Juli 2010
Immer wenn man denkt, es kann gar nicht schlimmer kommen…
Dann kommt es?
Richtig!
Noch schlimmer!
Ich habe in meinem bisherigen Leben viel einstecken müssen und obwohl ich nach außen hin cool und abgeklärt wirke, schläft tief in mir immer noch das kleine, ängstliche Mädchen.
Bestimmte Ereignisse kann man nicht vergessen, sie setzen sich in deinem Gehirn fest, sie brennen sich in deine Seele… unauslöschlich!
Und man kann nur versuchen damit zu leben und irgendwann den Personen zu verzeihen, die für diese Bilder verantwortlich sind.
Selbst, wenn es der eigene Bruder ist…
Ich klinge wie eine 12jährige, dabei bin ich eine junge Frau von fast 28 Jahren. Ich heiße Julie Ann Matthews, habe vor zwei Wochen mein Medizinstudium am Trinity College in Dublin mit Bestnoten abgeschlossen und bin nach 12 Jahren wieder auf dem Weg nach Hause.
Pah, nach Hause… das hört sich an als würde ich dahin wollen.
Dem ist nicht so, aber meine Mum hat mich bekniet, angebettelt und nicht locker gelassen, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht hat.
Ich muss verrückt sein!
Doch wirklich!
Ich tausche mein geregeltes Leben in Dublin und die Chance mein Assistenzjahr in der Chirurgie des Dublin Centrals zu machen gegen den Albtraum meiner Jugend und eine Stelle als Assistenzärztin im Zentral Kopenhagen als Notfallärztin!
Als Notfallärztin!
Gott, ich will Chirurgin werden!
Was hat mich da nur geritten?
Ich schlage mit der flachen Hand aufs Lenkrad und konzentriere mich wieder auf die Straße. Ich werfe einen kurzen Blick auf das Navi, noch 182 km dann habe ich mein Ziel erreicht. Das Haus meiner Mum und meines Stiefdads, nein nicht mein “richtiger“ Dad, dieser wohnt in Dublin und zu ihm bin ich mit 16 gezogen.
Jedenfalls werde ich dort erst einmal unterkommen. Wenigstens so lange, bis meine Möbel hier sind und ich eine entsprechende Wohnung gefunden habe. Eigentlich will ich das nicht, aber es scheint so als hätte ich keine andere Wahl.
Natürlich kann man jetzt sagen, man hat immer eine Wahl. Aber nachdem ich in 12 Jahren nur ein einziges Mal zu Hause war, kann ich meiner Mum diese Bitte nicht abschlagen. So sehr sich mein Innerstes auch sträubt, sie ist meine Mum und ich will sie nicht enttäuschen…
Die Straßen fliegen an mir vorüber, irgendwie sieht hier alles gleich aus… Lang gezogene Straße mit Wäldern, kleinen Höfen und kleinen Ortschaften an den Straßenrändern, unterbrochen wird dies nur von endlosen Feldern. Dänemark ist ja nun nicht das, was man dicht besiedelt nennt.
Aber als ich aber auf den Zubringer nach Kopenhagen fahre ändert sich schlagartig das Bild. Die einzelnen Häuser werden durch Siedlungen ersetzt, die Felder verschwinden in der Ferne und die Wälder werden zu einzelnen Baumgruppen. Ich atme ganz tief durch und versuche mich zu konzentrieren. Dann fahre ich an meiner alten Schule vorbei, mein Herzschlag beschleunigt sich und ich denke ich bekomme keine Luft mehr. Ich fahre an den Straßenrand und sehe auf den Schulhof, gequält von den Erinnerungen schließe ich meine Augen.
* ~ *
„Stinke-Jule!“ gellt es über den Schulhof und ich zucke zusammen.
* Platsch * eine halbvolle Getränkepackung trifft mich und ich merke wie sich der Inhalt über meinen Rücken verteilt.
Ich will weg laufen und weinen, aber ich weiß, es würde es nur Schlimmer machen, ich bleibe wie angewurzelt stehen und schließe meine Augen.
„Na, Blindschleiche.“ Oliver, ein Junge aus meiner Klasse kommt zu mir und reißt mir meine Brille von der Nase.
Ich will schreien, ich will ihm sagen, dass er aufhören soll, aber ich bleibe stumm und sehe verschwommen wie er meine Brille in einen Busch schmeißt.
Ich gehe langsam in Richtung des Busches und fange an meine Brille zu suchen. Ich bekomme, wie nicht anders zu erwarten, einen Tritt und falle der Länge nach hin. Dann endlich, erlöst mich die Schulglocke…
Die erste Stunde beginnt, in der Klasse sitze ich alleine und niemand, der nicht muss, redet ein Wort mit mir. Ich habe meine Brille zum Glück wieder gefunden und starre wie hypnotisiert in meine Bücher. Die Stunden gehen, für meinen Geschmack, viel zu schnell vorbei.
„Geht es dir gut?“ Freja sieht mich an und ich blicke auf, sie redet manchmal mit mir, ebenso wie Lærke, ihre beste Freundin.
Ich stehe auf, da wir in den Hof müssen.
Große Pause… alle freuen sich, nur ich habe jeden Tag Angst davor.
„Hmm… danke.“ Nuschele ich zu Freja und betrete schwitzend den Schulhof.
Suchend sehe ich mich nach meinem großen Bruder um, immer noch hoffe ich, er würde mich endlich beschützen. Ich entdecke ihn und stelle mich unauffällig in seine Nähe. Finley ist fast 3 Jahre älter und er ist viel kräftiger wie ich.
Mit voller Wucht trifft mich ein Stein am Kopf und ich falle hin. Ich befühle meine Schläfe und habe Blut an meiner Hand.
„Fin bitte.“ Ich sehe zu ihm und er sieht mich prüfend an.
„Ist nicht schlimm.“ Sagt er und dreht sich wieder zu seinen Freunden um.
„Bitte.“ Ich flehe ihn an und fange an zu weinen.
Er dreht sich um, kommt zu mir und hilft mir auf die Beine.
„Lerne deine Sachen selber zu regeln, ich habe keine Zeit für so etwas.“ Sagt er und gibt mir meine Brille, die beim Sturz runter gefallen ist.
Ich sehe ihm in die Augen und flehe ihn still an:
Bitte Fin, ich bin 15, du bist 17! Bitte hilf mir!
Aus meinem Mund kommt kein Wort und ich setze mich auf eine Bank, er dreht sich um und mir laufen die Tränen übers Gesicht.
Du bist doch mein großer Bruder!
* ~ *
So viel zu meinem letzten Schultag an dieser Schule. Ich befühle meine rechte Schläfe, meine Finger gleiten über meine Haut und spüre die kleine Narbe. Ich atme tief ein und aus, schaffe es schließlich mich zu beruhigen und starte den Motor wieder. Am gleichen Tag bin ich nach der Schule zu meiner Mum gegangen und habe gesagt ich werde zu meinem Dad ziehen. Sie hielt es für einen Witz, versuchte es mir auszureden aber ich setzte mich durch. Keinen Tag länger wollte ich hier bleiben und schlussendlich, eine Woche später, saß ich mit Sack und Pack im Flieger nach Dublin und begann dort neu.
Ich telefonierte natürlich regelmäßig mit meiner Mum, aber ich wollte nie wieder zurück.
Und jetzt sitze ich hier!
Verdammt!
Ich lege den ersten Gang ein und fahre die Straßen entlang, ich fühle mich in der Zeit zurück versetzt. Die Häuser sehen zum größten Teil noch so aus wie ich sie in Erinnerung habe… Eine Bilderflut stürzt auf mich ein… Ich sehe meine Mitschüler, die mich den verschiedensten Sachen bewerfen und wenn ich anfange zu weinen, macht es ihnen noch mehr Spaß.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann genau das alles anfing, ich glaube es muss in der 7. Klasse gewesen sein. Wir bekamen einen neuen Mitschüler: Oliver. Seine Eltern waren reich und einflussreich und er suchte sich schon an seinem ersten Tag mich als Opfer aus. Das er sich dann auch noch mit Fin und seinen Freunden richtig gut verstand, half mir nicht im Geringsten, es verschlimmerte es. Ich wurde zum Prügelknaben der Klasse und auf dem Schulhof war ich dann für alle da.
„Julie, das ist 10 Jahre her!“ ermahne ich mich selbst und lenke den Wagen in die Auffahrt.
Meine Mum steht schon an der Tür und winkt mir freudig zu.
„Juls!“ sie reißt die Tür auf, kaum dass der Wagen steht und ich schnalle mich ab und lasse mich in ihre Arme ziehen. „Mein Mädchen!“
Ich sehe sie an, sie hat Tränen in den Augen. Leicht lächle ich und halte sie einen Moment fest. Wenigstens mache ich ihr eine wirklich große Freude, dass ich zurück komme.
„Wow, du bist eine wunderschöne junge Frau.“ Sie streicht mir eine Strähne meines langen braunen Haares aus dem Gesicht.
„Können wir erst einmal rein gehen?“ ich grinse sie an und sie zieht mich mit sich. Wir müssen ja nicht für die Nachbarn hier ein Stück aufführen…
„Klar doch, meine Kleine.“ Sie öffnet die Tür und Jon, mein Stiefvater sieht mich erstaunt an.
„Hey Jon!“ ich nehme ihn in den Arm.
Ich habe nie auch nur das Geringste Problem mit ihm gehabt, er war nach der Scheidung meiner Eltern als ich 4 Jahre alt war, immer wie ein Vater für mich. Wie oft haben wir abends zusammen gesessen und versucht eine Lösung für mein Problem zu finden. Wir haben versucht, dass ich auf eine andere Schule versetzt werde… vergebens.
Ich glaube er verstand mich, ihm war klar, dass ich das einfach nicht mehr ertragen konnte.
Herrgott, ich war 15!
Und er ließ mich ebenso wie meine Mum gehen, er wusste in seinem Innersten, dass es zu meinem Besten war…
„Wow Juls, also dich hätte ich im Leben nicht wieder erkannt.“ Er nimmt mir meine Jacke ab und hängt sie an die Garderobe.
„Danke.“ Ich zwinkere ihm zu.
Wir setzen uns ins Wohnzimmer und meine Mum redet wie aufgezogen. Tatsächlich habe ich einen Moment wirklich Schwierigkeiten ihr zu folgen. Gott, die letzten 12 Jahre habe ich nur englisch gesprochen. Na ja, bis auf die Telefonate mit ihr. Aber jetzt erschlägt mich die dänische Sprache regelrecht…
Es gibt sich zum Glück schnell, ich finde mich wieder rein und atme erleichtert aus.
„Na, kannst du ihr folgen?“ Jon sieht mich grinsend an als meine Mum in die Küche geht und ich lächle leicht.
„Ich komme klar.“ Sage ich zu ihm gebeugt und er nimmt meine Hand.
„Du hast uns wirklich gefehlt, kleiner Floh.“ Er lächelt.
„Oh Jon, ich bin fast 28 und keine 5 mehr.“ Ich stöhne auf. Jon hat mich als kleines Kind immer kleiner Floh genannt, weil ich nie still sitzen konnte…
Er tat es bis ich ging…
Seitdem habe ich diesen Kosenamen nicht mehr gehört.
Ich meine zu einem fast 16 jährigen Mädchen mit etlichen Kilos zu viel auf den Rippen, einer dicken Brille und Zahnspange passt das Wort Floh nicht unbedingt und Klein??
Hallo?!
Ich war ein Brummer aber bestimmt kein Floh.
Meine Mum kommt mit Kaffee und Kuchen zurück und stellt ihn auf den Tisch. Ich greife mir ein kleines Stück und stecke es mir in den Mund.
Hmm… genauso gut wie ich ihn in Erinnerung hatte.
„Juls.“ Meine Mum schlägt mir leicht auf die Hand. „Warte bis Fin da ist.“ Sie versucht mich streng anzusehen und lächelt dann breit.
„Ach was, lass den Floh was essen, sie sieht ja aus als würde sie vom Fleisch fallen.“ Jon legt ein großes Stück Kuchen auf einen Teller und hält ihn mir hin.
„Danke.“ Sage ich strahlend. „Sagtest du gerade Fin kommt?“ ich sehe zu meiner Mum.
„Ja, Christopher, er und Oliver kommen nach dem Fußballtraining.“ Erklärt sie mir fröhlich und ich lasse den Teller sinken und stelle ihn wieder auf den Tisch.
„Alles klar Juls? Du bist ja ganz blass.“ Jon sieht mich besorgt an.
„Ja, alles gut. Ich geh mal eben ins Bad.“ Ich stehe auf und straffe meine Schultern.
Ich kann das!
Alles ist gut!
Ich bin erwachsen!
Ich gehe ins Bad im ersten Stock und schließe die Tür hinter mir ab. Ich lasse mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und befeuchte mein Gesicht. Kurz sehe ich in meine Augen. Sie sehen mich müde und geschockt an, sie strahlen nicht so wie sonst Himmelblau, sie wirken eher düster und gerötet.
Von der Juls von damals, ist rein äußerlich nicht viel übrig geblieben. Meine Haare sind jetzt im Gegensatz zu früher glatt und fallen seidig bis zur Mitte meines Rückens. Ich habe in Dublin damals durch meinen Dad angespornt angefangen Volleyball zu spielen und zu joggen und wiege jetzt bei 1,70 m knapp 60 kg. Alles ist da wo es hin gehört und ich habe in den letzten Jahren meines Studiums mit Modeljobs meinen Lebensunterhalt verdient. Ich stütze meine Hände auf den Waschbeckenrand und atme immer wieder tief ein und aus.
Die kleine Julie in meinem Inneren hat Angst, sie wütet und weint… es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder ausbricht.
Dann höre ich ein Hupen und dann Stimmen im Haus…
Habe ich mich heute Morgen für die richtigen Sachen entschieden?
Ich sehe an mir hinunter, ich trage eine enge dunkelblaue Jeans, ein einfaches dunkelgraues Tanktop und einen schwarzen Blazer. Meine Füße stecken in furchtbar teuren schwarzen Stilettos, aber als ich sie sah konnte ich einfach nicht widerstehen…
Über was mache ich mir hier eigentlich Gedanken?
Mein Magen verkrampft sich, denn noch mehr als bei dem Namen Oliver hat sich bei dem Namen Christopher mein Magen verknotet. Ich habe das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
Am Abend vor meinem letzten Schultag war er bei uns zu Besuch und wir haben einen Film geschaut. Ich saß auf dem Sessel und ich starrte ihn an, als Fin neues Popcorn machte.
„Chris?“ fragte ich leise und er sah mich erstaunt an.
Er war nicht nur Fins bester Freund, er war auch mein Freund… Ich kannte ihn mein ganzes Leben, ich vertraute ihm und ich habe mich schon mit 13 Jahren unsterblich in ihn verliebt. Er ging auf eine andere Schule, bekam nicht mit durch welche Hölle ich täglich musste und ich vermied es mit ihm über meine Schule zu reden.
„Was gibt es Süße?“ er sah vom Fernseher auf und mich direkt an.
Er sah mich an und nicht durch mich hindurch.
„Ich muss dir was sagen…“ ich rutschte auf dem Sessel hin und her.
„Na, was denn?“ er sah mich gespannt an.
„Ich liebe dich.“ Sagte ich ganz leise, mit allem Mut den ich aufbringen konnte und das was dann folgte, war wohl der eigentliche Grund, warum ich dann so schnell wie möglich zu meinem Dad wollte.
Er sah mich einen Moment an und fing dann schallend an zu lachen.
Er lachte mich wirklich aus!
Mir traten Tränen in die Augen und als Fin kam und fragte was so lustig sei, da zeigte Chris mit dem Finger auf mich „Sie hat gesagt das sie mich liebt!“ er fand das so wahnsinnig witzig, ich werde nie den Blick vergessen. Er tat mir mehr weh wie alle Schläge, Beleidigungen und Blicke die ich in der Schule ertragen musste.
Fin fing dann auch an zu lachen und ich lief weinend in mein Zimmer, das war das letzte Mal das ich gesehen habe.
Bis heute…
„Juls? Ist alles gut bei dir?“ ein klopfen holt mich zurück in die Gegenwart und ich straffe meine Schultern.
„Ja.“ Sage ich und schließe die Tür auf.
Jon sieht mich an und ich versuche zu lächeln.
„Es ist nicht leicht für dich hierher zu kommen, das weiß ich. Aber du bist eine kluge, wunderhübsche, erfolgreiche, junge Frau. Sie können dich nicht mehr treffen, kleiner Floh.“ Er nimmt mich in seine Arme.
