Was passiert, wenn eine Minute dein bisheriges Leben auf den Kopf stellt?
Wenn du plötzlich feststellen musst, dass nichts so ist wie es scheint?
Wenn alles auf die Probe gestellt wird und du keine Ahnung hast wie es ausgeht.
Dann hast du zwei Möglichkeiten.
Zum einen beginnst du zu kämpfen und hoffst darauf es hin zu bekommen.
Zum anderen steckst du den Kopf in den Sand und harrst der Dinge aus die kommen. Kurzum du gibst auf.
Eigentlich habe ich mich bisher gerne zu den Menschen gezählt die der ersten Gruppe angehören, aber in den letzten Jahren meines Lebens habe ich gemerkt, das aufgeben viel einfacher ist. Viel einfacher als sich seinem Leben zu stellen.
Dann von einer auf die andere Sekunde veränderte sich alles, vor allen Dingen änderte er mich.
Bis vor etwas mehr als zwei Jahr habe ich in Seattle gelebt und hatte mir dort ein schönes Leben aufgebaut. Dann geschah etwas, was mich so aus der Bahn warf das ich zurück nach Hause, nach Dublin, geflüchtet bin.
Meine Familie und meine Freunde fingen meinen ungebremsten Sturz in die Hoffnungslosigkeit ab und versuchten alles was in ihrer Macht Stand um mir zu helfen, aber ich verlor mich auf dem Weg und nun arrangiere ich mich mit meinem Leben so wie es ist.
Das soll nicht heißen dass es nicht gut ist, es heißt nur dass ich denke dass mir vielleicht was anderes bestimmt war.
„Kerry! Molly!“ rufe ich meine beiden Schützlinge zu mir und die beiden 11 jährigen kommen auf mich zu gehopst.
„Wir müssen los, eure Mum wartet.“ Sage ich zu den beiden und wir steigen in mein Auto.
Heute waren wir im Johnstown Park in Central Dublin und die beiden sind jetzt schon völlig erledigt.
„Eure Mum macht heute mit euch eure Hausaufgaben.“ Erkläre ich den Beiden als sie mich fragen wie lange ich heute bleibe „Ich setze euch zu Hause ab und muss dann noch zu Mrs. Dawson ins Büro.“
„Oh Schade. Aber Morgen kommst du doch wieder, oder?“ Molly sieht mich mit großen Augen an.
„Versprechen kann ich nichts, aber wenn ich nicht komme dann schicke ich euch eine Nachricht. Einverstanden?“ ich sehe beide an einer Ampel an und sie nicken eifrig.
Ich bin als Springer meiner Agentur unterwegs, aber es stört mich nicht. Seit einem Jahr arbeite ich nun für Childcare und ich kenne schon fast alle Klienten in und um Dublin und bin überall immer gerne gesehen. Die Kinder sind zwischen 8 und 15, das heißt ich bin in der mittleren Gruppe, der Gruppe 2, tätig.
Amanda, meine Chefin, rief mich heute Vormittag an und hat mich zu einem Gespräch gebeten. Ich weiß noch nicht was ich davon halten soll, aber ich lasse es einfach mal auf mich zukommen.
Dann erreichen wir das Haus von Kerrys und Mollys Eltern und ich steige aus um die Zwei raus zu lassen.
„Bye Julie!“ Kerry winkt mir fröhlich zu.
„Bye!“ rufe ich ihr lächelnd hinterher.
„Bye Julie. Es war ein super schöner Tag.“ Molly grinst mich an.
„Ja, das fand ich auch.“ Gebe ich zu.
„Komm bald wieder, ja?“ sie sieht mich bittend an.
„Na, ja ich will mal hoffen dass Claire morgen wieder gesund ist.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Vielleicht.“ Lacht sie und ich winke ihrer Mum zu.
„Bye Julie und vielen Dank!“ ruft sie mir von der Tür aus zu.
„Kein Problem Mrs. Lewis!“ rufe ich zurück und schlängele mich dann durch den dichten Stadtverkehr und bin wirklich froh als ich nur eine Straße von der Agentur entfernt einen Parkplatz ergattere.
Ich fahre mit dem Fahrstuhl hoch in den 8. Stock und klopfe an Amandas Bürotür.
„Hallo Julie!“ Sam, Amandas Sekretärin winkt mir fröhlich zu und ich erwidere es.
„Herein.“ Kommt es nun von drinnen und ich trete in Amandas Büro.
„Ah Julie, schön das du hier bist.“ Begrüßt sie mich strahlend.
„Ja, ich habe die Lewis Zwillinge abgesetzt und bin gleich her. Es klang am Telefon wichtig.“ Ich setze mich und sie nickt.
„Ja, es ist Wichtig…“ setzt sie an „Ich würde dich jetzt gerne bei den Springern der Gruppe 2 raus nehmen.“
„Habe ich was Falsch gemacht?“ ich sehe sie mit großen Augen an.
„Aber nein…“ sie winkt lächelnd ab „Ich möchte dass du deinen ersten eigenen Klienten bekommst.“
„Ich?“ ich sehe sie erstaunt an.
„Ja, alle schwärmen von dir und sind so zufrieden und als ich heute Morgen diese Anfrage bekam, da dachte ich sofort an dich.“ Sie deutet auf ein Blatt Papier vor sich.
„Oh, wow.“ Ich sehe sie an „Worum geht es denn?“
„Also die Anfrage ist von der Großmutter gestellt worden und die Daten sind ein wenig dürftig. Arbeitstelle ist White Castle in Donegal, 24 Stunden Service mit einem freien Tag in der Woche. Alter des Kindes 5, allein erziehender Vater, erfolgreicher Architekt und die Großeltern wohnen eine halbe Stunde entfernt in Derry. Full Service.“ Sie sieht mich an.
„Ich hatte es bisher noch nie mit so kleinen Kindern zu tun.“ Gebe ich zu bedenken.
„Da mache ich mir bei dir keine Gedanken.“ Sie lächelt „Außerdem muss ich gestehen, das ich ansonsten niemanden habe der einen Full Service Job übernehmen könnte.“
„Wann soll es denn los gehen?“ ich sehe sie immer noch nicht überzeugt an.
„Am Montag.“ Sie sieht mich an.
„Das ist in drei Tagen.“ Sage ich erstaunt.
„Ja, das ist mir bewusst. Die Callahans würden dich am Montag um 11 Uhr in ihrem Haus in Derry erwarten und dich dann nach White Castle bringen.“ Sie sieht erneut in ihre Unterlagen.
„Callahan?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Ja, die Großeltern heißen Louise und Andrew Callahan, der Sohn heißt Matthew Callahan und der kleine Mann heißt Christien Daniel Callahan.“ Liest sie ab und ich nicke leicht.
„Andrew Callahan, der Computermogul?“ ich sehe sie fragend an und sie nickt.
„Genau der, deshalb muss ich dich bitten diskret zu sein.“ Sie betrachtet mich genau und ich nicke.
„Schon verstanden. Also gut Amanda, ich werde am Montag da hin fahren und schauen wie es sich entwickelt.“ Das ist zwar keine klare Zusage, aber mehr kann ich ihr nicht sagen.
„Das klingt gut Julie. Dein Gehalt liegt bei 3500 € Netto, Kost und Logie sind frei.“ Sie nickt mir erleichtert zu.
„Das klingt doch schon Mal gut…“ ich grinse sie an und sie lächelt „… Ich werde dann schauen das ich das mit meiner Mitbewohnerin hin bekomme. Liegt schon ein zeitlicher Rahmen vor?“ ich krame in den unendlichen Tiefen meiner Handtasche nach meinem Handy.
„Bisher ein Jahr.“ Liest sie ab und ich sehe sie an.
„Ein Jahr?“ echoe ich und sie nickt leicht.
„Vorerst.“ Fügt sie hinzu.
„Okay, da werde ich Lilly wohl sagen müssen das sie sich eine neue Mitbewohnerin suchen soll.“ Sage ich mehr zu mir selbst als zu ihr.
„Wir verbleiben so, du schaust dir das Ganze ein, zwei Wochen an und dann sagst du zu oder ab.“ Amanda sieht mich fragend an.
„Klingt gut, aber dann muss ich jetzt los.“ Ich sehe sie entschuldigend an und verlasse ihr Büro.
„Bye Sam! Schönes Wochenende!“ rufe ich Sam zu ehe sich dir Fahrstuhltüren schließen.
Ich fahre in mein und Lillys Apartment in Howth und bin froh das sie zu Hause ist.
„Lill?“ ich stürme in die Küche und sie sieht mich fragend an.
„Hallo erst einmal.“ Grinst sie.
„Hallo.“ Lache ich und setze mich ihr gegenüber an den Küchentisch.
„Na, schieß los Julie.“ Sie klappt ihren Laptop zu und sieht mich gespannt an.
„Ich habe einen neuen Job angeboten bekommen…“ setze ich an.
„Besinnst du dich endlich und gehst zurück in ein Krankenhaus?“ sie grinst.
„Nein.“ Sage ich lang gezogen „Ich habe von Amanda meinen ersten Full Service Auftrag bekommen, ab Montag bin ich erst einmal weg.“ Gestehe ich.
„Für wie lange?“ Lilly sieht mich skeptisch an.
„Wenn es nicht läuft dann nur ein oder zwei Wochen, wenn es gut läuft dann mindestens ein Jahr.“ Gestehe ich und sie sieht mich mit ihren großen blauen Augen an.
„Ist das dein Ernst?“ jappst sie.
„Jap.“ Ich nicke kurz und schnappe mir ihre Kaffeetasse.
„Und was ist mit mir?“ sie sieht mich flehentlich an.
„Komm schon Lill, du bist schon groß…“ ich grinse sie an „Ich gebe ja zu das letzte Jahr war toll zusammen mit dir, aber mal ehrlich wir sind 27.“ Ich nehme ihre Hand.
„Erst haust du mit 19 für 7 Jahre nach Seattle ab, dann bist du endlich wieder da und ich genieße es mit dir zusammen zu wohnen und jetzt, so mir nichts dir nichts bist du wieder weg? Julie…“ jammert sie und ich muss grinsen.
„Ich habe mir vorhin überlegt dass du ja nun eine neue Mitbewohnerin oder einen Mitbewohner brauchst und ich denke ich habe da schon jemanden für dich im Auge.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Na?“ sie sieht mich äußerst skeptisch an.
„Jonah.“ Grinse ich und sie lacht auf.
„Ich soll mit deinem Bruder zusammen wohnen?“ lacht nun auch sie.
„Komm schon ihr beide kennt euch ewig und seitdem er sich vor 6 Monaten von Kelly getrennt hat wohnt er wieder bei Mum und Dad und die Beiden wollen ihr Haus wieder für sich.“ Erkläre ich ihr.
„Ich weiß nicht.“ Lilly lehnt sich zurück und verschränkt ihre Arme vor der Brust.
„Komm Jonah hat einen festen Job, das heißt er bezahlt pünktlich die Miete. Er hat 4 Jahre mit Kelly überlebt, das heißt er ist wirklich zäh. Er kennt Haushalts- und Putzpläne und wenn er nicht spurt drohst du ihm mit seiner großen Schwester.“ Ich sehe sie gewinnerisch an.
„Du bist 3 Minuten älter wie er.“ Prustet sie los.
„Aber immerhin.“ Sage ich triumphierend.
„Okay, ich versuche es mit Jonah.“ Sagt sie schließlich.
Ich springe auf und falle ihr um den Hals.
„Danke Lill!“ sage ich leise und sie sieht mich an.
„Was tut man nicht alles für seine beste Freundin.“ Sie grinst verschmitzt.
„Die allerbeste!“ lächele ich und drücke ihr einen feuchten Schmatzer auf die Wange.
„Wo musst du eigentlich hin?“ Fragt sie nach einer Weile, als wir es uns mit einem riesigen Becher Bens & Jerrys auf dem Küchenfußboden bequem gemacht haben.
„Nach White Castle, das ist irgendwo in Donegal und eine halbe Stunde von Derry entfernt.“ Erkläre ich ihr.
„Das ist ja der Arsch der Welt.“ Sie steckt sich ihren Löffel in den Mund.
„Klingt ländlich. Ich bin gespannt was mich erwartet.“ Gebe ich zu.
„Und ich erst was mich mit Jonah erwartet.“ Lacht sie und ich stimme mit ein.
Dann reden wir die halbe Nacht über alles Mögliche und gehen erst zu Bett als die Sonne schon wieder langsam aufgeht.
Amanda hat mir das Wochenende frei gegeben und ich falle zum Mittag bei meinen Eltern ein. Als Erstes kommt ein mir leidiges Thema auf den Tisch. Wie immer, ich hätte es mir denken können. Sie wollen auf biegen und brechen dazu drängen mein Praktisches Jahr nach meinem Medizinstudium endlich fort zu setzen. Denn immerhin fehlen mir nur noch drei Monate dieses praktischen Teils.
Ich will das nicht…
Ich habe mit dem Thema abgeschlossen…
Nach einer Weile geben sie auf, so wie immer. Nachdem wir alle satt und zufrieden im Wohnzimmer auf der Couch sitzen sehe ich zu Jonah.
„Du Kleiner.“ ich grinse meinen kleinen Bruder an.
„Bitte Julie.“ Er verdreht die Augen. „Hör endlich auf damit, du bist nur 3 Minuten älter und ich bin 15 cm größer wie du.“
„Und wenn schon…“ winke ich ab „… Du brauchst doch eine neue Bleibe, oder?“
„Ja.“ Sagt er lang gezogen.
„Pass auf…“ ich setze mich gerade hin und sehe in die Runde „Ich habe einen neuen Job angeboten bekommen und bin so wie es aussieht ein Jahr lang in White Castle in Donegal. Das heißt mein Teil des Appartements in Howth ist frei und Lill hat nichts gegen dich als Mitbewohner.“ Ich sehe ihn an und er beginnt zu strahlen.
„Nenn mich wie immer du willst, du bist die Beste!“ er zieht mich in seine Arme.
„Sei ja lieb zu Lill.“ Sage ich drohend und er lacht auf.
„Ich bin immer lieb zu Lill.“ Er zwinkert mir zu.
„Einen neuen Job Schätzchen?“ mein Dad sieht mich mit großen Augen an.
„Ja, Full Service, der kleine Junge ist 5.“ Erkläre ich ihm kurz und er nickt.
„Und weiter?“ meine Mum wirft mir einen Blick alá Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen zu.
„Mehr darf ich nicht sagen Mum.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern. „Ich fahre am Montag erst einmal für zwei Wochen hin und dann entscheide ich mich, so lange müsst ihr auch noch Jonah ertragen.“ Ich sehe zu ihm und er knufft mich leicht.
„Okay Schätzchen.“ Mein Dad sieht mich an und ich schicke ihm einen Luftkuss.
„Ich hoffe es lohnt sich wenigstens Finanziell?“ meine Mum sieht mich skeptisch an.
„Ja, ich habe so gut wie keine Ausgaben und bekomme 3500 ¤ Netto. Ich kann mir gut was zusammen sparen wenn ich da bleibe.“ Ich sehe sie an und ihre blaugrauen Augen mustern mich eingehend.
„Okay.“ Sagt sie schließlich und ich lächle.
Hat sie wirklich geglaubt ich brauche ihre Erlaubnis dafür?
Den Rest des Tages faulenzen wir auf der Couch und sehen fern, es ist schön mit meiner Familie zusammen zu sein und ich genieße es in vollen Zügen.
Am Sonntag packe ich erst einmal alles so weit zusammen und ehe ich mich versehe essen Lill und ich das letzte Mal zusammen zu Abend.
„Ich werde dich so vermissen.“ Sie sieht mich traurig an.
„Ich dich auch Lill aber ich kann ja an den Samstagen vorbei kommen.“ Versuche ich sie zu trösten.
„Ich hoffe du kommst dann auch, nicht das du einen netten Mann kennen lernst und mich vergisst.“ Sie zwinkert mir zu und ich lache hohl.
„Das glaubst du doch wohl selber nicht, ich habe mir gestern White Castle auf Google Maps angeschaut, da ist nichts…“ ich schüttele meinen Kopf „… Das wird ruhig werden, mal schauen was ich mit meinem Pflegekind so anstellen werde. Außerdem weißt du das das Thema Männer bei mir durch ist.“
„Julie, nicht alle sind wie Kenneth. Du bekommst das alles hin.“ Sie lächelt leicht und ich nicke abwesend. Ich will nicht an ihn denken…
Nach dem Essen verabschiedet sie sich zu ihrem Nachtdienst und ich steige in die Badewanne. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder heraus komme wickele ich mich in ein großes Handtuch und gehe in mein Zimmer. Ich nehme mir meine Bodylotion und creme mich erst einmal gründlich ein. Ich hasse es trockene Haust zu haben, aber meistens bin ich viel zu faul mich einzucremen. Mein Blick fällt in den großen Spiegel meines Kleiderschrankes und ich betrachte mich einen Moment. Ich bin knapp 1,75 m groß und wiege 55 kg, ich habe ein gutes C-Körbchen und bin wirklich zufrieden mit meinem Körper. Meine langen braunen Haare fallen mir schwer und nass über die Schultern, sie enden in der Mitte meines Rückens, zumindestens der Großteil davon, der Rest ist durch gestuft und ich habe mir erst vor ein paar Wochen einen langen Pony schneiden lassen. Eine 15 cm lange Narbe prangt an meiner rechten Seite in Höhe meiner Brust, meistens sieht man sie nicht, eben nur wenn ich nackt bin oder nur einen Bikini trage. Ich streiche vorsichtig darüber und schließe gequält meine Augen. Dann atme ich tief durch, seufze und ziehe mir schnell was an.
Die Nacht vergeht schnell und ehe ich weiß wie mir geschieht sitze ich in meinem Auto in Richtung Derry.
Schon komisch, ich war noch nie in Nordirland, aber viel anders sieht es hier auch nicht aus, stelle ich fest als ich mich durch Derry schlängele.
Dann halte ich vor einem großen Haus, ich meine ein sehr großes Haus. Allein die Auffahrt schüchtert mich schon ein, das mir die Tür geöffnet wird kaum das ich angehalten habe trägt nicht dazu bei das ich mich entspanne.
„Miss O’Brian?“ fragt mich der Mann höflich und ich nicke. Er hilft mir beim aussteigen und führt mich zur Eingangstür.
Ich streiche nervös meine Jeans glatt und überlege ob ich mich nicht doch etwas feiner hätte anziehen sollen. Plötzlich denke ich dass meine weiße Bluse, meine schwarze, eng anliegende Weste, die dunkelblaue Jeans und meine schwarzen Pumps vielleicht nicht gut genug sind.
„Folgen sie mir bitte, Mr. und Mrs. Callahan warten in der Bibliothek auf sie.“ Sagt der Anzugträger und ich folge ihm durch die Eingangshalle, auf deren Boden meine Pumps bei jedem Schritt ein Klick von sich geben.
„Mr. und Mrs. Callahan, Miss O’Brian ist soeben angekommen.“ Sagt er formvollendet und zwei ältere Herrschaften kommen auf mich zu.
„Es freut uns wirklich sehr.“ Sagt die Frau und ich reiche ihr die Hand. Ich kenne Mrs. Callahan von den Fotos in der Presse, aber sie halten sich eher bedeckt. Ich kann nur staunen dass eine Frau von fast 60 Jahren noch so gut aussehen kann. Sie hat blonde mit grau durchsetze Harre die sie zu einem kunstvollen Knoten trägt, ihr Gesicht wirkt jung und frisch, aber keineswegs operiert. Ihr grünen Augen mustern mich kurz und ich reiche Mr. Callahan ebenfalls die Hand. Er wirkt größer als ich ihn mir vor gestellt habe und ich lächele schüchtern.
„Nehmen sie bitte Platz. Können wir ihnen was anbieten?“ Fragt mich nun Mr. Callahan und ich schüttele immer noch leicht eingeschüchtert den Kopf.
„Nein, danke.“ Sage ich schließlich und setze mich.
„Miss Dawson hat uns ihre Referenzen zukommen lassen und wir sind, wie ich zugeben muss, sehr beeindruckt.“ Beginnt Mrs. Callahan.
„Das freut mich wirklich sehr.“ Sage ich höflich.
„Allerdings dachten wir dass sie ein wenig älter wären. Immerhin haben sie ein abgeschlossenes Medizinstudium, verschiedene pädagogische Kurse und eine Reihe ausgezeichneter Referenzen. Wie alt sind sie Miss O’Brian? Ich meine nur wenn ich sie fragen darf.“ Mr. Callahan lehnt sich in seinem Stuhl zurück und sieht mich prüfend an.
Automatisch fahre ich mir durch meine langen braunen Locken und lächle schließlich.
„Natürlich dürfen sie fragen Mr. Callahan. Ich bin 28. Ich habe mein Studium mit 18 Jahren an der University of Washington Seattle begonnen und war mit 25 Jahren fertig, ich habe mein Praktikum am St. Francis Hospital gemacht und bin vor einem knappen Jahr nach Dublin zurück gekehrt. “ Antworte ich ihm schließlich.
„Es wundert mich dass sie nicht als Ärztin arbeiten.“ Mrs. Callahan sieht mich prüfend an.
„Ich habe meine Gründe.“ Antworte ich ausweichend.
„Gut, ich möchte mich gar nicht lange mit Smalltalk aufhalten, es geht um unseren Enkel Christien, er wohnt seit ein paar Wochen zusammen mit seinem Dad in White Castle und unser Sohn ist ein wenig überfordert mit der Situation.“ Erklärt mir Mr. Callahan und ich sehe ihn erstaunt an.
„Christien und Matthew haben die letzten 4 Jahre bei uns gelebt. Wie gesagt seit ein paar Wochen wohnen sie wieder in ihrem Haus und wir sind dankbar. Wir haben in der Firma so viel zu tun und können es einfach nicht mehr.“ Gibt Mrs. Callahan zu.
„Dafür bin ich ja da.“ Sage ich und sie lächelt freundlich.
„Matthew ist ein wenig kompliziert…“ setzt sie an.
„Ach kompliziert trifft es nicht, Louise…“ winkt Mr. Callahan ab „Seine Frau Hailey ist vor 4 Jahren bei einem Autounfall verstorben, deswegen lebten sie erst einmal bei uns. Er hat sich erst vor ein paar Wochen entschlossen das Haus wieder zu beziehen. Er ist ein wenig eingenbrödlerisch und distanziert. Erwarten sie keine langen Gespräche von ihm, ich denke die meiste Zeit wird er sie nicht einmal zur Kenntnis nehmen.“ Er sieht mich an und ich schlucke schwer.
Das klingt ja vertrauenerweckend.
„Aber sie sollen sich ja um Christien kümmern, in 4 Wochen beginnt sein erstes Jahr in einer privaten Vorschule hier in Derry und sie müssen ihn jeden Morgen hierher fahren und am frühen Nachmittag wieder abholen. Er hat künstlerische und musikalische Früherziehung, Französisch und Spanisch in seinem Lehrplan und wir legen Wert darauf dass sie ihn in diesen Fächern unterstützen. Aber das werden wir noch im genaueren besprechen.“ Erklärt mir Mrs. Callahan und lächelt erneut.
Ich dachte der Kleine ist 5…
„Sie haben im Haus unseres Sohnes ein eigenes Zimmer und sie sind für die Mahlzeiten verantwortlich, zwei Mal die Woche kommt eine Putzfrau. Matthew arbeitet von zu Hause aus, er hat ein Büro in seinem Haus. Er ist Architekt und wird wohl hin und wieder Außertermine wahr nehmen.“ Erklärt mir nun Mr. Callahan „Am Samstag haben sie frei, da werden wir da sein. Haben sie bis hierher noch Fragen?“
Tausende….
Doch ich schüttele meinen Kopf, vorerst muss ich das verarbeiten was ich bisher gehört habe.
„Nein. Ich denke sie werden mich jetzt zu ihrem Sohn begleiten, oder?“ frage ich durch die Ausführungen etwas verunsichert, das hört sich so an als solle ich unsichtbar sein.
Könnte schwer werden…
„Ich lasse unseren Wagen vorfahren und ich würde sagen sie folgen uns dann einfach.“ Mr. Callahan sieht mich an und ich nicke. Als er aufsteht folge ich ihm einfach und wir erreichen wieder die Halle durch die ich das Haus betreten habe.
Er hilft seiner Frau in ihren dünnen Mantel und wir treten vor die Tür, es ist schon Ende Mai aber der Sommer hat sich bisher noch nicht nach Irland vorgewagt.
Ich steige in mein Auto und folge dem Geländewagen der Callahans.
Umso näher wir unserem Ziel kommen um so weniger Häuser sind zu sehen.
Also das ist mal wirklich ländlich.
Wir halten vor einem großen Haus direkt am Strand mit einem Steg der ins Wasser führt.
Ich parke meinen Wagen und Mr. Callahan sieht mich aufmunternd an.
„So, da sind wir.“ Sagt er und macht eine ausladende Handbewegung.
„Sehr hübsch.“ Sage ich und folge den beiden, die einen Schlüssel besitzen, ins Innere des Hauses.
„Matthew?“ ruft Mrs. Callahan nach ihrem Sohn und dieser kommt aus einem der hinteren Zimmer.
„Mum? Dad? Was verschafft mir die Ehre?“ fragt er erstaunt.
„Wir haben dir jemanden mit gebracht…“ seine Mum deutet auf mich „… Wir haben uns zusammen gesetzt und beschlossen dass du ein wenig Hilfe mit Christien brauchst. Das ist Miss Juliette O’Brian von Childcare und sie wird dich unterstützen.“ Erklärt sie ihm und nun sehe ich ihn an.
Er ist mindestens genauso groß wie sein Vater, aber dadurch das er wirklich gut durch trainiert ist wirkt er noch imposanter. Seine braunen Augen fixieren mich kühl und herablassend.
„Ich brauche keine Hilfe.“ Sagt er abweisend.
„In diese Entscheidung wirst du nicht mit einbezogen, wir wollen das Beste für Christien und wenn er mit dir allein hier lebt ist er viel zu oft sich selbst überlassen.“ Ihr Ton bekommt eine, in meinen Ohren, unangenehme Unternote und ich sehe sie an.
„Ich will sie hier nicht haben.“ Donnert er nun und ich zucke zusammen.
„Matthew Sean Patrick Callahan.“ Zischt seine Mum und ich bekomme eine Gänsehaut.
Wow also den Ton kenne ich aus meiner Familie nicht…
„Miss O’Brian wird bleiben und du wirst dafür sorgen dass es ihr hier an nichts fehlt.“ Sagt sie drohend und einen Moment entspannt sich sein Gesicht, dann fixiert er mich wieder und bekommt diese tiefe Falte zwischen seinen Augen die ihn gleich um Jahre altern lässt.
Aus meinen Unterlagen konnte ich entnehmen das er 32 ist, aber so wie er mich jetzt ansieht, schaut er mindestens wie 40 aus.
„Ich zeige Miss O’Brian jetzt ihr Zimmer, ich denke es ist in deinem Sinne das sie das zweite Schlafzimmer oben bekommt und dann lassen wir ihr einen Moment zum auspacken. Dein Vater und ich gehen mit Christien eine Runde spazieren. Anschließend machst du sie hier mit allem vertraut was sie wissen muss.“ Sie sieht ihn durchdringend an und dreht sich dann zu mir. „Ich hoffe das ist ihnen Recht?“ fragt sie freundlich und ich nicke nur erstaunt darüber wie sie in dem einen Moment noch so mit ihrem Sohn reden kann und dann im nächsten Augenblick so freundlich sein kann.
Lernt man das bei den oberen Zehtausend?
Ich weiß ich kann das nicht, ich kann mich einfach nicht verstellen. Wenn ich wütend bin dann zeige ich das, ob es meinem Gegenüber nun passt oder nicht. Ich glaube ich muss mich hier schwer zusammen reißen…
„Dann werde ich ihr das Haus zeigen und sie ein wenig einweisen. Um 16 Uhr werden wir wieder fahren, man erwartet uns heute Abend zum Dinner.“ Erklärt sie nun wieder ihrem Sohn und bugsiert mich die Treppe hinauf.
Wir gehen durch einen langen Flur und sie öffnet eine Tür auf der rechten Seite.
„So, Miss O’Brian. Ich hoffe sie können sich hier wohl fühlen.“ Sie deutet ins Innere des Zimmers und ich bekomme unwillkürlich eine Gänsehaut.
Alles in diesem Zimmer strahlt Kälte und Ungemütlichkeit aus und ich würde am Liebsten auf dem Absatz kehrt machen. Aber ich sehe Mrs. Callahan an und nicke leicht.
Ich sehe mich um, ein riesengroßes Himmelbett steht an der Stirnseite des Zimmers und die schweren dunkelroten Vorhänge schlucken fast sämtliches Licht und das was nicht davon verschluckt wird, wird von den dunkelgrünen Wänden und den dazu passenden Vorhängen vor den Fenstern geschluckt. Ein großer dunkler Schreibtisch, zwei Nachtschränke und ein großer Kleiderschrank… Das war es, aber alles ist so dunkel das ich jetzt schon denken könnte es ist abends.
„So, dann holen sie ihre Sachen. Ich werde mit meinem Mann und Christien ein wenig spazieren gehen.“ Sie lächelt mich an und ich trete wieder in den Flur.
„Christien?“ ruft sie und ein kleiner Junge mit braunen Haaren und den gleichen Augen wie sein Dad kommt aus dem Nachbarzimmer in den Flur gestürmt.
„Grandma!“ jubelt er und sie drückt ihn an sich.
„Schau mal Christien, das ist Miss O’Brian…“ sie deutet auf mich „… Sie wird ab jetzt bei dir und deinem Dad wohnen und sich ein wenig um dich kümmern. Na, was meinst du?“ sie struvelt ihm durch seine Haare.
„Okay.“ Sagt er nach einer Weile.
„Ihr könnt euch nachher kennen lernen. Willst du erst einmal mit deinem Grandpa und mir ein wenig an den Strand gehen?“ Mrs. Callahan hält ihm ihre Hand hin und er ergreift sie strahlend.
Ich folge den Beiden die Treppe runter und bringe meinen Koffer und meine beiden Kartons in das Zimmer.
Erst einmal ziehe ich die Vorhänge weit auf und lasse ein wenig Licht hinein.
Dieses Zimmer wäre wirklich hübsch wenn man was draus machen würde. Ich drehe mich ein wenig unschlüssig im Kreis…
Na, ja ich soll ja nur hier schlafen.
Ich packe meine Sachen in den Kleiderschrank und verteile ein paar persönliche Dinge im Zimmer.
„Meine Eltern müssen los, es wäre nett wenn sie sich verabschieden.“ Ertönt eine kalte Stimme von der Tür aus und ich zucke zusammen.
„Ich komme.“ Sage ich, versuche meiner Stimme einen freundlichen Ton zu geben und dränge mich an ihm vorbei, einen Moment haben wir ungewollten Körperkontakt und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich schaue ihm in die Augen und die Kälte die sie ausstrahlen jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Unten angekommen verabschieden sich Mr. Und Mrs. Callahan gerade von Christien.
„So, wir denken sie werden zu Recht kommen Miss O’Brian.“ Mr. Callahan strahlt mich an.
„Vielen Dank.“ Sage ich höflich.
Dann winkt Christien ihnen hinterher und ich gehe in die Hocke um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
„Worauf hast du denn jetzt Lust?“ ich sehe ihn erwartend an.
„Können wir noch ein wenig an den Strand? Ich möchte gerne eine Sandburg bauen.“ Er sieht mich mit seinen großen braunen Augen an und ich grinse, er erinnert mich an einen Teddy den ich in meiner Kindheit hatte.
Große Knopfaugen…
„Aber klar, warte ich hole nur schnell meine Jacke.“ Sage ich zu ihm und eile in mein Zimmer.
