Ich sehe mich in meinem ausgeräumten Zimmer um, nur noch eine Kiste steht unter dem Fenster.
Es ist komisch aus dem Studentenwohnheim auszuziehen, aber noch komischer ist es in ein neues Land zu ziehen.
Ich weiß nicht was mich in Oceanside erwarten wird, denn Mums neuen Freund kenne ich bisher nur von Fotos und von ein paar kurzen Telefonaten. Wenn ich bei ihr war und ans Telefon gegangen bin.
Aber Dr. Jacob Anthony Preston, so heißt er, scheint ein netter Kerl zu sein und das Wichtigste ist, er macht meine Mum wirklich glücklich. Sie haben sich vor 2 Jahren auf einem Ärztekongress in London kennen gelernt und als meine Mum vor drei Monaten bei ihm war hat er ihr einen Heiratsantrag gemacht. Tja sie hat angenommen und ich habe mich nach langen Diskussionen überreden lassen mit ihr zu gehen.
Meine Mum und ich sind seit dem Tod meines Dads vor 12 Jahren alleine, wir haben keine weiteren Verwandten mehr und meine Mum hätte es das Herz gebrochen wenn ich hier geblieben wäre.
Sie fängt in der Klinik von Jacob als Schönheitschirurgin an und ich werde mir, nachdem ich letzte Woche mein Medizinstudium abgeschlossen habe, eine Stelle als Assistenzärztin suchen. Ich habe mich an drei Krankenhäusern in und um Oceanside beworden, ich warte aber immer noch auf eine Antwort…
Kurz zu mir, ich heiße Anna Marianne Connor und ich bin 27 Jahre alt. Seit letzter Woche darf ich offiziell meinen Doktortitel tragen und ich bin wirklich stolz darauf.
Ich bin 1,70 m groß und wiege 55 kg. Ich liebe es auszureiten, wenn ich Zeit dazu finde und meine Mum in Tullow besuche. Das verkaufen unserer vier Pferde ist meiner Mum mit Abstand am schwersten gefallen.
Ich habe lange blonde Haare mit einem kleinen Rotstich, grüne Augen und ich bin zum Glück nicht so blass wie man es von einer Irin erwarten würde.
Bisher bin ich mit meinem Leben wirklich zufrieden, ich habe mir meinen Kindheitswunsch, eine Ärztin wie meine Mum zu werden, erfüllt.
Doch schon morgen geht der Flieger Richtung USA und ich weiß nicht was mich dort erwarten wird.
Wie werde ich mit Jacob klar kommen?
Und wie mit seinem Sohn Ryan?
Den kenne ich ja noch gar nicht, ich weiß nur dass er 29 ist und irgendwas mit Werbung macht.
Ein komisches Gefühl in meinem Bauch sagt mir das es nicht so wird wie ich es mir vorstelle…
„Anna, bitte überleg es dir noch mal…“ meine beste Freundin Molly sieht mich bittend an „Du kannst auch hier dein praktisches Jahr machen, du musst nicht in die Staaten.“
„Molly…“ ich nehme ihre Hände in meine „…Klar kann ich hier bleiben, aber meine Mum ist alles an Familie was ich habe. Ich muss mit gehen. Ich habe mich schon an drei Krankenhäusern dort beworben. Ich habe einen der besten Abschlüsse. Ich bekomme das hin.“ Ich zwinge sie mich anzusehen „Und du kommst mich besuchen.“
„Aber du wirst mir so sehr fehlen!“ sie nimmt mich in den Arm.
„Du mir auch.“ Sage ich leise.
„Hey Anna! Komm schon!“ Pat zieht mich von Molly weg auf die Tanzfläche. Unsere Freunde haben heute für mich eine kleine Abschiedsfeier organisiert und ich kann es kaum glauben dass ich morgen schon im Flieger Richtung USA sitze. Unsere Möbel sind schon seit zwei Wochen auf dem Weg und meine Mum und ich werden nur mit drei Koffern reisen.
Schon erstaunlich bei zwei Frauen, aber ich habe es noch nie so mit der neusten Mode gehabt. Meine Mum schon eher, aber an mir ist dieser Kelch vorüber gegangen. Ich fühle mich am wohlsten in meinen abgewetzten Jeans und einem einfachen Top, T-Shirt oder Pullover.
Wir feiern noch bis spät in die Nacht und ich schlafe bei Molly. Unser Flug geht um 8 Uhr und von Mollys Wohnung sind es nur 20 Minuten zum Flughafen.
Als mein Wecker klingelt quäle ich mich aus dem Bett und schmeiße Molly ebenfalls aus ihrem. Ich gehe ins Bad, binde mir einen lockeren Knoten, putze mir die Zähne und ziehe mich an. Auf anraten meiner Mum ziehe ich zu meiner Jeans und der Turnschuhen nur ein graues Tank Top an. Ich nehme meine Sweatjacke vom Harken und Molly fährt mich zum Flughafen.
„Da bist du ja endlich.“ Begrüßt mich meine Mum hektisch „Wir müssen einchecken.“ Sie schubst mich in Richtung Check in.
„Bye Molly.“ Ich nehme Molly in den Arm ehe ich meinen Pass auf den Schalter lege.
„Bye Anna.“ Sie sieht mich traurig an.
„Bye Dr. Connor.“ Verabschiedet sie sich auch von meiner Mum.
„Bye Molly.“ Meine Mum drückt sie kurz und dann gehen wir auch schon durch die Sicherheitsschleuse. Ich sehe meine Mum an, sie ist 45 und eine wirklich schöne Frau, sie trägt ihre hellbraunen Haare zu einem kunstvollen Dut und trägt wie eigentlich immer ein Kostüm, heute eines in hellem blau.
Dann sitzen wir auch schon in der Maschine und heben ab in Richtung unbekannte Zukunft. Meine Mum nimmt meine Hand.
„Ich danke dir dass du mitkommst Anna.“ Sagt sie liebevoll.
„Okay.“ Ich sehe sie an und lächle leicht.
„Hast du eigentlich noch mal über das Angebot von Jake nachgedacht im Oceanside Center deine Facharztausbildung zu machen?“ sie sieht mich prüfend an.
„Mum, für dich und für ihn ist die plastische Chirurgie vielleicht die richtige Entscheidung gewesen, aber ich werde meine Facharztausbildung in Notfallchirurgie machen.“ Erkläre ich mindestens schon zum 1000. Mal.
„Ich wollte nur noch mal nachfragen…“ sie drückt kurz meine Hand und dann merke ich wie sich die letzte Nacht rächt und ich einschlafe.
Ich schaffe es tatsächlich 10 Stunden durch zu schlafen und reibe mir über die Augen als ich wach werde.
„Wie lange noch?“ ich gähne herzhaft und meine Mum grinst mich an.
„Wir haben noch 8 Stunden vor uns.“ Erklärt sie mir und ich stöhne leicht.
„Freust du dich denn schon Jake und Ryan kennen zu lernen?“ sie schubst mich leicht.
„Weiß noch nicht.“ Ich zucke mit den Schultern.
Jake alleine wäre ja wirklich kein Problem gewesen, aber er besteht auf biegen und brechen darauf das ich mich mit seinem Sohn verstehen soll und was ich bisher von meiner Mum gehört habe entspricht nicht meinem Bild von einem netten jungen Mann. Eher das Gegenteil, was ich daraus höre deutet auf einen arroganten, verwöhnten Schnösel der in der Werbung sein Geld verdient.
Als ich klein war wollte ich immer Geschwister, aber ganz ehrlich der Zug ist abgefahren…
Als wir endlich in San Diego landen schlägt uns eine Hitzwelle entgegen, ich ziehe meine Sweatjacke aus und lege sie auf meinen Koffertrolli.
„Jake!“ meine Mum stürmt los kaum das wir aus dem Ausgang kommen. Glücklich fällt sie ihm um den Hals.
„Hallo Dr. Anna Connor.“ Begrüßt er mich freundlich und ich lache auf.
„Anna.“ Sage ich grinsend.
„Jake.“ Er zwinkert mir zu.
„Dann werde ich meinen beiden Frauen jetzt mal ihr neues Zuhause zeigen.“ Er schiebt den Koffertrolli vor sich her. Meine Mum strahlt mich an und ich grinse gequält…
Das kann ja was werden.
Draußen steigen wir in eine Limousine mit Fahrer und ich sehe meine Mum erstaunt an, aber sie hat nur noch Augen für Jake. Wir steigen ein und unser Gepäck wird eingeladen.
Wir fahren die knappe Stunde, ich lasse die ganzen neuen Eindrücke auf mich wirken und schließlich halten vor einer riesigen Villa. Ich meine Mum hat mir gesagt das Jake Geld hat, aber soviel Geld?
Ganz ehrlich, hier verlaufe ich mich ohne Navi.
„So Anna, ich zeige dir jetzt erst einmal deine Einliegerwohnung und dann kannst du dich ein wenig ausruhen.“ Jake nimmt meine Taschen und geht mir und meiner Mum voran ins Haus.
Gleich neben der Tür geht rechts eine Treppe hoch und oben befinden sich zwei Türen… mir schwant nichts Gutes.
„So Anna, das ist dein Reich und nebenan wohnt Ryan, ich denke ihr werdet euch heute beim Abendessen kennen lernen.“ Er schließt die Tür auf und reicht mir den Schlüssel.
„So ich werde mich jetzt ein wenig um deine Mum kümmern, wenn was ist findest du uns unten.“ Er nickt mir zu und ich sehe ihm nach einem Blick auf den Schlüssel hinterher.
Ich betrete die Wohnung… Wahnsinn! Ich gehe durch den kleinen Flur mit einem riesigen Schuhschrank und betrete das Wohnzimmer. Also hier ist an wirklich nichts gespart worden. Riesiger Fernseher, große Musikanlage mit I-Pod, weiße Ledercouch und ein paar Kommoden, dann trete ich auf die kleine Terrasse die wie ich feststelle mit Ryan seiner verbunden ist. Es ist ein atemberaubender Anblick den der Pazifik mir bietet, also ich weiß schon wo ich jeden Morgen joggen gehen werden, das ist gar kein Vergleich zu dem St. Stephens Green mit dem ich mich bisher begnügt habe.
Auf der Terrasse stehen Sonnenliegen aber ich beschließe mir erst einmal den Rest der Wohnung anzuschauen. Ich finde mein Schlafzimmer in dem ein King Size Himmelbett steht, ich glaube ich habe mich gerade in mein neues Bett verliebt. Der Kleiderschrank bietet mehr Platz als mein ganzes altes Schlafzimmer in Dub stelle ich leicht kopfschüttelnd fest. Die Küche ist zwar kleine aber mit allem Schnick Schnack ausgestattet und nachdem ich die Kaffeemaschine, wohl eher den High Tech Kaffee Vollautomat in Gang bekommen habe mache ich mir einen Milchkaffee und setzte mich mit dem auf die Terrasse. Also, ganz ehrlich das ist wirklich schön!
Da der Kaffee mir nicht den erhofften Kick gibt beschließe ich mich ein wenig hinzu legen.
Durch ein klopfen werde ich irgendwann geweckt und gehe verschlafen zur Tür.
„Kommst du zum Abendessen? Olivia und Dad warten.“ Ertönt eine tiefe Stimme als ich die Tür öffne.
Ich kann nicht anders und starre ihn einen Moment perplex an.