„Hör endlich auf, mich kleiner Floh zu nennen.“ Flüstere ich ihm ins Ohr.
„Niemals.“ Lacht er leise und ich grinse. „Deine Mum hat den Tisch draußen gedeckt, sie meint es sei so schönes Wetter.“ Er sieht mich an und ich sehe aus dem Fenster am Ende des Flures. Es sind nur einzelne kleine Wolken am Himmel und es ist wirklich schönes Wetter.
Er nimmt mich erneut in den Arm, er strahlt so eine ungeheure Ruhe aus und ich atme tief ein und aus.
Jon ist das Gegenteil von meinem Dad…
Schon komisch wie es manchmal im Leben läuft.
Mein Dad ist 1,90 m groß, der absolute Sportler, er hat strahlend blaue Augen und blonde Haare, die jetzt schon mit einigen Grauen durchsetzt sind. Er ist für sein Alter ein attraktiver Mann und hat sich nach der Scheidung nie wieder fest gebunden. Jon hingegen ist nur knapp 1,75 m und hat ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, er hat dunkle Haare die langsam aber sicher lichter werden. Aber er hat eine so beruhigende und warme Ausstrahlung, wie ich sie selten bei einem Menschen erlebt habe.
Arm in Arm und wir gehen die Treppe runter, quer durch das Wohnzimmer, in den Garten. Hier hat sich nicht viel verändert, meine Mum liebt ihren Garten und alles ist gepflegt und überall sprießen die Blumen aus der Erde.
Meine Mum entdeckt mich, beginnt augenblicklich zu strahlen und sieht mich so unendlich dankbar, darüber das ich hier bin, an.
„Alles in Ordnung meine Kleine?“ ihr Blick wird plötzlich besorgt und ich nicke leicht.
„Juls?“ Fin steht am Tisch und dreht sich langsam zu mir um. …
Ich erkenne die Überraschung in seinen Augen und einem Moment verschlage ich ihm augenscheinlich die Sprache.
Gott, ich habe wirklich seit 12 Jahren mit meinem Bruder nicht ein einziges Wort gewechselt.
Es ist schon erschreckend, oder?
Ich sehe ihn an, er hat sich so verändert. Gott, er trägt seine blonden Haare ein wenig zu lang für meinen Geschmack, und sie stehen ihm in allen Richtungen vom Kopf ab aber er wirkt verwegen, erwachsen und stylisch dadurch. Er ist gut trainiert und ich weiß von meiner Mum das er ein leidenschaftlicher Fußballer ist. Es ist nicht mehr viel von dem schlaksigen 17jährigen übrig, dem ich den Rücken gekehrt habe.
Er ist ein Mann, kein halbes Kind mehr.
„Hallo Fin.“ Meine Stimme klingt nicht so selbstsicher wie ich es gerne hätte aber ich reiche ihm meine Hand.
Er sieht einen kleinen Moment auf meine Hand, dann macht er zwei große Schritte und zieht mich in seine Arme.
„Gott Juls, du hast mir wirklich gefehlt.“ Sagt er leise und ich bin starr vor Schreck.
Er umarmt mich…
Fin umarmt mich…
Er merkt wohl, dass ich seine Umarmung nicht erwidern kann und lässt mich vorsichtig los.
Ich sehe ihm in die Augen, sie blicken mich verwirrt an. Er überlegt einen Moment und zieht mich dann wieder zu sich.
„Ich war ein beschissener großer Bruder. Juls, ich liebe Dich und bitte glaub mir, ich werde dich nie wieder im Stich lassen.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Okay, kein Kunststück, da ich ihm gerade einmal bis zur Nase reiche.
Noch immer bin ich nicht in der Lage etwas zu sagen oder zu tun, aber seine Worte bringen die kleine Julie in meinem Inneren wenigstens dazu dass sie aufhört zu weinen.
„Danke.“ Sage ich leise und befreie mich aus seiner Umarmung.
Das ist mir zu viel.
Viel zu viel.
„Hallo Julie.“ Christopher sitzt schon neben Oliver am Tisch und ich sehe zu ihm…
Einen Augenblick vergesse ich zu atmen. Er sieht mich mit seinen rehbraunen Augen an, sucht in meinem Gesicht ein Zeichen dafür ob ich mich freue oder ihn verachte.
Die letzten Jahre habe ich mir immer und immer wieder ausgemalt, wie ich ihm gegenüber trete. Ich wollte ihn anschreien, schlagen oder ihm anderweitig körperlich Schmerzen zu fügen… aber plötzlich kann ich es nicht.
Er ist ebenso wenig noch der 17jährige Junge, wie ich das 15jährige Mädchen.
Er ist ein Mann… groß, gut gebaut und verdammt gut aussehend. Mein Blick wandert über sein Gesicht, seine warmen brauen Augen, die ich trotz all der Zeit, immer noch fast jede Nacht in meinen Träumen sehe, seine langen seidigen Wimpern, die dunkelbraunen hoch gegelten Haare, der Drei-Tage-Bart… und dann bleibt mein Blick an seinen Lippen hängen, diese vollen und perfekt geschwungen Lippen.
Was hätte ich nicht dafür gegeben, wenn sie sich nur ein einziges Mal auf meine gelegt hätten…
Herrgott, Julie Matthews!
Du bist 27!
Reiß dich zusammen!
„Hallo Christopher.“ Sage ich nach einer gefühlten Ewigkeit und setze mich neben Jon an den Tisch.
„Hallo.“ Kommt es schüchtern vom Kopfende und ich sehe Oliver.
Ich atme kurz und tief ein.
„Hallo Oliver.“ Ich versuche meine Stimme nicht verbittert klingen zu lassen, aber es misslingt mir.
Gut, vielleicht gebe ich mir auch einfach nicht genug Mühe, aber ich kann das nicht alles unterdrücken.
Wenn ich das tue, explodiere ich, gleich hier am Tisch und das will ich nicht.
„Und Juls. Wann musst du im Zentral anfangen?“ Jon sieht mich an und ich bin ihm so dankbar, das er das Thema auf ein mir besser bekanntes lenkt.
Ich bin im Allgemeinen sehr gut darin mich auf neue, mir unbekannte Situationen einzustellen, aber das hier überfordert mich. Mein Herz schlägt so schnell, das ich meine, ich bin einen Marathon gelaufen, meine Hände sind schwitzig und ich habe das Gefühl nicht atmen zu können. Ich werfe einen kurzen Blick auf Oliver, er starrt auf seine Kaffeetasse und wagt es nicht meinen Blick zu erwidern. Auch er ist in meinen Augen, plötzlich, erwachsen geworden. Ebenso wie Fin und Christopher ist er gut trainiert, er trägt seine schwarzen Haare länger und sie fallen ihm ins Gesicht und als er mich eben ansah, da sah ich etwas in seinen grünen Augen, was ich noch nie darin gesehen habe und auch nie erwartet hätte zu sehen: Unsicherheit und Scham.
Ich schüttele unmerklich meinen Kopf und wende mich Jon zu.
„In 6 Wochen, ich soll mich erst etwas eingewöhnen.“ Ich sehe ihn an und nehme einen Schluck Kaffee. Meine Hand zittert und ich hätte alles dafür gegeben, das sie es nicht tut. Aber hier mit Christopher, Oliver und Fin zu sitzen wühlt einfach viel zu viele alte Gefühle auf.
„Dann können wir uns ja nach einer Bleibe für dich umschauen. An was hast du denn gedacht?“ Jon nimmt meine Hand, die auf meinem Schoß liegt in seine und ich sehe ihn dankbar an. Das das alles hier nur ablenken soll ist mir klar, aber so ganz gelingen will es nicht.
„Ich denke ich werde mich nach einer Eigentumswohnung oder einem kleinen Haus umsehen.“ Ich drücke kurz seine Hand und er lächelt mich an.
„Wir finden schon das Passende für dich. Du wirst sehen bald fühlst du dich wieder wie zu Hause.“ Er nickt mir kurz zu.
„Mein zu Hause ist in Dublin.“ Sage ich trotzig.
„Meine Kleine, du weißt gar nicht wie viel es mir bedeutet das du wieder hier bist.“ Meine Mum sieht mich mit Tränen in den Augen an.
´Und du weißt gar nicht wie viel Überwindung mich das gekostet hat! ` Schreit meine innere Julie.
Ich sehe sie an, sie kann im Grunde genommen nichts dafür…
Sie hat immer alles getan damit es mir gut geht. Schlussendlich hat sich mich auch gehen lassen, damit es mir gut geht…
„Ich soll dir von Dad sagen, das er sich freuen würde wenn ihr weiterhin ab und zu telefoniert, auch wenn ich jetzt wieder hier wohne.“ Sage ich und merke wie langsam die Selbstsicherheit in meine Stimme zurück kehrt.
Fast klinge ich wieder wie Dr. Julie Matthews, selbstsicher und beherrscht… das es in meinem Inneren ganz anders aussieht, muss ich wohl nicht erwähnen.
„Das werde ich gerne machen.“ Sie lächelt leicht.
„Ach und Fin, Dad möchte das du ihn anrufst. Er sagt, er muss dich noch was wegen seinem neuen Programm fragen.“ Ich sehe zu Fin und er zuckt leicht zusammen als ich ihn anspreche. Mein Bruder ist Programmierer und mein Dad sein bester Kunde. Sie sind beide absolute Technikfreaks, etwas was ich von mir ganz und gar nicht behaupten kann. Okay, ich kann mein Handy und meinen Laptop bedienen und ich habe meinen Fernseher im Griff, aber dann hört es auch schon auf.
„Mach ich.“ Sagt er nur und stochert in seinem Kuchen herum.
Die Atmosphäre ist angespannt, unangenehm und kaum zum aushalten und ich bin froh als meine Mum endlich diese “traute“ Runde auflöst. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich schon jemals unwohl gefühlt zu haben.
Christopher und Oliver verabschieden sich schnell und stürmen quasi aus dem Garten. Ich helfe meiner Mum die Teller zusammen zu räumen.
Fin tritt neben mich und legt mir seine Hand auf den Unterarm.
„Juls, kann ich mit dir reden?“ unsicher blicken mich seine stahlblauen Augen an. Wir haben die gleichen Augen, die unseres Dads. Blau wie Kornblumen und ich erkenne dass mein Vorsatz ihm auf ewig böse zu sein, ins Wanken gerät.
Er ist mein Bruder…
Mein großer Bruder…
Der einzige Bruder den ich je haben werde…
Ich gebe mir einen Ruck.
„Okay.“ Sage ich leise.
Er deutet auf die alte Hollywoodschaukel und wir setzen uns nebeneinander drauf.
Ja nicht zu Nahe an einander…
Wir sind uns nicht nah…
Eine Weile beobachten wir unsere Mum und Jon, die den Tisch abräumen, dann räuspert sich Fin neben mir und ich sehe ihn an.
„Juls ich…“ er bricht ab und sieht mir in die Augen.
Sein Blick wirkt traurig, reuevoll und verletzlich.
Kann ich ihm wirklich die Fehler vorhalten, die er vor so langer Zeit begangen hat?
„Ich weiß nicht wie ich anfangen soll. Juls, es tut mir so leid, ich weiß, ich hätte hinter dir stehen müssen. Ich hätte dich beschützen müssen…“ er fährt sich durch die Haare.
Wie lange quält er sich schon damit?
Wann ist es ihm klar geworden?
„Fin, ich kann und werde nicht sagen, das ich es jemals vergesse werde. Aber ich denke, es war das Beste für mich nach Dub zu gehen.“ Ich sehe auf meine ineinander verschlungenen Hände.
„Du hättest nie gehen dürfen…“ er nimmt eine meiner Hände und legt sie in seine „… ich hätte dafür Sorgen müssen das du bleibst. Ich weiß nicht wann es mir klar wurde, aber plötzlich sah ich wie sehr du gelitten haben musst. Oli war ein Idiot, ich war ein Idiot…“ er drückt leicht meine Hand. „Wir waren fast noch Kinder und haben dich so schlecht behandelt. Juls bitte sag mir was ich tun kann, damit du mir vergibst.“ Er sieht mich traurig an.
„Gib mir Zeit.“ Sage ich leise.
Zeit ist wohl das einzige was hier helfen kann, die letzten 12 Jahre bin ich weg gelaufen, aber ich muss mich dem stellen, ich muss der kleinen Julie in meinem Inneren beweisen, das die Zeit in der sie weinend in der Ecke saß, endgültig vorbei ist.
Ich sehe Fin in die Augen.
„Zeit.“ Wiederhole ich und er nickt leicht.
„Ich möchte, dass du weißt dass ich dich liebe. Es ist egal, das wir die letzten Jahre nicht mit einander gesprochen haben. Du bist und bleibst, meine kleine Juls. Ich kann und will dich nicht noch einmal verlieren.“ Seine Stimme klingt bittend.
„Fin, ich werde hier bleiben…“ ich grinse leicht „… ich muss, denn schließlich muss ich mein Assistenzjahr machen.“
Er sieht mich an, noch immer hält er meine Hand. Fast kommt es mir vor als ob er Angst hat, Angst davor dass ich aufstehe und wieder gehe.
„Juls, ich weiß gar nichts von dir…“ er seufzt „… Erzähl mir bitte ein wenig von dir.“ Wieder suchen seine Augen die meinen und finden sie, in seinem Blick liegt der Wunsch dass ich seiner Bitte nachkomme.
Er möchte mich kennen lernen…
Ich bin seine Schwester verdammt noch mal, normalerweise sollte man sich kennen.
Ich lächle leicht, ich möchte auch wissen wer er ist gestehe ich mir ein.
„Was willst du denn wissen?“ ich sehe ihn fragend an.
„Was hast du in Dub gemacht? Wie war die Uni? Was für Freunde hast du? Bist du in einer Beziehung?“ die Fragen sprudeln nur so aus ihm heraus.
„Okay, Okay…“ ich hebe meine freie Hand. „Wir machen es so, ich beantworte dir eine Frage und du beantwortest sie mir auch.“ Ich sehe ihn an und er nickt, ich kann merken wie die Anspannung langsam von ihm abfällt.
„Also gut…“ er sieht mich prüfend an „Hobbys?“
„Volleyball, zeichnen, joggen, fotografieren und hmm…“ ich denke einen Moment nach „… Schlafen.“ Ich lächle.
„Oh, das kann ich nur unterstützen, ich liebe es sonntags bis in die Puppen zu schlafen.“ Er grinst.
In dem Punkt sind wir uns schon mal einig.
„Ansonsten Fußball, aber das weißt du ja von Mum…“ er verdreht die Augen, wissen wir doch beide, wie gerne sie über uns redet „… Ich lese ziemlich viel, feiere gerne und habe meinen Spaß.“ Sein lächeln ist ansteckend und ich lächle auch.
Es tut mir gut hier mit ihm zu sitzen, ich merke wie wir uns langsam annähern.
„Studium?“ geht er zur nächsten Frage über.
„Am Trinity College. Es war hart, stressig und ich hatte keine Ahnung wie viel in meinen Kopf passt. Mit einem 2er Schnitt nach 12 Semestern abgeschlossen. Doktorarbeit eingereicht und vor einem Monat offiziell meinen Doktortitel bekommen.“ Unmerklich mache ich meinen Rücken gerade, ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe und ich bilde mir ein es auch sein zu dürfen.
„Wow…“ er sieht mich anerkennend an „… Also Erasmus…“ er lächelt, gut die Auswahl an Unis ist in Kopenhagen auch nicht groß, wir haben nur eine „… Stressig kann ich unterstreichen, lernintensiv und ab und zu todlangweilig. Nach 13 Semestern mit einem guten 2,5er Schnitt abgeschlossen. Seit 2 Jahren habe ich meine eigene Firma, sie läuft gut und ich kann mich nicht beklagen.“ Er drückt kurz meine Hand.
„Das ist super.“ Sage ich anerkennend.
„Und Nebenjobs?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Hmm kellnern in einem kleinen Pub, Nachtdienste im Krankenhaus und die letzten Semester Modeljobs…“ ich zucke mit den Schultern „… hat sich gelohnt, mein Studiendarlehn ist zurück gezahlt und ich habe mir gut was sparen können.“
„Du sieht umwerfend aus.“ Er mustert mein Gesicht.
„Fin… bitte.“ Stöhne ich auf.
„Nein Juls ehrlich, du bist wunderschön.“ Er rutscht ein Stück näher zu mir und ich kann es zulassen, auch wenn ich unvermittelt einen Moment die Luft anhalte.
