Mein Kopf dröhnt wie verrückt und ich kann mich gar nicht richtig bewegen. Meine Beine fühlen sich an wie Blei und auch meine Arme wollen meinen Befehlen nicht gehorchen.
Ich merke wie Panik in mir aufsteigt und versuche mit aller Kraft meine Augen zu öffnen um zu erfahren wo ich bin. Ganz langsam gelingt es mir und ich sehe eine weiße Decke. Gut, das hilft mir jetzt nicht wirklich.
Ich will meinen Kopf drehen, aber etwas um meinen Hals hindert mich daran.
„Ganz ruhig Süße.“ Sagt eine weibliche Stimme und in meinem Gesichtsfeld taucht eine blonde ältere Frau auf, sie trägt eines dieser Krankhausoberteile in einem hellen rosa.
Sie berührt mich vorsichtig am Arm und ich sehe sie bittend an.
„Wo bin ich?“ flüstere ich.
Meine Stimme klingt befremdlich in meinen Ohren und ich kämpfe weiter gegen meine Panik an, aber jetzt richtet sie sich nicht mehr nur darauf wo ich bin sondern darauf was passiert ist.
„Du bist im Parkdale Place Hospital.“ Ihre Stimme klingt ruhig und ich denke angestrengt nach.
„Wo?“ frage ich erneut, ich kenne kein Parkdale Place Krankenhaus.
„In Summerland.“ Sie lächelt leicht.
Immer noch sehe ich fragend in ihr Gesicht.
„In British Columbia.“ Sie sieht mich an und mir treten Tränen in die Augen.
„In Kanada.“ Fügt sie weiterhin hinzu.
„Kanada?“ frage ich eher als ich es verstehe.
„Kannst du mir sagen wie du heißt?“ ihre Augen fixieren mich.
„Ich…“ setze ich an, aber mein Kopf ist leer. Er will mir einfach keinen Namen geben.
Wieder ergreift mich Panik und das Gerät rechts neben mir beginnt zu piepen.
„Ganz ruhig…“ wieder legt sie ihre Hand auf meinen Arm. „Ich hole Dr. Langley, er freut sich bestimmt das du aufgewacht bist.“ Sie tätschelt meine Hand und verlässt das Zimmer.
Warum weiß ich meinen Namen nicht?
Wie bin ich hierher gekommen?
Was ist passiert?
Warum tut mir alles weh?
Ich suche nach Antworten in meinem Kopf und schließe verzweifelt meine Augen…
Alles ist wie leer gefegt, ab und zu kleine Wortfetzen und verschwommene Bilder aber nichts ergibt auch nur ansatzweise einen Sinn.
Dann wird die Tür schwungvoll geöffnet, ich kann es nicht sehen aber ich merke den Windhauch den die Tür verursacht, denn ich bin ja immer noch dazu verdammt an die Decke zu starren.
„Hallo.“ Sagt eine männliche tiefe Stimme und in meinem Gesichtfeld taucht ein Mann auf, seine braunen, warmen Augen fixieren mich und ich merke wie mir immer noch Tränen in den Augen stehen. Dann wage ich es, ich blinzele und die Tränen laufen über mein Gesicht.
„Ganz ruhig.“ Sagt er besorgt und tastet meine Halswirbelsäule ab. „Die letzten Röntgenbilder waren Okay, also nehme ich dir jetzt mal deine Halskrause ab, ja?“ er sieht mich an, aber ich bin nicht in der Lage zu antworten.
Dann endlich kann ich meinen Kopf drehen und ich sehe wie er die Halskrause auf den kleinen Tisch legt der in dem Zimmer steht.
Er dreht sich zu mir um und setzt sich neben mein Bett.
„Ich bin Dr. Alexander Langley.“ Stellt er sich vor.
„Ich bin Jane Doe.“ sage ich und grinse schief.
Er erwidert es und ich bemerke seine Lachfältchen um seine Augen.
Wie alt mag er sein?
Er hat dichte dunkelbraune Haare, die ihm ein wenig wild vom Kopf in alle Richtungen abstehen, er hat einen Drei-Tage-Bart und nirgendwo ist grau zu sehen.
Ich schätze ihn auf Anfang bis Mitte 30.
Aber Moment Mal wie alt bin ich eigentlich?
Ich sehe auf meine Hände, nichts verrät das Alter einer Frau besser wie die Hände. Meine linke Hand ist eingegipst aber meine rechte Hand sieht makellos aus, also kann ich nicht viel Älter wie 30 sein.
„Ich weiß nichts mehr.“ Ich sehe ihn verzweifelt an „Ich weiß nicht wie ich heiße, ich weiß nicht wie alt ich bin und ich weiß nicht wie ich hierher komme.“
„Ganz ruhig.“ Er legt seine Hand auf meine.
„Ich bin ruhig.“ Sage ich leicht gereizt, ich höre seitdem ich wach bin dauernd ´Ganz ruhig`.
Das hilft nicht…
Ganz und gar nicht.
„Also wie du hierher gekommen bist kann ich dir sagen.“ Sagt er langsam und ich sehe ihn an, seine Augen fixieren mich und ich fühle mich leicht unwohl.
„Vor einer Woche hattest du wohl einen schweren Unfall, ich habe dich am St. Helens Pass am Highway 97 gefunden. Du warst unterkühlt, tropfnass und schwer verletzt. Ich habe dich sofort hierher gebracht. Wir haben dich mehrere Stunden operiert, zwischenzeitlich sah es nicht gut aus. Du hattest einen zweifachen Schädelbasisbruch, ich denke daher kommt dein Gedächtnisverlust.“ Erklärt er mir ruhig. „Retrograde Amnesie.“ Sage ich leise und er nickt. „Was habe ich noch für Verletzungen?“ ich sehe ihn an und befühle meinen dick bandagierten Kopf.
„Du hast dir dein linkes Handgelenk und vier Rippen auf der linken Seite gebrochen und wir mussten das Handgelenk fixieren. Du hattest schwere Verletzungen der Milz und der Leber. Die Leber konnten wir erhalten, deine Milz haben wir entfernt. Du hattest dir außerdem deine linke Schulter ausgekugelt und du hast etliche tiefe Schnitt- und Schürfwunden. Du hattest ein paar Komplikationen wegen der Milzentfernung.“ Er sieht mich besorgt an.
„Frühe postoperative Komplikationen der Splenektomie sind in erster Linie Komplikationen der Atmungsorgane: Pneumonie, Atelektasen, Pleuraergüsse.“ Spule ich runter und wundere mich über mich selbst.
Er sieht mich erstaunt an.
„Wow.“ Sagt er nach einer kleinen Weile.
„Keine Ahnung wo das gerade her kam.“ Gebe ich zu.
„Aber das war richtig, du hattest einen Pleuraerguss, wohl auch bedingt durch deine Rippenbrüche auf der linken Seite, aber wir haben in punktiert, eine Drainage gelegt und auf den Röntgenbildern von gestern war alles in Ordnung. Kannst du denn frei atmen?“ er sieht mich fragend an und um mich zu bestätigen hole ich tief Luft und verziehe schmerzverzehrt das Gesicht.
„Wenn ich einatme dann tun mir die vierte, fünfte und siebente Rippe weh.“ Sage ich und versuche wieder flach zu atmen.
„Das wird wohl noch eine Weile so bleiben.“ Gibt er zu und ich nicke.
„Hatte ich nichts bei mir?“ frage ich nach.
Geht denn irgendjemand heute noch ohne Handy oder irgendein Dokument aus dem Haus?
„Nein nichts, du hattest Turnschuhe, eine verwaschene Jeans, einen Pullover und eine Sweatjacke an. Keine Dokumente, kein Handy, kein Ausweis.“ Sagt er bedauernd.
„Mein Kopf tut weh.“ Sage ich und weiß dass meine Stimme jammernd klingt. Aber ich habe nicht die Kraft meine Unsicherheit und meine Angst zu verbergen.
„Ich weiß.“ Sagt er tröstend und nimmt meine Hand „Anhand unserer Untersuchungen können wir zumindestens sagen das du 1. Eine Frau bist…“ er sieht mich grinsend an und ich muss lächeln.
Ich sehe prüfend unter mein Krankhaushemd.
„Gute Arbeit Dr. Langley.“ Sage ich und lehne mich wieder zurück.
„Nenn mich ruhig Alex.“ Sagt er und ich nicke leicht.
„Nenn mich…“ ich sehe ihn an und mein lächeln gefriert „… wie du willst.“ Sage ich schließlich.
„Wir nennen dich Sarah…“ er zwinkert mir zu „…Wir fanden Jane Doe zu unpersönlich und unsere Oberschwester hat gesagt als du eingeliefert wurdest lief Jefferson Starship mit Sarah im Radio und wir beschlossen dich Sarah zu nennen.“
„Sarah.“ Sage ich leise und hoffe irgendetwas in mir sagt mir, ob das stimmt oder nicht.
Aber nichts…
„Ja Sarah, es sei denn er gefällt dir nicht dann nehmen wir einen anderen.“ Er lächelt.
„Ich habe jetzt ja die Auswahl.“ Sage ich und versuche nicht verbittert zu klingen. „Aber Sarah gefällt mir.“ Gebe ich zu.
„Okay Sarah, dann also zu 2. Du bist schätzungsweise zwischen 28 und 31 Jahre alt und da wir ja alle Gentlemans sind haben wir 28 eingetragen.“
„Also ich heiße Sarah und bin 28.“ Ich sehe zu ihm und er nickt.
„Nur so lange bis du wieder weißt wer du bist.“ Sagt er aufmunternd.
„Hmm.“ Sage ich und befühle erneut meinen Verband um meinen Kopf.
„3. Du hast keine Kinder.“ Sagt er sichtlich zufrieden mich sich.
„Okay, dann lasse ich zu mindestens keinen kleinen Menschen im Stich.“ Ich schnaube leicht.
„Und schließlich 4. Wir haben alle Daten und dein Foto durch die Polizeicomputer in ganz Kanada und den USA gejagt, du bist nicht als vermisst gemeldet.“ Er atmet tief ein.
„Na super, es vermisst mich nicht einmal jemand.“ Sage ich frustriert.
„Sarah, lass dir Zeit. Ich bin mir sicher das alles zurück kommt.“ Er drückt meine Hand „Und bis dahin bist du bei uns in den besten Händen. Alice ist heute Nacht hier auf Station, wenn du was brauchst dann klingele einfach. Ich komme zum Ende meiner Schicht noch mal vorbei.“ Er nickt mir zu und ich starre wieder an die Decke.
Es ist komisch, ich weiß nicht wer ich bin und woher ich komme, aber ich bin mir fast sicher… Okay, so sicher wie man sich in meiner Situation sein kann… das ich nicht von hier komme.
Es klopft leise und Alice huscht wieder ins Zimmer.
„Na Süße. Wie geht es dir?“ sie sieht mich mitfühlend an.
„Ich weiß nicht wer ich bin?“ sage ich leise.
„Ach das kommt wieder…“ sie tätschelt meine Hand „Schau mal was ich hier habe.“ Sie hebt eine Tüte hoch.
„Was ist das?“ frage ich und sie lächelt.
„Sandwiches. Ich dachte du musst Hunger haben und da weder du noch ich weiß was du magst, habe ich einfach mal von jedem was wir haben ein halbes eingepackt.“ Sie zwinkert mir zu und schiebt den Beistelltisch über mein Bett.
„Du hast doch Hunger, oder?“ sie sieht mich an ehe sie auspackt.
„Ja.“ Sage ich lächelnd.
Sie packt verschiedne Sandwiches auf den Tisch und teilt die Hälften alle nochmals in der Mitte durch.
„Dann schauen wir mal, hier haben wir Ei und Bacon.“ Sie reicht mir ein kleines Stück und nimmt sich das andere.
Ich beiße ab und stelle fest dass es wirklich gut schmeckt.
„Und Sarah?“ sie sieht mich gespannt an.
„Wirklich gut.“ Gebe ich zu.
„Dann weiter, hier haben wir Krabben.“ Sie reicht mir ein weiteres und ich stecke es mir in den Mund, allerdings finde ich den Geschmack wirklich scheußlich, ich habe das Gefühl es wird immer mehr in meinem Mund.
„Igitt.“ Ich spucke das gekaute in eine Serviette.
„Krabben also nicht.“ Lacht Alice.
„Nein eher nicht.“ Ich schüttele mich leicht.
„Also dann haben wir hier noch Hähnchen.“ Sie schiebt mir ein weiteres Stück rüber.
Auch dieses schmeckt gut und ich recke meinen Daumen in die Höhe.
„So und das Letzte für heute…“ sie deutet auf das letzte viertel Sandwich „Schinken mit Oliven.“ Sie beißt genüsslich in ihr Stück.
Ich sehe es mir an und nehme einen vorsichtigen Haps. Ich schüttele mich und Alice lacht.
„Ich habe keine Ahnung wie eingeschlafene Füße schmecken, aber Oliven mag ich definitiv nicht.“ Sage ich und nehme ein Schluck von meinem Wasser.
„Das war doch ganz erfolgreich…“ sie packt die Servietten in die Tüte und befördert sie in den Mülleimer. „… Wir halten fest, du magst Ei und Bacon und Hähnchen und augenscheinlich magst du keine Krabben und auch keine Oliven.“ Sie strahlt mich zuversichtlich an.
„Das ist ja schon mal was.“ Gebe ich zu.
„Und sonst Schätzchen?“ sie setzt sich auf meine Bettkante.
„Ich denke ich bin Rechtshänderin.“ Sage ich und sehe auf meine rechte Hand „Ansonsten ist alles wie leer gefegt.“ Ich seufze.
„Wir bekommen das schon hin.“ Sagt sie und strahlt eine solche Zuversicht aus, das ich mir wünschte ich hätte auch nur einen Bruchteil davon.
„Weißt du, ich bin seit 35 Jahren Krankenschwester, ich habe schon so viel gesehen, das Wichtigste ist, das man die Hoffnung nicht aufgibt.“ Sie nickt mir zu.
„Danke und danke dass ich nicht mehr Jane heiße.“ Ich lächle leicht.
„Hat Alex es dir erzählt?“ sie grinst.
„Ja, Jefferson Starship oder so.“ gebe ich zurück.
„Möchtest du es mal hören?“ ihre Augen ruhen fragend auf mir.
„Gerne.“ Gebe ich zurück.
„Ich bringe es dir morgen früh vorbei, ich muss mal nach meinen anderen 4 Patienten sehen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Nur 4?“ frage ich verwirrt.
„Ja, das Parkdale Place ist eine kleine Privatklinik.“ Erklärt sie mir.
„Aber wie soll ich die Kosten bezahlen?“ ich reiße meine Augen auf.
„Das haben wir schon geklärt, es gibt Regelungen für Fälle wie dich. Du hast eine Sozialversicherungsnummer auf den Namen Sarah Doe bekommen, alle Kosten werden vom Staat British Columbia übernommen.“ Beruhigt sie mich.
„Fälle wie mich?“ ich sehe sie fragend an.
„Ja, es gibt zwar nur eine handvoll Fälle in den letzten 40 Jahren, aber diese Vorgehensweise ist üblich.“ Sie steht auf und geht zur Tür.
„Und jetzt schlaf ein wenig Süße. Wir sehen uns später.“ Sie lächelt und schließt die Tür hinter sich.
Ich lehne mich in meinem Kissen zurück.
Fälle wie mich?
Menschen die scheinbar von Himmel fallen, sich dabei ordentlich weh tun und sich dann an nicht einmal ihren Namen erinnern können?
Müde schließe ich meine Augen und das gleichmäßige Piep, Piep der Maschine neben mir bringt mich schließlich dazu einzuschlafen.
„Guten Morgen.“ Ertönt eine tiefe, warme Stimme und ich öffne langsam meine Augen.
„Guten Morgen Alex.“ Murmele ich verschlafen.
„Wie geht es dir?“ er sieht mich besorgt an und setzt sich auf meine Bettkante.
„Ich habe immer noch rasende Kopfschmerzen, aber Alice und ich haben in der letzten Nacht heraus gefunden das ich keine Krabben und keine Oliven mag aber dafür anscheinend auf Hühnchen, Ei und Bacon stehe.“ Sage ich grinsend.
„Ihr habt also ein kleines Picknick veranstaltet?“ lacht er leise.
„Ja.“ Sage ich lächelnd.
„Es ist schön dich lächeln zu sehen.“ Er sieht mich durchdringend an.
„Danke.“ Erwidere ich verlegen.
„Guten Morgen Süße!“ Alice kommt herein gestürmt und ich muss angesichts Alex seinem erschrockenen Gesichtsausdruck lachen.
„Mum.“ Sagt dieser nun strafend.
„Mum?“ frage ich verwirrt.
„Ja, Alice ist meine Mum.“ Er grient mich schelmisch an.
„Deine Mum also.“ Ich schüttele lächelnd den Kopf.
„Ja und wie ich sie kenne hat sie dich auch schon adoptiert.“ Er zwinkert mir zu.
„Erzähl dem Mädchen kein Quatsch.“ Alice gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und er sieht sie strafend an.
„Mum, Herrgott ich bin keine 6 mehr.“ Er reibt sich den Hinterkopf.
„Ich habe dich zur Welt gebracht, ich habe deine Windeln gewechselt, ich habe dich in der Pubertät ertragen, ich habe dein Studium mit finanziert und ich mein Schatz…“ sie sieht ihn überlegen an „… darf tun was ich will.“
Ich lache leise und beide sehen mich an.
„Er denkt tatsächlich nur weil er 32 ist, bin ich nicht mehr seine Mum. So eine Frechheit.“ Sie reicht mir einen MP 3 Player.
„Wo hast du den denn her? Mit so etwas kannst du doch gar nicht um.“ lacht Alex und nun sehen wir beide ihn strafend an.
„Sei still.“ Weist Alice ihn an. „So warte Schätzchen.“ Sie reicht mir einen Ohrstöpsel.
Ich stecke ihn mir in die Ohren und sie drückt auf Play. Das Lied ist beruhigend und wirklich schön und ich lausche entspannt. Ich schließe meine Augen und merke wie Alex leicht meine Hand drückt. Als das Lied zu Ende ist schlage ich meine Augen auf und sehe in Alex sein Gesicht.
„Ich glaube es kann nicht jeder sagen dass er seinen Namen einem Song zu verdanken hat.“ Alice grinst.
„Nein, nur die zig tausenden Mandys die nach Barry Manilows Mandy geboren wurden.“ Lacht Alex.
„Du bist unmöglich.“ Alice sieht ihn strafend an.
„Ich danke dir Alice, ich finde den Namen Sarah wirklich schön.“ Gehe ich dazwischen und beide grinsen mich an.
Jetzt wo ich sie genauer betrachte fällt mir die Ähnlichkeit der beiden auf. Beide haben wunderbar voller geschwungene Lippen und die gleichen warmen braunen Augen. Ja das sind Mutter und Sohn, das wäre mir wohl spätestens jetzt klar.
„Ich habe noch ein, zwei Fragen.“ Ich sehe zu Alex und er sieht mich aufmunternd an.
„Also erstes, welchen Monat haben wir und welchen Tag und wo genau in Kanada bin ich.“ Ich sehe beide abwechselnd an.
„Wir haben den 12. August 2011 und Summerland liegt 400 km östlich von Vancouver, 650 Kilometer westlich von Calgary und 70 km von der Grenze zu Washington entfernt. Du bist in einer Stadt Mitten in British Columbia. Tiefstes Kanada.“ Alex zwinkert mir zu und ich nicke.
Bin ich Kanadierin?
Ich denke nicht, oder doch?
„So gleich kommt Susan unsere Krankengymnastin, sie wird dich ein paar Tage betreuen. Versuche dich ein wenig zu erholen, ich schaue heute Abend wieder rein bevor mein Dienst anfängt.“ Alex lächelt mich an und ich erwidere es.
„Ich auch Schätzchen und ich bringe dir ein paar Hähnchensandwiches mit.“ Sie zwinkert mir zu.