„Ryan Preston.“ Er reicht mir seine Hand. Weiter starre ich ihn an, also er ist nicht im Entferntesten so wie ich ihn mir vor gestellt habe. Er ist bestimmt 1,90 m groß und verdammt gut gebaut, seine Bauchmuskeln zeichnen sich unter seinem weißem Hemd ab, er hat strahlend blaue Augen und kurze dunkelbraune Haare, die er modisch nach oben gegelt trägt. Er sieht aus wie der Prototyp eines Sunnyboys… wenn ich ehrlich bin weiß ich nicht was ich erwartet habe, aber bestimmt keinen Kerl der aussieht als wäre er geradewegs aus einer Werbung für Beachboys gesprungen.
„Anna Connor.“ Sage ich endlich und schüttle seine angebotene Hand.
„Vielleicht solltest du dir mal was Anständiges anziehen und dann runter kommen.“ Er sieht abschätzig an mir runter.
Ach, ja das Äußere kann täuschen… aber der Charakter passt zu meinem Bild.
„Kümmere dich um deinen Kram.“ Erwidere ich gereizt und knalle ihm die Tür vor der Nase zu.
Wie kann man so gut aussehen und so blöd sein?
Ich ärgere mich über ihn und sehe mich im Spiegel an, ich trage immer noch meine Jeans und das graue Tank Top… Was ist denn daran falsch?
Ich kämme mir meine langen Haare und ziehe meine FlipFlops an ehe ich die Treppe runter gehe.
„Mum?“ rufe ich fast zaghaft als ich unten stehe.
„Hier Spatz.“ Erwidert sie und ich folge ihrer Stimme in die wirklich große Wohnküche an deren Tisch schon Ryan, Mum und Jake zusammen sitzen.
„Hast du ein wenig geschlafen?“ fragt Jake besorgt und ich nicke leicht ehe ich mich setze.
„Du hast ja immer noch die gleichen Klamotten an!“ Ryan zieht eine Augenbraue hoch.
„Was dagegen?“ ich fülle mir Salat auf und sehe ihn böse an.
„Du bist hier nicht mehr in irgendeinem irischen Kaff.“ Er sieht mich herausfordernd an.
„Nur zur Information, die letzten 4 Jahre habe ich in Dublin gewohnt, das ist die Hauptstadt von Irland. Wie ich dich einschätze weißt du das natürlich nicht, aber zu deiner Info ich denke mit über einer halben Million Einwohner ist es eine Stadt und kein Kaff.“ Ich muss mich echt beherrschen.
Ich kenne ihn seit nicht einmal einer halben Stunde und schon habe ich das dringende Bedürfnis ihn in der Suppe zu ertränken die er gerade isst.
„Ich denke nicht dass du Dublin mit Oceanside vergleichen kannst. Allein San Diego und zu diesem Landkreis gehört Oceanside hat 4,7 Millionen Einwohner. Also Ireland, ich denke nicht das du weißt was eine Stadt ist und deine Freunde kannst du schon mal gar nicht mit dem Personenkreis vergleichen mit dem mein Dad und ich uns umgeben.“ Seine Stimme tropft vor Arroganz und Abschätzigkeit.
Ich atme tief durch und will gerade zum Gegenschlag ansetzen als meine Mum mich bittend ansieht. Sofort mache ich meinen Mund wieder zu. Wie kommt er dazu mich Ireland zu nennen? Herrgott ich habe einen richtigen Namen! Ich nenne ihn ja auch nicht arrogantes Arschloch obwohl das besser zu ihm passen würde.
„Ryan, ich möchte dass du nett zu Anna bist. Ihr werdet in drei Monaten Geschwister sein und ich möchte das ihr euch versteht.“ Bittet Jake Ryan eindringlich.
Nett?
Kann er so etwas?
Ich esse schweigend meinen Salat und meine Mum lässt mich nicht aus den Augen.
„Was denn Mum?“ frage ich nach einer ganzen Weile.
„Ich will nur sicher sein das du genug isst.“ Sagt sie besorgt.
„Ja Mum, ich esse und trinke ausreichend.“ Ich sehe sie genervt an.
Meine Mum liegt mir ständig in den Ohren das ich zu dünn bin, aber ehrlich das bin ich nicht… Manche jungen Frauen kommen zu ihr um so einen flachen Bauch wie ich ihn habe zu bekommen.
„Ich gehe noch eine Runde joggen.“ Ich sehe zu ihr und sie nickt leicht.
„Verlauf dich nicht Spatz.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ich nehme ein Navi mit, aber ich denke das Haus ist so groß das würde ich auch von Weltall aus finden.“ Ich lächle leicht und gehe zurück in meine Wohnung.
Ich räume meine Taschen aus und ziehe mir kurze Shorts und ein bauchfreies Top über meinen BH an. Ich nehme den I-Pod und lade ein paar Songs von meinem Laptop drauf. Ich gehe in den Flur, ziehe mir meine Turnschuhe an und binde mir einen hohen Pferdeschwanz.
Auf der Treppe stoße ich mit Ryan zusammen da ich gerade versuche meine Ohrstöpsel anzuschließen. Ich muss mich an ihm fest halten um nicht die Treppe runter zu fallen. Den Bruchteil einer Sekunde sehen wir uns in die Augen und ich bekomme unwillkürlich eine Gänsehaut.
Ich mache mich schnell von ihm los und trete aus der Tür, die Hitze erschlägt mich beinahe, aber ich gehe den Weg neben dem Haus zum Strand und laufe los. Es tut so gut, ich fühle mich schlagartig besser…
Die Sonne auf meiner Haut, die salzige Pazifikluft und mein Lieblingsmusik. Ich laufe bis zu einem großen Pier und sehe auf meine Trainingsuhr, 2,38 km. Okay dann würde ich hin und zurück auf ein wenig über 4 km kommen. Perfekt!
Ich ziehe meine Turnschuhe aus und laufe zurück im seichten Wasser.
Als ich wieder vor dem Haus bin sehe ich schon ein wenig eingeschüchtert hoch. Ich meine in Irland gibt es ein oder zweistöckige Häuser, das hier hat 3 Stockwerke, und etliche Terrassen und kleine Erker. Es ist toll, doch ganz wirklich aber es schüchtert mich auch ein wenig ein.
Ich gehe unter die Dusche und setze mich dann an meinen Laptop, ich muss dringend arbeiten… ich muss hier ausziehen, nicht das es mir nicht gefällt aber ich lebe nun einmal nicht gerne auf Kosten anderer.
Eine Absage nach der anderen…
Verdammt!
Ich schreibe noch drei weitere Bewerbungen und hoffe auf eine faire Chance. Ich habe einen Durchschnitt von 1,2 da sollte doch wohl etwas für mich zu finden sein.
Am nächsten Morgen ist das Haus wie leer gefegt und ich finde nur einen Zettel in der Küche.
Hallo Spatz!
Jake und ich haben heute unseren ersten gemeinsamen Arbeitstag und Ryan ist in seinem Büro. Mach dir bitte einen schönen Tag. Wir sehen uns zum Abendessen.
Mum
P.s. im Flur liegt der Autoschlüssel zu deinem Auto, Jake hat es sich nicht ausreden lassen, er meint du brauchst ein Auto um flexibel zu sein.
Ich mache mir ein kleines Frühstück und gehe eine Runde laufen. Ich ziehe mir meine Lieblingsjeans und ein Top an. Dann nehme ich mir den Autoschlüssel und gehe in die Garage.
Garage?
Nein wohl ehe ein Unterirdischer Parkplatz. 2 Stellplätze sind frei und ich gehe mal einfach davon aus das sonst Jake und Ryans Wagen da stehen. Ich drücke auf die Fernbedienung und die Blinker an einem dunkelblauem 3er BMW Cabrio leuchten auf.
Was?
Ist das sein Ernst?
Ich umrunde das Auto, da ist der Wahnsinn…
Aber ich kann das nicht annehmen.
Ich nehme mein Handy und wähle die Handynummer meiner Mum.
„Ja Spatz?“ meldet sie sich fröhlich.
„Das kann nicht sein Ernst sein, ich kann das nicht annehmen.“ Stottere ich.
„Doch Spatz, tue mir den Gefallen. Wenn du eine Stelle bekommst musst du flexibel sein und Jake hat darauf bestanden. Nehme es als dein Begrüßungsgeschenk.“ Flötet sie.
„Mum…“ setze ich an.
„Bitte Anna.“ Sagt sie eindringlich.
„Mum er soll mich nicht kaufen.“ Erwidere ich hitzig und lege auf.
Ich verlasse das Haus und mache mich auf die Suche nach einer Bushaltestelle. Nach einem geschätzten Fußmarsch von 3 km finde ich endlich eine und versuche aus dem Plan schlau zu werden.
Was soll’s so schlimm kann es ja nicht werden…
Ich steige in den nächsten Bus und steige vor einem Einkaufzentrum aus, wenn ich was bemerkt habe, dann das ich dringend wenigstens ein paar neue Klamotten brauche. Ich habe nicht viel in Sachen sommerlich im Angebot.
Nachdem ich mich um ein paar Jeansshorts, Tops und ja ich gebe es zu dem einem oder anderem Kleid und Rock bereichert habe gehe ich wieder zur Bushaltestelle. Da ich mir die Nummer gemerkt habe gehe ich davon aus das nicht viel schief gehen kann.
Ich habe mich geirrt…
Und wie ich mich geirrt habe…
Als der Bus an der Endstation hält habe ich meinen restlichen, im Übrigen sowieso nicht sehr gut ausgeprägten, Orientierungssinn verloren.
Ich steige aus und finde mich in dem wohl nicht so angesagten Stadtteil Oceansides wieder.
Bin ich überhaupt noch in Oceanside?
Also das Amerika kommt in den Hollywoodfilmen definitiv nicht vor.
Ich stolpere drei Stunden durch die Gegend und versuche mich irgendwie zu orientieren, schließlich muss ich mir eingestehen dass ich mich hoffnungslos verlaufen habe und zu allem Überfluss habe ich nicht genügend Geld für ein Taxi.
Ich nehme mein Handy und wähle die Hausnummer von Jake oder sollte ich jetzt sagen von mir an?
Nachdem es mehrmals geklingelt hat meldet sich natürlich die Person die ich am Wenigsten gebrauchen kann.
„Ryan Preston.“ Ertönt es nun schon zum zweiten Mal und ich räuspere mich.
„Hier ist Anna. Ist meine Mum da?“ frage ich.
„Nein, sie und Dad sind Essen gegangen.“ Erwidert er gelangweilt.
„Na toll.“ Rutscht es mir raus.
„Was willst du?“ seine Stimme klingt jetzt schon genervt.
„Ich glaube, ich denke…“ stottere ich.
„Herrgott bringen die euch in Irland nicht bei in ganzen Sätzen zu sprechen?“ fährt er dazwischen.
„Ich habe dir nichts getan du arrogantes Arschloch.“ Erwidere ich wütend.
„Sonst noch was?“ nun klingt er ehe belustigt.
„Verdammt ich habe mich irgendwie verlaufen.“ Sage ich zerknirscht.
Jeden anderen hätte ich jetzt lieber um Hilfe gebeten, aber verdammt es ist kein anderer da.
„Und?“ kommt es nach einer Pause.
„Wärst du so nett und würdest mich abholen?“ presse ich heraus.
Jetzt muss ich auch noch freundlich zu ihm sein.
„Ich soll dich abholen?“ er lacht auf.
„Ja, es sei denn du willst meiner Mum erklären dass ihre Tochter in irgendeiner Gasse abgestochen verblutet ist.“ Zische ich.
Ich übertreibe?
Nein, wohl eher nicht…
Wenn ich mir die Umgebung so anschaue das ist das durchaus ein mögliches Szenario.