„Also ich habe, was ja nicht verwunderlich ist, fast ausschließlich für kleine Computerfirmen gearbeitet, ich habe das eine oder andere Programm entwickelt und mir dadurch meine Selbstständigkeit finanziert.“
Tja, Fin und Computer, ein Bund fürs Leben.
„Freunde?“ er zieht eine Augenbraue hoch und ich lächle.
„Sam, eigentlich Samuel, mein bester Freund, Einkaufsberater und Stylinggenie. Er ist so etwas von schwul, das er eigentlich schon meine beste Freundin ist…“ ich lächle leicht bei dem Gedanken an Sam „… Ansonsten ein paar lockere Freunde durch die Uni oder die Jobs.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Irgendwie habe ich immer noch den gleichen Freundeskreis wie in der Schule. Chris, Oli, Addy…“ er denkt nach „… gelegentlich auch noch ein paar mehr oder weniger.“ Er lächelt verhalten uns studiert meinen Gesichtsausdruck.
„Beziehungen?“ nun er grinst schelmisch.
Komisch, ist das der gleiche Fin mit dem ich nie wieder ein Wort wechseln wollte?
Nein… das ist ein anderer Fin, das ist der Fin der versucht es wieder gut zu machen.
„Hin und wieder, nichts Ernstes, nichts Festes.“ Ich zucke erneut mit den Schultern „Mein Traumprinz hat sich noch nicht blicken lassen.“
Das ist nur die halbe Wahrheit, in jeder Beziehung habe ich gehofft die gleichen Gefühle zu spüren wie bei Christopher, aber es wollte mir nie gelingen. Also habe ich mich auf halbe Sachen eingelassen und das so etwas nicht gut gehen kann, ist ja eigentlich klar.
Ich sehe ihn an, er ist dran.
„Früher nichts wirklich Ernstes, sagen wir es mal so, ich habe mich ausgetobt und mir die Hörner abgestoßen…“ er lacht auf „Seit 3 Jahren bin ich mit einer bezaubernden jungen Frau zusammen, sie heißt Lærke, ich glaube sie ging früher mit dir in eine Klasse.“ Er sieht mich an und ich überlege.
„Die beste Freundin von Freja, Christopher seiner Schwester?“ ich ziehe meine Stirn in Falten, nicht wegen Lærke, sondern weil mir das aussprechen seines Namens fast körperliche Schmerzen bereitet.
„Ja genau, sie freut sich das du wieder hier bist und sie freut sich wahnsinnig dich kennen zu lernen.“ Er strahlt richtig wenn er von ihr spricht.
„Ich freue mich auch.“ Sage ich und er lächelt erleichtert.
Eine Weile sitzen wir nur da und sehen in die Ferne.
„Wie bist du so Juls?“ fragt er leise.
„Ich weiß nicht…“ ich wippe mit den Füßen „… Normal schätze ich. Ich gehe gern auf Partys, trinke aber eher nicht. Ich liebe Schuhe…“ ich sehe ihn an und er lacht.
„Du wirst Lærke lieben.“
„Ansonsten halte ich mich für zielstrebig und pflichtbewusst. Ich liebe es Ärztin zu sein, obwohl ich jetzt erst richtig auf die Menschheit los gelassen werde. Ach ja, ich liebe immer noch rosa und weiße Lilien. Ich bin denke ich wirklich eine richtig typische junge Frau.“ Ich zwinkere sie ihm zu. „Und du?“
„Lærke sagt ich bin chaotisch, unreif und habe nur Mist im Kopf.“ Er lacht leise.
„Oh, ich denke wirklich, ich werde Lærke gern haben.“ Ich schubse ihn leicht.
„Meinst du wir kennen uns irgendwann wieder richtig?“ sein Blick wird wieder traurig.
Ich weiß was er meint, normalerweise sollten sich Geschwister niemals solche Fragen stellen müssen…
„Ich glaube fest daran…“ ich lege meine freie Hand auf unsere Hände „Irgendwann wird es wieder so sein, wie es schon immer hätte sein sollen.“
„Es ist meine Schuld.“ Er sieht zu Boden.
Ich habe mir immer gewünscht, dass er leidet.
Ich habe mir immer gewünscht, dass er ein schlechtes Gewissen hat.
Aber ihn jetzt so zu sehen verletzt mich, es trifft mich härter als ich es erwartet hätte.
„Fin bitte…“ ich zwinge ihn mich anzusehen „… ich bin hier und wir sind beide erwachsen. Die Zukunft ist das, was zählt. Okay?“ ich sehe ihn durchdringend an.
Ich will nicht dass er leidet.
Ich will nicht dass er ein schlechtes Gewissen hat.
Ich weiß, ich habe mir das immer für ihn gewünscht, aber er hat es lange genug getan.
Wir haben beide bezahlt, jeder auf seine Weise.
„Danke.“ Flüstert er und zieht mich in seine Arme.
Diese Umarmung kann ich genießen und ich lege meinen Kopf an seine Schulter.
Zu lange ist das her…
Ein Gefühl der Vertrautheit, so wie ich es ganz früher mal zu ihm hatte, durchströmt mich und die kleine Julie lächelt zaghaft.
Schweigend halten wir uns fest und ich merke wie auch meine Anspannung langsam abfällt.
„Fin?“ frage ich leise.
„Was?“ flüstert er und ich lächle.
„Warum flüstern wir?“
„Keine Ahnung.“ Sagt er etwas lauter.
„Darf ich dich um was bitten?“ ich hebe leicht meinen Kopf an.
„Um alles.“ Er grinst zaghaft.
„Das ist hier alles ziemlich neu und ungewohnt für mich. Sei nachsichtig mit mir und verspreche mir bitte, das Du mich nie wieder alleine lässt, ja?“ Ich sehe zu Boden.
„Nie wieder Juls. Ich verspreche es dir.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Bevor das alles in der Schule damals los ging, waren Fin und ich uns sehr Nahe, ich weiß nicht, was damals in im vorging…
Wollte er sich profilieren?
Wollte er mir absichtlich weh tun?
Wollte er dazu gehören?
Irgendwann werde ich ihn fragen und dann so hoffe ich, bekomme ich endlich Antworten auf diese mir so wichtige Fragen.
Meine Mum steht in der Terrassentür und winkt uns zu sich. Wir stehen auf und Fin nimmt mich nochmals fest in den Arm.
„Danke Juls.“ Flüstert er mir ins Ohr.
„Ich danke dir.“ Sage ich eben so leise.
Wir gehen grinsend zu unserer Mum. Diese zieht uns beide zu sich und gibt jedem von uns einen Kuss auf die Wange.
„Endlich wieder vereint meine beiden Kinder.“ Sie seufzt leicht.
„Susan, ich bitte dich!“ Jon kommt aus dem Wohnzimmer „Lass die Beiden los und kommt endlich rein.“
Ich lache und Jon bugsiert meine Mum, die uns aus ihren Armen entlassen hat zur Couch.
„Schläfst du heute hier?“ Jon sieht zu Fin.
„Ja, ich habe vorhin schon mit Mum gesprochen, ich habe das Wochenende frei und will was mit Juls unternehmen.“ Er sieht zu mir und ich nicke.
„Und was ist mit Lærke?“ Jon sieht fragend zu Fin.
„Far! Du hast sie eingeladen… Sie kommt morgen Abend zum Grillen, dann lasse ich die beiden Mal aufeinander los.“ Er zwinkert ihm zu.
Fin nennt Jon schon seitdem er klein ist Far, aber mir kommt das immer wie ein Verrat gegenüber meinem Dad vor. Ich bevorzuge es, Jon zu ihm zu sagen.
„Du wirst sie mögen.“ Jon nickt mir sicher zu.
„Ich denke auch.“ Ich lächle leicht.
Wir sitzen eine ganze Weile zusammen und Jon erzählt von seiner Arbeit in einem Blumenladen, er arbeitet dort schon Jahrzehnte und quasi der Chef. Wir haben so viel zu lachen und ich bekomme ein neues Gefühl…
Ist hier doch noch mein zu Hause?
„Sag mal Floh, willst du dein Auto eigentlich behalten? Oder dir ein neues kaufen?“ Jon sieht zu mir und ich grinse.
„Weiß noch nicht, ich meine ich liebe dieses Auto, aber mit dem Rechtsverkehr und dem Lenkrad quasi auf der falschen Seite ist das ganz schön anstrengend…“ ich verdrehe die Augen „… Allein von Esbjerg bis hier her, habe ich 3 Mal fast einen Unfall gebaut. So schwer es mir fallen wird, ich denke, ich werde mir ein Neues zulegen müssen.“
„Schönes Auto.“ Fin grinst mich an.
Ja, ein wirklich schönes Auto, ein Audi TT in dunkelblau, ich habe ihn mir von meinem ersten großen Modeljob gekauft. Aber ich sehe ein, dass ich mir ein Neues kaufen muss, wenn ich hier überleben will. Ich habe an sich schon eine leichte Links und Rechtsschwäche, aber das in Zusammenhang mit meinen Autofahrkünsten ist eine wirklich explosive Mischung.
„Ich liebe dieses Auto.“ Lächle ich.
„Juls, ein Auto kann man nicht lieben.“ Meine Mum sieht mich verständnislos an.
„Oh doch Mum! Man kann! Ich kann!“ ich strecke ihr meine Zunge aus und sie lacht empört auf.
„Wenn du Lust hast, dann gehen wir Montag mal los. Ich meine, du musst dich eh ummelden und ich kann dich ja ein wenig beraten.“ Jon sieht mich fragend an und ich nicke dankbar. Jon kennt sich wirklich gut mit Autos aus und wenn ich alleine los gehe, werde ich bestimmt über den Tisch gezogen.
Jon steht von seinem Sessel auf und kommt zu mir auf die Zweiercouch, mittlerweile habe ich meinen Blazer und meine Schuhe ausgezogen und kuschele mich in die Ecke. Er sieht zu mir und zieht mich in seine Arme.
„Mein kleiner Floh.“ Er grinst mich an und ich verdrehe die Augen.
Wir schauen uns eine ganze Weile irgendeinen alten Film im Fernsehen an, doch ich merke dass mir meine Fahrt von fast 20 Stunden in den Knochen steckt. Ich gähne und sehe entschuldigend zu Fin der mich überrascht anschaut.
Na, ja es ist gerade mal 9 Uhr abends…
„Ich werde zu Bett.“ Ich entwinde mich aus Jons Umarmung und meine Mum nimmt meinen Platz ein.
„Gute Nacht meine Kleine.“ Sie gibt mir einen Kuss und ich grinse.
„Schlaf gut.“ Fin steht auf und nimmt mich in den Arm.
„Du auch.“ Ich grinse ihn an, dann beuge ich mich zu Jon und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
„Danke.“ Flüstere ich ihm kaum hörbar zu.
Ich gehe die Treppe hoch in mein altes Zimmer, mittlerweile ist es ein Gästezimmer und hübsch eingerichtet. Ich schließe meine Augen und sehe meine alten Möbel… leicht lächle ich. Das hier war mein Reich gewesen…
Plötzlich fällt mir etwas ein, ich gehe zum eingebauten Kleiderschrank und drücke leicht gegen den Deckel, klickend springt er auf, ich taste mit meinem Finger und berühre plötzlich ein kleines Buch. Ich ziehe es heraus und schiebe den Deckel wieder an seine alte Position.
Meine Mum und Jon haben also mein Geheimversteck nicht gefunden.
Diesem Buch habe ich immer alles anvertraut…
Mein geheimer Schatz.
Ich puste den Staub vom Deckel und die Staubflocken tanzen durchs Zimmer. Es kribbelt leicht im meiner Nase und ich ziehe sie kraus. Ich lege das Buch auf den Nachttisch, nehme mir meine Waschtasche und gehe ins Bad. Ich putze mir die Zähne, binde mir einen Zopf und ziehe mir ein XXL T-Shirt und meine Hotpants an. Leise gehe ich wieder ins Zimmer.
Ich setze mich aufs Bett und meine Finger gleiten über das Buch. Es ist ein einfacher schwarzer Ledereinband und in der linken Ecke des Einbandes ist in Silber mein Name eingestanzt.
Julie Sophie Jensen…
Ja, bis ich nach Dub ging hieß ich wie Fin, Jensen, wir hatten Jons Namen angenommen. In Dublin hat mein Dad dafür gesorgt, das ich auf eigenen Wunsch wieder seinen Namen annehmen kann, seitdem heiße ich wieder Matthews.
Ich möchte das nie wieder ändern.
Ich weiß, das Jon zu Fin an seinem 18. Geburtstag gesagt hat, das er sich nun aussuchen kann ob er weiterhin Jensen heißen will, oder eben wie mein Dad und ich Matthews.
Fin behielt den Namen Jensen.
Ich seufze und schlage das Buch auf, ein Brief fällt auf meinen Schoß. Etwas verwirrt lege ich das Buch zur Seite und nehme den Brief in die Hand und falte ihn auseinander.
Mein lieber, kleiner Floh!
Ich habe Dein Geheimversteck gefunden, aber keine Angst ich habe es nicht gelesen. Du bist jetzt seit 4 Jahren weg und ich kann nicht in Worte fassen wie sehr du mir fehlst, meine kleine Juls. Ich weiß ich bin nicht dein Far, aber du bist meine Tochter. Niemals wird sich das ändern und ich hoffe und bete jeden Tag, dass Du eines Tages stark genug sein kannst um wieder zu uns zurück zu kommen. Deine Mum leidet sehr darunter das Du nicht mehr hier bist, sie vermisst dich. Wir haben beschlossen aus Deinem Zimmer ein Gästezimmer zu machen, denn jedes Mal wenn wir Dein Zimmer betreten wird uns so sehr bewusst, das Du hier nicht mehr wohnst, hier nicht mehr schläfst und es wahrscheinlich nie wieder tun wirst.
Hätten wir was anders machen können?
Hätten wir auf eine Versetzung auf eine andere Schule bestehen müssen?
Hätten wir uns über alle Instanzen hinweg setzen müssen?
Haben wir nicht genug gekämpft?
Oh mein kleiner Floh, wie sehr fehlst Du hier jeden Tag.
Fin ist nachdenklicher geworden seitdem Du nicht mehr bei uns bist, er hatte eine lange Zeit keinen Kontakt mehr zu seinen Freunden, er hat sogar darüber nach gedacht dir zu folgen und auch zu Eurem Dad zu gehen. Aber Deine Mum wäre daran zerbrochen, das weiß er…
Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich wahrscheinlich der glücklichste Mensch der Welt, denn dann bist Du zurück. Zurück bei den Menschen die Dich so sehr lieben!
Ich werde auf Dich warten, so lange es eben dauert… auch wenn es 1000 Jahre dauert. Ich werde an der Tür stehen, Dich in den Arm nehmen und sagen, dass ich mich freue, dass mein kleiner Floh wieder da ist.
Auch wenn ich dieses Buch nicht gelesen habe, so kam ich doch nicht umhin das Herz auf der letzten Seite zu sehen.
Das er nicht erkannt hat, was für ein wundervolles Mädchen Du bist, schiebe ich mal seinem jugendlichen Leichtsinn zu.
Ich schwöre dir, eines Tages erkennt er, dass es nur Eine für ihn geben kann und dann kann diese Eine entscheiden ob sie ihn noch will oder nicht. Diese Eine hat dann alle Karten in der Hand und sie kann sie ausspielen wie sie will.
Ich liebe Dich!
Jon
P.s. Du bist die Eine
Tränen laufen mir über die Wangen und ich schluchze. Ich springe auf und laufe ins Wohnzimmer, alle sehen mich überrascht an und ich falle Jon in die Arme.
„Sch… mein kleiner Floh!“ er streicht mich beruhigend über den Kopf und ich schluchze an seiner Schulter.
„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich und ich merke wie er lächelt.
„Ich dich auch.“ Haucht er mir ins Ohr.
„Was ist denn los meine Kleine?“ meine Mum sieht mich so besorgt und verwirrt an das es mir leid tut sie zu verwirren, ich sehe zu ihr versuche zu lächeln.
„Ich habe ein Geschenk von Jon gefunden.“ Ich sehe zu Jon und er lächelt.
„Ein Geschenk?“ Fin sieht uns verständnislos an.
„Das erkläre ich dir irgendwann einmal.“ Sage ich und er nickt verwundert.
„Jon?“ ich sehe in seine warmen grau-blauen Augen.
„Was denn?“ er hält mich fest an seine Brust gepresst.
„Darf ich Far zu dir sagen?“ ich sehe zu ihm hoch und er nickt. Seine Augen sehen mich unendlich liebevoll und dankbar an, das ich denke mein Herz müsste überlaufen.
Wie lange musste er darauf warten?
