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Destiny


Prolog

Es gibt Situationen im Leben wo du dich fragst wie es so weit kommen konnte. Aber egal wie sehr du sich bemühst, du wirst nie eine Antwort bekommen, die Antwort liegt in den Verkettungen vorangegangener Ereignisse.
Eine Kleinigkeit war vielleicht irgendwann der Auslöser und nun stehst du Mitten im größten Dilemma deines Lebens. Aber egal wie schwer es wird.
Du schaffst das irgendwie…
Du hältst durch…
Du kämpfst…
Du gibst einfach nicht auf…
Und du hoffst darauf dass irgendwann alles überstanden ist. Diese Hoffnung hilft dir nicht den Kopf in den Sand zu stecken und deinem Gefühl nach zu geben, einfach alles hinter dich lassen zu wollen. Was aber wenn Menschen die du liebst, das nicht gelingt?


Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang, zumindestens fühlt es sich so an…
Ich liege im Wohnzimmer auf der Couch und warte mal wieder auf ihn, ich sehe zur großen Uhr. Weit nach 3 Uhr nachts, ich rappele mich auf und gehe ins Bett.
Ich bin es leid zu warten.
Wann ist die Grenze erreicht, bis zu der man aus Liebe alles erträgt?
Wann überschreitet man die Grenze zwischen gegenseitiger und einseitiger Liebe?
Ich bekomme nicht mit wann er nach Hause kommt, am nächsten Tag liegt er neben mir als ich aufwache. Ich sehe ihn an und streiche ihm seine hellbraunen Haare aus der Stirn.
Was ist nur mit uns passiert?
Was ist aus unserer großen Liebe geworden?
Haben wir uns nicht geschworen, dass uns nichts trennen kann?
Ich stehe leise auf, ich ziehe ein Hemd von ihm und dicke Socken an. Draußen fällt der erste Schnee und ich setze mich mit einer Tasse Tee in meinen Lieblingssessel am Kamin, ich lege Holz nach und sehe durch das große Panoramafenster.
Lautlos fallen die kleinen Schneeflocken zur Erde und ich beobachte wie der Rasen seine Farbe, von dunklem grün zu weiß wechselt, so als ob man Puderzucker über alles streut.
Alles sieht so friedlich und beruhigend aus.
Ich wärme meine Hände an der Tasse und seufze leise.
In den letzten Wochen haben wir so viel gestritten, so viele Kämpfe ausgetragen und uns so viele Vorwürfe gemacht… Ich bin so erschöpft von alle dem.
Ich weiß nicht wie lange wir noch die Augen davor verschließen wollen, das es kein Uns nicht mehr gibt…
„Jess?“ er kommt leise ins Wohnzimmer und ich sehe ihn traurig an.
Wann hat er mich das letzte Mal Sweetheart genannt?
So wie am Anfang immer…
Es scheint Lichtjahre her zu sein.
„Ja?!“ antworte ich leise und drehe die Tasse in meinen Händen. Ich ahne was jetzt kommen wird und schlucke schwer, wir haben dieses Gespräch schon viel zu lange vor uns her geschoben. Ich spüre dass es jetzt soweit ist, wir werden uns unseren Problemen stellen müssen…
Er setzt sich auf die Couch und fährt sich durch die Haare. Auch er ist erschöpft, allerdings weiß ich nicht ob von unseren Streitereien oder seinen ausgedehnten Partynächten.
„Wir müssen reden.“ Beginnt er.
Gott wie ich diesen Satz hasse.
So möchte man nie das ein Gespräch anfängt, denn meistens ist das, was am Ende dabei raus kommt, nicht das was man sich erwünscht.
Ich ahne, dass es jetzt genau so sein wird.
Ich schließe kurz meine Augen und schaue auf.
„Bitte tu das nicht.“ Ich flehe ihn leise an…
Bitte gib uns nicht auf!
„Jess, ich habe keine Wahl, irgendetwas passt nicht mehr.“ Er sieht mich das erste Mal, seit er den Raum betreten hat, an und ich schlucke schwer.
„Du meinst ich passe nicht mehr in den Leben.“ Ich bin verzweifelt und eine einzelne Träne läuft lautlos über meine Wange. „Ich passe nicht zu deinen neuen Freunden.“
„Jess, bitte versteh doch.“ Er weiß nicht, was er dazu sagen soll. „Ich weiß es doch auch nicht! Gott was soll das alles? Verstehe mich doch endlich!“ Er beginnt laut zu werden.
Er weiß mal wieder nicht weiter und wird laut, das tut er immer, wenn er nicht weiß, was er sagen soll. Das habe ich in den letzten Monaten leider zu oft erleben dürfen.
Ich sehe ihn an, sehe seinen wütenden Gesichtsausdruck.
Was ist nur passiert?
Resigniert schließe ich meine Augen und atme tief durch.
Ich gebe auf!
Er hat gewonnen!
Schmeiß alles weg, was wir haben!
Ich atme noch einmal ganz tief durch.
„Nein, ich muss gar nichts verstehen…“ Ich stehe ruhig auf „… Du hast alles gesagt und ich werde gehen.“ Ich stelle meine Tasse auf den Couchtisch und gehe ins Schlafzimmer.
Ich nehme meine große Tasche vom Schrank und setze mich aufs Bett. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und beginne zu weinen.
Warum tut er mir das an?
Sind wir nicht erst gestern hier voller Träume und Hoffnungen eingezogen?
Waren wir nicht so glücklich gewesen unser Traumhaus gefunden zu haben?
Was ist jetzt davon übrig?
Ein gebrochenes Herz, eine einsame Seele und ein Meer von Tränen…
Er wollte immer als Architekt Karriere machen und ich wollte nie etwas anderes wie eine Ärztin sein.
Er hat es geschafft, er hatte seinen Durchbruch, kann sich vor Aufträgen kaum retten und ich sitze zu Hause, lerne für meine Prüfungen und warte…
Warten…
Immer warten…
Ich warte darauf, dass er wieder der sein wird, den ich lieben kann. Der Mann, in den ich mich so unsterblich verliebt habe. Es zerreißt mir das Herz, zu sehen, dass nichts davon übrig geblieben ist.
Der Mann da draußen auf der Couch ist nicht mehr dieser Mann, er ist nicht mehr mein Luca.
Er ist zu einem Schatten seines Selbst geworden, er hat sich verkauft und mich verraten.
Mein Luca wäre zu mir gekommen, hätte mich in den Arm genommen und mir gesagt dass alles gut wird…
Aber dieser Luca ist weg.
Welch bittere Erkenntnis.
Ich packe meine Sachen in die Tasche, wahllos nehme ich Stapel für Stapel aus dem Schrank und zwänge die Sachen in die große Reisetasche. Ich ziehe mir meine Jeans, ein Shirt und einen dicken Pullover an. Im Rest der Wohnung sammele ich alles ein, was ich meiner Meinung nach brauche und was mir gehört.
Ein Karton ist voll und ich schließe ihn.
Er sitzt die ganze Zeit still auf der Couch und sieht mich nicht einmal mehr an.
Ist das alles was nach 6 Jahren bleibt?
Schweigen…
Ich bin fertig und sehe zu der Tasche und dem Karton, das ist also alles Materielle was von 6 Jahren Beziehung übrig geblieben ist.
Ich ziehe den Ring von meinem Finger und lese die Inschrift
Jess & Luca 4ever
steht dort und ich lege ihn auf den Tisch.
Unser 4ever hat nicht für immer gehalten.
Ich kann es nicht glauben…
Es klingelt und ich gehe zur Tür, da er sich nicht rührt.
Sein Bruder Dean sieht mich erstaunt an.
„Was ist denn hier los?“ fragt er mit einem Blick auf die Tasche und den Karton.
„Ich passe nicht mehr in sein Leben.“ Sage ich leise und kämpfe gegen die Tränen an. Gerade habe ich mich soweit im Griff, nicht mehr weinen zu müssen.
„Aber was hast du jetzt vor?“ Er ist sichtlich geschockt.
„Keine Ahnung.“ Gestehe ich. „Aber ich kann nicht hier bleiben.“
Ich nehme meine Jacke und ziehe mir meine Schuhe an.
„Jess, bitte bleib.“ Luca steht auf und sieht mich an.
„Nein, ich bleibe nicht. Was soll ich hier? Warten das du mich irgendwann mal wieder wahr nimmst und erkennst wer deine Freunde sind und zu wem du gehörst?“ ich sehe ihn traurig an und schüttele resigniert mit dem Kopf. „Tut mir leid Luca, ich will nicht mehr warten. Ich kann nicht mehr warten.“
Er sagt nichts und Dean sieht zwischen uns hin und her.
„Ich kann einfach nicht mehr.“ Meine Stimme klingt kraftlos und hohl.
Ich klemme mir den Karton unter den Arm und nehme meinen Koffer. Ich öffne die Tür und trete in die kalte Luft Dublins. Ich lege meinen Haustürschlüssel auf die Kommode und ziehe die Tür zu.
Mein Blick fällt auf unser Haustürschild.
Luca O’Flannery & Jessica Mikkelsen
Ich schüttele meinen Kopf und gehe zu meinem Auto, zum Glück haben wir beide jeder sein eigenes Auto. Ich packe die Sachen in den Kofferraum.
Dann setze mich hinters Steuer und schluchze auf.
Wo soll ich jetzt hin?
Was ist gerade passiert?
Endlich habe ich es gewagt diesen längt überfälligen Schritt zu gehen, anstatt mich in einer Beziehung zu quälen in der keiner von uns glücklich ist.
Aber ist es besser?
Fühle ich mich besser?
Nein!
Ich fühle mich verraten!
Ich fühle mich zerrissen!
Ich lege meinen Kopf auf das Lenkrad und weine bittere Tränen.
Es sind Tränen der Verzweiflung, der Wut und des Schmerzes.
Es tut weh, so unbeschreiblich weh…
Schließlich schnalle ich mich an und fahre los, erst ohne Ziel, dann treffe ich eine Entscheidung.
Ich fahre zurück nach Hause…
Nicht zurück zu ihm, denn das ist nicht mehr mein Zuhause. Ich fahre dorthin, wo ich hoffe hin zu gehören. Ich fahre an der Küste entlang von Dublin nach Blackrock, dann setze ich mit der Fähre nach Holyhead über und durchquere ein ganzes Land, schließlich lasse ich mich von Sunderland nach Esbjerg, auf dem dänischen Festland übersetzen.
Es ist bereits früh am übernächsten Morgen, als ich vor meinem alten Elternhaus stehe.
Wann war ich das letzte Mal hier gewesen?
Es muss schon über ein Jahr her sein.
Meine Eltern Leben beide schon lange nicht mehr und das Haus gehört nun meinem Bruder Mark und seiner Familie. Die Autos stehen in der Einfahrt und ich parke daneben. Ich lege meinen Kopf auf das Lenkrad. In den letzten 28 Stunden, die ich schon unterwegs bin, habe ich erstaunlicher Weise nicht geweint. Ich komme mir vor wie fern gesteuert, so als ob jemand anderes die Kontrolle über mich hat und ich nur blind gehorche. Ich steige aus und strecke mich, langsam gehe ich zur Haustür. Ich schaue mich um, die Sonne verdrängt langsam die Nacht, aber sie schafft es nicht hinter den grauen Wolken hervor zu kommen die tief über Kopenhagen hängen. Der große Baum vor dem Haus sieht noch ganz genau so aus wie in meiner Kindheit, die Schaukel hängt still daran, kein Lufthauch bewegt sie. Ich schaue aufs Klingelschild.
Mark and Joanne Mikkelsen
&
Nico Adam Mikkelsen
Eine kleine glückliche Familie…
Etwas, was mir für mich in diesem Moment unmöglich erscheint.
Leise klopfe ich an die Tür, drinnen brennt schon Licht aber ich will meinen kleinen Neffen nicht wecken.
Mark kommt zur Tür und sieht mich erstaunt an.
„Jessy? Was machst du denn hier?“ er nimmt mich in den Arm und ich beginne zu weinen. Endlich bahnen sich die Tränen ihren Weg, allein sein Anblick und sein besorgtes Gesicht sagen mir, das ich endlich weinen kann. Die letzten Stunden habe ich damit verbracht mich zusammen zu reißen und nicht zu weinen.
Jetzt kann ich einfach nicht mehr.
Er drückt mich fest an sich und es tut unbeschreiblich gut meinen großen Bruder in den Armen zu halten. Er führt mich behutsam ins Wohnzimmer und Joanne sieht mich schockiert an.
„Jessy.“ Sie nimmt mich meinem Bruder ab. „Was ist denn nur passiert?“ sie nimmt behutsam mein Gesicht in ihre Hände.
„Ich passe nicht mehr in sein Leben.“ Sage ich leise und weine.
So viele Tränen habe ich wegen ihm vergossen und es grenzt an ein Wunder, das ich noch welche habe.
Sie brennen in meiner Kehle, sie brennen in meinen Augen und sie brennen auf meinen Wangen.
„Oh mein Kleine!“ sie wiegt mich hin und her und ich kann mich kaum beruhigen.
Ich will den Schmerz nicht mehr spüren, er schnürt mir die Kehle zu.
„Komm schon Jessy. Leg dich erst einmal hin.“ Mark nimmt mich an die Hand und führt mich ins Gästezimmer.
Er hilft mir aus der Jacke, welche ich immer noch anhabe, aus meinem Pullover und aus meinen Schuhen.
Ich nehme es gar nicht richtig wahr, zu sehr stecken mir die letzten 28 Stunden in den Knochen.
„Wir reden, wenn du dich ein wenig erholt hast.“ Sagt er liebevoll, küsst meine Stirn und deckt mich zu.
Ich sehe ihn verzweifelt an und in seinem Blick liegt die ganze Sorge um mich. Ich würde ihm so gerne sagen, dass es mir gut geht, aber augenscheinlich geht es mir nicht gut.
Im Gegenteil, es geht mir schlecht… sehr schlecht.
Ich bin am Boden und mein Herz ist gebrochen.
Ich schlafe vor Erschöpfung schnell ein und mein Kopf dröhnt, als ich wach werde.
Ich sehe mich um, realisiere wo ich bin und das alles nicht nur ein schlechter Traum ist.
Es bricht alles über mich herein, ich fange wieder an zu weinen und die Tränen laufen lautlos über mein Gesicht. Ich bin nicht in der Lage sie aufzuhalten oder einen Ton heraus zu bringen, obwohl ich so gerne schreien würde. Ich würde so gern den Schmerz, der mir die Kehle zuschnürt heraus schreien, aber ich kann nicht.
Ich kenne es nicht anders, ich muss schon immer die Starke sein.
Früher musste ich stark sein um meinem Bruder zu zeigen das wir es ohne meine Eltern schaffen, dann musste ich stark sein und ihm beweisen das ich mein Studium schaffe und dann musste ich stark sein damit keiner merkt wie sehr meine Beziehung am Ende war.
Wie lange kann ich das noch?
Es klopft an der Tür und ich drehe mich zum Fenster. Ich sehe nur Umrisse denn die Tränen verschleiern meine Sicht. Tapfer versuche ich sie zu unterdrücken.
Ich spüre wie sich jemand auf die Bettkante setzt, eine Hand streicht vorsichtig über meinen Rücken.
„Hey Jessy.“ Sagt Mark leise und ich drehe mich zu ihm. Er setzt sich ganz aufs Bett und zieht mich an seine Brust.
„Alles wird gut.“ Flüstert er und ich kuschele mich weinend an ihn.
Es tut so gut in seinen Armen zu liegen und zu spüren dass ich geliebt werde.
Viel zu lange habe ich auf dieses Gefühl verzichten müssen.
„Was ist denn passiert?“ fragt er nach einer Weile.
„Ich passe nicht mehr in sein Leben.“ Schluchze ich.
„Wie meinst du das?“ harkt er nach.
„Er hat so viel um die Ohren, jagt von einem Auftrag zum nächsten, er verbringt seine Zeit nur noch mit seinen neuen Freunden und er war kaum noch zu Hause. Die letzten Wochen und Monate waren die Hölle. Immer gab er mir die Schuld, ich wäre nicht verständnisvoll genug und ich wäre diejenige die ihm seinen Erfolg nicht gönne. Gestern war es einfach zu viel, ich bin gegangen. Ich möchte zurück kommen.“ Sage ich leise.
„Klar kannst du zurück kommen.“ Sagt er und streicht mir über den Rücken. „Hier ist doch dein Zuhause.“
Zuhause?
Was ist ein Zuhause?
Ein Ort an denen Menschen Leben die man liebt?
Ein Ort an dem ich glücklich bin?
Ich weiß nur eines, ich will nicht zurück nach Dublin.
Mit Dublin verbinde ich Schmerz, Tränen und Hoffnungslosigkeit.
„Danke.“ Sage ich schluchzend und er hält mich einfach fest.
„Möchtest du was essen?“ er sieht mich nach einer Weile fragend an, ich schaue zu ihm hoch und schüttele meinen Kopf.
„Komm schon, du musst was essen.“ Sagt er und entwindet sich vorsichtig meiner Umarmung „Außerdem freut sich Nico riesig seine Tante endlich zu sehen.“ Er sieht mich bittend an.
Gut, ich tue es für Nico…
Ich stehe auf und ziehe mir meine Jeans an. Ich folge ihm nieder geschlagen nach unten. Mein Körper ist so müde und so schlaff, ich bin froh, dass ich einen Fuß vor den anderen setzen kann.
Nico, mein kleiner 4jähriger Neffe kommt angelaufen, ich setze mich in die Hocke und fange ihn auf.
„Jessy! Jessy! Jessy!“ jubelt er und ich drücke ihn fest an mich Er bringt mich sogar dazu ein wenig zu lächeln, seine Haare riechen nach Erdbeeren und ich schließe kurz meine Augen. Ich liebe diesen kleinen Kerl abgöttisch. Nichts ist unverfälschter wie das lachen eines Kindes, er strahlt mich an und seine Augen leuchten.
„Hey Sweetheart.“ Ich sehe ihn an und gebe ihm einen Kuss. Es interessiert ihn nicht wie ich aussehe oder was für einen Eindruck ich mache. Er freut sich das ich da bin und ihn Sweetheart nennen. Er ist so stolz darauf, dass ich ihn so nenne, weil ich ihm erklärt habe, dass ich das nur zu ganz besonderen Menschen sage und das es Liebling heißt.
„Mama hat gekocht, sie hat Pfannkuchen gemacht…“ er zieht mich hinter sich her „… ich liebe Pfannkuchen! ...“ er reibt sich den Bauch und ich grinse. Er sieht aus wie eine kleine Kopie von Mark, dunkelbraune struvelige Haare, grüne Augen und ein lächeln was den Raum erhellt. Und er redet ohne Punkt und Komma, eine Eigenschaft die auch mein Bruderherz zuweilen besitzt.
„Ich wollte dich vorhin wecken, aber Mama hat gesagt das darf ich nicht. Papa sagt, du bist traurig.“ Er sieht mich prüfend an.
„Schon Okay Sweetheart.“ Sage ich und struvele ihm durch die Haare.
Sie froh, das du noch nicht weißt, wie böse die Welt sein kann.
Joanne lächelt mich fragend an und ich nicke leicht.
Ich werde es überleben…
Irgendwie...
Sie versteht mich ohne Worte und ich will das jetzt auch nicht vor Nico ausdiskutieren. Sie kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.
„Danke Jo.“ Sage ich leise.
Wir setzen uns an den Tisch und Nico unterhält uns alle. Er erzählt von seiner Woche im Kindergarten und ich staune wie detailgenau er alles berichtet. Seine kindliche Unbeschwertheit bringt sogar mich zu dem einen oder anderen lächeln.
„Wie lange bleibst du denn?“ Nico sieht mich fragend, mit seinen großen grünen Augen an.
„Ich wohne jetzt wieder hier.“ Ich versuche zu grinsen als ich sehe wie seine Augen aufleuchten.
„Ziehst du mit Luca in die Wohnung hinten?“ Nervös zappelt er auf seinem Stuhl hin und her.
Er mag Luca.
Er mag ihn sogar sehr.
Nein, er liebt ihn…
Er vergöttert ihn…
„Nein, nur ich allein, Luca wohnt weiter in Dublin.“ Sage ich und schlucke schwer.
Einen kleinen Moment sieht mich Nico prüfend an.
„Ah so, Okay.“ Als ob es ihn nicht weiter interessiert nimmt er sich einen weiteren Pfannkuchen.
Ich würde die Sache auch gerne so entspannt sehen wie er.
„Was machst du mit der Uni?“ Mark holt mich aus meinen Gedanken und schaut mich fragend an.
„Ich werde mich wieder auf die Erasmus umschreiben lassen, das neue Semester startet in einer Woche. Es ist zwar knapp aber das sollte ich hin bekommen.“ Ich kaue lustlos auf meinem Pfannkuchen herum.
Nicht das er nicht lecker ist, nein, er ist sogar sehr lecker… ich habe nur das Gefühl ich kaue auf einem Stück Pappe herum, es will mir einfach nicht schmecken.
„Und deine Unterlagen die noch bei der Trinity sind?“ Jo beginnt den Tisch abzuräumen und nimmt meinen halbleeren Teller.
„Ich werde später Keela anrufen und sie bitten mir alles zu schicken.“ Ich blicke angestrengt auf das Wasserglas in meiner Hand.
Mark ergreift meine Hand und drückt sie sanft. „Wir bekommen das schon hin…“ er sieht mich ermutigend an „… Wir haben schon ganz andere Sachen geschafft.“ Sagt er sicher.
Wenn ich mir doch nur so sicher wäre.
Als unsere Eltern starben war Mark 25 und ich 16, er hat wie ein Löwe gekämpft, dass ich bei ihm bleiben durfte. Von dem Erbe unserer Eltern bezahlte er das Haus ab und baute eine Anliegerwohnung hinten an das Haus an. Den Rest legte er für mein Studium an und ich bin ihm mehr wie dankbar, dass ich so nicht nebenbei arbeiten muss, sondern mich voll und ganz auf mein Studium konzentrieren kann. Nun bin ich 27, bin kurz davor mein Studium zu beenden und eine Ärztin zu sein und er ist 36, hat eine kleine Malerfirma, eine tolle Frau und einen bezaubernden Sohn. Scheint so, als sei zumindestens einer von uns glücklich.
Ich weiß das klingt missmutig, aber im Moment sind nur dunkle Gedanken in meinem Kopf.
„Danke Mark.“ Sage ich leise und er nickt.
Auch wenn er sich nicht sicher wäre, das wir das hin bekommen, so würde er mir das nie zeigen.
Dafür kenne ich ihn einfach viel zu gut.
Ich lade meine Kiste und meine Tasche aus dem Auto und bringe alles in die Einliegerwohnung. Mark hat alle Möbel mit Laken abgedeckt, aber zum Glück hat er gestern Nacht noch die Heizung angestellt. Ich stehe alleine in der Wohnung und ziehe einige Laken schwungvoll von den Möbeln, meine große weinrote Ledercouch kommt zu Vorschein und der Schreibtisch der einst meinem Dad gehört hat. Vorsichtig streiche ich über die Arbeitsplatte, so viele Erinnerungen hängen an diesem Tisch. Ich setze mich auf die Couch und sehe mich um.
Alles ist mir so fremd, ich muss mir eingestehen, das auch hier nicht mein zu Hause ist.
So sehr habe ich es mich gewünscht…
aber es ist einfach nicht so.
Ich weiß nicht einmal wo mein Zuhause ist…
Jo kommt mit einigen Lappen und Wasser und wir alle machen uns zusammen daran alles her zu richten. Keine zwei Stunden später sieht es so aus, als wäre ich nie weg gewesen. Komisch, zwei, drei Handgriffe und die Spuren der letzten 7 Jahre sind weg gewischt.
„So Jessy, wir lassen dich einen Moment allein, wir fahren Sonntagnachmittag immer zu Oma Mary und Opa Ejner.“ Er grinst mich an.
Ich weiß dass sie jeden Sonntag Jos Eltern besuchen und nicke ihnen zu. Sie lieben die Nachmittage bei ihnen. Mary und Ejner sind toll, ich kenne sie schon seit über 10 Jahren und unter anderen Umständen wäre ich bestimmt gerne mit gefahren, aber jetzt brauche ich einfach ein wenig Zeit für mich.