„Wo immer du in Oceanside bist, das ist unwahrscheinlich.“ Erwidert er trocken.
„Ich weiß ja nicht einmal ob ich überhaupt noch in Oceanside bin.“ Erkläre ich kleinlaut und drücke mich an die Hauswand.
Bloß nicht auffallen Anna Connor. Rede ich mir immer wieder gut zu.
„Wo bist du? Oder kannst du die Schilder nicht lesen?“ erwidert Ryan nach einer gefühlten Ewigkeit.
Verdammt es ist schon dunkel und ich suche nach den nächsten Straßenschildern.
„Mason Road Ecke Hidden Lake Lane.“ lese ich ab und atme tief ein als ein paar Männer an mir vorbei gehen.
„Wie zur Hölle bist du da hin gekommen?“ Ryan schreit mich fast an „Ich bin in 30 Minuten da, rühr dich nicht vom Fleck.“ Weist er mich an und legt auf.
Ich drücke mich wieder an die Hauswand und beginne zu frösteln, schon komisch ich als waschechte Irin stehe hier in Kalifornien und friere… Welch Ironie.
Endlich taucht ein schwarzer Sportwagen auf und auch wenn ich mir nicht 100%ig sicher bin das es Ryan ist trete ich an die Straße.
Er hält sofort an, steigt aus und schubst mich quasi ins Auto.
„Bist du total durch geknallt?“ fährt er mich an und ich merke wie mir Tränen in die Augen steigen.
„Wie kommst du hierher?“ blafft er weiter und ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, welche Angst ich in den letzten beiden Stunden hatte und wie froh ich bin das er da ist.
Herrgott, ich freue mich wirklich Ryan Preston zu sehen.
„Bus.“ Sage ich kleinlaut.
„Meinst du mein Dad hat dir umsonst ein Auto gekauft?“ er packt mich an einer Ampel ziemlich grob am Arm.
Ich sehe ihn verletzt an.
„Er macht es nicht um dich zu kaufen, wie du Olivia so schön gesagt hast. Oceanside oder besser gesagt Carlberg, wo ich dich gerade eingesammelt habe, hat auch seine gefährlichen Seiten und deswegen fährt man hier nicht Bus wenn es nicht nötig ist.“ Er lässt mich los.
„Ich Dublin bin ich auch gut mit dem Bus zu Recht gekommen.“ Wehre ich mich schwach.
„Wir sind aber hier nicht in Dublin.“ Er sieht mich kopfschüttelnd an. „Ich rate dir eines Anna Connor aus der großen Stadt Dublin, nimm das Auto wenn du das nächste Mal irgendwo hin musst.“ Er biegt in die Tiefgarage ein und kurz hinter uns fahren meine Mum und Jake hinein.
Was ein Timing…
„Wo kommt ihr denn her?“ Jake sieht uns überrascht an.
„Ich musste Anna gerade aus Carlberg West abholen.“ Sagt Ryan kalt und Jake sieht mich mit großen Augen an.
„Wie bist du denn da hin gekommen?“
„Ich wollte mit dem Bus fahren.“ Sage ich kleinlaut.
„Anna…“ setzt er an.
„Spar es dir bitte Jacob, Ryan hat mich zu genüge darauf aufmerksam gemacht das es Falsch war…“ ich reibe mir meinen Arm „Es kommt nicht wieder vor.“ Damit verlasse ich die Tiefgarage und gehe nach oben in meine Wohnung.
Schluchzend setze ich mich auf einer der Sonnenliegen.
Ich will hier weg…
Ich will nach Hause…
Ich will zurück nach Dublin, in eine Stadt wo man Bus fahren darf und wo ich mich vor allen Dingen nicht verlaufe.
Ich höre Schritte und sehe auf, Ryan kommt aus seinem Wohnzimmer auf die Terrasse.
Ich wische meine Tränen weg und stehe ruckartig auf.
„Komm schon Ireland…“ sagt er belustigt.
„Spar es dir Ryan Preston.“ Presse ich heraus, gehe in mein Wohnzimmer, schließe die Tür und ziehe die Vorhänge zu.
Ich lasse mich auf die Couch fallen und zweifle wirklich an meiner Entscheidung. Aber dann siegt der Kampfwille in mir, ich klappe meinen Laptop auf und checke mein Postfach.
„Wow.“ Entfährt es mir, ich habe tatsächlich eine Zusage bekommen!
„Wahnsinn!“ ich springe auf und laufe nach unten zu meiner Mum und Jake.
„Mum!“ rufe ich und warte woher denn eine Antwort kommen mag.
„Hier Spatz.“ Kommt es aus dem Wohnzimmer und ich stürme hinein.
„Ich habe eine Stelle bekommen!“ jubele ich.
Meine Mum strahlt mich an, springt auf und nimmt mich in den Arm.
„Das ist super mein Spatz.“ Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Wo denn Anna?“ Jake sieht mich gespannt an.
„Northern Valley Central.“ Strahle ich.
„Das freut mich wirklich für dich.“ Jake steht auf und nimmt mich ebenfalls in den Arm „Wann kannst du denn anfangen?“
„Die Stelle ist ab dem 01.09.“ ich bekomme das Grinsen gar nicht mehr aus meinem Gesicht.
„Dann hast du ja noch 3 Wochen um dich ein wenig einzuleben…“ meine Mum streicht mir eine Strähne hinters Ohr. „… Und du hast noch frei wenn wir nächste Woche unsere Verlobung feiern.“ Freut sie sich.
Ach, ja das war ja noch was…
„Was das angeht…“ druckse ich herum.
„Komm schon Anna.“ Meine Mum sieht mich bittend an.
„Ja Okay, aber ich halte keine Rede oder sonst etwas.“ Stelle ich klar.
„Nein, nein…“ Jake lacht „… Isabella, die Tochter eines Arbeitskollegen kommt nächste Woche vorbei und will sich mit dir nach einem passendem Kleid umsehen, vielleicht versteht ihr euch ja ganz gut.“ Erklärt er mir.
Gerade will ich ihm mal wieder klar machen dass ich keine Hilfe brauche um mir Freunde zu suchen, aber ein Blick meiner Mum genügt und ich lächle gequält.
„Okay, sie soll mich anrufen.“ Sage ich schließlich „Ich werde jetzt zu Bett, mein Tag war anstrengend.“ Ich winke den beiden zu und gehe Richtung Treppe.
Ryan kommt mir nur in Badeshorts entgegen und ich ziehe scharf Luft ein. Er sieht wirklich verdammt gut aus.
„Hey Ireland!“ er grinst mich überheblich an und ich atme tief ein.
„Hallo arrogantes Arschloch.“ Ich nicke ihm zu und dränge mich an ihm vorbei die Treppe hoch.
„Was habe ich dir denn getan?“ ruft er mir hinterher.
„Du existierst!“ kontere ich und schließe die Tür hinter mir.
Ich gehe schnell unter die Dusche und nehme dann mein Telefon um Molly anzurufen, in Dublin ist es jetzt erst später Nachmittag und ich erreiche sie wie gedacht zu Hause.
Ich erzähle ihr von den Erlebnissen der letzten 48 Stunden und sie lacht so sher das sie schon Bauchschmerzen hat.
„Weißt du wie sich das für mich anhört?“ fragt sie prustend.
„Na wie?“ ich gähne herzhaft.
So gut ihre Laune jetzt auch sein mag, sie steckt nicht mitten in dem Chaos.
„Also erstens Mal denke ich das dir Ryan mehr gefällt als du zugeben würdest und zweitens klingt das nach Schweinchen Babe in der großen Stadt. Anna, find dich damit ab, du bist ein Landei.“ Lacht sie.
„Ryan soll mir gefallen?“ ich schnappe empört nach Luft.
„Ja sicher. Setz doch mal deine weiblichen Reize ein…“ Sagt sie ungerührt.
„Er sieht gut aus…“ ich denke nach „… aber ehrlich Molly er ist ein arrogantes Arschloch, wenn du mich besuchen kommst dann kannst du ihn gerne geschenkt haben.“ Sage ich gönnerhaft. Ich werde meine Reize bestimmt nicht an ihn verschenken, wann und wie ich einsetze habe ich bisher immer noch ganz gut alleine entscheiden können. Unwillkürlich fahre ich über meine doch zugegebenen Maße ausgeprägte Brust. Ein sehr gutes C-Körbchen ist angesichts meiner zierlichen Figur schon was Besonderes und ja ich gebe es zu manchmal ganz nützlich…
„Ach lass mal, ich gehe am Wochenende mit Pat aus.“ Erwidert sie zweideutig.
„Du und Pat?“ nun lache ich.
„Was?“ fragt sie und ist augenblicklich ernst.
„Komm schon Molly, das haben wir alle kommen sehen, du bist total in ihn verschossen und er in dich… ihr seid einfach zu blöd. Da muss ich erst aus dem Land verschwinden damit ihr es hin bekommt.“ Lache ich.
„Ja, ja Klugscheisserin.“ Nun lacht sie wieder, sie weiß dass ich Recht habe.
Ich habe gerne Recht!
„Okay, dann bestelle allen liebe Grüße und wir telefonieren bald wieder.“ Ich schicke ihr einen Kuss durchs Telefon und lege dann auf.
Mein Körper ist wohl noch nicht auf kalifornische Zeit eingestellt denn ich bin überhaupt noch nicht müde. Nachdem ich kurz überlegt habe ziehe ich mir ein dünnes Top und meine Hotpants an, nehme meine Lehrbücher und setze mich auf einer der Sonnenliegen. Das Licht was durch die Tür scheint reicht damit ich lesen kann.
Ich werde in den nächsten drei Wochen versuchen mich so gut wie möglich auf mein Assistenzjahr vorzubereiten. Ich will einfach alles richtig machen…
Die nächste Woche zieht an mir vorbei und ich komme langsam aber sicher mit der Zeitumstellung klar, fahre nur noch mit dem Auto wenn ich irgendwo hin muss und das Beste ist, ich habe Ryan die letzten 7 Tage nicht einmal gesehen…
Isabella, meine Zwangsfreundschaft die mir Jake aufs Auge gedrückt hat, hat heute Nachmittag angerufen und wir haben eine gute Stunde miteinander geplaudert, sie scheint wirklich nett zu sein und im Stillen danke ich Jake für seine Bemühungen. Ich bin froh mit ihr morgen einkaufen zu gehen, denn ich habe nicht die geringste Ahnung was mich übermorgen im Oceanside Yacht Club erwartet.
Bella hat mir lediglich ein paar kleine Brocken hin geworfen und anhand dessen versuche ich mir nun ein Bild zu machen.
Ich nehme das Buch welches ich gerade durch arbeite und gehe auf die Terrasse.
An einige Annehmlichkeiten habe ich mich erstaunlich schnell gewöhnt… der Luxus einer Terrasse auf der man ungestört lernen kann ist nur eine davon.
Ich bin versunken in meinem Buch und merke nicht wie noch jemand die Terrasse betritt.
„Wir sollten uns überlegen was wir deiner Mum und meinem Dad zur Hochzeit schenken.“ Sagt eine dunkele Stimme plötzlich und mir fällt vor Schreck fast das Buch aus der Hand.
„Mein Gott kannst du dich nicht so anschleichen?“ fahre ich ihn an.
„Komm runter Ireland, wenn es nicht Wichtig wäre dann hätte ich dich auch nicht angesprochen.“ Erwidert er gelangweilt.
„Ich habe den Beiden einen Wellnessgutschein gekauft, was du machst musst du schon selber wissen.“ Ich klappe mein Buch zu und gehe in Richtung meiner Terrassentür.