„Immer.“ Sagt er leise.
Ich liege noch ein bisschen in seinen Armen, dann verabschiede ich mich erneut ins Bett. Ich nehme das Buch und lege es in meinen Nachtschrank.
Noch mehr Vergangenheitsbewältigung schaffe ich einfach nicht…
Ich falle in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Dieser Tag hatte es in sich gehabt und mein Körper braucht einfach nur Erholung.
„Juls Frühstück.“ Ertönt Fins Stimme und ich öffne murmelnd meine Augen.
„Frühstück!“ sagt er erneut und klopft an die Tür.
„Bin wach.“ Rufe ich müde zurück und schäle mich aus dem Bett.
Ich fahre mir durch die Haare und binde mir einen lockeren Knoten. In meinem T-Shirt und in den Shorts gehe ich runter in die Küche, mein Blick fällt auf die Uhr. 9:30 Uhr, ich stöhne leicht. Ich gehe raus auf die Terrasse, da dort alle versammelt sind und sich ihr Frühstück schon schmecken lassen.
„Morgen kannst du ausschlafen…“ meine Mum zwinkert mir zu „… versprochen.“
„Hmm.“ Nuschele ich und gieße mir eine Tasse Kaffe ein.
Mal ehrlich, gibt es Menschen die ohne Kaffee morgens klar kommen?
Fin grinst mich an und ich werde mir meines Aufzuges bewusst. Ich grinse zurück und setzte mich neben Jon an den gedeckten Frühstückstisch.
„Guten Morgen kleiner Floh.“ Er lächelt mich an und ich muss automatisch zurück lächeln.
„Guten Morgen Far.“ Ich angle mir ein Brötchen aus dem Brotkorb und bestreiche es mit Butter und Honig.
Das Frühstück verläuft schweigsam, aber es ist ein angenehmes Schweigen, ein Schweigen, bei dem man sich morgens langsam selbst finden kann.
„Und was habt ihr heute vor?“ Jon sieht von mir zu Fin und ich zucke mit den Schultern.
„Also ich denke, Juls zieht sich gleich mal was an und dann fahren wir mal zum Strand Es ist herrliches Wetter und ich denke, ich kann sie vielleicht zu einer Runde Volleyball überreden.“ Er zwinkert mir zu und ich lächle.
Klingt gut in meinen Ohren und ich nicke schließlich.
„Dann gehe ich mich mal umziehen.“ Ich stehe auf und putze die Krümel von meinem T-Shirt.
Es ist Mitte Juli und der Sommer ist richtig da und ich weiß, wie selten solche schönen Tage wie heute sind. Ich gehe gut gelaunt nach oben und springe unter die Dusche. Anschließend föhne ich meine Haare und binde mir einen Pferdeschwanz ziemlich weit oben. Er wippt dann immer bei jedem Schritt und ich liebe dieses Gefühl. Ich trage nur ein wenig Lipgloss auf, da meine Lippen bei Sonne immer so schnell spröde werden und entschließe mich noch ein wenig Wimperntusche aufzulegen. Das muss reichen, ich will ja zum Strand und nicht auf den Laufsteg.
Nur in ein Handtuch gewickelt gehe ich in mein Zimmer, angle mir meinen türkisen Bikini aus dem Koffer und ziehe ihn an. Ich drehe mich kurz vor dem Spiegel, also der bedeckt wirklich nur das nötigste, aber ich bin stolz auf meine Kurven, auch wenn ich mein Busen mit 80 D für ein wenig zu groß halte. Und ich habe in den letzten Wochen wirklich richtig gut Farbe bekommen…
Ich bewege mich ein bisschen, denn ein Volleyballmatch sollte er schon aushalten, ohne dass sie heraus hüpfen.
Ha, Test bestanden.
Ich ziehe mir eine weiße durchsichtige Tunika und meine hellblauen, knappen Jeanshotpants an. Ich sehe auf meine weißen, hohen Riemchenschuhe und verwerfe den Gedanken schnell, ich will an den Strand, also ziehe ich meine weißen FlipFlops an. Ich packe mir ein Handtuch, Sonnencreme und ein Buch ein. Wer weiß, vielleicht würde ich ja Zeit dazu haben…
Ich werfe mir meine Tasche über die Schulter und stürme die Treppe runter.
„Wow.“ Fin pfeift anerkennend.
„Spinner.“ Ich sehe ihn kopfschüttelnd an. „Dein Auto oder meins?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Deins, aber du fährst.“ Er reicht mir meinen Autoschlüssel von der Kommode.
„Bye Mum! Bye Far!“ rufe ich zeitgleich mit Fin ins Wohnzimmer.
„Bye!“ kommt es auch von ihnen im Chor und wir schließen die Tür hinter uns. Fin hat sich für Shorts und ein einfaches T-Shirt nebst Turnschuhen entschieden. Er macht eine wirklich gute Figur darin und ich bin mir sicher, das weiß er. Auch er ist richtig gut braun…
Ich öffne das Auto mit der Fernbedingung und lasse mich hinter das Lenkrad plumpsen.
„Man ist das ungewohnt.“ Fin sieht mich lachend an als er sich anschnallt.
„Für dich vielleicht, für mich ist ungewohnt wie ihr hier fahrt.“ Ich grinse und starte den Motor.
„Wohin?“ ich sehe ihn fragend an.
„Nach Vallensbæk, ich denke die anderen sind auch da. Vielleicht lernst du Lærke gleich schon kennen.“ Er grinst mich schelmisch an. „Ich habe versucht sie auf Handy anzurufen, aber Madame weiß wahrscheinlich mal wieder nicht, wo sie es hat.“ Er verdreht die Augen.
Das “die anderen“ überhöre ich einfach mal, aber auf Lærke bin ich schon mächtig gespannt.
Ich fädle mich in den Verkehr ein und wir fahren die 40 Minuten zum Strand. Wie nicht anders zu erwarten ist ordentlich was los, aber ich brauche mir um einen Parkplatz keine Sorgen zu machen, denn Fin lost mich zu einem kleinen Privatparkplatz. Ich parke ein und steige aus, Fin sieht mich blass an.
„Was denn?“ ich nehme meine Tasche und sehe ihn fragend an.
„Ganz ehrlich Juls…“ er schüttelt seinen Kopf und setzt sich seine Sonnenbrille auf.
„Was Juls?“ echoe ich und schließe das Auto ab.
„Bist du sicher, dass du einen Führerschein hast?“ er sieht mich über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an.
„Oh ja, ich bin mir sicher.“ ich schiebe meine Sonnenbrille in meine Haare und krame in meiner Tasche und reiche ihm, wie zum Beweis, meinen Führerschein. Er winkt ab und lacht.
„Man, du solltest dir wirklich, so schade es um dein Auto ist, ein Neues zulegen, ansonsten garantiere ich dir, bist du in weniger wie einer Woche Geschichte.“ Er legt seinen Arm um mich und wir gehen Richtung Strand.
„So schlimm?“ ich sehe ihn betreten an.
„Na ja, ich dachte schon ich habe einen, sagen wir mal ruppigen Fahrstil, aber du…“ er lacht leise „… stellst mich so etwas von in den Schatten.“
Wir erreichen den Strand und ich ziehe mir meine FlipFlops aus, es tut so gut den warmen Sand unter den Füßen zu spüren.
„Skat!“ eine junge Frau kommt auf uns zu gelaufen und springt Fin an den Hals. Sie küsst ihn stürmisch und ich grinse.
Wow, wie lange haben die sich denn nicht gesehen?
„Lærke, das ist Juls.“ Stellt mich Fin atemlos vor nachdem sie von ihm abgelassen hat.
Hätte mich jetzt auch echt gewundert wenn sie es nicht gewesen wäre.
„Julie?“ sie sieht mich prüfend an und ich nicke leicht.
„Gott ist das schön, dich zu sehen!“ sie zieht mich in ihre Arme und ob ich es zugeben will oder nicht, mit ihrer Art hat sie mich sofort auf ihrer Seite.
„Man, Freja wird Augen machen.“ Sie zieht mich unbarmherzig hinter sich her und ich lache auf.
„Freja!“ kreischt sie und alle in einem Radius von 20 Metern schauen uns an.
Ich lächle nur und wir kommen zu einer weiteren jungen Frau. Wahnsinn Lærke und Freja haben sich wirklich kaum verändert. Lærke hat ihre rotblonden Haare jetzt länger, aber ansonsten sieht sie noch aus wie in der 9. Klasse, sie ist in etwa so groß wie ich und macht in ihrem schwarzen Bikini eine wirklich gute Figur. Frejas lange braune Locken umrahmen immer noch ihr hübsches Gesicht und auch sie ist richtig gut in Form. Wahnsinn!
„Julie.“ Sagt Lærke atemlos.
Okay, das mit gut in Form nehme ich zurück…
„Wahnsinn.“ Freja umarmt mich ebenfalls.
Ich hatte mir meinen Start hier, wirklich viel schwerer vor gestellt, aber alle nehmen es so selbstverständlich und locker auf das ich wieder hier bin, dass ich mich anfange zu fragen, warum ich so lange weg war.
Warum war ich so lange weg?
„So, dann stelle ich dir mal die anderen vor.“ Sprudelt es aus Lærke heraus, die augenscheinlich wieder richtig Luft bekommt.
Ich sehe sie grinsend an. „Sag mal, wie viel Kaffee hattest du heute schon?“
„Ach, nur ein paar Tassen…“ sie winkt ab.
Ein paar Tassen?
Wohl eher ein paar Kannen…
„…Also das sind Freddy, Ann, Magnus, Addy, Chris, Oli, Mary und Linda.“ Stellt sie mir die anderen vor und ich drehe mich um.
´Ach, ja deswegen…` schießt es mir durch den Kopf als ich Oliver und Christopher erblicke.
„Oli ist mit Freja zusammen und ich glaube ihr wart in der gleichen Klasse.“ Sie sieht mich an und ich nicke verwirrt.
Man was ist das?
Sind die jetzt überall?
„Hallo.“ Kommt es von allen Seiten und ich lächle.
Fin spricht kurz mit Lærke und sie sieht mich dann ein wenig betreten an.
„Idiot.“ Schimpft sie mit Fin und boxt ihm auf den Unterarm.
„Und du auch!“ sie geht zu Oli und boxt ihn ebenfalls. „Und du erst!“ sie verpasst auch Christopher einen Hieb, dann dreht sie sich zu mir um.
„So, das hätten wir.“ Sie nimmt mich an die Hand und wir setzen uns in den Sand zu den Mädchen.
Verwirrt sehe ich Lærke an.
Sie grinst nur und dann plappern alle drauf los und nach 10 Minuten sind wir schon so am lachen, das ich Bauchschmerzen habe, die Mädchen sind echt der Knaller.
„Mädels? Volleyball?“ Fin sieht uns fragend an und Ann, Linda und Freja springen sofort auf.
„Ich muss leider los.“ Mary reicht mir die Hand. „Es hat mich echt gefreut, ich hoffe wir sehen uns bald wieder.“ Sie zwinkert mir zu.
„Bestimmt.“ Nicke ich lächelnd.
Ich und Lærke bleiben sitzen und sehen eine Weile zu, wie sich die Mädchen versuchen gegen Fin, Addy und Freddy versuchen durch zu setzen.
„Kannst du spielen?“ Lærke grinst mich an.
„Seit 11 Jahren im Verein.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Hey Auszeit!“ Lærke springt auf und zieht mich hoch. „So Mädels, netter Versuch… aber wir übernehmen mal.“ Sie deutet auf Freja „… du bleibst.“ Sie lächelt und zieht sich ihr Shirt über den Kopf und klatscht in die Hände.
Ich ziehe meine Tunika ebenfalls aus und laufe ihr hinterher. Ich zwinkere Fin zu und er lacht auf.
„Hey, wenn ihr wechselt machen wir das auch. Chris! Oli! Kommt her, die Mädels brauche mal einen Dämpfer.“ Lacht er übermütig und die Jungs tauschen.
Ich sehe zu Lærke und Freja und wir stecken kurz die Köpfe zusammen.
„Also in Dub war ich beim klassischen Beachvolleyball am Netz und beim Hallenvolleyball hinten. Wo wollt ihr mich?“ ich sehe beide an und Freja lächelt.
„Geh du nach vorne, Lærke rechte Mitte und ich links hinten. Wir machen sie so etwas von fertig!“ Sie hält ihre Hand hin und wir schlagen alle ein.
Wir gehen in Position und ich sehe zu Christopher, seine Augen sehen müde und abgespannt aus, ich sehe kurz zu Boden.
Ich will ihn nicht anschauen!
Was dann folgt ist ein Match der Spitzenklasse, wir schenken uns rein gar nichts und es macht riesigen Spaß. Mit Lærke und Freja funktioniert das so gut, das man denken kann wir spielen schon immer zusammen.
Ein Ball kommt ziemlich dicht am Netz runter und ich stürze hin, zu spät… ich bekomme ihn voll ins Gesicht und sehe kurz Sterne.
„Alles gut?“ Christopher kommt zu mir und sieht mich besorgt an. Ich nicke leicht und rapple mich auf, er reicht mir seine Hand und ich ergreife sie zögerlich. Als sich unsere Hände berühren prickelt es an meiner Hand und es ist als würde sie in Flammen stehen. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, lasse ich sie los als hätte ich mich verbrannt.
„Weiter.“ Sage ich und gehe wieder auf meinen Platz. Schließlich gewinnen wir mit 12:8 und Lærke, Freja und ich hüpfen im Kreis.
„Gewonnen!“ jubelt Lærke und ich kann über ihre Unbeschwertheit nur lächeln.
„Ich brauche jetzt eine Abkühlung.“ Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und Lærke stimmt mir nickend zu.
„Geht ihr schon mal, ich glaube ich muss mal eben ein angeknicktes Ego pflegen.“ Freja deutet auf Oli, der keuchend im Sand liegt.
Immer wieder, habe ich ihm während des Spiels kurz in die Augen gesehen… und so sehr ich dachte, ich hätte mich bei unserem Kaffeekränzchen getäuscht, in seinen Augen stehen förmlich die Worte Scham und Reue.
Noch ehe ich weiter denken kann, zieht mich Lærke mit sich und ich schaffe es gerade noch meine Shorts auszuziehen ehe wir uns in die Wellen stürzen. Eine Weile genießen wir schweigend das Wasser, dann deutet Lærke auf eine kleine Schwimminsel. Im Sommer sind diese hier wirklich zu Hauff, denn dort kann man mit Booten anlegen oder von ihnen runter springen. Die auf die Lærke jetzt deutet, ist leer und wir schwimmen ein kleines Stück und krabbeln drauf. Wir legen uns auf den Rücken und sehen in den Himmel.
„Er ist wirklich unheimlich glücklich, dass du hier bist.“ Sagt Lærke leise und ich drehe mich zu ihr, besser gesagt ich drehe mich auf den Bauch um sie anzusehen. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, also schweige ich. Sie dreht sich ebenfalls auf den Bauch und legt ihren Kopf schief.
„Was ist damals eigentlich los gewesen bei euch? Ich meine, das es dir in der Schule echt beschissen ging haben wir ja mit bekommen, aber dann plötzlich warst du weg.“ Sie studiert jede meine Gesichtsregungen und ich atme tief ein.
„Es war einfach zuviel, das ging schon 2 Jahre so und ich glaube wäre ich nicht gegangen, wäre ich daran kaputt gegangen. Ich weiß einfach nicht, was ich ihm getan hatte und das mir Fin nicht geholfen hat…“ ich schlucke „… das hat mich so sehr verletzt. Ich musste gehen.“
„Fin macht sich Vorwürfe, er hat sooft von dir gesprochen und er hatte lange Zeit keinen Kontakt zu Oli und Chris. Was Chris damit zu tun hat, weiß ich zwar nicht, aber er gab ihnen die Schuld und es hat Jahre gedauert, bis sich die Drei wieder zusammen gerauft haben. Glaub mir, ich kenne Fin schon ziemlich lange…“ sie lächelt „… Sagen wir mal, er war jung und dumm und hat versucht mit allen Mitteln bei Oli Eindruck zu schinden, sogar auf Kosten seiner kleinen Schwester.“ Sie berührt leicht meinen Unterarm und ich sehe sie wieder an „Ich kann dir eins versprechen, er ist nicht mehr der Fin… wirklich nicht. Er ist so liebevoll, er beschützt jeden, er kämpft für eine Sache so lange es eben geht und er ist…“ sie grinst leicht „… Ja wirklich Juls, er ist toll.“
„Ich weiß.“ Sage ich leise.
„Danke.“ Sagt sie und ich sehe sie verständnislos an.
