nicht wirklich ausreichend.

Es kommen Freunde zu Besuch, aber keiner stellt irgendwelche Fragen. Ich bin da und sie nehmen mich in ihre Mitte auf. Ich verstehe warum sich Ben und Katie hier so wohl fühlen.

Silvester gehen die Beiden aus und ich sitze den ganzen Abend vor dem Fernseher, sehe mir Casablanca im Fernsehen an und schluchze in mein Kissen.

Das letzte Jahr hat mehr Aufs und Abs als die beste Achterbahn der Welt, noch so ein Jahr kann ich nicht gebrauchen… Es kann ja eigentlich nicht schlimmer kommen. Aber wie heißt es so schön? Schlimmer geht immer. Bitte nicht… flehe ich stumm, als um Mitternacht das Feuerwerk über Toronto in die Luft geht.

Dann gehen Katie und Ben wieder arbeiten und ich habe fast den ganzen Tag das Haus für mich. Ich koche und putze, um mich abzulenken. Ich telefoniere mit Ami und meinem Dad und so sehr Shannon es auch nicht will, sie verplappert sich und versucht mich zu überreden nach Hause zu kommen.

Ich kann nicht, ich bin nicht bereit dazu. Ich drücke mich immer noch vor einer Entscheidung und ich merke, dass ich mit meinen Stimmungsschwankungen nicht wirklich leicht zu ertragen bin.

Ben sagt der Frühling kommt, aber einen Temperaturunterschied von nur 3 Grad empfinde ich nicht als Frühling, obwohl ich längst nicht mehr so sehr friere wie am Anfang. Wie in einem Film sehe ich, wie die Kalenderblätter in der Küche abgerissen werden… 14. März, 15. März, 16. März…

„Komm schon Lill, du musst was essen“, ermahnt mich Ben schon zum wiederholten Male beim Abendessen.

„Lass mich doch endlich in Ruhe“, fahre ich ihn an und sehe ihn Sekunden später entschuldigend an.

„Tut mir leid Ben.“ Ich stehe auf und laufe ins Gästezimmer.

Mein Blick fällt auf meinen Kalender der auf dem Tisch liegt und ich schlage die Seite von heute auf, in drei Tagen ist ein dicker roter Kreis um das Datum gemalt, 20. März… Ab diesem Tag gibt es kein zurück mehr.

Ich kann es nicht glauben, das ich schon fast 3 Monate hier bin… Ich lege mich auf mein Bett und starre an die Decke. Was ist nur los mit mir?

Ich drehe mich auf die Seite und rolle mich zusammen. Ich streichle unbewusst über meinen Bauch, der schon eine Wölbung hat. Ob das von dem Essen kommt, was mich Ben und Katie zwingen zu essen, oder aber von der Schwangerschaft… das kann ich nicht sagen.

Im Grunde genommen will ich dieses Kind, ich will eine Erinnerung an die schöne Zeit mit Jamie… Auf der anderen Seite halte ich es für egoistisch und dem Kind gegenüber unfair. Jamie will es nicht, das hat er mir ja deutlich genug gesagt. Ich bin völlig durcheinander und in meinem Kopf schwirren meine Gedanken hin und her.

Ich greife nach dem Telefon und bestätige meinen Termin bei Michael übermorgen. Dann gehe ich ins Wohnzimmer und setze mich in den Sessel gegenüber von der Couch, auf der Ben und Katie sitzen.

„Ich habe übermorgen einen Termin bei Michael“, sage ich tonlos und beide sehen mich überrascht an.

„Lill?“ fragt Katie vorsichtig.

„Ich werde das Kind abtreiben. Jamie will es nicht und ich kann mich nicht, neben meinem Dad und meinen Job, auch noch um ein Baby kümmern. Es zu bekommen wäre egoistisch.“ Ich starre auf meine ineinander verschlungenen Hände.

Beide schweigen und ich stehe auf und gehe ins Gästezimmer. Ich bin nicht in der Lage zu weinen, es ist vorbei… Ich habe meine Entscheidung getroffen.

Am Morgen meines Termins borge ich mich Bens Auto und er bringt mich nach draußen. Katie ist schon auf der Arbeit, auch wenn sie mir zig Mal angeboten hat sich frei zu nehmen. Ich muss da alleine durch.

„Lill! Bist du dir sicher?” Ben sieht mich lange an.

„Ja, Ben”, lüge ich und setze mich ins Auto.

„Lill, ich kenne dich!“ er kommt ums Auto herum und ich kurbele die Scheibe runter. „Du willst das nicht!“ Er schüttelt den Kopf und sieht mich betroffen an.

„Lass gut sein Ben.“ Ich erwidere traurig seinen Blick, starte den Motor und mache mich auf den Weg. An der ersten Ampel fällt meine Blick in den Rückspiegel, ich bin unnatürlich blass, ich habe tiefe Augenringe und meine Augen sehen mich ausdruckslos an. Was ist nur mit mir passiert?

Michael empfängt mich und begleitet mich in einen der Untersuchungsräume.

„Ich muss jetzt noch eine abschließende Untersuchung machen.“ Er sieht mich an und ich mache mich frei, schlüpfe in eines von diesen Krankhaushemden und lege mich auf die Liege.

„Wie geht es dir?“ Michael sieht mich an und stellt das Ultraschallgerät ein.

Ich kann nichts sagen und merke wie mir stumme Tränen über die Wangen laufen. Ich denke plötzlich an Charlie und seine spitzen Schreie wenn er sich über etwas freut. Ich denke an Everly, wie sie über den Boden robbt und sich über jeden Zentimeter, den sie vorankommt, freut.

Ich schließe meine Augen, ich will nicht daran denken…Nicht jetzt.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du das hier willst?“ holt mich Michaels Stimme ins Hier und Jetzt zurück. „Wenn du auch nur den geringsten Zweifel hast, dann brechen wir das alles hier ab!“ Er sieht mich durchdringend an.

In den letzten Wochen hat er mich mehrmals untersucht. Ich wollte nie ein Ultraschallbild, ich wollte nie etwas von den Untersuchungen hören…

Ich schweige und starre an die Decke.

„Liljana…” Michael nimmt meine Hand „…Sieh mich an und sage mir, dass du das hier wirklich willst.”

Ich sehe ihn an und schluchze erstickt. „Nein, ich will es nicht.”

Michael nickt „Es ist in Ordnung Liljana”, sagt er sanft und zieht mich in seine Arme. Eine Weile weine ich an seiner Schulter.