Dann verlassen beide mein Zimmer und ich sehe aus dem Fenster.
Der Himmel ist strahlend blau und keine Wolke ist zu sehen. Ich döse ein wenig vor mich hin und bin überrascht als eine junge Schwester mein Zimmer betritt.
„Hallo ich bin Aimee.“ Sie stellt ein Tablett auf meinen Beistelltisch „Das Mittagessen ist zwar hier nicht wirklich gut, aber ich denke du hast bestimmt Hunger.“ Sie nickt mir zu und ich lüfte den Deckel.
„Kartoffelpüree mit Erbsen und Hähnchen.“ Erklärt sie mir.
Ich setze mich ein wenig aufrechter hin und probiere das Essen, es ist nicht so schlimm wie befürchtet und ich sehe zu Aimee die mich abwartend ansieht.
„Es ist nicht so schlecht wie du behauptest, aber Hähnchen mag ich, das haben Alice und ich schon fest gestellt.“ Ich grinse sie an und sie lächelt erleichtert.
„Dann lass es dir schmecken. Susan ist in 30 Minuten hier.“ Sie schließt die Tür und ich esse wirklich fast alles auf.
Dann kommt Susan, die sich als rundliche Frau in den 50ern entpuppt und sie ist nicht gerade das ist was man zimperlich nennt.
Ehe sie aber wirklich anfängt ruft sie den Stationsarzt.
„Also erst einmal muss ich dich von den ganzen Apparaten hier ab bekommen, so kann ich ja nicht mit dir arbeiten.“ Sie sieht mich fast strafend an.
„Mein Blutdruck war in den letzten 12 Stunden immer schön konstant bei 125 zu 75 und meine Herzfrequenz immer artig zwischen 80 und 100. Ich denke also dass das EKG nicht mehr notwendig ist. Meine CO2 Sättigung ist zufriedenstellend und mein EEG zeigt keine Druckschwankungen, somit kann ich auch vom Pulsoxymeter und dem EEG ab…“ ich starre auf die Geräte und dann sehe ich zu ihr, neben ihr steht ein älterer Arzt und sieht mich überrascht an.
„Haben wir es etwa hier mit einer Dr. Sarah zu tun?“ er grinst mich freundlich an.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu.
„Ich bin Dr. Dexter Mastersen.“ Stellt er sich vor „Dex.“ Er zwinkert.
„Sarah… denke ich.“ Ich grinse schief.
„Ich habe schon mit Alex gesprochen, du hattest wirklich schwere Kopfverletzungen und dein Hirndruck war über 48 Stunden sehr hoch.“ Erklärt er mir.
„Meinst du die ICP Belastung hat irreparable Schäden hinterlassen? Das kommt nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,9 % vor.“ Ich sehe ihn fragend an.
„Ich denke wirklich ich habe es mit einer Dr. Sarah zu tun.“ Lacht er „Aber die Möglichkeit besteht leider.“ Gibt er zu.
„So bevor mir von eurem rum Geschwafel schlecht wird, kannst du sie bitte von ihren ganzen Dings da…“ sie deutet auf die Überwachungsmaschinen „… abstöpseln? Ich möchte gerne heute noch anfangen.“ Susan stemmt ihre Hände in die Hüfte.
„Klar doch…“ Dex beginnt die Kabel zu sortieren und zu entfernen „Sarah, ich möchte wissen ob du mit allem so klar kommst, oder soll ich einen Psychologen anfordern?“ er sieht mich fragend an.
„Nein, im Moment noch nicht. Ich komme ganz gut zu Recht.“ Sage ich sicher.
Ich meine was soll ich einem Psychologen schon großartig erzählen?
„Okay, aber wenn was ist dann sagst du Bescheid, ja?“ er legt die Kabel zusammen gerollt auf die Monitore.
„Ja.“ Verspreche ich.
„Wie sieht es mit deinen Kopfschmerzen aus?“ er leuchtet mir in die Augen.
„Ich denke es reicht wenn ich über die Infusion Medikamente bekomme, der Druckinfusor ist nicht nötig.“ Ich lächle.
Ich habe keine Ahnung woher ich das alles weiß, aber augenscheinlich ist es richtig.
„Auf einer Skala von 1 bis 10?“ er fängt an meinen Kopfverband zu lösen.
„Zischen 3 und 4.“ Sage ich und mein Kopf fühlt sich tatsächlich ein wenig besser an als der Verband ab ist und Dex nur noch ein paar Pflaster aufklebt.
„Super für jetzt war es das, Alex wird dir heute Abend die Drainage entfernen. Bis dahin warten wir lieber noch.“ Erklärt er mir und sieht nun zu Susan. „So Susie, meinst du, du kannst so mit ihr arbeiten?“
„Wunderbar Dex und jetzt raus hier!“ sie schubst ihn quasi aus der Tür.
„Nun zu dir…“ sie sieht mich an und ich bekomme ein wenig Angst.
„Sarah.“ Sage ich leise.
„Das weiß ich doch, du bist ja immerhin seit einer Woche das Gespräch der Stadt.“ Sie zwinkert mir zu „Ich werde dir jetzt helfen dich auf die Bettkante zu setzen, das kann weh tun wegen deiner gebrochenen Rippen, aber wir müssen dich mal wieder auf die Beine bekommen. Alles klar?“ sie hält mir ihre Hände hin und hilft mir mich aufzusetzen und zu drehen. Meine Beine setzen auf den kalten Linoleumboden auf und ich versuche durch zu atmen.
„Bis hierher sehr gut.“ Lobt Susan mich und zieht mich nun ganz auf meine Füße. „Na wie fühlt sich das an?“ sie grinst leicht.
„Wackelig.“ Gebe ich zu.
„Na, ein, zwei Tage und du stehst wieder sicher auf deinen Füßen.“ Verspricht sie mir.
„Kann ich mal ins Bad?“ ich sehe sie fragend an und sie legt ihren Kopf leicht schief, sodass ihre roten kinnlangen Haare zur Seite fallen.
„Was möchtest du denn im Bad?“ fragt sie schließlich.
„Ich möchte gerne sehen wie ich aussehe.“ Gebe ich zu, sie lächelt und hilft mir die 5 Schritte ins Bad.
Es tut bei jedem Schritt weh, aber ich beiße die Zähne zusammen. Ich will mich sehen, denn ich habe nicht die geringste Ahnung wie ich aussehe.
Schon komisch, oder?
Ich meine ich bin schätzungsweise 28 Jahre alt und weiß nicht wie ich aussehe…
Ich trete langsam in das kleine Bad und drehe mich zum Spiegel um. Ich stütze meine Hände auf dem Waschbeckenrand ab und sehe in den Spiegel.
Ich habe große blaue Augen mit einem Stich grün, die in diesem Neonlicht fast türkis wirken. Sie sehen müde aus und ich habe Ringe unter den Augen.
Aber ist das verwunderlich?
Ich habe eine zierliche Nase und volle Lippen, ich denke ich würde mich unter anderen Umständen als hübsch bezeichnen. Ich habe eine kleine Narbe an der linken Augenbraue die schon älter zu sein scheint. Am Kinn habe ich eine frische Naht, ebenso an meiner rechten Schläfe die beide mit Pflastern versorgt sind. Ich habe gerade weiße Zähne, aber sie sehen nicht unnatürlich aus, eher sehr gepflegt.
Meine langen braunen Haare gehen mir bis zur Mitte meines Rückens und ich habe anscheinend einen langen Pony, aber zurzeit kleben meine Haare eher an meinem Kopf.
Merken für morgen: Unbedingt Haare waschen!
Ich streiche meinen Pony aus meinem Gesicht, so sehr habe ich gehofft dass mein Anblick irgendetwas auslösen würde…
Aber nichts!
Gar nichts!
Ich merke wie mir Tränen in die Augen schießen, ich habe immer gedacht dieser Moment würde alles auflösen.
Ich habe wirklich gedacht ich sehe in den Spiegel und meine Erinnerungen kommen zurück.
Stattdessen wird mir bewusst dass diese Situation sich wohl nicht so leicht austricksen lässt.
Bis ich mehr weiß, bin ich Sarah, ich bin 28 Jahre alt, wahrscheinlich habe ich irgendetwas mit Medizin gelernt und ich habe keine Kinder.
Susan merkt wie ich beginne zu zittern und sie legt ihren Arm um mich und bugsiert mich zurück ins Bett.
„So, jetzt ruhst du dich aus. Morgen komme ich wieder.“ Sie deckt meine Beine zu. „Und bis dahin bleibst du im Bett.“ Sie sieht mich streng an und ich nicke leicht.
Dann geht sie und ich beginne das erste Mal richtig zu weinen, es scheint mir so als habe ich erst jetzt meine Situation in der ich mich befinde wirklich realisiert.
Ich weiß nicht wer ich bin!
Ich weiß nicht wo ich herkomme!
Ich weiß nicht was ich in diesem Wald gemacht habe und was passiert ist!
Ich weiß nichts…
Schluchzend rolle ich mich zusammen und kann nicht aufhören zu weinen, alles stürzt über mir zusammen und ich weiß nicht was ich tun soll.
„Hey.“ Beruhigend streicht eine Hand über meinen Rücken. „Alles wird gut.“
Ich schließe meine Augen, ich will nicht dass er mich so sieht.
„Lass mich allein.“ Sage ich schwach.
„Sarah, mir war klar dass das irgendwann passiert.“ Sagt er und setzt sich wieder auf meine Bettkante. Seine Hand streicht zärtlich über meinem Rücken und ich kann es kaum erklären, aber von ihr geht eine unheimliche Wärme aus die sich in meinem ganzen Körper ausbreitet. Das Schluchzen lässt langsam nach und ich drehe mich zu ihm.
„Danke Alex.“ Flüstere ich.
„Gern geschehen.“ Sagt er und sieht mich prüfend an „Wenn ich könnte würde ich alles dafür geben das du dich wieder erinnern kannst, das du wieder weißt wer du bist und was du gern gemacht hast.“ Er nimmt meine rechte Hand in seine und ich sehe auf unsere Hände.
Ein Gefühl von Vertrautheit erfasst mich und ich sehe auf in seine Augen. Sie ruhen auf meinem Gesicht und ich lächele ganz zaghaft.
„Danke Alex.“ Sage ich erneut leise.
„Wenn was ist…“ er reicht mir ein Handy „Das ist ein Handy. Ruf mich an. Kurzwahltaste 1.“ Er grinst.
„Ich weiß das das ein Handy ist…“ ich schüttele leicht mit meinem Kopf „Du bist meine Nummer 1, du bist der einzige Mensch neben deiner Mum, Aimee und Susan den ich kenne.“ Ich zucke leicht mit meinem Schultern. „Ach nein ich kenne ja auch noch Dex.“ Füge ich hinzu.
„Und wir alle werden nicht weg gehen und von deiner Seite weichen bis du wieder weißt was los ist.“ Verspricht er mir, er küsst meine Hand und drückt sie dann kurz.
„So und jetzt werde ich deine Drainage entfernen.“ Er setzt sich neben mein Bett und ich ziehe mein Nachthemd hoch. „Ganz tief einatmen und leicht husten wenn ich sage…“ er entfernt das Pflaster und sieht mich dann an „…Jetzt.“
Ich huste leicht und er entfernt den Schlauch, es tut weh, ich meine wirklich weh aber ich sinke zurück in die Kissen als er den Schlauch in der Hand hält und ein Pflaster auf die Stelle klebt. „Das war sehr tapfer.“ Lobt er mich.
„Danke.“ Sage ich mich schmerzverzerrtem Gesicht.
„Ruhe dich ein bisschen aus, ich komme später noch mal vorbei.“ Verspricht er und geht raus.
Es ist merkwürdig das ich viele Sachen drum herum weiß, ich weiß was ein Handy ist und kann es sogar Problemlos bedienen, ich weiß welche Fernsehsender zu welcher Zeit was zeigen, aber nichts was mein persönliches Leben angeht zeigt sich in irgendeiner Erinnerung.
Ich schlafe tatsächlich den restlichen Nachmittag und werde erst wieder wach als Alex erneut vorbei kommt.
„Na, geht es wieder?“ er grinst mich an und ich lächle leicht.
„Ist ja nicht so das ich was an der Situation ändern könnte.“ Gebe ich zu.
„Komm schon Sarah.“ Er knufft mich leicht.
„Was komm schon?“ ich sehe ihn belustigt an.
„Alles wird gut, versprochen.“ Er sieht mich an und nickt lebhaft.
„Wenn du das sagst.“ Ich atme tief ein.
Just in diesem Moment fliegt die Tür auf und Alice steht im Zimmer.
„Einen wunderschönen guten Abend!“ flötet sie und ich schüttele lachend meinen Kopf.
„Na, was macht meine Lieblingspatientin?“ sie sieht mich strahlend an.
„Bis eben im Selbstmitleid versinken.“ Gebe ich zu.
„Ach was.“ Sie wedelt mit ihrer Hand. „Das schmink dir mal ab!“
„Mum, so kannst du nicht mit ihr reden.“ Alex sieht sie strafend an.
„Es ist Okay, ich mag sie.“ Sage ich lächelnd und Alex sieht mich fast schockiert an.
„Was denn?“ frage ich lachend.
„Du magst meine Mum?“ er verzieht das Gesicht.
„Was soll denn das heißen?“ Alice geht auf ihn zu und er hebt abwehrend die Hände.
„Nichts Mum, gar nichts! Ich liebe Dich!“ damit winkt er mir zu und verlässt mein Zimmer.
Alice bleibt fast den ganzen Abend bei mir und wir schauen fern und sie erzählt mir von sich, Alex und seinem Dad.
Die nächsten drei Wochen fliegen an mir vorbei, Susan kommt täglich und ich bin mittlerweile wieder sicher auf meinen eigenen zwei Beinen unterwegs. Bis auf das meine Hand noch in Gips ist, bin ich fast wieder vollständig her gestellt. Nur in meinem Kopf herrscht weiterhin gähnende Leere was mich angeht. Medizinische Fakten und manch andere Sachen sprudeln aus mir heraus als gäbe es kein Morgen.
Alice und Alex kommen jeden Tag vorbei und verbringen ein wenig Zeit mit mir, ich mag die Beiden.
Sie geben mir ein wenig Sicherheit.
Sicherheit die ich brauche, ohne sie würde ich wahrscheinlich in Selbstmitleid versinken.
Heute haben sich die Polizei und die Fürsorge angekündigt. Ich soll in ein paar Tagen entlassen werden und noch weiß ich nicht wie es weiter gehen soll.
Ich habe kein Geld, keine Arbeit… hmm ich habe ja nicht einmal ein Leben.
Ich komme gerade aus der Dusche und sehe in den Spiegel. Ich muss sehr gesund gelebt haben, denn an mir ist nicht wirklich was dran. Ich meine ich bin auch nicht sehr groß, zu 1,68 m hat es gereicht und gestern habe ich 55 kg gewogen. Alice meint ich müsse unbedingt mehr essen, denn ich bin ihr zu dünn. Ich habe wohlgeformte, feste Brüste die ach ohne einen BH so ziemlich da sitzen wo sie hin gehören. Alice hat mir zwei BHs gekauft und nun weiß ich dass ich 75 C trage. An meiner linken Seite habe ich eine 15 cm lange Narbe von der Operation, aber sie ist schon sehr gut verheilt und sieht nicht schlimm aus. Auch an meinem Schlüsselbein ist eine kleine Narbe von einem Katheter der mir bei meiner Einlieferung gelegt wurde, sie haben ihn erst vor vier Tagen entfernt und es klebt noch ein durchsichtiges Pflaster drauf. Ich wickele meine linke Hand aus der Plastiktüte aus mit der ich Duschen muss und ich betrachte meine Hände, keine Abdrücke von Ringen oder anderem Schmuck.
Nichts…
Es ist gerade so als hätte ich nicht existiert.
Nachdem ich mich eingehend betrachtet habe und mein Gehirn wieder einmal keine Anstalten macht irgendetwas auszuspucken was mir hilft ziehe mir die Jeans an die Aimee mir mit gebracht hat. Sie passt fast wie angegossen, nur auf einen Gürtel kann ich nicht verzichten. Dann ziehe ich mir einen weißen BH und ein weißes enges Top an.
Ich kämme meine langen Haare und binde sie zu einem lockeren Knoten im Nacken zusammen.
Nachdem ich fertig bin setze ich mich auf das Bett und sehe nach Draußen, unten auf den Straßen herrscht reges Treiben für einen Freitagmittag. Es ist kühler geworden, aber wir haben ja auch schon Anfang September, noch sind die Bäume alle grün, aber es wird nicht mehr lange dauern und sie ändern ihre Farbe. Ich beobachte die Leute und frage mich wie sie sich fühlen würden wenn sie auf einmal nichts mehr wüssten. Wenn man den persönlichen Teil einfach löschen würde.
Es bringt ja nichts, ich habe gemerkt umso mehr ich mich anstrenge umso weniger bringt es.
Es klopft leise und ich drehe mich zur Tür, für die Leute von der Polizei und dem Amt ist es noch zu früh und ich lächle leicht als ich Alex sehe. Er trägt seine Zivilsachen, also ist sein Frühdienst beendet. Es ist erst das zweite Mal das ich ihn ohne seine weißen Arztklamotten sehe und ich gestehe mir ein dass er mir gefällt. Er trägt eine verwaschene Jeans mit gewollten Löchern, dazu ein schwarzes einfaches T-Shirt und Sneakers.
„Alles Okay bei dir?“ er setzt sich neben mich aufs Bett.
„Ich weiß nicht…“ ich sehe ihn an „… Was wird jetzt mit mir passieren?“ frage ich ängstlich.
„Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, aber ich bleibe bei dir.“ Er drückt meine Hand und ich sehe ihn dankbar an.
Einen Augenblick beobachten wir die Menschen draußen, dann sehe ich ihn an.
„Was wenn ich was Schlimmes getan habe, wenn ich gar nicht das Opfer sondern ein Täter bin? Was wenn ich vielleicht auf der Flucht bin?“ Tränen sammeln sich in meinen Augen.
„Das glaube ich nicht. Dafür bist du nicht der Typ.“ Er zeiht mich in seine Arme.
„Du kennst mich doch gar nicht, ich kenne mich ja nicht einmal selbst.“ Schluchze ich.
„Hey Sarah…“ er zwingt mich ihn anzusehen „… Wir finden heraus was mit dir passiert ist und ich bin mir sicher, du hast nichts Schlimmes getan.“
Woher kann er sich da sicher sein?
Ich bin mir selbst nicht sicher, ich habe in den letzten beiden Wochen viel im Internet recherchiert, das was ich habe nennt sich globale transiente Amnesie, nicht wie anfangs vermutet retrograde Amnesie. Diese Amnesieform ist äußerst selten und bisher sind nicht viele Fälle bekannt.
Sie kann durch viele Faktoren ausgelöst werden, durch ein traumatisches Ereignis ist bei mir wohl am Ehesten der Fall, aber dieses kann sowohl mir zugefügt worden sein, oder aber ich habe es jemanden zugefügt.
Ein kurzes, heftiges Klopfen lässt uns zusammen zucken.
„Herein.“ Sagt Alex für mich und setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett.
„Guten Tag, ich bin Officer Matthew Owen und das ist James Hayes von der Sozialbehörde.“ Stellte einer der beiden Männer sich und seinen Begleiter vor.
Alex deutet ihnen an, an dem Tisch im Zimmer vor meinem Bett Platz zu nehmen und ich setze mich im Schneidersitz auf mein Bett.
„Gibt es was Neues Alex?“ der Officer sieht Alex an und dieser schüttelt bedauernd den Kopf.
„Nein, das letzte CT war ohne Befund, es sind keine Einblutungen oder andere äußerliche Störungen die den Gedächtnisverlust verursachen.“ Erklärt er kurz.