„Du hast ja Farbe bekommen.“ Stellt er fest.
„Ja toll.“ Sage ich ungerührt und schließe die Tür hinter mir.
Ich gehe duschen und betrachte mich im Spiegel, er hat Recht, ich habe wirklich ordentlich Farbe bekommen. Ich drehe mich um meine eigene Achse. Wahnsinn und das in nur ein paar Tagen, meine Haare sind jetzt fast nur noch blond, der Rotstich ist fast verschwunden.
Hey, ich glaube ich passe mich an…
Hoffentlich mutiere ich nicht zu einer dieser Barbies die ich auf meinen Joggingrunden immer sehe.
Brrr…. Ich will gar nicht darüber nachdenken.
Am nächsten Morgen ist Ryan tatsächlich noch im Haus als ich mich für meine Einkaufstour mit Bella fertig mache und als ich mich, um die letzten Minuten zu überbrücken auf die Terrasse setze kommt er zu mir.
„Was willst du?“ frage ich angespannt.
„Hey Ireland, kannst du mir ein weißes Hemd von Dolche und Gabana mitbringen? Ich schaffe es nicht mehr in die Stadt.“ Fragt er mich gerade heraus und ich sehe ihn prüfend an.
„Ist das dein Ernst?“ ich stehe auf da es klingelt.
„Ja bitte in L.“ er sieht mich kurz an und ich nicke leicht.
„Okay, das ist denn die Gegenleistung dafür dass du mich abgeholt hast.“ Ich nehme meine Tasche von der Kommode und stecke die Kreditkarte meiner Mum ein.
Ja, ja ich weiß ich wollte mich nicht aushalten lassen, aber ich kann meine Mum ja schlecht blamieren also habe ich das Angebot angenommen.
Schwungvoll öffne ich die Tür und eine dunkelhaarige Frau steht vor mir.
„Bella?“ ich sehe sie fragend an.
„Ja.“ Sie reicht mir ihre Hand „Dann bist du Anna.“ Sie grinst freundlich.
Ich atme innerlich durch, Bella ist augenscheinlich eine ganz normale junge Frau, sie trägt Jeans und ein einfaches Top und ist nicht aufgedonnert.
Ich muss mich wirklich bei Jake bedanken. Geht es mir durch den Kopf.
„Dann mal los.“ Ich grinse sie an und wir steigen in ihr Auto.
„Na fühlst du dich schon ein wenig heimisch in Oceanside?“ fragt sie mich als wir im Auto sitzen.
„Ein wenig.“ Sage ich nicht sehr überzeugt.
„Also weißt du was…“ sie sieht mich grinsend an „… Ich zeige dir jetzt ein wenig und erkläre dir mal wie der Hase hier so läuft.“ Sie zwinkert mir zu und anstatt gleich in irgendein Klamottengeschäft zu stürzen wie ich es befürchtet habe, genehmigen wir uns ein Eis am Strand.
„Also Anna, weißt du denn jetzt schon was dich morgen erwartet?“ Bella schubst mich leicht und wir setzen uns in den Sand.
„Nicht wirklich.“ Gebe ich zu.
„Also hier mal die Grundlagen. Jacob Preston ist einer der besten Schönheitschirurgen an der Westküste und dementsprechend einflussreich und reich.“ Sie sieht mich an.
„Ja, das habe ich mitbekommen.“ Erwidere ich lächelnd.
„Mein Dad ist einer seiner Partner in der Klinik und wir haben auch das Privileg in den höheren Kreisen zu verkehren.“ Sie lacht leise „Nein ganz ehrlich Anna, ich bin denke ich wie du. Klar ich kann mir wirklich alles kaufen was ich will, aber ich brauche das nicht, ich nehme das was ich brauche und verdiene mein eigenes Geld. Ich habe Wirtschaftsrecht studiert und habe vor ein paar Wochen in einer kleinen Kanzlei angefangen.“ Erzählt sie mir stolz.
„Wahnsinn, ich habe Medizin studiert und fange übernächste Woche im Northern Valley Central als Assistenzärztin an.“ Ich sehe sie an und sie strahlt.
„Hey hübsch und was im Köpfchen.“ Lacht sie.
„Dito.“ Lache ich ebenfalls.
„Also gut, auf solchen Anlässen wie der Verlobung deiner Mum und Jacob Preston werden viel einflussreiche und wohlhabende Leute aufschlagen, bei unserem Glück auch die Nachkommen und vertrau mir, 80 % von denen können nicht einmal 2 und 2 zusammen zählen. Ryan und ich gehörten da irgendwie noch nie dazu.“ Erklärt sie mir.
„Du kennst Ryan?“ frage ich perplex.
„Aber sicher, wir verstehen uns ganz gut.“ Erwidert sie grinsend.
„Wie kann man sich mit dem gut verstehen?“ ich sehe sie fragend an.
„Kommst du nicht mit ihm klar?“ lacht sie.
„Nicht wirklich, allein schon die Tatsache dass ich existiere scheint ihm nicht zu behagen.“ Gebe ich zu „Aber hey das beruht auf Gegenseitigkeit.“
„Ich kenne Ryan als netten, höflichen Mann und nur so nebenbei, er ist einer der angesagtesten Junggesellen in Oceanside.“ Sie zwinkert mir zu.
„Schön für ihn.“ Erwidere ich gelangweilt „Nett? Höflich? Er nagelt mich ständig daran fest das ich ja “nur“ aus Irland komme, er nennt mich Ireland und denkt wirklich ich bin auf den Kopf gefallen. Er macht mich rasend wenn ich ihn nur sehe.“ Ich schüttele leicht meinen Kopf.
„Ach komm schon ihr seid jetzt quasi Bruder und Schwester.“ Bella lacht glockenklar und ich muss grinsen, ich mag sie wirklich gern und bin froh dass wir uns so gut verstehen.
„Wir werden nie Bruder und Schwester sein. Unsere Eltern heiraten das ist der einzige Punkt der uns verbindet.“ Stelle ich fest.
„Wie dem auch sei, wir werden uns jetzt gleich wirklich teure Abendkleider zulegen und dann die Party ein wenig in Schwung bringen.“ Sie zwinkert mir zu, steht auf und zieht mich hoch.
Wir fahren zu einem Einkaufzentrum direkt an der Beach Avenue und als wir den Laden betreten staune ich nicht schlecht…
Wow!
Also mehr fällt mir dazu nicht ein.
Eine Verkäuferin stürzt sich sofort auf uns, aber Bella winkt ab.
„Das bekommen wir alleine hin.“ Sie grinst mich an.
Dann bepackt sie mich mit einem Stapel der unterschiedlichsten Kleider und jagt mich in die Umkleidkabine.
„Also weiß kommt überhaupt nicht in Frage.“ Erklärt sie mir und ich schlüpfe in ein gelbes Kleid, allerdings ist dieses so bescheiden geschnitten das meine Schrittlänge auf 10 cm verkürzt wird.
„Ist das dein Ernst?“ ich trete aus der Kabine und Bella fällt vor lachen fast vom Stuhl.
Die nächsten Kleider sind auch nicht so der Bringer und nach gefühlten 100 Kleidern stehe ich in der Kabine und betrachte mein Spiegelbild.
Ich trage ein bodenlanges dunkelblaues Satinkleid mit einem zugegebener Maßen gewagtem Ausschnitt, unter Brust ist ein schwarzes ca. 4 cm breites Band eingearbeitet und hinten endet der Ausschnitt sage und schreibe 3 cm bevor mein Hintern anfängt.
Was in alles Welt soll ich da für Unterwäsche drunter ziehen?
„Und nun zeig dich schon.“ Fordert mich Bella auf und ich trete aus der Kabine. „Wahnsinn Anna, das ist wie für dich gemacht.“ Sie klatscht übermütig in die Hände.
„Ich finde es auch toll, aber kannst du mir mal verraten was für Unterwäsche ich da anziehen soll?“ ich drehe mich vor ihr im Kreis.
Sie lacht auf und winkt die Verkäuferin ran.
„Also wir nehmen dieses Kleid, dazu schwarze Highheels mit ich denke 10 cm Absätze wären genau richtig, eine schwarze Clutch passend dazu und die Unterwäsche die man darunter tragen kann…“ sie sieht zu mir „Also einen BH kannst du vergessen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Wie du meinst.“ Gebe ich zurück und ziehe das Kleid wieder aus.
Als ich endlich wieder meine Jeans und mein Top anhabe fühle ich mich ein wenig wohler.
„Und wollen wir jetzt nach was Passendem für dich schauen?“ ich sehe sie fragend an.
„Nein, nein ich habe mein Kleid schon. Wir gönnen uns jetzt eine Maniküre und einen Friseurbesuch würde ich sagen.“ Sie strahlt mich an.
„Ich weiß nicht, das ist meine Mums Kreditkarte.“ Ich sehe sie entschuldigend an.
„Hey komm´ schon Anna, Jacob Preston hat mehr Nullen auf seinem Konto wie die Königin von Irland.“ Sie harkt sich bei mir unter.
„Irland hat keine Königin.“ Lache ich.
„Egal, aber wenn ihr eine da drüben hättet, glaub mir Jacob Preston wäre immer noch reicher.“ sie grinst mich an und ich lächle.
Wir gehen zur Kasse und ich bezahle mit einem schlechten Gewissen das wirklich teure Kleid und das Zubehör. Bella nickt mir nur aufmunternd zu und wir gehen in einen Friseursalon auf der gleichen Etage.
„Na meine Hübsche, was können wir für dich tun?“ ein Friseur begutachtet mich von allen Seiten.
„Überrasch mich.“ Ich sehe ihn an und er grinst.
„Also mir schwebt da folgendes vor…“ beginnt er.
„Überrasch mich.“ Sage ich erneut und er lacht.
„Dann wollen wir mal.“ Er dreht meinen Stuhl so dass ich nicht in den Spiegel sehen kann und als er mich zwei Stunden später zurück dreht bleibt mir fast die Spucke weg.
Er hat nur meine Spitzen geschnitten aber mir hellblonde Strähnen gemacht und meine Haare glänzen jetzt goldfarbend, er hat sie leicht durch gestuft und eine leichte Welle gemacht. Ein langer Pony hängt mir rechts ins Gesicht und ich sehe plötzlich aus wie ein anderer Mensch.
„Und hast du es dir so vorgestellt?“ er lächelt mich an.
„Also ganz wirklich…“ ich grinse „… Ich hätte nie gedacht dass man das hier aus mir machen kann.“ Gebe ich zu.
„Ein Irish Girl ist von Natur aus eine Schönheit…“ er grient „… ich habe meinem Schmetterling nur neue Flügel gegeben.“
„Und Bella?“ ich drehe mich zu ihr um.
„Du sieht phantastisch aus.“ Sie sieht mich anerkennend an.
Sie hat sich ihre Haare auf einen Bob kürzen lassen und eigentlich habe ich von Natur aus etwas gegen diesen Haarschnitt, aber ihr steht er fabelhaft. Sie sieht plötzlich so erwachsen aus, dabei ist sie ein Jahr jünger wie ich.
Dann lassen wir uns noch die Nägel machen und ganz ehrlich als ich im Auto nach Hause sitze fühle ich mich anders…
Aber nicht anders im Sinne von Schlecht, sondern anders im Sinne von ich habe endlich mein eigentliches ich gefunden. In den letzten Jahren war neben dem Studium, der Arbeit als Schwester im Krankenhaus und dem Lernen einfach keine Zeit darauf einzugehen das ich eine Frau bin. Umso mehr genieße ich dieses Gefühl jetzt.