„Was bin ich für ein Mensch?“ wimmere ich verzweifelt „Wie kann ich das jemals wieder gut machen?“

„Du musst nichts gut machen…“ sagt Michael einfühlsam „Alles wird gut. Wollen wir jetzt mal schauen, wie es dem Baby geht?” Er sieht mich aufmunternd an.

„Das wäre schön“, gestehe ich leise. Ich will mein Baby sehen, ich will sehen, dass es ihm wirklich gut geht.

Er dreht sich zum Ultraschallgerät um und ich lehne mich zurück.

„Hier ist es“, sagt er lächelnd und ich sehe auf den Monitor. Ich kann das Herz schlagen sehen und wieder treten mir Tränen in die Augen, aber dieses Mal vor Freude. Mein Baby.

„Willst du wissen was es wird?“ Michael zwinkert mir zu.

„Ja“, hauche ich.

„Du bekommst ein kleines Mädchen“, teilt er mir strahlend mit.

„Wow…“ ich lächele unter Tränen „Ein Mädchen?“

„Ja, zu 100 % kann ich es nicht sagen, aber wenn dir 95 % reichen, dann ist es sicher.“ Er druckt ein paar Bilder aus und reicht sie mir.

„Achte bitte mehr auf dich…“ ermahnt er mich, als ich mich anziehe „Du hast 12 kg abgenommen, das ist nicht gut, Liljana, wirklich nicht.“

Ich trete aus der Kabine und sehe ihn entschuldigend an.

„Ich gebe mir wirklich Mühe.“ Ich nehme die Bilder entgegen und sehe ihn dankbar an.

„Wenn was ist, dann melde dich.“ Er nickt mir zu, ich ziehe meine Jacke über und atme tief durch als ich in den Flur hinaus trete.

Ich umklammere die Bilder mit meiner rechten Hand und trete hinaus auf den Parkplatz.

Ich sehe zu Bens Auto und bleibe abrupt stehen. Alex steht neben meinem Auto und sieht sich suchend um. Er entdeckt mich und stürmt auf mich zu. Aus den Augenwinkeln heraus registriere ich, das auch Belle, Jamie und Derek aus allen Himmelrichtungen auf mich zu gelaufen kommen.

Jamie sieht mich an und meine Atmung beschleunigt sich. Was zum Teufel will er hier?

Er bleibt kurz vor mir stehen und auch die anderen stoppen und sehen mich an. Ich wische meine letzten Tränen beiseite.

„Was zur Hölle wollt ihr hier?“ frage ich geschockt und völlig überrumpelt.

„Lilly…“ Jamie macht den letzten Schritt auf mich zu „Was ich da alles zu dir gesagt habe, es tut mir so leid, es war so dumm und so unüberlegt!” ihm treten Tränen in die Augen. „Ich wollte dich nicht verletzen! Hast du…?” Er bringt die Frage nicht über die Lippen und ich starre ihn an.

Ich stehe einfach nur da und versuche die Situation zu realisieren… Derek, Alex, Belle und Jamie hier in Kanada. Ich sehe Jamie in die Augen und schließ meine kurz.

„Ich lag schon auf der Liege, plötzlich dachte ich an Charlie, ich dachte an Eve und ich konnte es nicht…” ich schlinge die Arme um mich. “…Ich konnte unsere Tochter nicht abtreiben.”

„Unsere Tochter?“ Jamie sieht mich mit großen Augen an.

„Ja, unsere Tochter.” Ich hole ein Ultraschallbild aus meiner Tasche und gebe es ihm.

Plötzlich erhellt sich seine Miene „Ein Mädchen. Wir bekommen eine Tochter“, sagt er leise.

Ich streiche mir nervös eine Strähne hinters Ohr und sehe ihn zweifelnd an.

“Ich weiß nicht, ob es ein wir gibt.” Ich schüttele meinen Kopf „Ich weiß nicht, ob es jemals wieder ein wir geben kann.“

Unsere Blicke treffen sich, er sieht mich traurig aber dennoch verständnisvoll an.

„Ich verstehe“, flüstert er.

Nun nehmen mich die anderen in den Arm.

„Gott Lill, du hast uns einen Riesen Schrecken eingejagt.“ Alex drückt mich an sich.

„Ich bin so froh, dass Ben uns angerufen hat.” Belle wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ich bin jetzt auch froh, dass er es getan hat.” Ich sehe sie dankbar an.

„Ein kleines Mädchen. Wow.“ Derek, der mich gut und gerne über einen Kopf überragt drückt mich an seine Brust „Mann, Kleine, ich bin gestorben vor Sorge.“

„Es tut mir leid“, nuschele ich an seiner Brust.

„Ich hätte dich nie zum Flughafen fahren dürfen.“ Derek sieht mich an.

„Doch Derek und ich danke dir dafür.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

„Mach das nie wieder.“ Alex nimmt mich erneut in den Arm, gerade so, als müsse er überprüfen, dass ich wirklich da bin.

„Es tut mir so leid.“ Tränen steigen in meine Augen und ich sehe sie alle nach einander an.

„Hey, hey.“ Alex sieht mich erschrocken an.

„Es war alles ein bisschen viel“, gebe ich zu und winke ab.

Jamie kommt zu mir und legt beschützend seinen Arm um mich.

Dann wird es dunkel und mit dunkel, meine ich dunkel…

Ich kämpfe gegen die Müdigkeit an, die mich fast lähmt und öffne meine Augen. Als erstes sehe ich in Michaels Gesicht.

„Wie schön, Liljana ist wieder da.“ Er zwinkert mir zu und neben ihm erscheint Jamie.

„Was ist passiert?“ Ich versuche mich zu bewegen, aber irgendwie scheint mein Körper nur aus Schmerz zu bestehen.

Michael nimmt meine Hand „Du bist zusammen gebrochen. Etwas, was ich schon viel früher erwartet habe, wenn ich ehrlich sein soll…“ er sieht mich durchdringend an „Du wirst uns eine Weile Gesellschaft leisten müssen, deine Blutwerte sehen nicht gut aus. Du bist viel zu dünn.“ Nun wird sein Blick mahnend und ich nicke schuldbewusst.

„Aber das bekommen wir alles hin. Du bleibst erst einmal hier und erholst dich und dann entlasse ich dich in die Obhut von James. Er hat mir fest versprochen sich um dich zu kümmern.“ Er deutet auf Jamie. Dieser sieht zu Boden und schafft es nicht mich anzusehen.

„Ich lasse euch jetzt alleine. Wenn was ist, dann klingel einfach, die Schwestern werden sich gut um dich kümmern.“ Er zwinkert mir zu und geht hinaus.