„Wofür?“ ich lege meine Stirn in Falten.
„Dafür, das du hier bist, er endlich seine Juls wieder hat und es gut machen kann.“ Sie lächelt und setzt sich auf „Und jetzt komm, sonst denken die anderen wir sind ertrunken.“ Sie springt ins Wasser und ich folge ihrem Beispiel. Langsam steigen wir aus dem Wasser und gehen zu den anderen. Die Reihen haben sich gelichtet und nur Freja, Christopher, Oliver und Fin sind noch da.
„Wo sind denn die anderen?“ Lærke nimmt sich Handtuch und ich lege mich auf meines, neben Freja.
„Die wollen noch alle zu Adam.“ Fin zieht Lærke zu sich und gibt ihr einen Kuss.
„Was habt ihr da draußen gemacht?“ Freja sieht uns empört an.
„Die Aussicht genossen.“ Sage ich und Lærke und Freja fangen an zu lachen.
„Ja, ganz sicher.“ Freja schubst mich leicht.
Ich sehe zu Oli, er sitzt neben ihr und weiß nicht so Recht was mit sich anzufangen.
Die kleine Julie tobt in meinem Inneren, wenn ich ihn nur ansehe. Doch ich ignoriere sie, strecke meine Hand aus und sehe ihn direkt an.
„Frieden?“ frage ich leise und er sieht mich erstaunt an.
Er nimmt meine Hand ganz vorsichtig in seine.
„Juls, ich…“ er sieht zu Boden „…ich…“ versucht er es erneut.
„Oliver, es ist 12 Jahre her und wer weiß wo ich wäre, wenn das alles nicht passiert wäre. Wir sind erwachsen, und genau so, sollten wir uns benehmen.“ Ich sehe ihn aufmunternd an.
„Danke.“ Kommt es von ihm und ich sehe die Erleichterung in seinem Blick, Freja sieht ihn an und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Frieden?“ biete ich nun auch Christopher an und er sieht mich an. Seine Blicke sind fragend und ich kann ihnen nicht lange stand halten.
Er ergreift meine Hand und wieder ist es, als ob sie in Flammen steht.
„Gerne. Danke Süße.“ Er zwinkert mir leicht zu und ein lächeln huscht über mein Gesicht.
„Gern geschehen Chris.“ Sage ich leise und es fühlt sich so befremdlich an, ihn nach all den Jahren wieder so zu nennen.
Ich lasse sein Hand los und Fin stürzt sich auf mich.
Schreiend winde ich mich unter ihm.
„Sag mal, hast du einen Knall?“ ich japse nach Luft.
„Du bist wunderbar.“ Haucht er mir ins Ohr und ich sehe ihn verwundert an.
Er grinst nur und ich rappele mich wieder auf.
„Na toll, jetzt kann ich noch mal ins Wasser gehen.“ Ich stehe auf und versuche die Mischung aus Sand und Sonnencreme von meinem Körper zu bekommen.
Strafend sehe ich zu Fin, doch er grinst nur noch breiter.
Den Rest des Tages lassen wir es uns am Strand gut gehen und ich genieße die Sonne in vollen Zügen.
„Juls?“ Fin lässt sich neben mich plumpsen und ich komme hoch.
„Na was?“ ich grinse ihn an.
„Magst du Chris rum fahren, damit er sich umziehen kann? Ich fahre noch kurz mit zu Lærke und dann treffen wir uns alle bei Mum und Far.“ Er sieht mich fragend an.
„Hmm.“ Ich nicke leicht.
Ich fühle mich nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken…
Er macht mich einfach immer noch zu nervös…
Fin sieht mich immer noch prüfend an und ich lächle. Ach was, so schlimm wird es nicht werden. Ich bin wieder hier und werde mich an meine neuen, alten „Freunde“ schon gewöhnen.
Ich fange an meine Sachen einzupacken und ziehe mir meine Tunika und meine Shorts wieder an.
Schließlich stehen wir alle bei den Autos.
„Na, dann komm.“ Ich sehe zu Chris und er will in mein Auto einsteigen.
„Hey, ich fahre.“ Halte ich ihn im letzten Moment davon ab sich auf den Fahrersitz zu setzen.
Er schaut ins innere des Autos und grinst mich an.
„Sorry.“ Er läuft um Auto herum und ich steige ein. Ich lasse die Fenster runter und Fin winkt mir zu.
„In einer guten Stunde bei Mum und Far.“ Ruft er mir zu und ich nicke.
„Anschnallen.“ Sage ich mit einem Blick auf Chris und er schnallt sich an.
Die Fahrt ist schweigsam und er lotst mich zu seinem Haus.
Es ist phantastisch und ich staune beim aussteigen nicht schlecht.
„Wow.“ Entfährt es mir als wir in den Flur treten.
„Gefällt es dir?“ fragt er leise und ich lache.
„Ob es mir gefällt? Es ist der Wahnsinn.“ Ich sehe mich um, alles ist hell und freundlich.
„Freut mich…“ er geht an mir vorbei „… ich habe es entworfen und gebaut.“ Fügt er hinzu und ich sehe ihn an.
„Du?“ frage ich verwirrt.
Man, ich weiß ja gar nichts…
„Ja, ich bin Architekt und das hier war mein erster Entwurf.“ Er deutet mir an ins Wohnzimmer zu gehen.
„Das ist wirklich schön.“ Ich sehe mich weiter um, eine große weiße Ledercouch und dazu ein Mix aus alten und neuen Möbeln. Die Mischung ist perfekt und ich fühle mich sofort wohl.
„Ich ziehe mich eben um, fühl dich wie zu Hause.“ Er geht die Steintreppe hoch in den ersten Stock.
Ich sehe mich noch ein wenig um, die Küche ist ein Traum… weiße Schrankfronten und im Kontrast eine schwarze Arbeitsplatte. Das Beste aber ist die Kochinsel und der Ausblick in den Garten.
Nach ein paar Minuten ist er wieder unten und wir fahren zu meiner Mum.
Der Abend ist so schön und meine Mum nimmt mich immer wieder in den Arm und sagt mir wir schön es ist, das ich hier bin.
Langsam fange ich an, mich hier wohl zu fühlen…
Der Sonntag ist entspannend und ich und Fin beschließen, uns so wenig wie möglich zu bewegen. Wir liegen den ganzen Tag im Garten und unterhalten uns.
Der Montag ist stressiger als ich es erwartet habe, Jon und ich laufen von Amt zu Amt und endlich am frühen Nachmittag haben wir es geschafft, ich bin wieder in Kopenhagen angemeldet. Dann fahren wir zu einem Autohändler und nach langem Suchen und ewigem Hin und Her bin ich stolze Besitzerin eines Volvo C30 in schwarz mit einer super tollen Lederausstattung und allem Schnick Schnack den man sich vorstellen kann.
Fin und die anderen müssen wieder arbeiten und ich habe immer noch kein Plan was die alle machen. Ich weiß nur, das Lærke in einem großen Büro als Personalleiterin arbeitet, das Chris Architekt ist und ach ja, das Fin seine eigene Firma hat.
Am Freitag finde ich endlich eine Wohnung die mir zusagt, zwar keine Eigentumswohnung aber ein großzügig geschnittenes Loft und ich verliebe mich auf Anhieb. Mein Container ist auch da und Fin trommelt alle zusammen um mir zu helfen.
Sonntagabend sitzen Fin, Lærke, Freja, Oli, Addy, Chris und ich total geschafft in meinem neuen Wohnzimmer auf dem Boden. Man die letzten beiden Tage haben wir es tatsächlich geschafft, dass alles hier oben ist und an dem Stellen die ich dafür vorgesehen habe.
„Wow Juls, die Wohnung ist toll.“ Fin sieht sich um und ich nicke geschafft.
„Ja, ich weiß gar nicht, wie ich euch allen jemals danken soll.“ Ich sehe in die Runde.
„Hmm Pizza?“ Oli grinst mich an und ich lache auf.
„Wer bestellt?“ ich sehe erneut in die Runde und Lærke holt ihr Handy aus der Tasche.
„Ich.“ Sagt sie grinsend „…Also euch weiß ich alle und Juls, was kann ich dir bestellen?“ sie sieht mich an.
Das sind die Momente die mich daran erinnern, dass ich erst seit kurzem wieder hier bin und nicht schon ewig, denn so fühlt es sich an.
„Hawaii.“ Ich sehe sie an und sie lacht.
„Man Fin, Juls ist echt der Knaller.“ Lacht Freja und ich sehe sie verständnislos an.
„Lærke und ich nehmen auch immer Hawaii und die anderen finden das alle so eklig. Obst gehört nicht auf eine Pizza.“ Äfft sie die anderen nach und ich lache.
„Typisch Frau.“ Sagt Addy und ich sehe ihn an.
„Ach ja, wenn nicht mindestens drei Fleischsorten auf einer Pizza sind ist es keine Pizza oder was?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Genau.“ Oli steht auf um sich auf meine weiße Ledercouch fallen zu lassen.
„Sag mal, kenn ich die nicht irgendwo her?“ er sieht zu Freja.
Lærke geht raus um zu telefonieren und ich gebe ihr mein Portemonnaie.
„Chris hat fast die gleiche.“ Sagt Fin und sieht zu mir.
„Was hat Chris?“ frage ich ihn und setze mich neben Oli.
„Unser Sherlock Holmes hat gerade fest gestellt, das du und Chris fast die gleiche Couch habt.“ Erklärt mir Addy und ich sehe zu Oli.
„Sherlock Holmes?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Ja lustig, oder? Nur weil ich Polizist bin, finden die das super witzig.“ Er gähnt und ich lache.
„Polizist?“ ich sehe ihn an und er nickt. „Nicht gerade das, was ich erwartet habe.“ Gebe ich zu.
„Was hast du denn erwartet?“ er setzt sich auf und sieht mich an.
Schläger?
Nein, nein…
„Ich dachte du studierst und trittst in die Fußstapfen deines Vaters.“ Das dachte ich wirklich.
„Nein, ich habe beschlossen meine eigenen Fußabdrücke zu hinterlassen. Meine Eltern fanden es anfangs nicht so toll, aber sie haben sich damit abgefunden.“ Gibt er zu.
Ich kann es kaum begreifen, das alles hier real ist.
Meine kleine Julie hat ordentlich Schwierigkeiten die Erinnerungen von damals, mit den Leuten die hier in meinem Wohnzimmer sitzen, in Einklang zu bringen.
Die anderen unterhalten sich und ich trete auf meine große Dachterrasse, ich lasse meinen Blick über Frederiksberg schweifen. Wahnsinn, ich kann Lærkes und Fins Wohnung von hier aus sehen und auch Frejas und Olis liegt nur um die Ecke. Addy wohnt auch nur eine Straße weiter, irgendwie finden wir uns alle wieder zusammen.
„Juls?“ Oli steht plötzlich hinter mir und ich zucke zusammen.
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Sagt er leise und ich sehe ihn an. Sein Blick ist immer noch so reuevoll, wenn er mich ansieht.
„Oli bitte…“ setze ich an.
„Nein Juls, ich will es endlich los werden.“ Er setzt sich auf eine meiner Sonnenliegen und ich setze mich ihm gegenüber.
„Weißt du…“ er nimmt ganz vorsichtig meine Hand „… Ich habe keine Ahnung, warum ich damals so war, ehrlich nicht. Ich hatte einfach bei jeder neuen Schule Angst. Ich musste in drei Jahren 8mal die Schule wechseln und ich habe mir irgendwann angewöhnt, mir immer das schwächste Glied aus der Kette zu picken, um mich stark zu fühlen. Als ich das erste Mal die Klasse betrat, sah ich dich und wählte dich, ohne Absicht und ohne mir Gedanken zu machen. Dann lernte ich Fin und Addy kennen und sie machten mit. Obwohl Fin dein Bruder war, war es ihm wichtiger wie ich über ihn dachte. Gott, ich war wirklich ein Kotzbrocken.“ Er sieht mich an und ich weiß, dass er mir das alles sagen muss. Wenn wir nicht darüber sprechen, dann können wir niemals Freunde sein.
„Oli, ich gebe wirklich zu ich habe dich die letzten 12 Jahre gehasst, ich habe dir die Pest an den Hals gewünscht...“ ich sehe ihn an und er grinst ganz zaghaft „… Aber du bist nicht mehr der Oli und ich muss mir eingestehen, ich hätte mich wehren müssen. Ich konnte es nicht, weil ich zu schwach war.“
„Ich habe diese Schwäche ausgenutzt.“ Sagt er zerknirscht.
„Ja, hast du.“ Gebe ich zu.
Anlügen will ich ihn ja nun auch nicht.
„Aber weißt du Oli, meine Zeit in Dublin war schön. Ich habe studiert, aus mir ist was geworden und ich weiß wirklich nicht, wie das hier gelaufen wäre. Ich werde wohl nie vergessen, dass es eine beschissene Zeit war, aber ganz ehrlich Oli. Ich will, dass wir Freunde werden. Ich mag Freja und die anderen und ich denke, ich mag dich auch.“ Ich drücke leicht seine Hand.
„Du bist wundervoll.“ Sagt er anerkennend und ich nehme ihn in den Arm. Sam hat mir erst vor ein paar Tagen prophezeit, dass genau das passieren wird und ich muss ihm nun Recht geben.
Die Dämonen meiner Vergangenheit werden zu meinen Freunden.
Die kleine Julie existiert noch, aber sie schreit und tobt nicht mehr.
Oli nimmt mein Gesicht in seine Hände und lächelt. „Ich danke dir so sehr.“
„Dafür nicht.“ Sage ich und küsse ihn auf die Wange.
Wir gehen zu den anderen und es wird ein toller erster Abend in meiner Wohnung.
Plötzlich stehe ich in meiner neuen Arbeitsstätte in den Umkleideräumen. Ich sehe in den Spiegel, ich trage blaue Assistenzärztekleidung, einen Moment schließe ich meine Augen und atme tief durch.
Wow, wo sind die letzten 6 Wochen hin?
Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen, ich fahre mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und betrete die Notaufnahme.
Ein junger Arzt kommt strahlend auf mich zu.
„Aha, unser Import aus Irland ist da.“ Er reicht mir die Hand und ich grinse.
„Na, so ganz stimmt das nicht…“ ich zwinkere ihm zu „Ich bin Dänin, ich habe nur die letzten 12 Jahre in Dublin gelebt und studiert.“ Erkläre ich ihm „Aber, mein Dad ist ein waschechter Ire.“ Ich zwinkere ihm zu und er lacht.
„Freut mich sehr Julie, ich bin Jonas, dein Oberarzt für das nächste Jahr.“ Er sieht mich an und macht dann eine einladende Handbewegung durch die Notaufnahme „Dein Arbeitsplatz.“
„Ja, die Notaufnahme.“ Sage ich und sehe ihn an.
„Hmm, lass mich mal einfach so ins Blaue raten, du hattest was ganz anderes im Blick, oder?“ er schubst mich leicht an als wir uns auf den Weg ins Arztzimmer machen.
„Ja, Chirurgie.“ Gebe ich zu.
„Okay mein Vorschlag, du überstehst hier die ersten 6 Monate und wenn du dann immer noch in die Chirurgie willst, dann sorge ich dafür.“ Er reicht mir seine Hand und ich schlage ein.
„Sehr gerne.“ Ich strahle übers ganze Gesicht.
Das Arbeiten in dem, mir ungewohnten Team, fällt mir leicht und ich gewöhne mich schnell an meine neuen Kollegen und an die Schwestern.
Es macht Spaß… richtig Spaß!
Jonas und ich werden ein gutes Team und ich verstehe mich wirklich gut mit ihm, er lernt meine Freunde kennen und ehe ich mich versehe gehört er zu uns.
Wir unternehmen viel und sogar Sam schafft es mich zu besuchen und ich falle wirklich aus allen Wolken als er mit Jonas anbändelt, also vieles habe ich erwartet… aber Jonas schwul und ich merke es nicht?
Man, wie verblendet war ich denn die letzten drei Monate?
Die beiden fangen an sich an den Wochenenden zu besuchen und ich bekomme Sam meistens dann nur als Kurzbesuch zu Gesicht. Aber die beiden sind glücklich und das freut mich sehr. Die anderen haben keine Probleme mit den Beiden und ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet.
Ich kenne sie mittlerweile alle sehr gut und von meinen Dämonen ist nichts übrig.
Nur eine Sache liegt mir immer noch auf der Seele… Chris!
So sehr ich mich bemühe ihn nicht am mich heran zu lassen… ich schaffe es nicht.
Mein Herz schlägt wie verrückt, wenn ich ihn sehe und ich will das eigentlich nicht.