„Mach dich bitte nicht dreckig.“ Sagt Mr. Callahan gerade zu seinem Sohn und ich verdrehe die Augen.
„Komm Christien.“ Rufe ich ihn und wir verlassen das Haus durch die Hintertür.
Am Strand angekommen setzen wir uns beide in den Sand und bauen eine riesengroße Sandburg, als ich auf die Uhr sehe erschrecke ich mich, es ist schon kurz nach 18 Uhr.
„Komm Kleiner, es wird Zeit.“ Sage ich zu Christien und er sieht mich lachend an.
„Kleiner?“ fragt er grinsend.
„Weißt du, so nenne ich meinen kleinen Bruder immer und da wir jetzt Freunde sind dachte ich es ist Okay.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Wir sind Freunde?“ fragt er erstaunt.
„Aber sicher, ich meine wenn du das willst.“ Ich sehe ihn an und er nickt eifrig. „Und weil wir Freunde sind darfst du Julie zu mir sagen, das sagen nämlich alle meine Freunde zu mir.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Danke Julie.“ Sagt er und ich nehme ihn an die Hand.
Am Haus angekommen ziehen wir unsere Schuhe aus und ich sehe an ihm hinunter.
„Ich denke du solltest erst einmal in die Badewanne und dann machen wir essen. Was möchtest du denn gerne essen?“ ich klopfe ihm den Sand so gut wie möglich ab und sehe ihn an.
„Spaghetti.“ Kommt es wie aus der Pistole geschossen und ich lache.
„Dann muss ich schauen ob alles da ist.“ Gebe ich zu bedenken, aber nachdem ich alles was ich für Spaghetti alá Julie brauche gefunden habe, recke ich meinen Daumen in die Höhe.
„Sieht gut aus Kleiner…“ ich nehme ihn an die Hand und wir gehen hoch ins Bad.
„Schaum?“ frage ich ihn und er nickt begeistert.
„Aber nicht so viel, Daddy sagt ich soll nicht so viel nehmen.“ Er reicht mir die Flasche und ich zwinkere ihm zu und gebe eine ordentliche Portion in die Wanne.
„Aber…“ setzt er an.
„Weißt du was?“ ich gehe in die Hocke. „Manchmal können gute Freunde Geheimnisse haben, so wie das hier. Also versprochen Kleiner, Psst…“ ich lege meinen Zeigefinger auf meine Lippen und er grinst.
„Versprochen Julie. Psst.“ Flüstert er ebenfalls.
Dann hebe ich ihn in den riesigen Schaumberg und sehe ihm dabei zu wie er sein Boot in den Schaumfluten versenkt.
Ich bin der Meinung man sollte Kinder so oft wie möglich Kinder sein lassen und gerade solche Momente gehören dazu.
Ich habe den ganzen Nachmittag überlegt ob ich wirklich hier bleiben soll, aber wenn ich mir jetzt Chris sein strahlendes Gesicht anschaue, dann kann ich ihn hier nicht alleine lassen.
Und von seinem Dad lasse ich mich nicht verjagen!
Nicht ich!
Nicht Juliette O’Brian!
Nach einer halben Stunde helfe ich ihm aus der Wanne.
„So, gehst du deinen Schlafanzug anziehen? Ich fange unten mit dem Essen an.“ Ich wickele ihn in ein Handtuch.
„Alles klar Julie!“ er hüpft über den Flur in Richtung seines Zimmers und ich gehe in die Küche.
„Wieso ist das Essen noch nicht fertig?“ diese Stimme verursacht einfach jedes Mal eine Gänsehaut bei mir.
„Weil ich und Chris beim Spielen ein wenig die Zeit aus den Augen verloren haben.“ Gebe ich zurück und setze das Wasser für die Spaghetti auf.
„Was gibt es zu Essen?“ kommt es erneut von der Tür.
„Spaghetti.“ Gebe ich zurück und suche mir ein Schneidebrett und ein Messer.
„Ich möchte heute keine Pasta essen.“ Er klingt fast trotzig und ich drehe mich zu ihm um.
Dieser Mann ist eine wirklich imposante Erscheinung und ich wirke neben ihm klein und zerbrechlich, aber jetzt sieht er aus wie sein Sohn nur ein paar Nummern größer.
„Wenn sie keine Spaghetti essen möchten, dann müssen sie darauf verzichten mit uns zu essen.“ Sage ich beiläufig und drehe mich wieder um.
„Ich kann mich noch Klarer ausdrücken, ich will sie hier nicht haben.“ Sagt er bedrohlich leise.
Ich atme tief durch und drehe mich wieder um „Sie werden sich damit abfinden müssen das ich hier bin.“
„Dann erwarte ich dass sie sich an die Regeln in diesem Haus halten. Frühstück um 9 Uhr in der Ferienzeit, außerhalb um 7 Uhr. Lunch um 12:30 Uhr in der Ferienzeit, außerhalb fällt es aus und Dinner immer um 18 Uhr. Haben sie mich verstanden?“ er kommt einen Schritt auf mich zu.
„Da ich die Uhr lesen kann. Ja.“ Sage ich und sehe wie sich die Falte zwischen seinen Augen vertieft. „Noch was?“ frage ich fast nebenbei und drehe mich wieder um.
„Am Dienstag und Donnerstag kommt Kylie, unsere Haushaltshilfe. Die Wäsche liegt dann im Korb im Badezimmer und die Einkaufliste legen sie in die Diele.“ Seine Stimme klingt angespannt und wieder einmal drohend.
„Gut.“ Gebe ich zurück „Und wenn ich zwischendurch was brauche?“
„In der Garage steht ein Jeep. Den können sie nehmen und dann können sie nach Moville fahren. 20 Minuten in Richtung Norden. Hände weg von meinem BMW.“ Fügt er drohend hinzu.
„Keine Angst, ich habe mit Männerspielzeug nichts am Hut.“ Gebe ich gelassen zurück.
„In meinem Arbeitszimmer, meinem Schlafzimmer und im Keller haben sie nichts…“ seine Stimme wird noch einen kleinen Tick furchteinflößender „… aber auch gar nichts zu suchen.“
„Ich habe es verstanden Mr. Callahan, da sie der Aufforderung ihrer Mutter mir das Haus zu zeigen nicht nach gekommen sind, werde ich mir morgen von Chris alles zeigen lassen.“ Ich widme mich meinen Tomaten und höre wie er schwer ein und ausatmet.
„War noch was?“ frage ich unschuldig und sehe ihn kurz an.
Wütend stürmt er aus der Küche und ich sehe wie Chris auf der Treppe steht.
„Ist mein Dad böse auf dich?“ fragt er erstaunt.
„Ich denke er ist nicht böse auf mich sondern einfach auf die Tatsache dass deine Grandma und dein Grandpa mich einfach zu euch geschickt haben ohne ihn zu fragen.“ Gebe ich zu und reiche ihm ein Kindermesser. „Möchtest du mir helfen?“
„Aber klar.“ Freut er sich. Wir bereiten die Soße zu und als die Nudeln fertig sind decke ich den Tisch und wir essen unsere Spaghetti. Er ist ein kluger, aufgeweckter Junge und so leicht glücklich zu machen, ich lächele ihn an als wir den Geschirrspüler einräumen.
„Und mein Dad hat wirklich keinen Hunger?“ er sieht mich fragend an.
„Nein, er hatte keine Lust auf Spaghetti.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Kann ich morgen wieder mit dir kochen?“ fragt er und ich lächle.
„Aber sicher, wir müssen uns aber dann morgen hin setzen und schauen was du die nächsten Tage essen willst.“ Sage ich und er nickt.
„Sicher.“
„Und jetzt ins Bett, gehst du deinem Dad gute Nacht sagen?“ ich sehe ihn fragend an und er verlässt die Küche. Keine 2 Minuten später ist er wieder da.
„Dann komm.“ Ich halte ihm meine Hand hin.
Ich bringe ihn ins Bett und lese ihm noch eine Geschichte vor.
„Ich bin froh das Grandma und Grandpa dich zu uns geschickt haben.“ Sagt er leise und ich streiche ihm eine Strähne aus der Stirn.
„Danke Kleiner.“ Sage ich gerührt und lese weiter, als ich sicher bin das er schläft lösche ich das Licht und lehne die Tür an.
„Er braucht nicht jeden Abend eine Gute Nacht Geschichte. Er ist schon 5.“ Sagt eine kühle Stimme neben mir.
„Er ist erst 5.“ Sage ich und gehe runter um die Küche zu Ende aufzuräumen.
„Müssen sie mir immer widersprechen?“ er folgt mir und ich drehe mich zu ihm um.
„Wenn sie im Unrecht sind, dann ja.“ Gebe ich zurück.
„Soll ich ihnen noch schnell das Haus zeigen?“ er lehnt sich an den Türrahmen und seufzt schwer.
„Nein danke, das macht Chris morgen. Es war ein langer Tag für mich, ich werde gleich zu Bett gehen.“ Ich wische ein letztes Mal über die Arbeitsplatte und hänge das Handtuch an den Haken neben der Spüle.
Dieses Haus ist so voller Gegensätze, Chris und Mr. Callahan und die vielen dunklen Räume im Gegensatz zu den hellen und freundlichen Räumen. Die Küche zum Beispiel ist wirklich schön, weiße Schrankfronten und ein wirklich gelungener Mix aus alt und neu. Aber vor allen Dingen ist die Küche eins: Hell!
Ich seufze kurz und steige langsam die Treppe hoch.
„Gute Nacht Miss O’Brian.“ Kommt es von der Tür und ich zucke zusammen und ärgere mich über mich selbst.
Ich möchte mich nicht jedes Mal erschrecken, aber seine tiefe Stimme lässt mich jedes Mal zusammen zucken.
„Gute Nacht Mr. Callahan.“ Gebe ich übertrieben freundlich zurück und betrete mein Zimmer.
Wow, jetzt im Dunkeln sieht es fast unheimlich aus.
Wer hat hier nur früher gewohnt?
Die Adams Family?
Passen würde es.
Ich nehme ein langes Shirt und meine Hotpants, die ich immer zum Schlafen trage und gehe über den Flur ins Bad.
Ich brauche jetzt erst einmal eine heiße Dusche.
Ich schäle mich aus meiner Jeans und meinem Sweatshirt und stelle mich unter den heißen Strahl.
Das tut so gut und die Anspannung des Tages fällt langsam von mir ab.
Dann ziehe ich mich schnell um, putze mir die Zähne und binde meine Haare zusammen.
Schwungvoll öffne ich die Tür und pralle gegen einen Widerstand, der sich nach genauerem betrachten als Mr. Callahan heraus stellt. Ich halte meine Hände gegen seine Brust gedrückt und fühle sein Herz gleichmäßig schlagen. Ich hätte wetten können das er nur einen Klumpen in seiner Brust hat der mit Sicherheit nicht schlägt. Aber fühlt sich warm, durchtrainiert und sehr männlich an.
Ich besinne ich mich und drücke mich von ihm weg.
„´Tschuldigung.“ Murmele ich und gehe rasch in mein Zimmer.
Ich krieche in mein Bett und versuche meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Irgendwann schlafe ich erschöpft ein und brauche am nächsten Morgen als mein Wecker klingelt einen Moment um zu mir zu kommen. Ich öffne meine Augen und schließe sie gleich wieder.
Es war kein Traum…
Ich greife nach meinem Laptop und schicke kurze E-Mails an Lill und meine Familie. Ich erwähne vorerst lieber nicht dass mein Arbeitgeber mich gar nicht hier haben will und lasse es so klingen als sei ich gut angekommen und alles ist super. Dann ziehe ich mir eine Jeans an und schlüpfe in ein enges Top, nachdem ich die Vorhänge beiseite gezogen habe, kann ich gut fest stellen das heute ein wirklich schöner Tag zu werden scheint.
Gut gelaunt gehe ich in die Küche und fange an das Frühstück vorzubereiten, als ich fertig bin sehe ich auf die Uhr. 8:30 Uhr, ich bin so etwas von pünktlich!
Ich gehe hoch in Chris sein Zimmer und setze mich auf die Bettkante.
„Guten Morgen Kleiner.“ Sage ich sanft und Augenblicke später schauen mich seine Teddyaugen verschlafen an.
„Julie.“ Murmelt er und ich stehe auf um die Vorhänge aufzuziehen. Er hat ein riesiges Kinderzimmer in wunderbaren Pastellfarben und mit Autos und Tieren an den Wänden. Mehrere kleine Regale sind voll mit Büchern, Spielzeugen und Puzzeln und der helle Holzfußboden macht es richtig gemütlich.
„So Schlafmütze, magst du dich waschen und anziehen? Ich warte unten mit dem Frühstück auf dich.“ Ich sehe zu ihm und er setzt sich auf und lässt seine Beine baumeln.
Oh, da braucht wohl jemand morgens ein wenig mehr Zeit um wach zu werden.
Ich setze mich nochmals kurz neben ihn und er kuschelt sich an mich.
„Hast du denn was Schönes geträumt?“ frage ich ihn und er sieht mich an.
„Hmm, ich habe vom Meer geträumt.“ Murmelt er und ich lächle.
„Was meinst du, wollen wir heute wieder an den Strand? Die Sonne scheint draußen und vielleicht können wir ja mit den Füßen baden gehen. Was sagst du?“ ich lege meinen Kopf schief und er springt auf.
„Das ist super, aber erst muss ich dir nach dem Frühstück das Haus zeigen, ich will ja nicht das du dich verläufst.“ Sagt er streng und ich lache auf.
„Sehr umsichtig von Dir.“ Ich mache eine kleine Verbeugung. „In 10 Minuten bist du in der Küche.“ Rufe ich ihn noch zu ehe ich wieder in die Küche gehe. Kaum das ich eingetreten bin sieht mich eine ältere, rundliche Frau erstaunt an.
„Guten Morgen, du musst Kylie sein.“ Ich reiche ihr meine Hand „Ich bin Juliette O’Brian, Chris seine Nanny.“ Stelle ich mich vor.
„Mr. Callahan hat gar nicht gesagt das er eine Nanny einstellt.“ Sie sieht mich skeptisch an.
„Seine Eltern haben mich eingestellt und ja, Mr. Callahan Junior ist nicht sehr begeistert.“ Ich sehe sie an.
„Na, dann Herzchen! Willkommen in White Castle.“ Sie lächelt mich freundlich an.
„Vielen Dank. Nenn mich ruhig Julie.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Ach nein, euch junge Dinger nenne ich Herzchen.“ Nun zwinkert sie und ich grinse.
„Hat er dir schon alles Wichtige gesagt?“ sie sieht mich fragend an und verstaunt die Einkäufe in den Schränken.
„Essenzeiten, wann du kommst, wo die Wäsche hin soll und wo ich die Einkaufsliste ablegen soll.“ Erkläre ich ihr.
„Ach, was die kannst du auch mir geben.“ Sie winkt ab.
„Wenn Chris hier ist dann können wir uns ja überlegen was wir essen wollen.“ Ich nehme die frischen Brötchen aus dem Ofen.
„Machst du das mit Chris zusammen? Und nicht mit Mr. Callahan?“ sie zieht eine Augenbraue hoch.
„Mr. Callahan ist alt genug, sollte ihm unser Essensplan nicht passen dann kann er sich ja ein Sandwich machen.“ Gebe ich zurück und sie lacht leise.
„Eine wie du hat hier gefehlt.“ Sagt sie belustigt. „Ich denke mal du bist schon mit ihm aneinander geraten, oder?“
„Ja, mehr wie einmal und das an nur einem Tag.“ Erwidere ich lachend. „Aber ich denke er findet sich irgendwann damit ab das ich hier bin.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Kylie!“ Chris kommt die Treppe runter gehüpft und strahlt sie an.
„Na Chrissie! Hast du gut geschlafen?“ sie struvelt ihm durch seine Haare.
„Ja, Julie hat mir eine Gute Nacht Geschichte vorgelesen und dann habe ich geschlafen wie ein Bär.“ Berichtet er stolz.
„So, Bären haben nach ihrem Winterschlaf doch immer einen Bärenhunger, oder?“ sie sieht ihn fragend an.
„Hmm.“ Er lächelt verschmitzt und Kylie holt ein Überraschungsei aus ihrer Schürze.
„Aber Psst und erst nach dem Frühstück aufmachen.“ Sie beugt sich zu ihm runter „Und wie heißt das?“
„Danke Kylie!“ er gibt ihr einen Schmatzer auf die Wange und legt das Ei in eine Schublade um sich an den Tisch zu setzen.
Ich reiche ihm ein durch geschnittenes Brötchen und nehme mir dann auch eins.
„Wartet ihr nicht auf Mr. Callahan?“ Kylie sieht mich erstaunt an.
„Er hat doch die Essenzeiten fest gelegt und es ist 9 Uhr.“ Ich zucke mit den Schultern und sie schüttelt lachend ihren Kopf.
„Sag mal Kleiner, was willst du die nächsten Tage essen?“ ich sehe zu Chris und lächle weil er sich beim Brötchen schmieren fast auf die Zunge beisst.
„Hmm, können wir heute Hühnchen essen?“ er sieht mich fragend an.
„Aber sicher, mit Kartoffelpüree und Erbsen?“ ich sehe zu Kylie und sie nickt.
„Super! Und morgen Fischstäbchen?“ er hibbelt auf seinem Stuhl und ich lache.
„Aber klar, mit Pommes?“ ich sehe ihn an und er nickt.
„Und Donnerstag Pancakes?“ seine Stimme wird flehend.
„Aber Kleiner, das ist kein richtiges Dinner. Fällt dir nicht noch was anderes ein?“ ich sehe ihn bittend an.
„Okay…“ er zieht eine Flunsch „… Hamburger?“ sagt er triumphierend.
„Gut, aber du machst auch Salat, Gurke und Tomate drauf, ja?“ sage ich und versuche streng zu klingen.
„Ja sicher.“ Sagt er als sei es das selbstverständlichste auf der Welt.
„Also gut, ich bringe euch dann Donnerstag alles mit. Habt ihr schon was für Freitag und Sonntag? Samstag esst ihr ja bei deinen Großeltern.“ Kylie sieht uns an.
„Kannst du Mehl, Eier und Kirschen mit bringen? Ich mache dann Sonntag einen Kuchen und ich würde sagen Freitag essen wir Putencurry mit Reis und Sonntag Hackbraten.“ Ich sehe zu Chris und er reckt seinen Daumen in die Höhe.
„Alles notiert.“ Sagt Kylie zufrieden. „Braucht ihr sonst noch irgend etwas?“ sie sieht mich an.
„Schaumbad, Zahnpasta und Weichspüler. Ich denke es bringt mich nicht um wenn ich zwischendurch auch mal eine Maschine wasche, das ist ja unmöglich alles an nur zwei Tagen zu schaffen.“ Ich grinse sie an und sie lächelt.
„Warum essen sie ohne mich?“ Mr. Callahan steht auf der Treppe und wieder einmal zucke ich zusammen.
Herrgott!
„Weil sie anscheinend ihre Uhr nicht lesen können. Chris und ich haben Punkt 9 Uhr mit den Frühstück angefangen, so wie sie es mir aufgetragen haben.“ Gebe ich zurück und Kylie flüchtet aus der Küche als ich sie ansehe, beobachte ich wie sie sich amüsiert ein lachen verkneift.
Er schaut mich verdutzt an, setzt sich dann aber ohne ein weiteres Kommentar.
Chris und ich sind kurze Zeit später fertig und da sich Mr. Callahan hinter einer Zeitung verschanzt hat stehen wir Beide auf und räumen den Tisch ab.
„So Kleiner, zeigst du mir jetzt das Haus?“ ich sehe zu Chris und er nimmt meine Hand.
„Also hier ist die Küche.“ Kichert er und zieht mich durch den kleinen Flur in das offensichtliche Wohnzimmer.
„Hier ist das Wohnzimmer.“ Sagt er stolz und ich nicke.
Es ist mit hellen Eichenmöbeln und hellem Paket ausgestattet und die hellgelbe Farbe der Couch findet sich in den halb durchsichtigen Vorhängen wieder. Ein weißer Kamin ziert die rechte Seite des Zimmers und helle Aquarellbilder runden das Bild wirklich gut ab. Chris zieht mich weiter.
„Hier ist Daddys Arbeitszimmer.“ Er schubst eine weitere Tür auf und ich staune was für ein Chaos dort herrscht. Ein großer weißer Schreibtisch steht ziemlich in der Mitte des Raumes, daneben ist ein großes Zeichenboard und an der hinteren Wand sind bis unter die Decke Bücher in verschiedenen Regalen verstaunt. Und überall liegen Zeichnungen herum, es grenzt an ein Wunder das der Computer noch Platz auf dem Tisch hat.
„Hier sollten wir nicht sein.“ Sage ich schnell und ziehe die Tür wieder zu.
„Okay.“ Chris sieht mich erstaunt an. „Dann komm ich zeige dir das Esszimmer.“ Er führt mich durch eine Flügeltür und wir stehen in einem großen Raum mit einem weiteren Kamin. Aber hier setzt sich der Styl meines Zimmers fort, dunkel und unbehaglich.
„Hier sind wir nicht oft, wir essen fast immer in der Küche.“ Gesteht mir Chris und ich lächle ihn an.
„Kann ich verstehen.“ Ich zwinkere ihm zu.
Wir gehen vom kleinen Flur aus in den Keller.
Moment Mal sollte ich hier nicht hin?
„Warte Chris, dein Dad hat gesagt ich soll hier nicht runter.“ Gebe ich zu bedenken und bleibe auf der obersten Stufe stehen.
„Aber hier unten sind die Waschmaschine und der Trockner.“ Chris bleibt am unteren Ende stehen und ich folge ihm zögernd. Wir befinden uns in einem kleinen Raum von dem drei weitere Türen abgehen. Zum Glück befinden sich die Waschmaschine und der Trockener hier, daneben drei große Wäschekörbe.
„Okay, mehr muss ich hier nicht sehen.“ Sage ich und ziehe Chris mit mir mit die Treppe rauf.
„Hier unten ist auch nichts mehr, nur alte Sachen.“ Er hüpft zusammen mit mir die Treppe rauf.
Ich schließe die Tür sorgfältig und Kylie kommt zu uns.
„So meine Lieben, ich bin fertig für heute. Wir sehen uns am Donnerstag.“ Sie winkt uns zu und ich und Chris erwidern es.
„Bis dann!“ rufen Chris und ich im Chor und gehen durch die Küche um über die hintere Treppe nach oben zu gehen.
„Hier weißt du ja fast alles schon…“ Chris sieht sich um „Da ganz hinten ist noch ein Zimmer, das gehörte meiner Mum. Aber ich darf da nicht rein.“ Er zieht eine Flunsch und deutet auf die letzte Tür vor der Vordertreppe. Er hat Recht, hier oben kenne ich alle Zimmer. Das Bad, mein Zimmer, Chris sein Zimmer und das Schlafzimmer seiner Dads.
„Da sollten wir da lieber nicht rein gehen. Was hältst du davon wenn wir jetzt zum Strand gehen?“ ich sehe ihn an und er klatscht in die Hände, ich werfe einen Blick durch die großen Fenster an der Vordertreppe nach draußen. „Zieh dir eine Badhose und ein T-Shirt an, vielleicht können wir ja mal einen Zeh ins Wasser setzen.“ Ich zwinkere ihm zu und gehe in mein Zimmer. Ich suche meinen weißen Bikini raus und ziehe ihn mir an, dann ziehe ich Jeanshotpants und ein bauchfreies Top darüber. Ich mache einen kurzen Abstecher ins Bad und nehme uns zwei große Handtücher mit ehe ich an seine Tür klopfe.
„Startklar?“ frage ich und er kommt raus.
„Aber klar.“ Er geht mir voran die Treppe runter und als wir in die Küche kommen ist sein Dad weg, nur sein Geschirr steht noch auf dem Tisch. Ich seufze und räume es in den Geschirrspüler, dann lege ich einen Zettel auf den Tisch.
- Sind am Strand. Miss O’Brian und Christien -
Mehr muss ich ihm ja wohl nicht mitteilen.
Gut gelaunt laufen wir über die Dünen zum Strand, es ist herrlich warm und ich setze mich mit Chris in den Sand. Am Ende des Stegs ist ein Ruderboot fest gemacht und ich betrachte es skeptisch.
„Mein Dad sagt, früher ist er damit raus gefahren, aber das ist schon lange her.“ Erklärt mit Chris als er meinem Blick folgt.
„Sieht nicht so aus als wenn es noch fährt.“ Gebe ich zu.
„Doch ich glaube schon.“ Chris steht auf.
„Wo willst du hin?“ rufe ich ihm nach und sehe wie er im Schuppen verschwindet, kurze Zeit später taucht er mit zwei Rudern wieder auf.
„Komm schon Julie.“ Bettelt er und ich stehe auf und klopfe mir den Sand von den Knien.
Ich gehe hinter ihm den lange Steg entlang und sehe hinunter auf das Boot welches gemächlich dahin dümpelt.
Chris springt hinein und tatsächlich hält es, da sollten meine 55 kg wohl kein Problem sein. Vorsichtig klettere ich ebenfalls in das Boot und Chris und ich machen die Ruder fest.
Gemeinsam lösen wir das Boot vom Steg und rudern ein Stück hinaus. Es macht Spaß und Chris und ich lachen so viel das wir schon Bauchschmerzen haben. Als wir wieder Richtung Steg rudern sehe ich Mr. Callahan darauf stehen und sein Gesicht sagt nichts Gutes.
Kaum angelegt und vertäut geht es auch schon los.
„Sind sie von allen guten Geistern verlassen?“ blafft er mich an und ich atme tief durch.
Nur nicht provozieren lassen… rede ich mir gut zu.
Ich helfe Chris wieder auf den Steg und bin selbst gerade im Begriff aus dem Boot zu klettern.
„Herrgott ich rede mit ihnen.“ Fährt mich Mr. Callahan erneut an und ich erschrecke mich so heftig das ich rücklings mit einem Platsch im Wasser lande.
Prustend komme ich an die Wasseroberfläche und sehe in das geschockte Gesicht von Chris.
„Alles Okay Julie?“ fragt er besorgt.
„Ja, alles gut Kleiner.“ Ich mache einen Schwimmzug auf den Steg zu „Ich bin nur keine sehr gute Schwimmerin.“ Gebe ich zu und hieve mich auf den Steg.
„Miss O’Brian.“ Setzt Mr. Callahan an.
„Sparen sie es sich.” Zische ich und stapfe den Steg entlang.
„Nun warten sie doch.“ Sagt er ungehalten.
„Nein.“ Sage ich lapidar und erreiche mein Handtuch.
Ich wickele mich darin ein und trockne ein wenig meine Haare.
„Miss O’Brian…“ versucht er es erneut und ich funkele ihn an.
„Lassen sie es einfach.“ Sage ich und sehe zu Chris, der ängstlich zwischen uns hin und her sieht. „Ich mache mir jetzt noch einen schönen restlichen Vormittag mit Chris am Strand und wir sehen uns zum Lunch.“ Sage ich und ziehe mir mein nasses Shirt aus.
„Was haben sie vor?“ Mr. Callahan sieht mich fast geschockt an und ich muss mir ein lächeln verkneifen.
„Ich trage einen Bikini, nur zu ihrer Information.“ Erwidere ich und befreie mich auch von meinen nassen Shorts. Ich merke wie sein Blick über meinen Körper schweift, ich frage mich wirklich wann er das letzte Mal eine Frau im Bikini gesehen hat… Sein Blick verursacht ein kribbeln auf meiner Haut und ich schlucke leicht, ich fühle mich seltsamer Weise geschmeichelt. Schnell wende ich mich wieder Chris zu.
„Komm Chris, wir wollten doch noch unsere Burg zu Ende bauen.“ Ich halte ihm meine Hand hin und er ergreift sie mit einem Blick zu seinem Dad.
Dieser schüttelt kaum merklich seinen Kopf und geht dann in Richtung Haus davon.
Ich sehe ihm kurz hinterher und setze mich dann zu Chris in den Sand. Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust und ich atme tief durch ehe ich mich lächelnd Chris zu wende. Wir bauen eine riesige Sandburg und suchen dann Muscheln und Steine um sie zu verzieren.
Zum Lunch mache ich uns Sandwiches und wir essen sie am Strand, er ist hin und weg von der spontanen Idee zu einem Picknick und da ich kein Unmensch bin stelle ich auch Mr. Callahan zwei Sandwiches in die Küche.
Gegen 17 Uhr sammeln wir unsere Sachen ein und schlendern zurück zum Haus. Nach einer kurzen Dusche machen wir zusammen das Abendessen und Chris wird als Handlanger in der Küche immer besser.
Das Essen verläuft eher schweigend und Mr. Callahan wirft mir Blicke zu von denen ich allein schon satt sein müsste. Nachdem ich die Küche wieder in ihren Ursprungszustand zurück versetzt habe gehe ich hoch und lese Chris was vor, dann setze ich mich an den Laptop und chatte ein wenig mit Lill. Sie macht mir Mut durch zu halten und Chris zu Liebe mein bestes zu versuchen, sie merkt wie sehr ich den kleinen Kerl mag.
In den nächsten Tagen sehen Chris und ich seinen Dad nur zum Frühstück und ab und zu zum Dinner. Wir schweigen uns an, aber das ist mir lieber wie ständig von ihm zu Recht gewiesen zu werden. Am Samstag mache ich mich auf den Weg nach Dublin und Lill begrüßt mich als wäre ich jahrelang weg gewesen und nicht nur ein paar Tage. Ich lasse mich von ihr und Jonah zu einem Ausflug überreden und die beiden planen seinen Einzug. Am folgenden Samstag besuche ich meinen Eltern und hole mir von meiner Mum ein paar Tipps was Chris angeht. An meinem dritten Wochenende bin ich wieder bei Lill, Jonah ist mit Sack und Pack eingetroffen und die Beiden kommen augenscheinlich ganz gut klar, na ja sie wohnen ja gerade Mal ein paar Tage zusammen. Wir machen uns einen wirklich schönen Tag und genießen die Sonne, endlich ist der Sommer richtig da und es ist so schön warm draußen.
Es spielt sich alles wunderbar mit mir und Chris ein und ich bin fast ein wenig traurig als seine Vorschule los geht. Wir sind mittlerweile Weltmeister im Sandburgen bauen und Chris ist mein kleiner Küchenelf, er ist wirklich geschickt und stellt sich gut an. Wir sind schon richtig braun geworden da wir uns fast ausschließlich am Strand aufhalten und ich fange an zu verstehen warum man hier ein Haus hin gebaut hat. Es ist schön in 2 Minuten am Strand zu sein. Zwischen Mr. Callahan und mir herrscht eine eisige Stimmung, wir gehen uns so gut wie möglich aus dem Weg und ich finde es erstaunlich wie man so wenig Zeit mit seinem eigenen Kind verbringen kann.
Nachdem Chris an seinem ersten Morgen nach den Ferien, wie jeden Morgen ein wenig Zeit braucht um zu sich selbst zu finden und wir gefrühstückt haben, bricht ein kleines Chaos aus. Gerade rechtzeitig stecke ich ihn in seine Uniform und er verabschiedet sich von seinem Dad.
Ich nehme mir den Jeep und das Navi lotst mich zur seiner Vorschule.
„Guten Morgen Christien! Wir warten schon auf dich, ich hoffe du hattest schöne Sommerferien. Ich bin Mrs. Heelay.“ Eine ältere Frau begrüßt uns kaum dass wir auf dem Gelände angekommen sind.
„Guten Morgen Mrs. Heelay!“ strahlt Chris und ich setze mich in die Hocke.
„Ich wünsch dir ganz viel Spaß heute. Ich hole dich um 15 Uhr ab.“ Ich streiche ihm seinen Pony aus der Stirn und er hüpft mit seinem Rucksack, den ich ihm noch schnell auf den Rücken setze, davon.