Jamie steht eine Weile unschlüssig an der Tür, dann nimmt er sich einen Stuhl und setzt sich zu mir ans Bett.

„Du siehst sehr müde aus”, sagt er schließlich leise.

„Danke”, erwidere ich matt.

„Entschuldige”, er fährt sich verlegen durch die Haare. „Ich sage immer das Falsche zur falschen Zeit”, er wischt sich über die Augen.

Ich kann nichts erwidern, zu tief sitzen seine verletzenden Worte vom Strand. Eine Weile herrscht ein angespanntes Schweigen, dann sieht er auf und ich sehe die Tränen in seinen Augen.

„Lilly, ich weiß nicht, was ich sagen oder machen kann, damit du mir verzeihen kannst?” er schluckt schwer.

„Ich weiß es auch nicht…” Ich lehne mich zurück in mein Kissen “… Ich weiß es wirklich nicht.” Meine Stimme klingt resigniert. „Unsere Beziehung bestand daraus, alle anderen anzulügen, weil du Angst hattest. Bei der ersten Bewährungsprobe hast du mich fallengelassen…“ Ich schüttele leicht den Kopf „… Ich weiß nicht, ob du das jemals wieder gut machen kannst.“

„Was hast du vor, wenn du entlassen wirst?“ Wieder fährt er sich durch die Haare. Ich sehe ihn genauer an, auch er sieht müde und erschöpft aus. Seine sonst immer so strahlenden Augen habe tiefe Augenringe und sind Blut unterlaufen, selbst nach 2 Konzerten und nur 3 Stunden Schlaf sah er sonst besser aus… Es tut mir weh ihn so zu sehen, aber seine Worte haben sich in meine Seele gebrannt und Narben hinterlassen.

„Wenn ich aus dem Krankenhaus entlassen werde, dann werde ich zurück nach Irland fliegen. Ich bin lange genug weg gelaufen. Ich vermisse meine Familie und ich möchte mich auf das Baby vorbereiten.“ Meine Stimme ist leise und ich seufze, da kommt eine Menge auf mich zu und ich habe nicht mehr viel Zeit, der Geburtstermin ist der 24. Juli. Das heißt nur noch 4 Monate…

„Darf ich dich ab und zu besuchen?” Er sieht mich hilflos an.

„Ja, du kannst auch gerne mit zu den Vorsorgeuntersuchungen kommen…” Meine Stimme wird sicherer „… nur wenn du willst”, füge ich hinzu.

„Natürlich will ich, es ist unsere Tochter.…” Er sieht mich ängstlich an „Würde es dir was ausmachen, wenn ich hier bleibe und dann mit dir zurück fliege?”

„Wenn du das willst.” Ich weiche seinem Blick aus.

Ich kann diesem verletzten und traurigen Blick nicht länger Stand halten.

„Ja, das will ich. Ich habe Michael versprochen auf dich auf zu passen.” Er grinst schief.

„Ich bin müde“, sage ich leise und schließe meine Augen.

„Schlaf ein bisschen.“ Er nimmt meine Hand „Ich werde hier sein, wenn du aufwachst.“

Ich schlafe einen tiefen, traumlosen Schlaf und als ich aufwache ist nicht nur Jamie da, sondern auch Katie und Ben.

„Hey“, sage ich leise und sie sehen mich an.

„Na, Schlafmütze.“ Ben küsst meine Stirn.

„Ich danke euch.“ Ich versuche zu lächeln.

„Dafür nicht.“ Ben setzt sich auf die Bettkante und Katie umarmt ihn.

„Ich danke euch wirklich für alles“, sage ich gerührt.

„Jederzeit.“ Ben drückt meine Hand.

„Ich werde wieder zurück nach Irland gehen.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.

„Na, endlich habe ich mein Spielzimmer wieder.“ Ben grinst.

„Ben“, rügt ihn Katie und ich lache leise.

„Nein, nein Katie…“ nehme ich ihn in Schutz „Er hat sich sein Spielzimmer redlich verdient.“

„Wir kommen morgen wieder vorbei.“ Katie nimmt mich in den Arm.

„Danke“, erwidere ich lächelnd.

Am Abend kommen Belle, Alex und Derek vorbei und verabschieden sich erst einmal. Ich muss versprechen mich sofort zu melden, wenn ich wieder irischen Boden unter den Füssen habe.

Ich muss tatsächlich fast 2 geschlagene Wochen das kanadische Gesundheitssystem in Anspruch nehmen, ehe mich Michael für so weit wiederhergestellt hält, dass er mir den Flug zumutet.

Jamie ist jeden Tag an meinem Bett und bringt mir Bücher, Zeitschriften und tonnenweise Obst mit. Meistens lese ich, schreibe an meinem Laptop und sehe fern, während er mit seinem Laptop am Tisch unter dem Fenster sitzt oder von dort aus fern sieht.

Wir reden nicht sehr viel miteinander, die Schlucht zwischen uns ist einfach zu groß. Ich weiß nicht, ob sich das wieder ändern wird, aber im Moment sind wir beide nicht bereit zu springen und ich denke dass ist vielleicht auch ganz gut so.

Natürlich spreche ich mit Ami. Sie ist völlig aus dem Häuschen zu erfahren, dass sie eine Nichte bekommt. Sie verspricht mir, dass wir die Einliegerwohnung umbauen und dass wir alles hin bekommen. Ich denke viel über meine Zukunft nach, aber so richtig Gestalt annehmen will es irgendwie nicht…

„Endlich.“ Ich lasse mich in den weich gepolsterten Sitz der ersten Klasse plumpsen und atme tief durch.

Ich bin immer noch ständig müde, aber langsam finde ich zu meiner alten Form zurück. Ich habe mittlerweile schon ein ansehnliches Bäuchlein und es ist nun unübersehbar das ich schwanger bin. Kunststück, ich bin ja schon fast im 6. Monat.

„Alles in Ordnung?“ Jamie sieht mich besorgt von der Seite an, als ich tief ein und ausatme.

„Ja. Es ist nur anstrengend nach zwei Wochen Bettruhe, einen ganzen Tag auf den Beinen zu sein”, erwidere ich matt.

„Okay, aber wenn irgendetwas ist, dann sagst du Bescheid. Ja?” Er sieht mich prüfend an und schnallt sich dann an.

„Sicher”, verspreche ich ihm und versuche mich ebenfalls anzuschnallen. Ich scheitere jedoch an der Länge des Gurtes, was mich zum Lachen bringt.