„Wir haben uns beraten…“ Mr. Hayes sieht kurz zu dem Officer und dieser nickt. „Wir haben Berge von Akten gewälzt und sind alle Vermisstenanzeigen der letzten Jahre hier in British Columbia und den angrenzenden Bundesstaaten, sowohl kanadisch als auch amerikanisch, durch gegangen…“ er sieht zu mir „Keine Beschreibung passt.“
Ich atme tief ein und sehe Officer Owen prüfend an „Sind sie auch die Haftbefehle durch gegangen?“ frage ich vorsichtig.
Er lächelt leicht „Natürlich, sie werden weder hier in Kanada noch in den USA gesucht.“
Ich atme aus und Alex nickt mir zu.
„Wie soll es jetzt weiter gehen?“ ich sehe die beiden Herren vor meinem Bett an.
„Da wir, wir ich zugeben muss noch nie einen ähnlichen Fall hatten…“ Mr. Hayes ergreift wieder das Wort „… Sind wir zu dem Entschluss gekommen sie im städtischen Sozialwohnheim unterzubringen bis wir wissen was wir tun sollen. Sie bekommen von uns 2500 $ Startgeld und ihre Versicherungspapiere auf den Namen Sarah Doe.“ Erklärt er mir ruhig.
„Matt, das geht nicht.“ Sagt Alex und sieht ihn an „Ihr könnt nicht ernsthaft darüber nachdenken, oder?“ er sieht die beiden an.
„Dr. Langley, wir haben keine Wahl.“ Erklärt ihm Mr. Hayes.
„Oh doch…“ sagt Alex nun sicher „Ich möchte nicht dass sie dahin abgeschoben wird, sie wird zu mir ziehen wenn sie entlassen wird. Ich habe genug Platz und Matt du wohnst nur 3 km weit entfernt.“ Er sieht zu dem Officer.
„Alex…“ setzt dieser an.
„Nein Matthew.“ Sagt Alex bestimmt. „Alles was Sarah ab jetzt im Weiteren betrifft schicken sie bitte an die St. Helens Pass Road 2-28.“ Er sieht zu Mr. Hayes und dieser schreibt sich die Adresse auf.
„Wir haben für sie ein Konto angelegt und hier sind ihre Sozialversicherungspapiere, einen Führerschein bekommen sie wenn sie die Prüfung erneut abgelegt haben.“ Er reicht mir einige Zettel, eine Bankkarte und einen Umschlag.
„Wenn sie sich an irgendetwas erinnern dann müssen sie uns unverzüglich Bescheid geben.“ Sagt er eindringlich zu mir und ich nicke und starre auf die Papiere in meiner Hand.
Ab jetzt bin ich offiziell Sarah Doe… schießt es mir immer wieder durch den Kopf. Es ist egal wer ich vorher war, jetzt bin ich sie…
Ich bin Sarah.
„Als Geburtsdatum haben wir den Tag ihres Unfalls und das Jahr 1984 abgegeben. Sie sind also am 05.08.1984 geboren, fürs Erste. Ich werde ihre neue Adresse in den Computern nachtragen.“ Mit diesem Worten steht er auf und reicht mir seine Hand.
„Danke.“ Sage ich kaum hörbar.
„Ich hoffe es klärt sich bald alles auf.“ Sagt er und ich starre weiterhin auf die Papiere in meiner Hand.
Nachdem Mr. Hayes mein Zimmer verlassen hat beugt sich der Officer zu Alex.
„Bist du dir auch sicher was du da tust?“ flüstert er.
„Ja Matt, ich denke ich bin alt genug um das zu wissen und wenn meine Mum heraus findet das ihr Sarah in das Sozialwohnheim stecken wolltet und ich nicht getan habe, dann wäre ich sowieso tot.“ Erklärt er ihm.
„Ist alles gut Sarah?“ er berührt leicht meinen Arm und ich sehe ihn erschrocken an.
„Nein.“ Sage ich hilflos. „Ich will wissen wer ich bin. Es muss mich doch jemand vermissen.“ Ich sehe ihn traurig an.
„Hör zu Sarah, ich schauen alle zwei Tage in den Zentralrechner ob neue Meldungen rein kommen, sollte etwas auch nur entfernt zu dir passen sage ich Bescheid ja?“ der Officer sieht mich an und ich nicke leicht.
„Danke Officer.“ Flüstere ich.
„Ich bin Matt.“ Stellt er sich vor „Und da Alex und ich so was wie beste Freunde sind, denke ich werden wir uns öfter sehen.“ Er zwinkert mir zu und setzt seine Mütze wieder auf.
„Samstag Football?“ er sieht zu Alex und dieser nickt.
„Ja, ich habe das Wochenende frei, das passt ganz gut dann kann ich Sarah alles zeigen.“ Er sieht zu mir, nimmt meine Hand und Matt geht. „Komm schon Sarah lächele für mich.“ Er sieht mich bittet an und ich lächle schwach.
„Siehst du, viel besser!“ lobt er mich. „Ich werde meiner Mum Bescheid sagen dass sie morgen mit dir in die Stadt geht und dich ein wenig einkleidet. Du brauchst Sachen.“ Er sieht zu mir „Und ich weiß das 99 % aller Frauen es lieben zu shoppen, ich denke nicht das du da eine Ausnahme sein wirst.“ Er lächelt und winkt mir dann zu „Ich muss mich umziehen, ich habe heute noch eine OP.“
„Danke Alex. Danke für alles.“ Meine Stimme ist brüchig, was hin veranlasst zurück zu kommen.
„Hör auf dich ständig zu bedanken, ich mache es wirklich gern.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn und geht dann endgültig raus.
Immer noch halte ich meine Papiere in der Hand und sehe sie an, ich weiß dass es nicht mein Name ist. Es ist der Name der mir gegeben wurde… weil ich meinen richtigen Namen einfach nicht mehr weiß.
Ich sitze in der Nacht meistens an dem Laptop den Alex mir nach ein paar Tagen vorbei gebracht hat und versuche mich irgendwie zu finden, ich weiß das es keinen Sinn macht, aber so habe ich wenigstens das Gefühl irgendetwas zu tun.
Zum Abendbrot kommt Alex wieder und wir essen Sandwiches, Alice hat heute frei und geht mir ihrem Mann und Alex Dad George was essen.
„Du bist so still.“ Sagt er und sieht zu mir. Ich knabbere lustlos an meinem Sandwich und sehe auf.
„Alex, ich habe Angst dass ich eine ganz furchtbare Person war. Was ist wenn ich wirklich was ganz schlimmes angestellt habe und deswegen weg gelaufen bin?“ ich sehe ihn an und seine Augen weiten sich.
„Sarah, hör auf so etwas zu denken, ich bin mir sicher du warst eine wundervolle Person…“ er lächelt leicht „… Denn du bist auch jetzt eine.“ Er zwinkert mir zu.
„Danke Alex.“ Sage ich und beiße von meinem Sandwich ab.
„Jetzt hör schon auf damit…“ er verdreht die Augen „Ach, ja noch was. Kannst du eigentlich kochen?“ er sieht mich fragend an.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zurück.
„Dann müssen wir das raus finden.“ Lacht er.
„Sicher?“ nun lache auch ich.
„Aber klar, kann interessant werden.“ Er sieht mich an und ich pruste los.
„Ich hoffe ich vergifte dich nicht.“
„Ich werde dir auf die Finger schauen.“ Verspricht er mir.
„Dann ist gut.“ Nicke ich sicher.
„So, ich muss jetzt los. Ich schicke dir meine Mum morgen früh vorbei und morgen Mittag nach meiner Schicht nehme ich dich mit.“ Er lächelt und ich winke ihm zu.
Ich schlafe erstaunlich gut in dieser Nacht, das erste Mal seitdem ich hier bin und ich fühle mich mal richtig ausgeruht als mir Aimee das Frühstück bringt.
„Guten Morgen Sonnenschein!“ flötet sie und stellt das Tablett auf den Tisch.
„Guten Morgen.“ Lächele ich.
Wie kann sie nur immer so gut drauf sein?
„Dein letzter Tag heute hier.“ Sie setzt sich zu mir.
„Ja, komisch irgendwie, aber ich hoffe wir sehen uns trotzdem ab und zu.“ Ich sehe sie an und beschmiere mir eine Brötchenhälfte, mittlerweile bin ich im Umgang mit meiner eingegipsten Hand richtig gut. Sie behindert mich kaum noch.
„Aber sicher, Matt und Alex hängen doch eh ständig zusammen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Du gehörst zu Matt?“ frage ich erstaunt.
Sie lacht laut los „Ja, ich bin Aimee Owen, Matthews Frau.“
„Sind hier alle zusammen oder verwandt?“ frage ich erstaunt.
„Na, ja Summerland ist nicht wirklich groß und die meisten die hier geboren werden und hier aufwachsen bleiben dann auch hier, da bleibt so etwas nicht aus.“ Erklärt sie mir.
„Ich freue mich jedenfalls.“ Gebe ich zu.
„Ich finde es toll von Alex dass du bei ihm wohnen kannst.“ Sie sieht mich an und ich nicke.
„Ich auch, ich bin ihm so dankbar. Hat er eigentlich eine Freundin oder eine eigene Familie? Er redet nicht wirklich darüber.“ Ich sehe sie fragend an.
„Das ist ein wenig kompliziert…“ gibt sie zu „… Ich möchte mich da nicht einmischen, er hat im Moment niemanden aber er hat eine Familie.“ Sagt sie ausweichend und nun bin ich völlig verwirrt.
„Ich meine es ist nicht so das ich was von ihm will…“ sage ich schnell als ich ihr Gesicht sehe „… er ist mein ältester Freund…“ gebe ich grinsend zu „… und da ich bald mit ihm unter einem Dach wohne, wollte ich es gerne wissen.“
„Alles gut Sarah.“ Lacht sie und sieht dann auf ihre Uhr. „So die Ärzte tanzen hier gleich zur Visite an und ich muss mich wohl mal vorbereiten, außerdem holt dich Alice in 15 Minuten ab. Wir sehen uns!“ sie winkt mir zu und ich esse schnell mein Brötchen. Dann ziehe ich mir was an und dann ist auch schon Alice da.
„Na Süße, startklar?“ sie grinst mich an. Seitdem wir oft zusammen essen und reden nennt sie mich ständig Süße und es ruft irgendwas Vertrautes in mir hervor.
„Ja, ich bin so weit.“ Ich nehme mir meine Bankkarte und sie harkt sich bei mir unter. In der Tür stoßen wir mit Dex und Alex zusammen.
„Na hoppla.“ Lacht Dex. „Wohin so eilig?“ er sieht uns beide fragend an.
„Shoppen.“ Sagen wir wie aus einem Mund.
„Dann viel Spaß, wir wollten nur sagen deine Entlassungspapiere liegen im Schwesternzimmer.“ Dex lächelt.
„Danke Dex.“ Sage ich und sehe zu Alex. „Dir auch danke.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und dann zieht mich Alice hinter sich hinterher.
Alex hatte recht, shoppen macht wirklich Spaß und Alice Auto platz aus allen Nähten als wir drei Stunden später wieder vor dem Krankenhaus halten.
Alex kommt gerade raus und wedelt mit meinen Papieren und hält eine Tasche hoch.
„Hast du auf uns gewartet?“ Alice sieht ihn überrascht an.
„Ich will Sarah gleich mit zu mir nehmen und Aimee hat ihre paar Sachen zusammen gepackt.“ Er deutet auf die Tasche und sieht dann auf den Rücksitz „Oh man, ihr habt euch echt aus getobt, oder?“ fragt er grinsend.
„Das Mädchen hatte gar nichts.“ Sagt Alice empört.
„Alles gut Mum.“ Lacht er „Fahrt mir hinterher und wir laden dann bei mir aus.“ Er steigt in seinen Wagen.
„Warum macht Alex das alles?“ frage ich schüchtern und Alice grinst mich an.
„Er mag dich Sarah und er könnte es nicht ertragen nicht zu wissen was mit dir passiert. Ich glaube er sieht durch mich in dir so etwas wie seine kleine Schwester.“ Sie zwinkert mir zu und plötzlich habe ich einen dicken Klumpen im Magen.
Seine Schwester?
Warum stört mich das?
Ich meine so einen großen Bruder zu haben muss toll sein, oder?
Wir fahren knapp eine halbe Stunde und landen irgendwann vor einem Blockhaus, es ist fast im Wald und umgeben von einer Menge Wald und…. Nichts.
„Hier wohnt er?“ frage ich überflüssiger Weise.
„Ja, er liebt die Ruhe und die Abgeschiedenheit.“ Erklärt mir Alice „Aber Matt und Aimee wohnen nur 2 Minuten weg und Dr. Clarksen hat seine Praxis 5 Minuten zu Fuß die Straße runter.“ Sie deutet auf einen Weg, der den Namen Straße nicht wirklich verdient hat.
„Ich habe mich übrigens mit ihm unterhalten.“ Sie schaltet den Motor ab und dreht sich zu mir „Er sucht eine Sprechstundenhilfe und da ich weiß das du medizinisch ziemlich bewandert zu sein scheinst, habe ich ihm vorgeschlagen dich zu nehmen. Er möchte sich am Montag mit dir unterhalten.“ Erklärt sie mir.
„Danke.“ Sage ich überwältigt.
„Dafür nicht Süße.“ Sie tätschelt meine Hand.
„Was ist denn hier los?“ Alex sieht uns fragend an.
„Ich habe Sarah einen Job bei Jason besorgt, sie soll Montag vorbei kommen.“ Erklärt sie ihm und er nickt anerkennend.
Ich kann gar nichts weiter dazu sagen, denn Alex greift sich schon die ersten Tüten und ich und Alice folgen ihm voll bepackt ins Haus.
Es ist ein richtiges, typisch kanadisches Holzhaus. Auch innen überwiegt das Holzambiente und es ist wirklich riesig… Ich drehe mich im Kreis und versuche die Eindrücke zu verarbeiten, ich befinde mich im Eingangsbereich und von da aus kommt man direkt in die offene Küche und das Wohnzimmer. Es ist wirklich phantastisch, eine riesige weiße Ledercouch bildet einen perfekten Kontrast zu dem hellen Lärchenholz, auf der einen Seite ist ein riesiges Panoramafenster und auf der andren ein Kamin. Vom Wohnzimmer aus gehen noch drei Türen ab, aber ich folge den Beiden erst einmal nach oben.
Ich würde gerne sagen ich habe so etwas Schönes noch nie gesehen, aber ich weiß es ja nicht.
Ich steige hinter Alice und Alex die Holztreppe hinauf und Alex öffnet die zweite von fünf Türen auf der linken Seite. Auf der rechten Seite ist nur ein Geländer und dahinter ist unten das Wohnzimmer und die schöne Aussicht in den Wald.
Ich betrete das Zimmer und sehe mich staunend um. Ein großes Bett steht an der einen Seite, gegenüber ein riesiger Kleiderschrank, dann noch ein Schreibtisch mit einem Laptop und einer Leselampe, verschiedene Bilder vom Bau des Hauses an den Wänden und hellgrün-weiß karierter Stoff an den Fenstern, als Tagesdecke und als Sitzkissen auf dem Stuhl. Es wirkt alles so stimmig und so wahnsinnig gemütlich.
„Meinst du, du kannst dich hiermit arrangieren?“ Alex sieht mich an und ich muss meinen vor Begeisterung offenen Mund schließen.
„Damit arrangieren? Alex das ist wunderschön.“ Sage ich und sehe ihn an.
„Es freut mich wirklich dass es dir gefällt.“ Gibt er zu und wir legen erst einmal alle Tüten aufs Bett.
„So Kinder, ich muss los. Dein Dad wartet auf mich.“ Sie gibt Alex einen Kuss auf die Wange „Und du Süße, solltest erst einmal auspacken und baden und dann zeigt Alex dir bestimmt alles.“ Sie drückt mich an sich.
„Ich danke dir so sehr Alice.“ Sage ich fast zu Tränen gerührt.
„Kein Thema.“ Sie winkt uns zu und geht die Treppe wieder runter.
„Dann komm ich zeige dir das Bad.“ Alex hält mir seine Hand hin und wir gehen in den Flur, unten sehe ich noch wie Alice das Haus verlässt.
„So hier haben wir das Bad.“ Er öffnet die letzte Tür und wir stehen in einem wirklich schönen Bad. Mitten im Raum steht die Badewanne und die Schränke so scheint es sind in die Stämme der Wand eingebaut.
„Ich habe dir hier zwei Fächer frei gemacht, wenn du mehr Platz brauchst, dann sag Bescheid.“ Er deutet auf einen deckenhohen Schrank.
„Nein danke, das wird reichen.“ Sage ich und streiche über die Badewanne. „Das Haus ist wunderschön.“ Sage ich anerkennend.
„Ja, es ist mein Traumhaus.“ Gibt er zu und reicht mir einen Stapel Handtücher. „Und jetzt genieße erst einmal ein Bad, ich habe dir ein paar Plastiktüten hin gelegt für deinen Arm, aber ich denke ich werde dich nächste Woche davon befreien können.“ Er zwinkert mir zu und lässt mich alleine zurück.
Ich gehe in mein Zimmer und hole meine neu gekauften Badeutensilien. Tatsächlich schaffe ich es alles in den beiden Fächern zu verstauen. Dann drehe ich den Wasserhahn auf, schütte ordentlich Schaumbad hinein und sehe zu wie sich ein dichter Teppich aus Schaum bildet. Dann ziehe ich mich aus und lasse mich in die heiße Badewanne gleiten.
Es tut wahnsinnig gut, meine angespannten Muskeln weichen langsam auf und ich entspanne mich wirklich. Da im Bad keine Uhr ist, steige ich nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Wasser und trockne mich ab, ich stelle mich vor den Spiegel und wieder suchen meine Augen in meinem Ausdruck irgendetwas was mir bekannt vorkommt.
Aber wieder einmal will mein Gehirn nicht so wie ich will…
Ich nehme mir den Fön der auf dem Schrank liegt und föhne meine langen Haare trocken, sie fallen mir in leichten Wellen über den Rücken und mein Pony umrahmt schwungvoll mein Gesicht. Ich ziehe das Handtuch fester und trete zum Fenster, hier hat man ebenso wie aus meinem Zimmer einen wunderbaren Blick auf den Wald, ich freue mich schon mal einen langen Spaziergang zu machen und mir alles anzusehen.
Dann sehe ich nach unten und sehe wie Alex Holz hackt, so ein typisches Bild wie es in unzähligen Filmen vor kommt. Er hat sein Hemd ausgezogen und nur noch ein weißes Muskelshirt an. Er ist wirklich richtig gut durch trainiert und seine Muskeln sind ausgeprägt. Wahnsinn wie sich seine Oberarmmuskeln anspannen.
Was denke ich hier eigentlich?
Er bietet mir ein Heim und ich bekomme Hintergedanken?
Meine Güte…
Ich schüttele über mich selbst den Kopf und husche in mein Zimmer, ich packe die zig Tüten aus und stehe dann ein wenig unentschlossen vor meinen eingeräumten Schätzen.
Nach langem hin und her entscheide ich mich für ein knielanges weißes Kleid mit zartrosanen Blümchen und ziehe mir dazu weiße Ballerinas an. Ich bin zufrieden mit meinem Spiegelbild und drehe mich übermütig im Kreis. Dann eile ich zurück ins Bad und räume auf, ich meine das bin ich ihm ja wohl mindestens schuldig.
Nachdem alles wieder sauber und ordentlich ist steige ich langsam die Treppe runter. Alex ist augenscheinlich mit dem Holz hacken fertig und steht in der Küche, seinen Kopf in den Kühlschrank gesteckt.
„Soll ich mal versuchen ob ich kochen kann?“ frage ich leise und er fährt herum. Er betrachtet mich eine ganze Weile dann nickt er abwesend.
Nun schaue ich in den Kühlschrank und schubse ihn leicht zur Seite.
„So, dann schauen wir mal.“ Sage ich eher zu mir als zu ihm.