„Und sie sind?“ Mrs. Heelay sieht mich skeptisch an.
„Ich bin Juliette O’Brian…“ ich reiche ihr freundlich meine Hand „Ich bin Christiens Nanny.“ Stelle ich mich vor.
„Freut mich sehr Miss O’Brian.“ Sagt sie steif und ich schlucke. „Ich erwarte sie pünktlich heute Nachmittag um Christien abzuholen.“ Sie sieht mich an und ich nicke schnell ehe ich wieder in das Auto stiege.
Während Chris in der Vorschule ist, putze ich das Haus, bereite das Dinner vor und kümmere mich ein wenig um den Garten. Oder ich telefoniere ausgiebig mit Lill und lasse mich auf den Neusten Stand bringen was in Dub los ist. Sie und Jonah sind anscheinend ein herz und eine Seele und fast kommt es mir so vor als wenn mein Bruderherz meinen Platz als beste Freundin eingenommen hat. Ich vermisse Lill, ich vermisse die Abenden vor dem Fernseher und die Abende auf den Küchenfußboden mit einer Großpackung Eis. Chris lenkt mich aber dann ab und ich kuschele mich eben mit ihm vor den Fernseher.
Ehe ich mich versehe sind schon wieder Herbstferien und ich freue mich darauf Chris wieder den ganzen Tag um mich zu haben. Wir sammeln bunte Blätter, malen Bilder und sehen dem Wind vom Wintergarten aus zu. Ich übe mit ihm ein wenig lesen und er ist wirklich schlau. Ich kann es nicht fassen wie lieb ich ihn nach den 4 Monaten habe, ebenso wenig kann ich es fassen dass ich fast kein Wort mit Mr. Callahan wechsle. Wir leben eher nebeneinander her, aber das ist gut, so kommt er mir in Sachen Chris nicht in die Quere. Er teilt mir mit wenn er zu Terminen nach Außerhalb muss und meldet sich an wenn er wieder da ist. Im Grunde genommen beschreibt genau das unsere ganzen Kommunikationen der letzten Monate.
Mrs. Und Mr. Callahan kommen jetzt nicht mehr jedes Wochenende und ab und zu haben Chris und ich ein ganzes Wochenende das Haus für uns allein. Wir singen und tanzen durch das Haus und in diesen Momenten wird mir bewusst warum ich das hier mache. Ich liebe es Kinder glücklich zu machen und selten ist Chris so glücklich wie an diesen Wochenenden. Wir bleiben lange auf, bauen Zelte aus Bettlaken und ich erzähle ihm Gruselgeschichten. Wenn es doch nur immer so sein könnte… Aber wenn Mr. Callahan im Haus ist legt sich jedes Mal eine fast melancholische Stimmung über das Haus und Chris ist nicht so ausgelassen, sondern freut sich im Stillen. Ich habe gelernt das zu akzeptieren, denn immerhin bin ich hier nur die Angestellte.
Als die Vorschule wieder los geht fahre ich mit einem traurigen Chris in die Schule und dieses Mal hüpft er auch nicht los, er umarmt mich und will mich gar nicht los lassen.
„Du musst jetzt mein Kleiner.“ Sage ich sanft zu ihm.
„Ah Miss O’Brian…“ Mrs. Heelay erreicht mich als Chris das Schulgebäude betritt „Habe sie in den Ferien mit Christien Klavier geübt?“ sie zieht fragend eine Augenbraue hoch.
„Nein…“ gebe ich zu „Aber ich werde einen Übungsplan erstellen.“ Füge ich schnell hinzu als ich ihren ungläubigen Gesichtsausdruck sehe.
„Das brauchen sie nicht, sie bekommen heute Nachmittag einen Übungsplan mit, neben Klavier muss Christien auch Französisch und Spanisch üben.“ Sagt sie und schnaubt verächtlich.
„Ich werde mich darum bemühen.“ Sage ich drehe mich schnell um, um zurück zum Auto zu gehen.
Meine Güte, warum spielen die sich alle so auf. Chris ist ein Kind und kein kleiner Erwachsener.
Als ich zurück zum Haus komme ist es wieder ungewohnt ohne Chris hier zu sein und nachdem ich alles im Haus soweit erledigt habe mache ich mich auf den Weg nach Moville, ich habe beschlossen mir ein paar Stoffe zu kaufen um in meinem Zimmer zu retten was zu retten ist. Ich halte mich zwar wenig darin auf aber so langsam schlägt es mir aufs Gemüt. In Moville finde ich tatsächlich einen kleinen Laden der Stoffe verkauft und ich decke mich großzügig ein.
Nachdem ich Mr. Callahan ein Sandwich zum Lunch hin gestellt habe setze ich mich an meine Nähmaschine, die ich mir am vorletzten Wochenende aus Dublin mitgebracht habe und beginne den Stoff zu verarbeiten. Ich habe mich für einen ganz hellen Grünton mit dezenten kleinen weißen, orangen und gelben Blumen entschieden und freue mich schon wenn ich den Betthimmel, die Vorhänge und den Bettüberwurf fertig habe.
Ein Blick auf meine Uhr sagt mir dass ich mich auf den Weg machen muss um Chris wieder abzuholen. Ich bin zwar noch nicht einmal fertig mit dem Zuschneiden, aber ich habe ja in der Woche jeden Morgen Zeit dafür. Ich ziehe mir eine Stickjacke über mein Top und eile die Treppe hinunter.
„Miss O’Brian?“ ertönt eine Stimme hinter mir und ich drehe mich um. Nach fast einem halben Jahr habe ich es endlich geschafft mich nicht jedes Mal zu erschrecken wenn er mich anspricht.
„Ja. Mr. Callahan?“ ich sehe ihn abwartend an.
„Mrs. Heelay von der Vorschule hat mich angerufen und mir mit geteilt das sie enttäuscht darüber ist das Christien in den Ferien nicht geübt hat.“ Sagt er tadelnd zu mir.
„Ich habe ihr versprochen mich darum zu bemühen.“ Ich studiere sein Gesicht.
„Meine Mutter und mein Vater haben zusammen mit der Schule einen Plan erstellt und ich möchte sie darauf hinweisen sich an den Plan zu halten.“ Sagt er im strengen Ton und ich kann mir ein Augenrollen noch gerade so verkneifen.
„Natürlich Mr. Callahan.“ Versichere ich ihm zuckersüß „Und jetzt entschuldigen sie mich bitte, ich muss Chris abholen.“ Ich nehme mir den Wagenschlüssel von der Kommode und gehe raus.
„Er ist ein kleiner Junge.“ Sage ich zu mir selbst „Und nicht ein Zirkustier was man dressiert.“
Ich steige kopfschüttelnd in den Wagen als Mr. Callahan hinter mir aus dem Haus kommt.
„Und ich darf sie nochmals höflich bitten den Jeep nicht in der Auffahrt stehen zu lassen, ich muss auch ab und zu weg und ich habe nicht die geringste Lust sie dann im ganzen Haus zu suchen.“ Sagt er leicht angesäuert.
„Soll ich mir ein Glöckchen umbinden?“ entfährt es mir und er sieht mich erstaunt an.
„Wie bitte?“ fragt er nach und kommt noch einen Schritt auf dem Wagen zu.
„Natürlich Mr. Callahan.“ Sage ich gepresst und starte den Motor.
So schnell ich kann fahre ich zu Chris seiner Vorschule und Mrs. Heelay empfängt mich schon als ich aussteige.
„Mr. und Mrs. Callahan sind da und wir würden gerne mit ihnen sprechen.“ Sagt sie und geht mir voran.
„Ich wünsche ihnen auch einen guten Tag.“ Murmele ich vom mich hin.
„Haben sie etwas gesagt Miss O’Brian?“ sie dreht sie zu mir um und ich schüttele mit meinem Kopf.
Wir gehen in das Haus und mich fröstelt es leicht und das kommt nicht nur von den Temperaturen, eher ist es das Ambiente was mich erschaudern lässt.
Sind hier überhaupt Kinder?
Ich sehe kein Spielzeug… keine Teddybären… keine Puppen und auch sonst nichts was auf Kinder hin deutet.
Als wir das große Büro betreten setzt sich Mrs. Heelay hinter den riesigen Schreibtisch.
Ich sehe auf das Schild auf ihrem Tisch
Madeleine Gloria Heelay
-Schulleiterin-
Mr. und Mrs. Callahan stehen auf und reichen mir ihre Hände.
„Es freut mich sie zu sehen.“ Sage ich lächelnd.
Mein Blick fällt auf Chris, der traurig auf einem Stuhl sitzt und seine Beine in der Luft baumeln lässt.
„Hey Kleiner.“ Begrüße ich ihn und er sieht mich traurig an.
Ich setze mich neben ihn und nehme seine Hand in meine und drücke sie leicht.
„Miss O’Brian.“ Spricht mich Mrs. Callahan an und ich sehe zu ihr. „Wir haben einen Plan zusammen mit Mrs. Heelay erstellt. Wir verstehen es, das Christien erst einmal eine gewisse Zeit brauchte um sich an die neue Situation und die neue Schule zu gewöhnen aber jetzt muss er sich auch um seine Pflichten kümmern.“ Sie sieht mich an und ich nicke leicht.
„Natürlich Mrs. Callahan.“ Sage ich leicht schuldbewusst obwohl ich mich nicht im Geringsten schuldig fühle.
„Also am Montag, Mittwoch und Freitag Nachmittag üben sie bitte eine Stunde am Klavier mit ihm, anschließend eine halbe Stunde französisch und am Dienstag und Donnerstag jeweils eine Stunde spanisch.“ Sie sieht mich an und ich nicke leicht.
Sie wissen schon das ich erst um 16 Uhr mit ihm zu Hause bin, oder?
Ich werde mir was einfallen lassen müssen…
„Ich werde mein Möglichstes versuchen.“ Verspreche ich.
„Versuchen alleine reicht nicht aus damit Christien besser wird.“ Mrs. Heelay fixiert mich kühl.
„Mrs. Heelay, ich bin erst um 16 Uhr mit Christien zu Hause, wenn er dann noch üben soll essen wir anschließend schon Dinner und danach geht er schon fast zu Bett.“ Erkläre ich ihr.
„Und wo ist ihr Problem Miss O’Brian?“ sie rückt ihre Brille zurecht.
Ich sehe zu Mr. und Mrs. Callahan. „Sie haben mich aufgrund meiner Referenzen eingestellt, aber meine Referenzen beruhen darauf Kinder auch einfach mal nur Kinder sein zu lassen. Chris ist erst 5 und ich finde er sollte nach einem Tag in der Vorschule auch die Möglichkeit haben zu spielen, zu toben und das zu tun wozu er Lust hat. Es tut mir leid ihnen das zu sagen, aber ich werde diesen Übungsplan nicht umsetzen können.“ Ich sehe die Beiden abwartend an.
„Was würden sie vorschlagen?“ Mr. Callahan sieht mich gespannt an, während ich an Mrs. Callahans Gesichtsausdruck deutlich sehen kann, das ihr das was ich gerade gesagt habe absolut nicht gefällt.
Ich sehe zu Chris. „Was machst du denn lieber? Spanisch, Französisch oder Klavier spielen?“
„Klavier.“ Sagt er ganz kleinlaut.
„Okay.“ Ich lächle ihn an. „Hier mein Vorschlag, ich übe 3 Mal die Woche eine halbe Stunde Klavier mit ihm, oder so lange wie er Spaß daran hat. Ich lese ihm abends eine französische oder spanische Gute Nacht Geschichte vor, aber ansonsten denke ich, das er es hier lernt und es nichts bringt wenn man ihn unter Druck setzt.“ Erkläre ich Mr. Callahan.
„Miss O’Brian…“ Mrs. Callahan ist aufgestanden und sieht mich empört an.
„Setzt dich bitte Louise.“ Unterbricht sie ihr Mann in einem ganz ruhigen Ton und sie setzt sich perplex wieder auf ihren Stuhl. „Sie hat Recht.“ Sagt er nach einem kurzen Augenblick.
„Was meinst du?“ sie sieht ihn ungläubig an.
„Wir muten Christien zuviel zu. Er ist ein kleiner Junge und sollte auch ab und zu Mal einfach spielen dürfen.“ Er sieht zu Chris.
„Aber hier werden die Grundlagen für seine Schullaufbahn, sein College und seine Uni gelegt.“ Mrs. Callahan sieht ihren Mann bittend an.
„Ich bitte Dich Louise, glaubst du allen Ernstes dass er nicht auch ohne perfekt Klavier spielen zu können, ohne Spanisch und Französisch seinen Weg gehen wird? Haben wir das Matthew angetan?“ er nimmt ihre Hände in seine „Ich weiß du willst nur das Beste für Christien, aber ich denke wir sind auf einem falschen Weg.“
„Mr. Callahan, ich kann ihnen versichern, das die Kinder die unsere Schule verlassen noch niemals von einer weiterführenden Privatschule abgelehnt worden sind.“ Meldet sich Mrs. Heelay nun wieder zu Wort.
„Wenn ich mich einmischen darf…“ ich sehe sie an und sie erwidert kühl und herablassend meinen Blick „… ich habe eine staatliche Vorschule besucht und wurde anschließend an einer der renommiertesten Privatschulen Dublins aufgenommen und habe dort sogar meinen Abschluss summa cum laude gemacht. Ich denke nicht das es Chris schaden wird eine staatliche Vorschule zu besuchen.“
„Man sieht ja was aus ihnen geworden ist, sie hüten die Kinder fremder Leute.“ Mrs. Heelay spuckt mir die Worte entgegen und ich atme tief ein und aus.
„Ich halte es wirklich für das Beste wenn Christien seinem Übungsplan nachkommt damit er eine weiterführende Privatschule besuchen kann.“ Sagt sie dann in einem Tonfall dass sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellen.
„Aber vielleicht soll Christien gar nicht auf eine Privatschule gehen?“ Mr. Callahan sieht mich an. „Miss O’Brian, tun sie mir bitte den Gefallen und fahren sie Christien nach Hause, ich denke ich werde noch einen Moment mit meiner Frau und Mrs. Heelay brauchen.“
„Aber sicher.“ Ich stehe auf und halte Chris meine Hand hin, er nimmt sie sofort und ich weiß nicht wer von uns Beiden tiefer durch atmet als wir endlich das Schulgebäude verlassen.
„Julie?“ fragt Chris leise als ich ihn im Auto anschnallen will.
„Was denn Kleiner?“ ich sehe ihn an und merke wie sehr ihn das alles belastet.
„Bekommst du Ärger?“ er sieht mich mit seinen großen Augen an.
„Nein Chris, weißt du wenn man meint das einem Menschen den man lieb hat Unrecht getan wird, dann darf man nicht schweigen, dann muss man sagen was man denkt auch auf die Gefahr hin das es anderen Menschen nicht gefällt.“ Erkläre ich ihm und setze mich dann hinters Steuer.
„Danke.“ Sagt er leise und ich drehe mich um.
„Für was denn?“ erwidere ich und er sieht auf seine kleinen Hände.
„Dafür das du mich lieb hast und weißt du Julie mir gefällt es hier nicht…“ gibt er zögerlich zu.
„Warum denn nicht?“ frage ich nach und sehe ihn an.
„Ich fand die Ferien so schön, ich habe mich auf die Vorschule gefreut und jetzt ist es blöd.“ Er sieht mich scheu an „Ich mag Ball spielen und malen, aber das darf ich hier nicht einfach so.“
„Weißt du was Chris, wenn du heute Abend im Bett bist, dann spreche ich mit deinem Dad und versuche ihm zu erklären das es dir in der Schule nicht gefällt, Okay?“ ich nicke ihm aufmunternd zu und wir fahren ziemlich schweigsam nach Hause. Er bedankt sich das ich ihn lieb habe… mein armer kleiner Schatz.
Kaum im Haus kommt Mr. Callahan zu uns.
„Miss O’Brian, ich müsste ganz dringend mit ihnen sprechen.“ Sagt er in seinem wie schon gewohnten ernsten Tonfall versüßt mit einem Hauch Wut.
„Ich bringe Chris schnell hoch und er zieht sich um. Hat das noch so lange Zeit?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ja.“ Sagt er mürrisch „Kommen sie dann in mein Büro.“
„Aber sicher.“ Sage ich tief durch atmend.
Ich nehme Chris an die Hand und gehe mit ihm in sein Zimmer.
„Bekommst du jetzt Ärger?“ fragt er mich leise als ich ihm beim anziehen seiner normalen Sachen helfe.
„Nein, Kleiner.“ Versichere ich ihm, obwohl ich genau weiß dass ich Ärger bekomme. „Du kannst ja ein wenig Puzzeln bis ich wieder da bin. Okay?“ ich sehe ihn an und ringe mich zu einem lächeln durch.
Er geht an sein Regal und holt sich eine große Puzzleschachtel raus.
„Bis gleich.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Haare, er drückt mich fest an sich und ich mache mich dann auf den Weg in sein Dads Büro.
„Alles ist gut, du hast das Richtige getan.“ Rede ich mir selber gut zu und klopfe, nachdem ich tief durch geatmet habe an die Tür von Mr. Callahans Büro. Außer an dem Tag als Chris mir das ganze Haus gezeigt hat war ich nie wieder hier drin gewesen, na ja bis heute.
„Herein.“ Kommt es von innen und ich drücke langsam die Klinke runter.
Ich straffe meine Schultern und betrete das Zimmer.
„Sie wollten mich sprechen?“ frage ich mit fester Stimme und er sieht auf.
„Nehmen sie Platz.“ Er deutet auf den Stuhl gegenüber dem seinigen, seine Stimme ist kalt und abweisend und es fröstelt mich.
Ich setze mich und sehe ihn abwartend an.
„Ich muss ihnen nicht sagen, das ihr Verhalten heute Nachmittag in der Schule absolut unangebracht war, oder?“ seine Augen funkeln als sich unsere Blicke treffen.
„Wie bitte?“ ich sehe ihn an und versuche mich zu beherrschen.
„Was denken sie eigentlich wer sie sind?“ er steht auf und seine Faust donnert auf den Schreibtisch.
„Wer ich bin?“ ich schnappe nach Luft.
„Was für meinen Sohn das Beste ist entscheiden immer noch meine Eltern und ich und nicht die daher gelaufene Nanny die wahrscheinlich nicht einmal einen ordentlichen Schulabschluss vorweisen kann.“ Seine Stimme hallt leicht in dem Zimmer wieder und ich sehe ihn ungläubig an.
Hat er das gerade wirklich gesagt?
„Jetzt hören sie mir Mal zu…“ ich stehe auf und stütze meine Hände auf dem Schreibtisch ab. „… Erstens Mal bin ich auf die O’Connelly Privat School in Dublin gegangen und habe sie als Jahrgangsbeste abgeschlossen, dann habe ich an der University of Washington in Seattle nach 6 Jahren mein Medizinstudium abgeschlossen, ich bin also keineswegs eine dumme Nanny ohne nennenswerten Abschluss und Zweitens: Woher wollen sie wissen was das Beste für ihren Sohn ist? Sie verbringen kaum Zeit mit ihm und interessieren sich auch sonst nicht sonderlich für ihn. Es tut mir ja leid dass ihre Frau gestorben ist, aber Chris ist hier und er braucht sie. Ihm gefällt diese Schule überhaupt nicht, sie erlauben den Kindern nicht einmal zu spielen wann sie es möchten. Er will da nicht wieder hin, er findet sie blöd.“ Ich schnaube, viel zu lange hatte sie das alles in mir auf gestaut und jetzt, nachdem ich es endlich ausgesprochen habe, verschafft es mir doch nicht die erwünschte Befreiung.
„Was wissen sie schon über Verlust? Und was bilden sie sich ein wer sie sind?“ er fixiert mich und ich halte seinem Blick Stand.
„Glauben sie, sie sind der Einzige Mensch auf der ganzen Welt der einen Verlust erlitten hat und damit weiter leben muss? Ich enttäusche sie nur ungern, aber das sind sie nicht. Und was ich mir einbilde wer ich bin? Ich bin diejenige die Chris abends eine Geschichte vorliest, ich bin diejenige die mit ihm vor dem Fernseher kuschelt, ich bin diejenige die aufsteht wenn er Alpträume hat, ich bin diejenige in deren Bett erkrabbelt wenn er nicht schlafen kann, ich bin diejenige die ihn liebt und ihn beschützen will. Ich bin diejenige bei der er sich bedankt dass sie ihn liebt. Und wer sind sie? Sie kommen nur wenn es ihnen gerade in den Terminkalender passt und lassen sich auch nur dann herab Mal mit uns zu essen, wissen sie eigentlich dass Chris furchtbar gerne in der Küche hilft? Wissen sie dass er schon fast alleine einen Kuchen backen kann? Wissen sie das er Sandburgen bauen kann die so groß sind wie er selbst? Wissen sie dass sein Lieblingsessen nicht mehr Hamburger sondern selbst gemachte Fish and Chips sind? Wissen sie irgendetwas von dem? Wenn es nicht um Chris gehen würde, dann wäre ich schon lange weg. Mit ihnen hält es ja kein normaler Mensch aus.“ meine Stimme überschlägt sich fast.
„So reden sie nicht mit mir.“ Fährt er mich an.
„Haben sie schon Mal darüber nach gedacht wie sie mit mir im letzten halben Jahr geredet haben? Ich weiß das sie mich nicht hier haben wollen, aber eigentlich müssten sie sehen wie gut es Chris geht und mich deswegen schon bleiben lassen.“ Ich sinke auf meinen Stuhl.
Ich habe keine Lust mit ihm darüber zu diskutieren, überhaupt habe ich keine Lust mit ihm weiter zu diskutieren.
Sollte ein Vater nicht das Glück seines Kindes über seine Vorurteile stellen?
„Julie? Dad?“ Chris steht in der Tür und sieht zwischen uns Beiden hin und her.
„Hey mein Kleiner…“ ich stehe auf und gehe zu ihm „… Habe ich dich nicht gebeten zu warten bis ich wieder komme?“ ich sehe ihn an und er nickt lebhaft.
„Ich habe gehört wie ihr euch streitet und ich habe Angst das Dad dich weg schickt.“ Er sieht mich ängstlich an.
„Hier wird niemand weg geschickt.“ Mr. Callahan kommt zu uns und Chris drückt sich an mich.
„Ich habe solche Angst davor dass du weg gehst und nie wieder kommst, so wie meine Mum.“ Sagt er leise und ich gehe in die Hocke.
„Ich gehe nicht. Ganz fest versprochen. Und deine Mum ist nicht wirklich ganz weg, sie ist hier…“ ich lege meine Hand auf seine Brust und spüre wie heftig sein Herz schlägt „… Sie wird immer ein Teil von dir sein. Immer und ewig.“ Sage ich sicher und er legt seine Hand auf meine.
„So wie du, du bist auch hier drin. Du bist meine allerbeste Freundin und ich habe dich wirklich lieb.“ Er sieht mich mit seinen Knopfaugen an und ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ich habe dich auch lieb Kleiner. Gehst du jetzt bitte hoch in dein Zimmer und puzzelst noch ein wenig? Dein Dad und ich müssen noch ein wenig reden.“ Ich sehe ihn bittend an und gebe ihm einen kleinen Schubs.
„Aber bitte nicht mehr streiten.“ Chris dreht sich in der Tür um und sieht uns Beide an.
„Versprechen kann ich nichts, aber wir geben uns Mühe.“ Ich zwinkere ihm zu und gehe zurück zum Stuhl und mich darauf fallen zu lassen.
Auch Mr. Callahan geht um den Tisch herum und nimmt wieder Platz.
„Was schlagen sie vor?“ seine Stimme ist ruhig und ich sehe zu ihm auf.
Ich schweige und sehe auf meine Hände die immer noch vor Anspannung zittern.
„Miss O’Brian…“ er setzt sich auch wieder in seinen Bürostuhl „…Was schlagen sie vor?“ fragt er erneut und ich räuspere mich.
„Wie bitte?“ ich sehe ihn an, gerade so als ob die Worte eben nicht aus seinem Mund gekommen sind.
„Was schlagen sie vor in Bezug auf Chris?“ er sieht mich abwartend an.
Seitdem ich ihn kenne hat er seinen Sohn das erste Mal Chris genannt und nicht Christien, ich lächele ganz leicht.
„Sie sollten in Moville nach einer Vorschule für Chris schauen, eine staatliche oder eine private ist dabei nebensächlich. Er soll spielen dürfen wenn ihm danach ist, ich meine dafür sind Vorschulen da, Kinder sollen lernen und Spaß haben. Und er würde sich wirklich freuen mehr Zeit mit seinem Dad zu verbringen, malen, puzzeln oder spielen sie ab und zu Mal einfach so mit ihm. Machen sie sich einen Vermerk in ihren Terminkalender damit sie daran denken. Leisten sie uns Mal beim Dinner machen in der Küche Gesellschaft und lassen sie sich zeigen wie gut er schon helfen kann. Gehen sie mit Chris spazieren und seien sie einfach für ihn da.“ Ich atme schwer.
„Das ist eine ganze Menge.“ Er lehnt sich zurück und verschränkt seine Arme hinter seinem Kopf.
„Sie sind sein Dad.“ Sage ich und zucke leicht mit den Schultern. „Das ist ein Vollzeitjob.“
„Danke Miss O’Brian.“ Sagt er plötzlich und ich sehe ihm in die Augen, sie strahlen ein wenig und ich lächle schüchtern. Er sieht um viele Jahre jünger aus wenn er seine kalte Maske mal fallen lässt.
„Julie.“ Sage ich und reiche ihm meine Hand über den Tisch.
„Mr. Callahan…“ er lacht leise und um seine Augen herum bilden sich kleine Lachfältchen „… Das war Spaß, Matthew.“ Fügt er hinzu als er meinen Gesichtsausdruck sieht.
„Meinen sie sie können sich morgen um eine neue Vorschule kümmern, ich möchte nicht dass Chris noch einmal in seine alte muss.“ Ich sehe ihn bittend an.
„Du meinst ob ich mich kümmern kann?“ er lächelt weiterhin und es ist ein so ungewohntes Bild das ich meinen Blick senke.
„Ja, genau das meine ich.“ Erwidere ich.
„Aber sicher, meinst du das Chris sich morgen eine Stunde alleine beschäftigen kann? Dann würde ich nämlich vorschlagen das wir Beide nach einer geeigneten Schule schauen können.“ Er sieht mich an und ich nicke.
„Aber sicher.“ Sage ich und stehe auf „Wenn du Lust hast kannst du mit in die Küche kommen, Chris und ich machen heute Lasagne.“ Ich sehe ihn an.
„Ich muss noch schnell was erledigen, dann komme ich zu euch.“ Verspricht er mir und ich verlasse erleichtert sein Büro.
Ich steige die Stufen hoch und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand.
Das verwirrt mich!
Er verwirrt mich!
Ich reibe meine Augen und gehe schließlich die letzten Stufen hoch. Ich öffne leise die Kinderzimmertür und sehe Chris einen Moment beim spielen zu.
„Na Kleiner. Wollen wir kochen?“ ich sehe ihn an und er springt auf.
„Ja.“ Jubelt er und ich nehme ihn an die Hand.
„Ist bei dir und Dad alles in Ordnung?“ prüfend sieht er mich an.
„Ja.“ Ich stupse ihn auf die Nase.
Kaum in der Küche angekommen lege ich ihm Gemüse hin und er beginnt eifrig es zu schneiden, da ich schon ein wenig vorbereitet habe beginne ich die Sauce aufzukochen.
Ich schalte das Radio an und als Radio Gaga von Queen kommt tanze ich mit Chris durch die Küche.
„Wie weit ist denn das Essen?“ Matthew steht im Türrahmen und sieht uns belustigt zu.
„Hilfst du uns?“ Chris sieht ihn mit großen Augen an als er zu uns an die Theke kommt.
„Wenn du es mir zeigst?“ Matthew stellt sich neben Chris und dieser beginnt ihm eifrig zu erzählen was er zu tun hat.
„Du darfst dir ein Messer für Erwachsene nehmen und dann schneidest du die Tomaten ganz klein.“ Weist er ihn an und Matthew macht sich ans Werk. Ich beobachte die Beiden eine Weile und ziehe mich dann ein wenig zurück, es ist ein schönes Bild Vater und Sohn so zusammen zu sehen. Eine halbe Stunde später schichten wir die Lasagne und sehen alle stolz in den Ofen als sie vor sich hin brodelt.
„Tisch decken!“ ich sehe Chris an und er steigt auf den kleinen Hocker vor dem Schrank und reicht mir einen Teller nach dem anderen.
„Isst du mit uns Dad?“ er sieht zu seinem Dad und dieser nickt lächelnd.
„Aber sicher, jetzt möchte ich ja auch wissen wie unsere Lasagne schmeckt.“ Grinst er und nimmt mir die Teller ab.
Wir essen zusammen und Chris ist begeistert als Matthew ihm erzählt das er eine neue Vorschule besuchen wird.
„Julie und ich müssen morgen aber erst einmal schauen ob noch Plätze frei sind.“ Unterbricht Matthew seinen Sohn und dieser sieht mich an.
„Ich bin mir sicher für einen so tollen Jungen wie dich haben sie bestimmt noch einen Platz.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Musst du heute Abend gar nicht arbeiten?“ Chris reicht mir die Teller damit ich sie in die Spülmaschine einräumen kann und sieht fragend zu seinem Dad.
„Ich habe gerade ein großes Projekt fertig und kann mich ein wenig ausruhen.“ Erklärt er seinem Sohn.
„Was hast du gebaut?“ will Chris nun wissen und Matthew lacht leise.
„Ich baue nichts, ich mache Zeichnungen und andere Leute bauen es dann.“ Erklärt er seinem Sohn „Aber ich habe ein Modell. Willst du es Mal sehen?“ er sieht ihn an und Chris schaut zu mir.
„Lauf schon! Die restlichen Teller schaffe ich alleine.“ Sage ich grinsend und die beiden verlassen die Küche.
Ich räume zu Ende auf und genehmige mir dann ein schönes Bad, als ich in meinen Schlafsachen wieder aus dem Bad komme und zu Chris gehen will, weil seine Gute-Nacht-Geschichte dran ist, bleibe ich abrupt im Türrahmen stehen. Matthew liegt mit Chris in seinem Bett und liest ihm vor. Er sieht auf und lächelt leicht, mein Herz macht einen Satz und ich zwinge mich dazu ruhig zu atmen.
„Gute Nacht mein Kleiner.“ Sage ich leise und Chris strahlt mich an.
„Gute Nacht Julie.“ Sagt er und springt aus dem Bett, ich gehe in die Hocke und er umarmt mich ganz fest. „ich habe dich lieb bis zum Mars und zurück.“ Flüstert er in mein Ohr und ich schließe meine Augen und nehme den Geruch seiner Haare in mich auf.
„Ich dich auch Kleiner, bis zum Mond und zurück kann ja jeder.“ Flüstere ich ebenfalls „Träum was Schönes!“
Er drückt mir einen feuchten Schmatzer auf die Lippen und ich sehe ihm lächelnd hinterher als er wieder in das Bett krabbelt.
„Guten Nacht Matthew.“ Sage ich an seinen Dad gewandt und er lächelt leicht.
„Die wünsche ich dir auch.“ Sagt er mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme.
Ich gehe in mein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen.
Warum sagte er das so komisch?
Hatte er mich in den letzten Nächten weinen gehört?
Seit zwei Wochen sind die Alpträume zurück, unregelmäßig suchen sie mich heim und noch immer sehe ich die Bilder wenn ich meine Augen schließe.
Gequält starre ich an die Zimmerdecke.
Wann ist es endlich vorbei?
Müde krieche ich unter meine Decke und rolle mich zusammen.
„Julie! Komm bitte ganz schnell!“ eine Schwester sieht mich angsterfüllt und geschockt an und ich laufe ihr hinterher.