Jamie sieht mich verständnislos an und fängt dann auch an zu lachen. Ich glaube das ist das erste Mal das ich ihn seit langer Zeit lachen höre und es tut gut ihn auch mal wieder so zu sehen. Egal wie taff und stark er nach außen hin tun und sich gibt. So ist er nicht… Ich kenne auch die andere Seite. Unsicherheit, Angst, Zweifel und Schuld sind keine Sachen, die man einfach so weg steckt.

Die Stewardess bringt mir mit einem Lächeln eine Gurtverlängerung und dann heben wir ab Richtung Dublin. Ich schlafe schnell ein und als ich aufwache spüre ich Jamies Atem an meinem Gesicht. Ich liege mit meinem Kopf auf seiner Schulter und er haucht mir immer wieder Küsse auf die Stirn, während er mit seiner linken Hand unablässig über meinen Bauch streichelt.

Ich will hoch kommen, mich aus seiner Umarmung befreien… Aber ich genieße seine Zärtlichkeiten. Nur eine kleine Weile… rede ich mir ein. Doch dann muss ich mich bewegen, denn mein Rücken beginnt zu schmerzen. Jamie sieht mich entschuldigend an, doch ich schüttele nur sachte den Kopf.

Das Essen ist erstaunlicher Weise gut und das Bordkino hat eine beachtliche Auswahl an guten Filmen… dennoch ist der Flug anstrengend und viel zu lang für meinen Geschmack.

Am frühen Nachmittag betrete ich endlich wieder irischen Boden, nach fünf langen Monaten…

Kaum dass Jamie und ich den Ankunftsbereich betreten kommt auch schon Ami auf mich zu gestürmt und drückt mich tränenüberströmt an sich.

„Oh Lilly“, weint sie.

„Hey, alles gut“, versuche ich sie zu beruhigen.

„Ich hätte da sein müssen“, Ggibt sie schluchzend von sich.

„Nein Ami…“ Ich zwinge sie mich an zu sehen „… Da musste ich selber durch.“ Ich versuche zu grinsen.

„Oh Lilly.“ Sie drückt mich erneut.

Ich entdecke hinter ihr Brad mit einem riesigen Blumenstrauß.

„Hey, Süße!“ er schiebt Ami ein wenig beiseite und drückt mich an sich. „Hier.“ Er hält mir den Blumenstrauß hin.

„Blumen von dir?“ Jetzt grinse ich wirklich.

„Na ja, von mir, Cody und Robert“, gibt er zu.

„Robert? Bin ich etwa noch nicht gefeuert? Ich habe mich nicht getraut meine E-Mails abzurufen.“ Ich verziehe das Gesicht und er lacht auf.

„Solltest du mal tun…“ Er zwinkert mir zu „… Dein Buch ist auf Platz 2 der Verkaufslisten und es gab nur gute Kritik. Robert wäre verrückt, wenn er seine beste Schreiberin entlassen würde. Er nimmt deine Auszeit als unbezahlten Urlaub und wenn du bereit bist, dann kannst du erst einmal von zu Hause aus arbeiten.“

„Oh wow.“ Ich sehe ihn überrascht an.

In den letzten Wochen habe ich mir ja über vieles Gedanken gemacht, aber bestimmt nicht darüber wie mein Buch angekommen ist.

„Ich fahre jetzt nach Ballina.“ Jamie erscheint neben uns und Ami tötet ihn mit ihren Blicken. Er sieht zu mir und ich nicke leicht.

„Am nächsten Dienstag habe ich einen Termin bei Dr. Jordan“, erinnere ich ihn.

„Ich hole dich um 9:30 Uhr ab“, verspricht er mir. „Pass auf dich und unsere Tochter auf.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht in Richtung Ausgang.

„Das er es wagt…“ setzt Ami an.

„Ami, bitte nicht.“ Ich halte meine Hand hoch „Lass ihn einfach in Ruhe. Er braucht nicht noch mehr Menschen die ihm sagen, dass er Mist gebaut hat und ein Arschloch ist. Davon hat er genug um sich“, erkläre ich ihr.

In der Zeit im Krankenhaus habe ich natürlich auch mit Belle und Ally telefoniert und sie haben mir gesagt, dass sie nicht gerade sanft mit ihm umgegangen sind. Fast tut er mir leid, aber eben nur fast… Die Verletzungen sitzen zu tief.

„Jetzt erst einmal nach Hause.“ Ami nimmt meine Hand und Brad nimmt sich meinen Gepäckwagen.

Die ganze Autofahrt erzählen sie mir den neusten Klatsch du Tratsch aus Crosshaven und Umgebung. Nach den drei Stunden bin ich wirklich auf dem neusten Stand.

Kaum im Haus angekommen kommt mir Josh mit Charlie auf dem Arm entgegen.

„Lilly“, sagt Charlie und ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an.

„Wow, mein Engel“, lobe ich ihn und nehme ihn auf den Arm. „Du bist ja groß geworden.“ Ich streichele über seinen Kopf und rieche den unschuldigen Duft der Kindheit.

Er klatscht in die Hände und ich setze ihn ab, sofort krabbelt er davon und Josh schließt ein Türgitter zur Küche hin.

„Der ist schnell…“ Er zwinkert mir zu und nimmt mich in den Arm „Du hast uns gefehlt Lill“, sagt er leise.

„Ihr mir auch.“ Ich lächle und sehe Charlie hinterher, der schon im Wohnzimmer angekommen ist.

Mann, der ist wirklich schnell. Kaum zu glauben, dass er in 8 Wochen schon 1 Jahr wird. Wo ist die Zeit nur hin?

Wir lassen den Tag gemütlich ausklingen und Ami macht uns ihre berühmten Spaghetti.

Es ist komisch wieder zu Hause zu sein, es fühlt sich ungewohnt und fremd an. Ami, Josh, Brad und Cody sind irgendwie immer um mich herum, oder zu mindestens einer von ihnen.

Am Montagabend, vier Tage nachdem ich wieder hier bin, sitze ich mit Ami im Wohnzimmer.

„Shannon und Kyle wollen mit uns sprechen Lilly. Wir können einer Entscheidung nicht ewig aus dem Weg gehen.“ Sie sieht mich betroffen an.

„Ich weiß“, gebe ich zu und sehe sie an. Sie hat wieder ihre tiefe Sorgenfalte auf der Stirn. „Was willst du, Ami?“ frage ich leise.

„Was tun wir ihm an?“ Sie sieht auf und ich sehe die Tränen in ihren Augen.

„Wir sind unfair“, gestehe ich mir ein „Er liegt seit 9 Jahren da, er kann sich nicht bewegen, er kann nicht an unserem Leben teilnehmen und ich denke, das hat er nie gewollt.“ Mir läuft eine Träne über die Wange. „Wir sollten ihn gehen lassen.“

„Ja.“ Ami nickt leicht und nimmt mich in den Arm.