„Bis nachher Jessy!“ ruft Nico mir fröhlich zu.
„Bis später Sweetheart!“ erwidere ich und er dreht sich breit lächelnd um.
„Ich bin froh, dass du da bist und das du bleibst.“ Sagt er und ich lächle leicht.
Er tut meinem geschundenen Herz so gut.
Ich setze mich wieder auf die Couch, krame mein Handy aus meiner Jackentasche und schalte es an.
27 unbeantwortete Anrufe und 15 ungelesene Nachrichten. Ich schüttele meinen Kopf, sperre Luca seine Nummer und die seiner Familie inklusive seiner Geschwister Ally und Dean.
Ihr sollt mich in Ruhe lassen!
Ich will nie wieder was von euch hören!
Nie wieder!
Er hat alles zerstört…
Dann wähle ich Keelas Nummer, sie geht gleich ran.
„Gott J, wo bist du?“ fragt sie atemlos, nur sie nennt mich J und früher hatte es auch Luca getan.
Früher… es scheint mir Lichtjahre her zu sein.
„Hey Keela…“ ich atme tief durch, ich will nicht schon wieder anfangen zu weinen. Ich will nicht ständig weinen.
„Oh meine Süße.“ Versucht sie mich zu beruhigen, sie kennt mich zu gut und weiß wie verzweifelt ich bin.
„Keela, es tut so weh.“ Sage ich leise und beginne nun doch zu weinen. Ich kann es nicht aufhalten, es kriecht langsam meine Kehle hoch und ich werde daran ersticken, wenn ich es nicht raus lasse. Ein Schluchzer entweicht mir.
Meine Keela, ich werde sie so sehr vermissen.
Sie ist meine beste Freundin seit meinem ersten Tag am Trinity College. Sie lief mit einem Stapel Bücher in mich hinein und ab da waren wir wie Pech und Schwefel. Sie ist wie eine Schwester die ich nie hatte.
„Was ist denn los bei euch? Luca hat schon zig Mal angerufen und gefragt ob du bei mir bist.“ Sie ist so besorgt um mich, dass es mir die Kehle zuschnürt.
„Ich passe nicht mehr in sein Leben.“ Ich spreche so leise das es kaum mehr wie ein flüstern ist.
„Oh meine Süße!“ versucht sie mich zu trösten „Wo bist du?“ Sie hat die ganzen letzten Monate mitbekommen wie ich gelitten habe, ihr brauche ich mit Sicherheit nicht zu erklären, warum ich gegangen bin.
„Bei Mark. Ich bleibe hier.“ Meine Stimme versagt fast. Ich fühle mich so schlecht.
„Wie du bleibst in Kopenhagen?“ Sie ist verwirrt und geschockt.
„Keela, ich bleibe hier in Kopenhagen, ich gehe hier weiter an die Uni und mache hier meinen Doktor. Ich kann nicht zurück kommen.“ Ich fange wieder an zu weinen.
Es zu denken oder es zu Mark zu sagen ist was anderes, als wie es Keela zu sagen. Die letzten 7 Jahre war sie immer an meiner Seite gewesen.
Sie war dabei gewesen als ich Luca kennen lernte.
Auf einer Studentenparty, ich weiß es noch wie heute.
Keela und ich hatten uns freiwillig zum bedienen gemeldet, weil wir ein wenig Geld brauchten. Als wir in dem Club ankamen, waren wir so geschockt wie raus geputzt unsere Kommilitonen waren. Es war eher ein Laufsteg als wie eine Party. Aber wir bekamen gutes Geld, also bedienten wir sie. Als er rein kam sah ich mich um und es war sofort um mich geschehen. Er trug ein weißes Hemd bis zu den Ellenbogen umgekrempelt, das im Schwarzlicht fluoreszierte. Er hatte seine Krawatte gelockert, seine hellbraunen Haare standen wild in alle Richtungen, selbst auf die Entfernung konnte ich sehen, das seine Ohren ein bisschen abstehen und ich stand wie angewurzelt vor der Bar und starrte ihn an. Er setzte sich und ich ging zu ihnen um die Bestellung aufzunehmen. Dann lief der Abend einfach weiter… Als sich so langsam die letzten Gäste verabschiedeten und ich umgezogen auf Keela wartete, tippte mir jemand auf die Schulter. Ich drehte mich um und sah in seine dunkelbraunen Augen. Er fragte mich nach meiner Telefonnummer und ich gab sie ihm. Noch in der Nacht rief er mich an und wir unterhielten uns. Am nächsten Nachmittag lud er mich zu einem Spaziergang am Strand ein.
Tja, das war der Anfang unserer großen Liebe. Erst viel später gestand er mir, dass er sich auf den ersten Blick in mich verliebt hatte. Keela verliebte sich kurze Zeit später in einen seiner besten Freunde, in James. Ich mag James, er ist gut zu Keela und er ist ein sehr guter Freund für mich geworden. Doch während die beiden nun immer noch glücklich sind, stehe ich vor dem Scherbenhaufen meiner Beziehung.
„Bitte tu das nicht J.“ Sie fleht mich an.
Ich schüttele leicht mit meinem Kopf.
Was soll ich denn tun?
„Die Entscheidung ist gefallen.“ Sage ich leise.
Nun beginnt sie zu weinen. „Ich will nicht, dass du wegen ihm gehst. Bitte, ich hab dich lieb und will nicht dass du gehst. Wir haben die letzten Monate überstanden, wir überstehen auch das.“ Sie schluchzt auf.
Ich fühle mich schlecht, weil ich sie zum weinen gebracht habe, aber ich kann sie nicht anlügen.
„Bitte Keela, ich kann es nicht, ich würde ihm ständig über den Weg laufen und das kann ich einfach nicht. Ich kann nicht sehen wie er irgendwann mit einer anderen glücklich ist, das würde ich nicht verkraften.“ Sage ich und hoffe sie wird mich verstehen.
„Aber dann passen wir auf, dass ihr euch nicht seht.“ Sie ist über das Flehen hinaus, sie appelliert an mich.
„Keela, du bist mit Jamie zusammen und die beiden sind die besten Freunde. Ich gehöre hier her, ich habe nie nach Dublin gehört.“ Sage ich ruhiger als ich bin.
Ich nehme mir das ja nicht einmal selber ab.
„Das stimmt doch nicht!“ wehrt sie ab, sie kennt mich. „Du gehörst hierher, hierher zu mir und deinen Freunden.“
„Keela bitte.“ Sage ich schwach.
Ich kann einfach nicht mehr.
„J bitte, bitte nicht.“ Sie klingt so verzweifelt und es tut mir so weh.
„Keela, ich hab dich so lieb! Aber ich kann nicht.“ Ich weiß nicht was ich sagen kann, um es ihr leichter zu machen.
„Ich hab dich auch lieb.“ Schnieft sie.
„Danke Keela.“ Ich atme tief ein. „Kannst du am Montag meine Unterlagen von der Uni abholen und sie mir schicken? Ich brauche sie für die Erasmus.“
Ich weiß, das es nicht das ist was sie von mir hören will, aber ich brauche diese Unterlagen.
„Sicher.“ Sagt sie ganz ruhig.
Sie resigniert.
Sie weiß, dass meine Entscheidung gefallen ist.
„Danke, meine Süße!“ Ich wünsche mir so sehr sie in den Arm zu nehmen. „Vielleicht kommst du mich mit Jamie ja mal besuchen.“ Ich möchte ihr zeigen, dass ich nicht ganz aus der Welt bin.
„Bestimmt, ganz bestimmt.“ Es hilft nicht, sie ist immer noch traurig.
„Es tut mir leid.“
Aber was tut mir eigentlich leid?
Okay, es tut mir leid, dass ich sie nicht in meine Entscheidungen der letzten 24 Stunden einbezogen habe. Aber es geht hier um mein Leben…
„Mir auch.“ Erwidert sie.
„Ich melde mich in den nächsten Tagen.“ Verspreche ich ihr und weiß, dass ich es halten werde.
„Bis dann! Ich hab dich sehr lieb!“ Ihre Stimme klingt erschöpft.
Sie hat versucht um mich zu kämpfen und hat verloren.
Ich kann sie nur zu gut verstehen, ich weiß wie es sich anfühlt einen Kampf zu verlieren.
„Ich dich auch Keela.“ Ich lege auf und die Tränen bahnen sich wieder ihren Weg.
Verdammt, ich will nicht mehr weinen!
Ich setze mich vor den Fernseher, schalte irgendeinen Kanal an und versuche mich zu beruhigen.
Nur Keela weiß, wie schwer mir die Entscheidung gefallen ist und auch nur sie weiß was in den letzten Wochen und Monaten los gewesen ist. Sie hat mich getröstet, wenn ich mal wieder gewartet habe und er nicht kam. Sie weiß wie schwer mir die Entscheidung gefallen ist. Aber nun habe ich sie getroffen und muss auch dazu stehen.
Ich sehe aus dem Fenster in den großen Garten und schließe meine Augen, hier beginnt nun auch der erste Schnee zu fallen. Es ist Mitte November und nicht ungewöhnlich das es schneit, aber es kommt mir vor als wäre der Schnee mir gefolgt.
So wie meine Seele zufriert wird draußen auch alles eingefroren.
Der Schnee fällt geräuschlos und es ist als würde man die Zeit anhalten, alles liegt ganz friedlich da.
Kein Blatt was sich bewegt, kein Grashalm der sich im Wind wiegt.
Nur Stille und eine scheinbar übermächtigen Weiße.
Ich wünsche mir, dass sich eine solche Stille auch über meine Seele legen würde, aber mein Herz ist gebrochen und schreit vor Schmerzen.
Von Stille keine Spur.
Gegen Abend kommen Mark, Jo und Nico zurück und Nico redet wie aufgezogen. Ich gehe mit nach vorne und Nico springt auf meinen Schoß, kaum das ich sitze und beginnt von seinem tollen Tag zu erzählen. Ich drücke ihn ganz fest an mich. Er ist so ein wundervoller kleiner Kerl.
Ich verabschiede mich früh ins Bett, denn ich habe am nächsten Tag einiges an Papierkram vor mir.
Am nächsten Tag laufe ich von Amt zu Amt, ich melde mich und meinen Wagen um. Ellenlange Schlangen und schier endloses Warten, überall. Ich bin müde und geschafft und atme tief durch, als ich den Großteil endlich hinter mir habe. Dann fahre ich zur Erasmus und gehe gleich ins Sekretariat. Ich schreibe mich für das letzte Semester ein und verspreche die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Wie auch bei jedem Amt, so sitze ich auch hier stundenlang und verzweifle fast an den Papierbergen, aber ich kämpfe mich durch und schlussendlich habe ich es geschafft.
Meine Brücken sind abgebrochen…
Ich studiere, lebe und wohne wieder in Kopenhagen, nichts außer kleinen Vermerken in meinen Unterlagen, erinnert noch an Dublin.
Die Woche vergeht so rasend schnell. An den Tagen habe ich so viel zu tun, das ich kaum dazu komme nach zu denken. Aber in den Nächten sehe ich auf sein Foto und weine mich in den Schlaf. Es wäre so viel einfacher wenn ich ihn hassen könnte, aber so sehr ich mich bemühe, ich kann es nicht. Trotz allem, was passiert ist, liebe ich ihn.
Ich liebe den Menschen der er einmal war, mein Luca, der Luca in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe.
Der Luca, der mit mir vor dem Kamin sitzt und mir von unserer Zukunft erzählt.
Der Luca, der mich nach der Uni abholt, um mit mir in den Park zu fahren und mich vom Lernstress abzulenken versucht.
Der Luca, der mich in Latein abfragt, obwohl er keine Ahnung hat.
Der Luca, der am seinem Klavier sitzt um die Welt um sich herum zu vergessen…
Mein Luca.
Ich habe den Menschen, den ich mehr wie mein Leben liebe verloren und es zerreißt mir schier mein Herz.
Nico nimmt mich an den meisten Nachmittagen in Beschlag, wir fahren zum Spielplatz, gehen rodeln oder malen und basteln.
Ich nehme jede Sekunde mit ihm auf wie Schwamm und er genießt es, das ich so viel Zeit mit ihm verbringe.
Er tut mir gut und weil Jo und Mark das wissen, lassen sie uns einfach machen. Ich bin Mark so dankbar, das er mich wieder aufgenommen hat. Er sitzt jeden Abend an meinem Bett und versucht mich zu trösten, wenn ich in meinem Liebeskummer ertrinke. Er ist ein toller großer Bruder und der liebste Mensch den ich kenne.
Dann geht die Uni in Kopenhagen los und ich arbeite mich schnell ein. Ich treffe alte Freunde aus meinen ersten Semestern wieder und finde ein wenig Anschluss. Es ist nicht das gleiche wie am Trinity in Dublin, aber das ist auch ganz gut. So habe ich keine Ablenkung und kann mich ganz auf den Lehrplan konzentrieren und der ist wirklich hart. Gerade jetzt, wo es auf die Ziellinie zugeht, sind die Professoren nicht zimperlich mit uns. Viele streichen schon nach ein paar Tagen die Segel und beschließen lieber ein oder zwei Semester ran zu hängen als sich dem Stress auszusetzen. Ich bleibe dabei und kämpfe mich von Tag zu Tag. Die Bekannten, die ich hier noch habe, werden wieder zu lockeren Freunden. Aber ich gehe nicht aus, ich gehe nicht tanzen und schon gar nicht lasse ich mich irgendwelchen Freunden vorstellen. Mein Studium ist meine erste Priorität und daran ist nicht zu rütteln.
Ich möchte wenigstens diesen einen Kampf gewinnen!
Mark macht sich immer mehr Sorgen um mich, da ich kaum etwas esse und immer blasser werde.
Ich schiebe es gern auf den Stress in der Uni.
Welche anderen Gedanken mir noch durch den Kopf gehen, behalte ich lieber für mich…
Die Wochen laufen an mir vorbei, ehe ich mich versehe haben wir schon Ende Dezember und ich Semesterferien. Ich habe einen Teil überstanden und es sieht sehr gut aus, ich habe meine Semesterarbeiten abgegeben und kann nun erst einmal nur abwarten. Erst wenn ich diese Klausuren bestanden habe, kann es weiter gehen.
Nico freut sich riesig, denn nun habe ich wieder mehr Zeit für ihn. Wir haben beschlossen nach den Feiertagen in eine große Eislaufhalle zu fahren und er erzählt es allen seinen Freunden im Kindergarten.
Seine Tante Jessy wird ihm zeigen wie man Schlittschuh läuft.
Er ist so stolz darauf, ich kann es nicht fassen, wie sehr er mich liebt und wie sehr er zu mir aufsieht. Ich habe ihn in den letzten 4 Jahren nur ein oder zwei Mal im Jahr gesehen, wir haben oft über das Internet telefoniert, aber das er mich so sehr liebt, wird mir erst jetzt richtig bewusst.
„Hallo jemand da?“ ich betrete am frühen Nachmittag, nach meinem letzten Tag vor den Ferien, das Haus von Mark und Jo. Normalerweise gehe ich immer erst in meine Wohnung aber ich will noch schnell was wegen Nicos Weihnachtsgeschenk mit ihnen besprechen. Ich habe es gestern schon bestellt und Mark oder Jo sollen es morgen früh abholen.
„Küche.“ Antwortet Jo und ich folge ihrer Stimme. Als ich in der Küche ankomme stütze ich mich auf der Arbeitsplatte ab. Mir wird schwindelig und ich merke wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht.
Ein echt bescheidenes Gefühl, als ob man plötzlich die Kontrolle über seinen Körper verliert und ins bodenlose stürzt.
„Gott Jessy!“ Jo bugsiert mich erschrocken auf einen Stuhl.
Ich sehe sie müde an und sie befühlt meine Stirn, sie holt mir ein Glas Wasser und reicht es mir als Mark die Küche durch den Hintereingang betritt.
„Na, schon fertig für heute?“ fragt er grinsend aber sein grinsen erstirbt, als er Jos besorgten Gesichtsausdruck sieht.
„Was ist denn los?“ er ist mit zwei großen Schritten bei uns.
„Sie ist gerade gekommen und mir fast umgekippt.“ Sagt Jo und sieht mich an.
„Schon wieder?“ Mark sieht mich geschockt an.
„Geht schon.“ Winke ich ab.
Es stimmt auch, mein Kreislauf fängt sich allmählich wieder.
„Fieber hat sie nicht.“ Fügt Jo hinzu und Mark sieht mich kopfschüttelnd an.
„Nein, jetzt reicht es. Du kommst sofort mit zu Poul.“ sagt er streng und nimmt mich an die Hand. Poul ist unser Hausarzt, er kennt uns seit unserer Kindheit. Ich sehe Mark kopfschüttelnd an.
„Nein Mark, geht schon.“ Wehre ich mich.
„Nichts da.“ Er sieht mich mit seinem Keine Widerrede Blick an und ich gebe nach.
Ich weiß, wann ich keine Wahl habe.
Jetzt.
„Nur, weil du jetzt fast eine Ärztin bist, hast du dich noch lange nicht selbst zu behandeln.“ Fügt er fast trotzig hinzu und ich folge ihm schweigend.
Er setzt mich ins Auto und wir fahren schweigend die 5 Minuten zu Pouls Praxis.
Wir betreten das Wartezimmer und Poul sieht mich erstaunt an.
„Dann stimmt es also, was man sich erzählt, unsere kleine Jessica Mikkelsen hat tatsächlich den Weg zurück gefunden.“ Er nimmt mich väterlich in den Arm.
„Hallo Poul.“ sage ich und sehe ihn an.
„Was führt euch zu mir?“ er sieht von Mark zu mir und zurück.
„Jessy geht es seit ein paar Wochen nicht gut, vielleicht hat sie zu viel Stress an der Uni. Vorhin wäre sie uns beinahe schon wieder umgekippt und ich wollte deine Meinung hören. Von ihr höre ich nichts anderes wie: Es geht mir gut...“ er sieht mich streng an, dann sieht er wieder zu Poul „Ich mache mir Sorgen.“ Sagt Mark und Poul bittet uns ins Sprechzimmer.
Er kennt uns schon viel zu lange, um zu wissen das Mark sich wirklich Sorgen macht und das Wartezimmer ist gerade leer. Kein Wunder, denn eigentlich ist seine Sprechstunde schon vorbei.
„In welchem Semester bist du denn?“ fragt Poul und setzt sich uns gegenüber an den großen Schreibtisch.
„Im 12., in drei Monaten habe ich es geschafft.“ Sage ich und er lächelt.
„Dann ist unsere kleine Jessica eine richtige Ärztin, kaum zu glauben…“ er schüttelt lächelnd seinen Kopf „… Mir ist als war es gestern, als ihr beide Windpocken gehabt habt und eure Mum euch Socken über die Hände gezogen hat, weil ihr nicht aufhören wolltet euch zu kratzen.“ Er sieht uns an und Mark und ich müssen grinsen.
Poul ist ein herzensguter Mensch, er ist schon fast 60 und kennt die meisten seiner Patienten seit deren Geburt, so auch uns.
Dann besinnt er sich und sieht mir „Was für Beschwerden hast du denn?“
„Sie isst kaum etwas, ihr Kreislauf spielt verrückt und sie ist dünn geworden.“ Antwortet Mark für mich und ich sehe ihn strafend an.
„Was denn? Stimmt doch.“ Sagt er abwehrend.
„Das kann mit dem Stress durchaus zu tun haben, aber wir nehmen Blut ab und ich mache einen Ultraschall, nicht das du eine Magen Darm Grippe verschleppt hast.“ Poul sieht mich an und ich nicke leicht.
Er ruft die Schwester herein und sie nimmt mir Blut ab, während sich Poul mit Mark unterhält.
„So Jessica, begleitest du mich nach nebenan?“ er sieht zu mir und ich stehe auf. „Warte kurz hier Mark, ich bringe sie dir gleich wieder.“ Sagt Poul zu ihm und wir gehen in den Nebenraum.
„So Jessica, dann mache bitte deinen Bauch frei und wir schauen mal nach.“ Sagt er fröhlich, ich ziehe meinen Pullover aus und schiebe mein Top hoch „Du scheinst mir ein wenig aufgebläht.“ Er sieht auf meinen Bauch und ich nicke unsicher.
Ich befürchte das Schlimmste.
Ich bin im letzten Semester meines Medizinstudiums und eigentlich habe ich schon die letzten Wochen einen bestimmten Verdacht, aber ich will es einfach nicht wahr haben.
Das darf nicht sein…
Das kann nicht sein…
Nicht jetzt und nicht so…
Ich lege mich ängstlich auf die Liege.
„Schau mal…“ er zeigt stolz auf das neu aussehende Ultraschallgerät „… Ganz neu und mit allem Schnick Schnack, ich habe es von der Universitätsklinik bekommen…“ er verteilt Gel auf meinem Bauch und fährt mit dem Ultraschallkopf ein wenig über meinen Bauch, um es zu verteilen. „… Damit kann ich jetzt alles, aber auch wirklich alles sehen und ich kann sogar 3D….“ er stoppt in seinen Ausführungen und sieht mich an. Ich schließe meine Augen und eine Träne läuft über meine Wange.
Er ist jetzt ganz still und macht die Ultraschalluntersuchung zu Ende, er reicht mir ein Tuch zum abwischen des Gels und ein weiteres für meine Tränen, die leise über mein Gesicht laufen. Er legt seinen Arm väterlich um meine Schultern und führt mich wieder zurück in sein Sprechzimmer.
Mark sieht uns entsetzt an.
„Jessy?“ fragt er besorgt, doch Poul bringt ihn mit einer Handbewegung zum schweigen. Er setzt mich auf den Stuhl und ich wage es nicht, Mark in die Augen zu sehen.
Poul nimmt Platz und sieht zwischen mir und Mark hin und her.
„Also Mark…“ er sieht zu ihm und ich starre weiterhin zu Boden „Ich denke Jessica wusste ziemlich genau, was ihr fehlt.“ Er sieht zu mir und ich schaue tränenüberströmt auf.
„Mark, Jessica ist schwanger.“ Sagt Poul und ich schluchze auf. Mark sieht mich erst geschockt an und zieht mich dann in seine Arme.
„Gott Jessy. Warum hast du nichts gesagt?“ er zwingt mich ihn anzusehen.
„Weil ich es nicht wahrhaben wollte.“ Sage ich leise.
„Jessica, du bist bereits in der 16. Woche.“ Max sieht zu mir und ich schluchze erneut auf.
Mark geht vor mir in die Hocke. „Wir schaffen das, Jessy.“ Er küsst meine Stirn „Meine kleine Schwester bekommt ein Baby.“ Er lächelt mich an und ich sehe ihn an, ein lächeln huscht über mein Gesicht.
„Ich werde eine Mami.“ Sage ich leise und er nickt lächelnd.
„Ja, du wirst eine Mami.“ Er zieht mich in seine Arme.
„Ja, laut meinen Berechnungen ist der geplante Termin der 12. Juni.“ Sagt Poul lächelnd und sieht mich an „Herzlichen Glückwunsch Jessica, bitte tu mir einen Gefallen iss ein wenig mehr, dem Baby geht es zwar gut, aber du bist viel zu dünn.“ Er sieht mich streng an.
„Ich passe schon auf, das sie genug isst.“ Verspricht ihm Mark.
„Dann brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen.“ Erwidert er lächelnd.
„Nein, ich passe auf Jessy und das Baby auf.“ Sagt Mark sicher und hilft mir auf zu stehen.
„Dann sehen wir uns in 4 Wochen zur Kontrolle und hier ist dein Mutterpass.“ Er reicht ihn mir über den Tisch und Mark und ich ziehen uns wieder unsere Jacken an.
„Wir machen vorne einen Termin. Danke Poul, das du Zeit für uns hattest.“ Mark sieht ihn dankbar an und gibt ihm die Hand.
„Dafür nicht Mark und Jessica pass auf dich auf.“ Er nimmt mich in den Arm.