Um uns herum sehen mich meine Kollegen an, sie starren mich regelrecht an und ich laufe der Schwester weiter hinterher die lange Gänge des St. Francis Hospital entlang. Wir laufen die Treppe hinauf in den 8. Stock und mich überkommt ein merkwürdiges Gefühl.
Die Schwester deutet auf ein Zimmer und ich sehe das Katie, meine Kommilitonin, meine Kollegin und beste Freundin auf dem Fenstersims des geöffneten fensters sitzt. Sie dreht sich um und sieht mich unendlich traurig an.
„Ich habe heute zwei verloren.“ Sagt sie brüchig.
„Katie bitte komm da runter.“ Flehe ich sie an und mache einen Schritt auf sie zu.
„Bleib wo du bist Juls.“ Sie sieht mich an und ich sehe in ihren Augen wie Ernst es ihr ist, ich halte in meiner Bewegung inne und sehe sie hilflos an. Viele unserer Kollegen und Freunde stehen im Flur hinter mir.
„Bitte, bitte Katie komm da runter, du machst mir Angst.“ Flehe ich sie an und merke wie die Tränen in mir aufsteigen.
„Ich möchte das du was weißt Juls…“ sie dreht sich zu mir um „Dich in der Uni zu treffen war Schicksal, du bist meine beste Freundin und ich liebe Dich. Du bist toll in allem was du tust und wer du bist. Du bist mein Licht in der Dunkelheit.“ Ihre Augen sehen mich voller Liebe und Dankbarkeit an.
„Bitte Katie, komm zu mir.“ Flehe ich sie weiterhin an.
„Dich trifft keine Schuld aber ich bin nicht für diese Welt geschaffen. Ich danke dir für alles! Frag dich nie ob du was falsch gemacht hast, das hast du nicht. Ich liebe Dich!“ ihre Stimme ist weich und liebevoll.
Ich mache einen Schritt auf sie zu und sehe wie sie sich vom Fenstersims abstößt und in die Tiefe fällt, ich laufe schreiend zum Fenster und sehe wie sie auf dem harten Betonboden des Parkplatzes aufschlägt.
„Katie!“ schreie ich panisch und sitze aufrecht in meinem Bett. Mein Gesicht ist nass von heißen Tränen, ich schwitze und zittere zugleich.
Die Träume werden schlimmer, mit jedem Tag. Ich habe es geschafft es lange zu verdrängen aber nun kommt es mit aller Macht zurück und ich kann nichts dagegen tun. Tagsüber kann ich mich ablenken und meine Maske aufsetzen, aber nachts kann ich das nicht.
Mühsam versuche ich meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„Julie?“ Chris kommt herein gestürzt und ich sehe ihn an.
„Chris, bitte geh in dein Bett zurück…“ Matthew taucht neben ihm auf „… Ich kümmere mich um Julie.“ Verspricht er als Chris keine Anstalten macht sich zu bewegen.
Langsam weicht Chris zurück und geht in sein Zimmer, Matthew ist mit drei großen Schritten an meinem Bett, er setzt sich auf die Bettkante und zieht mich in seine Arme.
Ich will mich einen Moment wehren.
„Ganz ruhig Juls.“ Sagt er leise und ich sinke in seine Arme. Ich weine und kann nicht aufhören zu zittern.
„Alles ist gut.“ Flüstert er und ich wimmere.
„Es wird nie wieder gut sein.“ Sage ich schwach.
Ich bin erschöpft und genieße seine starken Arme die mich fest halten. Ich schlafe wenig später erschöpft ein und als ich am nächsten Morgen aufwache brauche ich einen Moment um mir die vergangene Nacht zurück ins Gedächtnis zu rufen. Matthew ist nicht mehr da, ich kauere mich zusammen und ringe mit mir selbst auf zu stehen.
Ich sehe auf meinen Wecker und schrecke schließlich hoch. Ich gehe ins Bad duschen und mache mich ein wenig zurecht. Leise gehe ich runter in die Küche und finde Matthew und Chris beim Frühstück.
„Julie.“ Chris sieht mich unsicher an.
„Alles gut Kleiner.“ Sage ich und hauche ihm einen Kuss auf die Haare.
„Geht es dir wieder gut?“ fragt er besorgt.
„Ja, alles wieder gut. Ich hatte einen Alptraum weiter nichts.“ Winke ich ab und sehe zu Matthew, seine braunen Augen mustern mich skeptisch, aber ich setze ein lächeln auf und nehme auf meinem Stuhl Platz. Ich bin gut darin meine Außenwelt nichts von meinem Gefühlleben mitzuteilen.
Wir frühstücken in aller Ruhe und nach dem Frühstück ist die Stimmung wieder locker und unbefangen.
Ich setze mich mit Matthew an seinen Computer und wir suchen zwei verschiedene Vorschulen in Moville raus, nach einigen Telefonaten bekommt Chris einen Platz in der Flannery School und ich sehe Matthew erleichtert an.
„Willst du es ihm sagen?“ ich lächele leicht.
„Gerne.“ Er steht auf und wir gehen ins Wohnzimmer wo Chris vor dem Fernseher sitzt und sich ausnahmsweise Trickfilme ansehen darf.
Chris strahlt und ist mehr wie begeistert davon und wir zeigen ihm ein paar Bilder auf dem Computer. Schon in einer Woche kann er starten und die Zeit vergeht so rasend schnell, ich träume jede Nacht schlecht und fast jede Nacht ist es Matthew der mich im Arm hält und mir sagt das alles gut wird. Seine Augen bekommen einen weichen Ausdruck wenn er mich ansieht und immer öfter lächelt er. Ich merke wie mein Herz jedes Mal schneller schlägt wenn er mich so ansieht, ich genieße es in seiner Nähe zu sein und ich fühle das es ihm ebenso geht. Aber wir bleiben distanziert, ab und zu eine flüchtige Berührung bei der ich jedes Mal denke mein Herz bleibt stehen, aber ich bin nicht bereit und er ist es auch nicht.
Als Chris endlich in seiner neuen Schule startet ist er glücklich und aufgeschlossen wie noch nie zuvor, die Schule gefällt ihm und er ist begeistert von seinen neuen Mitschülern und der Lehrern.
An den Vormittagen komme ich gut mit meinem Verschönerungsprojekt voran und Mitte Dezember ist es endlich fertig. An meinem eigentlichen freiem Wochenende lasse ich mich von Chris und Matthew überreden nach Moville zu fahren und Weihnachtsschmuck für das Haus zu kaufen. Es ist herrlich, alles blinkt und Weihnachtsduft erfüllt das Haus.
„Plätzchen backen!“ rufe ich ins Wohnzimmer und sofort sind Chris und Matthew zur Stelle.
Matthew lässt es Arbeitsmäßig ruhiger angehen und verbringt fast alle Nachmittage in der Woche nun mit Chris und mir. Chris genießt es natürlich und ich muss zugeben, ich auch. Die Alpträume lassen wieder ein wenig nach und ich versuche die aufkommenden Erinnerungen zu verdrängen.
Wir beginnen eifrig mit dem Backen und eine halbe Stunde später sieht die Küche aus wie ein Schlachtfeld.
„Julie!“ ruft Chris übermütig und ich drehe mich zu ihm um, um gleich darauf eine Ladung Mehl im Gesicht zu haben.
„Na warte.“ Lache ich und nehme mir nun auch eine Hand voll.
„Wagen sie es nicht Miss O’Brian.“ Versucht Matt scherzhaft dazwischen zu gehen, im selben Moment bekommt er sowohl von mir als auch von Chris eine Ladung Mehl ab.
Chris und ich lachen so sehr das wir schon Bauchschmerzen bekommen und Matthew jagt uns durch die Küche.
Schließlich bekommt er mich zu fassen und dreht mich zu sich um.
„Ich habe sie gewarnt Miss O’Brian.“ Sagt er grinsend.
„Und welche Strafe habe ich zu erwarten Mr. Callahan?“ frage ich so unschuldig wie möglich.
„Was halten sie denn für angemessen?“ er sieht mich herausfordernd an.
„Ich bin mir nicht sicher…“ ich sehe zu Chris der uns grinsend zu sieht. „… Fürs erste denke ich wäre ich genug bestraft wenn ich die Küche aufräumen muss.“
„Das ist nur gerecht.“ Sagt Chris und ich sehe ihn grienend an.
„Und Chris natürlich auch.“ Füge ich hinzu und Chris sein Grinsen erlischt.
„Damit kann ich leben…“ sagt Matthew nachdem er kurz darüber nach gedacht hat. „… Also räumt ihr wenn wir fertig sind die Küche auf und ich bestelle uns was beim Chinesen zum Abendbrot.“
„Au ja!“ ruft Chris begeistert und wir schaffen es tatsächlich sechs Bleche Kekse zu backen und sie in kleine Beutel zu füllen und zu beschriften.
„Was willst du drauf schreiben?“ frage ich an Chris gewandt als ich die selbst gebastelten Kärtchen für die Beutel hole.
„Frische Kekse von Chris, Dad und Julie!“ sagt er sicher und ich schreibe es so auf die Karte.
„Und bei deiner Grandma und deinem Grandpa?“ ich sehe ihn abwartend an.
„Liebe Grandma, lieber Grandpa! Frohe Weinachten von eurem Christien! Die Kekse habe ich selbst gebacken mit Daddy und Julie.“ Er grinst und ich klippe die Karte an den Beutel, dieses Prozedere wiederholen wir noch 12 Mal und dann endlich stehen die fertigen Tüten auf der Anrichte und ein großer Teller mit Keksen für uns daneben.
„So, ihr räumt jetzt auf und ich bestelle uns was.“ Matthew klatscht in die Hände und ich gehe in die Besenkammer um Putzmittel zu holen.
Chris hilft mir wirklich ganz toll und eine knappe Stunde später als der Lieferdienst klingelt sieht die Küche aus wie neu und wir sind frisch geduscht.
„Essen! Ich habe gekocht!“ ruft Matthew und Chris sieht seinen Dad strafend an.
„Man darf nicht lügen Daddy.“ Sagt er tadelnd.
„Okay mein Schatz, ich habe bestellt.“ Sagt Matthew milde lächelnd und wir setzen uns an den großen Tisch.
„Wann willst du deine ganzen Keksgeschenke denn los werden?“ ich sehe Chris fragend an.
„Ich nehme morgen ganz viele mit in die Schule und dann muss ich schauen.“ Erklärt er mir wie ein Geschäftsmann und ich muss lachen.
Als wir mit dem Essen fertig sind bringe ich Chris hoch und mache ihn bettfertig, heute brauche ich keine Geschichte denn er ist so müde das ihm die Augen zufallen sobald er im Bett liegt.
Ich decke ihn zu und gehe leise aus dem Zimmer.
Als ich die Tür geschlossen habe umfassen mich zwei starke Arme.
„Du denkst doch nicht dass du mit einer so milden Strafe davon kommst.“ Haucht mir Matthew ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.
Ich drehe mich zu ihm um „Ich denke die Strafe war genau der Tat angemessen.“ Sage ich lächelnd.
Er zieht mich weiter zu sich, sieht mir tief in die Augen und küsst mich zärtlich. Ich erwidere seinen Kuss, seine Zunge fordert einlass in meinem Mund und ich lasse ihn gewähren. Mir ist beinahe schwindelig und ich halte mich an ihm fest, geschickt hebt er mich hoch und trägt mich in sein Schlafzimmer am Ende des Ganges.
Er legt mich auf seinem Bett ab und schaut mich lange an „Davon habe ich geträumt seit ich dich das erste Mal gesehen habe.“ Gesteht er mir.
„Dann hast du aber eine sehr merkwürdige Art gehabt mir das zu zeigen.“ Necke ich ihn und ziehe ihn an seinem T-Shirt Kragen zu mir.
„Ich war mir nichts sicher ob Chris mit all dem klar kommt.“ Gibt er zu.
Ich lächle leicht „Du willst dich jetzt mit mir über Chris unterhalten?“
„Nein, ganz und gar nicht.“ Er beginnt meine Bluse auszuknöpfen und küsst meinen Brustansatz."Jetzt möchte ich mich gar nicht mehr unterhalten." seine Stimme klingtrauh und erregt.
Ich stöhne wohlig auf, ich habe mich danach gesehnt, seit der ersten Nacht die ich in seinen Armen eingeschlafen bin.
Die Nacht ist atemberaubend und wunderschön und ich kann es nicht fassen dass das alles wirklich passiert. Es ist ein Gefühl was mir fast den Atem raubt als ich fest in seine Arme gekuschelt einschlafe.
Früh am nächsten Morgen schleiche ich mich in mein Zimmer und liege lächelnd in meinem Bett.
Als es Zeit ist Chris zu wecken stehe ich auf und wecke ihn vorsichtig. Ich mache ihn für die Schule fertig und als Matt nach unten zum Frühstück kommt reicht ein Blick von ihm um mein Herz schneller schlagen zu lassen.
Chris merkt es uns nicht an und ich bin auf der einen Seite dankbar dafür, Matt und ich haben beschlossen der Sache eine Weile ihren Lauf zu lassen und dann Chris alles zu erzählen.
Ich fahre Chris in die Schule und fahre lächelnd zurück zum Haus, schon als ich das Haus betrete nimmt mich Matt in den Arm.
„Guten Morgen“ grinst er und ich erwidere es lächelnd.
Er zieht mich weiter in seine Arme und wir lieben uns auf der Couch.
„Ich glaube ich muss noch ein wenig arbeiten.“ Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Du glaubst?“ lächle ich und küsse seine Brust.
„Hmm.“ Nuschelt er und zieht mich hoch „Ich bin mir nur nicht sicher ob ich mich konzentrieren kann.“
„Ich möchte nicht das du deine Arbeit vernachlässigst.“ Ich küsse ihn und wickele mich in die Decke ein.
Langsam steht er auf und zieht sich seine Jeans und einen Pullover über. Komisch, seitdem er so entspannt geworden ist habe ich ihn kaum noch im Anzug gesehen. Aber ich muss sagen diese Jeans steht ihm ausgesprochen gut.
Er ist gerade dabei sich die letzten Knöpfe seiner Jeans zu zumachen als ein räuspern von der Tür her ertönt.
„Ich wollte nicht stören.“ Erklingt Kylies belustigte Stimme und mein Kopf schnell in ihre Richtung.
„Morgen.“ Stammele ich und sie lacht hell auf.
„Ach Kindchen, das habe ich seit dem ersten Tag kommen sehen, ein Wunder das es so lange gedauert hat.“ Sie zwinkert mir zu und sieht dann zu Matt.
„Sind sie sich sicher dass sie wissen was sie sich mit diesem Energiebündel eingehandelt haben?“ fragt sie ihn neckend.
„Ich denke ja Kylie, aber vielen Dank der Nachfrage.“ Antwort er ihr gelassen, kommt zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Wo ich sie gerade hier habe. Was soll ich über die Feiertage einkaufen?“ Kylie sieht Matt fragend an.
„Wir sind vom 23. Dezember bis 2. Januar bei meinen Eltern und Juls ist in Dublin, sie brauchen also nichts einkaufen.“ Erklärt er ihr und ich sehe ihn an, das alles ist schon seit Monaten so geplant und jetzt tut es mir fast ein wenig leid, denn ich weiß wir sehen uns zwei lange Wochen nicht.
„Die Zeit geht schneller rum als du denkst.“ Er küsst mich als habe er meine Gedanken gelesen.
„Dann wünsche ich ihnen Beiden ein ganz tolles Weihnachtsfest mit ihren Familie, wir sehen uns dann ja erst im neuen Jahr wieder.“ Sie winkt uns zu. „Ich stelle die Geschenke für sie in die Küche.“
„Vielen Dank Kylie, ihre Geschenke stehen unten in der Waschküche.“ Matt grinst sie breit an.
„Aber sie sollen doch nicht…“ setzt sie an und winkt ab.
„Ja, ja und sie auch nicht.“ Unterbricht sie Matt und verschwindet in seinem Büro.
Ich folge Kylie in die Küche.
„Na Kindchen…“ sie sieht mich prüfend an.
„Kylie es ist… ich meine, es scheint…“ stottere ich und sie lacht erneut.
„Kindchen es ist schön, es tut ihm gut und ich bin mir sicher Chris freut sich.“ Sie nimmt mich in den Arm.
„Chris soll es erst einmal nicht wissen.“ Erkläre ich ihr und sie nickt verständnisvoll.
„Das kann ich verstehen.“ Gibt sie zu „Aber jetzt solltest du vielleicht nach oben gehen und dir was anziehen.“ Sie deutet auf die Decke die ich wie eine Toga um mich geschlungen habe.
Als ich Chris ein paar Stunden später abhole erzählt er mir wie gut unsere Kekse in der Schule angekommen sind und ist hellauf begeistert dass es am nächsten Morgen zu seinen Großeltern geht. Ich habe mich für meinen Urlaub bei Lill einquartiert, denn das Haus meiner Eltern gleicht um die Weihnachtszeit einem Irrenhaus und ich kann es einfach nicht ertragen.
In der Nacht schleicht sich Matt zu mir und wir lieben uns, immer und immer wieder und erst als es schon fast Zeit zum aufstehen ist geht er in sein Schlafzimmer. Meine Wangen glühen und meine Lippen sind geschwollen als ich unter die Dusche steige, ich muss sehen dass ich ja auf dem Weg nach Dub nicht einschlafe.
Wir essen zusammen Frühstück und dann überreichen wir unsere Geschenke, für Chris habe ich einen Bausatz von einem Wikingerschiff gekauft und für Matt einen hellblauen Pullover um ihn mal von seinen schwarzen Anzügen weg zu bekommen. Das Geschenk habe ich schon vor Wochen gekauft und ich weiß dass es jetzt nicht mehr wirklich passt, heute Morgen habe ich ihm noch einen kleinen Zettel mit dazu gelegt.
Frohe Weihnachten!
Das ist ein Gutschein für einen Wunsch deiner Wahl!
Kuss Juls
Ich lächle wenn ich an sein Gesicht denke wenn er es auspackt.
Dann stehen wir auch schon mit gepackten Taschen vor der Tür und beladen die Autos. Matt besteht drauf das ich den Jeep nehme, denn mein Auto macht nicht mehr den besten Eindruck. Es war nie das Neuste, aber in den letzten 8 Monaten wurde es kaum gebraucht dun ist dadurch nicht besser geworden.
„Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr.“ Ich nehme Matt in den Arm.
„Das wünsche ich dir auch Juls, ich freue mich darauf wenn wir uns am 2. wiedersehen.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut.
„Machs gut Kleiner! Sei lieb und denk daran ich hab dich ganz doll lieb!“ ich nehme ihn fest in meine Arme.
„Ich liebe Dich auch Julie! Bis zum Mars und zurück.“ Sagt er leise und Matt sieht uns verwirrt an, es ist das erste Mal das er e mitbekommt und er lächelt leicht.
„Genau mein Kleiner, denn bis zum Mond und zurück kann jeder.“ Antworte ich ihm und setze ihn ins Auto.
„Fahre bitte vorsichtig.“ Sagt Matt liebevoll zu mir und ich nicke leicht.
„Du auch.“ Sage ich leise und als wir hinter dem Auto sind drückt er mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.
„Ich vermisse dich jetzt schon.“ Sagt er grinsend und steigt ein.
Meine Lippen brennen von dem Kuss und ich steige lächelnd in den Jeep, die 4 Stunden nach Dublin ziehen sich in die Länge wie Kaugummi, aber zum Glück entgehe ich allen Staus und bin schon gegen Mittag, statt wie erwartet am frühen Nachmittag in Dub.
Ich parke unten vor dem Haus und laufe gut gelaunt die Treppe hoch, vor zwei Wochen hat mir Jonah seinen Schlüssel gegeben das er und Lill sich nicht sicher waren ob sie schon zu Hause sind. Ich drehe den Schlüssel im Schloss herum und lasse die Tasche im Flur fallen, dann gehe ich ins Wohnzimmer und erstarre in meiner Bewegung…
Meine beste Freundin und mein Bruder haben Sex auf der Couch!!!
Lill entdeckt mich und schubst Jonah runter.
„Was machst du denn schon hier?“ stammelt sie hilflos und versucht das Nötigste zu bedecken.
„Was ich hier mache...“ ich schnappe nach Luft „Was macht ihr hier?“
„Es ist nicht so wie es aussieht.“ Lill sieht mich verstört an.
Sie schaut verstört, wohl habe ich eher einen Grund verstört zu sein.
„Also für mich sieht es so aus als wenn meine beste Freundin mit meinem Bruder schläft.“ Sage ich und sehe zu Jonah. „Jo?“
„Hör zu Julie, im Grunde genommen hast du Recht, es ist das wonach es aussieht.“ Er grinst und ich muss nun auch grinsen, ich meine die Situation ist absurd.
„Na, dann Lill…“ ich reiche ihr meine Hand und sie nimmt sie mit zögern an. „Nun gehörst du wohl offiziell zur Familie.“ Sage ich lächelnd.
„Du bist nicht böse?“ sie atmet auf.
„Hey ihr Beide seid nun wirklich alt genug.“ Ich zucke mit den Schultern.
„Es ist ja nicht so das wir es geplant haben, es ist einfach passiert.“ Sie sieht mich prüfend an.
„Hör zu Lill, ich gönne es euch aber ich möchte keine Einzelheiten hören, du redest von Jo und allein dieses Bild heute aus dem Kopf zu bekommen wird mich Jahre kosten.“ Ich setze mich auf die Couch und nachdem Jonah sich notdürftig angezogen hat lässt er sich neben mich auf die Couch fallen.
„Alles gut?“ er lächelt und ich kenne dieses Lächeln, mein kleiner Bruder ist verliebt.
„Alles gut.“ Sage ich sicher und er nimmt mich in den Arm „Schön das du hier bist.“ Sagt er liebevoll.
„Ich freue mich auch, ich habe euch vermisst.“ Gebe ich zu.
Lill geht sich erst einmal was anziehen und anschließend machen wir noch ein wenig die Stadt unsicher, es ist alles rappelvoll und Lill, Jonah und ich amüsieren uns köstlich.
Die Feiertage werden ruhig und besinnlich, was nicht zu guter Letzt daran liegt das Jonah, Lill und ich uns nach dem offiziellen Teil in unser altes Zimmer zurück ziehen.
„Und was ist bei dir und Mr. Charming los?“ Lill liegt bäuchlings auf dem Bett und ich und Jonah sitzen auf dem Boden.
„Hör auf ihn so zu nennen.“ Ich verdrehe die Augen.
„Na komm schon Schwesterherz…“ Jonah schubst mich leicht.
„Ich würde sagen ich bin seinem Charme erlegen.“ Grinse ich und Lill quietscht los.
„Wann das denn?“ augenblicklich sitzt sie auf dem Bett.
„Vor einer Woche.“ Gebe ich zu.
„Und erzähl…“ sie sieht mich gespannt an.
„Okay, ich hole uns Punsch. Das muss ich mir nicht anhören.“ Jonah steht auf und schüttelt amüsiert den Kopf.
„Es war schön, schön ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Schon wenn ich daran denke raubt es mir den Atem.“ Gebe ich lächelnd zu.
„Das freut mich so für dich…“ sie zieht mich in ihre Arme „…Und was ist mit Chris?“
„Wir wollen es ihm noch nicht sagen, wir wollen noch etwas warten.“ Erkläre ich ihr und sie nickt verständnisvoll.
„Kann ich wieder reinkommen?“ Jonah steckt den Kopf herein und wir nicken beide.
„Komm rein Kleiner.“ Ich grinse ihn an und nehme ihm ein Glas Punsch ab.
"Hier die lagen noch unten." er reicht mir drei kleine Päckchen, das von Chris, das von Kylie und das von Matt.
Zuerst öffne ich das von Kylie, sie hat mir ein tolles Back und Kochbuch geschenkt und ich bin begeistert als ich es ein wenig durch blättere. Dann öffne ich Chris seins und ein selbst gebasteltes Armband kommt zum Vorschein, es ist aus bunten Holzperlen mit Buchstaben drauf. LOVE YOU
steht da und ich lächele.
"Schau mal." sage ich stolz zu Lill und sie grinst.
"Ein Meisterwerk." gibt sie zu und ich nehme mir das letzte Päckchen zur Hand.
Ein wunderschöne Kette kommt zum Vorschein, sie ist silber mit einer kleiner Schneeflocke daran.
Für die Frau die es geschafft hat mein Herz zum schmelzen zu bringen. Matt
steht auf er kleinen Karte und Lill legt sie mir um.
"Sie ist wunderschön." sie dreht den Anhänger zwischen ihren Fingern. "Er hat Geschmack." grinst sie.
Zu Sylvester planen wir eine kleine Party in der WG und es wird wirklich lustig meine Freunde alle auf einem Haufen wieder zu sehen.
Nachdem wir den 1. Januar verkatert im Bett verbringen, packe ich am 2. morgens meine Tasche. Gerade als ich los will klingelt es und meine Eltern fallen ein.
„Was wollt ihr denn hier?“ fragen Jonah und ich wie aus einem Mund.
„Wir wollen noch mal mit Julie sprechen ehe sie wieder los fährt.“ Meine Mum setzt sich an den Küchentisch und klopft neben sich auf den Stuhl.
„Bitte nicht Mum.“ Ich sehe sie flehentlich an.
„Ich möchte dass du mir zuhörst.“ Sage sie und ich setze mich gezwungener Maßen, denn wenn ich heute noch los will muss ich wohl oder über das hier über mich ergehen lassen.
„Hör zu mein Engel, wir müssen nicht alles verstehen was du tust, aber wir haben ein Schreiben vom St. Francis Hospital bekommen, du hast noch genau 6 Monate Zeit um dein praktisches Jahr zu beenden ansonsten musst du von vorne anfangen. Wir wollen dich nicht drängen und wir wissen was da passiert ist, ist wirklich schrecklich, aber bitte Julie wirf deine Zukunft nicht einfach weg.“ Mein Dad sieht mich bittend an.
„Kann ich jetzt fahren?“ ich stehe auf und sehe zu Jonah der mich betroffen anschaut.
„Bis bald meine Kleine!“ er nimmt mich in den Arm und ich knuffe ihn leicht.
„Sei ja gut zu Lill.“ Flüstere ich ihm zu und er nickt lächelnd.
„Julie bitte.“ Meine Mum ist aufgestanden.
„Mum nein, ihr wisst nicht einmal die Hälfte, es ist nicht nur das sich Katie umgebracht nein. Der Unfall nachdem ich so lange im Krankenhaus lag, bei dem zwei Menschen gestorben sind. Mum, den habe ich verursacht.“ Ich sehe sie an und ihr weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht.
„Julie das stimmt nicht…“ Lill sieht mich an „… Du wurdest frei gesprochen, dich trifft keine Schuld.“
„Ich muss jetzt los.“ Ich nehme meine Tasche und drehe mich kurz um, alle sehen mich mit traurigen Gesichtern an. „Ich weiß was ich tue und ich liebe euch.“ Sage ich und gehe runter zum Auto, es hat fast die ganze Nacht geschneit und ich weiß jetzt schon dass ich in 4 Stunden nicht in White Castle sein werde.
Tatsächlich brauche ich fast 7 Stunden und bin froh als ich endlich in die Auffahrt einbiege.
„Julie!“ kam das ich geparkt habe kommt Chris auch schon aus dem Haus gestürmt und ich fange ihn lachend auf.
„Wie waren deine Ferien?“ ich sehe ihn an und er strahlt übers ganze Gesicht.
„Die waren toll aber ich habe dich vermisst.“ Er zieht mich hinter sich her ins Haus.
„Hey Juls!“ Matt nimmt mich in den Arm und ich schließe meine Augen als ich sein Aftershave rieche.
„Hey.“ Sage ich leise und mache mich von ihm los.
Chris berichtet mir wie aufgezogen von seinen Ferien und endlich um 21 Uhr liegt er im Bett und nach der Gute-Nacht-Geschichte schläft er auch endlich.
Kaum das ich im Flur stehe nimmt mich Matt fest in den Arm.
„Das ist schon fast Folter.“ Sagt er grinsend und ich küsse ihn stürmisch.
„Was hast du ihm heute Morgen ins Essen getan?“ scherze ich.
„Keine Ahnung.“ Erwidert er lachend, schubst mich quasi in mein Zimmer und wir fallen aufs Bett.
So sehr habe ich mich nach ihm gesehnt und ich habe ihn so sehr vermisst.
Das neue Jahr beginnt ruhig und es läuft alles gut. Matt tut mir so gut und ich merke wie ich langsam wieder zu der alten Julie werde, aber eine entscheidende Sache blockiert mich, sie legt sich wie eine Kette um meine Herz und mit jedem Tag wird sie fester zu gezogen. An manchen Tagen kann ich es ausblenden, an anderen raubst es mir dem Atem. Ich beginne wieder alles zu hinterfragen und ich weiß nicht wo mein Weg mich hinführen soll…
Anfang Mai gehen die Alpträume wieder los und heftiger als ich es ertragen kann. Matt hält mich fest und versucht irgendetwas aus mir heraus zu bekommen, aber ich kann es ihm nicht sagen, ich habe Angst dass er Schlecht von mir denkt wenn er alles weiß.
An manchen Tag fällt es mir sogar tagsüber schwer es zu verdrängen und ich weiß nicht wie lange ich das noch kann.Ich bin schon ein ganzes Jahr bei Matt und Chris und beisher haben wir uns noch nicht mit Amanda zusammen gesetzt um unser weiteres Vorgehen zu besprechen, wir wollen nächste Woche nach Dublin fahren um alles zu klären.
Der Sonnabend beginnt nach einer ausgefüllten Woche mit einem ausgiebigen Brunch und dann setzen wir uns ins Wohnzimmer und sehen uns einen Kinderfilm an. Wir machen uns Sandwiches zum Lunch und anschließend gehen wir alle hoch und spielen mit Chris in seinem Zimmer, ich gehe kurz in mein Zimmer und telefoniere mit Lill.
„Die Träume sind seit ein paar Tagen wieder zurück, so heftig wie ich es kaum ertragen kann, ich sehe sie jede Nacht sterben.“ Sage ich leise.
„Oh Julie.“ Sagt Lill mitfühlend.
„Was soll ich nur tun? Es ist bald drei Jahre her…“ ich breche ab.
„Ich sage es ungern, aber Julie was meinst du wie lange das noch gut geht? Was bringt es dir dich selbst zu zerfleischen? Glaub mir Süße ich liebe Dich wirklich, aber ist das Leben was du führst, das was du dir vorgestellt hast? Ich weiß das du Matt und Chris liebst, aber Julie ist es das was du willst?“ ihre Stimme ist bittend und ich atme tief aus.
„Ich weiß es nicht. Lill ich habe zwei Menschen auf dem Gewissen und Katie, wie soll ich einfach weiter machen? Wie soll ich das Matt erklären? Er kennt mich nicht wirklich… Er kennt nicht meine Vergangenheit. Wie soll ich Leben als ob nichts geschehen ist?“ meine Stimme versagt fast.
„Weil nicht du gestorben bist, du wurdest frei gesprochen, du hattest keine Schuld. Dich trifft keine Schuld, Julie.“ Sagt sie eindringlich.
„Ich muss jetzt los Lill. Ich habe dich lieb.“ Sage ich schnell und lege auf ohne ihre Antwort abzuwarten.
„Ich würde gerne eine Runde spazieren gehen.“ Ich stehe im Türrahmen zu Chris seinem Zimmer und sehe die Beiden an.
„Aber ich möchte mit Dad noch ein wenig mit Lego spielen.“ Chris zieht eine Flunsch.
„Spielt ihr ruhig weiter, ich brauche einfach ein wenig frische Luft.“ Erkläre ich ihm und versuche zu lächeln.