Plötzlich ist es so einleuchtend… Hätte unser Dad so etwas jemals gewollt? Nein, natürlich nicht. Aber wir brauchten diese Zeit und haben jetzt die Gewissheit, dass sich nichts mehr ändern wird. Wir haben fast 10 Jahre lang auf ein Wunder gehofft, aber für unseren Dad gibt es kein Wunder… Das wird es nie geben.

„Wie fühlst du dich?“ Ami sieht mich an und ich weiß genau, was sie meint.

„Keine Ahnung, ich bin nicht traurig…“ Ich nehme ihre Hände in meine „Wir haben ihn vor fast 10 Jahren in diesem OP-Saal verloren. Das was hier ist, ist nicht mehr Dad und das wissen wir beide.“

„Ja…“ sie schluckt „Ich wollte und konnte es mir nicht eingestehen.“

„Ich auch nicht.“ Ich wische über meine Augen „Wir sollten das mit Kyle besprechen.“

„Ja, ich rufe morgen Shannon an und sage es ihr.“ Ami nickt mir zu. „Und wie geht es der Kleinen?“ sie streichelt über meinen Bauch.“

„Gut denke ich, sie strampelt ordentlich. Ich bin mir sicher Dr. Jordan kann morgen mehr sagen.“ Ich lächle leicht.

„Jamie holt dich morgen ab, oder?“ Sie legt ihren Kopf schief und ich nicke.

„Wie ist es für dich?“ hakt sie nach, als ich nichts dazu sage.

„Komisch. Ich meine, ich sehe, dass er sich schlecht fühlt und ich spüre wie leid ihm alles tut, aber ich höre immer noch seine Worte und sie tun mir immer noch weh.“ Ich seufze leise.

„Ihr habt Zeit. Wenn es so sein soll, dann wirst du ihn irgendwann ansehen und vergessen können, was er gesagt hat. Bis dahin, bleib ruhig und denk an deine Kleine.“ Sie lächelt leicht.

„Unsere Kleine“, korrigiere ich sie.

„Ich bin unheimlich stolz auf dich.“ Sie lächelt nun auch und ich erwidere es.

„Wir sind beide ziemlich toll.“

„Stimmt“, gibt sie zu. „Dom kommt am 1. Juli für 2 Wochen her. Allein, Mieke bekommt kein frei und Piet ist im Sommerlager. Wir sollten mit Kyle reden, damit er Dad noch einmal sehen kann“, denkt sie laut nach.

„Ja, es ist ihm wichtig.“ Ich nicke.

Ich habe erst gestern mit ihm telefoniert und augenscheinlich hat er Ami heute Vormittag angerufen und ihr Bescheid gesagt, wann er genau kommt, denn gestern wusste er es noch nicht.

„Ich freue mich“, sage ich schließlich ehe ich aufstehe „Ich muss ins Bett, ich schlafe gleich im Sitzen ein.“ Ich strecke mich und Ami steht auch auf.

„Ich liebe dich, Lilly.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Ich dich auch, Ami“, erwidere ich und gehe dann schlafen.

Am nächsten Morgen suche ich erst einmal eine halbe Stunde nach einer Hose, die mir noch passt und bin gerade rechtzeitig fertig als es klingelt und Jamie kommt.

Ami bittet ihn herein und ich treffe in der Küche auf die Beiden. Sie unterhalten sich ganz locker und ich hoffe wirklich, dass Ami ihm nicht auch noch böse ist.

„Können wir?“ Ich sehe ihn an und ziehe meine Strickjacke über.

„Klar doch.“ Er steht auf, nimmt meinen Mantel von der Garderobe und hilft mir hinein.

„Hi.“ Er lächelt mich schüchtern an und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Hi“, erwidere ich ebenfalls lächelnd.

Der Arzttermin läuft gut und unserer Kleinen geht es bestens. Im Anschluss lädt mich Jamie zum Essen ein und wir gehen zu einem kleinen Italiener. Er verzichtet auf sämtliche seiner sonstigen Maskierungen und er ist ohne Derek oder einen der anderen unterwegs.

„Was ist, wenn sie uns zusammen fotografieren?“ Ich sehe ihn prüfend an, als wir an einem Tisch ziemlich versteckt sitzen.

„Dann sollen sie es tun“, gibt er nur zurück.

„Aber…“ setze ich an.

„Nein Lilly, ich verstecke mich nicht und dich schon gar nicht. Ich habe ein Privatleben und das haben alle zu akzeptieren“, sagt er sicher und küsst meine Hand.

„Ich möchte das für mich nicht“, gebe ich zu „Im Moment passiert in meinem Leben so viel…“ ich seufze leise.

„Was ist denn los?“ Er legt seine Hand unter mein Kinn und ich sehe ihn traurig an.

„Ami und ich werden unseren Dad gehen lassen“, sage ich leise.

„Oh, Lilly.“ Er sieht mich betroffen an.

„Schon okay, wir haben uns lange etwas vor gemacht. Es gibt keine Wunder.“ Ich winke ab.

„Nein, Lilly, so darfst du nicht denken. Ihr habt einfach die Hoffnung nicht aufgegeben“, versucht er mich zu trösten.

Der Kellner kommt und wir geben unsere Bestellungen auf.

„Wann?“ fragt Jamie vorsichtig.

„Wir denken Anfang Juli. Dom will uns besuchen und er will unseren Dad noch mal sehen. Wir werden morgen um 10 Uhr mit Shannon und Kyle sprechen“, erkläre ich ihm und nehme meinen Orangensaft dankbar entgegen.

„Kann ich euch begleiten?“ Er nippt an seinem Mineralwasser und sieht mich prüfend an.

„Nein.“ Ich schüttele langsam meinen Kopf „Das bekommen Ami und ich alleine hin.“

„Sicher?“ Sein Blick ruht auf mir.

„Ich denke ja“, gebe ich zurück und unser Essen wird serviert.

Nach dem Essen fährt er mich nach Hause und bringt mich zur Tür.

„Wenn was ist, dann ruf mich an.“ Er zieht mich in seine Arme und ich merke, wie ich mich versteife. Ich will ihn nicht so nah bei mir spüren…

„Okay.“ Ich mache mich von ihm los und betrete das Haus.

„Alles gut?“ Ami sieht mich fragend an, als ich die Küche betrete.

„Ja, alles bestens.“ Ich versuche zu lächeln.