Mark vereinbart einen Termin und wir gehen zum Auto.
„Seit wann hattest du den Verdacht?“ er sieht mich fragend an als wir uns ins Auto setzen.
„Seit ein paar Wochen.“ Gestehe ich.
„Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mit mir geredet?“ er sieht mich verletzt an.
„Mark, ich habe eine Scheiß Trennung hinter mir und verdammt ich liebe ihn immer noch. Und jetzt ein Kind von ihm? Ich wollte es mir selbst nicht eingestehen.“ Sage ich verzweifelt und blicke entschuldigend in seine Augen.
„Oh Jessy, tut mir leid…“ er nimmt meine Hand „… Die Hauptsache ist, das es dem Baby gut geht. Ob und wann du es Luca sagst bleibt deine Sache. Ich weiß, das du ihn noch liebst, ich höre dich immer noch jede Nacht weinen.“ Er drückt meine Hand.
„Ich zieh das alleine durch. Ich passte nicht mehr in sein Leben, wie soll dann so ein kleines Würmchen in sein Leben passen?“ ich sehe ihn traurig an.
„Hey Kleine! Ich bin da und wir schaffen das zusammen.“ Sagt er und nickt eifrig. Ich lächele ein wenig, er ist so rührend um mich besorgt und ich bewundere ihn für seine positive Ausstrahlung.
„Ich danke dir so sehr.“ Ich habe Tränen in den Augen.
„Jetzt nicht mehr weinen…“ er wischt meine Tränen weg „… Freue dich bitte endlich ein wenig. Du bekommst ein Baby.“ Er grinst und startet den Motor.
Er hat Recht, eigentlich ich habe allen Grund mich zu freuen.
Ich bekomme ein Baby!
Wir fahren nach Hause und Jo wartet angespannt auf uns.
„Was ist denn los?“ sie sieht uns beide gespannt an.
„Wo ist denn Nico?“ fragt Mark und übergeht erst einmal ihre Frage.
„Der ist bei Mads zum spielen.“ Sagt sie und wir gehen ins Haus. „Könnte mir jetzt mal jemand sagen, was los ist?“ sie sieht uns kopfschüttelnd an.
„Tja, Jessy ist nicht krank, eher das Gegenteil.“ Mark nimmt meine Hand und Jo sieht uns verständnislos an.
„Wie bitte?“ sie setzt sich und blickt zu uns.
„Jessy bekommt ein Baby, sie ist in der 16. Woche.“ Mark grinst sie an, sie springt sofort auf und nimmt mich in den Arm.
„Gott Jessy! Alles Gute!“ sie sieht mich mit großen Augen an. „Wahnsinn, schon im 4. Monat.“ Sie streicht über meinen Bauch.
„Ja, sie soll unbedingt mehr essen.“ Mark sieht mich streng an.
„Dafür sorgen wir schon.“ Sagt Jo strahlend und wir setzen uns alle auf die Couch.
Wir besprechen wie es weiter gehen soll.
Ich werde mein Semester zu Ende machen, ich habe ja nur noch knappe 3 Monate, dann werde ich die Prüfungen durchziehen und dann werden wir weiter sehen.
„Wirst du es Keela sagen?“ Jo sieht mich fragend an.
„Ich weiß es nicht.“ Sage ich ehrlich „Soll ich dann wirklich von ihr verlangen, das vor Jamie geheim zu halten?“ ich sehe sie skeptisch an.
„Das wäre nicht nett.“ Sagt sie und ich nicke.
Ich telefoniere sehr oft mit Keela, in der ersten Zeit jeden Abend und jetzt immer jeden Zweiten Abend.
Aber ich kann ihr nicht zumuten zu wissen, dass ich ein Kind von Luca bekomme und sie es nicht einmal James sagen kann.
Ich kenne sie gut genug um zu wissen, dass ich ihr das nicht antun kann.
„Das Kind bekommen wir schon groß!“ Mark zwinkert mir zu.
„Ganz bestimmt.“ Sage ich lächelnd und streiche mir über den Bauch.
„Ich gehe jetzt mal zu mir, ich bin zum Essen wieder da.“ Ich winke den beiden zu und gehe in meine Wohnung.
Ich nehme das Telefon zur Hand, auch wenn ich es Keela nicht sagen will, so möchte ich jetzt gerne ihre Stimme hören.
„MacMurray.“ Meldet sie sich.
Typisch, mal wieder nicht aufs Telefon geschaut, denke ich mir grinsend.
„Hey Süße!“ erwidere ich fröhlich.
„Hey J!“ ruft sie erfreut. „Na, wie geht es dir heute?“
„Gut und selbst? Wir stecken in den letzten Weihnachtsvorbereitungen.“ Erkläre ich.
„Ja wir auch, Jamie hat heute einen Baum gekauft…“ sie kichert „… er passt nicht ins Wohnzimmer.“
„Typisch.“ Lache ich.
„Und sonst geht es deinem Kreislauf wieder besser?“ spricht sie mich auf meine Probleme in letzter Zeit an.
„Ja, ich war heute beim Arzt, es war stressbedingt.“ lüge ich.
„Dann erhole dich mal in deinen Ferien.“ Sagt sie bestimmend zu mir.
„Mache ich.“ Lächele ich.
„Ich habe ihn gestern gesehen, wir waren auf Allys Geburtstag.“ Sagt sie vorsichtig.
„Und?“ ich schlucke.
„Er tut als ob nicht wäre, er hat sich gestern mit Logan, Aaron und Jamie ein kleines Wetttrinken gegönnt. Mich wundert es, das Jamie heute schon wieder ansprechbar ist.“ Lacht sie.
„Hat er was gesagt?“ frage ich nach. In den letzten Wochen haben seinen Anrufe bei Keela langsam nach gelassen, er scheint sich damit abgefunden zu haben, dass ich fort bin.
„Er hat mich mal wieder gefragt wo du bist und wie es dir geht.“ Sagt sie leise.
„Was hast du gesagt?“ ich halte die Luft an.
„Ich habe gesagt, dass ich ihm mit Sicherheit nicht sagen werde wo du bist und dass es dir gut geht.“ Sagt sie „Hatte er eigentlich noch mal bei Mark angerufen?“ fragt sie nun nach.
Die ersten Wochen hat er mehrmals hier angerufen, um zu fragen ob ich aufgetaucht bin, aber nachdem es Mark und Jo immer verneint haben, hat er wohl aufgegeben.
„Nein, Mark hat nichts gesagt.“ Antworte ich.
„Du Süße, sei mir nicht böse, aber Jamie kommt hier gerade mit einem Ding vor der Tür an was unheimlich aussieht! Hab dich lieb!“ ruft sie noch ins Telefon ehe sie auflegt.
Ich lächele, es war so typisch Keela.
Ich glaube zu einem Teil hat sie mir verziehen, das ich Dublin und damit auch sie verlassen habe. Zu einem anderen Teil sagt sie mir immer wieder, das ich zurück kommen soll.
Aber ich kann das nicht.
Und jetzt schon gar nicht…
Weihnachten verbringe ich ganz ruhig mit Mark und seiner Familie Am ersten Feiertag kommt Jos ganze Familie zu Besuch und da ich viele schon kenne, gibt es ein großes Hallo. Am zweiten Weihnachtstag nehmen sie mich mit zu Jos Großeltern und es ist richtig gemütlich, besonders Nico freut sich das ich mit komme. Auch ist er mächtig stolz bald ein großer Cousin zu sein und erzählt es jedem, ob er es nun hören will oder nicht.
Am 29. Dezember weckt er mich morgens. Ich habe ihm erlaubt bei mir zu schlafen, denn wir wollen ja heute alle Eislaufen gehen und er ist so aufgeregt.
Wir fahren nach einem ausgiebigen Frühstück los und Nico redet die ganze Autofahrt wie aufgezogen.
Man, wo hat er bloß die Energie her?
„Weißt du was Jessy?“ er sieht mich fragend an, ich sitze bei ihm hinten auf der Rückbank.
„Was denn Sweetheart?“ ich grinse.
„Wenn es ein Junge wird, dann habe ich immer jemanden zum spielen und wenn es ein Mädchen wird, dann kann ich sie beschützen wenn ich groß bin. So wie Daddy dich beschützt.“ Er deutet auf meinen Bauch.
„Du bist ganz toll kleiner Mann.“ Sage ich gerührt und er lächelt mich entwaffnend an.
Es stimmt Mark hat immer versucht mich vor allen bösen Dingen zu beschützen und ich muss sagen, er hat seine Sache gut gemacht. Nur vor einer Sache konnte er mich nicht beschützen. Davor das mein Herz gebrochen wurde.
Aber er und Jo vermitteln mir jeden Tag das Gefühl, das mein Baby das Beste ist was mir passieren konnte und ich fange an ihnen zu glauben.
Ich freue mich auf mein Baby.
Klar, wird es nicht leicht, aber ist es jemals leicht?
Wir kommen an der Eishalle an, leihen uns Schlittschuhe und mit Nico an der Hand mache ich das Eis unsicher. Nico kommt ins straucheln und wir landen beide auf unserem Hosenboden.
„Jessy alles Okay?“ Mark kommt sofort zu mir gelaufen und ich lache.
„Mark, ich bekomme ein Baby und bin nicht krank.“ Ich lasse mir von ihm hoch helfen.
Er grinst und dann laufen wir alle gemeinsam über das Eis. Nico lernt wirklich schnell und nach einer halben Stunde fährt er allein.
„Du machst das richtig toll!“ lobt ihn Jo stolz.
„Nico ist ein toller kleiner Kerl.“ Ich sehe sie an und sie nickt.
„Ja, er ist was Besonderes.“ Sie lächelt und ich nehme sie in den Arm.
„Ja, er ist der Sohn seines Papas.“ Ich zwinkere ihr zu.
Er und Jo kümmern sich rührend um mich und passen auf das ich ja genug esse. Ich bekomme die Uni und die ganzen Geburtsvorbereitungen gut unter einen Hut, ich freue mich mittlerweile sehr auf das Baby. Jo und Mark geben mir alles an Babysachen was sie noch haben und das ist wirklich eine ganze Menge. Den Rest kaufe ich mir nach und nach und langsam fange ich an zu verstehen, dass ich wirklich bald eine Mami sein werde. Ich kaufe nur neutrale Sachen, denn bisher will mein Baby einfach nicht zeigen was es werden will.
Ich hatte mir das eigentlich immer ein wenig anders vorgestellt, aber jetzt ist es gut so wie es ist.
Ich meine ändern kann ich es sowieso nicht mehr.
Kurz vor Ostern ruft mich Keela aufgeregt an.
„Na Sonnenschein!“ begrüße ich sie lachend. Wir haben jetzt Ende April und schon in 2 Wochen ist Ostern.
Ich habe mittlerweile einen ordentlichen Bauch, denn schließlich habe ich nur noch 7 Wochen vor mir. In der nächsten Woche habe ich meine Abschlussprüfungen und es sieht richtig gut aus, dass ich noch meine Approbation bekommen werde. bevor mein Baby geboren wird.
„Hey Süße, hol den Sekt raus, Jamie und ich kommen dich zu Ostern besuchen!“ jubelt sie.
„Echt?“ ich schlucke und streiche über meinen Bauch.
„Ja, freust du dich?“ fragt sie etwas ruhiger nach.
„Doch klar! Super!“ ich versuche ehrlich zu klingen.
„Holst du uns am Flughafen ab? Wir landen am 5. Mai um 14:20 Uhr.“ Quasselt sie einfach weiter und ich nicke, bis mir einfällt das sie mich nicht sehen kann.
„Klar, kann sein das Mark euch abholt. Ist das Okay?“ frage ich nach, denn ich werde sie sicher nicht abholen, den Schock meines Anblicks will ich ihnen nicht am Flughafen zumuten. Es wird schwer genug es zu erklären, wenn sie hier sind.
„Also dann steht es! Ich freue mich riesig auf dich!“ jubelt Keela nun wieder.
„Ich mich auch Keela! Pass auf, ich habe morgen meine mündliche Prüfung in medizinischem Latein, sei mir bitte nicht böse.“ Sage ich versöhnlich.
„Ach quatsch!“ lacht sie „Lerne du mal fleißig, ich habe mich damit abgefunden noch ein Semester dran zu hängen.“
„Danke Keela! Ich hab dich lieb!“ sage ich grinsend.
„Ich dich auch! Kuss!“ ruft sie in den Hörer und ich lege lachend auf.
Ich seufze und lasse mich nach hinten auf die Couch fallen. ´Verdammt! ` fluche ich leise.
Die letzten Monate waren schwer genug gewesen und ich weiß nicht wie die Beiden reagieren werden. Ich habe sooft an Luca gedacht und immer mal wieder auf seinen verschiedenen Profilen bei den Netzwerken rein geschaut. Anscheinend geht es ihm blendend, immer wieder tauchten Fotos von Partys, Clubs und anderen Festen auf. Ich sehe ihn mit unzähligen Menschen, die ich noch nie vorher gesehen habe. Seine Freunde, die ich kenne, tauchten nur auf wenigen Bildern auf. Ich beginne mich zu fragen ob er jemals das für mich gefühlt hat, wie ich für ihn, denn ich habe immer noch mit der Trennung zu tun.
Ich habe mich damit abgefunden, aber das heißt nicht, das es mir nicht weh tut.
Ich weine nicht mehr jeden Abend, aber oft genug.
Er hat mir mein Herz gebrochen und ich hoffe nur, dass es irgendwann heilen wird. Mir ist bewusst, dass ich ihn immer wieder sehen werde, wenn ich unser gemeinsames Kind sehe, aber ich bin stark genug um das zu trennen. Luca ist Luca und mein Baby ist mein Baby.
Ich spüre einen Tritt und lege lächelnd meine Hand auf den Bauch.
„Wir bekommen das hin.“ Flüstere ich und gehe nach vorne in Marks und Jos Küche. Mark sitzt am Tisch und studiert die Tageszeitung und Jo steht am Herd.
„Na?!“ ich komme hinein und beide sehen auf.
„Na Sis! Was gibt es?“ Mark nimmt die Zeitung ein Stück runter.
„Keela und Jamie kommen zu Ostern.“ Sage ich und setze mich.
„Und jetzt?“ Mark legt die Zeitung beiseite.
„Kein Ahnung, verstecken kann ich es wohl nicht.“ Ich grinse schief.
„Wird schwierig.“ gibt er zu und lächelt.
„Ich hoffe nur, dass sie es ihm dann nicht sagen.“ Ich stütze meinen Kopf auf meine Hände.
„Ach komm Jessy, im Grunde genommen liebst du ihn immer noch…“ Mark sieht mich an „ Auf der einen Seite wünscht du dir nichts sehnlicher als wieder mit ihm zusammen zu sein, auf der anderen Seite willst du ihn in deinem ganzen Leben nie wieder sehen.“
„Was soll ich denn machen?“ ich sehe ihn traurig an.
„Irgendwann solltest du aufhören weg zu laufen.“ Sagt er und drückt meine Hand.
Ich weiß nicht genau was er meint und sehe ihn verständnislos an.
„Wann kommen die Beiden denn?“ nun schaut mich Jo fragend an und reißt mich aus meinen Gedanken.
„Mark?! Kannst du sie am 5. Mai um 14:20 Uhr vom Flughafen abholen?“ ich sehe zu ihm und er nickt.
Unruhig über das, was mich bei Keela und James Besuch erwartet, gehe ich spät Abends, nachdem ich mir versucht habe alle Lateinbegriffe in den Kopf zu zwängen, schlafen.
In den nächsten beiden Wochen komme ich nicht wirklich viel zum nachdenken, ich schaffe meine Prüfungen alle auf Anhieb und meine Doktorarbeit wird geprüft, die Ergebnisse werde ich erst Mitte August bekommen, aber ich bin eine richtige Ärztin.
So weit, so gut…
Mark gibt ein großes Fest um mich zu feiern und ich genieße den Tag in vollen Zügen. Alle sind so stolz auf mich und es tut mir gut die Anerkennung zu bekommen, die ich ihrer Meinung nach verdient habe.
Dann ist auch schon der 5. Mai und ich stehe mit einem flauen Gefühl im Magen auf.
„Ich fahre jetzt los.“ Sagt Mark und winkt uns zu, wir sitzen alle im Garten und Nico plantscht in seinem Planschbecken in das ich und Jo unsere Füße gehängt haben.
„Gibst du Luca eigentlich im Krankenhaus als Vater an?“ sie sieht mich von der Seite an.
„Hatte ich vor gehabt. Warum?“ ich blicke zu ihr.
Sie ist Anwaltsgehilfin und ich bin mir sicher, sie fragt nicht ohne Grund.
„Da ihr ja beide eine andere Staatsbürgerschaft habt, wird er informiert wenn das Baby geboren wird. Er muss dann eine Stellungnahme an das Konsulat schicken, damit das Baby die doppelte Staatsbürgerschaft bekommt.“ Sagt sie und schaut mich prüfend an.
Über so etwas habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.
„Gut zu wissen.“ sage ich nachdenklich.
„Du hast ja noch ein wenig Zeit, um dir das zu überlegen.“ Sagt Jo und legt mir ihre Hand auf den Arm.
Wir schwelgen jede in unseren eigenen Gedanken, als Mark hupend auf den Hof fährt.
„Showtime.“ Sage ich leise zu Jo und sie drückt kurz meine Hand.
„J!“ Keela stürmt aus dem Auto und kommt zu uns gelaufen ich stehe auf und drehe mich zu ihr um. Sie bremst ab und starrt mich an. Jamie kommt ebenfalls angelaufen und bleibt auch wie vom Donner gerührt stehen. Beide sagen kein Wort und starren mich an.
Was habe ich erwartet?
„Nun macht mal den Mund zu Leute. Ja, sie ist schwanger und ja sie hat euch nichts gesagt und ja vielleicht war das nicht ganz korrekt. Begrüßen dürft ihr sie trotzdem.“ Versucht Mark die Situation zu retten und gibt Keela einen kleinen Schubs.
Sie besinnt sich und nimmt mich in den Arm. „Gott J. Was machst du nur?“ sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Es tut mir leid.“ Sage ich schuldbewusst.
„Bist du deswegen aus Dublin geflohen?“ Jamie nimmt mich in den Arm.
„Nein, ich wusste es damals noch nicht, ich habe es später geahnt aber erst kurz vor Weihnachten war ich sicher.“ gestehe ich.
„So, Nico genug gebadet für heute. Kommst du mit Mama und Papa rein und ziehst dich um?“ Jo sieht zu Nico, der von Keela geknuddelt wird.
„Ja Mama.“ ruft er fröhlich und geht an der Hand mit ihr mit ins Haus.
Ich setze mich, und James und Keela tun es mir gleich.
„Wow.“ Sagt James und fährt sich durch seine blonden Haare Haare. „Er hat keine Ahnung, oder?“ er sieht mich fragend an.
„Nein.“ Ich schüttele den Kopf „Er weiß ja nicht mal wo ich bin…“ ich seufze „Es soll auch so bleiben.“ bitte ich ihn.
„Jess, das ist eine ganze Menge die du von mir verlangst.“ Sagt er leise und sieht mich an.
„Ihn scheint es nicht zu stören, das ich weg bin.“ Sage ich schnippisch „Er rast von einer Party zur nächsten.“
„Jess…“ Jamie nimmt meine Hand „… Wir machen uns echt Sorgen um ihn, er lässt niemanden an sich ran. Er umgibt sich mit den falschen Freunden und wir können nichts tun. Ich sehe ihn fast gar nicht mehr und selbst zu Logan und Shane hat er nur noch wenig Kontakt.“ Er sieht mich ernst an. Logan, Shane und James sind seine besten Freunde und ich weiß, das Männerfreundschaften solche “Pausen“ gut abkönnen. Aber wenn Jamie schon anfängt sich Sorgen zu machen, dann heißt das nichts Gutes.
„Jamie, er hat schon eine ganze Weile die falschen Freunde.“ Sage ich traurig.
„Es tut mir leid, dass ich nicht gesehen habe, wie schlecht es dir ging.“ Sagt er sanft.
„Ach Jamie, ich hätte den Schlussstrich viel, viel früher ziehen müssen.“ Ich wische über meine Augen, ich will nicht schon wieder wegen ihm weinen.
„Ich bin stolz auf dich.“ Sagt er liebevoll und ich sehe ihn an, er ist wirklich ein guter Freund und ich nicke leicht.
„Süße!?“ Nun sieht mich Keela an, sie steht auf und kommt um den Tisch herum, sie setzt sich neben mich auf die kleine Bank und zieht mich in ihre Arme.
„Keela, es tut mir wirklich leid, ich wollte euch nicht in eine solche Situation bringen.“ Sage ich und nun beginnen die Tränen zu laufen.
„Bitte nicht weinen.“ bittet mich Jamie.
„Weißt du wie schwer mir mein Leben hier fällt? Ich denke jeden Tag an ihn, an das wir uns mal geschworen hatten, an das wovon wir geträumt haben und ich sitze hier, bekomme in 5 Wochen unser gemeinsames Kind und habe keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Ich fühle mich fremd in meiner Heimat. Es ist ein furchtbares Gefühl, ich bin nur froh das Mark und Jo da sind.“ Ich sehe ihn an und er schluckt.
„Es tut mir leid Jess.“ Sagt er und ergreift wieder meine Hand. „Wenn was ist kannst du jederzeit zu uns kommen, ich hoffe das weißt du.“ Sagt er und küsst meine Hand.
„Was soll ich in Dublin?“ ich sehe zu ihm.
„J bitte, irgendwann musst du aufhören weg zu laufen, du musst dich ihm irgendwann stellen…“ Keela zwingt mich sie anzusehen „… oder willst du eurem Kind irgendwann sagen, das es seinen Dad nie kennen gelernt hat, weil du zu verletzt warst?“ sie sieht mich fragend an.
„Ich weiß es nicht.“ Sage ich tonlos.
Ich weiß es wirklich nicht.
„Jetzt machen wir uns erst einmal ein paar schöne Tage.“ Sagt Jamie entschlossen und ich sehe ihn dankbar an.
Mark und Jo kommen mit Kuchen und Kaffee aus dem Haus und setzen sich zu uns.
„Ziemlich bescheidene Situation, oder?!“ Jo sieht uns alle an und wir nicken.
„Irgendwie bekommen wir das hin…“ Keela nimmt meine Hand. „Du musst uns ganz viele Fotos schicken wenn das kleine Würmchen…“ sie piekt leicht in meinen Bauch „… endlich raus kommt.“ Sie lächelt.
„Mach ich.“ Verspreche ich.
„Wie sieht es denn gefühlsmäßig bei dir aus?“ Jamie sieht mich fragend an.
„Im Moment chaotisch…“ gebe ich zu „… die Hormone machen mich wahnsinnig und ja, ich würde zu gerne sagen Luca ist mir egal…“ ich seufze.
„Aber er ist er nicht.“ Sagt Jamie und sieht mich an, ich schüttele leicht meinen Kopf.
„Gott, er hat mich so verletzt wie noch nie jemand zuvor.“ Ich sehe auf meine ineinander verschlungenen Hände.
„Ich weiß.“ Sagt Keela leise und nimmt mich wieder in den Arm.
„Jessy! Jessy!“ Nico kommt angelaufen.
„Was denn Sweetheart?“ ich wische meine Tränen beiseite und sehe ihn an.
„Magst du mir heute Abend wieder eine Geschichte vorlesen? Ich mag das doch immer so gerne.“ Er sieht mich fragend an.
„Klar Sweetheart!“ ich struvele ihm durchs Haar.
„Wie kommst du denn jetzt da drauf?“ Mark sieht seinen Sohn überrascht an.
„Weißt du Papa, immer wenn Jessy traurig ist, dann bringe ich sie zum lachen, wenn ich sie bitte etwas nur mit mir zusammen zu machen. Wenn wir beide allein sind, dann ist sie nicht mehr so traurig.“ Sagt Nico stolz und ich ziehe ihn in meine Arme.
„Du bist ganz toll.“ Sage ich leise zu ihm und er gibt mir einen Kuss auf den Mund.
„Ich habe dich ganz doll lieb!“ sagt er und läuft wieder zu seinem Sandkasten.