Auch wenn es uns meistens nicht bewusst ist, wir leben mittlerweile wie eine richtige Familie zusammen und es ist wirklich schön ihn so glücklich zu sehen.
„Bis später.“ Matthew winkt mir zu und ich erwidere es lächelnd.
Ich ziehe mich dick an und gehe runter zum Strand, es ist Mitte Mai, einer der wahrscheinlich letzten Frühjahrstürme tobt und ich schlinge meine Arme um meinen Körper. In meinem Kopf dreht sich alles, heute vor fast 3 Jahren…
Vor 3 Jahren ist Katie gestorben und ich habe auf dem Weg nach Hause einen Autounfall verursacht bei dem zwei Menschen gestorben sind. Ich rede mir gerne ein ich habe ihn verursacht, aber ich wurde ja frei gesprochen. Im Grunde genommen weiß ich dass ich keine Schuld habe, aber so ist es einfacher. Es ist einfacher meiner Familie und meinen Freunden zu erklären dass ich aus diesem Grund mein Medizinstudium kurz vor dem Abschluss hin geschmissen habe.
Ich verstehe nicht wie Katie sich so etwas antun konnte, wie sie ihr Leben selbst beenden konnte. Ich meine, sie war 7 Jahre meine beste Freundin, meine Vertraute und ich dachte ich kenne sie. Auch wenn sie mir sagte ich habe keine Schuld, so suche ich doch die letzten 3 Jahre die Antwort auf nur eine Frage:
Warum?
Ich werde nie eine Antwort bekommen und das frisst mich langsam aber sicher auf…
Warum?
Warum?
Warum?
Ich habe kein Zeitgefühl und weiß wirklich nicht wie lange ich schon unterwegs bin, aber es beginnt bereits zu dämmern, also mache ich mich auf den Rückweg. Ich möchte nicht das Matt sich Sorgen macht und schlage den Weg in Richtung Haus ein.
Als ich das Haus durch die Küche betrete werde ich von Mr. und Mrs. Callahan begrüßt.
„Da sind sie ja, ich habe mich schon gefragt wo ich sie finden kann.“ Mr. Callahan zwinkert mir zu.
„Ich brauchte ein wenig frische Luft.“ Erkläre ich ihm und ringe mich zu einem lächeln durch.
„Wir holen Chris ab, er schläft heute Nacht bei uns und wir bringen ihn morgen Nachmittag wieder. Sie haben so lange frei wenn ihnen das Recht ist.“ Er sieht mich fragend an.
„Aber sicher.“ Erwidere ich und gehe in die Hocke um mich von Chris zu verabschieden.
„Machs gut Kleiner und viel Spaß!“ ich grinse ihn an.
„Bis morgen Julie.“ Er strahlt mich an und nimmt mich in den Arm. „Ich habe Dich lieb bis zum Mars und zurück.“ Flüstert er in mein Ohr.
„Ich dich auch mein Kleiner, bis zum Mond kann ja jeder.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Bis morgen.“ Mrs. Callahan winkt mir zu und ich hebe meine Hand um die Geste zu erwidern.
Nachdem ich Mr., Mrs. Callahan und Chris zur Tür gebracht habe steht Matt plötzlich hinter mir.
„Geht es dir gut?“ fragt er besorgt und ich drehe mich zu ihm um, seine warmen braunen Augen sehen mich so liebevoll an das ich ihn küssen muss. Dann drehe ich mich abrupt um.
„Ja.“ Sage ich schnell und gehe Richtung Küche.
„Soll ich dir heute beim Dinner helfen?“ Matt folgt mir.
„Nein bitte nicht.“ Sage ich leise und stütze meine Hände auf der Arbeitsplatte ab.
Ich kann nicht mehr, meine Kraftreserven sind aufgebraucht…
„Juls? Was ist los?“ fragt er vorsichtig und ich höre wie er langsam näher kommt.
„Bitte nicht.“ Sage ich erneut.
„Schau mich an.“ Bittet er mich und hebt mein Kinn leicht an.
„Matt bitte nicht.“ Flehe ich ihn an.
Langsam beugt er sich zu mir und haucht mir einen Kuss auf die Lippen bei dem meine Beine fast unter mir nachgeben.
„Vertrau mir.“ Haucht er leise und küsst meine Stirn.
„Nein.“ Sage ich heftig und mache mich von ihm los.
Ich laufe aus der Hintertür hinaus und an den Strand, kurz überlege ich und laufe auf den Steg.
„Ich will nicht mehr!“ sage ich leise zu mir selbst.
Dunkle, schwere Wolken hängen tief über den Atlantik, das Meer ist aufgewühlt und weiße Gischt tritt hier und da hervor. Die Nacht hat beinahe das Festland erreicht und trotz der eisigen Temperaturen friere ich nicht.
Plötzlich verstehe ich Katie, manchmal ist man an einem Punkt in seinem Leben wo man nur noch einen Weg sieht. Ich weiß das ist nicht richtig und ich lasse viele Menschen in dem Dilemma zurück in dem ich selbst seit 3 Jahren in einer Endlosschleife stecke.
Aber ich habe keine Kraft mehr….
Ich sehe keinen Sinn mehr…
Matt ist so wundervoll, so lieb und so verständnisvoll. Er hat etwas Besseres wie mich verdient, jemanden der ihn nicht in einen Strudel zieht und der nicht eine solche Vergangenheit hat.
Ich kann ihm das nicht antun.
Ich habe das Ende des Stegs erreicht, im letzten Sommer konnte man hier noch den Grund sehen, aber jetzt ist alles grau und der Grund des Meeres ist nicht einmal zu erahnen. Ich stelle mich ganz an den Rand und lasse mich fallen.
Ich denke nicht nach, ich überlege nicht… ich lasse mich nur fallen.
Es ist merkwürdig wie einfach das ist…
Das kalte Wasser fühlt sich an wie tausend Nadelstiche und als ich es Schlucke rinnt es mir eiskalt die Kehle hinunter.
Kälte…
Kälte…
Kälte…
Ich werde gepackt und an die Oberfläche gezogen, ich merke wie ich auf den Holzbohlen des Steges abgelegt werde.
„Juls komm schon atme.“ Höre ich Matt seine Stimme wie durch Watte.
Ich huste das Wasser aus und hole tief Luft.
„Gott sein Dank.“ Matt zieht mich hoch und nimmt mich auf seinen Arm.
Er trägt mich ins Haus und ich merke wie er mich vor den Kamin setzt.
„Juls?“ fragt er leise und ich sehe ihn an.
Alles ist verschwommen und nur langsam verdrängt die Wärme die Eiseskälte aus meinen Gedanken.
„Matt.“ Flüstere ich.
Er zieht mich in seine Arme und rubbelt mir meine Arme um wieder Blut hinein zu bekommen.
Langsam erlange ich die Kontrolle über mich zurück.
„Matt.“ Sage ich erneut und er schaut mich an.
„Bitte Juls mach so etwas nie wieder.“ Seine braunen Augen sehen mich ängstlich und verloren an.
„Ich kann nicht mehr.“ Flüstere ich.
„Was Juls?“ er nimmt mein Gesicht in seine Hände und ich merke wie sehr ich zittere.
Ich sehe ihn nur an, ich versinke in seinen Augen und bin nicht fähig auch nur ein Wort zu sagen.
„Raus aus den nassen Sachen.“ Sagt er leise und beginnt mir meinen Pullover über den Kopf zu ziehen, ich helfe ihm mehr oder weniger mit und ein paar Minuten später habe ich nur noch meine Unterwäsche an. Er wickelt mich in eine Decke ein und platziert mich auf der Couch. Für ein paar Minuten verschwindet er und kommt in trockenen Sachen wieder zurück, er setzt sich neben mich und zieht mich in seine Arme.
Seine Wärme erfasst mich und ich kuschele mich eng an ihn.
Ich drehe mich zu ihm und beginne ihn zu küssen und er kommt mir entgegen, ich will ihn spüren und will fühlen dass ich am Leben bin. Anschließend liegen wir zusammen gekuschelt vor dem Kamin.
„Juls?“ fragt er leise in die Stille hinein.
„Hmm.“ Ich sehe ihn an, er sieht so anders aus mit seiner verwuschelten Haaren und dem liebevollen Ausdruck in seinen Augen. Kein Vergleich zu dem Matt der mich vor fast einem Jahr gar nicht schnell genug los werden konnte.
„Juls, ich liebe dich und ich könnte es nicht ertragen ohne dich zu sein.“ Flüstert er und ich sehe ihn mit Tränen in den Augen an.
„Bitte nicht Matt, bitte tu das nicht.“ Flehe ich ihn an.
„Liebst du mich denn nicht?“ fragt er verunsichert.
„Ich liebe Dich, ich liebe Dich wirklich aber du kennst mich nicht.“ Ich merke wie sich eine Träne aus meinem Augenwinkel stiehlt.
„Dann erzähle mir von dir.“ Bittet er mich.
Ich setze mich auf und sehe ihn ängstlich an „Matt, ich habe bis vor drei Jahren in Seattle gelebt, ich habe mein Medizinstudium fast abgeschlossen. Im April vor drei Jahren hat sich meine beste Freundin vor meinen Augen in Tod gestürzt…“ ich schlucke schwer.
„Katie.“ Sagt er leise und ich nicke.
„Am gleichen Tag bin ich total fertig nach Hause gefahren und habe einen Unfall verursacht bei dem zwei Menschen gestorben sind. Ich wurde schwer verletzt, aber ich wünsche mir ich wäre ebenfalls gestorben.“ Ich schluchze.
Er zeichnet meine Narbe entlang.
„Sie erinnert mich jeden Tag daran was ich getan habe, ich habe drei Menschen auf dem Gewissen und jetzt sag noch mal das du mich kennen willst.“ Ich sehe ihn tränenüberströmt an.
„Juls, das ändert nichts…“ sagt er liebevoll.
„Es ändert alles, ich bin eine Mörderin.“ Ich mache mich von ihm los und stehe auf.
„Sag doch so etwas nicht.“ Er springt auf und hält mich fest.
„Aber es ist so.“ ich schiebe ihn von mir weg, ich laufe hoch in mein Zimmer und schließe die Tür ab.
Kraftlos lasse ich mich auf mein Bett fallen und weine. Langsam aber sicher entsteht ein Plan in meinem Kopf, ich muss hier weg. Matt hat es verdient eine Frau zu bekommen die gut für ihn ist und Chris eine Mum die nicht drei Menschen auf dem Gewissen hat.
Ich packe meine Sachen und warte bis es ganz still im Haus ist.
Ich schleiche mich aus dem Haus und hinterlasse nur einen Zettel auf der Kommode.
Ich liebe Euch! Es tut mir leid! Julie
Ich fahre mit meinem Auto die Strecke nach Dub, Lill und Jonah sind mehr wie erstaunt als ich nachts um 4 Uhr vor ihrer Tür stehe.
„Was um alles in der Welt machst du hier?“ Jonah reibt sich die Augen.
Anstatt einer Antwort breche ich in Tränen aus und er nimmt mich in den Arm und bugsiert mich ins Wohnzimmer, Augenblicke später erscheint eine verschlafene Lill und sieht mich ebenfalls erstaunt an.
„Was ist denn los?“ sie streicht mir meinen Pony aus dem Gesicht.
„Ich habe es ihm gesagt…“ schluchze ich.
„Und er hat dich raus geworfen?“ Jonah schnappt nach Luft.
„Nein…“ ich versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen „… Ich bin gegangen, er hat etwas Besseres verdient.“
„Oh Julie, das kann nicht dein Ernst sein.“ Lill sieht mich kopfschüttelnd an.
„Lill bitte, glaubst du ich habe mir die Entscheidung leicht gemacht?“ ich sehe sie unter Tränen an.
„Nein natürlich nicht, aber ganz ehrlich Julie…“ sie nimmt meine Hände in ihre „… Nach allem was ich weiß liebt er dich wirklich und was machst du? Du läufst weg weil du denkst du bist nicht gut genug? Alles was in deinem Leben irgendwann Mal gut war hast du weg geworfen weil du denkst du bist nicht gut genug. Julie du bist gut genug, du bist das Beste.“ Sie sieht mich durchdringend an.
„Nein Lill, ich bin mit Sicherheit nicht das Beste aber ich habe beschlossen endlich etwas zu beenden was ich angefangen habe.“ Ich straffe meine Schultern ein wenig.
Beide sehen mich verständnislos an.
„Was hast du vor?“ fragt Lill ängstlich.
„Falls du denkst ich will mein Leben beenden… Nein Lill, das habe ich bereits gestern Nachmittag versucht und Matt hat mich gerettet…“ ich winke ab als ich ihr fragendes Gesicht sehe. „Ich habe meinen Job gekündigt und im St. Francis angerufen, am Montag mache ich mein praktisches Jahr zu Ende und sehe dass ich meine Doktorarbeit fertig bekomme. Ich habe mit Jason telefoniert, mein Zimmer ist frei und ich habe etwas gespart womit ich die drei Monate überbrücken kann. Dann sehe ich weiter, mein Flug geht in 3 Stunden.“ Ich sehe beide nacheinander an und sie starren mich mit offenen Mündern an.
„Das war es doch was ihr immer wolltet.“ Sage ich und schnäuze mich.
„Aber nicht so Lill, du liebst Matt und Chris und die Beiden lieben Dich, sie brauchen Dich.“ Sagt sie mit Tränen in den Augen.
„Sie kommen zurecht. Matt ist so toll mit Chris geworden, die beiden kommen klar.“ Erwidere ich sicher.
„Aber…“ setzt Jonah an.
„Nein Jonah, kein aber.“ Unterbreche ich ihn. „Ich wollte euch nur Auf wiedersehen sagen und ihr müsst mir versprechen Matt kein Wort zu sagen, er soll sein Leben weiter leben und nach vorne sehen, jetzt endlich kann er es.“ Ich stehe wieder auf, krame in meiner Tasche und gebe Lill meinen Zweitschlüssel von Auto.
„Ich weiß es ist nicht toll, aber es fährt. Ich lasse es am Flughafen stehen.“ Ich lege ihr den Schlüssel in die Hand.
„Julie, bitte tu das nicht.“ Jonah steht auf und kommt auf mich zu.
„Bitte Jo, lass mich gehen.“ Bitte ich ihn eindringlich.
Er nimmt mich in den Arm.
„Ich liebe Dich bis zum Mars und zurück.“ Sagt er leise und ich lächle.
„Ich Dich auch Kleiner! Bis zum Mond kann ja jeder.“ Ich zwinkere ihm zu und ziehe die Tür hinter mir ins Schloss.
„Julie!“ Lill reißt die Tür auf und stürmt im Nachthemd in den Hausflur.
„Lill…“ sage ich leise und bleibe stehen.
„Ich werde immer hier sein und auf dich warten, ich habe dich so lieb!“ sie nimmt mich in den Arm.
„Ich dich auch Lill.“ Sage ich gerührt und mache mich von ihr los.
Mit wackligen Beinen mache ich mich auf dem Weg zum Auto und fahre zum Flughafen, ich checke ein und sitze 3 Stunden später im Flieger Richtung Seattle.
Während des Startes liegt meine Hand auf dem Anhänger meiner Kette die ich seit Weihnachten nicht einmal abgenommen habe und mein Blick fällt auf das Armband welches ich eigentlich auch fast immer trage, sie fehlen mir jetzt schon...
Ich klappe im Flieger meinen Laptop auf und schreibe Jason wann ich lande. Tatsächlich erwartet er mich als ich aus dem Ausgang trete.
„Oh meine Prinzessin, es ist so schön dich zu sehen!“ er nimmt mich fest in seine Arme.
Jason erinnert mich an Matt, groß, gut gebaut und einer der liebsten Menschen den ich kenne. Na, gut mit einem Unterschied… Jason ist schwul.
„Ich habe dich vermisst Jay.“ Gebe ich zu und er lässt mich runter.
„Ich will jetzt nicht fragen wieso und weshalb du hier bist, aber wir werden später sprechen, ja?“ er sieht mich durchdringend an und seine blauen Augen blitzen auf.
„Später Jay.“ Gebe ich zurück.
„Endlich sind meine Lieblings grünen Augen wieder da, ich habe dich so vermisst Prinzessin!“ er drückt mich erneut an sich.
„Oh Jay.“ Erwidere ich und genieße seine Umarmung.
„Na komm, wir fahren jetzt erst einmal nach Hause und bestellen uns was beim Chinesen.“ Er zwinkert mir zu und wir schieben den Trolli Richtung Ausgang.
Wir fahren quer durch die Stadt nach Woodmont Beach und es ist merkwürdig all das wieder zu sehen, als wir die drei Etagen zum Appartement hoch steigen kommen mir die letzten drei Jahre unwirklich vor, fast so als wären sie nicht passiert. Jay schließt auf und mein erster Blick fällt auf ein großes Poster im Flur, es zeigt mich, Katie und Jay in New York an der Freiheitsstatur.
Meine langen braunen Haare und Katies blonde Locken wehen im Wind und Jay hat uns Beide fest im Griff.
„Es war ein schöner Tag.“ Sagt Jay leise.
„Ja.“ Ich streiche sanft über das Bild, es ist so unwirklich… Alles was ich von Katie in den letzten drei Jahren gesehen habe ist der Aufschlag in meinen Alpträumen und hier strahlt sie mich an.
„Prinzessin…“ Jay zieht mich in seine Arme „… Ich war lange bei Peter und habe mit ihm darüber geredet ansonsten wäre ich daran zerbrochen.“ Sagt er einfühlsam. „Ich habe nicht nur sie sondern auch dich verloren, es hat mir fast das Herz gebrochen.“
„Jay…“ ich schluchze auf.
„Ich zwinge dich zu nichts, du kennst mich lange genug.“ Er bugsiert mich ins Wohnzimmer, alles sieht noch genauso aus wie bei meinem Auszug und ich sehe mich ergriffen um.
Wir setzen uns auf die abgewetzte braune Ledercouch und er hält mich einfach eine Zeit lang fest.
„Du hast übermorgen Frühdienst in der Allgemeinchirurgie, Benson sagt du musst erst ein paar Wochen da arbeiten bevor dein PJ weiter angerechnet werden kann.“ Erklärt er mir und ich nicke, ich hatte mit so etwas gerechnet.
„Es ist Okay.“ Sage ich leise.
„Deine Sache sind noch alle in deinem Schrank. Ich konnte sie nicht einpacken, ich hatte die Hoffnung das du irgendwann zurück kommst.“ Er küsst meine Stirn. „Du siehst aber nicht gut aus Prinzessin.“ Er sieht mich prüfend an.
„Es ist viel passiert.“ Sage ich und beginne im meine letzten drei Jahre zu erzählen, als ich geendet habe sieht er mich mit großen Augen an.
„Du liebst ihn wirklich, oder?“ er nimmt meine Hand und drückt sie sanft.
„Ja, in gewisser Weise bin ich wegen ihm hier. Ich glaube ohne es zu wollen hat er mich hierher gebracht.“ Sage ich und schlucke schwer.
„Ehrlich Prinzessin, ich halte es für das Beste wenn du am Montag vor dem Dienst zu Peter gehst. Du bist nicht Schuld, weder an Katies noch an dem Tod der anderen beiden Menschen. Und wie sich Kenneth dir gegenüber verhalten hat war das Letzte.“ Er zwingt mich mit sanfter Gewalt ihn anzusehen. „Ich weiß ich habe dir gesagt ich zwinge dich nicht, aber ich verlange es von Dir.“
„Jay.“ Sage ich abwehrend.
„Nein Prinzessin! Du hast drei Jahre deines wunderbaren Lebens vergeudet und jetzt ist Schluss damit!“ sagt er sicher und in einem Ton bei dem ich weiß das Widerworte nichts nützen würden.
„Ich versuche es.“ Verspreche ich ihm und er nickt dankbar.
„Danke.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Er bestellt ein wenig später etwas beim Chinesen und obwohl ich keinen großen Hunger habe esse ich Jay zuliebe etwas. Wir sitzen bis spät in der Nacht im Wohnzimmer und es ist unwirklich als ich wieder in meinem alten Bett liege. Ich schlafe schlecht in der Nacht, dieses Mal ist es nicht Katie die mich schlecht träumen lässt Ich sehe Chris weinen und Matt hilflos daneben stehen… dieses Bild zerreißt mir fast das Herz. Dann taucht auch noch jemadn in meinen Träumen auf den ich in meinem Leben nie wieder sehen wollte: Kenneth.
Kenneth und ich waren zwei Jahre lang ein Paar, aber als das damals alles passierte ließ er mich einfach fallen. Es kümmerte ihn nicht wie es mir geht und als ich das letzte Mal sah, da schrien seine Augen förmlich das ich an all dem selber Schuld bin. Er hatte keine tröstenden Worte für mich, ein einfaches ´Ich kann nicht mehr` und er war aus meinem Leben verschwunden. Das hat mein Vertrauen in die Menschheit noch mehr erschüttert, ich meine wenn ich jemanden liebe dann gehe ich nicht einfach so und schaue nicht zurück…
Ich schalle mich selbst, genau das habe ich Matt angetan. Ich bin nicht besser wie Kenneth, kein Stück!
Irgendwann falle ich in einen unruhigen Schlaf.
Nach einem ausgedehnten Frühstück bei dem ich wieder nicht wirklich was esse fährt Jay mit mir nach Mercer Island, eine Insel im Lake Washington und wir gehen lange am Strand spazieren, ich versuche Ordnung in das Chaos in meinem Inneren zu bringen, aber zu viele Gefühle und Emotionen lassen sich nicht weg wehen.
„Prinzessin?“ Jay hält meine Hand und ich sehe ihn an. „Willst du das hier alles wirklich? Ich meine willst du hier sein?“
„Ich muss endlich meinen Weg gehen…“ ich seufze „Aber ich wäre jetzt lieber in Irland bei Matt und Chris.“ Gestehe ich ihm.
„Du kannst jederzeit zurück gehen.“ Sagt er sicher und ich grinse schief.
„Nein…“ ich winke ab und wir gehen Hand in Hand weiter „… Ich bin ohne mich zu verabschieden gegangen, sie haben jetzt wieder ihr eigenes Leben und ich muss aus meinem endlich was machen. Nanny zu sein war für eine gewisse Zeit sehr schön, aber ich bin Ärztin.“
Er zieht mich in seine Arme.
„Endlich.“ Sagt er lächelnd.
„Lass uns nach Hause Jay, ich möchte früh ins Bett.“ Bitte ich ihn mit einem Blick auf meine Uhr und er legt seinen Arm um meine Schultern und wir gehen zurück zum Auto.
Am nächsten Morgen stehe ich mit klopfendem Herzen auf und bringe zum frühstück nichts runter. Jay und ich laufen die 15 Minuten zur Klinik und als im Umkleideraum das erste Mal seit fast drei Jahren in meine hellblauen Arztsachen schlüpfe bekomme ich vor Aufregung Schmetterlinge im Bauch. Ich bin so aufgeregt dass ich mich prompt übergeben muss, ich mache mich ein wenig frisch und gehe zurück zu Jay. Er hat natürlich seine Assistenzzeit schon lange beendet und ist mittlerweile Facharzt für Neurologie. Ich habe mich schon damals für die Pädiatrie entschieden und hoffentlich kann ich bald wieder auf die Kinderstation. Aber mir ist klar dass ich mich erst einmal wieder beweisen muss.
Ich binde meine Haare zu einem Knoten, ich lege mein Stethoskop um und pinne mein Namensschild fest.
„Zeig es ihnen.“ Flüstert mir Jay zu und ich nehme ihn in den Arm.
„Danke.“ Flüstere ich.
„Bitte denk daran Prinzessin, um 15 Uhr hast du einen Termin bei Peter, ich habe mit Benson gesprochen, du wirst erst wieder in die Pädiatrie gehen wenn Peter sagt dass du Okay bist.“ Er sieht mich an und meine Augen weiten sich. „Es tut mir leid Prinzessin, aber das scheint mir der einzige Weg.“ Gesteht er mir und ich nicke leicht.
Dann trennen sich unsere Wege fürs Erste, er fährt hoch in die Neurologie während ich in den 2. Stock die Allgemeinchirurgie fahre.
Von allen die ich noch kenne werde ich überschwänglich begrüßt und meinen neuen Kollegen vor gestellt.
„Schön dass du endlich wieder da bist.“ John Michaels, mein Oberarzt zieht mich kurz aber heftig in seine Arme. „Ich freue mich schon sehr darauf wieder mit dir zu arbeiten.“
„Ich freue mich auch.“ Gebe ich zu.
„Oh Julie. Du hast mir gefehlt!“ Elle, eine ältere Schwester nimmt mich in den Arm.
„Danke Elle.“ Sage ich gerührt.
„Deine Haare sind so lang geworden, aber Mädchen du bist zu dünn.“ Sie kneift mich leicht in die Seite und ich grinse.
„Jetzt bin ich ja wieder da und du kannst kontrollieren ob ich ja genug esse.“ Ich zwinkere ihr zu.
„Dr. O’Brian kann ich sie kurz sprechen?“ Prof. Benson steht vor mir und ich nicke ihm zu. „Dr. Michaels begleiten sie uns bitte?“ er sieht zu meinem Oberarzt und dieser folgt uns in einen freien Behandlungsraum.
„Zu einem möchte ich ihnen sagen das ich mich freue das sie sich entschieden haben ihr praktisches Jahr fortzusetzen.“ Wendet er sich zuerst an mich und ich nicke ihm leicht zu. „Zum anderen erwarte ich von ihnen Dr. Michaels, jede Woche einen Bericht. Ich habe auch veranlasst das Dr. O’Brian jeden Tag eine Stunde früher Schluss hat damit sie zu ihren Gesprächen mit Dr. Andrews gehen kann, denn erst wenn ich von ihm das Okay habe werde ich sie wieder in die Pädiatrie lassen und die letzten drei offiziellen Monate beginnen. Ich erwarte ihre Doktorarbeit spätestens bis zum Abschluss ihres Praktischen Jahres, denn ich weiß sie ist so gut wie fertig.“ Er sieht wieder zu mir und ich nicke erneut.
„Das war dann alles, ich wünsche einen ruhigen Tag.“ Er verabschiedet sich mit einem Nicken und ich und John sehen uns an.
„Das wird schon Julie.“ Er zwinkert mir zu. „Nun aber auf ins Getümmel, ich habe heute zwei Appendixe und eine Magen - OP für dich.“ Wir verlassen den Behandlungsraum und mein erster Tag rast an mir vorbei, schon nach ein paar Stunden ist es so als wäre ich nie weg gewesen, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Ich fühle mich wohl und John lobt mich in den höchsten Tönen.
Punkt 16 Uhr stehe ich bei Dr. Peter Andrews vor der Tür und klopfe zaghaft an.
Er öffnet mir die Tür und strahlt mich an „Julie! Ich habe schon auf dich gewartet. Komm rein.“ Er deutet ins Innere seines Büros.
Ich folge seiner Einladung und setze mich auf eine schwarze Ledercouch, es sieht genauso aus wie ich es bei einem Psychiater erwartet habe.
„Ich weiß dass du nicht so ganz freiwillig hier bist.“ Beginnt er und ich nicke leicht „Ich habe nach dem Suizid von Kathlyn West viele Mitarbeiter betreut und hatte damals schon gehofft das du mich aufsuchen würdest.“
„Peter, es war einfach alles zu viel.“ Gebe ich zu.
„Das kann ich verstehen, meinst du denn wir können uns jetzt unterhalten?“ er sieht mich fragend an und ich atme tief durch.
„Ja…“ sage ich leise „So kann es nicht weiter gehen.“
Die erste Sitzung bei ihm dauert fast drei Stunden und ich bekomme für die nächsten 3 Wochen für jeden Tag einen Termin, es tut mir gut endlich zu reden und mich meinen Ängsten, Vorwürfen und Selbstzweifeln zu stellen.
Jay ist furchtbar stolz auf mich und ehe ich wirklich weiß wie mir geschieht bin ich schon wieder Mitten in meinem alten Leben. Ich genieße meine Arbeit im Krankenhaus und blühe wieder richtig auf.
Nach 5 Wochen darf ich auch endlich wieder in die Pädiatrie und kann nicht sagen wie sehr mich das freut. Peter ist zwar der Meinung dass noch einige Sitzungen notwendig sind, aber ich mache gute Fortschritte. Ich denke jeden Tag an Matt und Chris aber ich kann mich nicht durchringen ihn anzurufen. Jay und ich werden wieder ein eingespieltes Team was unsere WG angeht, im Moment habe ich aber meistens das Vergnügen die Wohnung für mich alleine zu haben das Jay einen neuen Verehrer hat und viel Zeit bei ihm verbringt.
Mein Doktorarbeit habe ich schon nach drei Wochen abgegeben, denn sie lag die letzten drei Jahre bis auf den letzten Absatz fertig auf meinem Computer, noch muss ich aber warten. Es ist wirklich nicht zu glauben dass ich schon über 3 Monate wieder in Seattle bin, noch 2 Wochen und ich habe mein praktisches Jahr abgeschlossen und bekomme meine Zulassung.
„Dr. O’Brian?“ Prof. Benson ruft mich zu sich als ich gerade einer meiner kleinen Patientinnen zu Ende behandelt habe.
„Was kann ich für sie tun?“ ich bleibe vor ihm stehen und er grinst mich an.
„Ich möchte ihnen sagen dass wir außerordentlich zufrieden mit ihnen sind und ihnen gerne eine Fachsarztausbildung zur Notfallkinderärztin anbieten wollen.“ Er grinst mich an.
Davon habe ich immer geträumt das St. Francis hat einen sehr guten Ruf was die Facharztausbildung angeht.
„Ich würde mich sehr freuen.“ Erwidere ich strahlend.
„Kommen sie die nächsten Tage in mein Büro und wir besprechen das.“ Er nickt mir aufmunternd zu. „Aber vorher müssen sie sich bei Dr. Allan melden, er muss noch die Einstellungsuntersuchung wiederholen.“
„Ich gehe nachher gleich mal zu ihm.“ Verspreche ich ihm.
„Dr. O’Brian kommen sie bitte in die 1?“ eine Schwester sieht mich an und ich sehe entschuldigend zu Prof. Benson.
„Kein Problem…“ winkt er ab „… Wir sehen uns in den nächsten Tagen, machen sie einen Termin mit Alice aus.“
„Vielen Dank!“ werfe ich ihm noch schnell zu ehe ich der Schwester folge.
Tatsächlich schaffe ich es in meiner Mittagspause kurz zu Dr. Allan, dem Leiter des Labors und lasse mir Blut abnehmen.
Gut gelaunt schließe ich die Tür zu unserer Wohnung auf.
„Jay?“ rufe ich als ich meine Schuhe ausgezogen habe.
„Hier.“ Kommt es überraschender Weise aus dem Wohnzimmer und ich gehe schnell zu ihm. Ein weiterer junger Mann sieht mich an und ich halte ihm strahlend meine Hand hin.
„Julie.“ Sage ich lächelnd, mir ist klar um wen es sich hier handelt. Um den großen Unbekannten bei dem Jay seit Wochen jede freie Minute verbringt. Alex…
„Alex.“ Bestätigt er meinen Verdacht und ich grinse ihn an.
„Das habe ich mir fast gedacht.“ Gebe ich zu.
„Was strahlst du denn so Prinzessin?“ Jay nimmt mich in den Arm.
„Benson hat mir eine Facharztausbildung angeboten.“ Jubele ich.
„Das ist so toll!“ er wirbelt mich herum.
„Herzlichen Glückwunsch sage ich mal obwohl ich von eurem ganzen Getue nichts verstehe.“ Alex hält mir seine Hand hin und ich ergreife sie lächelnd.
„Was machst du denn so?“ frage ich und er sieht mich skeptisch an.
„Hat dir Jay nichts von mir erzählt?“ er legt den Kopf schief.