Ich nehme mir einige Zutaten aus dem Kühlschrank und suche mir ein Messer.
Alex hat sich auf einen Barhocker an der Theke die hinter dem Herd ist gesetzt und beobachtet mich.
„Was machst du?“ fragt er grinsend.
„Ehrlich gesagt keine Ahnung.“ Gebe ich zurück und werkele weiter vor mich hin.
Eine knappe halbe Stunde später sitzen wir vor einer Gemüsepfanne mit Hähnchen und ich warte das Alex sie probiert. Ganz vorsichtig lädt er sich ein wenig auf die Gabel und führt sie zum Mund. Dann sieht er mich erstaunt an.
„Das schmeckt super.“ Sagt er anerkennend.
„Ja. dafür das mein Kopf zu gefühlten 90 % ein Vakuum ist nicht schlecht, oder?“ grinse ich und beginne nun auch zu essen.
„Jedenfalls werden wir nicht verhungern.“ Lacht er und schenkt mir ein Glas Rotwein ein. „Ich habe auch noch Weißwein, ich weiß nicht was du lieber magst.“ Er sieht mich fragend an.
„Ich auch nicht.“ Erwidere ich und er lächelt.
„Dann finden wir es raus.“ Er holt eine Flasche Weißwein hinzu.
Nachdem wir beide Flaschen geleert haben und auf dem Sofa in den beiden Ecken sitzen sieht er mich fragend an.
„Und was schmeckt dir besser?“ er hält in seiner linken Hand die Rotwein und in der Rechten die Weißweinflasche.
„Rot.“ Sage ich und stelle mein leeres Glas ab. „Der ist wirklich lecker.“
„Siehst du, wir haben wieder ein Puzzleteil mehr.“ Er zwinkert mir zu.
Ich lehne mich zurück und lasse den warmen, einladenden Raum auf mich wirken. „Hast du das Haus selber mit gebaut?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ja, ich habe es zumindestens versucht.“ Gibt er zu und lächelt, er stützt seinen Arm auf die Rückenlehne. „Ich habe nur Holz aus der Umgebung verwendet, weil ich mich mit meiner Heimat umgeben wollte.“ Er sieht sich um.
„Hat dein Palast eigentlich auch so etwas wie einen Fernseher?“ ich sehe mich suchend um.
„Pass mal auf.“ Er grinst und nimmt einen kleine Fernbedingung zur Hand, dann drückt er auf den Knopf und aus dem Schrank vor uns fährt ein riesiger Fernseher nach oben.
„Wahnsinn.“ Ich applaudiere ihm und er lacht auf.
„Das war Matt seine Idee, er meinte ein Fernseher würde die Atmosphäre zerstören.“ Erklärt er mir und ich nicke zustimmend.
„Es ist schon spät, ich werde jetzt Mal zu Bett gehen.“ Ich strecke mich und er springt auf.
„Es war ein schöner Abend Sarah, danke für das Essen.“ Sagt er höflich.
„Ich danke dir.“ Ich gehe an ihm vorbei und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
Ich gehe hoch und höre wie er den Fernseher einschaltet. In meinem Zimmer angekommen schlüpfe ich in mein Nachthemd und lege mich ins Bett, mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich kann kaum einschlafen. Obwohl er einen Meter von mir entfernt saß habe ich das Gefühl gehabt er kann mein Herz schlagen hören…
Er hat so viel für mich getan, wie sagte Alice noch so schön: Er sieht in dir wahrscheinlich eine kleine Schwester die er nie hatte.
Irgendwann gewinnt die Müdigkeit überhand und ich schlafe richtig gut. Als ich am Morgen wach werde brauche ich einen Moment um zu wissen wo ich bin, ich lächle als ich mich umschaue und stehe schließlich auf.
Ich gehe ins Bad und ziehe mir dann eine Jeans und eine Bluse an, eine von denen die man unter der Brust zuknotet und ich fühle mich wirklich wie eine Kanadierin. Schon merkwürdig.
In der Küche treffe ich auf Alex der Frühstück für uns gemacht hat.
„Trinkst du eigentlich Kaffee?“ er sieht mich fragend an.
„Ja.“ Sage ich lächelnd und er schenkt mir ein, während ich die Brötchen auf den Tisch stelle.
Er reicht mir einen Teil der Zeitung und wir essen in einem angenehmen Schweigen. Als wir den Tisch abräumen findet Alex seine Sprache wieder.
„Heute Abend kommen Matt und Aimee und wir haben überlegt das es nett wäre ein kleines Barbecue zu machen.“ Er sieht mich fragend an und ich nicke.
„Klingt toll.“ Gebe ich zu „Ich mache uns dann einen schönen Salat.“
„Das dachte ich mir schon, meine Mum bringt nachher frisches Gemüse vorbei und mein Dad will dich mal in Augenschein nehmen.“ Er zwinkert mir zu und ich lache.
„Meinst du, er mag mich?“ ich drehe mich im Kreis.
„Da bin ich mir sicher.“ Er räumt die letzten Sachen weg.
„Ich gehe ein wenig spazieren wenn es dich nicht stört, ich möchte mir gerne ein wenig die Umgebung ansehen.“ Ich ziehe meine Turnschuhe und eine Jacke an und er nickt.
„Geh bitte nicht so weit weg.“ Bittet er mich.
„Nein, nein.“ Ich winke ihm zu und trete auf die Veranda.
Ich atme tief durch und gehe einen kleinen Waldweg entlang. Die Natur ist atemberaubend und ich versuche mich zu zwingen mich zu erinnern, aber das hat die letzten Wochen nicht funktioniert also passiert wie zu erwarten jetzt auch nichts.
Auf der anderen Seite fühle ich mich hier wohl.
Ich weiß das ist irgendwie falsch, aber ich wünsche mir fast es bleibt immer so…
Als ich zum Haus zurück komme winkt mir schon Alice von weitem zu.
„Hey Süße, da bist du ja.“ Sie nimmt mich in den Arm. „George! Schau mal das ist Sarah.“ Stellt sich mich einem älteren Mann vor. Es ist erstaunlich, er sieht aus wie Alex nur ein paar Jahre älter, die gleichen warmen braunen Augen, die gleichen Lachfältchen um die Augen und dieselben Grübchen wenn er lächelt.
„Freut mich sehr Sarah.“ Er reicht mir seine Hand.
„Freut mich Mr. Langley.“ Sage ich freundlich und er lacht dunkel auf.
„Man Sarah, ich bin George.“ Er sieht mich belustigt an. „Meine Frau und mein Sohn haben dich adoptiert, da kannst du doch nicht Mr. Langley zu mir sagen.“
„Hallo George.“ Sage ich nun lächelnd.
Alex kommt zu uns und unterhält sich kurz mit seiner Mum.
„So George, wir müssen los. Matt und Aimee kommen gleich vorbei und die Kinder wollen einen der letzten fast warmen Abende nutzen um ein Barbecue zu machen.“ Sie harkt sich bei ihrem Mann unter „Süße, ich habe alles für einen Salat in die Küche gelegt.“ Sie zwinkert mir zu und steigt in das Auto.
„Danke Alice.“ Sage ich uns winke den Beiden hinterher. Ich habe gar nicht gemerkt dass Alex neben mir steht und erschrecke mich fast ein wenig als ich mich umdrehe und auf seine Brust sehe. Verwirrt blicke ich auf.
„Alles gut?“ er sieht mich besorgt an.
„Ja, alles gut, ich dachte nur nicht das du hinter mir stehst.“ Gebe ich zu und gehe ins Haus.
Ich bin gerade mit dem Salat fertig als Matt und Aimee kommen, der Abend ist wunderbar entspannt und als wir um Mitternacht draußen um ein Lagerfeuer sitzen, da kommt mir wieder der Gedanke dass es gut ist, so wie es ist…
Aber es ist nicht gut, ich muss heraus finden wer ich bin.
Als sich die beiden verabschieden helfe ich Alex alles wieder ins Haus zu bringen und verabschiede mich dann ins Bett.
Am nächsten Tag fahren wir zu George und Alice und sie bekocht uns wirklich göttlich, wenn wir öfter hierher fahren bin ich mir sicher dass ich schneller zunehmen werde als mir lieb ist.
Am Montagmorgen macht sich Alex nach dem Frühstück auf den Weg ins Krankenhaus und ich gehe um 12 Uhr los zu meinem Gespräch mit Dr. Clarksen.
Dieser erweist sich als wirklich netter, älterer Mann und ich bekomme wirklich den Job. Anfangs nur stundenweise und nur für Hilfsaufgaben, aber wir wollen sehen wie sich das entwickelt.
Den ganzen September über finde ich mich in meinem „neuen“ Leben immer besser zurecht. Da ich jetzt ohne den Gips bin fällt mir alles leichter und ich kann bei Dr. Clarksen anfangen. Ich mag die Arbeit bei James, ich mache den Haushalt und koche für Alex und abends wenn er keine Nachtschicht hat sitzen wir auf der Couch. Wir sehen fern oder manchmal spielen wir eine Runde Schach. Wir gehen auch sooft es geht joggen und mittlerweile kenne ich mich ganz gut um das Haus herum aus. Wir laufen immer bis zu einem kleinen Fluss und wieder zurück, das sind 5 km und jedes Mal fühle ich mich danach als könnte ich Bäume ausreißen.
In medizinischen Fragen kommt mein Gedächtnis in Etappen zurück und mittlerweile mache ich in der Praxis nicht mehr nur den Schriebkram sondern darf auch schon den einen oder anderen Patienten mit behandeln…
Am letzten Freitag im September sieht mich Alex lange an als wir uns von irgendeiner Sitcom berieseln lassen.
„Sarah?“ fragt er leise und ich sehe ihn an. „Morgen Früh kommt mein Sohn vorbei, er heißt Jacob, aber wir nennen ihn nur Jake. Er ist 6, seine Mum bringt ihn morgen vorbei und holt ihn am Sonntagabend wieder ab. Ich hoffe das ist in Ordnung für dich.“ Er kaut auf seiner Unterlippe und ich sehe ihn erstaunt an.
„Aber sicher…“ ich nehme seine Hand „Was ist mit dir und seiner Mum passiert?“ frage ich vorsichtig, ich hatte bei Aimee nochmals versucht vorzufühlen aber sie hat mich immer abgeblockt.
„Ich habe Olivia auf der Uni in Vancouver kennen gelernt als ich mein Studium angefangen habe. Wir haben uns verliebt, ich bin wegen ihr nach Chicago gezogen. Wir haben geheiratet und Jake bekommen, dann habe ich sie mit ihrem Chefarzt im Bett erwischt. Tja, dann bin ich wieder hierher zurück. Das war vor drei Jahren, seitdem sehe ich Jake nur noch ein paar Mal im Jahr an den Wochenenden und ab und zu in den Ferien.“ Erzählt er ganz ruhig ohne jede Gefühlsregung in der Stimme. Aber ich sehe die Tiefe Falte zwischen seinen Augen und ich kenne ihn mittlerweile gut genug um zu wissen wie sehr es ihn immer noch schmerzt.
„Das tut mir leid.“ Sage ich betroffen.
„Es ist Okay, ich bin froh wenn ich ihn wenigstens ab und zu sehe.“ Er sieht mich an aber ich weiß im Grunde genommen sieht er durch mich hindurch.
„Ich werde dir den Rücken frei halten, ich koche und kümmere mich um alles, genieße die Zeit mit Jake.“ Verspreche ich ihm und er blinzelt, so als ob er mich jetzt erst wieder zur Kenntnis nimmt.
„Danke.“ Sagt er leise.
„Kein Problem, was isst er denn gerne?“ ich sehe ihn fragend an und gehe im Kopf den Essensplan für das Wochenende durch.
„Er mag wie alle Kinder Pizza und Spaghetti…“ er lächelt „…Ach ja und er liebt Pancakes.“
„Damit kann ich doch was anfangen.“ Ich zwinkere ihm zu „Ich werde dann jetzt ins Bett. Gute Nacht Alex.“ Ich beuge mich über ihn und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
Am nächsten Morgen mache ich uns Frühstück, aber Alex stochert nur in seinem Essen herum.
Als es klingelt springt er auf und läuft zur Tür.
„Daddy!“ ein kleiner blonder Junge wirft sich ihm an den Hals und er wirbelt ihn herum.
„Wow Jake, bist du schon wieder gewachsen?“ sagt er lachend.
„Hallo Alexander.“ Eine blonde Frau betritt hinter Jake das Haus, sofort fixiert sie mich und ich gehe zu den dreien hinüber.
„Hallo, ich bin Sarah.“ Stelle ich mich vor.
„Olivia.“ Antwortet sie kühl und nimmt meine angebotene Hand nicht an. Ich sehe zu Jake.
„Hallo Jake, dein Dad hat mir schon viele tolle Sachen über dich erzählt.“ Ich grinse ihn an.
„Echt?“ er lächelt und dieses lächeln sieht aus wie Alex seins, obwohl der Kleine blonde Haare und die grünen Augen seiner Mum hat, sieht er Alex ähnlich.
„Ich hole ihm am Sonntag um 19 Uhr ab. Viel Spaß bei deinem Dad.“ sie sieht erst zu Alex und dann zu Jake.
„Danke Mum.“ Jake gibt ihr einen Kuss auf die Wange und sie schließt die Tür.
Na, die hat aber ein sonniges Gemüt…
„Na mein Großer, was möchtest du heute gerne machen?“ Alex sieht zu Jake und dieser denkt angestrengt nach.
„Spielst du mit mir Monopoly? Bitte Dad, ich habe es extra mitgebracht. Mum und Justin spielen das immer nicht, sie sagen das dauert zu lange.“ Er zieht eine Flunsch.
„Aber klar doch.“ Alex nimmt seinen Rucksack und stellt ihn neben die Couch, dann sieht er zu mir.
„Macht ihr beide Mal, ich werde jetzt die Küche aufräumen und dann anfangen das Mittag vorzubereiten.“ Ich lächle ihn an.
Es ist schön ihn so glücklich zu sehen.
„Was gibt es denn?“ Jake sieht mich neugierig an.
„Pizza. Was denn auch sonst?“ ich lache und er klatscht in die Hände.
„Super, mit ganz viel Salami?“ er sieht mich bittend an.
„Ja aber sicher, dein Dad liebt doch auch Salami und wie ich Matt kenne er auch.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Matt und Aimee kommen?“ seine Augen strahlen.
„Aber sicher mein großer, sie freuen sich schon auf dich.“ Sagt Alex und dann beginnen die beiden das Spiel aufzubauen und ich mache mich an die Küchenarbeit.
Als Matt und Aimee drei Stunden später kommen sind die beiden immer noch nicht fertig, aber dafür die beiden Pizzen.
„Hey Sarah!“ Matt umarmt mich und Aimee tut es ihm gleich.
„Macht ihr mal Pause und kommt zum Essen?“ ich sehe Alex und Jake fragend an.
„Klaro.“ Lacht Jake und wir setzen uns alle um den großen Tisch.
Das Essen ist entspannt und lustig und Jake unterhält uns alle.
„Du sag Mal Dad, ist Sarah deine Haushälterin?“ Jake sieht seinen Dad fragend an.
„Wie kommst du darauf?“ fragt dieser verwirrt.
„Na, ja sie macht das Essen und räumt auf, das macht Claire bei uns zu Hause auch und sie ist unsere Haushälterin.“ Erklärt er.
„Nein, nein. Sarah ist eine Freundin und sie hilft mir damit ich viel Zeit für dich habe.“ Er struvelt Jake durch seine blonden Haare.
„Spielt ihr gleich alle mit uns? Wenn wir alle spielen dann macht es so viel mehr Spaß.“ Jake strahlt in die Runde.
„Aber erst helfen wir alle abräumen.“ Stellt Alex klar und Jake nickt eifrig.
Wir sitzen schon seit vier Stunden über dem Spiel und Jake ist gerade das Geld ausgegangen, er zieht eine Flunsch und sieht uns an, bevor er schimpfen kann melde ich mich zu Wort.
„Hey Jake, wollen wir im Team spielen? Dann haben die anderen keine Chance gegen uns.“ Ich klopfe neben mir auf den Boden und er springt begeistert an meine Seite. Wir haben das Spiel auf den Boden verlegt, denn so können wir von allen Seiten ran.
Er sitzt nun neben mir und wir stecken immer die Köpfe zusammen und rechnen aus was die anderen uns bezahlen müssen wenn sie auf eines unserer Felder kommen. Nach geschlagenen 6 Stunden sind wir endlich am Ende.
„Gucken wir jetzt noch einen Film?“ Jake sieht zu Alex und dieser nickt.
„Sorry Leute, aber wir werden jetzt los. Wir sehen uns beim nächsten Mal Kumpel.“ Matt steht auf und streckt sich.
Alex bringt die beiden zur Tür und ich suche mit Jake einen Film aus. Dann setzt er sich zwischen Alex und mir auf die Couch und wir starten den Film. Ich merke irgendwann wie ich erschöpft einschlafe und als ich meine Augen wieder öffne liegt Jake in meinen Armen und eine Decke ist über uns ausgebreitet.
Ich schnuppere an Jake seinem Haar, er riecht nach Pfirsich und kleinem Jungen. Selig schließe ich wieder meine Augen, dieser kleine Knirps hat mich im Sturm erobert. Das nächste Mal werde ich von Geklapper wach und setze mich auf, Jake ist weg und als ich in die Küche sehe weiß ich auch wohin er ist.
„Was hast du denn vor?“ frage ich belustigt als ich ihn ratlos in der Küche stehen sehe.
„Ich will für Dad Pancakes machen, aber ich finde hier nichts.“ Er zieht eine Flunsch.
„Warte ich helfe dir.“ Ich stehe auf und gehe zu ihm.
„Kannst du das?“ er sieht mich mit großen Augen an.
„Klar doch.“ Lächle ich und wir machen uns daran Pancakes zu zubreiten. Ich schiebe einen Hocker an den Tresen und er hilft mir wirklich toll mit, irgendwann sehe ich auf weil ich mich beobachtet fühle und sehe Alex oben auf der Galerie stehen. Seine Haare sind noch nass von der Dusche und er sieht uns lächelnd zu. Ich lege meinen Finger auf die Lippen und er lächelt.
Als wir fertig sind ruft Jake stolz seinen Dad und wir genießen das Frühstück.
„Ganz ehrlich mein Großer, die Pancakes waren toll!“ Alex reibt sich den Bauch. „Wollen wir den jetzt zu Grandma und Grandpa?“
„Ja, ich gehe mich waschen und dann können wir los.“ Er springt auf, schnappt sich seinen Rucksack und läuft nach oben.
Ich beginne den Tisch abzuräumen und Alex hält mich am Arm fest.
„Du bist wunderbar mit Jake.“ Sagt er liebevoll.
„Nein, Jake ist wunderbar.“ Erwidere ich und räume den Tisch ab.
„Willst du nicht mitkommen?“ er sieht mich fragend an.
„Nein, ich habe von James ein paar alte Fallakten bekommen und werde sie mir anschauen, ruft einfach an wenn ihr wieder kommt, dann schiebe ich den Kuchen rein.“ Ich winke den beiden zu als sie das Haus verlassen.
Ich räume auf und setze mich nach einer Dusche auf die Couch und nehme mir die Akten vor. Zwischendurch mache ich mir einen kleinen Salat zum Mittag. Ich beschließe ein wenig spazieren zu gehen. Die kanadischen Wälder erstrahlen in allen erdenklichen Farben und es ist wunderschön. Es heißt Indian Summer wie mir Alex erklärt hat und ich kann nicht glauben in welchen Farben alles um mich herum erstrahlt. Ich fühle mich entspannt und völlig ruhig und ich habe das unbestimmte Gefühl das ich vorher in meinem Leben selten so entspannt war. Nach 3 Stunden komme ich wieder am Haus an und setze mich dann wieder auf die Couch, die Akten sind interessant und ich mache mir Notizen.
Ich merke gar nicht wie die Zeit vergeht als ein Klopfen mich zusammen zucken lässt. Verwirrt stehe ich auf und gehe zur Tür.