„Du Bella…“ ich sehe sie an und sie strahlt.
„Na was Anna?“
„Hast du nächste Woche Zeit mit mir einkaufen zu gehen, mein Kleiderschrank ist noch nicht wirklich auf kalifornisches Wetter eingestellt und ich gebe zu mein Modebewusstsein hat bist heute irgendwie geschlafen.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern.
„Kein Problem, am Mittwoch habe ich immer nur am Vormittag in der Kanzlei zu tun, ich hole dich dann ab. Wir gehen eine Kleinigkeit essen und dann Shopping!“ jubelt sie.
„Ich danke dir.“ Sage ich ehrlich.
„Ach Anna, ich bin froh dass du so bist wie du bist. Da hatte Jacob wohl mal den richtigen Riecher was dich und mich angeht.“ Sie zwinkert mir zu.
„Ja, ich werde mich bei Gelegenheit bei ihm bedanken.“ Lache ich.
Sie hält vor dem Haus und ich nehme meine Tüten von der Rückbank.
„Also ich komme dann morgen um 18 Uhr und wir machen uns fertig, ich bestelle einen Wagen zu 20 Uhr hierher. Ich denke das bekommen wir hin. Mach dir einen schönen Abend Anna!“ sie winkt mir zu.
„Ja. Danke Bella!“ rufe ich ihr hinterher und ich gehe in meine Wohnung, Jake und meine Mum haben heute noch ein Geschäftessen und als ich merke das auch Ryan nicht zu Hause ist bin ich irgendwie erleichtert.
Verdammt Ryan!
Ich habe sein Hemd vergessen!
Ich lade meine Tüten in meinem Schlafzimmer ab und gehe in die Tiefgarage…
Die Versuchung ist groß einfach zu sagen ich habe es vergessen, aber es geht um die Party meiner Mum… also fahre ich noch mal los.
Als ich endlich eine Boutique finde die Dolche und Gabana verkaufen, erstehe ich das Hemd und fahre nach Hause. Na toll, die Aktion hat mich jetzt 2 Stunden gekostet.
Verdammt Anna Connor, vergiss nicht immer alles. Ermahne ich mich selbst.
Als ich den Wagen wieder abstelle steht Ryans Wagen ebenfalls in der Garage und ich seufze. Ich nehme die Tüte und lege sie vor seine Tür, dann mache ich es mir vor dem Fernseher gemütlich, heute habe ich mal keine Lust meine Nase in die Bücher zu stecken.
Am nächsten Morgen gehe ich joggen und frühstücke allein, alle sind irgendwie noch ausgeflogen und endlich gegen Mittag sehe ich meine Mum.
„Wow Spatz. Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht?“ meine Mum sieht mich erstaunt an.
„Gefällt es dir nicht?“ frage ich unsicher.
„Oh Spatz du sieht zauberhaft aus.“ Sie betrachtet mich eingehend.
„Danke.“ Sage ich erleichtert als auch Jake dazu kommt.
„Du siehst ganz anders aus.“ Grinst er.
„Gut hoffe ich.“ Ich grinse und nehme mir einen Salat aus dem Kühlschrank.
„Aber sicher Anna.“ Lacht Jake „Du bist hier im Haus die Zweitschönste Frau.“
„War so klar.“ Ich drehe gespielt genervt mit den Augen und wir lachen alle. „Ich esse oben. Wann fahrt ihr los?“ ich sehe beide fragend an.
„Wir werden um 17 Uhr abgeholt. Ich werde fertig gemacht und dann fahren wir gleich zum Yacht Club.“ Erklärt mir meine Mum.
„Alles klar, dann sehen wir uns da. Bella kommt vorbei und wir machen uns hier fertig. Wir sind dann um 20 Uhr da.“ Ich sehe sie an und Jake grinst.
„Bella?“ fragt er und zieht eine Augenbraue hoch.
„Okay ich gebe es zu, du hast ins Schwarze getroffen…“ ich strecke ihm meine Zunge raus „…Sie ist wirklich nett und wir verstehen uns sehr gut.“ Ich verlasse die Küche und gehe nach oben.
Ich esse gemächlich meinen Salat und gehe duschen, ich entschließe mich dann noch ein wenig in meine Bücher zu schauen als es auch schon an meiner Tür klopft.
„Hey.“ Begrüße ich Bella und sie nimmt mich in den Arm.
„Selber Hey.“ Lacht sie.
Normalerweise gehöre ich nicht zu den Frauen die stundenlang im Bad brauchen, aber heute ist das irgendwie was anderes. Allein die Haare machen und das Schminken dauert fast 1,5 Stunden. Dann anziehen und dann gibt mir Bella noch ein paar Tipps wie ich mich in dem Kleid am Besten bewege. Wir haben so viel zu lachen und als wir uns um kurz vor 20 Uhr im Spiegel anschauen sind wir wirklich zufrieden. Ich trage meine Haare offen und trage lange Ohrringe von Bella und meine Kette mit dem Gladdagh dran, ein Geschenk meiner Grandma. Bella trägt ein feuerrotes, kurzes Kleid und sie strahlt so eine Sicherheit aus, ich bin mir sicher die Männer werden sich um einen Tanz mit ihr reißen…
Als es klingelt nehmen wir unsere Taschen und sehen uns an.
„Bereit?“ fragt sie mich und ich atme tief durch.
„Auf geht´s.“ ich sehe sie an und wir gehen zum Wagen.
Die Fahrt dauert nur ein paar Minuten und dann sind wir am Yachtclub.
Etwas unsicher lasse ich mir aus dem Wagen helfen. Der Yachtclub ist toll geschmückt, alles ist voller weißer Rosen und weißer Ballons… man wenn die schon für die Verlobung so etwas auffahren dann will ich gra nicht wissen wie das zur Hochzeit wird.
„Dann los.“ Bella zwinkert mir zu und wir betreten den großen Saal.
„Ihren Namen bitte.“ Ein junger Mann sieht uns an und ich sehe fragend zu Bella.
„Wenn man hier auftaucht wird man kurz vor gestellt, du kannst doch von IQ schwachen Leuten nicht erwarten das sie sich deinen Namen von einer Party zur nächsten merken.“ Lacht sie.
Dann dreht sie sich zu dem jungen Mann.
„Isabella Simmons-Walsh und Dr. Anna Connor.“ sie zwinkert mir zu.
Er dreht sich zu einem Mikro und verkündet unsere Namen ehe wir die Treppe runter steigen, sofort merke ich wie alle Augen auf mich gerichtet sind, aber Bella strahlt mich an, sodass ich es ihr gleich tue.
Kaum unten angekommen nimmt mich auch schon meine Mum in den Arm.
„Ganz ehrlich Spatz, du siehst zauberhaft aus.“ Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Anna! Isabella!“ Jake nimmt uns beide kurz in den Arm „Ihr seid wunderschön.“ Er zwinkert mir zu.
„Ja ich weiß schon die zweitschönste und die drittschönste Frau in diesem Saal.“ Ergänze ich lachend.
„Mindestens.“ Erwidert er.
„Isabella, kann ich dir Anna kurz entführen?“ Jake sieht zu Bella und sie nickt. „Anna, ich möchte dir ein paar Kollegen vorstellen.“ Jake harkt mich unter und die nächste Stunde unterhalte ich mich mit so vielen verschiedenen Ärzten das mir schon der Kopf brummt.
„Anna?“ ertönt eine mir ziemlich bekannte Stimme hinter mir.
Langsam drehe ich mich um und sehe in Ryan sein Gesicht.
„Ryan.“ Sage ich und sehe ihn mir an, er trägt klassischer Weise einen Smoking, aber verdammt es gehört verboten darin so gut auszusehen.
Er starrt mich einen Moment an, dann taucht ein weiterer Mann neben ihm auf.
„Hast du schon deine neue Stiefschwester, das Landei, entdeckt?“ fragt er ihn und ich sehe zu Ryan.
„Das bin dann wohl ich.“ Sage ich freundlich und reiche ihm die Hand.
„Du bist Anna?“ er starrt mich ungläubig an.
„Ja.“ Sage ich erstaunt.
„Hey Ryan, ganz ehrlich…“ er klopft ihm auf die Schulter „… ich würde es mir nie verzeihen wenn ich sie jetzt nicht zum tanzen auffordere. Man Anna, Ryan hat nicht mit einem Wort erwähnt wie toll du aussiehst.“ Er reicht mir seine Hand. „Ich bin David, ein sehr guter Freund von Ryan und ich würde dich gerne um diesen Tanz bitten.“
„Sehr gerne.“ Ich lächle und lasse mich von ihm auf die Tanzfläche führen.
Wir tanzen zusammen und David erzählt mir Sachen von Ryan bei denen ich wirklich Tränen lachen muss. So habe ich ihn bisher nicht erleben dürfen und es fällt mir wirklich schwer ihn mir so vorzustellen. Alles was David erzählt klingt irgendwie nach einem anderen Ryan, aber nicht nach meinem Ryan…
Meinem Ryan?
Stopp…
Nach Jakes Ryan. Verbessere ich mich schnell…
Irgendwann finde ich im getümmel auch Bella wieder, an der Seite von Ryan. Die beiden unterhalten sich gerade als David und ich dazu kommen.
„Hallo Bella.“ David nimmt sie in den Arm.
„Hey David. Was machst du denn hier?“ begrüßt sie ihn strahlend.
„Ich habe mein Praktikum beendet und arbeite jetzt für die L.A. Times.“ Berichtet er stolz.
„Ich freue mich so für dich.“ Strahlt sie.
Moment mal, diesen Gesichtsausdruck kenne ich zu gut von Molly… da läuft doch was.
„Tanzen?“ ertönt sanft Ryans Stimme dicht neben meinem Ohr und ich zucke leicht zusammen.
„Warum?“ ich sehe ihn erstaunt an.
„Weil deine Mum und mein Dad gleich offiziell ihre Verlobung bekannt geben und dann tanzen, das sollten wir auch tun.“ Nun klingt seine Stimme wieder gereizt und ich nicke verhalten.
Ich sehe zu Jake und meiner Mum und die kleine Ansprache ist wirklich rührend, meine Mum sieht so toll in ihrem weißen Kostüm aus und wischt sich verstohlen eine Träne weg.
Dann setzt die Musik ein und nachdem sie eine Weile alleine getanzt haben zieht mich Ryan auf die Tanzfläche. Als sich seine Hand auf meinen nackten Rücken legt bekomme ich eine Gänsehaut und atme tief durch.
„Meinst du, du wirst diesen einen Tanz mit mir überleben?“ raunt er mir ins Ohr.
„Werde ich wohl.“ Gebe ich verwirrt zurück.
Was ist nur mit diesem Mann los?
Der wechselt seine Stimmungen schneller wie eine Achterbahn ihre Auf- und Abfahrten… Und da soll einer mitkommen. Mir ist jetzt schon ganz schlecht.
Nachdem die Musik kurz aussetzt lässt mich Ryan los, wir sehen uns einen Moment einfach nur an. Dann besinne ich mich und gehe zurück zu Bella und David.
„Hey ihr sehr gut zusammen aus.“ Bella zwinkert mir zu.
„Ha, Ha.“ Lache ich trocken und werfe ihr einen bösen Blick zu.
Ryan kommt ebenfalls bei uns an und sieht mich grimmig an.
„Was habe ich dir denn schon wieder getan?“ frage ich leicht genervt.
„Nichts.“ Er nimmt sich ein Glas von einem Tablett was an uns vorbei getragen wird und kippt es mit einem Zug runter.