„Doch sicher, aber sollte ich das offensichtlich raushängen lassen Officer Alexander Green?“ ich sehe ihn lächelnd an.
Er lacht los und schüttelt mit dem Kopf.
„Ich weiß warum du sie so sehr magst.“ Sagt er an Jay gewandt.
„Ja, sie ist meine Prinzessin.“ Strahlt er.
„Soll ich euch was zu trinken mitbringen? Ich verdurste nämlich gleich.“ Ich gehe in Richtung Küche.
„Bringst du uns ein Wasser mit?“ fragt Jay und ich recke meinen Daumen in die Höhe.
Wir sitzen noch lange zusammen und ich muss neidlos anerkennen das Jay und Alex super zusammen zu passen, es macht richtig Freude sie zusammen zu sehen.
Als ich im Bett liege überlege ich tatsächlich eine ganze Weile ob ich nicht wenigstens Jonah oder Lill anrufen sollte, denn bei ihnen habe ich mich bisher nicht gemeldet, einzig und allein meinen Eltern habe ich mit einem kurzen Telefonat mit geteilt wo ich bin und das es mir gut geht. Ich weiß das macht man nicht, aber ich bin gerade erst wieder auf einem Weg mein Leben in den Griff zu bekommen und ich bin mir sicher Peter wird schon zu gegebener Zeit sein Statement dazu abgeben.
Am nächsten Morgen kann ich ausschlafen und habe das Vergnügen mit Alex allein zu frühstücken da Jay schon los ist, auch ohne Jay haben wir einen guten Draht zu einander, was ja nicht selbst verständlich ist und nachdem wir uns gestärkt haben fährt er mich mit seinem Motorrad zum Krankenhaus. Fröhlich betrete ich 10 Minuten später die Station und Olivia, die Oberschwester der Station kommt mir aufgeregt entgegen.
„Julie, du sollst sofort runter ins Labor.“ Weist sie mich an und ich mache auf dem Absatz kehrt um wieder in den Fahrstuhl zu steigen und hinunter ins Erdgeschoss zu fahren. Ich klopfe an Dr. Allans Tür und er bittet mich herein.
„Ist alles in Ordnung?“ ich sehe ihn fragend an.
„Wie man es nimmt, ich habe die Ergebnisse ihrer Blutuntersuchungen…“ er atmet tief durch und ich sehe ihn weiterhin fragend an.
„Und?“ harke ich nach.
„Dr. O’Brian sie sind schwanger.“ Sagt er ohne Umschweife und ich halte mich an seinem Schreibtisch fest.
„Sicher?“ frage ich geschockt nach.
„Natürlich sollten sie sich einen Termin in der Gynäkologie holen, aber anhand der HTC Werte gehe ich von der 14.- 18. Woche aus.“ Erklärt er mir und in meinem Kopf fängt alles an sich zu drehen.
„Geht es ihnen gut?“ fragt er besorgt nach.
„Es geht schon…“ ich atme tief ein und aus und verlasse ohne ein weiteres Wort sein Büro. Ich fahre hoch in den 6. Stock und klopfe an Peters Tür.
Augenblicke später öffnet er mir und sieht mich erstaunt an.
„Julie, hast du nicht erst morgen wieder einen Termin?“ er legt seinen Kopf schief.
„Notfall.“ Sage ich tonlos und er bittet mich herein.
„Ich bin schwanger.“ Sage ich leise und er sieht mich überrascht an.
„Matthew?“ harkt er nach.
„Natürlich Matthew, ich habe mit niemanden außer mit ihm geschlafen…“ sage ich verzweifelt „Aber wir haben immer verhütet…“ ich denke nach „…Nur ein einziges Mal nicht, an dem Abend bevor ich gekündigt habe.“ Sage ich mehr zu mir selbst wie zu ihm.
„An dem Abend deines Suizidversuches?“ harkt er nach.
„Ja.“ Ich stütze meinen Kopf auf meine Hände.
„Ich würde dir empfehlen mit ihm zu reden wenn du das Kind behalten willst.“ Rät er mir.
„Wenn es wirklich an dem Abend passiert ist, dann bin ich in der 16. Woche.“ Meine Stimme ist nur ein flüstern, aber wenn ich ehrlich zu mir bin habe ich über diese Möglichkeit gar nicht nach gedacht.
„Wie kann ich dir helfen?“ fragt Peter besorgt.
„Kannst du mich zu Benson begleiten? Er hat mir eine Facharztausbildung angeboten.“ Bitte ich ihn.
„Aber sicher, wollen wir gleich zu ihm, solche Sachen schiebe ich ungern vor mich her.“ Er grinst mich aufmunternd an.
Das Gespräch läuft besser wie gedacht und er zeigt volles Verständnis für meine Situation, ich meine ich bin 29. eine Schwangerschaft ist in meinem Alter ja nun nichts wirklich Besonderes. Er fragt auch nicht nach den Umständen, obwohl ich mir sicher bin das er sich seinen Teil denkt. Anschließend bringt mich Peter in die Gynäkologie und eine Kollegin von mir macht den ersten Ultraschall.
„Hier Julie…“ sie deutet auf den Monitor und mir stehen die Tränen in den Augen.
„Wow.“ Sage ich ergriffen.
„Du bist in der 16. Woche und alles sieht sehr gut aus, du solltest ein wenig auf dein Gewicht achten, du bist mir etwas zu dünn für den 4. Monat.“ Sie sieht mich prüfend an und ich nicke eifrig.
„Ich werde mehr auf mich achten.“ Verspreche ich.
Drei Stunden später verlasse ich mit einem Vertrag für mein Facharztjahr, meinem Mutterpass und einem ganz guten Gefühl das Krankenhaus denn Prof. Benson hat mich angesichts der heutigen Ereignisse von dem heutigen Dienst frei gestellt.
Als ich in der Wohnung ankomme kommt Jay an die Tür gestürmt.
„Was machst du denn hier?“ fragt er erschrocken.
Ich winke ab und gehe ins Wohnzimmer, wo ich auf der Couch auch wieder Alex vorfinde der gerade eine Woche von seinem Dienst genießt.
„Setz dich.“ Fordere ich Jay auf.
„Soll ich gehen?“ fragt Alex als er mich genauer ansieht.
„Nein, nein. Du gehörst doch jetzt dazu.“ Sage ich milde lächelnd. „Also die Sache ist die…“ ich krame in meiner Tasche und hole meinen Mutterpass heraus „Ich bin schwanger, in der 16. Woche.“ Sage ich und sehe die Beiden an.
Einen Moment passiert nichts, dann plötzlich springt Jay auf und wirbelt mich herum.
„Das ist toll!“ jubelt er, dann setzt er mich ab und sieht mich fragend an „Ist es doch, oder?“
„Ja, alles gut.“ Ich ringe mich zu einem lächeln durch „Ich freue mich.“ Gebe ich zu „Benson weiß es auch und meine Ausbildung wurde vertraglich angepasst.“
„Aber?“ Jay sieht mich durchdringend an.
„Matt.“ Sage ich leise. Seitdem ich es weiß frage ich mich die ganze Zeit wie er reagieren würde, ob er sich freuen würde oder ob er ebenso wie ich erst einmal einfach nur geschockt wäre.
Jay nimmt mich in den Arm.
„Ich mische mich da nicht ein, du kennst meine Meinung.“ Sagt er leise und ich lächle unter Tränen.
„Ich bekomme ein Baby.“ Sage ich leise und er grinst.
„Meine Prinzessin bekommt ein kleines Baby.“ Freut sich Jay.
„Herzlichen Glückwunsch!“ Alex nimmt mich auch in den Arm.
„Ich bin froh dass ich euch habe.“ Sage ich und merke wie mir die Tränen übers Gesicht laufen.
„Nicht weinen Prinzessin, ich kann es nicht ertragen dich weinen zu sehen.“ Jay zieht mich in seine Arme und hält mich einfach nur fest.
Von dem Tag an passt Jay wie ein Schießhund auf mich auf, ich darf nichts mehr tun, was auch nur im Ansatz gefährlich wäre. Ich darf nicht mehr bei Alex auf dem Motorrad mitfahren, ich darf keinen Kaffee trinken, ich darf nicht schwer heben… ich glaube eine Liste mit Sachen zu erstellen die ich darf wäre einfacher.
Nur noch eine halbe Stunde, dann habe ich endlich Feierabend. Man der Tag hat es wirklich in sich gehabt.
„Dr. O’Brian, Aufnahme 3. 2jährige mit Bauchschmerzen.“ Olivia sieht mich an und ich nehme die Akte in die Hand und betrete den Behandlungsraum.
„Hallo Jennifer, ich bin Dr. O’Brian…“ ich sehe auf und mein Blick erstarrt.
Vor mir sitzt Kenneth mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß und neben ihm eine dunkelhaarige Frau.
„Julie.“ Sagt er erstaunt.
„Kenneth.“ Erwidere ich und atme tief durch „Was fehlt Jennifer denn?“ gehe ich nicht weiter auf ihn ein.
„Sie übergibt sich seit mehreren Stunden und hat Bauchschmerzen.“ Antwortet die Frau.
„Legen sie sie bitte auf die Liege.“ Weise ich Kenneth an.
„Hallo, ich bin Julie, ich horche jetzt Mal an deinem Bauch und dann schaue ich ob ich dir helfen kann.“ Sage ich zu der Kleinen und sie sieht mich ängstlich an.
„Mummy und Daddy sind hier.“ Sagt die Frau beruhigend.
Nachdem ich die Kleine untersucht habe sehe ich sie und Kenneth an.
„Mr. und Mrs. Donevan, Jennifer hat sich allem Anschein nach einen Virus eingefangen. Sie bekommt gleich was gegen die Schmerzen und bleibt über Nacht hier. Ich denke morgen, spätestens Montag können sie sie wieder mit nach Hause nehmen.“ Ich mache mir Vermerke in die Akte. „Haben sie noch Fragen?“ ich sehe beide abwartend an.
„Nein Danke Dr. O’Brian.“ Antwortet die Frau erleichtert.
„Ich schicke gleich eine Schwester zu ihnen.“ Sage ich und trete wieder in den Flur.
Kaum das ich die Tür hinter mir geschlossen habe wird sie wieder geöffnet und Kenneth steht vor mir.
„Julie.“ Sagt er erneut, seine Augen sehen mich prüfend und verlegen an, sein Blick streift über meinen Körper und bleibt an meinem Bauch hängen „Ich wusste nicht das du wieder hier bist.“
„Ich wüsste nicht was dich das angeht.“ Sage ich abwehrend.
„Julie bitte…“ er berührt mich leicht am Arm und ich sehe ihn an, er hat sich verändert in den letzten Jahren, er wirkt erwachsener und reifer, aber trotzdem war er derjenige der mich in der schlimmsten Zeit meines Lebens einfach fallen gelassen hat.
„Ich hoffe du lässt deine Frau nicht auch bei der ersten Probe einfach fallen.“ Sage ich zynischer wie beabsichtigt.
„Es tut mir leid Julie, ich weiß es war falsch. Aber ich konnte mit der Situation nicht umgehen.“ Er sieht mich bedauernd an.
„Kenneth, du hast dein Leben und ich habe mein Leben. Ich wünsche dir alles Gute.“ Erwidere ich ein wenig versöhnlicher.
„Ich dir auch, und Julie vielen Dank.“ Sagt er und ich nicke ihm kurz zu.
„Olivia, in der drei bitte einen Tropf anlegen und die Kleine auf Station einweisen. Ich bin weg, wir sehen uns Montag.“ Ich winke ihr zu.
„Julie. Du musst noch die beiden Akten abzeichnen.“ Ruft mich Olivia zurück als ich gerade im Begriff bin die Station zu verlassen.
Ich grinse sie an und komme zurück, ich streiche mich meine kinnlangen Haare hinter die Ohren und unterschreibe die Akten.
Ich bin offiziell und mit allen Formalitäten seit 4 Monaten Ärztin und Mitten in meiner Facharztausbildung, mein Weg nimmt endlich formen an und auch wenn ich viele Umwege in Kauf genommen habe, so weiß ich jetzt das ich beruflich hier hin gehöre.
„Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!“ ruft sei mir hinterher als ich im Fahrstuhl verschwinde.
„Dir auch!“ rufe ich ihr zu ehe sich die Türen schließen.
Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild in den polierten Türen des Fahrstuhls, ich bin im 8. Monat und mein Bauch ist gewaltig, ich habe keine Ahnung wo das Enden soll, denn ich habe ja noch 7 Wochen vor mir. Ich ziehe mich um und schlüpfe in meine Umstandhose und einen eigentlich mal weiten Kuschelpulli, nur leider ist von weit nicht mehr die Rede, denn er spannt sich um meinen Bauch.
Ich laufe durch den Schnee zur Wohnung und genieße die Vorweihnachtsstimmung, in einer Woche ist Weihnachten und dann gehe ich in den Mutterschutz, ich freue mich darauf endlich für mein Baby einkaufen zu gehen, bisher hatte ich noch keine Zeit dafür.
Heute Abend wollen Jay, Alex und ich uns eine Pizza machen und schon bei dem Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Alex ist ein wirklich ausgezeichneter Koch und Jay und ich schätzen das sehr, ich habe schon viel von ihm gelernt und auch Jay macht Forschritte.
Kaum bin ich in der Wohnung und habe mich von meinen Schuhen befreit stürmt Jay zu mir.
„Julie, du hast Besuch.“ Sagt er und deutet aufs Wohnzimmer.
Julie? Er nennt mich nie Julie…
Ich trete ein und traue meinen Augen nicht, Jonah sitzt auf der Couch und sieht mich mit großen Augen an.
„Julie.“ Sagt er erleichtert und nimmt mich in den Arm.
„Was machst du hier?“ frage ich ihn verwirrt.
„Hör zu…“ er bugsiert mich neben sich „… Gott du bist schwanger.“ Sagt er und streichelt sanft über meinen Bauch „Ist es von Matthew?“ fragt er und ich nicke leicht. Meine Hände umklammern den kleinen Anhänger meiner Kette.
„Ja.“ Sage ich bestätigend.
„Also ich bin hier, weil ich es nicht mehr ertragen kann. Lill ist todtraurig, Mum und Dad verzweifeln und Matthew geht es hundeelend. Julie ich verstehe das das für sich eine schwere Situation war oder ist…“ sagt er mit einem Blick auf meinen Bauch „Aber wir brauchen Dich, wir vermissen dich und wollen dass du zurück kommst.“ Bittet er mich eindringlich.
„Wir?“ frage ich nach und er nickt.
„Mum, Dad, Lill, ich und Matthew.“ Sagt er bestätigend.
„Matt?“ frage ich leise.
„Ja Matt, er war in den letzten Monaten oft bei mir und Lill und hat gefragt ob wir was Neues gehört haben. Ob wir wissen wann du wieder kommst oder ob du überhaupt wiederkommst. Julie, er vermisst dich und ich weiß er liebt dich wirklich. Ich hatte die Möglichkeit ihn und Chris kennen zu lernen, die beiden sind großartig und ich weiß Matt würde dir alles verzeihen wenn du doch nur wieder kommen würdest.“ Er sieht mich an und nimmt meine Hand.
„Chris?“ ich habe Tränen in den Augen „Wie geht es ihm?“
„Er geht jetzt in die 1. Klasse in einer Privatschule in Moville, er ist ein guter Schüler und er ist ganz schön gewachsen. Er vermisst dich ganz schrecklich und hat Angst das du wegen ihm gegangen bist.“ Erzählt er mir.
„Ich vermisse den kleinen Kerl.“ Gebe ich zu.
Jay und Alex die während des Gespräches gestanden haben setzen sich rechts und links von mir auf die Couch und Jonah flüchtet auf den Sessel.
„Prinzessin, das was du in den letzten 8 Monaten geschafft hast ist phänomenal, aber ich weiß dass du hier nicht her gehörst. Du bist eine Irin durch und durch und ich weiß du kannst nur mit ihm glücklich sein.“ Jay gibt mir einen Kuss.
„Püppi…“ Alex zieht mich in seine Arme „Du bist die stärkste, klügste, charmanteste und wunderbarste Frau die ich kenne. Es bricht mir das Herz aber Jay hat Recht. Geh zu ihm und hole dir deine Liebe zurück.“ Er küsst mich sanft auf die Stirn.
„Wie stellt ihr das vor? Soll ich zu ihm gehen und sagen: Hallo da bin ich, Sorry aber ich musste mal eben mein Assistenzjahr zu Ende machen und mir meine Zulassung holen und ach ja ich bin schwanger und angerufen habe ich nicht weil wir kein Telefon haben?“ ich sehe zweifelnd zu Jonah.
„Na, ja im Großen und Ganzen nicht so schlecht.“ Grinst er „Nur das mit dem Telefon solltest du weg lassen, ich denke er weiß dass es auch in Seattle Telefone gibt.“
Ich sehe zwischen den Dreien hin und her.
„Und was wenn er mich und das Baby nicht will?“ frage ich ängstlich.
„Das wird nicht passieren, natürlich wird er böse auf dich sein, aber ich denke er hat alles Recht dazu.“ Gibt Jay zu.
„Du musst ihm beweisen dass du ihn liebst und nicht bei der nächstbesten Gelegenheit wieder verschwindest.“ Erklärt mir Alex und ich nicke.
„Und was machst du?“ ich sehe zu Jay.
„Was soll ich schon machen? Alex zieht zu mir und ich verspreche dir wir werden dein Zimmer in Ehren halten.“ Erzwinkert mir zu.
„Mein Rückflug geht in zwei Stunden, ich habe nur zwei Tage frei bekommen und durch die elendige Zeitumstellung muss ich wieder los.“ Jonah sieht mich an und ich nicke ganz leicht.
Was soll ich tun?
Wieder ein Stück meines Lebens hinter mir lassen, was ich mir mühsam aufgebaut habe?
Wieder gehen?
Ich gebe zu, es wäre das erste Mal in meinem Leben das ich nicht vor etwas weg laufen würde sondern mich einfach meinem Leben stelle.
Will ich für eine Zukunft mit Matt und Chris kämpfen?
Will ich Matt zurück?
Will ich die Frau an seiner Seite sein?
Oder will ich den Platz einer anderen zu gestehen?
Will ich für Chris eine Mum sein?
Ich schließe die Augen, bin ich nicht schon längst eine Mum für Chris?
Bin ich nicht die Person die der am Nächsten kommt?
Und bin ich nicht Matt so sehr verfallen, das mir jeder Gedanke an ihn fast körperliche Schmerzen zufügt?
Liebe ich ihn?
Ja.
Liebe ich Chris?
Ja.
Bin ich bereit mich endlich allem zu stellen?
Ja, nach langen Therapiesitzungen und dem Aufarbeiten meiner Vergangenheit bin ich endlich bereit dazu.
Ich will zurück!
Zurück nach Irland!
Zurück zu meiner Familie!
Zurück zu Chris und vor allen Dingen zurück zu Matt!
„Ich denke ich muss packen.“ Sage ich zu Jay „Und ich muss Benson anrufen.“ Füge ich hinzu.
„Du machst jetzt gar nichts, die Aufregung ist nicht gut für dich…“ weist er mich an „Ich spreche morgen mit Benson und ich und Alex packen jetzt.“
„Die beiden sind nett.“ Sagt Jonah zu mir als die Beiden verschwunden sind.
„Ja, sie sind toll.“ Bestätige ich ihm „Meinst du das ist Richtig?“ ich sehe ihm in die Augen, wir haben beide die gleichen grasgrünen Augen.
„Fühlt es sich richtig an? Kannst du deine Dämonen endlich hinter dir lassen?“ er sieht mich durchdringend an.
„Es war ein hartes Stück Arbeit, aber ich denke ich bin bereit meinen Weg zu gehen.“ Erwidere ich sicher.
„Es tut so gut dich zu sehen.“ Er zieht mich erneut in seine Arme. „Wie lange hast du denn noch?“ fragt er mit einem Blick auf meinen Bauch.
„Noch 7 Wochen, der Termin ist der 7. Februar.“ Erkläre ich ihm.
„Wow, meine große Schwester bekommt ein Baby.“ Er grinst breit.
„Verrückt, oder?“ ich sehe ihn unsicher an.
„Nein nicht verrückt…“ er grinst breit „Nur einfach der Hammer.“
Jay und Alex stellen drei große Reistaschen in den Flur und kommen wieder zu uns.
„Bereit Prinzessin?“ fragt mich Jay und ich nicke unsicher.
„Ich denke ja.“ Sage ich leise.
„Prinzessin…“ er geht vor mir in die Hocke „… Du bist wunderbar und ich weiß das Matt das weiß, er wird dir verzeihen, aber erwarte nicht das er dich überschwänglich begrüßt als ob nichts geschehen wäre.“ Schärft er mir ein „Zeit, meine kleine Prinzessin, Zeit ist alles was helfen kann.“
„Zeit.“ Sinniere ich.
Wie viel Zeit habe ich in meinem Leben bisher vergeudet?
„Julie, man sagt immer die Zeit heilt alle Wunden, aber deine Wunden brauchten nicht nur Zeit sondern auch Hilfe und ich weiß von Jay das du sie endlich bekommen hast.“ Jonah sieht mich liebevoll an „Du siehst toll aus und ich weiß das nichts dich mehr vom Weg abbringen kann.“ Er zwinkert mir zu.
„So wir fahren euch jetzt zum Flughafen.“ Alex steht auf und hilft mir in meinen Mantel.
Als wir das Gepäck eingecheckt haben sehe ich die beiden traurig an.
„Ihr werdet mir so fehlen.“ Gebe ich zu und beide nehmen mich in ihre Mitte und wir kuscheln uns zusammen.
„Du wirst uns auch fehlen. Aber wir werden dich besuchen kommen wenn das Baby da ist.“ Verspricht mir Alex.
„Aber sicher Prinzessin, ich muss mich doch überzeugen das es dem Baby gut geht…“ Jay legt seine Hand auf meinen Bauch „Pass gut auf deine Mummy auf.“ Flüstert er und ich lächle unter Tränen.
Das ist das erste Mal das ich nicht von irgendwo sang und klanglos verschwinde, es ist das erste Mal das ich an einem Flughafen verabschiedet werde.
„Ich liebe Euch.“ Sage ich und merke wie sich die Tränen ihren Weg bahnen.
„Du wirst jetzt nicht weinen.“ Sagt Jay sicher. „Wir sehen uns bald.“ Er schubst mich hinter Jonah hinterher in den Check in Bereich.
Jonah nimmt meine Hand und ich lege meinen Pass in das Fenster des Kontrollschalters.
„Wir lieben Dich!“ ruft Jay und ich drehe mich zu den beiden um, sie halten sich an den Händen und strahlen mich beide an. Es ist ein schönes Bild und als mir Jonah meinen Pass gibt gehe ich mit einem guten Gefühl in den Abflugbereich.
Eine Stunde später bekommen wir unsere Plätze in einer Maschine der Air Lingus Maschine zugewiesen und die Stewardess reicht mir eine Gurtverlängerung da der normale Gurt zu kurz ist.
„Bereit?“ fragt mich Jonah und ich nicke sicher.
„Ja, bereit.“ Sage ich mit fester Stimme.
Dann heben wir ab Richtung Irland und mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust.
„Warum hast du dir eigentlich deine tollen langen Haare abgeschnitten?“ Jonah sieht mich prüfend an.
„Es war Zeit für was Neues.“ Gebe ich zu und streiche mir eine Strähne hinters Ohr.
„Du siehst hübsch aus.“ Sagt er lächelnd.
Die nächsten Stunden verschlafe ich fast komplett und meine Hand klammert sich an meinen Anhänger, bald schon werde ich ihn wieder sehen.
Meinen Matt!
Als wir endlich in Dublin landen fahren wir erst einmal zu Lill in die Wohnung, sie hat keine Ahnung dass ich komme, denn Jonah wollte ihr keine Hoffnungen machen falls ich doch nicht mit gekommen wäre. Für sie war er auf einer Tagung in London…
Kaum das der Schlüssel im Schloss steckt wird die Tür aufgerissen.
„Sweetheart!“ begrüßt Lill Jonah stürmisch und fällt ihm um den Hals. Ihr Blick fällt auf mich und ihre Augen weiten sich.
„Julie?“ fragt sie erschrocken und ich lächle leicht.
Sie sieht mich einen Moment einfach nur an, dann ist sie mit einem großen Schritt bei mir und erdrückt mich fast.
„Oh Julie, du siehst so anders aus.“ Stammelt sie.
„Ja, es ist viel passiert.“ Sage ich lächelnd.
„Und wow.“ Sie bestaunt meinen Bauch.
„Können wir erst einmal rein gehen? Ich meine ich mag unsere Nachbarn, aber wir sollten uns vielleicht drinnen weiter unterhalten.“ Jonah schiebt Lill mit sanfter Gewalt in die Wohnung und lässt die Taschen im Flur fallen während ich ihm folge.
„Ich kann es nicht glauben.“ Lill sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Ich habe dich vermisst.“ Sage ich und nehme sie erneut in den Arm.
„Ich mache uns eine heiße Schokolade, der Flug war anstrengend und Julie muss sich ein wneig erholen.“ Jonah sieht mich fürsorglich an und ich ziehe meine Jacke und meine Stiefel aus.
Ich gehe mit Lill ins Wohnzimmer, alles ist festlich dekoriert und die Erinnerungen an mein letztes Weihnachtsfest und an die Vorweihnachtszeit kommen hoch.
„Schau mal was ich am Mittwoch bekommen habe.“ Lill reicht mir eine Karte, sie ist selbst gemalt und ich lächle leicht.
„Sie ist von Chris.“ Erklärt sie mir „Wir haben ihn in den letzten Monaten öfter gesehen, Matt hat ihn immer mit her gebracht wenn er hier war.“ Erklärt sie mir.
Ich klappe die Karte auf und staune über Chris seine Schrift, er ist viel besser geworden.
Liebe Lilly, lieber Jonah!
Wir wünschen Euch ein frohes Fest und ein schönes Silvester! Wir kommen euch bald wieder besuchen.
Sag Julie dass ich sie bis zum Mars und zurück lieb habe.
In Liebe Chris & Daddy
Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich schlucke meine Tränen hinunter.
„Wie geht es dir Julie?“ Lill nimmt meine Hand und Jonah kommt zurück und stellt die Tassen auf den Tisch.
„Er fehlt mir.“ Gebe ich zu und meine dabei nicht nur Chris.
„Was ist in Seattle passiert?“ Jonah sieht mich an, wir haben bisher nicht wirklich über die letzten 8 Monate gesprochen und ich weiß nicht was ihm Jay und Alex erzählt haben.
„Nachdem ich wieder da war habe ich mich sofort in die Arbeit gestürzt, ich habe meine Doktorarbeit abgegeben und mein PJ zu Ende gemacht. Mein Chefarzt hat mit Jay zusammen darauf bestanden das ich zu einem Psychologen gehe und ich denke ich hätte das viel früher machen sollen. Ich habe gelernt dass ich nicht all die Schuld der Welt auf mich laden kann und dass ich nicht dafür kann was Katie sich angetan hat. Sie war verzweifelt und ich hätte ihr nicht helfen können, selbst wenn ich es gewollt hätte…“ ich sehe zu Lill und sie sieht mich den Tränen nahe an. „Es tut mir leid was ich euch angetan habe, aber mir ist einfach alles entglitten und ich brauchte einen Abschluss um einen Neuanfang zu machen. Ich bin jetzt eine richtige Ärztin und habe meine Passion gefunden. Ich habe sogar Kenneth getroffen, er hat sich entschuldigt und ich denke ich konnte endlich abschließen. Im August habe ich erfahren das ich schwanger bin, ich habe es nicht einmal bemerkt weil ich dachte mein Körper kam mit dem Stress nicht klar. Ich war geschockt aber ich freue mich auf das Baby. Ich weiß das es falsch war weg zu laufen und ich kann nur hoffen das Matt mir irgendwann verzeihen kann.“ Ich sehe beide an und Lill bricht in Tränen aus.
„Du hast uns weh getan, aber Julie wir lieben dich und ich bin so froh das du wieder hier bist.“ Sie nimmt mich in den Arm „Du siehst erwachsen aus und du scheinst endlich frei zu sein.“ Sie sieht mich an und ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
„Ich weiß dass die letzten drei Jahre mit mir nicht einfach waren und ich danke euch für eure Unterstützung.“ Ich sehe zu Jonah und er streicht über meine Wange.
„Du bist meine große Schwester und ich würde es jederzeit wieder tun.“ Sagt er lächelnd.
„Wann willst du zu Matt?“ fragt mich Lill nach einer Weile in der wir schweigend unsere heiße Schokolade getrunken haben.
„Ich will morgen Vormittag hin fahren, ich möchte erst mit ihm alleine reden. Ich möchte nichts das er sich zu etwas verleiten lässt nur weil Chris dabei ist.“ Erkläre ich ihr.
„Nimmst du mein Auto? Deins hat die letzten Monate nicht überlebt.“ Jonah sieht mich grinsend an.
„Danke.“ Sage ich gerührt.
„Möchtest du dass wir mitkommen?“ fragt Lill vorsichtig.
„Nein, das muss ich alleine machen.“ Sage ich sicher.
Wir sitzen noch lange zusammen und ich erzähle ihnen von Jay, Alex, meiner Arbeit und meinem Baby. Jonah ruft unsere Eltern an und keine 10 Minuten später stehen sie vor der Tür.
„Mein Engel!“ mein Dad hält mich fest und ich genieße seine Umarmung.
„Oh meine Kleine!“ meine Mum sieht mich unter Tränen an.
„Hey Mum, nicht weinen. Ich bin da.“ Sage ich gerührt.
„Ich möchte dass du nie wieder weg gehst.“ Schnieft sie während wir uns in den Armen liegen.
„Nie wieder Mum, versprochen.“ Sage ich sicher und zum Abendbrot sitzen wir alle so entspannt wie lange nicht mehr am Abendbrotstisch und lassen uns eine Familienpizza schmecken. Unsere Eltern sind total aus dem Häuschen das sie bald Großeltern werden und planen jetzt schon ausgedehnte Einkaufstouren.
„Wo willst du eigentlich wohnen?“ meine Mum sieht mich fragend an.
„Das wird sich denke ich morgen klären, ich fahre zu Matthew und werde versuchen mit ihm zu reden. Selbst wenn er mir nicht verzeihen kann werde ich schauen das ich nicht so weit weg von White Castle was finde, ich muss mich mal in Moville im Krankenhaus vorstellen und dann weiter sehen. Ich möchte das Matthew sein Kind sehen kann wenn er es möchte.“ Ich atme tief durch, ein wenig Bauchschmerzen macht mir das Ganze schon.
„Das wird sich klären, aber es ist gut dass du nicht wieder davon laufen willst.“ Mein Dad sieht mich prüfend an.
„Nein, davon laufen ist keine Lösung.“ Erwidere ich schmunzelnd.
„Da hast du ja Erfahrung.“ Jonah zwinkert mir zu.
„Ist ja gut…“ ich winke ab „… Ich weiß schon das ich mir das jetzt den Rest meines Lebens anhören muss, aber glaubt mir auch für mich war es nicht leicht.“
„Das wissen wir.“ Sagt mein Dad liebevoll.
Ich lächele ihn an und streiche über meinen Bauch „Ich muss zu Bett, der Tag heute hatte es in sich und die Zeitverschiebung steckt mir noch in den Knochen.“ Ich strecke mich ein wenig.
„Du kannst in meinem Zimmer schlafen.“ Sagt Jonah großzügig.
„Ich hatte nichts anderes erwartet, ich meine du schläfst doch sowieso bei Lill.“ Ich stehe auf und grinse ihn an.
„Wo sie Recht hat, hat sie Recht.“ Gibt mir Lill lachend Recht.