„Gott ist der süß.“ Sagt Keela grinsend.
„Ja, er ist genauso toll wie seine Eltern.“ Ich sehe beide dankbar an.
„Weg mit den trüben Gedanken…“ Mark wedelt durch die Luft und wir lachen auf. „Was habt ihr die nächsten Tage vor?“ er sieht mich an.
„Ich wollte ihnen ein wenig von Kopenhagen zeigen und ansonsten wollten wir euch belagern.“ Ich grinse.
„Klingt gut.“ Lacht Jo.
Den Rest des Nachmittages verbringen wir draußen und abends grillen wir, es ist wirklich schön Keela wieder um mich zu haben.
Ich zeige ihnen in den nächsten beiden Tagen ein paar schöne Seiten von Kopenhagen und wir sind todtraurig als sie nach einer Woche wieder zurück müssen.
„Machs gut Süße!“ Keela nimmt mich fest in den Arm „Wir telefonieren?“ sie sieht mich fragend an.
„Aber sicher.“ Ich gebe ihr einen Kuss und streiche ihr eine rotblonde Locke hinters Ohr.
„Machs gut Jess!“ Jamie nimmt mich ebenfalls in den Arm.
„Ich danke dir Jamie.“ Sage ich und sehe ihn an.
„Ich mache es wirklich nicht gerne, aber du solltest selbst entscheiden wann du es ihm sagst.“ Sagt er leise und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Danke.“ Ich nehme seine Hand und lasse sie erst los als sie zum Sicherheitscheck gehen.
Mark nimmt mich fürsorglich in den Arm und wir fahren wieder nach Hause.
Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich unterstützen. Obwohl unterstützen doch ein wenig übertrieben ist. Sie akzeptieren meine Entscheidungen und allein das, ist für mich unendlich wichtig.
An einem wunderschönen Junimorgen, genauer gesagt am 9. Juni werde ich morgens von Wehen geweckt und Jo fährt mich sofort ins Frederiksberg Hospital.
Die Wehen und die Schmerzen sind heftig und ich bereue mehr wie einmal, dass ich mich gegen Schmerzmedikamente entschieden habe. Nach langen 11 Stunden halte ich meine kleine Tochter das erste Mal im Arm und verliebe ich mich sofort in sie.
Mark ist natürlich der Erste der mich besucht.
Jo hat mir die ganze Zeit bei gestanden und fällt ihm um den Hals.
Ich sehe weinend auf das kleine dick eingepackte Bündel auf meiner Brust.
„Hey Jessy.“ Er nimmt mich in den Arm. „Das hast du toll gemacht.“ Sagt er andächtig und streicht der Kleinen vorsichtig übers Köpfchen.
„Sie ist so winzig und so perfekt.“ Schluchze ich.
„Ach, sie wächst schneller als dir lieb ist.“ Grinst Jo.
„So, wie soll denn die kleine Miss heißen?“ meine Hebamme sieht mich an.
„Amelia Marie Susann.“ Sage ich und gebe ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn.
„Wunderschöner Name.“ Sagt Jo und sieht mich unter Tränen an. „Amy.“ Sie zwinkert mir zu und ich grinse.
„Gut, dann haben wir eine kleine Amy, genauer gesagt eine Amelia Marie Susann Mikkelsen, geboren am 09. Juni um 18:12 Uhr, 50 cm groß und 3450 g schwer. Mutter Jessica Sophie Mikkelsen, Vater?“ sie sieht von der Geburtsurkunde auf und mich an.
„Ich möchte es nicht eintragen lassen.“ Sage ich leise.
„Gut, du kannst es immer noch später eintragen lassen.“ Sagt sie und legt die Urkunde zu meinen anderen Unterlagen.
Dann macht Mark mit seinem Handy ein Bild von uns und schickt es an Keela, er hat es ihr ja hoch und heilig versprochen.
Hallo Keela, Hallo Jamie!
Sie ist da! Ein kleines wunderschönes Mädchen! Heute um 18:12 Uhr wurde Amelia Marie Susann Mikkelsen (Amy) im Frederiksberg Hospital geboren. Sie ist 50 cm groß und wiegt 3450 g. Mama und Baby geht es gut! Ich bin so stolz auf meine Jessy! Mark
Ich grinse und er drückt auf senden, ich sehe Keela vor meinem geistigen Auge, wie sie sich freut und auf und ab hüpft.
Ich bleibe noch zwei Tage im Krankenhaus und die Schwestern zeigen mir alles Wichtige. Das Meiste habe ich ja in den Geburtsvorbereitungskursen gelernt, aber da das Stillen anfangs nicht klappen will, bin ich froh dass sie da sind um mich zu unterstützen.
Dann darf ich endlich nach Hause und Jo und Mark veranstalten eine -Willkommen zu Hause - Party. Ich bin glücklich und genieße jede Sekunde mit meiner kleinen Tochter.
Als sich alles langsam einspielt, beginne ich mich zu fragen wie es weiter gehen soll.
Aber es geht erst einmal einfach so weiter.
Ohne einen Plan.
Tag für Tag.
Woche für Woche.
Monat für Monat.
Plötzlich haben wir schon Anfang September…
und mir kommt es vor als würden die Tage mit einem blinzeln vorbei sein. Amy entwickelt sich prächtig und ich liebe sie mit jedem Tag mehr. Sie fängt nun an, die Umgebung um sich herum wahr zu nehmen und liebt es auf ihrer Spieldecke unter seinem Spieltrapez zu liegen und den bunten Figuren zu zuschauen. Sie gibt dann immer lustige Laute von sich und ich kann mich daran gar nicht satt sehen.
Sie bringt das lächeln und die Freude zurück in mein Leben.
„Jessy! Telefon! Ist wichtig!“ Mark kommt atemlos zu mir, sieht mich ernst an und ich gebe ihm Amy auf den Arm. Sie schläft gerade nach seinem kleinen Mittag.
„Ja, Jessica Mikkelsen?!“ melde ich mich fragend.
„Jess?“ kommt eine tränen erstickte Stimme vom anderen Ende.
„Ja!?“ ich stutze „Wer ist denn da?“
„Jess hier ist Ally…“ sie schluchzt erneut auf.
Was will Luca seine Schwester von mir?
Und warum weint sie so sehr?
„Ally was ist los?“ frage ich und versuche ruhig zu bleiben.
„Er hatte einen schweren Autounfall. Es geht ihm sehr schlecht.“ Sagt sie mit tränenerstickter Stimme.
„Wer?“ frage ich nach und atme tief ein.
„Luca.“ Sagt sie kaum hörbar und ich schlage meine freie Hand vor den Mund.
„Oh Gott.“ entfährt es mir.
„Jess kannst du bitte kommen? Er braucht dich. Wir haben einen Brief an dich gefunden. Du solltest ihn lesen…“ sie schnäuzt sich „… ich schicke ihn dir per Mail. Er hat sich wohl nicht getraut ihn abzuschicken, er fiel mir in die Hände als ich seine Sachen geholt habe.“ Sagt sie, ich laufe in meine Wohnung und klappe meinen Computer auf.
„Warte.“ Sage ich kurz zu ihr und fahre meinen Laptop hoch „Mach schon.“ Sage ich nervös. „Wie konnte das passieren?“ frage ich und merke wie die Tränen über meine Wangen laufen.
„Er ist heute Nacht, angetrunken und mit über 100 Sachen an einen Baum gekracht. Ansonsten weiß ich es nicht, ich weiß es wirklich nicht…“ sie schluchzt wieder „… Er war mit den falschen Leuten zusammen, wir haben ihn kaum noch gesehen. Ich glaube er hat schon eine ganze Zeit psychische Probleme, aber er wollte nicht mit uns reden. Was sollten wir denn tun?“ Sie beginnt nun wieder zu weinen.
Ich checke mein Postfach und klicke mit zitternden Händen auf den Anhang von Allys Mail.
„Ally ich rufe dich gleich zurück, ja?“ frage ich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, das ich weine.
„Bitte Jess.“ Fleht sie mich an.
„In 5 Minuten Ally.“ Sage ich fahrig und lege auf.
Das Dokument baut sich langsam auf, ich zittere am ganzen Körper und beginne zu lesen.


Sweetheart
Gott, wie lange habe ich dich schon nicht mehr so genannt?
Alles was mir in meinem Leben wichtig war ist fort und ich kann es nicht zurück holen. Mein Erfolg und meine Kariere waren mir so wichtig und die Menschen um mich herum redeten mir ein das Geld und Erfolg das Einzige in meinem Leben sein sollten. Aber verdammt noch mal, das stimmt nicht! Wie konnte es soweit kommen das ich meine Familie und meine wahren Freunde aus den Augen verlor? Wie konnte es passieren dass ich Dich verloren habe? Jetzt erkenne ich was ich verloren habe und ich will so nicht weiter Leben. Ich hatte immer Angst wie mein Dad zu werden als er uns verließ, und ich muss fest stellen, dass ich schon wie er bin!
Ich weiß nicht, was ich machen soll, aber eines solltest Du wissen:
J, ich liebe Dich und habe niemals aufgehört Dich zu lieben.
Es tut mir unendlich leid!
Bitte Sweetheart, komm zurück zu mir!
Luca

Seine Handschrift ist zittrig, aber doch kann ich jedes einzelne Wort lesen und sein Schmerz fühlen.
Gott, wie schlecht muss es ihm gegangen sein?
Er spricht nicht gern über seinen Dad, der die Familie verlassen hat als er noch klein war. Er war gegangen, hatte eine kleine Firma gegründet und wurde damit ziemlich erfolgreich. Er hatte sich nie wieder bei seiner Familie gemeldet oder sich für seine drei Kinder interessiert. Luca verachtet ihn für sein Verhalten, seiner Mutter und seinen Kindern gegenüber.
Ich beginne zu weinen und bin nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen.
Mark kommt zu mir und sieht mich besorgt an.
„Was ist passiert?“ fragt er vorsichtig und nimmt mich in den Arm.
„Er hatte einen schweren Autounfall.“ Sage ich kaum hörbar.
„Wie geht es ihm?“ fragt er.
Er weiß genau von wem ich spreche, denn so durcheinander wie ich bin, kann es nur um einen Menschen gehen.
„Schlecht… Ally will das ich komme.“ Sage ich und sehe ihn tränenüberströmt an.
„Jessy…“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände „… Worauf wartest du noch? Stell dich ihm endlich. Wer weiß ob du noch einmal die Gelegenheit haben wirst.“
„Aber…“ ich sehe ihn hilflos an.
„Jessy, ich rufe am Flughafen an und buche den nächstmöglichen Flug für euch, ich telefoniere mit Jamie und Keela, sie werden euch abholen. Packe eine Tasche für dich, Jo packt eine für Amy und nun mach schon.“ Er gibt mir einen Schubs und ich beginne wie in Trance meine Sachen zusammen zu suchen, während er mit dem Telefon in der Hand geht.
Keine zwei Stunden später ist alles gepackt, wir stehen am Flughafen, Amy liegt in ihrer Babyschale und der Kinderwagen ist eingecheckt. Mark kommt zu mir und drückt mir meine Tickets in die Hand.
„Ich habe Keela endlich erreicht. Sie holt dich ab und sie sagt auch Ally Bescheid.“ Sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Mark.“ Sage ich verzweifelt.
„Jessy bitte, ich möchte dass du endlich wieder glücklich bist und wenn das heißt, dass du zurück musst, dann muss ich dich gehen lassen!“ er zieht mich in seine Arme „Keine Ahnung ob du und Luca es jemals wieder hin bekommt, aber Amy zuliebe solltet ihr wenigstens miteinander sprechen. Keine Ahnung ob Luca jemals wieder der Alte sein wird, aber ich weiß wie sehr du ihn liebst und das du nicht ohne ihn kannst. Du hast es lange genug ausprobiert und ich sehe wie du leidest. Ich habe dich lieb!“ er gibt mir einen weiteren Kuss und ich gehe weinend durch die Sicherheitsschleuse.
Der Flug vergeht wahnsinnig schnell und am späten Nachmittag lande ich in Dublin. Ein Flughafenangestellter hilft mir den Kinderwagen wieder zusammen zu bauen und ich lege Amy hinein, sie schläft tief und fest. Sie trägt einen Fleece Overall, weil es wirklich kalt draußen ist. Sie sieht so friedlich und so unschuldig aus und ich sehe sie traurig an.
Was liegt jetzt vor uns?
Ich muss gestehen noch nie in meinem Leben solche Angst gehabt zu haben.
Wie geht es ihm?
Ich packe die Babyschale auf den Koffertrolli und der Angestellte fährt ihn hinter mir her. Draußen entdecke ich sofort Keela. Ich registriere keinen anderen Menschen in der Ankunftshalle, nur sie und ihr verweintes Gesicht.
Sie kommt zu mir gelaufen und nimmt mich schluchzend in den Arm. Wir sagen beide kein Wort, denn Worte sind überflüssig, wir beide stehen noch völlig unter dem Schock der Geschehnisse.
„Miss?“ der Angestellte spricht mich an. „Ich stelle ihre Sachen hier ab.“ Sagt er und ich nicke ihm dankbar zu.
„Ich musste es ihnen sagen.“ Schnieft Keela und ich sehe sie verständnislos an, erst da realisiere ich das sie nicht allein ist. Jamie steht mit Ally ihm Arm neben ihr, Susann, Lucas Mum, blickt weinend zu Boden und Dean schaut mich verzweifelt an.
„Aber?“ beginne ich und sehe ihn an.
„Hey Jess.“ Sagt er nur und nimmt mich fest in den Arm. „Du hast uns gefehlt.“ Sagt er leise und ich bin erstaunt, erstaunt darüber, dass er so auf mich reagiert. Ally folgt seinem Beispiel und nimmt mich kurz in den Arm, dann kommt Susann zu mir. „Jess! Ich danke dir das du gekommen bist und Amelia mit gebracht hast.“ Sagt sie und sieht mich lange an, so als würde sie mich das erste Mal richtig sehen. Aber auch ihre Vorwürfe stehen in diesem Blick geschrieben und ich schlucke schwer.
„Hmm.“ Sage ich nur.
Jamie zieht mich in seine Arme und führt mich Richtung Ausgang, während Keela und Susann sich um Amy kümmern und Dean und Ally sich um mein Gepäck.
Wir fahren zu Jamie und Keela und laden alles aus, die ganze Zeit sagt keiner ein einziges Wort und wir setzen uns oben ins Wohnzimmer.
„Ich muss mal eben Amy stillen.“ Sage ich und gehe mit ihr ins Schlafzimmer, Keela folgt mir und setzt sich neben mich.
„Was passiert hier gerade?“ ich sehe sie restlos verwirrt an.
„Ich habe heute lange mit Ally gesprochen und sie dann gebeten mit Susann und Dean her zu kommen, ich wollte dir ersparen es allen erklären zu müssen. Sie sind natürlich aus allen Wolken gefallen und fingen an dir Vorwürfe zu machen… „ sie seufzt „… Da ist Jamie der Kragen geplatzt und er hat ihnen mal erzählt, wie es dir im letzten halben Jahr hier in Dublin ging Wie schwer du dir deine Entscheidung gemacht hast und das es verständlich war, dass du das alleine durchziehen wolltest. Sie waren alle geschockt und mussten sich eingestehen das dich keine Schuld trifft, vielmehr müssen wir alle bei jedem von uns der hier war die Schuld suchen.“ Sie sieht mich todtraurig an „Gott, wie konnte das passieren.“
„Was ist überhaupt passiert?“ frage ich, die ganze Zeit habe ich diese Frage im Kopf, aber ich habe es nicht gewagt sie zu stellen. Die Antwort von Ally reicht mir einfach nicht.
„Er hat sich wohl ziemlich betrunken, hat Tabletten genommen und ist ohne zu bremsen mit 100 km/h an einen Baum gefahren. Der Arzt befürchtet das er sich was antun wollte, es hat ihn ziemlich schlimm erwischt, aber er kommt durch. Er hat es wirklich Ernst gemeint.“ Sagt sie kaum hörbar.
„Warum macht er so etwas?“ mir laufen die Tränen übers Gesicht.
„Er war verzweifelt und er musste sehen das keiner mehr da war.“ Sagt sie und sieht zu Boden.
„Und jetzt?“ ich sehe sie ratlos an.
„Wenn die kleine Miss satt ist, dann reden wir.“ Sagt sie und sieht zu Amy die friedlich trinkt.
„Okay.“ sage ich leise und sie legt ihren Arm um mich.
Die ganze Situation kommt mir so wahnsinnig unreal und fremd vor, dass ich mich erinnern muss, dass alles hier gerade wirklich passiert.
Als Amy fertig ist und ihr Bäuerchen gemacht hat, nehme ich sie auf den Arm und wir gehen ins Wohnzimmer. Ich setze mich zwischen Jamie und Keela an den Tisch.
„Danke, dass du gekommen bist.“ Sagt Dean zu mir und ich nicke leicht. „Ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht so einfach für dich ist.“ Fügt er hinzu und wieder nicke ich.
„Ich weiß, vielleicht war es nicht richtig euch nichts zu sagen, aber ich habe mir diese Entscheidung nicht einfach gemacht. Er hat mir mein Herz gebrochen, als er mir sagte ich passe nicht mehr in sein Leben. Ich hatte das Gefühl nicht gut genug für ihn zu sein. Das letzte halbe Jahr in unserer Beziehung hat er mir beinahe jeden Tag genau dieses Gefühl vermittelt, er hat mir Vorwürfe gemacht warum ich ihn nicht unterstütze, er hat mir sogar vorgeworfen ich würde nur an mich denken…“ Tränen laufen über mein Gesicht „… ich habe ihm gesagt, das es nicht stimmt und das ich ihn unterstütze, nur das ich mit seinen neuen Freunden nichts anfangen kann. Einer von ihnen hatte zu mir gesagt ich soll ihn endlich frei geben, damit er das Leben führen kann was er will und das tat ich schließlich.“ Ich sehe in die Runde und Susann sieht mich geschockt an.
„Warum hast du denn nichts gesagt?“ sie schüttelt leicht den Kopf.
„Hättet ihr mir zu diesem Zeitpunkt geglaubt?“ frage ich und sehe zu Dean und Ally. „In euren Augen war alles gut, ihr habt es nicht gesehen… Nur ich bekam alles ab. Ich konnte nicht mehr und bin gegangen, denn ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Ich bin nicht gegangen weil ich ihn nicht mehr liebe, ich bin gegangen weil ich ihn liebe. Ich konnte nur einfach nicht mehr, er hatte mich zu sehr verletzt. Als ich erfuhr dass Amy unterwegs war beschloss ich diesen Weg allein zu gehen. Ich habe mein Studium beendet, meinen Doktor gemacht und Amy bisher ganz gut alleine groß bekommen. Ich habe das alles allein geschafft!“ sage ich fast trotzig.
„Wirst du zurück kommen?“ fragt Dean vorsichtig.
„Ich weiß es nicht, ich weiß das ich mich weder in Kopenhagen noch hier zu Hause fühle. Ich fühle mich entwurzelt und muss erst einmal für mich selber heraus finden, wo ich hin gehöre.“ Sage ich und Keela nimmt mich in den Arm.
„Egal wie du dich entscheidest, ich bin da.“ Sagt sie unter Tränen.
„Wir unterstützen dich wo wir können.“ Sagt Ally und ich sehe zu ihr.
So ganz nehme ich ihr das nicht ab, in der Zeit in der Luca und ich zusammen waren habe ich seine Familie zwar kennen gelernt und wir verstanden uns gut. Aber sie ist keine Person der ich mich anvertrauen würde. Allein zu Dean habe ich immer einen guten Draht gehabt. In ihm erkannte ich von Anfang an so viele Aspekte von Mark und irgendwie wurde es zu meinem Ersatz Großen Bruder.
„Luca sein Arzt und der behandelnde Psychologe haben uns gebeten heute noch zu ihm zu kommen, um zu besprechen wie wir weiter vorgehen sollen.“ Susann sieht mich an und ich nicke.
„Wie geht es ihm?“ ich sehe zu Keela.
„Er ist stabil, sie haben ihm den Magen ausgepumpt und seine Prellungen, Brüche und Schnittwunden alle versorgt. Er hat wohl schon mit dem Psychologen gesprochen, deshalb sollt ihr hin kommen. Er schläft wieder und ich denke er wird noch eine bisschen brauchen, bis er alles realisiert.“ Sagt sie und ich schlucke.
„Meinst du, du kannst mitkommen?“ Dean sieht mich fragend und zugleich bittend an.
„Ja. Können wir dann jetzt gleich los? Kann Amy bei euch bleiben?“ ich sehe zu Jamie.
„Klar, aber was machen wir wenn sie Hunger hat?“ er sieht mich mit großen Augen an und ich muss leicht grinsen.
„Ich habe Milch abgepumpt, im Schlafzimmer stehen zwei Fläschen, einfach ein wenig anwärmen und dem kleinen Raubtier geben.“ Ich sehe zu Amy, die in meinen Armen friedlich schläft.
„Darf ich mal?“ Susann sieht mich bittend an und ich stehe auf, sie steht ebenfalls auf und ich lege ihr Amy in den Arm. Sie beginnt zu weinen, Ally und Dean stellen sich neben sie und alle betrachten Amy.
„Sie ist so winzig.“ Sagt Ally und streicht über ihre kleine Hand.
„Sie sieht aus wie Luca.“ Sagt Susann und sieht mich an.
„Ja, sie sieht ihm verdammt ähnlich.“ gestehe ich.
„Danke Jess.“ Dean nimmt mich mit Tränen in den Augen in den Arm.
„Sie ist das Wertvollste was ich habe.“ Sage ich leise und er nickt verständnisvoll.
„Du hast das ganz toll hinbekommen.“ Sagt er anerkennend und ich sehe ihn überrascht an, ich merke das er von Luca seiner Familie der Einzige ist, der mich wirklich wahr nimmt und es tut mir gut.
„Heißt sie eigentlich nur Amelia?“ Ally löst ihren Blick von Amy und sieht mich an.
„Nein, er heißt Amelia Marie Susann Mikkelsen.“ Sage ich leise und Amy räkelt sich.
„Danke Jess.“ Seine Mum sieht mich gerührt an.
„Dafür nicht, es ist Tradition. Sie heißt nach ihren beiden Großmüttern.
„Wir müssen los.“ Sagt Dean und Susann sieht traurig auf.
„Wenn wir wieder kommen, kannst du ihr gerne ihre Flasche geben und sie ins Bett bringen.“ Biete ich ihr an und sie lächelt leicht.
„Das wäre sehr schön.“ Sagt sie gerührt und gibt sie zu Keela auf den Arm.
„Wir machen das schon, nicht war Amy?“ sie grinst mich an und ich lächele.
„Ganz sicher.“ Sage ich „Bis später mein Schatz!“ ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und verlasse zusammen mit Susann, Ally und Dean die Wohnung. Wir fahren schweigend zum Krankenhaus, wir alle müssen erst einmal verarbeiten und verstehen was in den letzten Stunden passiert ist.
Kaum das wir angekommen sind, kommt ein älterer Arzt auf uns zu.
„Gehören sie zu Luca O’Flannery?“ er sieht uns fragend an.
„Ja.“ Antwortet Dean für uns alle.
„Ich bin Dr. Greene. Kommen sie bitte mit.“ Er deutet auf eine Tür und wir folgen ihm.
„Nehmen sie Platz.“ Bietet er uns freundlich an und wir setzen uns. „Also Luca hat sich mehrere Rippen gebrochen, das ist schmerzhaft, aber wir mussten nichts weiter machen. Er hat sich auch das linke Schien und Wadenbein gebrochen, wir haben es mit einer Platte versorgt und gerichtet. Das wird wohl ein paar Wochen dauern bis er wieder laufen kann. Er hat etliche schwere Prellungen, aber angesichts dessen das er frontal gegen einen Baum gefahren ist, hatte er mehr Glück wie Verstand.“ Er sieht uns prüfend an „Wir haben Dr. Gates, unseren Psychologen hinzu gezogen, da wir eine hohe Dosis Schlaftabletten und einen erhöhten Alkoholspiegel vorgefunden haben. Dr. Gates geht von einem Suizidversuch aus. Er hat sich schon mit Luca unterhalten und wird sicherlich gleich für sie Zeit haben.“ Führt er weiter aus und ich merke wie ich mich verkrampfe.