„Hallo Olivia.“ Sage ich perplex und sehe auf meine Uhr, es ist erst 17:30 Uhr.
„Ich weiß ich bin zu früh. Wo ist Jacob?“ sie drängelt sich an mir vorbei.
„Jake und Alex sind noch bei Alice und George.“ Ich schließe die Tür hinter ihr.
„Eines will ich mal klar stellen…“ sie baut sich vor mir auf „… Du hast in dem Leben meines Sohnes nichts zu suchen.“ Faucht sie.
„Es ist auch Alex sein Sohn.“ Erwidere ich und ihre Augen fixieren mich. Sie strahlen eine solche Kälte aus das in mir ein Ungutes Gefühl aufsteigt.
„Das ist mir sehr wohl bewusst.“ Sagt sie abfällig „Aber wo würde ich denn hin kommen, wenn ich jeder seiner Liebschaften ein Mitspracherecht in Sachen Jacob einräumen würde?“ sie lacht verächtlich.
„Ich bin keine Liebschaft.“ Wehre ich mich.
„Es ist mir egal, er wird dich benutzen und fallen lassen.“ Sie macht eine abwertende Handbewegung.
„Das fällt ja wohl in deinen Bereich.“ Gebe ich zurück.
„Was ich mache und was nicht, das kannst du getrost mir überlassen.“ Sie setzt sich auf den Sessel und überschlägt ihre Beine, sie trägt ein Kostüm und neben ihr komme ich mir vor wie das letzte Bauerntrampel. Es ärgert mich irgendwie, aber ich schlucke meinen Ärger hinunter.
„Möchtest du einen Kaffee oder einen Tee?“ frage ich so höflich es mir möglich ist.
„Einen Kaffee bitte.“ Sie verschränkt ihre perfekt manikürten Hände ineinander.
Ich gehe in die Küche und stelle die Kaffeemaschine an. Ich nehme eine Tasse aus dem Schrank und versuche mich zu beruhigen.
Ich stelle ihr die Tasse hin und setze mich mit meiner auf die Couch.
„Er wird fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, weil er in seinem Leben nur eine Frau wirklich lieben wird…“ sie lächelt kalt „… Und das bin ich.“
Ich will gerade was sagen als die Tür aufgeht und Jake und Alex kommen. Erleichtert atme ich aus und Alex sieht Olivia strafend an.
„Hatten wir nicht 19 Uhr ausgemacht?“ fragt er kühl.
„Ja, aber wir müssen jetzt los, unser Flug geht in einer Stunde. Ich will nicht so spät in Chicago sein, Alex hat morgen früh Schule.“ Erklärt sie und sieht ihn durchdringend an.
„Mum.“ Setzt Jake an.
„Hole deine Sachen, ich warte im Auto.“ Sagt sie an ihn gewandt und ich reiche ihm seinen Rucksack.
„Machs gut Jake.“ Ich struvele ihm durch seine Haare.
„Bye Sarah!“ er umarmt mich und ich drücke ihm einen Kuss auf den Kopf.
„Bye Daddy.“ Jake läuft zu Alex und dieser nimmt ihn fest in den Arm.
„Wir sehen uns bald, ja?!“ er gibt ihm einen Kuss.
„Ja, Daddy. Ich liebe Dich!“ sagt er und läuft dann nach draußen.
„Ich dich auch mein Großer!“ sagt Alex gerührt.
Ich räume die Kaffeetassen weg. Es ärgert mich immer noch dass Olivia mich so getroffen hat und meine Hände zittern vor Wut.
„Was ist los?“ fragt Alex besorgt.
„Nichts.“ Sage ich und stelle die Tassen in den Geschirrspüler.
„Sarah.“ Sagt er liebevoll und will meine Hand nehmen.
„Nicht.“ Ich schüttele seine Hand ab „Ich nehme jetzt ein Bad und gehe ins Bett, ich will morgen fit sein.“ Ich sammele meine Sachen vom Couchtisch ein und gehe nach oben.
Ich hoffe ich entspanne mich in der Badewanne ein wenig, aber das ist nicht der Fall.
… jeder seiner Liebschaften… er wird in seinem Leben nur eine Frau lieben und das bin ich…
Die Worte hallen in meinem Kopf immer wieder und wieder.
Mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust, es droht raus zu springen und es schmerzt, die Worte von Olivia schmerzen mich.
Einfach weil ich nicht weiß ob es wahr ist.
Alex bedeutet mir viel…
Viel mehr wie ein großer Bruder…
Ich steige aus der Badewanne und ziehe mir ein dünnes Nachthemd über. Als ich auf die Galerie trete, sehe ich dass Alex vor dem Fernseher sitzt, mittlerweile ist es dunkel draußen und nur der Schein des Kamins und der Fernseher erhellen das Wohnzimmer.
Ich ringe einen Moment mit mir, dann gehe ich die Treppe runter.
„Liebst du sie immer noch?“ frage ich und Alex sieht mich erstaunt an.
„Was meinst du?“ er betrachtet mich.
„Liebst du Olivia noch?“ ich verschränke die Arme vor der Brust. „Sie hat gesagt dass du nur sie dein ganzes Leben lang lieben wirst und das alle anderen für dich nur Liebeleien sind.“
Ich weiß dass ich trotzig und verletzt klinge obwohl gar kein Recht dazu habe…
Er steht auf und ich weiche automatisch einen Schritt zurück, mein Brustkorb hebt und senkt sich heftig, denn mein Herz hämmert in meiner Brust und ich bin immer noch wütend auf Olivia. Er bleibt vor mir stehen und betrachtet mein Gesicht.
Dann ist er mit einem schnellen Schritt bei mir und zieht mich in seine Arme, er hebt mein Kinn an und zwingt mich ihn anzusehen.
Anstatt der von mir erwartenden Antwort beugt er zu mir und küsst mich zärtlich. In meinem Kopf dreht sich alles und ich ziehe ihn zu mir, es fühlt sich so gut an seine weichen Lippen auf meinen zu spüren. Er fährt mit seinen Fingern durch meine noch nassen Haare und seine Zunge fordert Einlass in meinen Mund. Ich lasse ihn gewähren und ein heißes Gefühl steigt von meinem Magen aus auf. Seine Hände wandern unter mein Nachthemd und streicheln meinen Rücken und meinen nackten Po. Wir sehen uns einen Moment lang in die Augen.
„Ich liebe sie nicht mehr. Ich habe mich Hals über Kopf in dich verliebt.“ Sagt er leise und ich stöhne unter der Berührung seiner Hände wohlig auf.
„Alex.“ Sage ich atemlos und er zieht mir mit einer raschen Bewegung das Nachthemd über den Kopf.
„Psst.“ Er legt seinen Zeigefinger auf meine Lippen und küsst mich dann erneut.
Seine Hände liebkosen meine Brüste und mein Atem beschleunigt sich.
Wir lassen uns auf die Couch fallen und ich ziehe ihm sein Hemd aus. Meine Fingerspitzen gleiten über seinen Oberkörper und ich nehme sein Gesicht in meine Hände.
„Du bist mein Retter, mein Held.“ Ich küsse ihn „Alice sagt du siehst in mir deine kleine Schwester und ich bin fast wahnsinnig geworden.“ Gestehe ich ihm.
„Oh Sarah.“ Er zieht mich runter zu sich. Nackte Haut berührt nackte Haut und noch nie habe ich mich so geborgen gefühlt.
Okay, das ist vielleicht etwas missverständlich, denn was weiß ich schon von mir… aber es fühlt sich unbeschreiblich schön an.
Er zieht sich seine Jeans und seine Shorts aus und wir liegen nun nackt auf der Couch.
Ich setze mich auf ihn und nehme seine ganze Männlichkeit in mich auf, es fühlt sich wunderbar an und ich atme schwer.
Er küsst meine Brüste und es dauert nicht lange bis ich meinen Höhepunkt erreiche. Er hält sich zurück und erst als ich schon Sterne sehe und kaum noch atmen kann kommt er pulsierend in mir.
Ich sacke auf ihm zusammen.
„Ich liebe Dich auch.“ Flüstere ich.
Wir kuscheln uns in die Decke und verbringen die ganze Nacht auf der Couch.
Ein heftiges Klopfen lässt uns aufschrecken und ich sehe ihn lächelnd an.
„Guten Morgen mein Engel.“ Flüstert er.
„Guten Morgen mein Schatz.“ Erwidere ich und küsse ihn innig.
„Alex? Sarah?“ ertönt von draußen die Stimme von Alice und wir beide kichern. Wir ziehen uns schnell was an und während Alex ihr die Tür öffnet mache ich Kaffee.
„Was macht ihr denn?“ Alice sieht uns beide strafend an.
„Was?“ Alex klingt leicht belustigt.
„Alex, du solltest seit einer halben Stunde im Krankenhaus sein und Sarah, James wartet auf dich.“ Sie sieht zwischen uns hin und her.
Ich laufe nach oben. „Ich ziehe mich schnell um, ich bin in 10 Minuten fertig.“ Rufe ich ihr zu.
Als ich wieder runter komme ist auch Alex umgezogen und Alice sieht zwischen uns hin und her.
„Was ist hier los?“ sie stemmt ihre Hände in die Hüften und sieht uns fragend an.
„Nichts.“ Sagen Alex und ich wie aus einem Mund.
„Wir müssen los Mum.“ Er schubst Alice quasi aus der Haustür. „Bis heute Abend mein Engel.“ Er beugt sich zu mir und küsst mich zärtlich. Ich lege meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu mir.
„Bis heute Abend.“ Hauche ich.
„Wusste ich es doch.“ Alice steht kopfschüttelnd in der Tür.
„Und Mum?“ Alex zuckt mit den Schultern.
„Nichts und, ich habe es gewusst…“ sie lächelt „… Ich habe es gewusst seit dem Tag an dem du sie ins Krankenhaus gebracht hast.“ Gibt sie zu.
„Und dann sagst du zu ihr, ich sehe in ihr eine kleine Schwester.“ Er sieht seine Mum strafend an.
„Ich habe Angst das ich euch gegenseitig verletzt.“ Gesteht sie.
„Werden wir nicht.“ Sagt Alex sicher.
„Ich freue mich wirklich für euch Zwei.“ Sie kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.
„Danke Alice.“ Sage ich gerührt.
„So Mum, wir müssen.“ Alex drückt mir einen weiteren Kuss auf den Mund und dann gehen die beiden zu ihren Autos. Ich ziehe meine dicke Jacke über und mache zu Fuß auf den Weg zu James.
Als ich am Nachmittag nach Hause komme bereite ich das Essen vor und ich habe das Gefühl ich kann gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Alex macht mich so glücklich und ich weiß nicht ob es in meinem früheren Leben einen Mann gegeben hat, aber das hier ist etwas so besonders…
Ich will hier bleiben, egal was kommt.
Als Alex um 17 Uhr rein kommt falle ich ihm um den Hals.
„So stürmisch?“ Lächelt er.
„Ich habe dich vermisst.“ Grinse ich.
„Und ich dich erst.“ Er wirft seine Jacke in die Ecke und nimmt mich auf den Arm.
Er trägt mich zur Couch und wir lieben uns, wir lieben uns so heftig und ausdauernd das ich mir nicht vorstellen kann so etwas schon mal erlebt zu haben.
In den nächsten Tagen können wir kaum die Hände von einander lassen und ich schlafe mittlerweile bei ihm in seinem Schlafzimmer, unten. Aber wir schlafen auch an allen anderen Orten die sich uns bieten miteinander.
Am Samstagnachmittag hat er endlich für einen ganzen Tag frei und als er nach Hause kommt gehen wir spazieren. Er führt mich einen Weg entlang den wir vorher noch nie entlang gegangen sind.
„Wo sind wir hier?“ frage ich und sehe mich um.
„Hier habe ich dich gefunden.“ Erklärt er mir und deutet auf einen kleinen Waldweg.
Ich sehe eher einen Trampelpfad als einen Weg und ich frage mich wieso ich hier war.
„Ist hier irgend etwas in der Nähe?“ ich sehe zu Alex und er schüttelt mit dem Kopf.
„Nein, die Interstaat 74 ist 8 km entfernt, ansonsten ist hier nichts.“ Er zieht mich in seine Arme. „Du sahst wirklich schlimm aus, ich dachte erst ich schaffe es nicht mehr dich rechtzeitig ins Krankenhaus zu bekommen.“ Gesteht er leise.
„Ich danke dir.“ Ich gebe ihm einen innigen Kuss.
„Nein, ich danke dir.“ Er grinst mich an und streicht mir meinen Pony aus dem Gesicht.
Wir gehen Arm in Arm wieder nach Hause und er heizt den Kamin an während ich die Lasagne in den Ofen schiebe. Er tritt hinter mich und umarmt mich.
„Du machst mich vollkommen.“ Haucht er.
Ich drehe mich in seinen Armen herum und küsse ihn verlangend.
„Ich liebe Dich.“ Hauche ich in sein Ohr.
Er hebt mich hoch und setzt mich auf die Arbeitsplatte, er knöpft meine Bluse auf und zieht mir meine Jeans runter.
Dann öffne ich seinen Gürtel und er nimmt mich stürmisch.
Wir sind so mit uns beschäftigt dass wir das Klopfen an der Tür nicht hören und wir fahren auseinander als ein Räuspern hinter uns erklingt.
Ich wickele meine Bluse um mich und Alex zieht eiligst seine Hose hoch, dann starren wir beide zur Tür von der uns Matt und Aimee zuwinken.
„Wir wollten wirklich nicht stören.“ Grinst Matt.
„Ist klar.“ Brummt Alex und hilft mir von der Arbeitsplatte.
„Hübsche Ansicht Dr. Langley.“ Feixt Aimee und ich muss lachen, die Situation ist aber auch wirklich komisch.
Nachdem wir uns beruhigt und unsere Sachen wieder geordnet haben sieht Alex seinen besten Freund und dessen Frau fragend an.
„Was macht ihr hier?“ fragt er und wir setzen uns auf die Couch.
„Du hast uns zum Essen eingeladen.“ Erklärt Aimee und Alex fasst sich an die Stirn.
„Man, das habe ich total vergessen.“ Gesteht er.
„Na, ja wenn ich mir so ansehe mit was du beschäftigt warst, dann kann das wohl passieren.“ Grient Matt.
„Es ist wirklich schön euch zusammen zu sehen.“ Aimee nimmt meine Hand.
„Danke.“ Sage ich und sie drückt kurz meine Hand.
„Weiß es Alice schon?“ Matt sieht uns beide an und wir nicken.
„Ja, sie hat uns am Montag aus dem Bett geschmissen.“ Lache ich.
„Sie freut sich.“ Alex setzt sich zu mir und zieht mich in seine Arme.
„Es ist schön dich glücklich zu sehen Alex.“ Sagt Aimee und Alex strahlt sie an.
Zum Glück reicht die Lasagne für uns alle und wir verbringen einen wunderbaren Abend zusammen.
Die Zeit läuft an mir vorbei und ehe ich mich versehe haben wir Anfang Dezember und sind fast komplett eingeschneit. Meine Erinnerungen machen keine nennenswerten Fortschritte, aber ich bin auch viel zu sehr damit beschäftigt meine Beziehung zu Alex auszukosten. Auch nach zwei Monaten können wir unsere Hände nicht bei uns lassen und bekommen nicht genug voneinander.
„Ich bin da!“ Alex kommt mit einer Schneeböhe ins Haus und schließt schnell die Tür wieder hinter sich.
„Hey!“ ich gebe ihm einen Kuss und er hält mich einen Moment fest.
„Na, wie war deine Nacht?“ er zwinkert mir zu.
„Einsam! ...“ ich ziehe eine Flunsch „Und James hat vor 10 Minuten angerufen, ich brauche heute nicht kommen, er kommt mit dem Auto nicht aus der Auffahrt.“ Grinse ich.
Er zieht sich seine dicke Jacke aus und stellt seine Schuhe unter die Heizung.
„Oh einen ganzen Tag nur wir Beide?“ er sieht mich an und ich laufe vor ihm weg.
Er jagt mich durch ganze Wohnzimmer und auf dem Sessel hat er mich eingeholt und drückt mich hinein.
„Und was machen wir den ganzen Tag?“ er lächelt und küsst meinen Hals.
„Hmm…“ ich tue als müsse ich nachdenken „…Und lieben?“
„Sehr gute Idee.“ Er knöpft mein Nachthemd auf.
Nachdem wir uns einander hin gegeben haben liegen wir zusammen vor dem Kamin, draußen stürmt es und der Schnee hüllt alles in eine weiße Decke.
„Möchtest du eigentlich irgendwann noch mehr Kinder haben?“ ich sehe ihn fragend an.
„Nein.“ Sagt er sicher und ich zucke leicht zusammen.
Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn als er merkt dass ich mich erschrocken habe.
„Ich möchte kein Kind mehr, ich ertrage es kaum immer so lange von Jake getrennt zu sein. Er ist mein Ein und Alles und ich möchte nicht das er sich zurück gesetzt fühlt.“ Erklärt er mir. „Aber wir müssen uns keine Sorgen machen, durch deinen Unfall und alles ist dein ganzer Hormonhaushalt durch einander und erst wenn du das erste Mal wieder deine Tage gehabt hast, dann sollten wir uns mal über Verhütungsmethoden Gedanken machen.“ Er küsst mich innig.
Auf der einen Seite kann ich ihn verstehen, aber auf der anderen Seite auch nicht. Es ist ja nun nicht so dass ich jetzt unbedingt ein Kind haben möchte, aber irgendwann vielleicht schon und dann finde ich seine Ansichten sehr extrem.
Soll ich ausbaden was Olivia angestellt hat?
Ich sehe ihn mindestens einmal die Woche mit Jake skypen und ich wünsche mir wirklich ich könnte an der Situation etwas ändern… aber das kann ich nicht, ich kann ja nicht einmal an meiner eigenen Situation etwas ändern.
Ich spare das Thema erst einmal aus, ich will nicht dass Alex etwas Falsches von mir denkt.
Heute habe ich bei James früher Schluss gemacht, nachdem wir endlich alle mit dem Schneeklar kommen haben wir den normalen Praxisbetrieb wieder aufgenommen. Heute ist der 10.12. und wir haben ein langes Wochenende vor uns. Aber jetzt fährt er mich erst einmal zum Krankenhaus, da eine Nachuntersuchung ansteht.
Weil Alex im OP ist nimmt sich Dex meiner an. Nachdem ich die übliche Blutabnahme habe über mich ergehen lassen, schreibt er ein EEG und ein EKG. Dann nehme ich im Wartezimmer Platz und Dex holt meine Ergebnisse.
„Sarah, kommst du?“ ich stehe bei Aimee am Tresen und wir planen gerade ein kleines Adventskaffeekränzchen mit unseren Männern.
„Ja, komme.“ Ich winke Aimee zu und gehe in Dex sein Behandlungsraum.
„Setz dich bitte.“ Sagt er und sieht mich ein wenig unschlüssig an.
„Was ist los Dex.“ Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. Er macht mich nervös.
„Sarah, wann hattest du das letzte Mal deine Periode?“ er sieht mich fragend an.
„Seitdem ich hier bin noch gar nicht, aber Alex meint das liegt an der OP und dem Stress in der ersten Zeit, mein Körper muss sich erst einmal wieder einpendeln.“ Sage ich und er sieht weiterhin in meine Akte.
„Ich würde sagen dein Körper hat sich eingestellt…“ er holt tief Luft „Sarah du bist in der 9. Woche.“ Er sieht mich an und mir weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht.
„Ich bin schwanger?“ frage ich verdutzt nach.
„Ja.“ Sagt er nur und ich atme tief ein und aus.
„Na, komm ich werde eine Sono machen m sicher zu gehen.“ Er bugsiert mich auf eine Liege und ich lege mich flach hin. Dann macht er das Ultraschallgerät startklar und verteilt das kalte Gel auf meinem Bauch. Einen Moment ist es vollkommen still, dann lächelt er.