Ich nehme mir eine Tasche von Flur und gehe ohne Umschweife ins Bett, ich bin wirklich todmüde und das Baby macht Party weil seine innere Uhr anscheinend noch nicht umgestellt ist.
Trotz alle dem schlafe ich tief und fest, ohne Alpträume und befreit endlich wieder irischen Boden unter den Füßen zu haben.
Am nächsten Morgen genehmige ich mir erst einmal eine ausgiebige Dusche und da ich ja etwas eingeschränkt bin wird sie wirklich sehr ausgiebig. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit in die Küche komme grinst mich Jonah an.
„Was hast du so lange im Bad gemacht?“ er schüttelt seinen Kopf und stellt mir Pancakes hin.
„Ich kann mich kaum noch bewegen, ich habe nicht die geringste Ahnung wie ich das noch 7 Wochen durchstehen soll.“ Schnaufe ich und angele mir einen Pancake. „Wo ist Lill?“ frage ich ihn und sehe mich um.
„Sie hat dir doch gestern erzählt dass sie noch zwei Frühschichten im Heim hat, erst dann hat sie Ferien.“ Er setzt sich zu mir.
„Das habe ich wohl bei der Fülle an Informationen verdrängt.“ Gebe ich zu.
„Wann willst du los?“ fragte r mich nachdem ich meine Pancakes aufgegessen und meinen Tee ausgetrunken habe.
„Jetzt.“ Sage ich und atme tief durch.
Ich gehe in den Flur und sehe in den Spiegel, ich trage eine dunkelblaue Jeans und eine graue Tunika mit einer schwarzen Weste.
„Was ist los?“ Jonah sieht mich an und ich deute auf mein Spiegelbild.
„Ich sehe unmöglich aus.“ Sage ich frustriert.
„Nein Julie, du bist wunderschön.“ Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr, seitdem ich sie abgeschnitten habe hängen sie mir ständig im Gesicht und noch sind sie zu kurz um mir einen Zopf zu binden.
„Du musst das sagen, du bist mein Bruder.“ Ich grinse schief.
Er lächelt und hilft mir in meinen Mantel ehe er mir seinen Autoschlüssel in die Hand drückt.
„Fahr vorsichtig.“ Mahnt er mich und küsst mich auf die Stirn ehe er mich bestimmt aus der Tür schiebt.
Der Weg nach White Castle zieht sich wirklich in die Länge und mein Herz droht aus meiner Brust zu springen als ich die Auffahrt hoch fahre. Ich atme ein paar Mal tief durch ehe ich aussteige und auf die Tür zu gehe. Ich sehe auf meine Uhr, kurz nach 12 Uhr, wir haben noch 3 Stunden ehe Chris aus der Schule kommt.
Ich starre den Klingelknopf an und nach einer gefühlten Ewigkeit drücke ich endlich drauf.
Das Läuten der Klingel hallt durchs ganze Haus und dann höre ich wie Schritte auf die Tür zukommen, leise knarrend öffnet sich die Tür und ich stehe Matt gegenüber.
Einen Moment lang starrt er mich an und ich sehe seinen gefrorenen Gesichtsausdruck.
„Hallo Matt.“ Sage ich leise.
„Was willst du hier?“ sagt er im scharfen Ton und ich zucke zusammen.
„Kann ich mit dir reden?“ frage ich vorsichtig und sehe ihn bittend an.
Einen Moment bekommt sein Gesicht einen ganz weichen Gesichtsausdruck als er mich mustert und sein Blick auf meinen Bauch fällt.
„Ich gebe dir 5 Minuten.“ Genauso schnell wie der Ausdruck in sein Gesicht kam ist auch wieder verschwunden.
Ich schlucke und trete hinter ihm in den Flur.
„Was hast du zu sagen?“ er dreht sich abrupt um und wieder zucke ich zusammen.
„In erster Linie bin ich hier um mich zu entschuldigen.“ Sage ich mit fester Stimme und er gibt nur ein abfälliges Schnauben von sich.
„War es das? Dafür hättest du den Weg sparen können.“ Er macht eine abwertende Handbewegung.
„Nein das war es nicht…“ meine Stimme klingt selbst in meinen Ohren erstaunlich ruhig, aber ich bin ich hier um die Sache ein für alle Mal zu klären, egal mit welchem Ausgang. „… Matthew, auch wenn du es mir nicht glaubst, ich liebe Dich. Ich liebe Dich aus ganzem Herzen, aber ich musste gehen. Ich war mit meinem Leben zufrieden so wie es war, aber es war nicht mein Leben. Ich weiß nicht ob du das verstehen kannst, aber ich musste gehen um wieder zu kommen. In dem Jahr bei dir und Chris habe ich mich geändert, ihr habt mich geändert…“ ich atme tief durch „… Vor allen Dingen hat Chris mich geändert, ich habe das für ihn getan auch wenn du es nicht verstehen kannst. Ich habe endlich abgeschlossen und mein Leben wieder in die Hand genommen.“
„Das ist nicht zu übersehen.“ Seine Stimme klingt feindselig und ich muss mich beherrschen nicht etwas zu sagen, was mir leid tun könnte.
„Matthew, das ist unser Baby.“ Ich sehe ihn an und er schüttelt vehement mit dem Kopf.
„Das ist unmöglich.“ Platzt es aus ihm heraus.
„Glaub es oder glaub es nicht. Ich bin hierher gekommen um dich um Verzeihung zu bitten, aber augenscheinlich macht das keinen Sinn. Ich möchte dich fragen ob es möglich ist, das ich Chris besuchen kann. Ich möchte gerne mit ihm reden und ihm versuchen zu erklären was geschehen ist.“ Ich sehe ihn fragend an.
„Ich überlege es mir.“ Gibt er zurück und ich nicke resigniert.
„Danke für deine Zeit.“ Ich drehe mich in Richtung Tür „Wenn du irgendwann einmal für einen Moment deinen Stolz vergessen kannst und mit mir reden willst, ich werde mich in Moville nach einer Wohnung umsehen und meine Bewerbungsunterlagen im Krankenhaus hinterlegen. Fürs Erste werde ich da bleiben, aber irgendwann werde ich weiter sehen müssen. Ich habe in meinem Leben zuviel Zeit darauf verschwendet zu warten das alles irgendwann gut wird, ich muss mein Leben selbst in die Hand nehmen. Allein schon wegen unserem Kind.“ Ich schließe die Tür hinter mir und gehe zu meinem Auto.
Als ich hinter dem Lenkrad Platz genommen habe atme ich tief durch, ich könnte jetzt sofort und auf der Stelle in Tränen ausbrechen, aber da ich denke das Matt hinter irgendeinem Fenster steht und mich beobachtet, schlucke ich meine Tränen hinunter und starte den Motor.
Eigentlich hatte ich auf längeres Gespräch mit ihm gehofft und jetzt weiß ich gar nichts so recht mit mir anzufangen. Etwa 200 Meter nach dem Haus fahre ich rechts ran und weine erst einmal, es hat mich alles an Selbstbeherrschung gekostet nicht schon geweint zu haben als ich ihn gesehen habe. Nachdem ich mich etwas beruhigt habe, beschließe nach Moville zu fahren um mich schon mal ein wenig umzusehen.
Ich gehe zum Rathaus und eine ältere Dame sieht mich freundlich an.
„Schönen Guten Tag. Mein Name ist Dr. Juliette O’Brian, ich würde mich gerne hier in Moville niederlassen und hoffe sie können mir vielleicht helfen an wen ich mich wegen einer Wohnung wenden kann.“ Ich sehe sie freundlich an.
„Aber sicher doch.“ Sie sucht in ihrem Schreibtisch etwas und befördert eine Liste zu Tage. „So, die ist nicht mehr ganz aktuell, aber ich bringe sie Mal auf den Neusten Stand für sie.“ Sie lächelt und ich nicke dankbar.
„Bist du das Kindchen?“ ertönt eine bekannte Stimme hinter mir und ich drehe mich um.
Kylie steht in der Tür des Büros neben dem Empfangschalters und sieht mich staunend an.
„Hallo Kylie.“ Begrüße ich sie unsicher.
Sie kommt auf mich zu, betrachtet mich von allen Seiten dun zieht mich dann, zu meiner Erleichterung, in ihre Arme.
„Es ist schön dich zu sehen.“ Gibt sie zu und legt ihre Hand auf meinen Bauch „Ich meine euch zu sehen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Danke Kylie.“ Ich atme tief durch.
„Ihre Liste Dr. O’Brian.“ Meldet sich die Dame von der Anmeldung und ich gehe zu ihr, bedanke mich freundlich und gehe zurück zu Kylie.
„Was denn für eine Liste? Zeig mal her Kindchen.“ Sie nimmt mir die Liste aus der Hand und sieht mich fragend an.
„Ich möchte dass Matthew sein Kind sehen kann wenn er möchte.“ Sage ich nur und sie sieht mich prüfend an.
„Warst du bei ihm?“ fragt sie skeptisch.
„Ja, vor zwei Stunden ungefähr…“ ich seufze „… Nicht das ich etwas anderes erwarten konnte, aber er hat mir verständlich gemacht, das er nichts mit mir zu tun haben will und ich warte darauf das er sich irgendwann meldet, damit ich Chris wieder sehen kann.“ Erkläre ich ihr in der Kurzfassung.
„Du willst dir eine Wohnung hier in Moville suchen?“ fragt sie erstaunt und ich nicke.
„Also wenn das so ist, in dem Haus in dem ich wohne ist eine Wohnung im Dachgeschoss frei, sie hat 2 Zimmer und wenn dir das reicht, dann spreche ich mit dem Vermieter.“ Sie grinst „Der Vermieter ist mein Bruder, also wenn du die Wohnung willst, dann bekommst du sie auch.“
„Gerne.“ Sage ich und sie klatscht freudig in die Hände.
„Dann komm mal mit, oder willst du gleich zurück?“ sie legt ihren Kopf schief und ich lächle.
„Nein, nein…“ winke ich ab „Ich dachte ich suche mir für die Nacht ein kleines Bed & Breakfirst und fahre Morgen erst einmal wieder zurück nach Dub.“
„Ach was Bed & Breakfirst,…“ sie fuchtelt wild herum „… Papperlapapp, du kommst mit zu mir und schläft bei mir.“ Sagt sie sicher und harkt mich unter.
„Kylie das musst du nicht tun.“ Wehre ich mich.
„Kindchen, ich bin nur froh das du wieder hier bist und außerdem bin ich neugierig was du die letzten Monate getrieben hast.“ Lacht sie „Du weißt doch das alte Frauen immer so furchtbar neugierig sind.“
Wir treten wieder auf die, um die Zeit einiger Maßen, belebte Straße.
„Folge mir einfach mit deinem Auto, es sind nur 5 Minuten.“ Sie nickt mir zu und ich steige in mein Auto und warte bis sich vor mir in den Verkehr einfädelt.
Tatsächlich erreichen wir besagtes Haus keine 5 Minuten später, es ist ein kleines Bauernhaus und es ist mit viel Liebe zum Detail renoviert worden. Wir parken auf dem Parkplatz für die Anwohner und ich hieve mich aus dem Auto.
„Und was sagst du?“ sie deutet auf das Haus.
„Das sieht wirklich schön aus.“ Erwidere ich staunend.
„Bevor wir uns gleich einem sehr ausführlichen Kaffeeklatsch widmen, hole ich mal eben den Schlüssel.“ Sie läuft auf das Haus neben dem Wohnhaus zu und geht rein ohne zu klopfen und winkt ein paar Augenblicke später triumphierend mit den Schlüsseln.
„Dann komm mal mit Nachbarin.“ Sie zwinkert mir zu.
Lachend folge ich ihr und wir steigen die beiden Treppen hoch, im Grunde genommen gibt es nur 2 Stockwerke, unten und unter dem Dach.
Sie schließt die Tür auf und ich betrete die Wohnung, sie ist hell und die Zimmeraufteilung ist wirklich optimal. Durch einen kleinen Flur gelangt man in das Wohnzimmer mit einer neu ausgestatteten Küchenzeile mit Tresen davor, von dem großen Raum gehen vier Türen ab, zwei gleichgroße Zimmer nach hinten raus, ein kleineres Zimmer nach vorne und das Badezimmer mit Badewanne ebenfalls nach vorne. Für meine Bedürfnisse ist es optimal und das überall Parkett liegt kommt mir entgegen, denn ich denke das meiste meines Ersparten wird für die Einrichtung und die Miete drauf gehen. Ich muss mich ja noch in Irland anmelden um wenigstens im Mutterschutz Geld zu bekommen.
„Wo ich gerade denke…“ ich sehe Kylie an und sie lacht. „Also was ich sagen wollte, wie teuer ist denn die Wohnung?“ grinse ich.
„Also da es ja quasi in der Familie bleibt…“ sie zwinkert mir zu „… 300 ¤ warm.“
„Was?“ frage ich erstaunt nach „Das sind doch bestimmt 75 m².“
„Kindchen, du hast in nächster Zeit bestimmt Besseres zu tun wie dir Gedanken über die Miete zu machen.“ Sie lächelt „Willst du die Wohnung oder nicht?“ sie sieht mich fragend an.
„Sehr gerne.“ Gebe ich zurück.
„Dann haben wir das geklärt und ich sage meinem Bruder Bescheid, zum 01.01. nehme ich mal an.“ Wir gehen wieder in den Hausflur und sie sieht mich an nachdem sie die Tür wieder abgeschlossen hat.
„Ja, das wäre super. So habe ich noch ein wenig Zeit um mich wegen Möbeln umzusehen.“ Ich nicke ihr zu.
„Das wäre geklärt und jetzt komm Kindchen.“ Sie nimmt mich an die Hand und wir betreten ihre Wohnung die unter meiner liegt.
Sie ist mit hellen Echtholzmöbeln eingerichtet und ich muss sagen ich fühle mich auf Anhieb wohl, eine Unmenge an Fotos ziert die Wände und überall lacht mich ein Stück ihrer Familiengeschichte an. Ich weiß dass ihr Mann schon vor ein paar Jahren, noch relativ jung, gestorben ist.
Sie nimmt mir meine Jacke ab und ich folge ihr ins Wohnzimmer.
„Ich mache uns schnell eine schöne Kanne Tee, fühle dich wie zu Hause.“ Sie lächelt mich an.
„Du hast es sehr schön hier.“ Sage ich und sie strahlt „Ich werde kurz meinen Bruder anrufen und ihm sagen, dass ich morgen Mittag wieder da bin.“ Ich angle mir mein Handy aus meiner Handtasche und wähle Jonah an. Mit wenigen Worten erkläre ich ihm alles und verspreche das wir morgen ausführlich darüber reden werden.
„Alles geklärt?“ Kylie sieht mich an und ich nicke.
„Ja, ich wollte nicht, dass er sich unnötig Sorgen macht.“ Erkläre ich ihr und sie schenkt mir eine Tasse Tee ein.
„Also Kindchen, wohin warst du verschwunden?“ sie nimmt mir gegenüber auf einem Sessel Platz und ich rühre in meinem Tee herum.
„Ich bin zurück nach Seattle in die USA gegangen.“ Ich sehe sie an und sie legt fragend ihren Kopf schief.
„Ich habe bevor ich als Nanny gearbeitet habe in Seattle ein Medizinstudium gemacht, ich hatte fast meine Approbation in den Händen…“ ich atme tief durch „… Meine beste Freundin hat sich das Leben genommen, ich war in einen Unfall verwickelt bei dem zwei Menschen gestorben sind und ich selber schwer verletzt worden bin. Kaum war ich aus dem Krankenhaus bin ich zurück nach Irland geflüchtet und habe mir die Schuld an allem gegeben. Ich habe mein Studium geschmissen, ich habe der Medizin den Rücken gekehrt und habe die meiste Zeit damit zu gebracht mit zu fragen Warum das alles geschehen ist. Durch Chris und Matt habe ich plötzlich wieder angefangen zu leben und ich begann alles zu hinterfragen. War ein Leben als Nanny das was ich wollte? Sollte ich Matt wirklich antun mit jemandem zusammen zu sein der sein eigenes Leben nicht im Griff hat? Am Abend bevor ich gegangen bin, bin ich vom Bootssteg aus einfach ins Wasser gesprungen…“ ich zucke mit den Schultern und Kylie sieht mich entsetzt an „Ich konnte nicht mehr.“ Gebe ich zu „Matt hat mich raus gefischt, es hat mir gesagt wie sehr er mich liebt und ich bin geflüchtet. Ich wusste ich muss erst einmal mein Leben regeln und erst dann kann ich ihm das geben was er verdient hat.“ Ich sehe sie an.
Sie nimmt tröstend meine Hand. „Ich verstehe dich Kindchen. Matthew ist wieder verschlossen wie eh und jeh seit du weg bist, er hat mir verboten über dich zu sprechen. Für den Kleinen ist es schwer, er vermisst dich so sehr und wir reden viel über dich.“ Ihr stehen die Tränen in den Augen.
„Ich weiß dass ich den Beiden sehr weh getan habe.“ Ich wische mir über die Augen „Jedenfalls bin ich am nächsten Morgen mit der nächsten Maschine nach Seattle geflogen, ich habe meinen praktischen Teil des Studiums beendet und meine Approbation erhalten. Dann habe ich erfahren dass ich schwanger bin und habe mit meinem Krankenhaus alles soweit geklärt das ich meine Facharztausbildung anfangen konnte. Vorgestern saß mein Bruder plötzlich in meiner Wohnung und hat mir klar gemacht das ich bereit bin zurück zu kommen, Zurück nach Irland, zurück zu den Menschen die ich liebe.“ Schließe ich meinen Monolog.
„Und nachdem was du vorhin gesagt hast, hat Matthew nicht gerade positiv auf dich reagiert.“ Sie sieht mich traurig an.
„Nein, nicht wirklich, er glaubt mir ja nicht einmal dass das Kind von ihm ist. Ich hoffe nur er meldet sich, ich möchte Chris so gerne sehen.“ Ich nehme einen Schluck von meinem Tee. „Aber ehrlich gesagt kann ich es ihm nicht einmal verübeln, ich habe ihm sehr weh getan.“ Ich zucke leicht mit den Schultern.
„Gib ihm Zeit.“ Sagt Kylie aufmunternd.
„Ich habe keine andere Wahl.“ Erwidere ich und ringe mich zu einem lächeln durch.
„Ich bin stolz auf dich, du hast dein Leben in die Hand genommen und vor mir sitzt eine junge, starke Frau die alles schafft was ihr das Leben noch so vorsetzen wird.“ Sie lächelt „Und deine Haare sehen phantastisch aus.“ Sie zwinkert mir zu.
„Danke Kylie.“ Sage ich und merke wie sich die Tränen in meinen Augen sammeln.
„Kindchen, wenn dir danach ist zu weinen, dann weine.“ Sie setzt sich neben mich und endlich beginnen die Tränen zu laufen, im Moment könnte ich bei jeden kleinen bisschen anfangen zu weinen. Zu einem sind wohl meine Hormone Schuld, zum anderen aber bestimmt auch die Ereignisse der letzten 48 Stunden.
Nachdem ich mich beruhigt habe, machen Kylie und ich zusammen Dinner und sehen uns einen alten Film im Fernsehen an zu dem sie mir einige Anekdoten aus ihrer Jungend erzählt, es tut gut zu lachen und ich freue mich das ich sie getroffen habe.
Gegen 22 Uhr macht sie mir im Gästezimmer das Bett fertig und ich schlafe wirklich schnell ein.
Die ganze Wohnung ist am nächsten Morgen von dem Duft frischer Brötchen erfüllt und als ich mit Kylie am Frühstückstisch sitze bin ich mir sicher das ich alles schaffen kann.
Ob mit Matt oder ohne ihn. Die Entscheidung liegt nicht bei mir. Nach einem ausgiebigem Frühstück verabschiede ich mich vorerst von Kylie und mache mit ihr aus, das ich mir zwischen Weihnachten und Neujahr den Schlüssel abhole um mit dem Einrichten anfangen zu können.
Die Tage bis Weihnachten werde ich abwechselnd von meinen Eltern und von Lill und Jonah in Beschlag genommen. Wir kaufen Möbel, meine Eltern lassen es sich nicht ausreden und bezahlen die komplette Kinderzimmereinrichtung und Jonah als Onkel besteht darauf den Kinderwagen zu kaufen. Die Zeit rennt und noch immer habe ich keine Nachricht von Matt bezüglich Chris erhalten, ehe ich mich versehe sitze ich bei meinen Eltern im Wohnzimmer vor dem geschmückten Baum und wir verteilen die Geschenke.
Meine Mum reicht mir ein kleines Päckchen und ich packe es neugierig aus.
Augenblicke später halte ich einen Autoschlüssel in den Händen.
„Es ist nichts großartiges, aber alle wichtigen Teile sind neu gemacht und ein Kindersitz ist auch schon drin.“ Mein Dad zwinkert mir zu.
„Das ist Wahnsinn, das kann ich nicht annehmen.“ Stammele ich.
„Doch Julie, wir haben alles zusammen gelegt. Wir möchten doch das du uns mit dem Baby besuchen kommst und ich will nicht jedes Mal tausend Tode sterben wenn du dir wieder so eine Schrottmühle kaufst.“ Jonah sieht mich lange an.
Ich stehe auf und nehme alle in den Arm.
„Ich danke euch, ich danke euch wirklich für alles.“ Sage ich gerührt.
„Wir sind froh, dass wir unsere alte Julie wieder haben.“ Gesteht mein Dad und ich sehe ihn dankbar an.
„Ach ja, wir haben für den 28. ein paar Freunde zusammen getrommelt. Die Umzug kann starten.“ Jonah reckt seinen Daumen in die Höhe.
„Aber…“ setze ich an.
„Nichts aber Julie, du schaffst das ja wohl kaum alleine. Ich habe das mit den Möbelhäusern so gut wie möglich koordiniert, ich denke wir bekommen das an einem Tag hin.“ Er sieht mich strahlend an.
„Ich weiß nicht was ich sagen soll.“ Ich ziehe ihn in meine Arme.
„Erdrück mich nicht, denk daran du hast vorne herum ein wenig mehr.“ Lacht Jonah und ich stemme meine Hände in die Hüfte.
„Na, danke.“ Gebe ich zurück und er gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Du weißt wie es meine.“ Grient er.
„Ja, sicher.“ Ich nehme seine Hand in meine und er drückt meine Hand leicht.
Die Feiertage werden für O’Brian Verhältnisse sehr ruhig und ich mache mich am Morgen des 28. erst einmal allein auf den Weg nach Moville um den Schlüssel abzuholen und alles vorzubereiten.
Als ich schon morgens um 8 Uhr bei Kylie vor der Tür stehe staunt sie nicht schlecht.
„Um diese Uhrzeit? Kindchen du sollst dich doch nicht solchem Stress aussetzen.“ Sie bugsiert mich in ihre Küche.
Tatsächlich merke ich, dass ich mir wohl doch ein wenig zuviel zugemutet habe, denn ich habe ein schmerzhaftes Ziehen im Unterbauch.
Nachdem mich Kylie auf den neusten Stand des Stadtklatsches gebracht hat ziehe ich scharf Luft ein.
„Was hast du Kindchen?“ sie sieht mich besorgt an.
„Ein Ziehen.“ Gebe ich zu.
„So geht das nicht.“ Mit sanfter Gewalt zieht sie mich von meinem Stuhl hoch.
„Was hast du vor?“ ich sehe sie fragend an.
„Ich bringe dich jetzt ins Krankenhaus, mit so etwas ist nicht zu spaßen.“ Sagt sie in einem Ton der keine Widerrede duldet.
10 Minuten später liege ich auf einer Untersuchungsliege im gynäkologischen Trakt des Moville Health Centers und werde von einer jungen Ärztin untersucht.
„Sie haben bereits eine schwache Wehentätigkeit, wir müssen sie hier behalten um die Gefahr einer Frühgeburt zu verringern.“ Teilt sie mir mit und ich seufze.
„Ich weiß, dass so etwas nicht schön ist, aber es geht um die Gesundheit ihres Kindes. Miss….“ Sie sieht in die Akte „Dr. O’Brian.“ Sie sieht mich milde lächelnd an.
„Ja natürlich weiß ich das.“ Sage ich und nun nickt sie mir lächelnd zu.
„Ich werde ihnen ein Zimmer mit Aussicht besorgen, so haben sie wenigstens einen schönen Blick wenn sie im Bett liegen.“ Sie zwinkert mir zu.
Als sie den Raum verlassen hat kommt Kylie herein und ich erkläre ihr die Situation, sie verspricht sich um Jonah und die Helfer zu kümmern und versichert mir, dass sie am Abend noch mal vorbei schauen wird.
Ich schlafe nach den Medikamenten, die ich bekommen habe, fast den ganzen Tag und auch die nächsten Tage holt sich mein Körper wohl den Schlaf der ihm in den letzten Monaten gefehlt hat.
Silvester verbringe ich ereignislos in einem Krankzimmer und nur die Telefonate die ich stundenlang mit Jonah, Lill und meinen Eltern führe lenken mich ab. Kylie kommt zwei Mal am Tag vorbei und versorgt mich mit soviel Obst das ich bald einen kleinen Laden davon eröffnen kann. Stolz berichtet sie mir wie toll meine Wohnung aussieht und wie nett und höflich doch mein Bruder ist.
Am 04.01. kann ich mich dann selbst davon überzeugen wie toll meine Wohnung aussieht und Kylie hat Recht, Jonah und seine Freunde haben ganze Arbeit geleistet und das meine Mum auch hier war ist nicht zu übersehen. Mit Deko hat sie jedenfalls nicht gespart.
Als ich am Nachmittag auf meine Handy schaue habe ich tatsächlich eine SMS von Matthew bekommen und mein Herz macht einen kleinen Satz. Mit zittrigen Fingern drücke ich auf lesen.
Hallo Juliette,
wenn es dir Recht ist kannst du Christien morgen um 14 Uhr abholen. Matthew
Ich freue mich endlich Chris wieder zu sehen und ich bin erleichtert das Matt endlich geschrieben hat, auch wenn die SMS nicht sehr zuversichtlich im Bezug auf und beide klingt. Ich drücke auf antworten.
Vielen Dank Matthew, ich werde Christien morgen abholen. Juliette
Ich überlege mir was ich mit ihm einen ganzen Nachmittag machen kann, aber ich denke wir werden erst einmal reden müssen und ich hoffe ich sehe ihn wieder öfter um dann etwas mit ihm unternehmen zu können.
Am Abend berichte ich Kylie von der SMS, da sie darauf besteht für mich mit zu kochen sehen wir uns mindestens einmal am Tag, wenn nicht öfter.
„Chris wird sich so freuen dich zu sehen.“ Ihre Augen strahlen und ich lächle.
„Ich freue mich so sehr auf ihn.“ Gebe ich zu.
Ich bin am nächsten Tag eine Viertel Stunde zu früh am Haus und mit klopfendem Herzen steige ich aus und klingele.
Die Tür wird aufgerissen und Chris sieht mich mit großen Augen an.
„Julie!“ jubelt er und umarmt mich soweit das möglich ist.
„Hallo mein Kleiner!“ ich struvele ihm durch seine Haare. Er ist wirklich ein ganzes Stück gewachsen und seine haare sind länger, seine braunen Augen sehen mich liebevoll an.
„Ich freu mich, dass du wieder da bist.“ Sagt er leise.
„Ich bin nicht wieder da…“ setze ich an und er sieht mich erschrocken an „… Ich meine, ich bin schon wieder da.“ Beruhige ich ihn. „Aber ich wohne jetzt in Moville, ich bin nicht mehr deine Nanny, ich bin nur noch deine Freundin.“ Erkläre ich ihm.
„Das ist Okay, ich brauche keine Nanny, aber ich brauche Dich.“ Er drückt sich erneut gegen mich.
„Was hältst du davon wenn wir zu mir fahren und uns einen schönen Nachmittag machen?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ich frag Daddy.“ Jubelt er und hüpft davon.
5 Minuten später steht er in Jacke und Stiefeln wieder vor mir und Matthew folgt ihm. Mein Herz schlägt Purzelbäume und das Baby ebenfalls, er sieht mich kurz an und wendet sich dann wieder ab.
„Ich erwarte das Christien um 18 Uhr wieder hier ist.“ Sagt er im strengen Ton.
„Daddy? Wie redest du denn mit Julie?“ Chris sieht ihn erstaunt an.
„Es ist Okay, Kleiner.“ Beruhige ich ihn „Komm, lass uns einen schönen Nachmittag machen.“
Verstört sieht er erneut zu seinem Dad, ehe er meine Hand ergreift und wir zum Auto gehen.
Er redet wie aufgezogen und bestaunt meine Wohnung erst einmal in allen Einzelheiten.
„Wow, das Baby hat aber ein schönes Zimmer.“ Sagt er begeistert als er aus diesem heraus kommt.
„Ja, mal schauen ob es dem Baby dann auch gefällt.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Wo ist der Daddy von dem Baby?“ er sieht mich fragend an als ich Kakao für uns beide auf den Tisch stelle.
„Nicht da.“ Antworte ich knapp.
Er nimmt seine Tasse und wir setzen uns auf die Couch.
„Chris, ich möchte dir was ganz wichtiges sagen…“ ich sehe ihn an und er nickt ernst „... Du bist nicht Schuld gewesen das ich gegangen bin.“ Erkläre ich ihm einfühlsam „Weißt du, ich war nicht immer Nanny. Bevor ich Nanny geworden bin wollte ich Ärztin werden und die Zeit mit dir hat mir gezeigt, dass man seine Träume und Ziele verwirklichen soll. Ich bin jetzt eine Ärztin und ich bin hier weil ich möchte das du weißt das ich dich sehr, sehr lieb habe und ich verspreche dir jetzt hier, ich werde nie wieder weg gehen. Und wenn ich weg gehe, dann werde ich mit dir sprechen, wir werden telefonieren und uns schreiben.“ Ich sehe ihn an.
Er steht auf und setzt sich neben mich „Ich habe dich auch sehr, sehr lieb.“ Sagt er andächtig und kuschelt sich an mich.
„Bis zum Mars und zurück.“ Flüstere ich.
„Ja, bis zum Mond kann ja jeder.“ Er grinst mich an und ich schnuppere an seinen Haaren, er reicht immer noch nach Pfirsich und ich schließe meine Augen.
Den Rest des Nachmittages spielen wir ein wenig und ich bin traurig ihn abends wieder zurück fahren zu müssen.
Eigentlich will ich ihn nur raus lassen, aber ich bin ja nicht feige, also steige ich mit aus.
Matthew wartet schon auf ihn und schickt ihn zum Hände waschen nach oben.
„Danke.“ Sage ich nur und er sieht mich an. Ich sehe in seine Augen, in die Augen in denen einmal so viel Liebe zu mir lag und die mich jetzt verletzt ansehen.
„Wenn es dir nichts ausmacht würde ich ihn gerne ein oder zwei Mal die Woche sehen, ich kann ihn von der Schule anholen und zum Dinner nach Hause bringen.“ Biete ich ihm an.
„Ich sage dir welche Tage mir passen.“ Erwidert er.
„Matt bitte…“ bricht es aus mir heraus „… Es tut mir leid.“ Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen.
„Juliette…“ er hebt seine Hände.
Ich drehe mich um und stürze aus dem Haus, das war ein Fehler, das nächste Mal wenn ich Chris bringe, dann lasse ich ihn vor dem Haus aussteigen und fahre wieder nach Hause. Ich kann meinem Herz nicht ein oder zwei Mal die Wochen diesen Qualen aussetzen.
Am nächsten Tag teilt mir Matt mit das ich Chris Dienstag und Donnerstag nach der Schule für den Nachmittag abholen kann und ich freue mich darüber.
Zusammen mit Kylie setze ich mich ins Wohnzimmer und wir überlegen was ich mit Chris unternehmen kann bis da Baby da ist, denn danach wird es ja ein wenig schwieriger.