Er wollte sich umbringen?
Wie in aller Welt kommt er auf so etwas?
„Ich verstehe, dass sie jetzt auch alle unter Schock stehen.“ Dr. Green sieht uns mitfühlend an. „Ich kann ihnen versichern, dass Luca körperlich keine bleibenden Schäden davon tragen wird. Alles andere wird sich zeigen. Ich möchte sie bitten jetzt auf Dr. Gates zu warten.“ Er nickt uns kurz zu und wir gehen wieder aus dem kleinen Büro in den hell erleuchteten Wartebereich.
Es dauert nicht lange und Dr. Gates taucht auf und bittet uns in sein Büro.
„Dr. Jonas Gates.“ Sagt er und reicht mir seine Hand.
„Dr. Jessica Mikkelsen.“ Sage ich und er grinst leicht.
„Es freut mich sehr, dass du es geschafft hast.“ Er sieht mich dankbar an.
„Danke Dr. Gates.“ Sage ich und setze mich an den großen runden Tisch mitten im Raum.
„Ich bin Jonas.“ Sagt er und setzt sich zu uns.
„Hast du schon mit ihm gesprochen?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ja, er ist wach und soweit stabil. Ich hatte vorhin die Möglichkeit mit ihm zu sprechen. Er war sehr ehrlich.“ Er sieht mich an „Er sagt, er weiß nicht wie es weiter gehen soll, ich habe mit ihm besprochen wie wir weiter vorgehen sollen. Er muss sich aufgrund seiner Verletzungen auf einen längeren Krankenhausaufenthalt einstellen und ich halte das auch aus psychologischer Sicht für sinnvoll. Wir müssen ihm die Möglichkeit geben sich von allem zu erholen und seine Psyche wieder zu stabilisieren. Ich brauche euch als Unterstützung, wir müssen ihm eine Aufgabe geben auf die er sich konzentrieren kann. Wir müssen…“ ich hebe meine Hand und unterbreche ihn so.
„Ich weiß nicht, wie viel du über mich und Luca weißt…“ ich sehe ihn fragend an.
„Er hat mir von eurer Trennung und der ersten Zeit danach erzählt Es hat ihn schwer getroffen als du gegangen bist, er sagte, er war nicht mehr er selbst und er hat sich um sich abzulenken immer mehr in seinen neuen Freundeskreis herein begeben.“ Sagt er und ich nicke leicht.
Ich spüre die Blicke von Ally und Susann auf mir und schlucke schwer. Das was er sagt, kommt einen Vorwurf gleich…
Ich bin gegangen und er ist abgestürzt. Ich schüttele ganz leicht meinen Kopf und sehe zu Jonas.
„Was er nicht weiß ist, dass wir einen 3 Monate alte Tochter haben.“ Sage ich und er sieht mich erstaunt an, dann schaut er zu Susann, Ally und Dean.
„Sie wussten es bis vor ein paar Stunden auch nicht.“ Sage ich und er sieht wieder zu mir. „Ich wollte die Sache alleine durch stehen. Ich wollte niemanden an meiner Seite. Die Frage ist, soll ich es ihm sagen oder sollen wir warten? Ich möchte ihn nicht überfordern oder in ein weiteres Trauma stürzen.“ Ich sehe ihn fragend an.
„Da ich es ja hier ebenfalls mit einer Ärztin zu tun habe…“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Mein Fachgebiet ist nicht Psychologie, ich bin Internistin, mein Fachgebiet ist die Intensivmedizin.“ Unterbreche ich ihn.
„Ich würde das trotzdem gerne in deinen Händen lassen, du kennst ihn gut genug um zu wissen ob du es ihm gleich sagen sollst oder ihr noch ein bisschen abwartet. Ich denke so wie er vorhin drauf war, kannst du es ihm gut heute sagen. Ich möchte aber das erst einmal Susann zu ihm geht.“ Er sieht zu Susann.
„Mach ihm klar, dass er immer noch dein Sohn ist, egal welche Fehler er in den letzten Monaten gemacht hat und egal welche Fehler er in seinem Leben noch machen wird.“ Er sieht sie durchdringend an, sie fängt an zu weinen und nickt nur. „Er hat Angst, dass er nie wieder gut machen kann was er getan hat, vor allen Dingen bei dir Jessica.“ Er sieht nun wieder zu mir.
„Das weiß ich auch nicht, ich meine ich kann jetzt nicht zu ihm gehen und sagen alles ist gut.“ Ich schüttele meinen Kopf.
„Das verlangt keiner.“ Sagt Dean sanft. „Zeige ihm bitte nur, dass du noch in seinem Leben bist.“
„Richtig, eine Freundschaft ist ebenso wichtig wie eine Beziehung und in Anbetracht der Umstände das, was ihr Beide braucht.“ Jonas sieht mich zuversichtlich an.
„Susann kommst du mit zu ihm? Ich habe ihm gesagt, das ich dich vorbei bringe.“ Er sieht zu Susann und sie steht auf.
Die beiden verlassen den Raum und ich lasse mich nach hinten gegen die Lehne fallen.
„Dr. Jessica, klingt gut.“ Dean sieht mich an und ich lächele leicht.
„Ja, ich bin froh es geschafft zu haben.“ Sage ich ein wenig stolz.
Jonas kommt zurück und setzt sich wieder zu uns. „Ally? Dean?“ fragt er und beide sehen ihn an. „Ich denke wir geben Susann und ihm einen Moment dann könnt ihr auch zu ihm. Jessica sollte alleine zu ihm rein.“ Er schaut zu mir und ich atme tief durch.
„Jess, es verlangt wirklich keiner, dass du tust als ob nichts passiert wäre.“ Dean nimmt meine Hand.
„Danke, denn das kann ich nicht. Er hat mich so sehr verletzt.“ Sage ich traurig „Aber ich möchte, dass es ihm gut geht.“ Ich atme tief ein „Bevor er aus dem Krankenhaus entlassen wird, muss ich schauen das ich mit Amy hier eine Wohnung bekomme. Ich dachte ich kann wieder zurück nach Kopenhagen, aber ich merke Jonas an…“ ich sehe zu ihm „… das ich ihm diese Aufgabe, nämlich ein Daddy zu sein, nicht weg nehmen darf.“ Ich schließe gequält meine Augen.
„Ich hätte dich nicht drum gebeten.“ Sagt Jonas und sieht mich an.
„Das weiß ich, aber ein paar Semester Psychologie reichen um es zu verstehen.“ Ich sehe ihn an und er lächelt leicht.
„Du musst dich nicht wieder hinter ihm zurück stellen.“ Sagt Dean und ich sehe ihn an.
„Ich stelle mich nicht hinter ihm zurück, ich stelle seine Gesundheit und das Glück unserer Tochter vor meine Bedürfnisse. Und? Vielleicht kann ich irgendwann auch mal an erster Stelle stehen, das ist nicht der richtige Zeitpunkt um egoistisch zu sein.“ Sage ich sicher.
„Egoistisch war sie ja auch lange genug. Ich denke es ist richtig dass sie zurück kommt, wer weiß wo wir wären wenn sie nicht gegangen wäre.“ Ally sieht mich an und Dean fährt herum.
„Das kann jetzt nicht dein Ernst sein, oder?!“ sagt er fassungslos.
„Es ist nur das, was sie und Susann schon die ganze Zeit denken.“ Ich hebe meine Hände „Glaubt was ihr wollt.“ Sage ich leise.
„Jessica…“ Jonas sieht zu mir aber mein Blick bringt ihn zum Schweigen.
„Bindet es ihm bitte nicht auf die Nase, das ich wieder zurück nach Kopenhagen wollte und nur wegen ihm hier bleibe.“ Sage ich und sehe zu Ally und Dean.
„Du kommst wieder weil du hier eine Stelle als Assistenzärztin bekommen hast.“ Sagt Jonas und zwinkert mir zu.
„Hab ich doch gar nicht.“ Sage ich und sehe ihn an.
„Bekommst du aber, ich weiß wir haben ab Juli nächsten Jahres eine Stelle in der Notaufnahme frei haben die morgen ausgeschrieben werden soll und ich kenne ein paar Leute in der Personalabteilung.“ Er zwinkert mir zu.
„Danke.“ Sage ich sprachlos.
„Dafür nicht.“ Er winkt ab und sieht zur Uhr.
„So, ihr könnt.“ Sagt er zu Dean und Ally und beide verlassen den Raum.
„Das ist verdammt stark von dir.“ Sagt Jonas und sieht mich prüfend an.
„Ich habe eh keine Ahnung wo ich hin gehöre, mal schauen, vielleicht passe ja irgendwann hierher.“ Sage ich nicht sehr sicher.
„Jessica, ich kann mir nur schwer vorstellen, wie das letzte Jahr für dich war, aber nach allem was ich weiß, hast du eine Schwangerschaft und dein Medizinstudium unter einen Hut bekommen und hast anscheinend sogar schon einen Doktortitel. Ich meine du kannst mit stolz sagen, das du alles richtig gut hin bekommen hast.“ Er nimmt meine Hand. „Wenn du jemanden zum reden brauchst, ich bin nicht nur Luca sein Psychologe, du kannst jederzeit kommen.“ Er nickt mir aufmunternd zu.
„Danke Jonas…“ ich lächele leicht. „… Vielleicht komme ich darauf zurück und übrigens meine Doktorarbeit ist noch in der Überprüfung.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Macht nichts.“ Lacht er und wir gehen in den Licht durchfluteten Flur „Kannst du mir in den nächsten Tagen deine Unterlagen mitbringen?“ er sieht mich an und ich nicke.
„Klar, ich habe alles auf meinem Laptop.“ Sage ich und wir gehen den Flur entlang.
„Weißt du schon, was du ihm gleich sagen willst?“ er sieht mich an und ich schüttele sachte mit dem Kopf.
„Lass ihn anfangen.“ Sagt er und sieht mich aufmunternd an.
„Du bist der Psychologe.“ Grinse ich.
Wir kommen vor seinem Zimmer an und Jonas geht hinein. Ally, Dean und Susann kommen zusammen mit ihm heraus. Alle haben geweint aber sehen erleichtert aus.
„Er sieht ein dass es falsch war und dass er unglaubliches Glück hatte, das die Sache so ausgegangen ist.“ Sagt Susann erleichtert und will mich umarmen, ich trete einen Schritt zurück und sie sieht mich verständnislos an.
Bevor sie fragen kann, kommt Dean zu mir und legt seine Hand auf meine Schulter. „Geht es?“ fragt er besorgt.
„Hmm, geht schon…“ ich atme tief durch „Fahrt ihr schon zu Keela und James?“ ich sehe sie fragend an „Und kümmert ihr euch um Amy?“
„Klar, machen wir doch gerne.“ Sagt Susann und fängt sich wieder.
„Und ich bespreche mit den beiden deine Wohnungssuche.“ Dean sieht mich an und ich nicke benommen.
„Du kommst zurück?“ Susann sieht mich nun erstaunt an.
„Mum…“ sagt er sanft „… ich erkläre es dir auf dem Weg zu Keela und Jamie.“ Dean nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Wie kommst du nachher zu Keela?“ Susann sieht mich fragend an.
„Ich denke, ich nehme mir ein Taxi.“ Sage ich leise.
„Sicher.“ Lächelt sie verlegen und die drei verlassen die Station.
„So, ich geh mal vor, ich hole dich dann.“ Jonas nickt mir zu und ich lehne mich gegen die Wand.
Ich schließe meine Augen…
Die Situation ist echt bescheiden.
Jeder Blick von Susann und Ally, macht mir klar, das sie mir die Schuld geben… ich kämpfe mit den Tränen.
Hätte es wirklich was geändert wenn ich hier geblieben wäre?
Wäre dann nicht ich daran kaputt gegangen?
Würde es Amy überhaupt geben?
„Kommst du Jessica?“ Jonas steckt seinen Kopf aus der Tür.
„Hmm.“ Sage ich nur und trete in das Zimmer, er ist an einige Maschinen angeschlossen, er sieht ziemlich zerschunden aus und sein Bein ist mit einem Fixateur gerichtet. Sein Gesicht und der Rest seinen Körpers sind mit Pflastern und Verbänden übersäht.
Ich erschrecke mich ihn so zu sehen.
Ich meine, ich habe das an unzähligen Fallstudien durch genommen, aber hier vor mir liegt Luca und nicht irgendein Fremder. Ich schlucke schwer.
„Hallo.“ Sage ich leise und bleibe ein wenig unschlüssig im Zimmer stehen.
„Sweetheart?“ er sieht mich mit Tränen in den Augen an, er sieht fertig und verweint aus. Es ängstigt mich ihn so zu sehen, er ist nicht mehr der Luca den ich kenne. Er ist so hilflos, so verletzlich und ich kann es kaum ertragen ihn anzusehen.
Ist es wirklich meine Schuld?
Geht es ihm so schlecht, weil ich gegangen bin?
Bin ich doch zu selbstsüchtig gewesen?
„Jessica ist gekommen, weil es dir nicht gut geht, sie möchte dir helfen, dass es dir besser geht…“ Jonas sieht zu Luca „… Aber sie ist nicht hier als deine Freundin sondern als eine Freundin.“ Erklärt er ihm ruhig und Luca nickt.
„So, ich lasse euch einen Moment allein, ich bin in meinem Büro.“ Sagt er und ich nicke ihm zu.
Ich nehme mir einen Stuhl und setze mich neben das Bett.
„J es tut mir leid.“ Sagt Luca und ich sehe ihn an.
„Ich weiß, Luca, ich weiß.“ Sage ich leise und schließe meine Augen.
Ich muss mich einen kleinen Moment sammeln, ich will ihn nicht spüren lassen, wie sehr mich das alles hier verwirrt, wie fertig es mich macht.
Ich muss stark sein… für ihn, für mich und für Amy.
„Ich habe dir sehr weh getan.“ Er greift nach meiner Hand und ich lasse sie ihn in seine legen.
„Ja, du hast mir sehr weh getan…“ ich sehe ihn traurig an „… Aber du bist mir nicht egal und ich möchte, dass es dir wieder gut geht. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
„Es tut mir leid.“ Wiederholt er. „Ich habe den falschen Menschen vertraut und musste einen hohen Preis dafür zahlen. Ich habe allen Leuten, die mir was bedeuten, vor den Kopf gestoßen und ich weiß nicht, ob ich es jemals wieder gut machen kann.“
„Luca es gibt etwas was ich dir sagen muss…“ ich atme tief durch und er sieht mich fragend, voller Angst an.
„Als ich gegangen bin, bin ich zu Mark und seiner Familie gegangen, dort war ich auch die letzten Monate…“
„Aber ich hatte ihn gefragt.“ Sagt er zweifelnd.
„Ich habe ihn gebeten nichts zu sagen, ich wollte dich nicht sehen und nicht mit dir sprechen.“ Sage ich leise. „Jedenfalls bemerkte ich das etwas mit mir nicht stimmte, im Dezember hat mich Mark zum Arzt gefahren weil ich schon eine längere Zeit starke Kreislaufprobleme hatte…“ ich mache eine Pause.
Ist das jetzt wirklich der richtige Moment um ihm das zu sagen?
„Bist du krank J?“ er schaut mich ängstlich an.
„Nein…“ ich lächele leicht „… Der Arzt stellte fest, was ich nicht wahr haben wollte. Luca ich war schwanger.“ Ich sehe ihn an, seine Augen weiten sich.
„Du warst?“ fragt er schockiert und ich muss lächeln.
„Ja war, unsere Tochter ist am 9. Juni geboren.“ Sage ich und er drückt meine Hand ganz sachte.
„Wir haben eine Tochter?“ fragt er und Tränen laufen über sein Gesicht.
„Ja, sie heißt Amelia, sie ist jetzt 3 Monate alt und sie ist wirklich toll.“ Ich lege meine andere Hand um seine und meine und sehe ihn ernst an „Luca ich möchte dass wir Amy zuliebe Freunde werden können. Ich habe schon vor einer ganzen Zeit ein Jobangebot hier aus dem Krankenhaus bekommen. Amy und ich ziehen hierher, wir stehen das zusammen durch, als Freunde.“ Sage ich und er lächelt leicht.
„Danke J.“ Sagt er gerührt.
„Dafür nicht…“ ich nehme meine Hände vom Bett und verschlinge sie in einander „… Ich spreche mit Jonas, vielleicht bringe ich sie morgen mit.“
„Bitte, ich möchte sie gerne sehen.“ Sagt er und wischt seine Tränen beiseite.
Ich krame mein Handy aus meiner Hosentasche und gebe es ihm.
„Da sind ein paar Bilder drauf.“ Sage ich und starte die Galerie.
„Wow, sie ist perfekt…“ sagt er andächtig. „… und so klein. Ich danke dir J.“ Er wirft mir einen Blick zu und ich schlucke schwer.
Ich weiß nicht was in ihm vorgeht, aber ich kann keine Sekunde länger hier bleiben.
„Ich muss jetzt los Luca, bitte denk nie wieder daran dir was anzutun. Amy braucht dich, sie braucht ihren Daddy.“ Sage ich hastig und nehme das Handy wieder an mich.
„Nein, es war falsch.“ Sagt er leise, ich ziehe mir meine Jacke an und gehe zu seinem Bett.
Es kostet mich alles an Beherrschung die ich habe, aber ich drücke ihn kurz an mich. Ganz vorsichtig, weil ich ihm nicht weh tun will.
„Du hast mir gefehlt J.“ Sagt er mit Tränenerstickter Stimme.
„Du mir auch, aber es ist so verdammt viel passiert.“ Sage ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut.“ Sage ich noch und trete hinaus in den grell erleuchteten Flur.
Ich schließe die Tür hinter mir und atme tief ein und aus. Jonas kommt zu mir und legt mir seine Hand vorsichtig auf den Unterarm, nun beginnen meine Tränen zu laufen.
„Gott, wie konnte er sich nur so etwas antun?“ schluchze ich.
„Jessica.“ Er legt seinen Arm um mich und führt mich in sein Büro.
„Hätte ich es verhindern können? Hätte ich es geschafft?“ ich sehe ihn unter Tränen an.
„Jessica bitte, mach dir keine Vorwürfe, damit ist keinem geholfen.“ Sagt er ruhig.
„Er wollte sich wirklich umbringen! Bevor ich ihn gesehen habe, habe ich mir eingeredet es sei schon nicht so schlimm, aber jetzt wo ich ihn gesehen habe. Mein Gott wie konnte er so etwas nur tun?“ ich sehe ihn unter Tränen an.
„Jessica bitte, versuch es nicht an dich heran zu lassen. Du hast keine Schuld. Was in den letzten Monaten passiert ist, dafür konntest du nichts. Rein gar nichts.“ Sagt er und sieht mich prüfend an.
„Ich möchte es so gerne glauben. Aber alle denken es doch.“ Erwidere ich leise.
„Jessica, ich werde mit seiner Familie auch darüber reden, wir können uns nicht darum kümmern, dass es Luca wieder gut geht und du gehst vor die Hunde. Ich möchte, dass du einmal in der Woche zu mir kommst und wir reden. Du bist augenscheinlich überfordert mit der Situation und ich möchte nicht das du es in dich hinein frisst.“ Er sieht mich an und ich nicke benommen.
„Danke.“ Sage ich und stehe auf „Ich muss nach Hause, Amy wartet.“ Ich schnäuze mich und verlasse sein Büro.
„Jessica, wenn was ist…“ er sieht mir hinterher „… Dann ruf an.“ Ich nicke und laufe den Gang entlang zum Fahrstuhl. Ich gehe nach draußen, rufe mir ein Taxi und fahre zu Keela. Es ist schon fast dunkel draußen und als ich die Treppe hoch steige, ist in der Wohnung alles still. Ich klopfe und Keela lässt mich herein.
„Na Süße!“ sie nimmt mich in den Arm.
„Na.“ Sage ich matt.
Dean kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. „Er hat gerade angerufen, er ist total aus dem Häuschen.“ Sagt er und sieht mich grinsend an.
„Das ist schön.“ Sage ich matt und setze mich zu Jamie, der Amy auf dem Arm hat auf die Couch. Er gibt sie mir auf den Arm.
„Hey meine kleine Prinzessin.“ Ich küsse ihre Nasenspitze. „Ist alles gut gegangen?“ ich sehe zu Jamie und er nickt grinsend.
„Ich würde sagen sie ist ein Traumbaby, ganz friedlich und eigentlich immer müde. Aber ich gestehe, ich kenne mich bis jetzt auch nicht wirklich aus.“ Lacht er.
„Hat sie gut getrunken?“ ich sehe nun zu Keela.
„Ja, alles weg.“ Sagt sie zufrieden.
Ich habe mich für die nächsten Tage bei den beiden im Gästezimmer einquartiert und sehe müde zu Keela.
„Du bist fertig, hmm?“ fragt sie mitfühlend.
„Ja.“ Sage ich leise.
„Wir gehen jetzt. Fährst du morgen mit Amy zu ihm?“ Susann sieht mich fragend an.
„Ja, ich denke nach ihrem Mittagsschlaf. Würde es euch stören wenn wir dann alleine wären?“ Sage ich und sie nickt mir zu.
„Kein Problem.“ Sagt sie und alle winken mir zu und verabschieden sich. Ich bin froh, endlich ein wenig durch atmen zu können.
„Ich bring mal eben Amy ins Bett.“ Sage ich und stehe auf. Ich lege Amy in das Reisebett und sehe sie an wie sie friedlich schläft. Tränen beginnen über mein Gesicht zu laufen.
Warum ist das Leben so wie es ist?
Jedes Mal wenn ich denke, ich habe es irgendwie im Griff passierte etwas und ich muss von vorn anfangen…
Ich bin einfach so erschöpft davon, ich will nicht immer von vorne anfangen.
„Hey Süße!“ Keela nimmt mich in den Arm und wir gehen ins Wohnzimmer, wir setzen uns auf die Couch und sie streicht mir eine Strähne meines langen brauen Haares aus dem Gesicht.
„Wie geht es dir?“ sie sieht mich mitleidig an.
„Beschissen.“ Sage ich „Ich war so geschockt als ich ihn gesehen habe, ich konnte gar nicht richtig denken….“ Ich wische mir eine Träne weg „… Jonas, sein Psychologe, kam zu mir, ich soll zwei Mal die Woche zu ihm kommen. Ich komme damit nicht klar. Hätte es was geändert wenn ich hier geblieben wäre?“ ich sehe sie todtraurig an.
Jamie kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. „Nein Jess! Es hätte sich nichts geändert, du wärst nur todunglücklich geworden.“ Er sieht mich an.
„Wer sagt dir, dass ich jetzt glücklich bin?“ frage ich.
„Jess bitte…“ er sieht mich flehentlich an „…Ich weiß, das du nicht glücklich bist, weil ich sehe wie unglücklich du bist…“ er streicht eine Träne beiseite „… spiele nicht immer die Starke, bei uns darfst du auch weinen und mal schwach sein.“ Er sieht mich an und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken.
„Sie geben mir die Schuld…“ schniefe ich.
„Wer sie?“ er sieht mich erstaunt an.
„Ally und Susann, ich sehe es in ihren Blicken.“ Schluchze ich.
„Nein Jess, du hast keine Schuld, lass dir das bitte von niemanden einreden. Uns trifft alle ein wenig Schuld, wir hätten ihm viel mehr klar machen müssen, wie dünn das Eis ist auf dem er sich bewegt.“ Er zwingt mich ihn anzusehen. „Jess, du bist nicht Schuld.“ Sagt er mitfühlend.
„Ich danke euch so sehr.“ Sage ich tränenerstickt.
„Wir haben auch schon mit unserer Hausverwaltung gesprochen, eine Etage tiefer wird eine Wohnung frei. Zum 15. September kannst du einziehen, wenn du willst. Es ist zwar sehr kurzfristig, aber wir haben die Situation erklärt und sie machen eine Ausnahme für dich und Amy.“ Sagt Keela sanft.