„Hey, wenn du Durst hast, hier gibt es auch Wasser.“ Ich sehe ihn kopfschüttelnd an.
„Anna.“ Bella lacht auf.
„Was denn?“ ich sehe sie unschuldig an.
„Lass Ryan in Ruhe.“ Sie schüttelt lächelnd den Kopf.
„Geh du mal lieber mit David tanzen.“ Erwidere ich grinsend und die beiden sehe mich an.
„Was denn? Ich denke ihre werdet mindestens genauso gut zusammen aussehen wie Ryan und ich.“ Ich verdrehe die Augen und die beiden gehen tanzen.
„Anna…“ setzt Ryan an und ich sehe zu ihm, seine Augen wirken in diesem Licht so unheimlich blau…
„Entschuldigung. Bist du Dr. Anna Connor?“ ein junger Mann spricht mich an und ich reiße mich von Ryans Augen los.
„Ja die bin ich.“ Ich strecke ihm meine Hand entgegen.
„Freut mich sehr, ich bin Dr. Oliver Langley, ich bin Oberarzt am Northern Valley Central und Jacob meint wir sollten uns schon mal kennen lernen, da du ja übernächsten Montag bei uns anfängst.“ Er grinst mich an.
Oh Jake!
„Freut mich ebenfalls Dr. Langley.“ Ich schüttele seine Hand und er lächelt.
„Oliver.“ sagt er und ich lächele ebenfalls.
„Anna.“ Ich nicke ihm kurz zu.
„Darf ich dich zum Tanzen entführen?“ fragt er höflich und ich harke mich in seinem angebotenem Arm unter.
Oliver ist ebenso wie Ryan ein ausgezeichneter Tänzer und ich danke meine Mum im Stillen das sie mich als 14jährige zu den ganzen Gesellschaftstanzkursen geschleppt hat. Bisher habe ich sie nicht gebraucht, aber eine inner Stimme sagt mir, dass sich das jetzt wohl ändern wird.
„Und Anna, freust du dich bei uns anzufangen?“ Oliver sieht mich fragend an.
„Ja, ich freue mich wirklich. Es war gar nicht so einfach eine Stelle zu bekommen.“ Gebe ich zu.
„Warum hast du denn nicht Jacob gefragt?“ er sieht mich erstaunt an.
„Weil ich meinen Weg alleine gehen will.“ Sage ich sicher und er nickt anerkennend.
„Das imponiert mir.“ Gibt er lächelnd zu.
„Vielen Dank.“ Ich erwidere sein lächeln.
Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über das Krankenhaus, was mich erwarten wird und was ich mir vorstelle. Nach einer Stunde bringt er mich zu Ryan zurück. Auch Bella und David sind wieder bei ihm.
„Vielen Dank Anna, ich freue mich dich bald jeden Tag zu sehen.“ Oliver gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich freue mich auch Oliver.“ Gebe ich verlegen zu.
Oliver ist wirklich sehr nett und obendrein sieht er noch echt gut aus. Er ist groß, okay nicht ganz so groß wie Ryan, aber eben groß. Er hat schwarze kurze Haare die er streng nach hinten trägt und warme braune Augen.
Aber bestimmt wäre es nicht so sinnvoll eine Affäre mit einem Oberarzt anzufangen, ich will mir ja nicht gleich mein eigenes Grab schaufeln…
„Hat es Spaß gemacht?“ zischt mir Ryan zu und ich sehe ihn kopfschüttelnd an.
„Weißt du Ryan Preston, wahrscheinlich bist du irgendwo unter dieser ganzen Arroganz ein irgendwie netter Mensch…“ ich sehe ihn abschätzig an „… Aber ganz ehrlich such dir endlich jemand anderen, ich habe nämlich keine Lust mehr auf deine blöden Sprüche.“ Ich sehe zu Bella. „Na Bella, kannst du dich eine Minute von David los reißen? Ich habe echt Hunger.“ Ich zwinkere ihr zu und merke wie sie rot wird.
Hey, das passt zum Kleid.
„Klar doch.“ Sie fängt sich wieder und wir gehen beide zum Buffet.
Wir holen uns eine Kleinigkeit zu essen und setzen uns an einen der vielen Tische.
„Was läuft da zwischen dir und David?“ ich sehe sie an und sie verschluckt sich beinahe.
„Was meinst du?“ fragt sie unschuldig.
„Ach komm schon Bella, ich sehe doch wie du ihn ansiehst und vor allen Dingen sehe ich wie er dich ansieht.“ Sage ich lachend.
„Oh nein Anna, ganz falsche Richtung…“ wehrt sie sich, dann sieht sich mich prüfend an „… Denkst du wirklich er mag mich?“ fragt sie zaghaft.
„Aber sicher Bella.“ Ich zwinkere ihr zu.
Nachdem wir uns gestärkt haben, tanze ich mit Jake.
„Ich habe dich schon gesucht, du scheinst ja ziemlich gefragt zu sein.“ Er grinst mich an.
„Ein wenig.“ Gebe ich zu „Und ach ja vielen Dank das du Oliver zu mir geschickt hast.“ Ich werfe ihm einen gespielt bösen Blick zu.
„Ich denke es ist ganz gut wenn man die Kontakte in einer ungezwungenen Atmosphäre knüpft.“ Er zwinkert mir zu.
„Sehr nett von dir.“ Gebe ich lächelnd zurück. „Die Rede vorhin war wirklich schön…“ ich sehe ihn an und er lächelt „Ich danke dir dafür das du meine Mum so sehr liebst.“ Gebe ich zu.
„Oh Anna.“ Er zieht mich in seine Arme. „Ich danke dir dass du mitgekommen bist, ich weiß ohne dich wäre deine Mum hier nicht glücklich.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Wer weiß schon für was das alles gut ist.“ Erwidere ich augenzwinkernd.
Wir tanzen den Tanz zu Ende und dann überlasse ich Jake wieder meiner Mum.
Mit einem überraschten Blick auf die Uhr stelle ich fest dass es schon kurz nach 2 Uhr ist.
„Ich werde mich jetzt verabschieden.“ Sage ich zu den Beiden und sie nicken zustimmend.
Ich suche Bella und laufe erst einmal direkt Oliver in die Arme.
„Oh Oliver…“ ich bleibe bei ihm stehen „Ich wollte jetzt los, schön das ich mich noch von dir verabschieden kann.“
„Finde ich auch.“ Er lächelt und zieht mich an sich. „Es war mir ein Vergnügen dich kennen zu lernen.“ Sagt er sanft.
„Ganz meinerseits.“ Gebe ich zurück und er beginnt zu strahlen.
Er haucht mir einen kleinen Kuss auf die Lippen und ich winke ihm zu ehe ich mich weiter auf die Suche nach Bella mache, endlich finde ich sie…
Zusammen mit David auf einem der Bootsstege.
„Hmm.“ Räuspere ich mich und die beiden fahren auseinander.
„Oh Hey.“ David grinst mich verlegen an.
„Ich will euch gar nicht lange stören, aber ich mache mich jetzt auf den Weg nach Hause.“ Erkläre ich den beiden.
„Was jetzt schon?“ Bella sieht mich erstaunt an.
„Es ist schon kurz nach 2 Uhr, ich denke ich habe genug für heute.“ Ich nehme sie in den Arm.
„Wir sehen uns bestimmt bald.“ David nimmt mich auch in den Arm.
„Oh, da bin ich mir sicher.“ Lache ich.
Ich winke den beiden kurz zu und mache mich dann auf den Weg durch die Menschen hin zum Ausgang.
„Wo willst du denn hin?“
„Was geht es dich an?“ ich drehe mich um und sehe in Ryans Gesicht.
„Komm schon, das war eine ganz normale Frage.“ Er sieht mich durchdringend an.
„Ich fahre nach Hause, ich bin müde.“ Erkläre ich ihm.
„Ich komme mit.“ Sagt er schnell und ich sehe ihn verwirrt an.
„Ich bin auch erledigt, ich habe eine anstrengende Woche hinter mir. Oder bringt es dich um mit mir im selben Wagen zu fahren?“ er sieht mich angriffslustig an.
„Nein.“ Sage ich lang gezogen obwohl mir ein ja auf der Zunge gelegen hat.
„Ich verabschiede mich nur schnell, wartest du draußen?“ er sieht mich skeptisch an.
„Ja.“ Sage ich ehe gelangweilt und setze meinen Weg fort.
Was denkt er denn?
Das ich weg laufe?
Also wirklich, ich bin 27 und nicht 12.
Ich warte draußen einen Moment, da taucht er auch schon wieder auf.
Wir besteigen den nächstbesten freien Wage und lassen uns nach Hause bringen.
„Sag mal dieser Oliver…“ setzt Ryan an und ich sehe erstaunt zu ihm.
„Was ist mit ihm?“ frage ich gereizt.
Was interessiert in Oliver?
„Er wird doch dein Chef, oder?“ er sieht mich an und ich versuche aus seinem Blick schlau zu werden… vergeblich.
„Ja.“ Sage ich schließlich.
„Wir sind da.“ Ertönt es von Fahren und wir beide stiegen aus.
Er schließt die Tür auf und ich will gerade die Treppe hoch gehen als er mich fest hält.
„Es ist unvernünftig mit seinem Chef zu schlafen.“ Sagt er in einem scharfen Ton.
„Was geht dich das an?“ erwidere ich patzig.
„Ireland, ich meine…“ setzt er an und funkelt mich an.
„Nenn mich nicht Ireland, ich nenn dich ja auch nicht arrogantes Arschloch nur weil es mir passt.“ Erwidere ich hitzig.
Mit einem großen Schritt ist er bei mir und sieht mich funkelnd an.
Ohne Vorwarnung drückt er mich an die Wand, hält meine Hände fest und presst seine Lippen auf meine.
Ich bin wie erstarrt und kann mich nicht bewegen…
Wild und unbeherrscht verlangt seine Zunge eintritt und mir wird ganz schwindelig. Plötzlich wird mir bewusst dass ich diesen Kuss genieße. Seine Lippen schmecken nach Champagner und sind leicht salzig von der Pazifikluft.
Als seine Lippen meine wieder verlassen spüre ich den unbändigen Wunsch ihn wieder zu mir zu ziehen, denn obwohl dieser Kuss unbeherrscht und grob war fühlten sich seine Lippen auf meinen irgendwie richtig an.
„Was fällt dir ein?“ Japse ich.
Er sieht mich verwirrt an, lässt mich los und stürmt in seine Wohnung.
Ich stehe immer noch an die Wand gelehnt und versuche mich zu beruhigen. Mein Herz schlägt wie verrückt.
Ryan hat mich geküsst!
Verdammt!
Er hat mich geküsst!
Und das Schlimmste ist ich fand es toll…
Ich gehe in meine Wohnung, schäle mich aus dem Kleid und gehe total verwirrt und überfordert ins Bett.
Als ich am nächsten Tag aufwache fühle ich mich wie gerädert und als dann auch noch meine Erinnerungen an den Kuss wieder hoch kommen verspüre ich ein Kribbeln in meinem Bauch und kann mich selber nicht verstehen.
Reiß dich zusammen!
Das ist nur Ryan gewesen!
Ich stehe schwungvoll auf und schnappe mir meine Joggingsachen, ich brauche einen klaren Kopf! Ich laufe als sei der Teufel persönlich hinter mir her… ist er ja auch! Im übertragenen Sinne.
Als ich Bella am Mittwoch abhole habe ich mich beruhigt.