„Ja Sarah, du bist schwanger und ich sehe hier zwei Fruchtblasen und zwei Embryos.“ Er deutet auf den Monitor.
„Zwillinge?“ mir treten Tränen in die Augen, aber im Moment kann ich nicht sagen ob vor Freude oder vor Panik.
Wie wird Alex reagieren?
Ich meine er hat mir ja deutlich genug gesagt das er keine Kinder will und nun bekomme ich Zwillinge?
Das darf nicht wahr sein!
„Kein Wort.“ Ich sehe zu Dex und er nickt.
„Ärztliche Schweigepflicht. Der errechnete Geburtstermin ist der 04. Juni.“ Er trägt meine Daten im Mutterschaftsblatt ein und reicht es mir.
„Danke Dex.“ Ich ziehe mich wieder an und trete in den Krankenhausflur.
„Also morgen um 15 Uhr?“ Aimee sieht mich strahlend an und ich nicke.
„Hmm, ja.“ Sage ich fahrig „Kannst du mir ein Taxi rufen?“ ich sehe sie an.
„Klar doch, aber Alex ist in einer halben Stunde fertig.“ Sie sieht mich überrascht an.
„Ich muss jetzt nach Hause.“ Sage ich abweisend.
„Okay.“ Sie nimmt sich das Telefon und ruft ein Taxi.
Ich fahre mit dem Fahrstuhl in die Lobby und als ich hinaus trete hält auch schon Taxi.
Ich fahre nach Hause und nehme erst einmal ein heißes Bad. Immer wieder streiche ich über meinen Bauch und Tränen stehen mit in den Augen. kleine Erinnerungsfetzen tauchen vor meinem inneren Auge auf, ich stehe in einem großen Haus am Fenster und sehe in einen Garten. Meine linke Hand liegt auf meinem Bauch, so wie jetzt.
Ich schüttele meinen Kopf um die Fetzen zu verscheuchen, sie machen mir Angst…
Als Alex kommt hat er Matt und einen weiteren Mann mit dabei.
„Josie.“ Sagt der Mann den ich nicht kenne, er kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.
Ich sehe ihn an und plötzlich kommen die Erinnerungen zurück, mit aller Macht und so schnell das ich mich hinsetzen muss.
Nach ein paar Augenblicken sehe ich den Mann wieder an, meinen Verlobten… Eric.
„Eric.“ Flüstere ich kaum hörbar.
„Oh Josie, ich bin so froh dass du lebst und das es dir gut geht.“ Er setzt sich neben mich und will mich in seine Arme nehmen.
Ich schiebe ihn von mir weg, in meinem Kopf dreht sich alles und mir wird schlecht.
Ich springe auf und laufe hoch ins Bad, nachdem ich mich übergeben habe sitze ich neben der Toilette und weine.
Alex kommt rein und sieht mich an, erhilft mir auf und ich halte ihn fest.
„Es kommt alles zurück…“ flüstere ich „… Schnell und heftig.“ Gebe ich zu.
Er setzt mich auf den Badewannenrand und sieht mich traurig an.
„Das da unten ist Eric Allistor, wir waren oder sind verlobt.“ Ich sehe ihn an und die Tränen laufen über mein Gesicht „Ich heiße Josephine Hope DeWitt, ich bin Kinderchirurgin am St. Josephs Candler Hospital in Savannah in Georgia.“ Erzähle ich stockend.
Eine Weile schwiegen wir beide, er starrt auf seine Hände und ich wünsche mir nichts sehnlicher als das er mich in den Arm nimmt und mir sagt das alles gut wird. Aber er bleibt sitzen und schweigt.
„Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen.“ Ich stehe auf und gehe zum Medikamentenschrank, bis mir einfällt das ich jetzt ja nicht wahllos etwas nehmen kann. Ich halte in meiner Bewegung inne und nehme schließlich die Paracetamol. Ich nehme mir zwei Tabletten und spüle sie mit etwas Wasser runter.
„Was hast du hier gemacht und was ist passiert?“ fragt Alex ganz ruhig und ich sehe zu ihm.
„Ich weiß nur noch dass ich mit dem Auto von irgendeiner Straße abgekommen bin. Warum ich war weiß ich nicht.“ Gebe ich zu.
„Zieh dir erst einmal was an, ich warte unten auf dich.“ Er gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ich gehe in mein Zimmer.
Als ich wieder nach unten komme sitzen die Männer alle am Küchentisch.
Ich setze mich neben Alex und sehe zu Eric, ich weiß ich habe ihn mal geliebt, aber davon ist nichts übrig…
Ich sehe zu Alex und weiß warum, weil ich ihn liebe. Ich liebe ihn so sehr das es schmerzt.
„Was habe ich hier gemacht?“ ich sehe zu Eric.
„Ich weiß es nicht. Josie, dir ging es die letzten Monate bevor du verschwunden bist nicht sehr gut. Du hattest im Februar eine Fehlgeburt, dann lief es in der Klinik nicht rund, sie hatten dich bei der Ernennung zur Oberärztin einfach übergangen, dann ist auch noch dein Dad im Juni gestorben und das alles hat dich sehr mit genommen.“ Er sieht mich prüfend an und ich lege meine Hand reflexartig wieder auf meinen Bauch. „Am 29. Juli war dein Auto morgens verschwunden und du bist nicht wieder aufgetaucht. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt und ich bin wirklich froh das ich dich endlich gefunden habe.“ Er sieht mich erleichtert an.
„Ich bin durch Zufall auf den Fall Josephine DeWitt gestoßen und als ich das Foto sah, da wusste ich es. Ich habe mich mit Mr. Allistor in Bewegung gesetzt und er ist sofort hierher geflogen.“ Erklärt Matt und ich nicke leicht.
„Du bist mit der Privatmaschine geflogen, oder?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ja, als du als vermisst gemeldet wurdest, wurden mir die alle Finanzen übertragen.“ Erklärt er mir.
Matt sieht mich fragend an.
„Meinen Eltern gehörten große Firmen verteilt in den USA, vor drei Jahren haben sie alles verkauft und mehrere Millionen dafür bekommen.“ Erläutere ich kurz.
„Wow.“ Sagt er und ich sehe wieder zu Alex, er starrt auf seine Hände und ich schlucke schwer.
„Kann ich dich denn endlich wieder nach Hause holen?“ Eric sieht mich bittend an.
„Aus ärztlicher Sicht spricht nichts dagegen.“ Sagt Alex und ich sehe ihn verletzt an.
Will er mich jetzt los werden?
„Vielleicht sollte ich noch ein wenig hier bleiben.“ Sage ich unsicher.
„Nein, am Besten ist es wenn du in deine gewohnte Umgebung zurück kommst.“ Sagt Alex in einem scharfen Tonfall und selbst Matt sieht ihn erstaunt an.
„Bitte Alex.“ Sage ich bittend.
„Nein Mrs. DeWitt, ich spreche als ihr behandelnder Arzt, ich halte es für das Beste wenn sie so schnell wie möglich in ihre gewohnte Umgebung kommen.“ Er sieht mich nicht einmal an.
Er siezt mich und er spricht von mir als wäre ich eine Fremde, seine Worte schneiden sich in meine Seele und am Liebsten würde ich los weinen.
Warum macht er das?
Warum ist er so?
„Wenn das so ist, dann gehe ich packen. Sag Dimitri Bescheid er soll die Maschine startklar machen.“ Ich sehe zu Eric und er greift nach seinem Handy.
Ich gehe nach oben und setze mich aufs Bett.
Matt kommt herein uns sieht mich bestürzt an.
„Ich habe keine Ahnung was mit Alex los ist.“ Sagt er leise.
„Ich auch nicht, ich dachte wirklich er liebt mich. Aber wahrscheinlich liebte er nur die Illusion von mir. Glaub mir Matt in Wirklichkeit bin ich gar nicht so toll.“ Ich nehme mir die Tasche und packe alles hinein was mir zwischen die Finger kommt.
„Sag so was nicht.“ Bittet er mich.
„Matt. Ich bin eine verwöhnte Zicke. Ich habe mehr Geld als mir gut tut. Ich habe Medizin studiert weil meine Eltern es wollten, nicht weil ich es wollte. Ich bekam immer alles was ich wollte.“ Ich schnaube verächtlich.
„Das stimmt nicht und das weißt du.“ Er sieht mich verständnislos an.
„Vielleicht möchte ich dass du das glaubst. Ich möchte nicht das du denkst ich bin gut, das bin ich nicht. Ich bin einfach weg gegangen weil ich mit dem Schmerz und meinem verletzten Stolz nicht klar kam. Es ist egal was früher war, vor alle dem hier. Ich weiß auch so das sie schönste Zeit in meinem Leben an Alex seiner Seite war.“ Ich lasse mich aufs Bett fallen. „Er will mich nicht mehr, also gehe ich zurück.“
„Sarah…“ er schüttelt leicht seinen Kopf „Josie, bitte tu das nicht. Er ist überfordert mit allem.“ Versucht er Alex zu rechtfertigen.
Ich stehe auf und packe meine Tasche weiter. Nachdem ich alles verstaunt habe ziehe ich mir meinen Pullover an und nehme die Tasche.
„Ich kann ihn nicht zwingen Josephine zu lieben, er liebt nur Sarah.“ Sage ich tonlos und gehe nach unten.
Eric reicht mir meine Jacke und ich ziehe sie mir über.
„Die Rechnungen für das Krankenhaus werden sobald ich in Savannah bin beglichen. Officer Owen bitte geben sie Mr. Hayes Bescheid das ich meine Sozialversicherungsnummer nicht mehr benötige und das voraus gestreckte Geld in den nächsten Tagen überweisen werde. Auf wiedersehen Dr. Langley und Officer Owen.“ Ich trete neben Eric hinaus in die kalte Dezemberluft.
Ein Fahrer wartet auf uns und als wir los fahren wage ich es nicht einmal mich umzudrehen.
Ich lasse alles zurück was mit lieb und teuer ist und ich weiß mit keinem Geld der Welt kann ich das jemals ersetzen…
Als wir die Privatmaschine besteigen und ich sehe wie Summerland langsam unter uns verschwindet rolle ich mich auf meinem Sitz zusammen und starre nach draußen.
Alles was ich jemals wollte ist da unten…
Alles was ich jemals als Sarah wollte und auch alles was ich als Josie will…
Irgendwann schlafe ich vor Erschöpfung ein und als wir nach 13 Stunden in Savannah landen ist es bereits später Abend.
„Komm Schatz.“ Eric hält mir seine Hand hin als wir in die warme Sonne Savannahs hinaus treten.
Wir fahren zu unserem Haus und ich lege mich ins Bett und starre die Decke an.
Eric lässt mich in Ruhe, er weiß dass es jetzt nichts bringt mich zu zwingen reden zu wollen. Ich weine mich in den Schlaf, all die letzten Monate und Jahre drängen an die Oberfläche und ich erinnere mich an viele Einzelheiten…
An die Fehlgeburt vor 10 Monaten und wie schrecklich ich mich danach gefühlt habe, an den Tod meines Dads und meine Hilflosigkeit und dann als man mich im Krankenhaus einfach übergangen hat obwohl ich die besten Voraussetzungen für den Job hatte.
Es ging mir besser als ich all das nicht wusste…
Am nächsten Morgen kommt meine beste Freundin Jen vorbei und nimmt mich weinend in den Arm.
„Oh mein Gott, ich bin gestorben vor Angst.“ Schluchzt sie.
„Oh Jen.“ Ich sehe sie entschuldigend an.
„Was ist passiert?“ sie sieht mich an und ich schüttele meinen Kopf. Ich kann nicht mit ihr darüber reden… jedenfalls noch nicht. Ich will niemals mit jemanden darüber reden…
Aber eine Sache muss ich sagen, ob ich will oder nicht. Denn ich habe heute Nacht eine Entscheidung getroffen.
„Jen, ich bin schwanger.“ Sage ich leise.
„Oh, wow.“ Sie schlägt die Hand vor den Mund „Weiß es Eric schon?“ sie sieht mich fragend an.
„Nein, ich konnte es ihm noch nicht sagen.“ Gebe ich zu.
„Was weiß ich nicht?“ Eric kommt ins Wohnzimmer und ich sehe zu Boden.
„Eric ich bin…“ stottere ich „… Ich bin schwanger.“ Sage ich leise.
„Was?“ er sieht mich erstaunt an.
„Ich werde die Babys bekommen.“ Füge ich hinzu.
„Babys?“ Jen sieht mich fragend an.
„Ja, ich bekomme Zwillinge.“ Sage ich leise.
Einen Moment herrscht schweigen dann setzt sich Eric neben mich.
„Wir schaffen das schon.“ Sagt er sicher und nimmt meine Hand. Ich weiß wie viel ich ihm bedeute, denn er hat mir einmal genauso viel bedeutet, ich weiß an seiner Seite wird es mir nicht schlecht gehen. Aber es ist eine Notlösung und ich denke wirklich er ist zu Schade dafür.
Ich sehe ihn zweifelnd an, aber er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich spüre nichts, ich spüre nicht die Wärme die mich immer durchströmt hat wenn Alex das getan hat.
„Nur wir drei wissen was los ist, wir werden die anderen in dem Glauben lassen das es unsere Babys sind.“ Er sieht mich an.
„Eric du musst das nicht…“ setze ich an.
„Josie, ich liebe dich und ich bin so glücklich dass du wieder bei mir bist.“ Er sieht mich liebevoll an.
„Ich möchte nicht dass du so ein Opfer für mich bringst.“ Ich sehe zu Boden.
„Das ist kein Opfer für mich, Josie, wir wollten immer schon Kinder und jetzt bekommen wir Zwei. Natürlich weiß ich dass ich nicht der biologische Dad der Beiden bin, aber ich werde ihr Daddy sein. Josie ich liebe dich so sehr.“ Er küsst meine Hand und sehe zu Jen.
„In Anbetracht der Umstände ist es vielleicht wirklich das Beste.“ Sagt sie kleinlaut.
Schließlich nicke ich ganz leicht.
Das ist mehr als was ich von ihm in einer solchen Situation erwarten hätte können, aber ich bin dankbar so stehe ich jetzt nicht allein mit allem da.
Bin ich egoistisch?
Vielleicht ein wenig…
Ist das Richtig?
Nein, es ist so Falsch das es das Wort dafür noch gar nicht gibt…
Das Haus wird von den Angestellten weihnachtlich geschmückt, aber ich kann mich einfach nicht auf Weihnachten freuen. Alles kommt mir trostlos und falsch vor. Das ist nicht mehr mein Leben… Ich schleppe mich von Tag zu Tag und nehme nicht wirklich am Leben teil. Alle lassen mich in Ruhe und hoffen dass ich mich wieder fange, dass ich irgendwann wieder normal bin.
Aber was ist normal?
Ist das hier normal?
Die Feiertage verbringen Eric und ich alleine, denn Familie habe ich nicht mehr und seine wohnt in New York und will uns ein wenig Zeit für uns geben.
Silvester sind wir auf eine große Party eingeladen. Ich ziehe mir ein dunkelblaues Cocktailkleid an und drehe mich vor dem Spiegel.
Meine Haare sind kunstvoll hoch gesteckt, ich trage ein teures Collier und die passenden Ohrringe, das Kleid schmiegt sich perfekt an meinen Körper und ich sehe wirklich hübsch aus. Ein kleines Bäuchlein zeichnet sich an und ich lege meine Hand darauf.
Aber ich habe mir in Jeans mit einem Holzfällerhemd einfach besser gefallen, denn das bin ich nicht das hier.
Eric kommt herein und umarmt mich sanft.
„Du siehst wunderschön aus.“ Haucht er mir ins Ohr „Vielleicht solltest du den hier wieder tragen.“ Er streift mir meinen Verlobungsring wieder über und ich sehe auf meine Hand.
Ich schweige, ich kann und will nichts sagen, denn egal was ich sagen möchte es würde Eric verletzen…
„Das Kleid ist wirklich hübsch, genieße es solange du da noch rein passt…“ er zwinkert mir zu „… Das wird bald vorbei sein. Ich habe überlegt dass wir den anderen Ende Januar von deiner Schwangerschaft erzählen. Jen betreut dich und wird es so aussehen lassen als wärst du dann anstatt in der 15. Woche in der 6. Es wird schwer aber wir bekommen das schon hin.“ Er küsst mich sanft und lässt mich dann wieder allein „Ich warte im Wagen auf dich.“
Auf der Party bin ich der Gesprächsstoff Nummer eins und ich fühle mich wirklich unwohl in meiner Haut. Mein Chefarzt nimmt mich irgendwann in den frühen Morgenstunden zur Seite.
„Es freut mich wirklich das du wieder hier bist Josephine. Ich habe mit dem Vorstand gesprochen, du kannst am 15. wieder anfangen zu arbeiten wenn du möchtest. Vielleicht hilft es dir ein wenig dich anzulenken.“ Er sieht mich an und legt seinen Kopf schief.
„Danke Robert.“ Sage ich und er nickt zufrieden mit sich.
„Dann erwarten wir dich am 15.“ Er zwinkert mir zu und geht zurück ins Haus.
Endlich gegen 6 Uhr fahren Eric und ich nach Hause und ich falle wie erschlagen ins Bett, Eric legt sich neben mich und will sich an mich ran kuscheln aber ich schiebe ihn weg.
„Ich kann das nicht.“ Wispere ich leise.
„Ich kann warten Josie.“ Flüstert er und dreht sich wieder um.
Ich kann ihn nicht an mich heran lassen, in den letzten Wochen hat er immer mal wieder kleine Vorstöße gewagt, aber außer dem Kuss heute zu Mitternacht habe ich ihn jedes Mal weg gestoßen.
Meine Güte, was bin ich für ein Mensch?
Ich wickele mich fest in meine Decke ein und sehe zum Fenster, davor hängen schwere Vorhänge aber ich weiß auch so dass wir heute Vollmond haben.
Als ich das letzte Mal den Vollmond gesehen habe lag ich bei Alex in den Armen…
Oh Alex!
Ich vermisse ihn so sehr!
Ich sehe neben mich und sehe wie Eric tief und fest schläft.
Aber das hier ist das Richtige… versuche ich mir immer und immer wieder einzureden.
Am nächsten Tag besuchen wir seine Eltern in New York und ich werde empfangen wie die verloren geglaubte Tochter. Seine Eltern, Sophie und Ron, sind herzensgute Menschen und es tut mir so leid das ich ihnen allen was vorspiele. Ich rede nicht über meine Zeit in Kanada, ich rede mit niemandem darüber…
Sie verstehen es nicht, aber sie akzeptieren es.
Am 15. fange ich wie besprochen im St. Josephs Candler Hospital wieder an zu arbeiten. Es tut mir gut wieder eine Aufgabe zu haben und schon nach ein paar Tagen ist es als wäre ich nie weg gewesen. Nach einem psychologischen Gutachten darf ich auch wieder operieren, ich weiß was ich dem Psychologen erzählen muss damit ich die Erlaubnis bekommen habe. Hätte ich ihm erzählt wie es wirklich in mir aussieht dann hätte ich vermutlich nicht einen Patienten operieren dürfen, ich gehe soweit zu sagen ich hätte nicht einmal einen untersuchen dürfen.
Zu meinem 30. Geburtstag am 29. Januar verkündet Eric stolz dass wir Eltern werden und alle freuen sich so sehr mit uns. Wir werden mit Glückwünschen überschüttet und für alle macht es den Anschein als sei ich wirklich wieder angekommen. Wir planen unsere Hochzeit für den 15. Mai, so haben wir noch über drei Monate Zeit um alle Vorbereitungen zu treffen.