Ich will das nicht!
Ich will das wirklich nicht!
Nicht noch einmal!
Ich will nicht mehr an die kleine Julie denken, ich will ein neues Leben als große Juls.
Ehe ich mich versehe ist die Weihnachtszeit da und Sam mal wieder zu Besuch.
Am Weihnachtsabend teilen uns Jonas und Sam mit das Jonas zu ihm ziehen wird und ich bin so wahnsinnig traurig, denn ich verliere meinen lieb gewonnen Oberarzt. Aber ich freue mich auch für die Beiden, sie passen wirklich so gut zusammen.
Und dann geht bei den Beiden alles wahnsinnig schnell…
Am 02. Januar habe ich meinen letzten Arbeitstag mit Jonas.
„Hey Juls, ich habe mit Magnus gesprochen, er übernimmt die Notaufnahme und meinen Posten. Er sagt, wenn du wirklich noch in die Chirurgie wechseln willst, dann steht er dir nicht im Weg.“ Er sieht mich prüfend an.
„Nein danke, ich fühle mich hier wohl.“ Ich grinse ihn an und er nimmt mich in den Arm.
„Das wusste ich von Anfang an…“ er sieht mich lächelnd an „Du bist die geborene Notfallärztin.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich danke dir.“ Sage ich und ziehe ihn in meine Arme.
„Kommst du uns besuchen?“ fragt er leise und ich kann nur nicken, ich will nicht wieder weinen…
Silvester haben wir eine Abschiedparty für ihn gemacht und ich habe die eine Hälfte des Abends damit zu gebracht mich zu betrinken…
Ja, ich habe getrunken und es ist mir nicht bekommen.
Und die andere Hälfte des Abends habe ich geweint, weil ich ihn nicht gehen lassen wollte. Ich glaube irgendwann habe ich sogar Sam Geld angeboten, damit er nach Kopenhagen zieht und Jonas nicht zu ihm nach Dub.
„Ganz sicher.“ Sage ich und dann kommen unsere Kollegen mit einer Torte, Blumen und verdammt guter Laune um ihn zu verabschieden.
Ich habe versprochen ihn zum Flughafen zu fahren und drei Stunden später ist es soweit, sein Flug wird aufgerufen und wir alle sehen uns betreten an.
„Machs gut, kleine Juls.“ Er nimmt mich in den Arm und ich lächle unter Tränen.
„Machs gut, mein Held.“ Ich küsse ihn kurz auf den Mund, dann nehmen ihn die anderen in den Arm und dann ist er auch schon weg.
„Fährst du mich rum damit ich duschen kann, bevor wir uns im Louf treffen?“ Chris sieht mich bittend an.
„Klar, kein Problem.“ Sage ich und Fin nimmt mich in den Arm.
„Er ist ja nicht aus der Welt.“ Er grinst mich an.
„Das weiß ich.“ Sage ich traurig.
„Bis gleich Juls.“ Lærke winkt mir zu und wir gehen zu unseren Autos, da wir wieder im Parkhaus angekommen sind.
Wir fahren schweigend zu Chris seinem Haus, ich folge ihm hinein und setze mich auf die Couch während er hoch geht. Da ich Durst habe, gehe ich in die Küche und sehe in den Garten.
Ich stütze meine Hände auf der Arbeitsfläche ab und sehe hinaus. Alles ist gepflegt und sieht selbst jetzt im Winter wunderbar aus.
Wann hat er nur die Zeit dazu?
„Ich habe einen Gärtner.“ Haucht er mir ins Ohr und ich drehe mich ertappt um.
Kann er Gedanken lesen?
Ich sehe ihn an, er war duschen, seine Haare hängen ihm nass in der Stirn und sein Oberkörper glänzt noch vom Wasser.
„Aha.“ Sage ich leise und versuche mich an ihm vorbei zu drängen, ohne ihn zu berühren.
Er hält mich fest und ich sehe ihn verwirrt an.
„Chris, ich kann das nicht.“ Es ist als würde ich keine Luft bekommen.
„Was kannst du nicht Süße?“ er sieht mich fragend an.
„Ich kann das nicht…“ ich mache mich von ihm los und gehe Richtung Tür.
„Bitte sag mir was du hast.“ Er nimmt meine Hand.
„Was ich habe?“ japse ich leise.
„Ja.“ Sagt er sanft, seine Stimme ist so weich und warm und ich schließe meine Augen.
„Christopher…“ setze ich an.
„Chris.“ Er lächelt und ich sehe ihn an.
Dieses lächeln hat mich schon früher um den Verstand gebracht.
„Chris, es ist einfach zu viel passiert…“ ich winde mich und schaffe es doch nicht, mich von ihm los zu machen. „… Du hast mein Herz gebrochen.“
„Ich wollte das nie.“ Sagt er betreten.
„Du hast es aber getan…“ ich wage es nicht ihn anzusehen.
Er legt seine Hand unter mein Kinn und dann kommen seine Lippen meinen ganz Nahe, fast schüchtern berühren sie sich und ich seufze leise. Es tut so wahnsinnig gut seine Lippen auf meinen zu spüren. Er drückt mich an sich und ich vergesse zu denken…
Ich will nicht denken!
Nicht jetzt!
Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und fahre ihm durch seine nassen Haare. Er drückt mich auf die Couch und zieht mir meinen Pullover über den Kopf.
Wir sagen beide nichts, aber ich will auch nicht reden…
Er befreit meine Brust aus meinem BH und küsst sie sanft, wieder entweicht mich ein leisen stöhnen.
Sein Handtuch fällt zu Boden und ich umschließe sanft seine imposante Erektion. Sein kehliges aufstöhnen zeigt mir das ich das, was ich mache, augenscheinlich richtig mache. Er knöpft meine Jeans auf und ehe wir uns versehen liegen wir nackt auf dem Boden vor seinem Kamin.
Wie herrlich kitschig.
Er sieht mich an und ich ziehe ihn zu mir um ihn zu küssen. Dabei drehe ich ihn auf den Rücken und setze mich auf ihn, ich nehme ihn in seiner ganzen Größe in mich auf und schließe kurz meine Augen als er in mir ist, mich dehnt und mich völlig ausfüllt. Ich fange langsam an mich zu bewegen und seine Hände umfassen meine Brüste und massieren sie sanft.
Ich fange an leise zu stöhnen und meine Bewegungen werden schneller, er umfasst meinen Po mit seinen Händen und schließlich kommen wir beide zu unserem Höhepunkt.
Schwer atmend liege ich auf seiner Brust.
„Das war…“ setzt er an.
Ich besinne mich plötzlich…
Was tue ich hier?
Das ist falsch!
Absolut falsch!
„Chris ich…“ setze ich nun an und unterbreche ihn so „… Das war schön, wirklich schön aber wir sollten das nicht tun.“ Ich stehe auf „Ehrlich nicht. Wir sind Freunde und das ist schon eine Leistung für sich. Lass es uns dabei belassen.“ Ich ziehe meine Sachen wieder an und hoffe dass er nicht sieht, wie sehr meine Hände zittern.
Er sagt nichts und geht nach oben um sich ebenfalls anzuziehen.
Was habe ich nur getan?
Als er eine halbe Stunde später wieder runter kommt, sitze ich angezogen auf der Couch und schaue fern.
„Okay.“ Sagt er leise und hilft mir in die Jacke.
„Danke.“ Sage ich und ich bin mir sicher, dass er genau weiß, dass es nicht für die Jacke gilt.
Beim Essen entspannen wir uns und keiner merkt uns an was passiert ist.
Wir schaffen es wirklich uns in die Augen zu sehen und diesen Nachmittag auszublenden…
Am 1. Juni werde ich offiziell als Notfallärztin eingestellt und fliege noch am gleichen Nachmittag zu Sam und Jonas um zu feiern. Mein Assistenzjahr wurde verkürzt und ich habe es geschafft.
Die anderen wollen am Samstag eine große Party geben, aber bis dahin will ich mich drei Tage in Dublin ausruhen.
Ich habe noch eine wichtige Sache zu klären und dafür brauche ich Jonas.
Sam empfängt mich strahlend am Flughafen und wir besuchen Jonas bei seiner neuen Arbeitsstätte.
„Juls!“ Jonas entdeckt mich und wirbelt mich durch die Luft „Sag mal, hast du zugelegt?“ er sieht mich grinsend an.
„Jonas.“ Ich sehe ihn empört an und er sieht mich mit einem Blick an den ich nur zu gut kenne.
„Ziehst du dich um Sweetheart?“ Sam sieht zu Jonas und ich atme tief durch.
„Habt ihr einen Moment?“ ich sehe zu Jonas und Sam und Jonas nickt leicht.
Ahnt er was?
Wir gehen in einen freien Behandlungsraum, er setzt sich auf die Liege während Sam die Tür schließt und stehen bleibt.
„Raus mit der Sprache.“ Sagt Jonas und ich atme tief durch.
Ich hebe meine Tunika ein Stück hoch und beide starren mich an…
Ja, ich bin schwanger. Ich habe noch kein sehr großes Bäuchlein, aber so langsam wird es wirklich schwer es zu verstecken. Ich bin ja auch schon im 5. Monat.
„Das ist mal eine Überraschung.“ Sam nimmt mich in den Arm.
„Ziemlich, oder?“ ich setze mich neben Jonas.
„Seit wann weißt du es? Wie weit bist du?“ er sieht mich an und nimmt meine Hand.
„Seit 8 Wochen, ich war zur Routineuntersuchung, zum Glück nicht im Frederiksberg…“ ich sehe ihn an „… Ich bin in der 22. SSW.“
„Wow Juls. Wer ist der Daddy?“ Sam setzt sich auf die andere Seite neben mich.
„Ich weiß nicht, ob ich euch das sagen will.“ Gebe ich zu.
Gott, die letzten beiden Monate habe ich hin und her überlegt…
Ich weiß nicht, was ich tun soll!
„Sag schon.“ Jonas zwingt mich ihn anzusehen.
„Chris.“ Sage ich kaum hörbar.
„Oh wow.“ Sam sieht mich betreten an.
Sam weiß alles und so bin ich mir sicher, dass auch Jonas alles weiß.
Von unserem Abendteuer bis hin zu dem Punkt an dem wir endlich wieder Freunde sind…
„Ich wollte nie Kinder.“ Schluchze ich. „Niemals wollte ich, dass ein Kind das durchmachen muss, was ich durch gemacht habe. Ich wollte es abtreiben…“ nun beginne ich richtig zu weinen.
„Nein Juls…“ Jonas wiegt mich in seinen Armen „… Das hättest du nie gemacht.“
„Ich habe es nur nicht gemacht, weil ich schon in der 14. Woche war.“ Ich sehe ihn tränenüberströmt an.
„Nein Juls, auch wenn du noch nicht in der 14. Woche gewesen wärst, du hättest es niemals getan.“ Er wischt meine Tränen beiseite.
„Sammy nimmst du sie, ich ziehe mich um und dann fahren wir nach Hause.“ Er sieht zu Sam und dieser zieht mich in seine Arme.
Drei Stunden später sitzen wir bei den Beiden in der Wohnung und ich fühle mich so erleichtert, dass ich mich endlich jemanden anvertrauen konnte. Bisher weiß es außer meiner Frauenärztin und unserem Personalchef, dem ich es sagen musste, niemand…
Wirklich niemand.
„Juls, du weißt ich liebe dich, aber du musst langsam mal die Karten auf den Tisch legen. Du musst es ihm und den anderen sagen.“ Redet mir Sam schon zum x-ten Mal ins Gewissen.
„Was bitte soll ich ihm sagen? Sorry unser Ausrutscher hat Folgen?“ ich sehe ihn frustriert an.
„Es ist egal, wie du ihm das sagst. Juls er muss es wissen und bitte gestehe dir endlich ein, dass es nicht nur ein Ausrutscher war.“ Jonas sieht mich streng an.
„Das kann ich nicht.“ Ich sehe zu Boden.
Soll er mich wieder auslachen?
Soll ich mir wieder mein Herz brechen lassen?
Die restlichen Tage gehen wir viel einkaufen und ich muss den beiden hoch und heilig versprechen, das sie Patenonkel werden. Dann sitze ich schon wieder im Flieger zurück nach Kopenhagen und werde von Lærke, Fin, Oli, Freja, Addy und Chris am Flughafen empfangen und wir fahren zu meinen Eltern zum Feiern.
Die Party ist schön und sie haben sich alle so viel Mühe gegeben. Wir sitzen im Garten und ich schwitze mich in meinem T-Shirt fast Tod, aber lieber sterbe ich an einem Hitzekollaps als mein Geheimnis Preis zu geben.
Ich kann Chris nicht in die Augen sehen und als mir alle die Geschenke geben, muss ich mich anstrengen sie auf Abstand zu halten, sodass sie nicht merken was mit mir los ist.
„Sag mal Juls, kommst du nächste Woche endlich mal wieder mit zum Strand? Ich meine jetzt müsste der Stress doch vorbei sein, oder?“ Oli sieht mich fragend an.
„Ich muss mal schauen, wir bekommen die neuen Assistenzärzte und Magnus und ich müssen schauen, dass sie niemanden umbringen.“ Ich grinse ihn an und er lacht auf.
Am Montag erwartet mich ein ziemlich grimmig aussehender Magnus und ich weiß jetzt schon, dass er mit Jonas telefoniert hat.
Herrgott, diese Welt ist einfach zu klein!
„Juls?“ er wartet nicht dass ich ihm antworte sondern zieht mich in den Ärzteraum.
„Möchtest du uns nicht was sagen?“ er sieht in die Runde aus Ärzten und Schwestern und alle sehen mich fragend an.
„Hmm.“ Ich druckse herum.
„Was uns Juls hier so stümperhaft zu erklären versucht ist, das sie in der 22. Woche schwanger ist.“ Sagt Magnus für mich und alle starren mich an.
„Ja.“ Sage ich nur und nun springen alle auf und gratulieren mir.
„Wow Juls, wie hast du denn das so lange geheim halten können?“ Jan, ein Kollege sieht mich fragend an und ich zucke nur mit den Schultern.
Die Nachricht verbreitet sich natürlich wie ein Lauffeuer und ich bin irgendwie erleichtert, dass ich mich wenigstens auf Arbeit nicht mehr verstellen muss.
<< Schweres Polytrauma, männlich, Ende 20, Zustand nach Autounfall, Eintreffen des Notarztwagens in 3 Minuten.>>
Ich laufe in den Flur, nehme mir einen gelben Schutzkittel aus dem Regal und ziehe mir Handschuhe über, kurz sammle ich mich und atme ein paar Mal tief durch.
Mit einem Knall geht die Tür auf und die Trage wird herein geschoben.
Ich laufe auf den Sanitäter zu und beuge mich über die Patientin, mein Atem setzt einen Moment aus… vor mir liegt Adam! Unser Addy!
Mein Kopf ist wie leer gefegt und der Sanitäter schubst mich leicht an.
„Addy.“ Sage ich kaum hörbar.
„Dr. Matthews.“ Holt mich der Sanitäter zurück und ich spule mein Standartprogramm runter.
Wir fahren in den nächsten freien Schockraum und ich agiere nur noch. Reagieren ist in einer solchen Situation auch gar nicht möglich.
„Ich brauche Magnus hier und gebt in der Chirurgie Bescheid, wir brauchen einen OP! Schnell!“ sage ich zu einer Schwester und sie läuft hinaus.
Ich versuche ihre Blutungen zu stoppen, versuche mir einen Überblick zu verschaffen und atme durch als Magnus neben mir erscheint.
Eine Schwester berichtet ihm, was ich bisher getan habe und ich sehe ihn kurz an.
„Juls?“ fragt er vorsichtig während er sie intubiert.
„Das ist Adam.“ Sage ich und konzentriere mich weiter auf meine Arbeit. Magnus weiß zumindestens vom Hörensagen wer Adam ist und nickt mir beruhigend zu.
„Die Chirurgie hat einen Saal, aber keinen Chirurgen.“ Die Schwester sieht mich panisch an.
„Juls und ich übernehmen die OP. Piept Oli von der Orthopädie und Kim von der Inneren an, sie sollen hier weiter machen.“ Er sieht Adams Notfallarmband und reicht es einer anderen Schwester. „Dann sagt den Assistenzärzten, sie müssen die Notaufnahme übernehmen.“ Führt er seine Anweisungen fort.