„Danke.“ Schniefe ich und sehe zu ihr.
„Wir sind da J! Wir sind immer da!“ sagt sie und ich nicke. Ich setze mich wieder zu ihr und mit Jamie auf der einen und Keela auf der anderen Seite beruhige ich mich langsam, wenigstens bei ihnen muss ich mich nicht verstellen. Ich bin ihnen so dankbar.
„Ich habe auch bei Mark angerufen, er packt eure Sachen zusammen, sie sind am 14. September hier. Sind ja nur noch 5 Tage. Er sagt er kümmert sich darum, das dein Auto verkauft wird, du sollst dir bitte ein vernünftiges neues kaufen. Jamie soll mit dir los gehen. Sie haben dich sehr lieb und sind stolz auf dich. Ich habe gesagt, du rufst ihn morgen an.“ Keela sieht mich an und ich nicke schwach.
„Geh jetzt schlafen.“ Sagt sie sanft und ich stehe auf.
Langsam gehe ich ins Gästezimmer, ziehe mir nur meine Jeans aus und lege mich ins Bett. Ich beginne wieder zu weinen und weine mich leise in den Schlaf. Nachts muss ich hoch da Amy Hunger hat, ich drücke sie fest an mich und schlafe mit ihr im Arm weiter.
Am nächsten Morgen fühle ich mich ein wenig besser, aber in meinem Kopf geht immer noch alles drunter und drüber. In den letzten 24 Stunden bin ich hierher geflogen, habe Luca gesagt das er Daddy ist, habe ihn sehen müssen wie er leidet und habe beschlossen wieder her zu ziehen.
Ich nehme die weinende Amy auf den Arm und lege sie an, sie ist wieder dran und nach ein paar Sekunden trinkt sie friedlich.
Gott, was ist hier los?
Ich sitze hier mit meiner 3 Monate alten Tochter und weiß nicht wo mir der Kopf steht.
Es klopft an meiner Tür und Jamie kommt herein, ich sehe weinend zu ihm auf.
„Gott Jess.“ Er setzt sich neben mich und legt seinen Arm um mich.
Ich muss ein tolles Bild abgeben. Müde, verweint und ein Baby an der Brust.
Ich lege weinend meinen Kopf an seine Schulter. „Jess, du musst nicht immer stark sein.“ Sagt er leise.
„Doch ich muss.“ Sage ich und wische meine Tränen weg. Amy ist fertig und ich lege sie über meine Schulter, sie macht ihr Bäuerchen und ich ziehe mich wieder an. Jamie nimmt mir Amy ab.
„Jess…“ setzt James an.
Ich straffe meine Schultern.
„Ich muss einfach Jamie, ich muss. Keiner hat mich gefragt ob ich will, aber ich muss. Ich muss für Amy und ich muss für Luca.“ Sage ich und atme tief durch.
„Und was denkst du wie lange du das kannst?“ er sieht mich skeptisch an.
„So lange ich eben muss.“ Antworte ich.
„Jess.“ Versucht er es erneut.
„Bitte nicht Jamie.“ Sage ich bittend „Ich muss los, ich brauche ein Auto und ein paar Möbel. Ich habe auf mein Konto geschaut, Mark hat mir Geld überwiesen. Für ein Auto können wir nicht mehr wie 4.000 ¤ ausgeben und für Möbel habe ich dann noch 4.500 ¤. Und mit 3000 ¤ muss ich die Kaution zahlen und die Wohnung fertig machen, die Miete bezahlen und alles andere kaufen was ich brauche. Ich muss zum Amt und Amy anmelden und mich ummelden, ich muss die Krankenversicherung umschreiben und heute Nachmittag muss ich zu Luca ins Krankenhaus.“ Ich ziehe mir meine Strickjacke über und hole eine Hose, eine Windel und ein Shirt für Amy aus dem Koffer.
„Jess, lass mich dir helfen. Bitte.“ Jamie sieht mich an und ich nicke, es kostet mich so viel Kraft nicht wieder anfangen müssen zu weinen. Er merkt es und will mich in den Arm nehmen.
„Bitte nicht Jamie. Ist Keela schon in der Uni?“ ich sehe ihn fragend an und er nickt bestätigend.
„Ich mache dir was zum Frühstück, zieh du mal Amy an. Dann isst du was und wir können los.“ Sagt er und ich nehme ihm Amy ab.
Ich ziehe mich um und dann sie, anschließend wickele ich sie in eine Decke, dann gehe ich in die Küche und knabbere lustlos an meinem Toast. Jamie macht sich fertig und zieht sich um.
„Können wir?“ er sieht mich fragend an und ich lege Amy in ihre Babyschale. Wir fahren zu einem Autohändler den Jamie kennt und ich kaufe mir einen schwarzen 7 Jahre alten Volvo Kombi, er macht ihn für mich ein ganzes Ende billiger und ich bin ihm unendlich dankbar. Dann lassen wir Jamies Kleinwagen stehen und fahren Möbel kaufen. Wir lassen alles beim Händler, Jamie will es am Nachmittag mit seinem Transporter abholen. Dann kaufen wir noch Farbe und machen uns auf den Weg zurück nach Hause. Als Amy Mittagsschlaf macht fahre ich zum Amt und melde alles an und um. Nach zwei Stunden bin ich endlich fertig und Amy hat ausgeschlafen.
„Danke Jamie.“ Ich gebe ihm einen Kuss und nehme die Babyschale mit Amy auf den Arm.
„Kein Problem Jess. Bestelle ihm liebe Grüße und atme ab und zu mal durch.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Wenn ich Zeit habe.“ gebe ich zurück und schließe die Tür hinter mir.
Ich fahre die 10 Minuten zum Central Dublin und fahre in den 3. Stock.
Jonas kommt mir auf dem Weg zu Luca entgegen.
„Hallo Jessica. Wie geht es dir heute?“ er sieht mich besorgt an.
„Besser.“ lüge ich.
„Lügen solltest du üben…“ er sieht mich kopfschüttelnd an „… Und das ist Amelia?“ er schaut in die Babyschale.
„Ja, das ist Amy.“ Lächele ich.
„Er wartet schon auf euch, ich habe mit ihm gesprochen. Wir haben das weitere Vorgehen besprochen. In einer Woche wird der Fixateur abgenommen und dann denke ich werden wir unser Hauptaugenmerk auf seine Psyche legen. Es war richtig es ihm gleich zu sagen. Es geht ihm viel besser.“ Sagt er und nickt mir zu.
Wenigstens eine Sache die ich Richtig gemacht habe und ihm geht es besser….
Ich klopfe leise und trete dann ein, er sitzt in seinem Bett und beginnt zu strahlen, als wir das Zimmer betreten.
„Hallo.“ Sage ich leise und stelle die Babyschale auf sein Bett und drehe sie zu ihm. Dann ziehe ich meine Strickjacke aus und nehme Amy aus dem Sitz. Ich lege sie vorsichtig in Luca seine Arme. Er sagt kein Wort und betrachtete sie nur überwältigt.
„Sie ist so toll.“ Sagt er leise aus Angst sie zu wecken.
„Ja, das ist sie wirklich.“ Bestätige ich und streichle Amy übers Köpfchen.
„Wow, ich kann es nicht fassen, unsere Tochter.“ Er sieht zu mir und ein lächeln huscht über mein Gesicht.
„Ja, unsere Tochter.“ Sage ich und grinse leicht.
„Wie war es?“ er reißt seinen Blick von ihr los und sieht mir direkt in die Augen.
„Was meinst du?“ ich lege meinen Kopf schief.
„Wie war die Schwangerschaft? Ihre Geburt? Ihre ersten Monate?“ er sieht mich bittend um Antworten an.
„Die Schwangerschaft verlief ganz normal, ich hatte nie wirklich Beschwerden, es ging mir gut. Ihre Geburt war zwar schmerzhaft, aber das ist eine Geburt immer…“ ich lächele leicht „… Dann war sie da, Gott sie war so winzig und so perfekt, ich verliebte mich Hals über Kopf in sie. Sie ist sehr pflegeleicht. Sie schläft viel, nur wenn sie Hunger hat dann wird sie ein wenig wehleidig. Da kann es ihr nicht schnell genug gehen und es ist ihr total egal, wo wir gerade sind oder was ich gerade mache…“ ich grinse „… Manchmal hat sie schon ganz schön lange wach Phasen, dann schaut sie mit ihren kleinen braunen Augen durch die Welt.“ Ich streichele Amy ihr Händchen.
„Danke J.“ Sagt Luca und ich sehe weiter zu Amy.
„Sie ist das Beste, was ich in meinem Leben zustande gebracht habe.“ Sage ich leise.
„J…“ setzt er an
Plötzlich klopft es und Ally und Susann kommen herein, ich sehe sie erstaunt an.
Hatten wir nicht besprochen dass ich allein mit Amy zu Luca will?
„Wir mussten einfach kommen.“ Sagt Ally, ich nicke verwirrt und setze mich auf den Stuhl am Fenster. Alle wuseln nun um Luca und Amy herum und ich sehe aus dem Fenster hinunter in den Park.
Die Bäume tragen die bunten Blätter wie ein Kleid und der Wind wirbelt die, die auf dem Boden liegen durch einander.
Das geht fast 2 Stunden so und ich sage kein einziges Wort. Was soll ich auch sagen?
Ich fühle mich fehl am Platz, ich würde mir am liebsten Amy schnappen und einfach gehen… ich seufze leise.
Es klopft erneut und ein säuerlich aussehender Dean kommt herein.
„Hatten wir nicht was besprochen?“ sagt er sieht zu Ally und Susann und dann zu mir.
Ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum schweigen.
Er kommt zu mir und sieht mich besorgt an, während sich Ally und Susann wieder sofort um Amy und Luca kümmern.
„Kommst du ein Stück mit mir mit?“ er hält mir seine Hand hin.
„Hmm.“ Ich nicke und ergreife seine Hand, die anderen nehmen nicht einmal Notiz davon, dass wir das Zimmer verlassen.
Wir gehen runter in den Park und er sieht mich besorgt an.
„Sei mir bitte nicht böse….“ Wir setzen uns auf eine Bank.
„Wieso sollte ich dir böse sein?“ ich sehe ihn verständnislos an.
„Ich habe vorhin mit Jamie telefoniert…“ er sieht mich an und ich starre zu Boden. „Gott Jess, dir geht es hundeelend und niemand scheint es zu bemerken.“ Erklärt er kopfschüttelnd.
„Es ist egal. Susann hat fast ihren Sohn verloren und Ally ihren geliebten Bruder, ich kann verstehen, das sie jetzt so aus dem Häuschen sind. Ich meine ich tauche hier mit Amy auf und sie wollen sie am Besten 24 Stunden am Tag sehen.“ Sage ich tonlos.
„Ich habe auch fast meinen Bruder verloren und bin überraschend Onkel geworden…Wer sieht dich?“ fragt er leise.
„Niemand, aber das ist in Ordnung. Im Moment zählt nur Luca seine Gesundheit. Bitte Dean, es ist alles echt viel für ihn. Halt deinen Mund, ich komme schon klar.“ Sage ich eindringlich.
„Jess.“ Setzt er an.
„Nein Dean, du hast mich verstanden. Das ist mein Problem. Es nicht dein Problem, es ist nicht Jamies Problem, es ist nicht Keelas Problem und vor allen Dingen ist es nicht Lucas Problem. Es ist allein mein Problem und ich werde schon damit fertig.“ Sage ich und sehe ihn bestimmt an.
Er schaut mich mit großen Augen an und nimmt mich in den Arm.
„Bitte nicht, wenn ich einmal anfange, dann kann ich nicht aufhören.“ Sage ich entschuldigend und entziehe mich seiner Umarmung.
„Aber du kannst nicht immer stark für andere sein.“ Er schaut mich verständnislos an.
„Ich kann vielleicht nicht, aber ich muss! Das ist ein himmelweiter Unterschied. Es ist für mich der Unterschied dazwischen mich in die nächste Ecke zu setzen und zu weinen oder aufzustehen und zu hoffen, dass der Tag schnell vorbei ist und ich Luca, indem ich Amy her bringe, helfen kann. Und das mache ich einfach jeden Tag aufs Neue.“ Sage ich resigniert.
Er nimmt meine Hand. „Und wenn du dich doch irgendwann nur ein eine Ecke setzten möchtest, dann ruf mich an. Ja?!“ er sieht mich betreten an und ich nicke nach einem kurzen Zögern.
„Wir müssen hoch, Amy bekommt gleich Hunger und sie ist etwas leidig, wenn sie nicht gleich was bekommt.“ ich versuche zu grinsen.
„Dann komm.“ Er bietet mir seinen Arm an und wir gehen wieder in das Zimmer.
An dem Bild hat sich nichts geändert. Einzig allein Luca sieht auf als wir wieder rein kommen.
„Wo wart ihr denn?“ er sieht uns fragend an.
„Wir haben einen Kaffee getrunken.“ Sagt Dean und ich nicke bestätigend.
„Geht es dir gut J?“ er schaut mich besorgt an und ich versuche zu lächeln.
„Ja.“ lüge ich.
Dann beginnt Amy leise zu weinen und ich nehme sie Luca ab, wenigstens das können sie nicht auch noch übernehmen.
„Ich gehe mal fragen, ob ich ihn in Jonas seinem Büro stillen kann.“ Sage ich und nehme ein Spucktuch aus Amys Wickeltasche.
„Aber Jess, das kannst du auch hier machen.“ Susann sieht mich erstaunt über meinen Vorschlag an.
„Mum, lass Jess bitte, sie möchte gerne ihre Ruhe haben und Josie hat auch immer ganz schlecht getrunken wenn Trubel um sie herum war.“ Sagt Dean und ich sehe ihn dankbar an.
Ich klopfe an das Büro und Jonas überlässt mir seinen Besprechungsraum. Ich setze mich mit Amy in einen der Sessel und lege sie an. Kaum das sie trinkt, beginne ich zu weinen…
Ich will so gerne weg…
Weit weg von hier…
Aber so sehr ich es will, es geht nicht.
Auf der anderen Seite sagt mir mein Herz, das in dem Zimmer ein paar Türen weiter der Mann liegt den ich liebe und das ich mal anfangen müsse zu kämpfen.
Aber ich bin viel zu erschöpft… ich kann nicht kämpfen, mein Herz ist nicht bereit zu vergeben und mein Kopf nicht zu verzeihen.
Ich merke gar nicht wie Amy einschläft.
Ich sehe sie plötzlich an und streiche über ihre dunkelblonden Haare.
„Ich weiß nicht wie, aber wir bekommen das hin.“ Sage ich leise. Ich gehe an das Waschbecken, welches glücklicher Weise im Raum ist, und wasche mir mein Gesicht und meine Hände. Als ich finde, dass ich wieder normal aussehe gehe ich wieder zu Luca seinem Zimmer. Ally, Susann und Dean sind weg.
„Na ist sie satt?“ fragt Luca und ich nicke bestätigend. „J, ist alles in Ordnung bei dir?“ er sieht mich prüfend an.
„Ja. Geht es dir wieder besser?“ sage ich und sehe zu ihm.
„Ja, viel besser, ich habe eben noch mal kurz mit Jonas gesprochen, wenn alles gut geht, dann kann ich bald auf Normalstation.“ Er strahlt mich an.
„Das ist wirklich toll.“ Sage ich und versuche zu lächeln.
„J?“ fragt er leise und ich sehe auf, ich habe Amy gerade in ihren Kindersitz gelegt.
„Ja?!“ erwidere ich verwirrt.
„Geht es dir wirklich gut? Du siehst traurig aus und hast heute kaum ein Wort gesagt.“ Er sieht mich prüfend an.
„Ja, alles gut.“ Ich winke ab „Ich muss jetzt los, es ist beinahe 20 Uhr und ich habe noch so viel zu erledigen. Ich habe eine Wohnung in Jamies und Keelas Haus bekommen, nur eine Etage tiefer, auf der anderen Seite.“
„Das ist schön, dann kann ich euch oft besuchen kommen.“ Sagt er lächelnd.
„Ja, das kannst du.“ Sage ich und gehe zu ihm „Gute Nacht.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
„Du bist wirklich eine tolle Frau und eine super Mummy.“ Sagt er und ich schlucke.
„Ich muss.“ Ich nehme Amy und stürze quasi nach draußen.
Ich fahre mit dem Fahrstuhl runter, gehe schnellen Schritten über den Parkplatz und entriegle das Auto. Ich schnallt Amy an und setzte mich hinters Steuer, wieder beginne ich zu weinen… wie sooft in den letzten Tagen, Wochen und Monaten.
Wie ungerecht ist das Leben doch manchmal?
Ich brauche einen Moment um mich zu beruhigen, dann straffe ich meine Schultern und fahre zu Jamie und Keela.
Keela erwartet mich in Hausflur.
„Hey, da seid ihr ja.“ Jubelt sie und zieht mich in meine neue Wohnung.
Ich sehe sie entgeistert an, James und sie haben augenscheinlich alle unsere Freunde zusammen getrommelt und sie haben tatsächlich schon die Wohnung fertig gestrichen und die Möbel aufgebaut. Ich stehe im Flur und sehe sie sprachlos an.
„Wow, ich weiß gar nicht wie ich euch danken soll.“ Ich nehme sie in den Arm
„Na, ja wir war es ja nicht allein.“ Jamie grinst.
„Es ist so schön, danke.“ Sage ich gerührt.
„Hast du dir verdient Jess, ganz wirklich.“ Sagt Jamie und ich versuche zu lächeln.
„Klar, hast du das verdient, du bist meine beste Freundin.“ Keela nimmt mich in den Arm „Und du bist die stärkste Frau die ich kenne.“ Sie sieht mich an und mir treten Tränen in die Augen.
„Wie war es bei Luca?“ Jamie nimmt Amy auf den Arm und ich folge ihm in ihr Kinderzimmer.
Es ist in zartem rosa gestrichen und kleine Kronen zieren die Wände. Die Decke ist hellblau mit Wolken und einer Sonne.
Es ist wirklich richtig schön und alleine hätte ich das nie hin bekommen.
„Nett.“ Sage ich nur, um auf Jamies Frage zurück zu kommen.
„Was war los?“ Keela sieht mich fragend an.
„Ally und Susann waren auch da.“ Erwidere ich tonlos.
„Was? Hattet ihr nicht besprochen…“ setzt Jamie an.
„Doch hatten mir, aber egal… Dean war auch da.“ Ich sehe zu Jamie.
„Er hat sich Sorgen gemacht und ich hoffe, er kann Susann und Ally ein wenig im Zaum halten.“ erwidert er entschuldigend.
„Schon gut. Es tat gut mit ihm zu reden.“ Sage ich und lege meine Hand auf seinen Arm.
Die nächsten Wochen sind von Lucas Zustand abhängig und ich füge mich dem unter. Wenn er gute Tage hat, dann sind wir fast den ganzen Tag bei ihm. Geht es ihm nicht so gut oder er hat Physiotherapie, dann sind wir nur ein oder zwei Stunden bei ihm.
Es wird ein mir neuer Tagesablauf, aber ich gewöhne mich daran. Morgens stehe ich mit Amy auf, mache sie fertig, esse eine Kleinigkeit und dann rufe ich bei Jonas an und er sagt mir wie es Luca geht.
Heute ist ein guter Tag, also packe ich Amy in ihren Schneeanzug und mache mich auf den Weg ins Krankenhaus. Die Strecke kenne ich nach den letzten 6 Wochen im Schlaf. Ich parke und nehme Amy auf den Arm. Ich fahre in den 5. Stock, da Luca mittlerweile auf Normalstation liegt. Ich klopfe vorsichtig und trete ein. In den letzten Tagen hat er immer noch im Bett gelegen wenn ich kam, aber heute steht er in Joggingsachen im Zimmer und strahlt mich an. Er macht mit seinem Bein sehr gute Fortschritte und Dr. Greene soll Recht behalten, es ist von keinen Folgeschäden die Rede.
„Hey.“ Sage ich und halte ihm Amy hin.
Er legt sie auf die Wickelkommode, die extra zusammen mit einem Kinderbett in sein Zimmer gebracht worden sind, und zieht sie aus.
„Hey meine Prinzessin.“ Er kitzelt sie und Amy quiekt vor Vergnügen, in den letzten Wochen sind die Beiden ein Herz und eine Seele geworden.
Wir setzen uns mit Amy auf den Fußboden auf ihre Krabbeldecke und beginnen uns zu unterhalten.
„Wie war eure Nacht?“ Luca sieht zu mir.
„Alles gut, sie ist gestern gleich eingeschlafen.“ Sage ich und er grinst.
„Das ist echt super.“ Sagt er lobend zu Amy.
„Wie geht es dir? Wie ist es wieder hier zu sein?“ sein Blick wandert wieder von Amy zu mir. In den letzten Wochen bin ich dieser Frage immer ausgewichen, weil ich einfach nicht wusste was ich sagen soll. Ich atme tief ein und sehe ihn an. Schließlich beschließe ich, dieses Mal zu antworten.
„Ungewohnt aber Jamie und Keela sind toll, sie unterstützen mich wo sie nur können. Dean war gestern auch da und hat mir noch Spielzeug von Josie vorbei gebracht. Josie war mit bei uns und Amy hat sie sofort um den kleinen Finger gewickelt.“ Ich grinse.
„Wow.“ Sagt er.
„Ja, ich denke sie ist ihr mit Haut und Haaren verfallen.“ Lächele ich und streiche wieder über Amy ihre Hand.
„Nicht nur sie.“ Grinst Luca und ich sehe ihn an.
Ich beginne zu spüren, dass er sich ganz langsam wieder in den Menschen verwandelt, der er früher einmal gewesen ist.
Dann ist auch schon Mittagszeit und ich esse zusammen mit Luca im Zimmer, dann stille ich Amy und heute wollen wir zusammen eine Runde durch den Park gehen. Er packt Amy dick ein während ich den Kinderwagen aus dem Auto hole. Es tut gut an die Luft zu kommen und ich schließe meine Augen und atme tief ein. Wir haben jetzt Ende Oktober, an den Bäumen sind kaum noch Blätter und der Boden ist mit buntem Laub übersäht.
„J?“ Luca sieht mich fragend von der Seite an.
„Ja?!“ ich sehe zu ihm und halte seinem Blick stand.
„Ich bin glücklich, dass du hier bist und diesen Weg mit mir zusammen gehst. Danke.“ Er sieht mich an und mir treten Tränen in die Augen.
„Dafür nicht.“ Sage ich und sehe schnell weg.
Ich will nicht dass er meine Tränen sieht.
Als wir wieder auf seine Zimmer kommen, werden wir wie sooft von Ally und Susann erwartet und wie eigentlich immer, ist die Stimmung zwischen uns unterkühlt. Jonas hat mit ihnen geredet, aber es hatte nichts gebracht, in ihren Augen bin ich immer noch der Auslöser für Luca seinen Selbstmordversuch.
„Hey Luca!“ Susann nimmt Luca in den Arm.
„Hallo Jess!“ sie sieht zu mir und ich nicke kurz, sie nimmt mich verhalten in den Arm und ich lasse es über mich ergehen.
„Hey Bruderherz.“ Luca wird auch von Ally überschwänglich in den Arm genommen.
„Hallo.“ Sagt sie an mich gewandt und gibt mir links und rechts einen Kuss auf die Wange.
„Wo ist denn Amy?“ Susann sieht mich an und ich deute verwirrt auf den Kinderwagen.
Wo soll sie denn sonst sein?
„Sie schläft Mum.“ Sagt Luca und ich stelle den Kinderwagen vor das Fenster.
„Aber dann sollte sie draußen schlafen.“ Sagt sie und sieht mich an.
„Ich kann sie ja schlecht im Park stehen lassen.“ Ich ziehe mir meine Jacke aus und nehme vorsichtig die Decke von Amy runter und öffne ihren Schneeanzug.
„Es hätte alles so anders sein können.“ Sagt sie und streicht Luca, der sich auf sein Bett gesetzt hat, über die Wange.
„Ist es aber nicht.“ Sage ich leise.