Mich interessiert das alles nicht, ich will nicht eine Hochzeit planen die ich nicht feiern möchte. Im Krankenhaus nimmt man nun auf meine Umstände Rücksicht und ich darf nur noch im Tagdienst arbeiten, ich behandele meine Patienten mitgrößter Sorgfalt und allem medizinischen Können. Aber ich bin nicht mehr die Dr. Josephine DeWitt die ich mal war, ich bin es einfach nicht…
Meine Kollegen und die Schwestern unterstützen mich, aber ich habe das Gefühl keiner nimmt mich wirklich wahr, nicht einmal Jen, vor der ich es am Meisten erwartet habe. Wir sehen uns oft und sie begleitet meine Schwangerschaft, aber es ist nicht mehr wie vor meinem Unfall.
Ich bin nicht mehr die Gleiche und ich glaube sie hat es als Erste von allen akzeptiert.
Ich vermisse Summerland, ich vermisse Aimee und Matt, ich vermisse Alice und George und am meisten vermisse ich Alex. Ich vermisse ihn mit jeder Faser meines Körpers.
„Kommst du gleich noch auf Station für deine Sono?“ Jen sieht mich fragend an und ich nicke.
„Ich bin in einer halben Stunde da.“ Sage ich und betrete das nächste Patientenzimmer.
Als ich 20 Minuten später wieder im Flur stehe gebe ich der nächstbesten Schwester Anweisungen und fahre dann mit dem Fahrstuhl hoch in den 7. Stock. Kaum oben angekommen unterhalte ich mich kurz mit einem Kollegen von Jen und klopfe dann an ihre Tür, sie ist Belegärztin und hat ein eigenes Büro in der Gynäkologie.
„Ja bitte?“ ertönt es von innen und ich trete ein. „Oh Josie, na komm.“ Sie lächelt mich an und deutet auf die Liege.
Ich ziehe meinen Kasak hoch und ein kugelrunder Bauch kommt zum Vorschein, wir haben jetzt Anfang Mai und regulär habe ich noch 6 Wochen vor mir, aber alle glauben ich habe noch 15 Wochen, das macht schon einen gewaltigen Unterschied. Aber sie nehmen es uns ab und das ist ja die Hauptsache.
Jen setzt sich auf den Stuhl neben der Liege und verteilt das kalte Gel auf meinem Bauch.
„Wie geht es dir denn heute?“ sie sieht mich fragend an.
„Gut.“ Sage ich leise und sehe auf den Monitor. Ich kann die kleinen Herzen schlagen sehen und die beiden sind so wunderschön.
„Möchtest du denn jetzt wissen was sie werden?“ Jen zwinkert mir zu, bei den letzten Untersuchungen war ich mir nicht sicher gewesen ob ich es wissen will und als ich mich bei der letzten dazu entschieden habe es wissen zu wollen, haben die beiden nichts Preis gegeben.
„Ja.“ Ich lächle. Ich habe das Gefühl ich kann nur noch lächeln wenn es um die Beiden geht.
„Also oben im Bauch hat es sich ein kleiner Junge bequem gemacht und unten im Bauch haben wir…“ sie fährt mit dem Schallkopf konzentriert über meinen Bauch. „Ja, hier haben wir ein Mädchen.“ Sie strahlt mich an und ich erwidere es.
Wow, ein Junge und ein Mädchen, mir laufen Tränen der Rührung übers Gesicht.
„Josie?“ Jen sieht mich fragend an.
Ich sehe auf und ihr Blick sieht so verletzt und verstört aus.
„Ich wollte dich fragen ob ich am Wochenende mal wieder vorbei kommen kann. Eric ist doch geschäftlich in Boston und ich hätte gern Mal wieder einen ganzen Abend mit meiner besten Freundin.“ Sie sieht mich bittend an.
„Was hältst du vom nächsten Wochenende? Eric feiert in Charlestown seinen Junggesellenabschied und ich bin allein. Was meinst du?“ ich sehe sie fragend an.
„Klingt toll.“ Sie lächelt leicht.
„Ja.“ Ich wische mir das Gel ab und sie hilft mir auf.
„Ich freue mich.“ Sagt sie gerührt und nimmt mich in den Arm.
„Ich mich auch.“ Gestehe ich.
Gerade als sie noch etwas sagen will geht mein Pieper und ich sehe sie entschuldigend an.
„Geh schon.“ Sie winkt ab und ich fahre runter auf meine Station.
Da ich am nächsten Samstagnachmittag frei habe, nutze ich die Zeit und koche mal wieder, ich habe allen frei gegeben und genieße es das niemand um mich herum wuselt.
Als Jen um 18 Uhr kommt steht das Essen auf dem Tisch und sie ist erstaunt dass ich selber gekocht habe.
„Seit wann kochst du selber?“ fragt sie grinsend und wir setzen uns.
„Ich koche gern.“ Gebe ich zurück.
„Und Wahnsinn Josie…“ sie sieht mich mit großen Augen an „Du kochst richtig gut.“ Gibt sie zu.
„Danke.“ Ich nehme mein Wasserglas in die Hände und drehe es darin.
„Josie?“ Jen sieht mich prüfend an.
„Ja?“ ich sehe auf.
„Was ist in Kanada passiert?“ fragt sie vorsichtig.
„Jen…“ setze ich an.
„Josie, ich bin oder war deine beste Freundin, ich sehe das es dir nicht gut geht. Bitte rede mit mir…“ sie sieht mich flehendlich an.
„Es tut so weh.“ Ich streichele über meinen Bauch.
„Josie bitte, ich kann es nicht mit ansehen, du heiratest in 1 Woche und machst einen todunglücklichen Eindruck, ich weiß nicht wie Eric das ertragen kann…“ sie macht eine Pause „Ich kann es nicht.“
Ich sehe sie prüfend an und wir setzen uns auf die Couch.
„Als ich den Autounfall hatte, da habe ich mein Gedächtnis verloren, retrograde globale Amnesie, ich wusste nichts mehr…“ ich sehe in ihr erschrockenes Gesicht. „… Alex, Dr. Alexander Langley, er hat mich schwer verletzt gefunden und in die Privatklinik gebracht in der er arbeitet. Als ich nach einer Woche wach wurde und allen klar wurde das ich keine Erinnerungen mehr habe, da haben sie mich Sarah getauft. Als ich entlassen wurde hat mich Alex mit zu sich genommen, seine Mum hat mir einen Job als Sprechstundenhilfe besorgt, da mein Gehirn ab und an medizinische Fakten ausspuckte wie ein kaputter Automat…“ ich hole tief Luft „Alex kümmerte sich um mich, ich wurde ein teil seines Lebens, ich lernte seinen Sohn kennen und seine Freunde wurden meine Freunde. Ich verliebte mich in ihn und war so glücklich als er es erwiderte. Am Tag als Eric auftauchte erfuhr ich das ich schwanger bin, ich hatte Angst es Alex zu sagen, er will keine weiteren Kinder.“ Ich schlucke schwer und sehe sie an.
„Aber warm denn nicht?“ fragt sie verständnislos.
„Wie gesagt er hat einen Sohn, aber Jake lebt bei seiner Mum in Chicago, er vermisst ihn unendlich und will nicht dass er sich irgendwann zurück gesetzt fühlt. Ich weiß auf der einen Seite das meine Entscheidung zurück zu kommen die einzig richtige war, auf der anderen Seite liebe ich ihn so sehr das es weh tut. Ich bekomme keine Luft weil er mir so fehlt und jedes Mal wenn ich die Kleinen fühle dann steigen mir Tränen in die Augen, das sind Alex seine Babys. Meine und Alex seine…“ ich beginne zu weinen.
„Oh Josie.“ Jen nimmt mich in den Arm. „Du musst das alles hier nicht machen, packe deine Sachen und gehe zurück.“ Sie sieht mich ernst an.
„Ich kann nicht.“ Sage ich verzweifelt.
„Ein Wort.“ Sie sieht mich an und ich weiß was sie meint. Sie weiß so gut wie ich das ich hier in einer Sache drin stecke aus der ich nicht so einfach raus komme, aber sollte ich es irgendwann wirklich wollen, dann reicht ein Wort von mir und sie tut was sie kann…
Wir reden das erste Mal über alles und es tut mir gut, mir endlich alles von der Seele zu reden.
Langsam nähern wir uns wieder an und es ist ein schönes Gefühl.
Am kommenden Samstag geht es bei uns im Haus zu wie in einem Taubenschlag.
Heute soll ich Eric heiraten.
Ich sitze in meinem Zimmer, ich trage ein weißes Kleid und ich fühle mich furchtbar.
Ich will das nicht!
Das ist Falsch!
Jen kommt herein und nimmt meine Hand.
„Nur ein Wort Josie.“ Sagt sie mitfühlend.
Ich sehe sie an und ringe mit mir selbst.
Wird es mich glücklich machen wenn ich das hier durchziehe?
Wird es Eric oder sonst wen glücklich machen?
Wäre es das Beste für meine beiden Kinder?
„Ich will nicht heiraten, ich will Eric nicht heiraten.“ Sage ich unter Tränen.
„Na endlich.“ Sie lächelt schief „Zieh dir was anderes an, ich lasse mir unten was einfallen und bestelle einen Fahrer.“ Sie zwinkert mir zu und ich hieve mich hoch. Mein Bauch droht jeden Moment zu platzen und mir fällt wirklich jede Bewegung schwer.
Ich packe mir ein paar Sachen zusammen und sonst auch alles was ich für ein paar Tage brauche, dann ziehe ich mir eine dieser tollen Umstandsjeans an. Selbst in die komme ich nur mit Mühe und Not und sie sitz wirklich sehr eng. Mein Dekollete droht ebenso fast zu platzen und ich ziehe mir ein weißes Poloshirt und einen dunkelblauen dünnen Pullover über und schlüpfe zum Schluss in meine weißen Ballerinas.
Ich gehe leise die Treppe runter und Jen nimmt mich unten im Empfang. Kaum bin ich draußen sitzen wir auch schon im Auto.
„Zum Flughafen.“ Sagt Jen an den Fahrer gewandt und dieser fährt los.
„Du musst es Eric erklären, er hat was Besseres wie das hier verdient.“ Ich sehe sie bittend an.
„Das mache ich.“ Verspricht sie mir. „Ich bin froh dass du endlich zu ihm fliegst, ich kann es nicht mehr mit ansehen wie du leidest.“ Sie drückt meine Hand.
„Und was bitte sage ich ihm?“ frage ich und atme aus.
„Keine Ahnung, wie wäre es mit der Wahrheit?“ sie grinst schief.
Weiß sie was sie da sagt?
Egal, ich habe noch einen langen Flug vor mir um mir Gedanken darüber zu machen…
„Was hast du den Gästen eigentlich erzählt?“ ich sehe sie stirnrunzelnd an.
„Ich habe gesagt das die Braut die Hochzeit abbläst und sie nach Hause gehen sollen, wirklich Fragen gestellt hat eigentlich keiner.“ Sie zuckt mit den Schultern.
„Sag Eric dass ich ihn absichern werde, er braucht sich keine Sorgen zu machen.“ Ich sehe sie eindringlich an.
Es ist mir wichtig dass es Eric gut geht, er hat viel für mich getan…
„Ich werde ihm sagen dass es ihm immer gut gehen wird.“ Sie nickt und ich sehe sie erleichtert an.
Vielleicht sind wir ja irgendwo doch noch Freundinnen…
Als wir am Flughafen ankommen, kommt Dimitri, der Pilot der fast immer fliegt wenn ich die kleine Privatgesellschaft anrufe, gleich zu mir.
„Na, endlich wieder zurück nach Summerland?“ er sieht mich fragend an.
„Ja, bitte.“ Ich lächele leicht.
„Das ist wirklich schön Josephine.“ Er nimmt mir meine Tasche ab und macht zusammen mit dem Co-Piloten die Maschine startklar.
„In 20 Minuten können wir los.“ Er reckt den Daumen in die Höhe.
„Ich komme dich in zwei Wochen besuchen.“ Sagt Jen und nimmt mich in den Arm.
„Vielleicht bin ich schneller wieder hier als mir und dir lieb ist.“ Sage ich.
„Ach was.“ Sie winkt ab „Wenn er euch nicht will, dann ist er ein Blödmann.“
„Oh Jen, ich danke dir.“ Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
„Ich hab dich lieb Josie, und nun hol dir dein lächeln zurück.“ Sie schubst mich fast die Treppe hinauf.
„Ich werde am Montag in der Klinik anrufen.“ Sage ich noch schnell.
„Brauchst du nicht, ich gehe zu Robert und erkläre ihm alles.“ Sie lächelt mir zu und winkt als die Tür geschlossen wird.
„Nehmen sie bitte Platz Mrs. DeWitt.“ Die Flugbegleiterin deutet auf einen Sitzplatz in der kleinen Maschine.
In den nächsten 13 Stunden male ich mir sämtliche Szenarien aus die eintreffen können und mir wird immer mulmiger, je Näher ich meinem Ziel komme.
Dann endlich landen wir und ich verlasse die Maschine.
„Ich war mal so frei und habe ihnen einen Leihwagen bestellt.“ Dimitri stellt sich neben mich und deutet auf einen Jeep.
„Vielen Dank Dimitri.“ Sage ich erleichtert, denn mir ist gerade eben eingefallen das ich nicht weiß wie ich von hier weg kommen soll.
„Immer gerne.“ Er sieht mich lächelnd an „Und wenn du hier einen guten Piloten und eine Maschine brauchst, dann wende dich an Peter.“ Er zwinkert mir zu und deutet auf das kleine Flughafengebäude.
„Danke.“ Ich umarme ihn kurz und er gibt mir meine Reisetasche.
Dann sitze ich im Auto und starte den Motor…
Mein Herz schlägt wie verrückt und ich bekomme langsam Panik.
Das war eine dumme Idee, eine sehr dumme Idee! Ich fahre ein Stück und merke wie sehr meine Hände zittern.
Ich parke kurz an Straßenrand und lege meinen Kopf auf das Lenkrad, ich versuche ruhig zu atmen und mich zu beruhigen.
Dann ertönt eine Sirene hinter mir und ich sehe im Rückspiegel wie Matt aus dem Polizeiauto steigt.
Das fängt ja gut an…
„Entschuldigen sie, sie können hier nicht halten. Ich brauche ihren Führerschein und ihre…“ er sieht mich an „Josie?“
„Hallo Matt.“ Sage ich leise und er starrt mich an.
„Na, das nenn ich mal eine Überraschung.“ Er kommt auf die Fahrerseite.
Dann bemerkt er dass ich den Tränen nahe bin.
„Alles in Ordnung?“ er legt seine Hand auf meine Schulter und ich beginne zu weinen.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu „Heute Morgen wollte ich noch heiraten, na ja ich sollte wohl eher und jetzt sitze ich hier hochschwanger in Summerland.“ Ich sehe ihn an und er lächelt.
„Ich würde sagen du hast mal die richtige Entscheidung getroffen.“ Sagt er zuversichtlich.
„Wie geht es ihm?“ frage ich vorsichtig.
„Es geht…“ er stützt sich am Auto ab „Die erste Zeit ist er fast durch gedreht, Alice wollte ihn schon zur Adoption frei geben…“ er grinst „… Dann hat er sich ein wenig gefangen, aber von gut ist er noch weit entfernt. Wie geht es dir?“
Ich denke einen Moment über das gesagte nach und sehe ihn verwirrt an.
„Wie bitte?“ frage ich nach.
„Wie geht es dir Josie?“ er sieht mich milde lächelnd an.
„Na, ja wie gesagt ich steckte heute Morgen in meinem Hochzeitskleid und jetzt bin ich hier. Ich bekomme in 4 Wochen Zwillinge und habe das letzte Mal vor vier Monaten meine Füße richtig gesehen.“ Ich atme tief ein und aus.
„Ganz ruhig Josie…“ er sieht mich aufmunternd an „Ich fahre jetzt vor dir her zu Alex und dann klärt ihr das endlich Mal. So kann es ja nicht weiter gehen.“ Er nickt mir zu und geht zurück zu seinem Auto.
Dann überholt er mich und ich setze meinen Blinker und folge ihm.
Ich glaube wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich denken ich bekomme gleich einen Herzinfarkt. Mein Herz rast und meine Hände sind schwitzig.
Dann halten wir vor dem Haus, es hat sich nicht verändert und obwohl mir vor Aufregung ganz schlecht ist, freue ich mich wieder hier zu sein.
Matt steigt aus und kommt zu meinem Auto. Er hilft mir beim aussteigen und grinst mich an.
„Platzt du gleich?“ feixt er.
„Nein, das wäre jetzt ganz schlecht.“ Gebe ich zurück und stehe unschlüssig neben meinem Auto.
„Nun geh schon.“ Er gibt mir einen sanften Schubs in Richtung Haustür und als ich davor stehe hole ich tief Luft und drücke auf die Klingel.
Einen Augenblick später erscheint Alex in der Tür und sieht mich erstaunt an.
„Josephine?“ fragt er perplex.
„Hallo Alexander.“ Sage ich und versuche ganz ruhig zu klingen.
Er sieht müde und abgespannt aus, er hat einen Drei-Tage-Bart und seine Haare sind länger. Seine braunen Augen mustern mich eingehend, dann fällt sein Blick auf meinen Bauch.
„Also ganz ehrlich, das kann nur ein schlechter Scherz sein.“ Sagt er kopfschüttelnd.
„Alex bitte.“ Setze ich an.
„Nichts bitte, habe ich dir nicht eindeutig gesagt was ich von so etwas halte…“ er deutet auf meinen Bauch „… Ganz ehrlich, warum hast du es nicht weg machen lassen? Ich werde bestimmt keine Verantwortung dafür übernehmen.“ Er sieht mich abwertend an.
Mir treten Tränen in die Augen und ich schlucke schwer.
„Alex bitte.“ Versuche ich es erneut.
„Nein, ich habe gesagt ich will kein weiteres Kind. Verdammt noch mal.“ Donnert er und ich zucke zusammen.
„Aber…“ ich sehe ihn flehentlich an.
„Nichts aber! Verschwinde Josephine, ich will dich hier nie wieder sehen!“ brüllt er mich an und knallt mir die Tür vor der Nase zu.
Matt ist mit drei großen Schritten bei mir und ich beginne zu zittern.
Also diese Variante war bei keinen meiner möglichen Szenarien dabei…
„Ganz ruhig Josie.“ Versucht er mich zu beruhigen und bugsiert mich zum Auto.
Ich beginne nun zu weinen und setze mich seitlich auf den Beifahrersitz.
„Geht es?“ fragt er mich besorgt.
„Hmm.“ Ich nicke schwach, mir ist schwindelig und ich bekomme kaum noch Luft.
„Ich muss hier weg.“ Stammele ich und stehe auf, dann durchfährt mich ein reißender Schmerz und ich merke wie meine Beine nachgeben.
„Gott Josie, hier ist überall Blut.“ Matt sieht mich schockiert an und kann gerade noch so verhindern dass ich auf den Boden aufschlage. „Wach bleiben. Hörst du mich?“ schreit er mich an.
Ich versuche meine Augen auf zu halten, aber die Schmerzen sind unerträglich.
„Alex!“ höre ich Matt schreien und seine Stimme ist von Panik erfüllt. „Alex bitte, hier ist alles voller Blut. Sie verblutet!“ Matt seine Stimme überschlägt sich fast und dann merke ich, wie mir jemand etwas unter den Kopf schiebt.
Das ist das Letzte woran ich mich erinnere bevor mich die Dunkelheit einhüllt. Friedlich und ruhig nimmt sie mir die Schmerzen und die Scham…
Als ich wach werde kämpfe ich gegen das Bedürfnis an meine Augen einfach geschlossen zu halten.
Ich will nicht wach werden… ich habe panische Angst das meinen Babys etwas passiert ist weil ich so unvernünftig war.
„Hey.“ Dringt eine Stimme zu mir durch und ich entschließe mich meine Augen zu öffnen. Aimee sitzt neben meinem Bett und sieht mich besorgt an.
„Hey.“ Erwidere ich mit rauer Stimme.
„Warte.“ Sie reicht mir einen Becher mit einem Strohhalm und ich trinke dankbar einen Schluck.