An unserem ersten gemeinsamen Dienstag gehen wir schwimmen und ich bin so dankbar das Chris mir mein Verschwinden verziehen hat, auch fragt er nicht weiter nach dem Daddy des Babys, entweder ist er sehr taktvoll oder aber er will es einfach nicht wissen.
Ich bringe ihn jetzt immer nur bis zur Einfahrt und lasse ihn da raus.
Ich arrangiere mich mit den neuen Gegebenheiten, auch wenn ich an manchen Tagen einfach nicht weiß was ich mit meiner vielen Freizeit anfangen soll. Ich lese viel, sehe fern oder lege mich in die Badewanne, ich weiß dass diese Momente bald für eine lange Zeit vorbei sein werden.
Ende Januar, knapp zwei Wochen vor dem errechneten Termin will ich ins Bett gehen weil ich mich nicht wohl fühle und ohne Vorwarnung setzen so heftige Wehen ein das ich kaum atmen kann, ich rufe mir sofort einen Krankenwagen und versuche ruhig zu bleiben.
Kylie bekommt es natürlich mit und lässt sich nicht davon abbringen mich ins Krankenhaus zu begleiten.
Die Wehen werden schlimmer, aber so richtig tut sich noch nicht wirklich was.
Ich sehe auf die Uhr und der Zeigen kriecht langsam voran.
1 Stunde, 2 Stunden, 3 Stunden, 4 Stunden, 5 Stunden, 6 Stunden, 7 Stunden, 8 Stunden, 9 Stunden, 10 Stunden, 11 Stunden, 12 Stunden, 13 Stunden, 14 Stunden... endlich platzt meine Fruchtblase, aber weiterhin tut sich nicht wirklich was.
So langsam gehen meine Kraftreserven dem Ende zu, wieder ein Blick auf die Uhr. 11:30 Uhr, ich denke einen Moment nach, wir haben heute Donnerstag.
„Kylie, du musst Matthew anrufen. Er muss Chris heute von der Schule abholen.“ Keuche ich, während ich versuche den Schmerz auszuhalten.
„Kindchen, du solltest ganz andere Sachen in deinem hübschen Kopf haben.“ Erwidert sie und ich sehe sie an.
„Bitte Kylie.“ Sage ich eindringlich. Ich möchte nicht, das Chris allein vor der Schule steht und wartet.
„Ich rufe ihn an.“ Sagt sie und drückt meine Hand.
„Hast du auch Jonah und meine Eltern angerufen?“ frage ich sie bestimmt schon zum 10. Mal.
„Ja Kindchen, alle sind informiert. Deine Eltern können erst am späten Nachmittag hier sein und Jonah fährt in Dublin los sobald seine Besprechung zu Ende ist.“ Erklärt sie mir zum wiederholten Male und geht dann hinaus, da in den Zimmern Handyverbot herrscht.
Ein Arzt kommt herein gerade als Kylie im Flur ist.
„Ich bin John, ihr Gynäkologe ab jetzt da Kerry nun Fierabend hat.“ Er lächelt mich freundlich an. „Wie fühlst du dich Juliette?“ er kontrolliert den Wehenschreiber und sieht mich prüfend an.
„Ich wäre froh, wenn ich alles hinter mir hätte.“ Gebe ich zu und er nimmt sich lächelnd meine Akte vom Tisch.
„Oh, wie ich sehe eine Dr. Juliette.“ Er grinst „Ich muss dir also nicht erklären, dass sich das hier noch Stunden hinziehen kann.“
„Nein, das musst du nicht.“ Gebe ich zurück.
„Im Moment sieht alles gut aus, ich werde ab und zu rein schauen und wenn was ist klingelst du.“ Er nickt mir zu und ich erwidere es.
„Danke John.“ Sage ich gepresst und balle meine Hände zu Fäusten weil mich die nächste Wehe durchfährt.
Er verlässt mein Zimmer wieder und ich fühle mich plötzlich hilflos und allein.
Kylie kommt wieder rein und sieht mich an.
„Was ist los Kindchen?“ fragt sie besorgt als sie mein Gesichtsausdruck sieht.
„Ich wünschte mir er wäre hier.“ Gebe ich zu.
„Tja, ich glaube der Wunsch kann sich erfüllen…“ sie tupft meine Stirn ab „… Er klang ein wenig panisch als ich ihm sagte das das Baby kommt.“ Sie grinst.
„Ich glaube es nicht eher, eher er hier vor mir steht.“ Gebe ich zurück. In den letzten vier Wochen haben wir kaum ein Wort mit einander gewechselt und warum sollte er ausgerechnet jetzt seine Meinung ändern.
Als er nach zwei Stunden immer noch nicht da ist, fühle ich mich in meiner Annahme bestätigt.
Plötzlich bricht Panik um mich herum aus, John und die Schwestern wuseln um mich herum und ich folge ihm ängstlich mit meinen Blicken.
„Was ist los John?“ meine Stimme versagt fast.
„Julie…“ er setzt sich auf meine Bettkante, mittlerweile kennen wir und ja schon seit ein paar Stunden und er ist vom Juliette zum Julie übergangen. „… Die Herztöne fallen ab, du hast seit 15 Stunden Wehen, deine Fruchtblase ist geplatzt aber die Geburt geht nicht voran, wir müssen einen Kaiserschnitt machen.“ Erklärt er mir ganz ruhig.
Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen und er streichelt beruhigend meine Hand.
„Alles wird gut, wir werden uns um das Baby und um dich kümmern.“ Verspricht er mir.
Ich werde vorbereitet und in den Flur geschoben.
„Juls?“ ertönt eine Stimme vom Fahrstuhl her und ich richte mich ein wenig auf.
„Wer sind sie?“ fährt ihn John an als er vor meinem Bett zum Stehen kommt. „Wir haben es eilig.“ Er schubst ihn ziemlich unsanft beiseite.
„Juls.“ Sagt Matt leise und sieht mich geschockt an, ich sehe ihn einen Moment ebenfalls an ehe sich die Fahrstuhltüren schließen und ich hoch in den OP gefahren werde.
Ich bekomme kurz einige Sachen erklärt und dann wirkt auch schon die Vollnarkose.
Langsam werde ich wieder Herr meiner Sinne und sofort geht meine Hand zu meinem Bauch, aber er ist weg und ich öffne langsam meine Augen.
„Hallo Julie.“ John sieht mich lächelnd an.
Ich fühle mich so als wäre ein Güterzug über mich gefahren und irgendwie scheint mir jeder einzelne Knochen weh zu tun.
„Wie fühlst du dich?“ er sieht mich an und ich grinse schief.
„Bescheiden.“ Gebe ich zurück.
„Die OP ist nach Plan verlaufen.“ Erklärt er mir und ich nicke ganz zaghaft.
„Wo?“ ich sehe mich suchend um.
„Deiner Tochter geht es gut, sie braucht noch Unterstützung beim atmen, wenn du dich gut genug fühlst kann ich dich zu ihr bringen.“ Er sieht mich an und ich merke wie mir die Tränen übers Gesicht laufen.
Ein kleines Mädchen, ich habe ein kleines Mädchen!
„Jetzt?“ ich wische meine Tränen beiseite und er lacht leise.
„Ich habe nichts anderes von dir erwartet.“ Gibt er zu und hilft mir mich ganz vorsichtig aufzusetzen.
Er hilft mir mich in einen Rollstuhl zu setzen und befestigt den Infusionsbeutel, an den ich angeschlossen bin, am Rollstuhl. Wir fahren über die hell erleuchteten Flure und ich erhasche einen Blick auf eine Uhr, kurz nach 0 Uhr nachts. Dann schiebt er mich in den Raum mit den Inkubatoren und ich sehe meine Kleine das erste Mal.
Sie ist winzig… so wahnsinnig winzig. Ein Flaum dunkler Haare bedeckt ihren kopf und ich bin mir fast sicher wenn sie ihre Augen öffnet sehen mich zwei braune Augen an.
Ich stecke meine Hand durch die Öffnung an der Seite und berühre ihre zarte Haut.
„Sie ist perfekt.“ Sage ich leise und John legt mir seine Hand auf die Schulter.
„Ich gebe zu, diesen Satz schon öfter gehört zu haben, aber sie ist wirklich zauberhaft.“ Ich kann an seiner Stimme hören dass er lächelt. „Sie ist 48 cm groß und wiegt 2900 g, wie gesagt sie braucht noch etwas Sauerstoff aber ihre Lungen sehen gut aus.“
„Danke John.“ Ich drehe mich zu ihm um.
„Dafür nicht Julie, hast du dir schon einen Namen überlegt?“ er nimmt das kleine Kärtchen, was an ihrem Bett befestigt ist, in die Hand und sieht mich abwartend an.
„Samantha Hailey.“ Sage ich andächtig und streichele ihre kleine Hand.
„Der Name ist wirklich sehr schön.“ Er lächelt die Kleine an und steckt die Karte wieder in den Halter. „Samantha Hailey O’Brian. Willkommen im Leben.“
„Hallo Sam.“ Flüstere ich.
„So Julie, ich habe ein Auge zu gedrückt weil ich wusste du lässt mich nicht eher gehen, aber ich bringe dich jetzt zurück in dein Zimmer. Wenn die Werte von Sam den Rest der Nacht so stabil bleiben dann ist sie morgen früh bei dir.“ Er sieht zu mir und ich streiche über Sams kleines Köpfchen.
„Gute Nacht Prinzessin.“ Flüstere ich und lasse mich dann von John zurück in mein Zimmer bringen.
„Ach übrigens Julie, deine Eltern, dein Bruder und seine Freundin und Kylie waren alle schon hier und haben Sam bestaunt, sie kommen morgen…“ sein Blick geht zur Uhr „… besser gesagt heute gegen Mittag vorbei, ich habe sie gebeten nicht alle auf einmal zu kommen und Kylie hat mir hoch und heilig versprochen dafür zu sorgen.“ Er zwinkert mir zu.
„Was ist mit Matt?“ frage ich leise als ich wieder im Bett liege.
„Der Mann der kam als wir in den OP gefahren sind?“ er sieht mich fragend an.
„Ja, Matt.“ Meine Stimme ist nicht mehr wie ein Flüstern.
„Er war nicht mehr da als ich aus dem OP gekommen bin und Kylie wusste nicht wohin er verschwunden ist.“ Er zuckt mit den Schultern und ich drehe mich zur Seite.
„Schlaf ein wenig, es war ein harter Tag für dich.“ Sagt er beruhigend und verlässt das Zimmer.
„Warum bist du wieder gegangen?“ flüstere ich leise in die Dunkelheit bevor mich die Müdigkeit übermannt.
Durch ein zaghaftes Klopfen werde ich irgendwann wach und als ich meine Augen öffne sehe ich einen riesigen rosanen Blumenstrauß.
„Alles Gute Julie!“ quietscht Lill und zieht mich Augenblicke später in ihre Arme.
„Danke Lill.“ Ich setze mich ein wenig aufrechter hin und verziehe mein Gesicht, das tut weh…
„Alles gut?“ fragt sie besorgt und mein Dad taucht neben ihr auf.
„Sam ist der Wahnsinn.“ Er sieht mich strahlend an.
„Danke Daddy.“ Ich nehme seine Hand, er beugt sich zu mir runter und küsst mich auf die Stirn.
Ein weiteres Klopfen später steht meine Mum im Zimmer und sie überschütten mich mit Lobeshymnen für meine Tochter. Auch Kylie hat es sich natürlich nicht nehmen lassen und entgegen aller Absprachen stehen nun alle 5 in meinem Zimmer, stellen alles mit Blumen voll und die Obstgeschenke gehen auch wieder los. Ganz nebenbei sieht es auf meinem Tisch 30 Minuten später aus wie in einem Babyladen, denn keiner hat es sich nehmen lassen Sam ein Kleidchen zu kaufen, natürlich alle in rosa. Und Plüschtiere, Rasseln, Babydecke und was man nicht sonst noch alles in rosa kaufen kann.
„Wo ist Jo?“ ich sehe zu Lill.
„Der musste zu einer wichtigen Besprechung.“ Sie sieht mich traurig an und ich lächle leicht.
„Er wird sie früh genug sehen.“ Sage ich sicher und sie strahlt.
„Er hat sie gestern Abend gesehen und er ist hellauf begeistert von seiner kleinen Nichte.“ Erklärt sie mit augenzwinkernd.
„Also wirklich, Kylie…“ John steht in der Tür und stemmt seine Hände in die Hüfte „… So haben wir nicht gewettet.“
„Tut mir leid…“ sagt sie eher halbherzig.
„Ich möchte sie bitten, sich von Julie zu verabschieden, wir machen gerade Samantha fertig damit sie zu ihrer Mum kann und die beiden brauchen erst einmal ein wenig Zeit für sich.“ Erklärt er allen und sie nicken betreten.
„Wir kommen am Wochenende wieder.“ Meine Dad nimmt mich in den Arm.
„Wir auch, lerne deine Kleine erst einmal kennen.“ Lill gibt mir einen Kuss und winkt mir dann zu.
„Ich schaue morgen noch mal rein, ich habe heute den Fahrdienst für Chris übernommen.“ Erklärt Kylie mir und ich nicke lächelnd.
Dann ist es still, nur John und ich sind übrig.
„Ich hole Sam gleich.“ Er lächelt und ich strahle ihn an.
„Aber vorher müssen wir die Geburtsurkunde ausfüllen, ich muss Sam anmelden.“ Er setzt sich an den Tisch.
„Also Name des Kindes Samantha Hailey O’Brian, Geschlecht weiblich…“ er grinst mich an.
„Sicher?“ ich ziehe bei dem Blick eine Augenbraue hoch.
„Ganz sicher.“ Beruhigt er mich „Vollständiger Name der Mutter?“ er sieht zu mir.
„Juliette Margerite O’Brian.“ Ich verziehe mein Gesicht und er lacht leise.
„Vollständiger Name des Vaters?“ er sieht mich fragend an.
„Ich weiß nicht ob er die Vaterschaft anerkennt.“ Gebe ich zu.
„Wir tragen ihn ein und er wird im Streitfall einen Gentest machen müssen.“ Er nickt mir aufmunternd zu.
„Matthew Sean Patrick Callahan.“ Sage ich schließlich und atme tief durch.
„Julie, ich habe mir deine Akte aus Seattle faxen lassen, wenn irgendetwas nicht stimmt oder dich belastet, dann rede mit mir.“ Er sieht mich durchdringend an.
„Mach ich.“ Erwidere ich sicher.
„Gut, dann gehe ich jetzt den Bürokratenkram erledigen und dann komme ich mit Sam.“ Er zwinkert mir zu und ich sinke in meine Kissen.
Als es keine 5 Minuten später klopft gehe ich fest davon aus das es John mit Sam ist, aber als sich die Tür öffnet und mich ein, ehrlich gesagt, ziemlich beschissen aussehender Matt ansieht. Ja, da bin ich mehr wie erstaunt.
„Was kann ich für dich tun?“ frage ich und meine Stimme bekommt einen eisigen Unterton.
„Bitte Juls, tu das nicht.“ Er sieht mich bittend an und ist mit drei großen Schritten am Fußende meines Bettes.
„Was?“ ich sehe ihn an. Er sieht aus als hätte er nächtelang nicht geschlafen, der Schatten eines Bartes zeichnet sich ab und er tiefe Ringe unter den Augen.
„Bitte, mache nicht den Fehler den ich gemacht habe und sei jetzt abweisend zu mir.“ Bittet er mich müde.
„Was erwartest du?“ meine Augen suchen seine und er weicht meinen Blick aus.
„Mache nicht meine Fehler und lass es mich erklären.“ Bittet er mich.
Ganz zaghaft nicke ich und er setzt sich auf den Stuhl der neben meinem Bett steht.
„Juls…“ er fährt sich durch die Haare und atmet tief ein „Als du vor Weihnachten plötzlich vor meiner Tür standest…“ er bricht ab und sieht mich kurz an „… Ich war so glücklich zu sehen dass es dir gut geht und gleichzeitig fragte ich mich wie die ganzen letzten Monate schon, warum. Warum du einfach gegangen bist und ja ich gebe zu ich war wütend auf dich. Du hast mich und Chris im Stich gelassen. Dann sagtest du mir, dass wir ein Baby bekommen und ich habe es so weit von mir weg geschoben wie es nur ging. Gott Juls…“ er sieht auf und Tränen stehen ihm in den Augen „Sie ist wundervoll, sie ist das Schönste was ich jemals gesehen habe.“ Sagt er liebevoll.
„Du hast sie gesehen?“ frage ich erstaunt.
„Ja, ich habe sie gesehen. Samantha ist ein wunderschöner Name für sie.“ Er wischt sich über die Augen.
„Sie heißt Samantha Hailey.“ Sage ich leise und er sieht mich erstaunt an.
„Danke.“ Erwidert er gerührt. „Ich habe heute den ganzen Vormittag mit Jonah geredet er hat versucht mir alles zu erklären, er hat mir auch gesagt wie sehr ich dir in den letzten Wochen weh getan habe. Juls es tut mir leid, ich verstehe nun zu einem sehr großen Teil warum du gehen musstest und ich weiß auch das Chris dir schon längst verziehen hat. Er liebt dich so sehr.“ Seine Hand berührt sanft meine und ich drücke seine Hand leicht.
„Ich liebe ihn auch. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat, aber ich bin ihm verfallen.“ Ich lächle leicht.
„Ich bin dir verfallen Juls, ich liebe dich so sehr und als ich gestern Abend hierher gefahren bin, da habe ich die ganze Zeit nur gedacht das ich dich nicht verlieren darf und das ich bei dir sein muss.“ Er küsst meine Hand.
„Weißt du Matt, wenn ich etwas in den letzten Monaten gelernt habe, dann, das sich selbst Vorwürfe zu machen dich nicht weiter bringt.“ Ich streiche ihm über die Wange „Ich liebe Dich Mr. Callahan.“
Er steht auf und nimmt mich in den Arm, endlich nach so lange Zeit hält er mich wieder in seinen Armen und ich merke wie von uns Beiden die Anspannung abfällt.
„Ich liebe Dich.“ Sagt er andächtig und küsst meine Stirn.
„ich liebe dich auch.“ Flüstere ich und vergrabe mein Kinn an seinem Hals.
„Na Hoppla, wen haben wir denn hier?“ ertönt Johns fragende Stimme von der Tür und Matt lässt mich los.
„Das ist Matt, Sams Daddy.“ Erkläre ich ihm selig lächelnd als ich Sam entdecke.
„Dann kann die kleine Miss jetzt erst einmal zu ihrem Dad.“ John legt Sam vorsichtig in Matt seine Arme.
„Hallo Prinzessin.“ Flüstert Matt und streicht ihr vorsichtig übers Köpfchen.
„Ich lasse euch dann Mal einen Moment alleine…. Jetzt macht auch der Anruf Sinn…“ denkt er laut nach „Ich soll dir nämlich von Kylie ausrichten das sie Chris bei sich hat und er morgen Vormittag mit ihr hier vorbei kommt.“ Er sieht mich an und ich nicke glücklich.
Dann schließt er die Tür und ich sehe zu Matt der verträumt unsere Tochter betrachtet.
„Was meinst du wie Chris seine kleine Schwester findet?“ frage ich ihn lächelnd.
„Sie wird ihn in Null Komma Nichts um den Finger wickeln.“ Er zwinkert mir zu.
„Wir müssen ihm aber noch erklären, dass es seine kleine Schwester ist.“ Gebe ich zu bedenken.
„Wir machen das zusammen und erklären ihm auch das wieder bei uns wohnen wirst, weil ich dich liebe und wir eine Familie werden wollen.“ Er sieht mich prüfend an.
„Bittest du mich bei euch einzuziehen? Oder bittest du mich dich zu heiraten?“ ich sehe ihn erstaunt an.
„Beides.“ Sagt er als sei es das selbstverständlichste auf der Welt.
„Aber…“ setze ich an.
„Hier, halte Sam.“ Er legt mir Sam in den Arm.
„Was hast du vor?“ ich sehe zu ihm und er wühlt in seinen Hosentaschen.
„Ich bin gestern Abend, bzw. heute Nacht noch nach Derry gefahren zu meinen Eltern und habe den hier…“ er reicht mir eine Schatulle „… geholt, er ist seit vielen Generationen in Familienbesitz und wenn ich dich schon frage ob du meine Frau werden willst, dann auch richtig.“ Er sieht mich ernst an und geht vor meinem Bett in die Knie.
„Juliette…“ er wirft ein Blick auf meine Akte die am Krankenbett hängt „Juliette Margerite O’Brian, willst du meine Frau werden?“ er sieht mich an und ich lächle.
„Ja.“ Hauche ich und er öffnet die Schatulle und ein wunderschöner Ring aus weißgold mit einem blauen Stein kommt zum Vorschein, glücklich lächelnd steckt er ihn mir an.
Er beugt sich über mich und küsst mich.
„Aber bitte Matt…“ ich grinse „Erzähle niemandem das mein zweiter Vorname Margerite ist und nenn mich bitte niemals wieder bei meinem vollen Namen.“ Bitte ich ihn und er lacht leise.
„Nein, du bist meine Juls.“ antwortet er lächelnd.
Sam meldet sich und ich weiß das sie furchtbar hungrig sein muss, ich lege sie an und augenblicklich ist es still und sie nuckelt zufrieden an meiner Brust.
„Was halten deine Eltern eigentlich von der ganzen Sache?“ frage ich leise als Sam wieder friedlich auf meiner Brust schläft.
„Sie freuen sich und mein Dad sagt, er habe es sowieso kommen sehen.“ Ein breites Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. „Sie wollen beide nächste Wochen vorbei kommen und sich ihre Enkeltochter ansehen.“
„ich freue mich sie wieder zu sehen.“ Sage ich und merke, dass meine Stimme leicht verunsichert klingt.
Augenscheinlich merkt das auch Matt und sein Lächeln wird noch herzlicher.
„Bevor du dir deinen hübschen Kopf zerbrichst, Mr. und Mrs. Callahan brauchst du sie nicht mehr nennen. Sie sind für dich jetzt nur noch Andrew und Louise.“ Er zwinkert mir zu „Zumal du ja auch bald Mrs. Callahan sein wirst.“
Matt legt sich zu Sam und mir ins Bett und wir merken beide wie müden wir nach den letzten Wochen sind, tatsächlich gönnt uns unsere Tochter auch ein paar Stunden Schlaf, nur leider nicht am Stück und als Kylie am nächsten Vormittag mit Chris kommt sind wir noch ziemlich erledigt.
„Daddy.“ Begrüßt Chris auch sogleich seinen Dad und dieser nimmt ihn fest in die Arme.
„Na mein Großer.“ Neckt er ihn und sie setzen sich auf meine Bettkante. „Schau mal das ist Samantha.“ Stellt Matt ihr Sam vor und Chris streicht ihr ganz sanft über die Wange.
„Sie ist klein.“ Sagt Chris und ich lächle.
„Ja, aber sie wird bald wachsen.“ Ich sehe ihn an und er strahlt.
„Dann habe ich jetzt eine kleine Schwester auf die ich aufpassen muss.“ Sagt er mit aller Ernsthaftigkeit die er aufbringen kann.
Matt und ich sehen ihn an und er grinst schelmisch.
„Ganz ehrlich Daddy, ich habe gewusst das du und Julie euch ganz arg lieb habt und in der Schule habe ich von Ben erfahren, das wenn sich zwei Erwachsene ganz doll lieb haben dann manchmal ein Baby raus kommt. Also, ihr habt euch lieb und Sam ist das Baby, also ist sie doch meine kleine Schwester, oder nicht?“ er sieht uns fragend an.
„Ja.“ Sagen Matt und ich wie aus einem Mund und Kylie fängt an zu lachen.
„So clever wie der Vater und das Mundwerk von seiner Ziehmutter.“ Sie schüttelt lachend den Kopf.
„Ich färbe ab.“ Sage ich gespielt schockiert.
„Kommst du jetzt wieder zu uns?“ fragt Chris mit einem Augenaufschlag, der später bestimmt reihenweise Frauenherzen zum Schmelzen bringt.
„Ja mein Kleiner, wenn du mich wieder haben willst.“ Ich sehe ihn an.
Matt nimmt Sam auf den Arm und Chris krabbelt auf mein Bett.
„Ja und ich will dich was fragen…“ er druckst ein wenig herum.
„Was denn Kleiner?“ ich sehe ihn gespannt an.
„Also…“ setzt er an und ich lächle „… Ich hab dich ganz doll lieb…“ er atmet tief ein „… Darf ich Mummy zu dir sagen, ich meine so wie alle in meiner Klasse zu ihrer Mum? Ich weiß ich hatte einen Mummy, aber sie ist weg und ich glaube sie hat dich geschickt damit du meine neue Mummy werden kannst.“ Er sieht mich fragend an.
„Sicher.“ Sage ich gerührt und drücke ihn an mich. „Ich liebe Dich Chris.“
„Ich liebe Dich auch Mum.“ Er strahlt mich an.
„Aber deine richtige Mum wird immer deine Mum bleiben, auch wenn sie fort ist. Wir werden ganz oft an sie denken.“ Verspreche ich ihm und er nickt eifrig.
„Hat Daddy dir eigentlich schon erzählt was er mit dem Haus gemacht hat?“ seine Augen sind weit aufgerissen und ich muss mir ein lachen verkneifen.
„Nein, was hat er denn gemacht?“ frage ich gespielt schockiert.
„Na, ja oben sind jetzt alle Zimmer neu, dein Zimmer ist nicht mehr da, aber ich glaube das wäre gut für Sam. Sie kann dann den Garten sehen wenn sie groß ist und morgens scheint die Sonne rein.“ Erklärt er.
„Das ist eine schöne Idee.“ Pflichtet ihm Matt bei und Chris sieht uns stolz an.
„Das Nähzimmer ist auch weg, aber das ist nicht ganz weg, das ist nur im Keller. Oben ist jetzt ein Zimmer frei. Das Zimmer wo wir nicht essen wollten ist auch ganz neu, Daddy und ich haben zusammen die neue Farbe ausgesucht.“ Erklärt er mit stolz geschwellter Brust. „Ach, ja Daddy Schlafzimmer ist nicht mehr neben meinem, da waren Leute da und haben unterm Dach gebaut, da wohnt er jetzt.“ Erklärt er mit weiter und ich sehe staunend zu Matt.
„Ich wollte dir einen Anreiz geben, damit du wieder kommst.“ Er sieht mich verlegen an.
„Grandma und Grandpa finden es schön, nur die Farbe in manchen Zimmern gefällt Grandma nicht. Neues Zeug schimpft sie immer.“ Lacht Chris.
„Also das muss ich mir anschauen.“ Gebe ich lächelnd zu.
„Es ist schön euch endlich alle zusammen zu sehen.“ Kylie wischt sich eine Träne weg „Aber eine Haushälterin braucht ihr jetzt bestimmt nicht mehr.“
„Wie kommst du darauf, dass wir auf dich verzichten können?“ ich sehe sie grinsend an.
„Also ehrlich Kylie, wir brauchen dich. Eine Familie braucht eine führende Hand.“ Matt zwinkert ihr zu.
„Ach ihr Beiden.“ Sie winkt ab und schnäuzt sich.
„Hey.“ Sagt Chris protestierend.
„Ihr Drei natürlich.“ Sie lächelt Chris breit an.
„Also wirklich Kylie, wir sind doch jetzt vier.“ Chris hebt seine Hand und hält vier Finger hoch. "Wie ein Kleeblatt!" fügt er ganz ernsthaft hinzu.
Epilog
„Chris!“ Sam stemmt verärgert ihre Hände in die Hüften und Matt grinst mich an, wie sie so da steht erinnert sich mich doch sehr an mich selber.
„Was ist denn los?“ Matt sieht sie fragend an.
„Chris hat versprochen mich zu Jenny mit zu nehmen und jetzt dauert das schon wieder ewig.“ Gibt sie mürrisch zurück.
„Jenny läuft dir doch nicht weg.“ Winkt Matt lächelnd ab.
„Dad, wir fahren noch 4 Stunden bis Dub und wir wollen heute Abend weg…“ sie stampft ungeduldig auf und ich lache leise „Ich mache drei Kreuze wenn ich meinen Führerschein habe.“
„In zwei Wochen kannst du deine Prüfung ja noch mal machen.“ Matt kommt zu mir und ich lehne mich an seine Brust.
„Woher hat das Kind nur diese Ungeduld?“ fragt er mich leise und ich lache.
„Also von mir nicht.“ Gebe ich zurück.
Sam sieht aus wie ihr Dad und ihr großer Bruder, dunkelbraune lange Haare und braune Knopfaugen. Dann endlich taucht Chris auf und sie schnaubt.
„Na Endlich.“ Sie schnappt sich ihre Jacke und geht durch die Huntertür raus.
„Bye Mum, Bye Dad!“ er winkt uns fröhlich zu und beachtet den bühnenreifen Abgang von Sam gar nicht. „Wir sehen uns nächstes Wochenende bei Grandma und Grandpa.“
„Bis dann Chris!“ erwidern wir und winken ihm hinterher. Chris studiert am Trinity College in Dublin Architektur und Matt ist furchtbar stolz auf ihn, in ein paar Tagen wird er 24 und ganz ehrlich, er ist ein wirklich hübscher junger Mann geworden.
„Mummy? Daddy?“ ertönt die verzweifelte Stimme unsere mittleren Tochter und Matt und ich sehen uns an und verdrehen die Augen, Lorie ist 17 und somit knapp 2 Jahre jünger wie Sam. Sie ist ein Wirbelwind und kaum zu bändigen.
„Was ist denn?“ wir beide gehen rüber ins Wohnzimmer.
„Warum darf Sam zu Jen und ich nicht zu Jamie?“ sie sieht uns böse an.
„Weil das mit Sam und Jen mit Onkel Jonah und Lill abgesprochen ist und wir ihnen ja nicht alle unsere Kinder aufs drücken können.“ Erwidert Matt gelassen.
„Das ist gemein.“ Sie zieht eine Flunsch.
„Das Leben ist manchmal gemein mein Schatz!“ ruft er ihr hinterher als sie die Treppe hinauf geht.
„Wann kommen Jake und Lexie aus der Schule?“ Matt sieht mich fragend an.
„in einer Stunde.“ Ich sehe zur Uhr „Und ich muss los, ich habe heute noch Sprechstunde.“ Ich gebe ihm einen Kuss und er lächelt mich an.
„Wie lange bin ich mit den Monstern alleine?“ fragt er argwöhnisch.
„Ich bin um 18 Uhr wieder da.“ Ich zwinkere ihm zu. „Du packst das schon.“
Jake und Lexie sind unsere Jüngsten, Jake ist 15 und Lexie 13. Man, das Haus steht Kopf wenn alle hier sind, wir hatten gerade alle ein ganzes Wochenende bei uns und ich bin froh wenn ich mich ab und zu in meine kleine, kuschelige Praxis zurück ziehen kann.
In den Sommerferien “verkaufen“ wir unsere Kinder aber regelmäßig. Entweder sind sie bei Jay und Alex in Seattle, bei Jonah, Lill und ihren Kindern Jenny, Mike und Kian oder meinen Eltern in Dublin oder aber bei Andy und Louise in Derry.
Kylie hat bis zu ihrem plötzlichen Tod vor 5 Jahren bei uns gearbeitet und mit ihr haben wir nicht nur unsere Haushaltshilfe sondern einen festen Bestandteil unserer Familie verloren.
Nicht alles was passiert macht auf den ersten Blick einen Sinn, aber wie sich dann alles fügt, schon. Manche Umwege sind einfach nötig, um am Ende da zu stehen, wo man hin gehört.
Texte: Stephanie Muhs
Bildmaterialien: me
Tag der Veröffentlichung: 21.10.2012
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