Dann setze ich mich und lese in meinem Buch, welches ich mir seit einigen Wochen mitnehme, um mich nicht ganz nutzlos zu fühlen. Es ist Fachlektüre und so tue ich wenigstens noch was für meine Bildung.
„Kannst du nicht einmal deine Nase aus dem Buch nehmen?“ Luca grinst mich an.
„Hmm….“ Ich lächele ihn an „… Nein, ich muss noch viel lernen.“ Sage ich.
„Oh, meine Amy wird wach.“ Susann spurtet zum Kinderwagen und ich atme tief durch. An den meisten Tagen komme ich gut mit der Situation klar, aber heute ist ein Tag, an dem es mich einfach nur annervt.
„Ich gehe sie erst einmal stillen.“ Ich lege mein Buch zur Seite und nehme sie aus dem Wagen, bevor Susann bei ihr angekommen ist.
Ich stürze aus dem Zimmer und genieße die 20 Minuten die ich so allein mit ihr habe. Dann atme ich durch und betrete wieder die Höhle des Löwen.
Der Rest des Nachmittags vergeht nur langsam und um 17 Uhr verabschieden sich Susann und Ally wieder.
Ich setze mich auf die Bettkante und sehe zu Luca, er hat Amy auf seinem Bauch liegen und diese hebt ihren Kopf und versucht ihn zu halten.
Es klappt schon recht gut und ich lächle.
Dann wird sie langsam müde und das ist normalerweise der Zeitpunkt an dem ich auch gehe.
Luca legt Amy in ihren Wagen.
„Hast du noch einen Moment?“ er sieht mich fragend an und klopft neben sich aufs Bett.
Ich nicke leicht verwirrt und setze mich zu ihm, er zieht mich plötzlich in seine Arme und ich halte die Luft an, ganz langsam atme ich wieder aus und erwidere seine Umarmung.
„Ich liebe dich so sehr.“ Flüstert er.
„Bitte Luca.“ Flehe ich kaum hörbar, ich bin dazu einfach noch nicht bereit.
„Du musst nichts sagen J. Ich möchte nur das du es weißt.“ Sagt er liebevoll und gibt mir einen Kuss auf die Wange, er hält mein Gesicht in seinen Händen.
„Du bist die Liebe meines Lebens, das weiß ich jetzt und eigentlich habe ich es schon immer gewusst. Ich hatte es nur aus den Augen verloren.“ Er küsst meine Stirn.
„Danke.“ Sage ich leise und stehe auf.
Ich gehe zur Tür und sehe ihn an, in seinem Blick liegt so viel Liebe, aber alles in meinem Körper sträubt sich dagegen diese Liebe anzunehmen.
„Schlaf gut!“ ich laufe zurück zu ihm und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen.
Ich fahre restlos verwirrt nach Hause und klingele bei Jamie und Keela Sturm, bis mir einfällt das wir Freitag haben und die beiden das Wochenende bei ihren Eltern verbringen. Ich gehe in meine Wohnung und nehme mein Handy. Ich überlege einen Moment und wähle schließlich Deans Nummer.
„Dean O’Flannery.“ Meldet er sich.
„Hey Dean hier ist Jess. Hast du Zeit für mich?“ frage ich zaghaft.
„Aber klar Jess, ich bin in 10 Minuten bei dir.“ Sagt er und legt auf.
Ich bringe Amy ins Bett und dann klopft es auch schon leise.
„Hey Jess.“ Er zieht mich sofort in seine Arme „Was ist los?“ er sieht mich besorgt an, dieser Tag ist so verwirrend und so schmerzlich für mich gewesen…
„Ich möchte mich in eine Ecke setzen.“ Sage ich und sehe ihn mit tränengefüllten Augen an, nur ein Wimperschlag wird genügen und die Tränen beginnen zu laufen.
„Hey.“ Er drückt mich an sich und wir gehen ins Wohnzimmer und setzen uns auf die Couch, er lässt mich einfach an seiner Schulter weinen und fragt nicht nach dem Warum und Weshalb.
Er ist einfach da und das ist genau das, was ich brauche.
Nach zwei Stunden beruhige ich mich etwas und sehe ihn entschuldigend an.
„Hey…“ er streicht mir über den Kopf „… Mach dir nicht so viele Gedanken Kleines!“
„Der Tag war schrecklich…“ schluchze ich.
„Was ist denn passiert?“ er sieht mich fragend an und zieht mich an seine Brust.
„Ally und Susann waren heute wieder da und ich kann es immer noch in ihren Augen lesen, ich versuche so sehr ihm eine gute Freundin zu sein, ich versuche ihn zu unterstützen aber ich werde es nie zu ihrer Zufriedenheit tun.“ Ich sehe zu ihm auf.
„Ich habe das schon zig Mal mit ihnen besprochen…“ er schüttelt traurig seinen Kopf. „Ich muss es ihnen wohl noch mal etwas deutlicher sagen.“
„Bitte nicht Dean! Sie haben es doch schwer genug.“ Schniefe ich.
„Gott Jess, wie kannst du sie noch immer in Schutz nehmen?“ er sieht mich erstaunt an.
„Dean sie sind keine schlechten Menschen.“ Sage ich.
„Aber es ist nicht in Ordnung.“ Sagt er leise.
„Luca hat mir heute gesagt, dass er mich liebt.“ Sage ich kaum hörbar.
„Was hast du gesagt?“ er sieht mich prüfend an.
„Ich habe das mit Jonas besprochen, ich kann ihm einfach nicht sagen, dass ich ihn liebe. Mein Herz ist noch nicht bereit dazu. Du weißt wie sehr ich ihn liebe.“ Ich sehe zu ihm auf und er nickt. „Ja Kleines, ich weiß es, warum würdest du sonst alles für ihn in Kauf nehmen.“
„Er hat gesagt, er lässt mir die Zeit die ich brauche. Aber erst einmal muss er gesund werden… dann kann ich weiter sehen.“ Ich seufze.
„Du bist unglaublich toll Kleines!“ er küsst mich auf die Haare und ich kuschele mich an ihn…
Ich beginne öfter mit Dean zu reden und er lässt mich an seiner Schulter weinen, wenn ich es brauche.
Ich weiß nicht wie es sein kann, aber die Zeit vergeht wahnsinnig schnell.
Einen Tag vor Weihnachten wird Luca entlassen, ich freue mich so sehr darauf.
Ich bespreche mich mit Ally und Susann, ich möchte ihn gerne alleine mit Amy abholen und sie stimmen dem zu.
Als ich am 23. Dezember aufgeregt im Krankhaus auftauche, begrüßt mich Lizzie, eine der Stationsschwestern verwirrt.
„Was machst du denn hier?“ sie kitzelt Amy, die ich auf dem Arm habe.
„Ich will Luca abholen.“ Ich strahle sie an.
„Aber Jess, Ally und Susann haben ihn vor einer knappen Stunde abgeholt.“ Sie sieht mich verständnislos an.
„Oh.“ Sage ich nur und kämpfe mit den Tränen.
„Alles in Ordnung?“ fragt Lizzie besorgt nach.
„Ja, ich denke wir haben uns da einfach falsch verstanden.“ Ich nicke und versuche zu lächeln.
„Und danke für den tollen Obstkorb, aber das wäre nicht nötig gewesen.“ Sie drückt meine freie Hand.
„Ich danke euch, ihr habt euch super um Luca gekümmert.“ Ich nicke ihr dankbar zu. „Bye Lizzie!“ ich winke ihr zum Abschied und fahre traurig nach Hause.
Ich verbringe den Abend damit die Geschenke für Amy einzupacken. Am nächsten Abend fahre ich zu Susann, sie hat mich und Amy zu Heilig Abend eingeladen, wahrscheinlich weil sie denkt sie muss. Sie will Amy gerne bei sich haben und ich gehöre nun einmal dazu. Ich klingele und Susann kommt sofort und nimmt Amy in Beschlag.
„Hey Kleines!“ Dean umarmt mich stürmisch.
„Hey Großer.“ Ich zwinkere ihm zu und er gibt mir einen Kuss.
„Jess! Jess!“ Josie kommt angelaufen.
„Hey Ballerina!“ ich wirbele sie durch die Luft.
„Ich habe für Amy ein Weihnachtsgeschenk gebastelt. Ganz allein.“ Sagt sie stolz.
„Wow, da wird sie sich aber freuen.“ Ich gebe ihr einen Stupser auf die Nase und sie kichert.
Clara, Deans Frau nimmt mich ebenfalls in den Arm.
„Hey Jess! Wie geht es dir?“ sie sieht mich besorgt an.
Sie hatte in den letzten Wochen oft mit bekommen, wenn es mir nicht gut ging und sie sorgt sich um mich.
„Danke gut.“ Ich versuche zu lächeln.
„Hey.“ Luca nimmt mich in den Arm und drückt mich fest an sich, in den letzten Wochen haben wir eine gute Freundschaft aufgebaut und ich kann seine Nähe wieder zulassen.
„Hey.“ Sage ich leise und kuschele mich in seine starken Arme.
„Ich habe dich gestern vermisst.“ Sagt er und sieht mich an.
„Ich wollte dich abholen, aber du warst schon weg.“ Sage ich geknickt.
„Haben dir Mum und Ally nicht Bescheid gesagt?“ er sieht mich erstaunt an.
„Haben sie wohl in der Aufregung vergessen. Ist ja nicht so schlimm.“ Sage ich und versuche zu lächeln.
Wir essen zusammen Abendbrot und dann geht es ans Geschenke auspacken. Amy liebt das Geschenkpapier und robbt damit über den Boden. Immer wieder sehe ich zu Luca um sicher zu sein, das es ihm gut geht. Ally verteilt mal wieder ein paar spitze Bemerkungen, aber ich schlucke es wie immer tapfer herunter.
Amy bekommt viel zu viel, obwohl ich es extra alles mit Luca seiner Familie besprochen habe. Am frühen Abend fährt mich Clara nach Hause, da Josie ihren Papa nicht gehen lassen will.
„Wow Jess, wie schaffst du das?“ Sie sieht mich erstaunt an als wir im Auto sitzen.
„Was meinst du?“ ich sehe zu ihr und lege meinen Kopf leicht schief.
„Na wie Susann und Ally mit dir umspringen, ich könnte das nicht ertragen.“ Sie sieht mich traurig an.
„Weißt du Clara, ich hoffe wirklich es gibt sich irgendwann, aber ich kann es nicht an Luca und Amy auslassen.“ Sage ich resigniert.
„Du bist eine tolle Frau, lass dir von niemandem jemals etwas anderes einreden.“ Sie drückt meine Hand und ich steige vor meiner Haustür aus. Ich schlafe unruhig, denn am nächsten Tag wird mich das gleiche Spiel wieder erwarten.
Am zweiten Feiertag sind Jamie und Keela auch bei Susann eingeladen, ich bin froh, denn so habe ich die beiden wenigstens an meiner Seite.
Luca ist so glücklich als wir rein kommen.
„Ich freue mich so euch zu sehen.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und zieht uns an sich.
„Wir waren gestern hier.“ Grinse ich leicht.
„Ja aber die Nacht wart ihr zu Hause und ich hier.“ Er zwinkert mir zu.
Susann nimmt mir sofort Amy ab und zieht ihr ihren Ski Anzug aus. Dean kommt zu mir und zieht mich in seine Arme.
„Hey Kleine.“ Er sieht mich an und ich lächele gequält. Meine Fassade bröckelt immer mehr und ich bin froh, dass die Feiertage nicht ewig dauern.
Ich weiß nicht wie lange ich diesen Spagat noch schaffe...
Ich bin mit meinen Kräften am Ende.
„Hey Jess.“ Ally kommt zu mir und nimmt mich leicht in den Arm.
„Hallo Ally.“ Sage ich tonlos.
„Was hast du denn heute mit deinen Haaren gemacht?“ sie sieht mich verdutzt an.
Ich sehe in den Spiegel im Flur, meine langen Haare fallen weich über meine Schultern, ich habe heute Morgen keine Zeit gefunden sie hoch zu stecken oder zu Recht zu machen, aber ich finde es auch nicht schlimm. Kopfschüttelnd geht sie zu Susann und Amy.
Zum Mittag nehme ich kaum am Gespräch teil und Jamie nimmt mich nach dem Essen zur Seite.
„Jess, ist alles gut?“ fragt er besorgt.
„Ja, geht schon.“ Sage ich ausweichend.
Ich beobachte wie Amy mit Josie auf dem Boden spielt, sie bemuttert sie wie eine Puppe und es ist zu niedlich den Beiden beim Spielen zuzusehen.
„Jess, ich glaube Amy braucht eine neue Windel. Wo ist denn seine Wickeltasche, ich mach das eben.“ Susann sieht erst sie und dann mich an.
„Ich glaube, die habe ich heute Morgen vergessen.“ gebe ich zu.
„Wie kann denn so etwas passieren?“ sie sieht mich schon fast strafend an.
„Macht nichts Jess, wir haben noch Pampers und Feuchttücher im Auto.“ Sagt Jamie schnell und läuft raus.
„Aber wenn man mit einem Kleinkind unterwegs ist, dann kann man doch nicht die Wickeltasche vergessen.“ Sie sieht mich an und mir steigen Tränen in die Augen.
„Mum bitte.“ Sagt Dean und sieht mich entschuldigend an.
„Na ja, man trägt nun mal ein wenig mehr Verantwortung, wenn man ein Baby hat. Das muss du wohl noch lernen.“ Sagt sie schnippisch und ich merkte wie eine Träne über mein Gesicht läuft.
„So jetzt reicht es…“ sagt Dean wohl lauter wie beabsichtigt und alle sehen ihn an. „… Mum, was denkst du dir eigentlich?“ er sieht sie fragend an.
„Ich sag doch nur…“ Setzt sie an.
„Nein Mum, jetzt sage ich dir mal was. Jess lässt sich die ganze Zeit von euch gefallen wie Luft behandelt zu werden, oder sich euren spitzen Bemerkungen ausgesetzt zu sein. Eurer Leben dreht sich seit 3 Monaten nur um Amy und Luca. Hast du eine Sekunde daran gedacht, wie es ihr geht? Sie kam hier an, musste sich eure vorwurfsvollen Blicke gefallen lassen. Sie hatte keine Schuld an dem was Luca getan hat. Sie hätte es nicht verhindern können, sie hat um diese Scheiß Beziehung gekämpft wie eine Löwin und hat doch verloren und dann ist sie gegangen. Ich kann sie verstehen, ich weiß nicht, wie lange ich das ausgehalten hätte. Ich wäre wahrscheinlich schon viel, viel früher gegangen. Damals haben wir schon den Fehler gemacht, nicht zu sehen wie es ihr geht und ich hatte mir geschworen es nie wieder zu tun. Dann war sie bei ihrem Bruder, der einzigen Person, der sie vertrauen konnte. Schon traurig, das sie uns nicht vertrauen konnte, aber wie auch? Sie hat von Amy erfahren und hat ihre Geburt alleine durch gestanden, hat ihr Studium beendet und sich aufopferungsvoll um sie gekümmert. Dann muss sie mit so einem Schock wieder her kommen, sie hatte nicht einmal die Möglichkeit richtig anzukommen. Sofort hat sie Luca und seine Gesundheit in den Vordergrund gestellt. Wieder und immer wieder hat sie sich hinten angestellt. Hast du einmal bemerkt wie schlecht es ihr geht. Weißt du, wie oft sie in den ersten Wochen geweint hat? Sie hat sich fast jeden Abend in den Schlaf geweint, weil sie sich die Schuld an allem gegeben hat und ihr habt immer wieder in dieser Wunde herum gestochert. Sie ist auch bei Jonas in Behandlung, weil er der Erste war, der erkannt hat, dass es ihr nicht gut geht. Er hat erkannt was ich erst am nächsten Tag gesehen habe. Sie war heillos überfordert mit allem, der Mann den sie liebt hat versucht sich umzubringen, sie gab sich die Schuld und ihr gabt ihr die Schuld. Und eure Spitzen und Kommentare tragen nicht dazu bei, das sie endlich einsieht nicht Schuld zu sein. Du und Ally ihr haltet euch an keine Absprachen, du gönntest ihr nicht einmal den ersten Nachmittag mit ihm allein. Nein, ihr musstet kommen. Habt ihr überhaupt bemerkt, dass sie da war? Ich habe mir ihr geredet und weißt du um was sie mich gebeten hat?“ er sieht sie sauer an und sie schüttelt betreten den Kopf.
„Sie hat mich gebeten, euch nicht zu sagen, wie schlecht es ihr geht, sie hat euch in Schutz genommen…“ er sieht zu mir und ich setze mich kraftlos mit Jamie und Keela auf die Couch, Jamie legt seinen Arm um mich und ich schluchze auf.
Nun fällt meine Mauer in sich zusammen und ich kann nichts dagegen tun. Sie bröckelt nicht nur, sie zerfällt in ihre Einzelteile. Von einer auf die andere Sekunde.
„… Sie hat gesagt, sie muss stark sein, sie hätte keine Wahl. Keela, Jamie, Clara und ich waren diejenigen, die sie auffingen, wenn sie fiel. Wir haben ihr Mut zu gesprochen, wenn sie meinte, es ginge nicht mehr weiter. Ich musste mit ansehen wie sie sich wie eine Ertrinkende an Amy klammerte, weil sie die Einzige ist die sie bedingungslos liebt. Selbst Luca erkennt langsam wie schlecht es ihr geht, aber sie würde es ihm gegenüber nie zugeben, weil sie für ihn stark sein muss. Gestern hat er mich zu Seite genommen und wie haben lange über Jess gesprochen. Sie hat ihm nie gesagt, das sie sich alle Schuld gibt und deswegen alles so tapfer erträgt. Sie hat ihm auch nicht erzählt, das sie eigentlich wieder nach Kopenhagen zurück wollte und das das Jobangebot von Jonas kam, am Tag als sie hier eintraf und keinen Tag früher. Gott…“ er fährt sich durch die Haare „… sie liebt Luca so sehr und tut wirklich alles für ihn und Amy und ihr mäkelt an ihr rum wo ihr nur könnt. Gott, er wurde vorgestern entlassen und nicht einmal diesen Moment habt ihr, ihr und Luca gegönnt. Ihr habt ihr nicht einmal Bescheid gesagt, sie war so froh darüber ihn wieder in den Arm zu nehmen und als sie ankam, wart ihr mit ihm weg. Hättest du dir das nicht eben sparen können?“ er sieht zu seiner Mum „Und du Ally, was sollte die Bemerkung über ihre Haare vorhin?“ er sieht zu Ally „Wann bitte sollte sie zum Friseur? Wenn sie nicht bei Luca in der Klinik war, dann brauchte Amy sie. Ihr habt Amy nicht einmal so einfach nur einen Nachmittag genommen, sie ist immer nur toll wenn es sie im Doppelpack mit Luca gibt. Es kotzt mich echt an. Jess liegt schon am Boden und ihr tretet noch mal drauf. Warum sieht denn keiner, wie sehr sie sich aufopfert.“
„Wir haben sie nicht gebeten…“ sagt Ally schon fast trotzig.
„Weißt du Ally, Jess muss man um so etwas nicht bitten sie tut es aus freien Stücken.“ Sagt er.
Er sieht zu mir und ich sehe ihn tränenüberströmt an.
„Komm Jess wir fahren.“ Sagt er und nimmt meine Hand.
„Moment.“ Luca hat die ganze Zeit nicht ein Wort gesagt, er hat mit Amy auf dem Schoß die ganze Szene verfolgt. Dean lässt meine Hand los und sehe ihn erstaunt an.
Tränen laufen über sein Gesicht.
„Ich habe es dir schon sooft in den letzten Wochen gesagt…“ er sieht zu seiner Mum „… Bitte kümmere dich um sie, ihr geht es nicht gut und du hast jedes Mal nur ab gewunken. Jess war jeden, wirklich jeden einzelnen, Tag bei mir, die ganzen drei Monate lang, nie war sie einen Tag nicht da und ich habe oft gesehen, das sie geweint hat. Gott, ich hätte viel früher merken müssen was los ist. Ihr enttäuscht mich, wie kann ich euch so wichtig sein und wie könnt ihr Amy angeblich so sehr lieben, wenn ihr nicht einmal seht wie sehr Jess leidet?“ er sieht sie kopfschüttelnd an und wischt seinen Tränen weg.
„Aber…“ setzt Susann an.
„Nichts aber, diese Frau…“ er zeigt auf mich „… ist die Wertvollste und Tollste Frau die ich kenne. Ich liebe euch, aber ich brauche Abstand von euch. Dean hat so verdammt Recht, ihr seid unfair und bestimmend und das hat sie nicht verdient. Was ich getan habe war Falsch und völlig unüberlegt und es war ganz sicher nicht ihre Schuld, im Gegenteil, sie hat mir in den letzten Monaten gezeigt wo ich hin gehöre, an ihre Seite und zu Amy. Die Beiden haben mich an meinen schlechten Tagen aufgebaut. Sie war diejenige die mir ein lächeln ins Gesicht zauberte, auch wenn es ihr schlecht ging. Ich wollte das alles eigentlich erst nach den Feiertagen machen, weil ich die Hoffung hatte, ihr würdet euch wieder normal benehmen, wenn ich endlich entlassen werde. Aber wisst ihr was? So schön auch der Heilig Abend war, habt ihr einmal in Jess Gesicht geschaut? Sie hat nur mich die ganze Zeit besorgt angesehen, sie macht sich ständig Sorgen um mich und ich bin es satt. Ich mache mir um sie Sorgen, ich kann es nicht mehr ertragen wie sie leidet und ihr es ignoriert und jetzt: Alle raus.“ Sagt er bestimmt und alle sehen ihn überrascht an. „Bitte.“ Fügt er hinzu.
„Aber Luca, du bist gerade aus dem Krankenhaus…“ Susann sieht ihn an.
„Raus alle!“ Donnert er „Dean nehmt ihr bitte Amy mit. Geht eine Runde spazieren oder so. Bitte.“ Er gibt Amy zu Dean auf den Arm.
„Luca.“ Setzt seine Mum erneut an.
„Geh bitte.“ Er sieht zu ihr. „Ich kann euch im Moment nicht in meiner Nähe haben.“ Er sieht sie an und sie beginnt zu weinen.
„Jamie, Keela könnt ihr mich kurz mit ihr alleine lassen?“ er sieht bittend zu den beiden, sie stehen auf und verlassen mit den anderen das Wohnzimmer. Luca setzt sich neben mich.
Plötzlich ist es ganz still im Raum.
Eine unwirkliche Stille, nachdem was in den letzten Minuten passiert ist.
„Sweetheart?“ fragte er leise und ich schluchze auf. Er zieht mich in seine Arme und ich beginne nun richtig zu weinen.
„Warum hast du mir nicht gesagt, wie schlecht es dir wirklich geht?“ er zwingt mich ihn anzusehen.
„Es musste dir doch erst wieder gut gehen.“ Sage ich kaum hörbar.
„Ich habe gemerkt, dass etwas mit dir nicht stimmt, aber ich war blind nicht zu sehen, was es war. Als ich gestern mit Dean gesprochen habe, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Gott, wie konnte ich es nur nicht sehen. Jess, du bist du wunderbarste Frau auf der ganzen Welt. Ich liebe dich mehr wie alles andere. Ich liebe dich jede Sekunde an jedem Tag. Ich brauche dich wie die Luft zum atmen. Bitte sieh mich an…“ er legt seine Hand unter mein Kinn „… Nie wieder Geheimnisse, bitte!“ fleht er mich an.
Ich nicke schwach.
„Und noch etwas…“ er hebt mein Kinn noch ein Stück weiter an. „Mir ging es nicht nur besser wegen Amy, du warst der Hauptgrund, ich hatte solche Angst dich verloren zu haben und dann warst du wieder da mit unserer bezaubernden Tochter. Jedes Mal, wenn du den Raum betrittst, dann geht für mich die Sonne auf, ich liebe dich mehr wie ich es jemals ausdrücken kann. Bitte Jess, liebe mich.“ bittet er mich.
„Ich habe nie damit aufgehört.“ Sage ich leise.
Er küsst mich zärtlich und ich schließe meine Augen.