„Wo sind sie?“ frage ich leise.
„Es geht den Beiden gut, sie liegen noch im Inkubator aber sie machen stündlich Fortschritte.“ Sie lächelt leicht. „Was machst du denn bitte für Sachen?“
„So war das nicht geplant.“ Gebe ich zu.
„Ich bin wirklich froh dass du wieder hier bist.“ Sie drückt meine Hand „Du hast mir gefehlt.“
„Du mir auch.“ Ich lächle schwach.
„Mach so etwas nie wieder.“ Bittet sie mich inständig.
„Ich gebe mir Mühe.“ Erwidere ich leise.
„Oh Wahnsinn, ihr habt zwei so süße kleine Babys.“ Sie sieht mich verträumt an.
„Ich habe zwei süße, kleine Babys. Alex will mich nicht und er will die Beiden nicht, das hat er mehr wie deutlich gesagt.“ Ich wische mir über die Augen. „Ich will sie sehen.“ Ich sehe sie bittend an.
„Josie, das geht nicht…“ sie drückt mich zurück in mein Kissen „Du hast eine schwere Operation hinter dir und du bist fast verblutet.“ Sagt sie nachdrücklich.
„Ich muss sie sehen.“ Ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen „Ich muss sicher sein das es ihnen gut geht.“
Sie ringt eine Zeit mit sich, dann holte sie einen Rollstuhl und hilft mir mich hinein zu setzen. Ich fühle mich nicht gut, aber das ist egal… ich muss die Beiden einfach sehen.
Aimee schleicht mit mir über den Flur und wir fahren in den 3. Stock auf die Säuglingsstation.
Als ich sie das erste Mal sehe beginne ich zu weinen, sie sind so perfekt dass es mir den Atem raubt.
„Du hast hier nichts zu suchen.“ Dex sieht mich milde an.
„Ich muss meine Beiden sehen.“ Ich sehe ihn flehentlich an.
Er nickt lächelnd „Also das hier ist der kleine Junge, es geht ihm wirklich gut. Er atmet selbstständig und ich denke morgen kann er hier raus.“ Er deutet auf den Inkubator „Er ist am 15.05.2012 um 20:08 Uhr geboren, er ist 45 cm groß und 2800 g schwer.“ Er grinst, ich weiß dass es für Zwillinge in der 36. Woche wirklich gute Werte sind. „Und hier haben wir das kleine Mädchen, sie benötigt noch Sauerstoff aber ihre Werte sind gut. Sie ist am 15.05.2012 um 20:11 Uhr geboren und ist 44 cm groß und 2700 g schwer. Das hast du richtig gut gemacht.“ Lobt er mich.
„Was ist passiert?“ ich sehe ihn fragend an.
„Du hattest einen Plazentaabriss, wahrscheinlich durch das psychologische Trauma und wärst du nicht so schnell hier gewesen hätten wir nichts mehr tun können. Die beiden sind per Kaiserschnitt geboren worden und wir haben anschließend fast eine Stunde gebraucht um die Blutung in den Griff zu bekommen. Du hattest wirklich mehr Glück wie Verstand, dein Schutzengel muss echt eine Menge Überstunden bei dir machen…“ er sieht mich durchdringend an. „Zum Glück ist alles gut gegangen, aber ob du noch mal ein Kind bekommen kannst ist zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss.“
„Es ist Okay, die Beiden reichen mir um glücklich zu sein.“ Sage ich sicher.
„Sag Mal Josie, hast du dir eigentlich über Namen Gedanken gemacht?“ Aimee sieht mich fragend an.
„Ja.“ Ich lächle „Der kleine Mann soll Ryan Oliver heißen und das kleine Mädchen Mia Sarah.“
„Wow, das sind wunderschöne Namen.“ Dex sieht mich an und schreibt die beiden Namen auf und befestigt Schildchen an den Bettchen.
Ryan Oliver DeWitt und Mia Sarah DeWitt, ich bin so stolz auf meine beiden Zwerge…
Ich stehe vorsichtig aus dem Rollstuhl auf und stecke meine Hand durch eines der Löcher an der Seite des Brutkastens, dann berühre ich zum ersten Mal meine kleine Mia. Ich bin so überwältigt, sie ist so klein und so zauberhaft. Ich drehe mich um und berühre nun auch leicht Ryan, der sich räkelt, ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen, die beiden sind wirklich perfekt. Sogar die Schmach dessen was Alex mir an den Kopf geworfen hat verblasst bei diesem Anblick, jetzt zählen nur noch die Beiden.
Nichts anderes auf de Welt ist jetzt noch wichtig.
Dann atme ich tief ein weil sich ein Schmerz in meinem Unterbauch ausbreitet.
„Hey Josie, setz dich.“ Weist mich Dex an.
„Herrgott, was macht sie hier? Sie gehört ins Bett.“ Schimpft Alex und bugsiert mich in den Rollstuhl zurück.
„Fass mich nicht an.“ Zische ich.
„Wie kann man nur so unvernünftig sein?“ er sieht mich kopfschüttelnd an.
„Lass mich in Ruhe.“ Wehre ich mich „Ich möchte das nicht vor meinen Kindern ausdiskutieren.“
„Josie…“ setzt er an.
Ich hebe meine Hand und sehe ihn an „Du hast mich nicht ausreden lassen und jetzt lasse ich dich auch nicht ausreden. Bringst du mich in mein Zimmer Aimee?“ ich sehe zu ihr und sie sieht zwischen mir und Alex hin und her.
„Jetzt.“ Füge ich hinzu.
„Ja sicher.“ Sie schiebt meinen Rollstuhl hinaus in den Flur.
Sie bringt mich in mein Zimmer und Dex kommt sofort um mich kurz zu untersuchen.
„Du musst dich schonen Josie.“ Sagt er streng.
„Ich weiß, aber ich musste sie einfach sehen.“ Gestehe ich.
„Ich kann das verstehen, aber jetzt bleibst du im Bett und ruhst dich aus.“ Weist er mich an und lässt mich mit Aimee allein.
„Die beiden sind wunderschön.“ Sagt sie andächtig.
„Ich habe noch niemals etwas Schöneres gesehen.“ Grinse ich.
„Das habt ihr gut hin bekommen.“ Sie nimmt meine Hand.
„Ich weiß ja nicht ob Matt dir alles erzählt, aber Alex hat mir laut und deutlich klar gemacht dass er nichts von mir und den beiden Kleinen hält.“ Sage ich bitter.
„Dann möchte ich dir mal was sagen…“ sie sieht mich durchdringend an „Ich weiß was Alex dir an den Kopf geworfen hat, aber ich weiß auch das er während der OP nicht einen Millimeter von deiner Seite gewichen ist und das er seitdem jede freie Minute auf der Säuglingsstation und hier auf der Intensivstation verbringt. Es mag sein das er sich ganz gewaltig im Ton dir gegenüber vergriffen hat und Dex hat ihm schonungslos seine Meinung dazu gesagt, aber ich bin mir sicher das ihr ihm nicht egal seid.“
Ich schweige und sehe sie an.
„Ich weiß nicht was ich denken soll…“ sage ich müde „Ich meine gestern stand ich noch kurz vor einer Hochzeit die ich nicht wollte und der Eric nur zugestimmt hat um mich zu halten. Ich möchte mit keinem Mann zusammen sein der sich mir gegenüber verpflichtet fühlt, ich bekomme die Zwei auch alleine groß. Ob nun hier oder in Savannah das wird die Zeit zeigen.“
„Ich bin für dich da und ich hoffe das weißt du.“ Sie streicht mir meinen Pony aus dem Gesicht.
„Ja und ich danke dir. Du hast mir wirklich gefehlt.“ Ich lächle schwach.
„Süße!“ die Tür fliegt auf und Alice sieht mich entgeistert an.
„Hallo Alice.“ Aimee sieht sie strafend an. „Hat Dex dir nicht gesagt, das sie Ruhe braucht?“
„Ja sicher.“ Sie winkt unwirsch ab „Aber ich muss sie sehen.“ Sie setzt sich auf die Bettkante „Oh Süße.“ Sie streichelt meine Wange.
„Es tut mir leid Alice.“ Sage ich schuldbewusst.
„Was tut dir leid? ...“ sie legt ihren Kopf schief „Das du mir zwei wundervolle Enkelkinder geschenkt hast von denen ich gar nicht genug bekommen kann?“ sie lächelt verträumt.
„Das auch… ein wenig…“ gebe ich zu „Aber es tut mir leid dass ich erst sang und klanglos verschwinde und dann hier wieder auftauche und ein heilloses Durcheinander anrichte.“
„Ach was, meine Süße.“ Sie küsst meine Stirn. „Alles wird gut.“
„So jetzt reicht es aber, auch Schwestern müssen sich mal an Regeln halten…“ Dex steht in der Tür die Alice offen gelassen hat „… Raus hier! Beide!“ er sieht zu Aimee und Alice „Jetzt!“ fügt er nachdrücklich hinzu.
Die beiden schimpfen vor sich hin und machen sich dann aber doch auf den Weg nach draußen.
„Und du ruhst dich endlich aus.“ Er sieht zu mir und ich nicke.
Ich bin wirklich müde und irgendwie froh dass ich jetzt alleine bin.
Als ich wieder aufwache scheint die Sonne in mein Zimmer und ich lächle bei dem Gedanken daran dass ich jetzt eine Mummy bin.
Ich sehe mich im Zimmer um und entdecke Alex auf dem Sessel neben dem Tisch.
Er sieht mich an und kommt leicht hoch.
„Wie geht es dir?“ fragt er vorsichtig.
„Ging mir schon besser.“ Antworte ich und schaffe es nicht seinem Blick stand zu halten.
„Josie.“ Er steht auf und kommt zu mir „Ich weiß nicht was ich sagen oder tun kann…“ er seufzt „…Ich habe schlimme Sachen gesagt und es tut mir unendlich leid. Ich hätte so etwas niemals sagen dürfen und ich hätte euch durch meine Dummheit fast verloren.“ Seine Stimme ist brüchig und ich sehe zu ihm.
Er weint.
Ich kann es nicht glauben dass er weint.
„Josie ich liebe Dich und ich liebe Ryan und Mia mehr wie ich ertragen kann, meine Gedanken drehen sich nur noch um euch und ob es euch gut geht. Nichts anderes geht mir durch den Kopf und die Stunden im OP waren die längsten und schlimmsten Stunden in meinem Leben. Ich will und darf dich nicht verlieren. Ich habe dich schon zwei Mal fast verloren und ich könnte es nicht ertragen nur noch einen einzigen Tag von dir und den Kleinen getrennt zu sein.“ Er sieht mich unter Tränen an. „Bitte Josie verzeih mir.“
„Alex…“ sage ich leise und lege meine Hand auf seine „Wir haben zwei wundervolle Kinder zusammen und ich wäre nicht hier wenn du mir egal wärst. Ich habe gedacht ich kann die Zeit hier vergessen und mein altes Leben weiter führen, aber das geht nicht…“ ich atme tief ein und aus „… Mein altes Leben passt nicht mehr zu mir, ich bin nicht mehr die Jodie von vor einem Jahr, ich bin eine andere und zu der hast du mich gemacht.“ Ich sehe ihn an, sein Blick ist so voller Reue und Liebe das es mir fast das Herz zerreißt. „Ich liebe dich Alexander Langley.“ Sage ich leise.
Er beugt sich zu mir runter und küsst mich ganz sanft. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und merke dass ich nun auch weine.
Hier gehöre ich her!
Hier zu dem Mann den ich liebe und zu unseren Kindern!
Niemals würde ich mich wieder in Savannah wohl fühlen, ich habe mein herz hier verloren und kann nur glücklich sein wenn ich hier bin…
Es klopft leise und wir lösen und voneinander.
„Guten Morgen.“ Dex kommt herein und hat Ryan auf dem Arm „Hier möchte jemand ganz dringend zu seiner Mummy.“ Sagt er mit Blick auf den weinenden Ryan.
Alex steht auf und nimmt ihm Ryan ab, sofort beruhigt er sich etwas und Alex wiegt ihn zärtlich in seinen Armen.
Dann kommt er zu mir und legt ihn mir in den Arm, augenblicklich ist er still.
„Hallo mein Süßer.“ Ich küsse sanft seine Hand.
„Kann ich euch alleine lassen? Mia braucht wohl heute den Tag noch, aber morgen ist sie auch so fit das sie auf Normalstation kann.“ Dex sieht zu Alex.
Dieser wischt sich über die Augen.
„Danke Dex.“ Sagt er und Dex nickt ihm zu.
„Alles Gute.“ Sagt er grinsend und geht wieder raus.
Alex legt sich neben mich ins Bett und wir betrachten Ryan der nun wieder eingeschlafen ist.
„Er ist so wunderschön.“ Sagt Alex andächtig „ich habe gestern kurz mit Jake telefonier und ihm erzählt das er zwei kleine Geschwister hat, er ist ganz aus dem Häuschen und will unbedingt so schnell wie möglich die beiden sehen.“ Erzählt er lächelnd.
„Er wird ein toller großer Bruder sein.“ Sage ich sicher.
„Ganz bestimmt.“ Stimmt mir Alex zu.
Dex schafft es tatsächlich uns Aimee, Alice, George und Matt für zwei Tage vom Hals zu halten und mir und Alex ein wenig Zeit mit den beiden Kleinen einzuräumen, dafür stürmen sie am dritten Tag alle Gemeinschaftlich das Krankenhaus.
Ich erhole mich gut von der OP und als die beiden 10 Tage alt sind kann ich mit ihnen nach Hause.
Alex hat die letzten drei Tage damit verbracht das Haus auf den Kopf zu stellen und Platz für die beiden zu schaffen.
Ich bin fast ein wenig enttäuscht als sich keiner blicken lässt um mich, Ryan und Mia abzuholen aber an Alex seinem Gesichtsausdruck kann ich sehen das er was ausgeheckt hat.
Als wir an unserem Haus ankommen ist alles mit Luftballons geschmückt und draußen ist ein Tisch aufgebaut, als Alex hupend in die Auffahrt fährt springen alle auf und ich fange an zu lachen.
„Hab ich es mir doch fast gedacht.“ Ich grinse Alex an, er nimmt meine Hand und küsst sie.
„Du kennst doch meine Familie und unsere Freunde.“ Er zwinkert mir zu.
„Oh ja.“ Grinse ich, wenn ich nur daran denke mit wie vielen Geschenken wir in der letzten Woche zugeschüttet wurden, da weiß ich jetzt schon nicht wohin damit.
Als ich aussteige kommt mir eine strahlende Jen entgegen.
„Was machst du denn hier?“ ich nehme sie fest in den Arm.
„Na, ja zum ersten wollte ich mir mal deinen Alex anschauen und die beiden Kleinen.“ Sie hebt die Babyschale mit Mia aus dem Auto.
„Wahnsinn ist die klein.“ Quietscht sie.
Alle anderen nehmen mich nun auch in den Arm und die beiden Kleinen werden geknuddelt und geherzt als wenn es kein morgen gibt.
„Jo! Jo!“ Jake kommt aus dem Haus gestürmt und fällt mir um den Hals.
„Jake!“ sage ich gerührt und drücke ihn an mich. „Was machst du denn hier?“
„Ich muss mir doch meine Schwester und meinen Bruder anschauen und Mum hat erlaubt das ich drei Tage bleiben darf.“ Berichtet er mir stolz.
„Das freut mich, dann kannst du mir ja ein wenig mit Ryan und Mia helfen.“ Ich grinse ihn an.
„Aber klar doch Sarah.“ Er strahlt mich an „Entschuldigung Josie.“ Verbessert er sich.
„Kein Problem kleiner Mann.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf seine blonden Haare.
„Weißt du, da du und Daddy ja jetzt so etwas wie verheiratet seid, kann ich dann Mummy sagen? Ich meine, meine richtige Mum nenne ich Mum und dich würde ich gerne Mummy nennen wenn ich darf.“ Seine grünen Augen sehen mich bittend an und ich bin so gerührt das ich ihn in meine Arme ziehe.
„Es wäre mir eine Ehre wenn du Mummy zu mir sagst.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
„Schau mal, was Daddy heute morgen angebracht hat…“ Jake zieht mich mit sich und ich entdecke ein neues Namensschild
Alexander Langley M.D.
Josephine Langley M.D.
mit
Ryan, Mia & Jacob
Ich lächle und struvele Jake durch die Haare.
„Ich habe mich auch mit Daddy unterhalten, er hat gesagt er will dich heiraten aber er sagte glaube ich auch er miss dich noch fragen und ich soll nichts verraten…“ er zieht eine Flunsch „…Ups.“
„Keine Angst ich verrate dich nicht.“ Lache ich und er hüpft die Treppen wieder runter.
Alex tritt hinter mich und umarmt mich.
„Na hat er mich verraten?“ flüstert er.
„Ja hat er, aber denke nicht dass du aus der Nummer so einfach raus kommst, du musst dich schon ein bisschen ins Zeug legen damit das Schild mal der Wahrheit entspricht.“ Ich drehe mich in seinen Armen und küsse ihn innig.
„Das verspreche ich dir.“ Grinst er.
Wir gehen Arm in Arm zum Tisch und setzen uns.
„Ich möchte mit dir noch etwas besprechen…“ Alex beugt sich zu mir „… ich habe lange darüber nachgedacht und ich habe beschlossen das Sorgerecht von Jake noch mal in Angriff zu nehmen, ich habe damals viel zu leicht aufgegeben und wenn ich sehe wie glücklich er hier ist, dann möchte ich ihn öfter oder für immer bei uns haben.“ Er sieht mich an „Wenn du das willst.“ Fügt er hinzu.
„Aber sicher, ich liebe Jake.“ Sage ich und küsse ihn.
Epilog
Tja, Alex hat sich ins Zeug gelegt und mir drei Wochen später auf einem kleinen Konzert einen Heiratsantrag gemacht. Natürlich habe ich ja gesagt und wir haben am 05. August 2012 geheiratet. Der Tag der uns immer im Gedächtnis bleiben wird. Im September bekamen wir vor einem kanadischen Gericht das alleinige Sorgerecht für Jacob zu gesprochen und Jake hat sich riesig gefreut, natürlich besucht er seine Mum sooft es geht, aber er fühlt sich wohl bei uns und er liebt seine beiden Geschwister heiß und innig…
„Mia! Ryan! In 5 Minuten fahren wir los! Mit oder ohne Euch!“ ruft Alex die Treppe hoch und ich gehe schon mal zum Auto.
Jake bekommt heute sein High School Abschlusszeugnis und wir sind so wahnsinnig stolz auf ihn. Alex und ich haben James seine Praxis vor 5 Jahren übernommen, aber heute haben wir sie zur Feier des Tages mal zu gelassen.
Mia und Ryan kommen nun auch die Treppe der Veranda runter gehüpft und steigen hinten ins Auto ein. Die beiden sind jetzt 9 und sehen sich überhaupt nicht ähnlich. Ryan schlägt eher in meine Richtung und Mia ist ein Abbild ihres Daddys.
„Los geht’s.“ Alex steigt ein und ich fahre los.
Nach Ryan und Mia konnte ich keine weiteren Kinder bekommen, aber das stört mich nicht, wir haben drei wunderbare Kinder und die halten uns ganz schön auf Trab.
Ich frage mich manchmal was aus mir geworden wäre, wäre ich nicht Hals über Kopf aus Savannah geflohen und hätte hier in den Bergen Kanadas einen Unfall gehabt, aber ich bin froh es nicht raus finden zu müssen. So wie alles ist, ist es perfekt…
Es zählt nicht wer du in deiner Vergangenheit warst, denn die Zukunft ist das was zählt und wer du da bist, das entscheidest du ganz allein!
Texte: Stephanie Muhs
Bildmaterialien: http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/23089473 mit freundlicher Genehmigung Christian Albert, Stephanie Muhs, Paige Matthews mit freundlicher Genehmigung, Bearbeitung: Stephanie Muhs
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2012
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