Dann sieht er kurz zu mir und ich nicke, wir stabilisieren Adam und fahren hoch in die Chirurgie. Ich spule einfach mein Fachwissen ab und die OP verläuft zu unserer Zufriedenheit. Er ist stabil, wir haben alle Blutungen stoppen können und die Frakturen wurden von einem Orthopäden gerichtet. Nach 7 Stunden verlasse ich nass geschwitzt, müde und abgekämpft den OP.
Kaum das ich in den Flur trete, kommen Adams Eltern, Fin und Chris zu mir.
Alle sehen mich ängstlich an.
Ich gehe auf sie zu und Chris sieht mich müde an.
„Er ist stabil, er muss noch zur Beobachtung auf der Intensivstation bleiben. Er hatte schwere innere Verletzungen, wir mussten seine Milz und einen Teil der rechten Niere und ein Stück der Leber entfernen…“ ich atme durch und Adams Mor weint auf „… Er wird davon keine Schäden davontragen.“ Beruhige ich sie „Er hat sich das rechte Bein an drei verschiedenen Stellen gebrochen, aber es ist gerichtet und es sieht gut aus. Des weiteren hat er sich die linke Hand, das linke Schlüsselbein und ein paar Rippen gebrochen. Zum Glück hat er keine schweren Kopfverletzungen, nur Schürf und Platzwunden. Es sieht gut aus und wenn er aus der Narkose aufwacht, dann können sie gerne zu ihm.“ Ich lege meine Hand sachte auf ihren Unterarm.
„Danke Julie.“ Sie sieht mich dankbar an.
„Fin, fahrt ihr bitte nach Hause?“ ich sehe zu Fin und er nickt leicht.
Magnus kommt hinter mir nun auch aus dem OP und nickt mir zu.
„Gut gemacht Frau Kollegin.“ Er zwinkert mir zu und ich lächle leicht.
„Nimmst du Herrn und Frau Olsen mit zu Adam?“ ich sehe ihn an und er nimmt sich der Beiden an.
„Ihr könnt später zu ihm.“ Sage ich zu Chris und Fin.
Fin geht den Gang hinunter zum Fahrstuhl und ich sehe wie er hinein steigt, aber Chris geht nicht…
Er steht wie versteinert an der Wand und starrt ins Leere.
„Hey.“ Sage ich vorsichtig und er sieht mich an.
„Schafft er es?“ es ist eher eine Bitte wie eine Frage und ich nicke leicht.
„Es sieht gut aus, wir haben getan was möglich war.“ Ich reibe mir meinen Nacken und will an ihm vorbei gehen.
„Juls?“ fragt er vorsichtig und ich bleibe stehen.
Er zieht mich ohne ein weiteres Wort in den Warteraum und bugsiert mich auf einen Stuhl.
„Juls, ich muss dir was sagen…“ er setzt sich mir gegenüber und ich sehe ihn gespannt an. „Es tut mir so wahnsinnig leid.“ Er fährt sich durch die Haare.
„Was meinst du?“
Worauf will er jetzt hinaus?
„Damals, als du mir sagtest das du mich liebst, da bekam ich plötzlich Angst, ich kann nicht einmal sagen wovor, aber ich sah dich nur an, meine kleine Süße, und Panik stieg in mir auf… dann habe ich gelacht, weil ich einfach nicht wusste was ich tun soll. Juls, ich habe dich auch geliebt, aber angesichts dessen was bei dir und Fin los war, wollte ich einfach nicht zwischen die Fronten geraten. Ich war feige. Dann dieser atemberaubende Sex mit dir, Süße ich liebe dich so sehr, ich will nicht das das ein Ausrutscher war. Ich will dich!“ Er reibt seine Hände an seinen Oberschenkeln und ich sehe ihn verständnislos an.
„Wie bitte?“ meine Stimme droht zu versagen.
Die kleine Julie, die ich schon lange nicht mehr gehört habe, wird wach und fängt an zu rebellieren, einfach so, ohne Vorwarnung.
„Du kannst so etwas nicht einfach sagen.“ ich springe auf und er sieht mich überrascht an. „Ich quäle mich über 12 Jahre damit herum die meine Gefühle gestanden zu haben, du hast mich ausgelacht… du warst der Grund warum ich weg wollte, alles hätte ich ertragen, aber das du mich ausgelacht hast, das hat mein Herz gebrochen. Verstehst du mich?“ Die kleine Julie spricht aus mir, sie wütet und weint. „Ich bin endlich wieder zu Hause. Herrgott, ich habe sogar mit Oli meinen Frieden gefunden. Wir sind Freunde, vielleicht sogar die Besten. Dann schlafen wir miteinander und alles steht wieder Kopf.“ Ich gehe zur Tür. „So einfach ist das nicht. Das kannst du nicht machen.“
„Juls!“ Er springt auf und hält mich am Arm fest.
„Lass mich los.“ Meine Gedanken überschlagen sich, mein Herz rast und mein Atem beschleunigt sich ohne dass ich es will.
Lass mich los!
Bitte geh weg!
Ihn so dicht bei mir zu spüren bekommt mir überhaupt nicht… genau um das zu vermeiden, habe ich ihn die letzten Monate auf Abstand gehalten.
Nicht genug damit, das ich so schon genug verwirrt bis, nein meine Schwangerschaftshormone tun ihr übriges.
„Juls, bitte sieh mich an…“ er legt seine Hand unter mein Kinn „Ich kann und werde nicht erwarten, dass du mir verzeihst, aber nachdem was heute Adam passiert ist habe ich eine ungefähre Vorstellung davon wie es Fin ging. Und Adam ist nur mein bester Freund und nicht meine kleine Schwester. Außerdem ist das Leben zu kurz um das hier nicht zu tun.“ Mit einer schnellen Bewegung zieht er mich in seine Arme und presst seine Lippen auf meine.
Ich bin wie erstarrt und wage es nicht zu atmen. Seine Lippen sind weich, zart und warm und ich stehe kurz davor diesen Kuss zu erwidern.
Ich besinne mich und mache mich von ihm los, ich hole aus und gebe ihm eine schallende Ohrfeige.
Wütend stürme ich aus dem Raum und fahre in die Umkleidekabinen.
15 Minuten später sitze ich in meinem Auto Richtung Frederiksberg. Ich entscheide mich zu meiner Mum und Jon zu fahren, ich bin mir sicher, sie haben von dem Unfall gehört und ich möchte sie auf den Neusten Stand bringen.
Kaum das ich parke kommt Fin aus dem Haus. Er nimmt mich in den Arm und ich erzähle drinnen allen die Kurzfassung. Fin ist froh, dass es so gut ausgegangen ist, denn im Krankenhaus hat er kaum verstanden was ich zu Adams Eltern gesagt habe.
„Fin, hast du einen Moment?“ ich sehe ihn bittend an als ich mit meinen Ausführungen fertig bin.
Ich muss ihm jetzt die Wahrheit sagen, die ganze Wahrheit.
Er nickt und folgt mir ins Gästezimmer, ich gehe an mein Geheimversteck, zuerst zeige ich ihm den Brief von Jon, er liest ihn und dann lege ich das Buch in seine Hände.
„Lies die letzten beiden Seiten, dann reden wir.“ Sage ich zu ihm und lege meinen Kopf an seine Schulter während er durch das Buch blättert, Fotos von Fin und mir, von Chris und mir, Fin und Chris und wir alle drei zusammen. Da sind wir vielleicht 10 oder 11. Freja ist auch auf einigen Fotos drauf und wir lachen leise. Dann schlägt er besagte Seiten auf.
22.04.1999
Ich möchte hier weg, nur weit weg.
Was habe ich getan?
Warum tun sie mir das an?
Es tut weh…
Heute habe ich einen Stein an den Kopf bekommen. Das tat wirklich weh und dann hat Oliver meine Brille runter geworfen. Sie sind so gemein. Ich möchte dass Fin mir hilft, ich möchte dass er für mich da ist… aber er steht bei Oliver und den anderen und sieht mich nicht einmal an.
Ich bin doch seine Schwester!
Ich liebe ihn nicht mehr!
Er ist mir egal!
Ich will niemals wieder mit ihm reden!
Niemals!
Etwas weiter unten auf der Seite steht ein Zusatz und er lächelt als er das Datum sieht. Im letzten Jahr habe ich immer mal wieder was herein geschrieben, aber ich habe es nie aus seinem Versteck mit genommen…
24.3.2011
Ich war weg, lange Zeit war ich weg… Aber ich bin wieder da, ich fühle mich wohl und habe meine Heimat als mein Zu Hause zurück erobert.
Fin ist ein toller, großer Bruder… er versucht alles wieder gut zu machen. Aber das braucht er gar nicht, ich merke dass er sich verändert hat.
Ich liebe ihn!
Wirklich und aus ganzem Herzen, er hat mir das gegeben was ich brauchte: Zeit.
Oliver ist einer meiner besten Freunde geworden, ich fühle mich hier so wohl… Zusammen mit allen!
Fin sieht mich an und haucht mir einen Kuss auf die Stirn, dann blättert er um, er sieht das große Herz in dem Juls und Chris steht und das dann mit einen Kugelschreiber über gemalt wurde. Stümperhaft, denn man kann es immer noch erkennen.
23.04.1999
Es ist der schlimmste Tag in meinem ganzen Leben, denn wie sehr sie mich in der Schule auch ärgern und wie sehr mir Fin und die anderen weh tun. Was Schmerz ist habe ich heute erst gelernt, es ist wenn dir dein Herz heraus gerissen wird, wenn du von dem Menschen den du am meisten vertraust verraten wirst.
Ich habe ihn wirklich geliebt, wirklich!
Morgen gehe ich zu Mum, ich bleibe nicht einen Tag länger hier. Ich habe mit Dad telefoniert, ich darf zu ihm und dort werde ich bleiben bis es meinem Herz wieder gut geht und es verheilt ist!
Bye Kopenhagen! Bye Mum! Bye Jon! Bye Fin!
Fin sieht mich entsetzt an. Wieder steht ein Stück weiter unten etwas Neueres und er sieht mich an, ich nicke leicht.
05.01.2011
Egal wie lange ich weg war, mein Herz wird nie heilen, jede Nacht sehe ich seine Augen im Traum, ich erinnere mich an die schönen Sachen die wir zusammen unternommen haben. Jetzt sind schon so viele neue Erinnerungen dazu gekommen, aber ich kann ihn nicht an mich heran lassen… es schmerzt so sehr, ich habe nie wieder einen Mann lieben können. Gestern habe ich mit ihm geschlafen, es war das Schönste was ich in meinem Leben bisher erlebt habe. Aber anstatt danach darüber zu reden, habe ich ihm gesagt das es ein Ausrutscher war und nie wieder vorkommen wird. Ich weiß nicht ob ich das kann.
Fin sieht mich an und ich sehe zu Boden.
„Bitte lies weiter.“ Ich möchte lieber das er es liest als das ich es ihm sage.
18.05.2011
Ich weiß nicht weiter…
Ich bin schwanger!
Von Chris!
Ich weiß es schon seit ein paar Wochen, aber ich kann es niemandem sagen. Ich weiß nicht wie es weiter gehen soll, ich habe überlegt das Kind weg machen zu lassen, aber ich war schon in der 14. Woche als ich es erfahren habe. Ich bin jetzt schon in der 20. Woche und ich merke die ersten Tritte. Die anderen bemerken nichts und ich bin froh darüber… ich kann es ihnen nicht sagen, ich kann es ihm nicht sagen…In meinem Herzen gab es immer nur ihn und jeden habe ich mit ihm verglichen. Aber ich sterbe lieber allein und ziehe unser Kind alleine groß als mich der Gefahr auszusetzen wieder verletzt zu werden.
Gebrochene Herzen heilen nie ganz, sie vernarben nur.
Fin starrt auf das Buch und ich komme hoch und sehe ihn an.
„Ist das wahr?“ fragt er zaghaft und ich lüfte mein T-Shirt.
„Oh Juls.“ Er streicht ganz zart über meinen Bauch.
„Er hat es mir heute gesagt.“ Sage ich leise.
„Was Juls?“ er klappt das Buch vorsichtig zu.
„Chris hat mir gesagt, dass er mich damals schon geliebt hat und dass er Angst hatte zwischen die Fronten zu kommen. Er hat mir auch gesagt, dass es für ihn nicht nur ein Ausrutscher war und dass er mich immer noch liebt und dann hat er mich…“ ich breche ab und schließe gequält meine Augen.
„Was hat er Juls?“ fragt Fin sanft.
„Er hat mich geküsst.“ Meine Stimme ist nicht mehr wie ein Flüstern.
„Und was hast du gemacht?“ er zieht mich in seine Arme.
„Ich habe ihn geohrfeigt.“ Gebe ich leise zu.
„Oh Juls.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Haare.
„Fin ich kann das nicht… Was wenn er mich verletzt? Was wenn es schief geht?“ ich sehe ihn zweifelnd an.
„Juls…“ er nimmt meine Hände in seine „Was wenn du seine Eine bist? Ihr bekommt ein Baby und meinst du nicht, er sollte es langsam mal wissen?“ er sieht mich fragend an.
„Was wenn ich nicht seine Eine bin?“ Gott in meinem Kopf dreht sich alles…
„Juls, ich kenne ihn mein ganzes Leben. Er hat dich immer geliebt, er hat nie damit aufgehört… ich kenne ihn. Er hat es mir gegenüber nie gesagt aber ein Blick in seine Augen, wenn du da bist, reicht…“ er zieht mich hoch „…Es gibt nie eine Garantie. Liebe ist gleich Risiko.“ Er küsst mich auf die Wange und schubst mich quasi aus dem Zimmer.
„Was soll ich jetzt machen?“ ich sehe ihn unsicher an.
Er schaut auf sein Handy.
„Er ist zu Hause. Fahre zu ihm!“ er schubst mich fast die Treppen runter. „Und du kommst erst wieder, wenn das geklärt ist und ach ja liebe grüße von Magnus, du hast morgen frei.“ Er gibt mir meine Sweatjacke und ich sehe ihn immer noch verständnislos an.
„Juls beweg dich, Schuhe anziehen und redet endlich und du kommst nicht ehe wieder, ehe ihr das nicht geklärt habt, ein für alle mal. Ihr bekommt ein Baby. Verstanden?“ er gibt mir meinen Autoschlüssel.
Wo hat er meinen Autoschlüssel her?
Ich ziehe mir meine Jacke an und schlüpfe in meine FlipFlops. Immer wieder sehe ich ihn ängstlich an.
„Juls, bitte!“ Er gibt mir einen weiteren Schubser und ich stehe vor der Tür.
„Fin…“ setze ich an.
„Nein Juls…“ er gibt mir einen Kuss auf die Stirn „…Vertrau mir!“
Ich setze mich in mein Auto und atme ein paar Mal ganz tief durch.
Ich starte schließlich den Motor und schlängele mich durch die Straßen Frederikbergs. Ich parke vor seinem Haus und atme ein paar Mal erneut tief durch, das Baby strampelt und ich lege beruhigend meine Hand auf den Bauch.
Zögerlich gehe ich zur Tür und drücke zaghaft auf den Klingelknopf.
Augenblicke später steht Chris in der Tür und sieht mich verwirrt an.
„Julie?“ stellt er verwirrt fest.
„Kann ich rein kommen?“ frage ich vorsichtig.
„Sicher.“ Er macht eine Bewegung ins Innere des Hauses und ich gehe ihm voran. Leise klickend fällt die Tür ins Schloss. Ich ziehe meine Jacke aus und hänge sie an die Garderobe.
Ich bemerke, dass er mir nicht gefolgt ist und drehe mich zu ihm um.
In seinem Blick liegt die ganze Verwirrung, Anstrengung und das Bangen dieses Tages. Seine braunen Augen suchen nach einem Zeichen von mir. Einen kleinen Moment kämpfe ich mit mir, schließlich gehe ich auf ihn zu und sehe ihm in die Augen.
Diese wunderschönen Augen…
Ich beuge mich zu ihm und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen.
Als ob er nur auf dieses Zeichen gewartet hat, nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich stürmisch.
Gott, seine Lippen sind so warm und weich… meine Knie drohen nachzugeben.
Er hält mich nun fest an sich gepresst und seine Zunge fordert zögernd Einlass in meinen Mund, ich lasse ihn gewähren und in meinem Magen schwirren tausend Schmetterlinge.
Nein, dieses Gefühl hatte ich noch nie…
Nur er kann das in mir auslösen.
„Chris, ich muss dir was sagen.“ Sage ich atemlos zwischen zwei Küssen.
Er sieht mich gespannt an und ich ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf. Er starrt auf meinen Bauch, ich lege seine Hand vorsichtig drauf und er sieht mich prüfend an.
„Du wirst Papa.“ Flüstere ich.