„Ich verspreche dir was. Von jetzt bis in alle Ewigkeit, wirst du für mich immer an erster Stelle stehen. Ich möchte, das du mir sagst, wenn etwas nicht stimmt, ich möchte dann mit dir an meiner Seite versuchen es besser zu machen.“
„Danke.“ Sage ich gerührt.
Genau diesen Augenblick habe ich mir über ein Jahr lang herbei gesehnt und ich schließe erneut meine Augen. Eine Träne, die an meiner Wimper hängt, läuft über mein Gesicht.
„Hey Sweetheart, bitte nicht mehr weinen.“ Er wischt meine Tränen weg „Ich liebe dich.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Lippen „Ich hätte es viel früher sehen müssen. Es tut mir leid und ich glaube ich bin Dean einiges schuldig.“
„Mir tut es auch leid, ich hätte früher was sagen müssen. Ja Dean ist toll.“ Sage ich und lächle leicht.
„Man so habe ich ihn noch nie gesehen.“ Sagt er und ich grinse.
„Ich auch nicht.“ gebe ich zu.
„Ich bin verdammt stolz auf ihn und auf dich!“ er küsst mich erneut sanft.
„Ich liebe dich.“ Sage ich und schlinge meine Arme um seinen Nacken, er zieht mich ganz dicht an sich heran.
„Wie hast du das nur überstanden?“ er sieht mich liebevoll an.
„Ich weiß es nicht, es ging nur von Tag zu Tag, dann von Woche zu Woche und dann von Monat zu Monat.“ gestehe ich. „Ich habe gelernt, mich hinten an zu stellen.“
„Nie wieder, hörst du, nie wieder wirst du hinter irgendetwas angestellt. Du stehst an erste Stelle, für immer.“ Sagt er und ich lächele, da ist er wieder, endlich habe ich den Mann zurück in den ich mich verliebt hatte.
Mein Luca ist zurück.
„Danke Luca.“ Sage ich und er lächelt.
„Du hast mir gefehlt Sweetheart.“ Sagt er andächtig.
„Du mir auch.“ Sage ich leise und er zieht mich ganz fest in seine starken Arme.
„Kann ich mit zu dir und Amy kommen, ich möchte nicht hier bleiben.“ Er sieht mich fragend an.
„Ja, aber bitte kläre die Sache mit deiner Mum und mit Ally, sie haben es nicht mit Absicht getan.“ Ich sehe zu ihm auf.
„Du bist wirklich unglaublich.“ Er lächelt und küsst mich.
„Bitte tue mir den Gefallen, dann kannst du vielleicht auch noch einen Tag länger bei uns bleiben.“ Ich grinse ihn schelmisch an.
„Heißt dann ein Tag länger für immer?“ er drückt mich an sich und ich nicke.
„Solange du willst.“ Sage ich leise.
„Für immer Sweetheart, für immer und ewig.“ Er küsst meine Haare.
„Klingt gut.“ Sage ich und kuschele mich an seine starke Brust.
Es tut so gut, nicht mehr diejenige sein zu müssen, die immer stark ist, sondern die, die in den Arm genommen wird und um die sich gesorgt wird.
Ganz, ganz langsam fällt alles von mir ab.
Wir sitzen eine ganze Weile auf der Couch und ich genieße seine Nähe und Wärme.
„Weißt du was?“ er zieht mich hoch und sieht mich aufgeregt an.
„Na, was kommt jetzt?“ grinse ich.
„Ich denke wir sollten unser Haus umbauen und ihr kommt endlich nach Hause, dann hat Amy einen Garten und du deinen geliebten Sessel wieder.“ Er zwinkert mir zu.
„Klingt toll.“ Sage ich und küsse ihn.
Er klopft zaghaft und Dean mit Amy auf dem Arm kommt herein.
„Sie hat Hunger.“ Sagt er hilflos und ich stehe auf.
Ich gehe zu ihm, aber anstatt ihm sofort Amy abzunehmen, nehme ich ihn in den Arm.
„Danke Dean! Ich hab dich echt lieb!“ ich sehe ihn an und er lächelt.
„Ich dich auch und ich hoffe wirklich, mein Bruder verbockt es nicht wieder.“ Er sieht zu Luca.
Nun nehme ich ihm Amy ab und setze mich mit ihr auf die Couch, ich mache schnell meine Brust frei und schon ist Ruhe.
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“ Sagt Luca und nimmt Dean in den Arm.
„Pass mir gut auf Jess auf.“ Er sieht ihn grinsend an „Sie ist was ganz besonders.“ Er lächelt mich an.
„Das weiß ich.“ Sagt Luca und schaut mich liebevoll an.
„Luca, redest du jetzt mit deiner Mum und mit Ally?“ ich sehe ihn bittend an und er nickt leicht.
Als er hinaus geht, kommen Jamie, Keela, Clara und Percy, Allys Freund, zurück. Auch Jon, Susanns Lebengefährte folgt ihnen.
Keela sieht mich an und ich nicke glücklich.
„Wir versuchen einen Neustart.“ Sage ich und sie setzt sich neben mich und streicht über Amys Köpfchen.
„Ihr schafft das schon.“ Sagt sie sicher und ich nicke bestätigend.
„Ich bin stolz auf dich!“ Jamie gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Jess, es tut mir leid, Ally ist sonst nicht so…“ Percy sieht mich entschuldigend an.
„Weißt du Percy, ich denke wir brauchen jetzt alle ein wenig Abstand von einander und dann sehen wir weiter. Die letzten Monate waren hart für jeden von uns.“ Sage ich versöhnlich.
„Mensch Jess…“ Jon sieht mich betroffen an „Es tut mir leid, dass es mir nicht aufgefallen ist.“
„Jon, wir haben uns kaum gesehen.“ Ich sehe ihn an und lächele leicht.
„Das stimmt, aber ich mache mir Vorwürfe.“ Er setzt sich an den Tisch.
„Jon, das ist das Letzte was wir alle brauchen, keiner soll sich irgendwelche Vorwürfe machen. Was passiert ist, ist passiert. Wir schauen jetzt in die Zukunft. Vielleicht brauchen wir alle erst einmal eine Zeit um uns klar zu machen, was hinter und was vor uns liegt.“ Ich sehe zu ihm und er nickt.
„Jess! Jess!“ Josie setzt sich neben mich und strahlt mich an.
„Was denn Josie?“ ich sehe lächelnd zu ihr.
„Bist du jetzt wieder Onkel Lucas Freundin?“ sie sieht mich mit großen Augen fragend an.
„Ja.“ Sage ich und sie klatscht in die Hände.
„Super!“ freut sie sich.
„Wir freuen uns alle mein Schatz!“ sagt Clara grinsend.
Amy ist endlich fertig und sie macht artig ihr Bäuerchen.
Ich setze sie auf ihre Krabbeldecke und Josie setzt sich zu ihr.
Wir reden noch eine Weile über alle Möglichen Sachen und Keela und Jamie sind nicht erstaunt, dass ich in unser altes Haus ziehen will.
„Das war klar J…“ Keela knufft mich „… Du wirst uns fehlen.“
„Ich wohne nur 5 Minuten weg.“ Lache ich.
Dann geht die Tür auf und Luca kommt mit Susann und Ally rein.
„Jess, es tut mir leid.“ Sagt Susann und ich nicke ihr zu. Jon nimmt sie in den Arm.
„So, ich denke für heute hatten wir alle genug Action, ich werde jetzt mit Jess und Amy nach Hause.“ Sagt Luca und zieht mich in seine Arme.
„Weißt du was Luca, du hast ja gar kein Weihnachtsgeschenk von mir bekommen. Was hältst du davon wenn Amy heute mal eine Nacht bei uns schläft und ihr eure Zweisamkeit genießen könnt?“ Dean zwinkert ihm zu und lacht.
„Ja ne, ist klar.“ Lacht Jamie auf.
„Josie würde sich freuen.“ Clara sieht mich an.
„Gerne.“ Sage ich nach einer kurzen Pause und Luca lächelt mich an.
„Die beiden passen schon gut auf unsere Prinzessin auf.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Nimmt sie denn auch schon die Flasche?“ Dean sieht mich fragend an.
„Ja zur Nacht bekommt sie die Falsche sowieso schon immer, das Pulver habe ich ihm Auto, auch Flaschen und alles andere.“ Sage ich und er atmet auf.
„Gut, dann hole ich die Sachen.“ Sagt Luca und geht zum Auto.
„Liegen in der Tasche auf dem Rücksitz.“ rufe ich ihm hinterher.
Auch Jamie und Keela wollen jetzt los und wir gehen in den Flur.
„Es tut mir wirklich leid Jess.“ Ally hat die ganze Zeit über nichts gesagt und sieht mich nun getroffen an.
„Es ist Okay Ally.“ Sage ich und ziehe mir meine Jacke über.
„Nein Jess, ich war unfair und total bescheuert zu dir. Ich weiß, dass es falsch war. Bitte, es tut mir wirklich leid.“ Sagt sie nachdrücklich.
„Ally…“ ich gehe zu ihr „… es ist schon mal echt lieb, das du dich entschuldigst. Ich weiß, dass du sonst nicht so bist. Aber bitte, lass mir ein wenig Zeit.“ Ich lege meine Hand auf ihre, sie sieht mich an und nickt leicht.
Luca kommt mit der Tasche zurück und drückt sie Dean in die Hand.
„Du hast was gut bei mir.“ Er nimmt ihn in den Arm.
„Das hoffe ich doch.“ Er lächelt. „So Josie, hilfst du mir Amy anzuziehen? Wir wollen jetzt los!“ ruft er Josie zu sich und Clara kommt mit Amy auf dem Arm mit in den Flur.
„Bye mein Engel! Sei ganz lieb zu Onkel Dean und Tante Clara.“ Ich gebe Amy einen Kuss und sie lächelt mich an.
„Machs gut Prinzessin!“ Luca gibt ihr ebenfalls einen Kuss.
Dann nimmt er mich an die Hand und zieht mich zum Auto.
„Wir sehen uns ihr Zwei!“ Keela winkt mir zu und schickt mir einen Handkuss.
Ich winke ihr fröhlich und schicke einen Kuss zurück.
„Ich hab euch lieb!“ rufe ich und die beiden steigen in ihr Auto.
Luca hält mir die Tür auf und ich setze mich auf den Beifahrersitz. Er schließt die Tür und läuft um das Auto herum, schnell steigt er ein und wir fahren vom Hof.
„Wow, einen ganzen Abend mit meiner wundervollen Freundin, für mich ganz allein.“ Luca strahlt mich an.
„Danke Luca.“ Sage ich leise.
„Wofür dankst du mir?“ er sieht mich fragend an.
„Das du dich vor mich und gegen deine Familie gestellt hast.“ Sage ich und schlucke.
„Ich habe mich nicht gegen meine Familie gestellt, ich habe mich vor die Frau gestellt die ich liebe und wenn das bedeutet, das ich mich gegen meine Familie gestellt habe, dann ist das so.“ er küsst meine Hand.
„Ich liebe dich Luca.“ Flüstere ich.
„Ich dich auch Sweetheart.“ Er sieht zu mir und schenkt mir eines seiner 1000 Watt lächeln.
Wir kommen an unserem Haus an, er hilft mir beim ausstiegen und schließt die Tür auf. Kaum zu glauben, das ich vor über einem Jahr das letzte Mal hier war.
Er öffnet die Tür und ich trete ein, es hat sich nichts verändert, alles steht am gleichen Platz, wie an dem Tag an dem ich gegangen war.
Ich ziehe meine Jacke aus und hänge sie an die Garderobe.
„Machen wir es dieses Mal besser?“ ich sehe ihn an und er lächelt.
„Nein Sweetheart. Ich mache es besser.“ Er nimmt mich in den Arm, gibt der Tür einen Schubs mit dem Fuß und diese fällt leise ins Schloss. Dann nimmt er mich auf den Arm und trägt mich die schmale Treppe hoch ins Schlafzimmer. Alles ist aufgeräumt und ich sehe ihn an.
„Haushälterin?“ ich grinse, ich kenne ihn zu gut um zu wissen, das er ein kleiner Chaot ist.
„Nein, meine Mum. Sie hat in den letzten Wochen hier nach dem rechten gesehen und aufgeräumt.“ Er sieht mich an und lässt mich aufs Bett fallen. Ich lache auf und er setzt sich grinsend auf mich.
„Versprich mir was?“ haucht er und küsst meinen Hals.
„Was denn?“ kichere ich.
„Bitte bleib für immer bei mir.“ Er sieht mich an.
„Ja.“ Sage ich leise und ziehe ihn zu mir.
„Ich meine so mit allem drum und dran. Heirate mich, werde meine Frau.“ Er sieht mich an und ich schlucke.
„Ich weiß, das ist jetzt nicht sehr romantisch…“ er steht auf und geht zu seinem Nachtschrank, dann kommt er zurück und kniet sich vor mich „… Jessica Mikkelsen, du bist das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte. Ich liebe dich über alles…“ er schluckt und es treten Tränen in seine Augen „… Ich möchte nie mehr einen einzigen Tag ohne Dich und Amy verbringen. Bitte, werde meine Frau.“ Er sieht mich an und ich lächele.
„Ja.“ Sage ich und ziehe ihn zu mir. Er öffnet eine kleine Schatulle und steckt mir einen wunderschönen Ring an.
„Du bist aber gut vorbereitet.“ Grinse ich.
„Lies die Inschrift.“ Er steht auf und ich nehme den Ring von meinem Finger.
J & Luca In ewiger Liebe verbunden
steht dort und ich lächele.
„Diesen Ring habe ich schon seit über einem Jahr in diesem Schrank, ich habe mir geschworen, solltest du mir jemals meine Fehler verzeihen können. Dann möchte ich dich sofort heiraten.“ Er nimmt den Ring und steckt ihn mir wieder an.
„Mrs. O’Flannery.“ Grinst er.
„Mr. O’Flannery.“ Lache ich.
Er zieht mich in seine Arme und wie fallen aufs Bett. Er beginnt mich zu küssen und seine Küsse werden immer fordernder. Er zieht mir meinen Pullover und mein Shirt aus und ich stöhne wohlig auf, wie sehr habe ich mich nach diesem Moment gesehnt…
Er nimmt mich gefühlvoll und fordernd und wir halten uns aneinander fest, als wir beide unseren Höhepunkt erreichen. Glücklich liegen wir eng aneinander gekuschelt im Bett und ich lausche den gleichmäßigen Schlägen seines Herzens.
„Wie nah Glück und Verzweiflung doch beieinander liegen.“ Sagt er leise.
„Luca… Ganz ehrlich… Warum hast du es getan?“ ich komme hoch und zeichne die Konturen seines Gesichtes nach.
„Weißt du Sweetheart, ich wusste einfach nicht mehr weiter…“ er schließt seine Augen „… Alles wurde mir plötzlich klar. Ich hatte alles verloren. Alles was mir wichtig war. Jeden Abend lag ich hier und wünschte mir nichts sehnlicher, als dich in meinen Armen zu halten, dir zu sagen wie sehr ich dich liebe und brauche und dann brach alles über mir zusammen. Du warst weg, ich dachte für immer. Ich hatte meine Freunde und meine Familie im Stich gelassen. Ich dachte, es wäre für alle das Beste, wenn ich nicht mehr da wäre.“ Er öffnet seine Augen und sieht mich an, eine Träne läuft lautlos über meine Wange.
„Ich bin froh, dass du da bist, ich liebe Dich!“ sage ich leise und er zieht mich zu sich um mich zu küssen.
Eng aneinander gekuschelt schlafen wir früh ein und ich werde Mitten in der Nacht wach, weil der Platz neben mir leer ist. Ich ziehe mir nur sein T-Shirt über und gehe leise die Treppen runter. Er steht am Panoramafenster und sieht hinaus, ich trete hinter ihn und lege meine Arme um ihn.
„Habe ich dich geweckt?“ fragt er leise.
„Nein, ich bin aufgewacht, weil du nicht da warst.“ Antworte ich ebenso leise.
„Tut mir leid.“ Er streichelt meine Hände.
„Kannst du nicht schlafen?“ frage ich ihn und lege meinen Kopf an seinen Rücken.
„Hmm, war ein heftiger Tag.“ Sagt er.
Ich küsse seinen Rücken und er lächelt leicht.
„Kommst du wieder mit ins Bett?“ frage ich verführerisch.
„Warum Bett? Wir haben so viele Möglichkeiten.“ Er dreht sich zu mir um und grinst schelmisch. Ich sehe ihn verwirrt an.
„Hey Sweetheart, komm schon, wer weiß wann wir mal wieder sturmfrei haben.“ Er küsst mich.
„Wahrscheinlich nicht so bald.“ Sage ich zwischen zwei Küssen.
Wir nutzen die gesamte Brandbreite der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus und kommen erst in den frühen Morgenstunden zurück ins Bett.
Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffne, sehe ich neben mich und mein Herz macht einen kleinen Satz. Er liegt so friedlich neben mir und atmet gleichmäßig.
Mein Blick fällt auf meine Hand und den wunderschönen Ring. Ich lächle in mich hinein…
Wir haben es geschafft.
Wir Beide.
Es gibt wieder ein Uns.

An so manchem Punkt dachte ich, es geht nicht weiter. Aber ich habe die Zähne zusammen gebissen und einfach weiter gekämpft. Es ist nicht immer einfach, aber das Ergebnis entschädigt mich für alles.

„Guten Morgen Sweetheart.“ Haucht Luca und ich sehe ihn an.
„Guten Morgen.“ Erwidere ich leise und kuschele mich in seine Arme.
„Ich liebe Dich.“ Sagt er andächtig und küsst meine Stirn.
„Ich dich auch.“ Ich sehe ihn lächelnd an, lege dann meinen Kopf wieder auf seine Brust und lausche den gleichmäßigen Schlägen seines Herzens.
Sein Herz, welches nur für mich schlägt.

Epilog


„Amy, sorgst du dafür das Sam und Josh jetzt runter kommen? Wir sind spät dran.“ ich stehe am unteren Ende der Treppe und sehe abwartend hinauf. Einen Augenblick später erscheint der hellbraune Lockenkopf unseres jüngsten Sohnes auf der Treppe und seine Zwillingsschwester folgt ihm, mit nur ein paar Sekunden Abstand.
„Morgen Mum.“ Josh drückt mir einen Kuss auf die Wange.
Nicht mehr lange und er wird mich überragen, dabei ist er doch gerade Mal 16.
Auch Sam drückt mir einen Kuss auf und ich sehe sie prüfend an.
„Trägst du Make up?“ frage ich sie und zwinge sie mich anzusehen.
„Mum.“ Quengelt sie.
„Lass mal Mum, ich habe Sam geholfen.“ Amy erscheint oben auf der Treppe und kommt lächelnd runter.
„Aber Amy…“ setze ich an.
„Mum, sie würde sich so oder so schminken, willst du das sie rum läuft wie ein Clown, oder was?“ sie sieht mich herausfordernd an.
„Nein, nein…“ ich winke lächelnd ab. Als sie bei mir ankommt nehme ich sie fest in den Arm, einen Moment lasse ich meine Hand auf ihrem kugelrunden Bauch liegen.
„Wie geht es dir heute?“ frage ich besorgt.
„Gut, ich sehne mich zwar nach meinem eigenen Bett, aber es ist auch schön Mal wieder hier zu schlafen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Wann kommt Alec?“ frage ich sie als ich mir meine Jacke überziehe.
„Er denkt, dass er vor 11 Uhr wohl nicht hier sein wird. Sein Flug aus L.A. hatte Verspätung.“ Erklärt sie mir und verdreht die Augen.
Amy lebt seit 5 Jahren in L.A., zusammen mit ihrem Mann Alec. Mann, das klingt noch so ungewohnt, haben die beiden doch erst vor einem halben Jahr geheiratet. Amy hat Design studiert und ist gerade dabei ihre eigene kleine Firma in L.A. aufzubauen. Sie ist letzten Monat 25 geworden und ich kann gar nicht sagen wie stolz ich auf sie bin.
„Meinst du Ben und Elena sind schon da?“ Amy sieht mich fragend an.
„Ich denke schon, ich habe gestern mit ihnen gesprochen, sie wollten sehr früh in Galway los fahren. Du weißt ja die Zwillinge sind nicht so wild aufs Auto fahren.“ Ich zwinkere ihr zu.
Ben ist knapp 2 Jahre jünger wie Amy und die beiden haben einen ganz besonderen Draht zu einander. Er ist Landschaftsarchitekt und lebt schon seitdem er angefangen hat zu studieren in Galway, die Uni hatte damals die besten Konditionen und Elena war dann schließlich diejenige, die ihn dazu bracht sich nieder zu lassen. Die beiden haben zwei bezaubernde kleine Mädchen, Lucy und Lara. Sie sind im Winter geboren und jetzt 8 Monate alt.
„Pat und Jenny sind mit Andy und Luke schon da.“ Verkündet Sam, mit einem Blick auf ihr Handy.
„Dann sind wir ja fast vollzählig.“ Stöhne ich auf.
„Was denn Mum?“ lacht Amy. „Es hat euch jawohl keiner gezwungen 7 Kinder zu bekommen.“
„Weißt du Schatz…“ ich grinse sie breit an „… Als wir dich hatten, haben wir überlegt, ob wir das nicht noch besser hinbekommen.“
„Hey.“ Sie knufft mich und ich lächle.
„Du weißt, wie sehr ich dich liebe.“ Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und gebe ihr einen Kuss.
„Ja Mum, ich liebe Dich auch.“ Erwidert sie liebvoll.
„Los kommt. Dad wartet bestimmt schon.“ Josh geht an mir vorbei nach draußen.
„Ja.“ Sagen Sam, Amy und ich wie aus einem Mund.
Luca bekommt heute eine große Auszeichnung von der Stadt Dublin und dementsprechend will er alle seine Lieben um sich herum haben.
Ich arbeite seit fast 20 Jahren in einem kleinen Krankenhaus und habe vor 10 Jahren die klinische Leitung übernommen. Ich habe erreicht, was ich erreichen wollte.
Als wir an der Stadthalle ankommen, werden wir schon von den anderen erwartet.
Wie sie da so neben einander stehen, wie die Orgelpfeifen… Ich lächle leicht.
Amy, Ben, Pat, Jen, Fin, Sam & Josh. Alle zusammen mein größtes Glück, mir wird ganz schwer ums Herz, wenn ich daran denke, das ich nur noch Sam und Josh zu Hause habe und das wohl auch nicht mehr lange. Aber sie sind alle groß, sie stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Fin und Pat leben seit fast 5 Jahren in Kopenhagen und Fin ist Marks Teilhaber. Pat studiert Medizin und Josh will unbedingt Architekt werden.
Was ein Haufen!
Als ich mich umdrehe kommen Susann, Jon, Percy, Ally, Clara und Dean mitsamt Anhang um die Ecke.
„Hallo ihr Süßen!“ Susann nimmt mich in den Arm.
Wir haben nun, nachdem Luca und ich ja auch schon 23 Jahre verheiratet sind, ein ganz entspanntes und gutes Verhältnis zu einander.
Klar, war nicht von einen auf den anderen Tag wieder alles gut, aber wir haben es irgendwie geschafft.
„Hey Kleine“ Dean zieht mich fest in seine Arme.
„Hey Großer.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Showtime!“ Keela kommt auf uns zu und ich nehme sie in den Arm.
„Hey.“ Begrüße ich sie freudig.
„Mum, wir müssen rein.“ Amy deutet auf ihre Uhr.
„Ja klar.“ Ich scheuche meine Kinderschar vor mir her und wir nehmen auf den reservierten Stühlen platz.
Dann entdecke ich ihn, er trägt einen Anzug und sieht so wahnsinnig gut aus. Seine braunen Haare haben schon etliche graue bekommen, aber er wirkt nicht älter, sondern reifer dadurch.
Auch entdeckt mich und schickt mir einen Handkuss.
Ich lächle und winke ihm leicht zu.
Ja.
Mein Leben.
Meine Kinder.
Mein Mann.
Mein Glück.


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Texte: Stephanie Muhs
Bildmaterialien: Google, me
Tag der Veröffentlichung: 08.11.2012

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