Am nächsten Morgen bringen wir Charlie zu einer Tagesmutter, da Ami wieder anfangen will zu arbeiten. Wir fahren schweigend nach Bandon und betreten das Zimmer unseres Dads.

„Mädchen!“ Shannon strahlt, als sie uns erblickt „Ich habe heute gar nicht mit euch gerechnet.“ Sie drückt uns an sich. „Oh Lill, du siehst wunderschön aus.“ Sie knufft mir leicht in die Wangen und ich lächle sie nachsichtig an.

„Wir haben einen Termin mit Kyle.“ Ami sieht zu unserem Dad.

„Das ist gut.“ Shannon nickt uns zu.

Ich gehe zu unserem Dad und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn. „Hi, Daddy“, flüstere ich „Ami und ich haben eine Entscheidung getroffen.“

„Wir müssen.“ Ami greift nach meiner Hand.

Wir nicken Shannon kurz zu und gehen dann den langen Flur entlang zum Büro von Dr. Kyle Morris. Ich atme tief durch und Ami klopft zaghaft. Augenblicklich wird die Tür geöffnet und wir stehen dem älteren Arzt gegenüber.

„Kommt rein.“ Er macht eine einladende Handgeste und wir betreten sein Büro.

Er nimmt uns gegenüber Platz und sieht uns prüfend an.

„Worum geht es denn?“ Er legt leicht seinen Kopf schief und nimmt seine Brille ab.

„Wir haben eine Entscheidung getroffen“, sagt Ami und sieht ihn an „Wir werden ihn gehen lassen. Wir werden die Apparate abstellen.“ Sie atmet tief ein.

„Ich bin froh, dass ihr endlich eine Entscheidung getroffen habt“, gibt er zu „Glaubt mir, wenn ich irgendeine Hoffnung sehen würde, dann würde ich euch davon abraten.“ Er schüttelt leicht seinen Kopf „Ich betreue Charlie jetzt seit sechs Jahren. Ihr müsst euer Leben leben, etwas anderes hätte auch er nicht gewollt.“

„Das wissen wir“, sage nun ich und er sieht mich an „Wir wollen aber noch warten bis sich unser Bruder von ihm verabschieden konnte. Er kommt am 1. Juli.“

„Okay. Ich breite alles vor, wir haben ja noch 6 Wochen Zeit. Keine Angst, ich kümmere mich um alles“, verspricht er uns.

„Danke.“ Ami steht auf und ich tue es ihr gleich.

„Wir danken dir Kyle“, sage ich und reiche ihm die Hand.

„Ich wünschte, ich könnte mehr für euch tun.“ Er seufzt leise.

„Glaub mir, du hast viel für uns getan.“ Ich sehe ihn dankbar an „Kannst du schauen, ob du einen anderen Patienten für Shannon hast?“ bitte ich ihn und er lächelt.

„Ich kümmere mich persönlich darum“, versichert er mir und ich bin dankbar dafür. Shannon macht ihren Beruf mit Leib und Seele und sie darf nicht entlassen werden. Ich weiß, sie ist nur für unseren Dad eingestellt worden. Die Entscheidung die wir getroffen haben, betrifft nicht nur uns.

Wir verlassen das Büro und gehen wieder zu Shannon und unseren Dad.

„Komm mal her.“ Shannon nimmt Ami in den Arm, als wir das Zimmer wieder betreten.

Sie fängt leise an zu weinen und ich setze mich auf die Bettkante zu unserem Dad.

„Wir lassen dich gehen, Daddy…“ Ich küsse seine Wange und eine Träne tropft auf sie „Dann bist du endlich frei.“

„Shannon, Kyle hat uns versprochen, dass du deinen Job hier behältst und einen neuen Patienten bekommst.“ Ich sehe zu ihr und sie wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ihr seid so lieb.“ Sie schluckt schwer.

„Wir bekommen noch den genauen Termin, aber es wird erst nach dem 1. Juli sein, Domenic will sich von ihm verabschieden“, erkläre ich und nehme die Hand meines Dads. Sanft streichele ich sie und hoffe, bete, dass er irgendeine Reaktion zeigt… aber wie immer… nichts.

„Ich muss an die Luft.“ Ich stehe auf und Ami sieht mich besorgt an.

„Keine Angst, ich gehe nur in den Park“, erkläre ich ihr und nehme meine Jacke.

Im Flur atme ich tief durch und plötzlich steht Jamie vor mir.

„Ich weiß, du hattest mich gebeten nicht zu kommen…“ setzte er an.

Ich nehme ihn in den Arm „Danke“, flüstere ich und er streicht mir beruhigend über den Rücken.

„Dafür nicht“, sagt er leise und ich halte mich an ihm fest.

So eine Entscheidung für sich alleine zu treffen ist etwas anderes, als es anderen mitzuteilen.

Auf der einen Seite fühle ich mich wie eine Verräterin und auf der anderen Seite frei… genau dieses frei sein macht mir Angst. Was bin ich für ein Mensch?

Eine Weile stehen wir so im Flur und gehen dann schließlich raus. Wir drehen eine kleine Runde im Park und setzen uns dann auf eine Bank.

„Bin ich ein schlechter Mensch?“ frage ich leise.

„Nein…“ Er sieht mich erstaunt an „Wie kommst du denn nur auf so etwas?“

„Ich fühle mich frei, weil wir die Entscheidung getroffen haben.“ Ich sehe auf meine Hände und er nimmt sie in seine.

„Engel…“ Er küsst meine Hände „Du bist ein wunderbarer Mensch. Es ist nicht falsch, sich frei zu fühlen, ihr habt so lange diese unglaubliche Verantwortung mit euch herum getragen und es geschafft trotzdem euren Weg zu gehen. Ich bewundere dich.“ Er sieht mich an und ich habe einen Kloß im Hals und schlucke schwer.

„Aber er stirbt.“ Ich schließe meine Augen.

„Das, was ihn ausgemacht hat, ist schon lange nicht mehr da“, sagt er sicher und ich lehne meinen Kopf an seine Schulter.

„Danke“, wiederhole ich und er küsst meine Stirn.

In den nächsten Wochen sehen wir uns einmal die Woche, wenn ich meine Vorsorgeuntersuchung habe und auch Brad, Cody, Josh und Ami behandeln ihn wie einen Freund. Ich kann seine Nähe annehmen, aber ich kann nicht einen Schritt weiter gehen. Immer noch höre ich seine verletzenden Worte, wenn ich ihn ansehe.

Mittlerweile haben uns auch Sean, Alex, Ally, Belle und Eve besucht und irgendwie scheint dieses ganze Kuddelmuddel verschiedener Menschen wirklich gut zu harmonisieren. Es sind zwar zwei Welten die aufeinander prallen, aber sie fügen sich zusammen und es klappt.