Ich rede mir ein das der Kuss nur aus der Mischung von Alkohol und… ja was eigentlich?
Jedenfalls ist mir der Kuss egal, ich habe Besseres zu tun wie mich auf eine emotionale Achterbahnfahrt einzulassen, mein Leben ist chaotisch genug!
„Hallo Anna!“ Bella strahlt mich an und ich nehme sie in den Arm.
Wir unterhalten uns beim Essen wirklich super, aber ich erwähne den Kuss lieber nicht…
Sie erzählt mir von sich und David und das sie sich ja noch von der High School und vom College her kennen. Ihre Augen strahlen und ich weiß ich hatte mal wieder Recht.
Habe ich schon erwähnt dass ich es toll finde Recht zu haben?
Ganz ehrlich, ich liebe es!
Dann starten wir unsere Shoppingtour und es ist so lustig. Ich decke mich großzügig ein, denn ich weiß nicht wie viel Zeit ich dazu noch habe wenn ich erst einmal arbeiten gehe.
Bella berät mich und es finden Teile den Weg in meinen Kleiderschrank die ich vor ein paar Wochen nicht einmal angeschaut hätte.
Am Abend treffen wir uns mit David und ich habe das Vergnügen mit dem jungen Glück was trinken zu gehen.
„Hast du eigentlich noch mal was von Oliver gehört?“ Bella grinst mich an.
„Ja, er schreibt mir fast jeden Tag.“ Gebe ich zu.
Immer noch weiß ich nicht ob es nicht ein Fehler ist sich mit seinem Chef einzulassen, aber auf der anderen Seite?
Ich meine es geht ja nicht von mir aus, sondern von ihm…
„Magst du ihn?“ Bella lacht leise.
„Ja, er ist wirklich nett.“ Ich lächele verlegen.
Es stimmt ich finde ihn nett, aber Ryan blockiert meine Gefühlswelt gerade auf eine ungewohnte Art und Weise.
„Was ist eigentlich bei dir und Ryan los?“ David sieht mich fragend an und ich verschlucke mich fast an meinem Cocktail. Kann er Gedanken lesen?
„Was meinst du?“ ich versuche unbeteiligt zu klingen.
„Na, ja ihr scheint euch nicht sonderlich zu mögen.“ Gibt er zu.
„Beruht auf Gegenseitigkeit.“ Sage ich gelangweilt.
„Aber da muss doch was vorgefallen sein?“ bohrt er weiter nach.
„Nein eigentlich nicht, ich denke er hat mich gesehen und mich nicht gemocht.“ Ich zucke mit den Schultern.
Zum Glück lässt er das Thema wieder fallen und der Rest des Abends wird noch sehr lustig.
Um 22 Uhr mache ich mich auf den Weg, da Bella am nächsten Morgen früh hoch muss und David sie nach Hause bringt, verabschiede ich mich von den Beiden vor der Bar.
„Ich denke er mag dich.“ Sagt David als ich ihn zum Abschied umarme.
„Wer?“ frage ich perplex.
„Ryan.“ Er grinst mich an und ich zeige ihm einen Vogel.
„Bestimmt nicht.“ Erwidere ich lachend und merke doch wie mir die Röte ins Gesicht steigt.
Die beiden winken mir zu und ich fahre nach Hause.
Am kommenden Wochenende schleppt mich meine Mum von einer Boutique in die nächste, die Hochzeit ist zwar erst in 5 Monaten, aber sie will dass ich das perfekte Kleid bekomme. Sie lässt ihres anfertigen und hat mir das ebenfalls angeboten, aber ich möchte das nicht.
Wir werden irgendwann fündig und erstehen ein traumhaftes Kleid in einem hellen Rosa Ton.
Sonntag telefoniere ich mit Oliver und gehe auf die Terrasse.
„Also du denkst wirklich das ich morgen gleich in die Notaufnahme kann?“ frage ich aufgeregt.
„Ja sicher, deine Reverenzen sprechen für dich. Aber leider bin dann nicht ich dein Oberarzt sondern Mark Green.“ Erklärt er mir.
„Oh.“ Sage ich nur.
„Aber etwas Gutes hat es, jetzt können sie sich nicht die Mäuler zerreißen, weil du offiziell nicht meine Assistenzärztin bist.“ Lacht er.
„Das ist gut.“ Erwidere ich lächelnd „Ich habe mir schon Gedanken gemacht dass es nicht so gut ankommt.“
„Aber ich werde dafür sorgen dass ich dich mindestens einmal am Tag sehen kann.“ Verspricht er mir.
„Wir werden uns bestimmt sehen.“ Lache ich leise.
„Dann bis morgen Dr. Connor.“ Verabschiedet er sich.
„Bis morgen Dr. Langley.“ Erwidere ich und lege auf.
Ich sehe auf den Pazifik und schließe einen Moment lächelnd meine Augen.
Dann merke ich dass ich nicht allein bin und drehe mich um.
Ryan steht an seinen Türrahmen gelehnt und mein Herz beginnt zu rasen. Sein Blick ist so undurchdringlich und ich atme tief ein.
„Na Ireland, hast du deine Karriere schon voran getrieben?“ seine Augen werden dunkel und ich sehe ihn erstaunt an.
„Was geht dich das an?“ ich drehe mich zu meiner Tür und gehe wütend in meine Wohnung.
Was sollte denn das?
Was denkt er wer er ist?
Wütend gehe ich ins Bett und ärgere mich über mich selbst weil er es schafft, mich immer wieder aus der Fassung zu bringen.
Ich stehe früh auf und mache mich für die Arbeit fertig, heute erwartet mich eine 48 Stunden Schicht, sozusagen als Prüfung ob man überhaupt geeignet ist. Ein wenig spät nach 7 Jahren Studium finde ich… aber so ist das nun einmal.
Ich packe meine Sachen zusammen und mache mich nach einem kurzen Frühstück auf den Weg.
Die erste Schicht ist der Horror, die meiste Zeit verbringen meine Kollegen und ich damit hinter unseren Oberärzten und Ausbildern hinter her zu laufen und versuchen alles aufzunehmen.
Auf der Fahrt nach Hause muss ich mich zusammen reißen nicht am Steuer einzuschlafen. Ich habe nicht einmal mehr Lust und Zeit mich mit meiner Mum zu unterhalten, ich gehe ohne Umwege in mein Bett und schlafe schon bevor ich richtig liege.
Man sagt immer das erste Jahr ist das Schwerste und ja… ich unterschreibe das!
Ich sehe Oliver jeden Tag zum Lunch und wir beide verstehen uns von Tag zu Tag besser, aber ich habe ja auch keine Ablenkung durch Ryan, denn den sehe ich kaum bis gar nicht. Das hängt zum einen an meinen unmöglichen Dienstzeiten und zum anderen daran das er mir augenscheinlich aus dem Weg geht.
„Kommst du Anna?“ Oliver sieht mich fragend an und ich lasse die Akte sinken.
„10 Minuten.“ Sage ich und nehme mir weiter die Akte vor. Die Notaufnahme ist so wie ich sie mir vorgestellt habe…
Laut, hektisch und ich muss mich bei jedem Patienten neu einstellen. Es ist kaum zu glauben dass ich erst 6 Wochen hier bin, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.
Nachdem ich die Patientin auf die Chirurgie verlegt habe gehe ich lächelnd auf Oliver zu.
„So fertig.“ Sage ich und er sieht von seiner Akte auf.
„Ins Clara?“ er zieht fragend eine Augenbraue hoch.
Das Clara ist ein kleines Bistro auf der anderen Straßenseite und eigentlich gehen wir dort immer hin. Also warum fragt er mich?
„Aber sicher! Ich sterbe für eine Portion Cannelloni.“ Ich reibe mir den Bauch.
„Das will ich nicht.“ Er grinst mich an und wir gehen zum Fahrstuhl.
Kaum das sich die Türen schließen dreht er sich zu mir um, wir sind alleine und das an sich ist schon mal eine Seltenheit.
Er beugt sich zu mir und küsst mich sanft, bisher habe ich keine Ahnung gehabt in welche Richtung wir uns entwickeln, aber das hier sagt mir wirklich zu. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und wir küssen uns leidenschaftlich. Als die Fahrstuhltüren aufgehen, verlassen wir lächelnd das Krankenhaus.
In den folgenden Wochen spielt sich mein Leben ein, ich bin wirklich glücklich mit Oliver und Bella mag ihn. Auch David kommt super mit ihm klar wenn wir es mal schaffen zu viert auszugehen.
Am meisten mag ich dass Oliver wirklich Verständnis für mich hat, er arbeitet im gleichen Beruf und weiß wie knapp unsere Zeit ist.
Wenn wir es mal schaffen zusammen Nachtdienst zu haben, dann treffen wir uns im Bereitschaftsraum und ja, es ist nicht nur ein Klischee aus irgendwelchen Arztserien, man kann dort wirklich gut ein wenig Stress abbauen.
Mit Oliver zu schlafen ist der Wahnsinn, er ist so gefühlvoll und gleichzeitig so stark das es mir jedes Mal den Atem raubt.
Mein Pieper vibriert und ich sehe drauf. REA 101 steht darauf und ich laufe los, ich bin heute im Reanimationsteam und ich hasse es wirklich… Viel zu oft können wir nichts mehr tun. So auch heute, nach zwei Stunden muss ich mich geschlagen geben.
„Zeitpunkt des Todes 21:35 Uhr.“ Sage ich und die Schwester nickt. Ich ziehe meinen Schutzkittel und die Handschuhe aus und trete in den hell erleuchteten Flur. Ich atme tief durch und gehe in das Wartezimmer.
Ich bekunde den Angehörigen mein Beileid, jedes Mal eine Aufgabe die mir alles abverlangt. Ich meine gibt es die richtigen Worte für so etwas die nicht nach einer Floskel klingen? Als ich das Zimmer wieder verlasse piepe ich Oliver an…
Als er im Bereitschaftraum erscheint, gehe ich zu ihm und küsse ihn stürmisch. Er schließt die Tür ab und zieht mir meinen Kasack über den Kopf.
„Wie lange hast du Zeit?“ frage ich atemlos.
„10 Minuten.“ Er küsst mich erneut und zieht sich dann seinen Kasack aus. Ich entledige mich auch schnell meiner restlichen Sachen und wir fallen stürmisch übereinander her.
Dann bringe ich die Nacht irgendwie über die Runden.
Als ich am nächsten Morgen nach Hause komme, bin ich wie so oft total erledigt. Ich habe es mal wieder nicht geschafft mir meine dunkelblaue Arztkleidung auszuziehen und schleppe mich die Treppe hoch. Ryan kommt gerade aus seiner Wohnung und bleibt stehen.
„Morgen.“ Nuschele ich.
„Guten Morgen.“ Sagt er leise und geht an mir vorbei, dabei berührt er kurz meine Hand und ein kribbeln breitet sich an dieser Stelle aus. Ich schließe meine Tür auf und drehe mich um. Er steht unten am Fußende und lächelt leicht.
„Schlaf gut Ireland.“ Er zwinkert mir zu.
Ach, ich bin viel zu müde um mich darüber aufzuregen… Außerdem habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt. Auch im Krankenhaus nennen mich viele meiner Kollegen Ireland und ich sie eben im Gegenzug Texas, New York und Alabama… gerade unter uns Assistenzärzten ist dieses System sehr beliebt. Natürlich wissen wir nach vier Monaten auch unsere richtigen Namen, aber wir machen es manchmal um uns zu ärgern.
Dann steht der große Tag meiner Mum bevor und ich habe das erste Mal eine ganze Woche frei.