„Oh meine Süße!“ er zieht mich in seine Arme und küsst mich.
Wir setzen uns an den Tisch und ich bitte ihn mich kurz reden zu lassen.
„Chris, das war ein riesiger Schock für mich als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin. Ich wollte dieses Baby nicht, aber ich war schon in der 14. Woche. Jonas hat zu mir gesagt, dass ich es nie hätte abtreiben können, aber ich bin mir da nicht sicher. Ich wollte nie Kinder, weil ich keinem Kind eine solche Jugend zumuten wollte, wie ich sie hatte. Ich wollte mir nicht eingestehen, das ich dich wollte und habe so ein schlechtes Gewissen gegenüber unserem Baby.“ Ich sehe ihn betreten an.
„Süße…“ er kommt um den Tisch herum „… Du hättest es nie getan, ich kenne dich. Ich werde Papa und das ist das allerschönste auf der ganzen Welt für mich.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mich hoch.
Er bugsiert mich zur Couch und küsst mich unablässig.
„Meinst du das ist…“ er sieht auf meinen Bauch.
„Alles was für die Mama gut ist, ist auch für das Baby gut.“ Grinse ich und öffne meinen BH.
Als ob er nur darauf gewartet hat fängt er an meinen Körper mit tausend Küssen zu bedecken und ich stöhne lustvoll auf als er endlich in mich eindringt.
So sehr habe ich mich danach gesehnt ihn endlich wieder zu spüren und ich kralle mich an seinem Rücken fest.
Erschöpft liegen wir uns in den Armen und er strahlt mich an.
„Du machst mein Leben perfekt.“ Er küsst meinen Bauch.
„Und laut.“ Grinse ich.
„Das ist egal…“ er kommt hoch und küsst mich auf den Mund.
„Chris, ich liebe Dich.“ Ich sehe ihn genau an, ein lächeln umspielt seine Lippen und ich vergesse einen Moment zu atmen.
„Ich liebe dich auch, meine Süße!“ er gibt mir einen leidenschaftlichen Kuss, ich schließe meine Augen und eine einzelne Träne läuft über meine Wange.
Die kleine Julie tanzt auf einer Blumenwiese und lacht glücklich.
Ich bin angekommen!
Nach einer guten Stunde stehen wir auf und ich ziehe mir meinen BH und meinen Rock wieder an. Chris stellt sich hinter mich und streichelt über meinen Bauch.
„Wann kommt das Baby?“ haucht er mir ins Ohr und ich kichere, weil es mich kitzelt.
„Am 14. September.“ Sage ich und drehe mich in seinem Armen zu ihm.
Er hält mich einfach nur fest und ich bin mir sicher, dass ich mich an keinem anderen Ort der Welt so wohl fühlen würde, wie ich es jetzt in seine Armen tue.
Ich bin wirklich angekommen… endlich!
„Hast du Hunger meine Süße?“ Chris sieht mich an als mein Magen ziemlich deutlich knurrt.
„Hmm.“ Ich nicke leicht.
„Dann mache ich euch mal eben was zu essen.“ Er streichelt über meinen Bauch und ich grinse.
„Was gibt es denn?“ ich küsse ihn und er zieht mich in seine Arme.
„Alles was du willst.“ Lacht er.
„Hast du irgend etwas mit Hähnchen?“ ich sehe ihn fragend an.
„Sicher doch.“ Er lächelt „Hähnchen also?“ er zieht eine Augenbraue hoch.
„Ja Hähnchen in allen Variationen, Wassermelone, Erdbeeren und Ost überhaupt.“ Ich streiche über meinen Bauch.
„Und Gurken mit Nutella?“ er grinst.
„Bäh… ich bin schwanger und nicht essgestört.“ Lache ich.
„Dann setzt dich doch ein bisschen in die Sonne und ich zaubere dir was.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und ich gehe auf die Terrasse.
Ich lege mich auf eine der Sonnenliegen und hole mein Handy aus der Rocktasche.
Ich rufe kurz Sam an und erzähle ihm vom heutigen Tag, gerade als ich aufgelegt habe kommt Chris mit einem Teller zu mir.
Hmm, Hähnchenfilet mit grünem Salat.
Wir setzen uns an den Tisch und sehen uns die ganze Zeit immer wieder an.
„Ich kann es nicht fassen.“ Sagt Chris als wir den Geschirrspüler eingeräumt haben.
„Ich auch nicht.“ Lächle ich und bin mir sicher, dass ich nie wieder aufhören kann.
„Los komm mit, ich möchte noch ein wenig an den Strand.“ Er hält mir seine Hand hin und ich grinse.
„Darf ich vorher kurz zu mir? Ich müsste mir was zum anziehen holen.“ Gebe ich zu bedenken und er lacht auf.
„Aber sicher meine Süße!“ er gibt mir einen innigen Kuss.
„Packe gleich eine Tasche, denn ich möchte dass du erst einmal bei mir bleibst.“ Er zwinkert mir zu.
„Erst einmal?“ ich sehe ihn lächelnd an.
„Ich kann ja schlecht sagen, ich will das du sofort bei mir einziehst, oder?“ er zieht sich ein T-Shirt über und sieht mich fragend an.
Meint er das im Ernst?
„Versuch es doch.“ Fordere ich ihn süffisant lächelnd auf.
Er kommt zu mir und geht vor mir auf die Knie.
Was ist denn jetzt los?
„Mein süße Juls! Bitte, bitte mache mich zum glücklichsten Mann auf der ganzen Welt…“ er sieht mich grinsend an „… Heirate mich und ziehe zu mir.“ Sagt er und ich sehe ihn erstaunt an.
„Hast du mich gerade gefragt ob ich dich heirate?“
Mein Herz schlägt bis zum Hals.
„Ja klar, wir bekommen ein Baby, ich will dich immer bei mir haben… Juls, wir haben uns 12 Jahre lang gequält, wir haben uns endlich gefunden und ich möchte dich zu meiner Frau machen. Du gehörst zu mir.“ Er sieht mich an und ich bekomme eine Gänsehaut, er meint es wirklich ernst.
„Ja.“ Hauche ich und er wirbelt mich durch die Luft.
„Stopp.“ Lache ich und er setzt mich ab „Ich glaube, das Baby ist nicht Schwindelfrei.“ Ich nehme seine Hand und lege sie auf meinen Bauch, das Baby strampelt und er sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Es freut sich, das seine Mami glücklich ist.“ Sage ich leise.
„Der Papa ist auch glücklich.“ Er küsst mich so wahnsinnig liebevoll, das mein Herz dahin schmilzt wie Eis in der Sonne.
Er hat mich mit Haut und Haaren…
Wir gehen nach draußen und sehen auf unsere beiden Autos.
Chris fährt einen Sportwagen, genau wie ich und wir lachen beide.
„Ich glaube Herr Claasen wird sich bald ein neues Auto zulegen müssen.“ Lache ich und er strahlt mich an.
„Nichts lieber als das.“ Er hält mir seine Beifahrertür auf und ich steige ein.
Wir fahren die 5 Minuten zu mir und er kommt mit hoch.
„Chris?“ jammere ich und lasse mich auf mein Bett fallen.
„Was denn Süße?“ er kommt ins Schlafzimmer.
Ich stehe auf, mein Bikini passt mir nicht mehr wirklich, das Oberteil sitzt ziemlich eng und die Hose passt nicht über meinen Bauch.
„Dreh Dich.“ Sagt er grinsend und ich drehe mich. „Perfekt.“ Er nimmt mich in den Arm und ich sehe ihn zweifelnd an.
„Ich sehe aus, als hätte ich zuviel gegessen.“ Ich ziehe einen Schmollmund.
„Ach Süße, jetzt zieh dir was an…“ er gibt mir einen kleinen Schubs „… ich will mit meiner Verlobten angeben.“ Er zwinkert mir zu.
„Hey, solange an meinem Finger noch kein Ring ist, hast du keine Ansprüche.“ Rufe ich ihm hinterher und such ein meinem Kleiderschrank nach etwas was mir noch passt, denn mein Kontingent an weiten Klamotten ist langsam aber sicher aufgebraucht.
Ich ziehe mir noch langem hin und her einen langen geblümten Rock im Hippie Style an, da dieser nur auf der Hüfte sitzt stört mein Bauch da nicht wirklich und dazu ein einfaches Top.
Gut es versteckt nichts, aber das muss ich jetzt auch nicht mehr.
Ich mache mir zwei gedrehte Zöpfe an den Seiten und komplettiere so meinen Hippie Look. Zufrieden gehe ich ins Wohnzimmer und drehe mich um meine eigene Achse.
„Und was sagst du?“ ich grinse Chris an.
Er steht auf und sieht mich prüfend an.
„Wunderschön.“ Haucht er mir ins Ohr und ich schlinge meine Arme um ihn.
„Ich liebe Dich.“ Sage ich leise und seine Augen leuchten.
„Ich dich auch.“ er gibt mir einen Kuss und wir gehen ins Schlafzimmer, um eine Tasche zu packen.
„Was soll ich denn einpacken?“ ich sehe in meinen Kleiderschrank.
Chris überlegt kurz, nimmt dann meine große Tasche, stellt sie vor den Schrank und wirft wahllos alles rein was er zwischen die Finger bekommt, dann nimmt er meine Schublade mit meiner Unterwäsche und kippt sie ebenfalls rein.
„So, sollte erst einmal reichen.“ Sagt er zufrieden.
„Okay, so packst du also.“ Ich sehe ihn zweifelnd an.
„Warte, ich pack noch dein Waschzeug.“ Er macht sich auf den Weg ins Bad.
„Stopp!“ ich hole ihn ein und lege ihm meine Hand auf die Brust. „Du bringst jetzt die Tasche zum Auto und ich packe meine Waschsachen.“ Ich gebe ihm einen Kuss und gehe lieber selber ins Bad. Ich packe fast alles ein was ich habe und reiche ihm die kleine Tasche.
„Das ist dein Waschzeug?“ er sieht mich angesichts der kleinen Reisetasche entgeistert an.
„Ja.“ Ich lache und folge ihm aus der Wohnung.
Der Kofferraum ist voll und wir machen uns endlich auf den Weg zum Strand, es ist kurz nach 12 Uhr als wir endlich ankommen.
Chris nimmt mich an die Hand und küsst mich immer wieder. Ich sehe zu unserem Platz am Volleyballfeld, aber ich muss fest stellen das augenscheinlich keiner von den anderen da ist. Chris breitet ein Handtuch aus und wir legen uns in die Sonne. Wir brauchen beide ein wenig Erholung nach diesem doch sehr anstrengenden Tag. Ich lege meinen Kopf auf Chris seine Brust und schlafe schon ein paar Augenblicke später ein.
„Das glaub ich nicht…“ ertönt eine quietschige mir sehr bekannte Stimme und ich öffne meine Augen, auch Chris kommt leicht hoch und wir sehen die anderen auf uns zustürmen.
Chris steht auf und zieht mich hoch. Nun starren alle auf meinen Bauch und ich lächle verlegen.
„Was bitte?“ Oli versucht sich zu sammeln und Chris lacht angesichts seines Gesichtsausdruckes auf.
„Also hier die Kurzfassung. Wir lieben uns, wir hatten Anfang des Jahres ein One-Night-Stand waren aber bis heute kein Paar…“ er sieht zu Freja die gerade etwas sagen wollte „… Tja, Juls ist schwanger wie ihr seht…“ er streichelt über meinen Bauch „… Also würde ich sagen wir werden im September Eltern.“ Er strahlt in die Runde und alle gratulieren uns überschwänglich.
„Ach ja, ich habe glatt vergessen zu erwähnen das wir verlobt sind und zusammen ziehen.“ Chris grinst schelmisch und ich lächle.
Wow und das alles in weniger wie 5 Stunden, wir sind gut… Richtig gut.
Fin zieht mich in seine starken Arme.
„Ich glaube, ich kann es jetzt Chris überlassen auf dich aufzupassen.“ Er zwinkert mir zu.
„Ich danke dir Fin.“ Ich nehme ihn fest in den Arm.
„Dafür nicht Juls…“ er küsst meine Stirn „…Ach ja und Mum und Far sind so etwas von aus dem Häuschen.“ Er grinst schelmisch und sieht dann zu Chris während ich lache „… Chris, Alter, krümm ihr ein Haar und du bist wirklich so etwas von Tod!“ er sieht ihn erst an und Chris kommt zu uns und entreißt mich liebevoll Fin seinen Armen.
„Meine Frau, meine Angelegenheit, mein Kind und mein…“ er macht ein Pause und sieht mich an „… Traum!“ er küsst mich und die anderen johlen.
Lærke und Freja können es gar nicht richtig fassen und wir sitzen zusammen wie die Hühner.
„Gott Mädels, ihr seid schlimmer wie ein Hühnerstall.“ Oli sieht uns strafend an.
„Hey, nicht so frech sonst überlege ich es mir noch mal ob du Patenonkel für unser Baby werden sollst.“ Ich sehe ihn empört an.
„Ich?“ er sieht mich mit großen Augen an.
„Ja du.“ Sage ich und lächle.
„Es wäre mir eine Ehre.“ Er küsst meine Hand.
„Spinner.“ Lache ich und ziehe ihn in meine Arme.
„Danke Juls.“ Sagt er sichtlich gerührt und ich streiche ihm über die Wange.
„Danke, dass du ein so toller Freund bist.“ Sage ich ehrlich und er lächelt verlegen.
Schon komisch wie es manches Mal im Leben läuft, man kann sich vornehmen auf alle Dämonen seiner Vergangenheit für immer und wenig böse zu sein, aber tatsächlich schafft man es nur so lange, wie man sie nicht sieht. Ich bin jetzt seit einem Jahr wieder hier…
Fin ist neben Chris der wichtigste Mensch in meinem Leben.
Oli ist ein toller Freund.
Ich bin schwanger, verlobt und ich ziehe bald um.
Die kleine Julie strahlt, pflückt eine Pusteblume und pustet ganz kräftig, dann schließt sie ihre Augen und ich weiß, das egal was sie sich wünscht… der Wunsch geht in Erfüllung.
Epilog
„Mum? Wann kommen Jo und Sam endlich?“ Nick hibbelt ungeduldig auf dem Sitz hin und her und ich grinse. Er ist immer so aufgeregt wenn seine Patenonkel aus Dublin kommen. Er ist fast 8 und wirklich lieb, er sieht aus wie sein Far und wenn ich meine er sieht aus wie, dann meine ich eigentlich, er ist eine Kopie von ihm… in jeglicher Hinsicht.
„Schau mal Nick, der Flug ist gelandet.“ Ich deute auf die Tafel und er springt auf.
„Hier seid ihr ja.“ Chris kommt mit dem Zwillingskinderwagen, in dem unsere 3 jährigen Zwillinge Lilly und Molly sitzen, bei uns an und küsst mich zärtlich. Ich sehe hinter ihn und Fin kommt mit unserer Großen an der Hand zu uns.
Miley ist 6 und sieht eher aus wie ich, sie hat lange dunkelbraune Haare und leuchtend blaue Augen, Fin liebt sie abgöttisch.
Chris stellt sich hinter mich und wir sehen alle gespannt in den Ankunftsbereich, gedankenverloren streicht er über meinen kugelrunden Bauch, in 6 Wochen bekommen wir weiteren Zuwachs und wir haben beschlossen, das wir mit 5 Rackern dann auch gut ausgelastet sind.
Dann endlich sehe ich Sam und Jonas, Miley und Nick sind nicht mehr zu halten und fallen den beiden um den Hals. Ich lächle, sie lieben die beiden so sehr und die beiden lieben unsere Kiddies mehr wie uns lieb ist, denn sie verwöhnen sie wo sie nur können.
Aber sie machen auch vor Lærkes und Fins Kindern nicht Halt. Ben, Lina und Sarah werden verwöhnt bis zum geht nicht mehr.
Ich glaube wir nehmen uns da alle nicht viel… jeder verwöhnt die Kinder des anderen und beschwert sich dann darüber, dass die eigenen Kinder verwöhnt werden. Ganz besonders schlimm ist es wenn Oli und Freja mit Mads, Louis, Emil und Frederik kommen.
11 Kinder im Zaum zu halten, ist schon eine Aufgabe für sich…
Oli ist besonders besorgt um Miley, er liebt sie so sehr, sie ist die Tochter für ihn, die er nicht hat.
Ich weiß Miley wird es immer gut haben, denn egal was in unsere Jugend passiert ist, keiner von uns würde zulassen, dass sich eine solche Geschichte wiederholt…
Texte: Stephanie Muhs
Bildmaterialien: Google, me
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2012
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