Der Reporter einer große Zeitung in Irland, fand mich und Jamie tatsächlich so interessant, dass wir ihnen eine Titelstory wert waren. Allerdings hat BMG jegliche Stellungnahme abgelehnt und wir sind bestenfalls ein Gerücht irgendeines Klatschblattes.

Ich finde es zwar komisch, aber Jamie nimmt mir die Angst. Er sorgt dafür, dass ich mich sicher fühle und ich bin ihm wirklich dankbar dafür.

Dann endlich ist es soweit und Dom kommt. Ami holt ihn am Flughafen ab und ich warte mit Charlie und Josh zu Hause.

„Wir sind da!“ ruft Ami übermütig, als sie das Haus betreten. Ich hieve mich hoch und laufe in den Flur.

„Zaubermaus.“ Dom sieht mich liebevoll an und nimmt mich in den Arm. „Wow, Kleine, du platzt ja fast.“ Er legt seine Hand auf meinen Bauch.

„Ich hoffe doch nicht.“ Ich zwinkere ihm zu „Noch habe ich ja 3 Wochen.“

„Dom, das ist mein Mann Josh und mein Sohn Charlie“, stellt Ami ihm die Beiden vor.

Anfangs beschnuppern sie sich noch vorsichtig, aber das gibt sich zum Glück schnell. Charlie, der vor ein paar Tagen angefangen hat zu laufen, läuft immer wieder zu seinem Onkel und bringt ihm seine Spielzeugautos. Wir haben uns alle so viel zu erzählen, dass der Tag rasend schnell vergeht. Am nächsten Morgen haben wir Brad, Cody und Jamie eingeladen um ihnen Dom vorzustellen.

„Bist du fertig?“ Ami sieht mich prüfend an und ich grinse.

„Ja, zum Glück ist ja Sommer…“ Ich lache leise und schlüpfe in meine FlipFlops „Schuhe zubinden ist nämlich nicht mehr.“

„Dann komm, Brad und Cody haben angerufen, sie sind gleich da und wie ich Jamie kenne, kommt der auch jeden Augenblick.“ Sie hakt mich unter und wir gehen in die Küche.

„Wow, wann hast du das denn alles gemacht?“ Ich sehe sie anerkennend an und betrachte den reichlich gedeckten Frühstückstisch.

„Josh hat geholfen“, lacht sie.

„Josh?“ Ich ziehe zweifelnd eine Augenbraue hoch.

„Höre ich da Zweifel an meiner Person?“ Josh drückt mir einen Kuss auf die Wange und geht an mir vorbei.

„Ich würde doch nie an dir zweifeln“, lache ich.

Als es klingelt, geht er kopfschüttelnd und lachend zur Tür.

„Hey, Dom.“ Ich nehme ihn in den Arm. Er sieht noch reichlich verschlafen aus und ich grinse „Es ist wohl schon eine Weile her, dass du so wenig Schlaf bekommen hast.“

„Piet ist 7, die Zeit in der ich nachts keinen Schlaf bekam, ist zum Glück lange her“, erklärt er mir gähnend. „Habt ihr gut geschlafen?“ Er streicht über meinen Bauch.

„Ja.“ Ich nehme seine Hand in meine.

„Halli! Hallo!“ Cody kommt in die Küche gefegt und ich lächle.

Das ist mein Cody…

„Hey!“ ich gehe zu ihm und er drückt mich an sich.

„Sonnenscheinchen“, strahlt er.

Auch Brad und Jamie kommen in die Küche und Josh setzt erst einmal Charlie in seinen Kinderstuhl, ehe er sich zu uns stellt.

„Das sind Brad und Cody…“ stellt Ami unsere besten Freunde Dom vor.

„Und das ist Jamie.“ Ich sehe zu ihm und Jamie zieht mich in seine Arme.

„Guten Morgen“, lächelt er mich an und ich erwidere es.

„Guten Morgen“, erwidere ich. „Das ist Domenic, unser Bruder“, sage ich in die Runde und alle schütteln sich die Hände.

„Hunger!“ quiekt Charlie und wir setzen uns lachend.

Die Atmosphäre ist entspannt und locken und Dom und die Jungs kommen wunderbar miteinander aus.

„Du bist also der Daddy von Lillys Baby?“ Dom sieht Jamie skeptisch an.

„Ja.“ Er sieht auf und sieht dann wieder zu mir.

„Sei immer gut zu ihr…“ Dom zwinkert ihm zu „Sie ist meine Zaubermaus.“

„Ich gebe mir wirklich Mühe.“ Er nimmt meine Hand und ich drücke sie leicht.

„Ja, das tust du“, gebe ich ihm Recht.

Am nächsten Tag fahren wir zu unserem Dad und Dom, Ami und ich sprechen lange mit Kyle ehe Dom zu ihm geht. Er kommt mit der ganzen Situation nicht wirklich klar, aber Ami und ich stehen ihm bei. Wir kennen diese Situation ja vom allerersten Tag an und für ihn ist das alles neu.

Wir besprechen mit Kyle, Dom noch etwas Zeit zu lassen und legen den Termin auf den 6. Juli.

Wir verbringen jeden Tag bei unserem Dad, sprechen alle zusammen oder alleine mit ihm, plötzlich ist der 6. Juli und mein schlechtes Gewissen holt mich ein.

„Ihr solltet euch verabschieden.“ Kyle sieht uns an, als wir den Papierkram erledigt haben.

„Geh zu ihm.“ Shannon sieht zu Ami, sie nickt und steht auf.

Dom, Shannon und ich gehen in die Cafeteria und schweigen. Irgendwie sind keine Worte mehr da… Alles ist gesagt. Dann geht Dom und Ami sieht mich besorgt an.

„Wir können auch warten… Wir müssen das nicht heute machen.“ Sie nimmt meine Hand.

„Nein, Ami“, sage ich sicher und, als Dom zurück kommt und mir zu nickt, da gehe ich zu ihm.

„Hey Daddy.“ Ich setze mich auf die Bettkante und nehme seine Hand „Heute ist der große Tag.“ Ich wische mir eine Träne weg „Ich werde dich vermissen, so sehr vermissen. Es ist furchtbar, dass du Juliana nicht kennen lernen wirst. Aber ich werde ihr viel von dir erzählen. Du bist der Einzige der weiß, wie sie heißen wird. Ich habe es noch nicht einmal Jamie erzählt.“ Ich lege seine Hand an meine Wange „Ich weiß, du bist schon lange fort, aber im Herzen wirst du immer bei mir sein. Für immer und ewig.“ Ich küsse seine Hand und gehe dann in den Flur, in dem Kyle, Ami, Dom und Shannon warten.

„Alles gut?“ Kyle sieht mich besorgt an, als ich tief durch atme.

„Ja“, sage ich leise und wische über meine Augen.

„Ich gehe jetzt hinein.“ Kyle sieht uns an und wir nicken. „In 5 Minuten kommt ihr bitte nach.“

Wir setzen uns auf die Stühle im Flur und halten uns alle an den Händen. Wir sagen nichts. Wir brauchen keine Worte. Wir sind alle zusammen, das ist das, was gerade zählt.

Dann gehen wir alle zu unserem Dad, die Maschinen sind alle aus und es ist unheimlich still im Zimmer. Wir setzen uns zu ihm und ich lehne meinen Kopf an Doms Schulter.

„Bye, Daddy“, flüstere ich und auch Ami und Dom verabschieden sich.

Nach einer halben Stunde beugt sich Kyle über ihn und horcht ihn ab. Er sieht zu uns und schüttelt den Kopf. Wir atmen alle tief durch und ich schließe meine Augen.

„Ich kümmere mich um alles.“ Kyle nickt uns zu und Shannon bugsiert uns auf den Flur.

„Ihr wart so tapfer.“ Shannon nimmt uns in den Arm „Ihr werdet mir fehlen.“

„Du uns auch, aber wir haben ja deine Nummer.“ Ami nimmt sie in den Arm.

„Mir auch.“ Ich sehe sie an und sie drückt mich kurz an sich.

„Da ist jemand, der dir beistehen will.“ Sie blickt den Flur entlang.

Jamie steht mit den Händen in den Taschen unschlüssig in der Tür und ich schlucke. Ich mache mich los und gehe langsam auf ihn zu.

„Hey, mein Engel.“ Er sieht mich prüfend an.

Ich werfe mich in seine Arme und schluchze leise.

„Ich bin da“, flüstert er. „Ich bin immer da.“

„Ich weiß.“ Ich sehe ihn an.

Plötzlich sind die bösen Worte weg… Hat er mir nicht in den letzten Wochen oft genug gezeigt, dass er an meiner Seite ist?

Dass er mich und unsere Tochter liebt?

Ich sehe ihn an, nehme sein Gesicht sanft in meine Hände und küsse ihn. Es liegt so viel in diesem einen Kuss und er seufzt leise, als er mich noch ein bisschen dichter zu sich zieht. Ich klammere mich wie eine Ertrinkende an ihn und er kann nicht aufhören mich zu küssen. Dann lassen wir voneinander ab und ich lehne meinen Kopf an seine Brust.

„Nimmst du Lilly mit?“ Ami kommt zu uns und sieht Jamie bittend an.

„Sicher.“ Er küsst meine Stirn.

„Lilly, gönn dir ein paar Tage Ruhe…“ Dom sieht mich bittend an.

„Ich fahre mit ihr in mein Haus in Kinsale“, sagt Jamie und ich sehe erstaunt zu ihm auf.

„Du hast ein Haus in Kinsale?“ frage ich erstaunt.

Ich meine, ich weiß, dass er ein Haus in Ballina und eine Wohnung in Dublin hat, aber Kinsale? Das ist ja nur 20 km von Crosshaven entfernt.

„Ja, genauer gesagt in Summercove, ich habe es vor zwei Monaten gekauft.“ Er sieht mich liebevoll an „Ich wollte in eurer Nähe sein.“

„Oh, Jamie.“ Mir treten erneut Tränen in die Augen.

„Okay, sei gut zu ihr.“ Ami drückt Jamie einen Kuss auf die Wange „Aber daran habe ich keinen Zweifel“, fügt sie hinzu. „In drei Tagen ist die Beisetzung.“

„Ich weiß“, sagt Jamie leise.

Ich verabschiede mich draußen von Ami und Dom und steige in Jamies Wagen.

„Danke“, sagt er leise, als wir vom Parkplatz des Heims fahren.

Ich sehe ihn an und lächle leicht „Ich danke dir.“

„Du dankst mir?“ Er sieht mich zweifelnd an.

„Ja, dafür das du mich nicht aufgegeben hast“, erkläre ich ihm.

„Niemals…“ Er nimmt meine Hand und küsst sie „Ich könnte dich niemals aufgeben.“

Den Rest der 20 Minuten schweigen wir und ich sehe aus dem Fenster, es ist irreal, dass ich nie wieder zu meinem Dad fahren kann und dass Shannon nicht mehr neben seinem Bett sitzt.

Er ist frei…

Endlich ist er frei…

Und wir auch…

Eine einzelne Träne läuft mir übers Gesicht.

„Wir sind da.“ sagt Jamie vorsichtig, er steigt aus und hilft mir beim Aussteigen.

Das Haus ist wirklich wunderschön, es liegt direkt am Strand und die Aussicht ist toll.

„Wow…“ Ich sehe ihn an und er lächelt.

„Ich liebe dich, mein Engel. Ich liebe dich so sehr.“ Er zieht mich zu sich.

Die Sonne steht hoch über uns. Ich sehe zu ihm auf und lächle.

„Ich liebe dich“, sage ich sanft und er beugt sich zu mir runter, um mich zu küssen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Epilog

 

20jähriges Bühnenjubiläum vom Bluefire

 

Gestern fand im Ardnaree Sarsfields Stadion in Ballina, das Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bestehen von Bluefire statt. Tatsächlich steht die Band, bestehend aus Sean Johnson (35), Jamie O’Levy (36) und Alex Winters (38), schon seit 7 Jahren immer wieder an der Spitze der Charts. Begleitet wurden die drei von ihren Familien. Alex Winters in Begleitung seiner Frau Isabell (35) und den Kindern Luke (5), William (3) und Paul (1). Sean Johnson, war wie immer in Begleitung seiner Frau Allison (36) und deren fünf gemeinsamen Kindern Everly (8), Oliver und Austin (5) und Natalie und Peter (3). Auch Jamie O’Levy wollte bei diesem besonderen Konzert seine Liebsten um sich haben und erschein mit seiner Frau Liljana (34) und den Kindern Juliana (6), Damian (4) und Aaron (1).

Das Konzert war innerhalb von nur 30 Minuten ausverkauft und die Fans feierten ihre Idole bis in die frühen Morgenstunden. Sicher ein unvergessliches Erlebnis, sowohl für die Fans, als auch für Bluefire.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.07.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Mann, meinen Sohn und für jeden einzelenen von Euch.

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