Meine Mum läuft aufgescheucht durchs Haus und Friseure, Stylisten und was weiß ich noch alles machen sich an ihr und mir zu schaffen als es klingelt.
Da ich fertig bin springe ich auf und laufe zur Tür, Oliver grinst mich an und ich gebe ihm einen Kuss.
„Wow Anna, du bist wunderhübsch.“ Er dreht mich im Kreis und ich lache.
„Hey Dr. Langley.“ Necke ich ihn.
„Heute Abend sind wir einfach nur Anna und Oliver.“ Grinst er und küsst mich erneut.
„Spatz?!“ ruft meine Mum fast panisch.
„Ich werde eben noch gebraucht…“ ich sehe ihn entschuldigend an und er setzt sich lächelnd auf das Sofa im Eingangsbereich.
Ich laufe zu meiner Mum, helfe ihr ihre Ohrringe zu finden und versuche sie zu beruhigen.
„So Mum, Oli und ich fahren jetzt in die Kirche. Wir sehen uns in 20 Minuten.“ Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
„Danke Spatz.“ Sie lächelt mich dankbar an.
Als ich in den Eingangsbereich komme steht Ryan bei Oliver und ich atme tief durch.
„So wir können, die Limousine ist in gleich da und wir fahren vor.“ Sage ich an beide gewandt.
Ryan sieht mich prüfend an und ein kleines lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht.
„Du bist hübsch Ireland.“ Sagt er und ich grinse.
„Du auch Ryan.“ Sage ich und wir gehen alle zum bereit gestellten Wagen.
Wow, das Netteste Gespräch das wir seitdem ich hier lebe geführt haben… vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung für uns beide.
Als wir kurz vor der Kirche sind sehe ich Oliver an.
„Ich hoffe es stört dich wirklich nicht, das Ryan mein Brautjungfernführer ist.“ Ich sehe ihn an und ziehe einen Schmollmund.
„Aber nein.“ Er gibt mir einen Kuss.
Dann erreichen wir die Kirche und ich streiche mein bodenlanges Kleid glatt und richte meinen Unterrock. Ich komme mir wirklich wie eine Prinzessin vor, meine Haare wurden kunstvoll hoch gesteckt und ich wurde richtig professionell geschminkt. Das Kleid besteht aus einer Korsage und einem weiten Rock, ich atme tief durch als Ryan neben mir erscheint. Oliver hat sich schon seinen Platz gesucht und ich winke ihm kurz zu.
„Alles in Ordnung?“ Ryan sieht mich an und ich nicke.
„Es ist komisch.“ Gebe ich zu.
„Aber sie sind so glücklich.“ Er lächelt mich an und nimmt meine Hand.
Mein Herz beginnt zu rasen und ich hasse mich dafür, ich sehe zu Boden und mein Blick geht über seine perfekte Brust auf seine weißen Schuhe, er trägt einen weißen Anzug und ein zu meinem Kleid passendes Hemd.
„Sie lieben sich wirklich.“ Sage ich leise.
Er legt seine Hand unter mein Kinn und lächelt mir aufmunternd zu.
Dann ertönt ein Hupen und die Limousine mit meiner Mum ist da, als sie aussteigt habe ich Tränen in den Augen. Sie sieht so wunderschön aus, das Kleid ist ein Traum und alles in allem ist sie ein Gesamtkunstwerk.
„Jetzt nicht weinen Spatz.“ Sie kommt zu mir und ich wische mir schuldbewusst meine Tränen weg.
Dann setzt die Musik ein und Ryan nimmt meine Hand. Ich sehe zu ihm und harke mich bei ihm unter. Es ist schon komisch, ich bin in einem Alter wo ich selbst schon heiraten kann und ich gehe hier als Trauzeugin vor meiner Mum her.
Ryan Hand umschließt ganz sanft meine und er drückt sie vorsichtig. Mit Tränen in den Augen sehe ich ihn an als wir neben Jake zu stehen kommen.
Dann kommt meine Mum und Ryan legt seinen Arm um meine Hüfte und reicht mir ein Taschentuch.
Als die Trauung vorbei ist nehme ich Jake und meine Mum in den Arm.
Ich beruhige mich etwas und werde von Bella und David begrüßt.
Oliver kommt zu mir und zieht mich von Ryan weg, ich weiß ich sollte mich freuen dass er mich aus Ryans Umarmung befreit. Aber ich freue mich nicht, ich vermisse seine Nähe…
Wir fahren zum Yachtclub und ja sie haben sich mit der Dekoration übertroffen! Bei weitem, es ist so atemberaubend.
Die Feier ist wunderschön und schließlich komme ich nach dem Essen nicht drum herum eine kleine Ansprache zu halten.
Ich klopfe an mein Glas und stehe auf.
„Hallo, ich bin Anna, die Tochter von Olivia…“ ich mache eine Pause „Ich meine für alle die mich noch nicht kennen.“ Füge ich lächelnd hinzu „Mum. Jake. Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt und hoffe ihr werdet euch ewig so sehr lieben wie ihr es jetzt tut.“ Ich proste den beiden mit meinem Champagner zu „Ich weiß Dad hätte das hier für dich gewollt, er hat sich immer nur gewünscht dass du glücklich bist und ich sehe dass dich Jake wirklich glücklich macht. Danke das ich in deiner Familie so offen aufgenommen wurde und ihr Oceanside langsam aber sicher zu einem Zuhause für mich macht.“ Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel „Ich liebe Dich Mum!“ ich setze mich wieder und meine Mum nimmt mich in den Arm.
„Ich danke dir Spatz!“ sagt sie gerührt.
„Danke Anna.“ Sagt auch Jake und nimmt meine Hand.
Dann wird die Tanzfläche eröffnet und ich tanze natürlich auch mit Jake.
Dann kommt Ryan und klopft ihm auf die Schulter.
„Darf ich?“ er sieht seinen Dad grinsend an.
„Klar, sie ist jetzt ja offiziell deine Schwester.“ grinst er.
„Anna wird niemals meine Schwester sein, vielleicht eine gute Freundin aber keine Schwester.“ Er zwinkert ihm zu und legt seinen Arm um meine Taille. Ich bekomme eine Gänsehaut.
Anna Connor, reiß dich gefälligst zusammen!
Das ist Ryan und wahrscheinlich bist du nur durch den ganzen Tag aufgeregt… rede ich mir ein.
Langsam bewegen wir uns zur Musik und ich sehe ihn an, er hält meinem Blick stand und ich merke wie sich meine Atmung beschleunigt.
Nachdem der Song zu Ende ist begleitet er mich zu meinem Tisch zurück und überlässt mich wieder Oliver, Bella und David während er mit meiner Mum tanzt.
Ich versuche den Abend wirklich zu genießen, aber Ryan sein Verhalten gibt mir Rätsel auf…
Gegen 5 Uhr morgens fahre ich mit Ryan nach Hause. Bella, David und Oliver haben sich schon vor einer Stunde verabschiedet, aber ich Ryan haben meine Mum und Jake noch zum Flughafen gebracht.
„Sag mal das mit dir und deinem Oberarzt. Was ist das?“ Ryan seine Stimme klingt plötzlich wieder feindselig und ich zucke zusammen.
„Was geht dich das an?“ frage ich ihn.
Wie sagte ich so schön? Gefühlswendungen wie eine Achterbahn und gerade rauschen wir in die Tiefe…
„Ich frage doch nur.“ Sagt er pikiert.
„Und ich sage dir nur, dass es dich nichts angeht.“ Erwidere ich schnippisch.
Dann breitet sich schweigen aus und erst der Fahrer beendet es, als er uns mitteilt das wir zu Hause sind.
Ich nehme meine Schuhe in die Hand und steige aus.
So langsam macht sich die Müdigkeit und die, für meine Verhältnisse, Unmengen an Champagner bemerkbar.
Ryan schließt die Tür auf und ich stolpere eher die Treppe hoch als ich gehe.
Auf der letzten Stufe verlässt mich dann doch mein Gleichgewicht und ich wäre mit Sicherheit die komplette Treppe runter gepurzelt wenn mich Ryan nicht in seine Arme gezogen hätte.
So nah bei im bekommt mir gar nicht…
Ich sehe in seine blauen Augen, er studiert mein Gesicht und lässt mich dann los als er sicher ist das ich festen Boden unter den Füßen habe.
Ich schließe meine Tür umständlich auf und sehe zu ihm, er steht an den Türrahmen seiner Wohnung gelehnt und beobachtet mich.
„Ryan?“ frage ich leise.
„Anna?“ erwidert er.
„Ich… Du…“ stottere ich und er lacht leise.
Er kommt mit zwei großen Schritten zu mir.
„Danke für den Abend.“ Haucht er mir ins Ohr und ich schließe meine Augen, seine Stimme ist so sanft wenn er will.
Ich sehe in seine Augen und ohne darüber nachzudenken lege ich meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn zu mir. Er sieht verwirrt aus, aber dann beugt er sich über mich und küsst mich.
Es ist nicht wie unser erster Kuss, dieser Kuss und sanft und liebevoll. Ich seufze leise…
Ich nehme alles zurück was ich über Oliver gesagt habe, das hier ist tausend Mal besser.
Er schubst mich sanft in meine Wohnung.
„Ryan…“ setze ich an aber er legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen.
Ich lächle leicht und öffne seine Krawatte und dann Knopf für Knopf sein Hemd. Wahnsinn er ist wirklich gut trainiert, ich fahre mit meinen Fingern sanft über seine Bauchmuskeln.
Er öffnet Harken für Harken meine Korsage und ich stehe Augenblicke später nur noch in meinem BH und einem Berg von Rock vor ihm. Er küsst mich unablässig und zieht mir auch den Rock und den Unterrock aus, während ich mich an seiner Hose zu schaffen mache.
Das alles passiert in einem solchen Einklang das ich nicht eine Sekunde darüber nachdenke was wir hier eigentlich tun.
Er bugsiert mich in mein Schlafzimmer und wir fallen lachend aufs Bett, mittlerweile trage ich nur noch meinen Slip und er seine Boxershorts. Nachdem auch diese beiden kleinen Hindernisse aus dem Weg geräumt sind sieht er mich an und lächelt. Ein so umwerfendes lächeln wie ich es noch nie bei einem Mann gesehen habe.
Mich erfasst eine solche Liebe zu ihm dass es mir fast das Herz zerreißt.
Dann endlich finden wir zu einander und ich lasse mich von ihm mitreißen und treibe dahin. Er weiß wie man eine Frau verwöhnt und gefühlte Stunden später liege ich schwer atmend neben ihm.
Ich kuschele mich an seine Brust und schlafe begleitet von seinen gleichmäßigen Atemzügen ein… nie in meinem Leben habe ich mich geborgener und beschützter gefühlt wie in diesem Moment.
Als ich am nächsten Morgen erwache und in sein Gesicht schaue muss ich lächeln.
Welchen Plan hat mein Leben für mich?
Ist er der Eine auf den ich gewartet habe?
Ich winde mich vorsichtig aus seiner Umarmung und ziehe mir meinen Morgenmantel an. Ich schleiche in die Küche und mache mir erst einmal einen extra starken Kaffee, mit einem breitem Grinsen registriere ich die Uhrzeit. 14:02 Uhr.
Ich nehme meine Tasse und gehe auf die Terrasse, heute scheint die Sonne heller zu strahlen und der Pazifik noch atemberaubender auszusehen… Ich schließe meine Augen und atme die Pazifikluft ein.
„Guten Morgen Ireland.“ Haucht mir eine warme Stimme ins Ohr und ich lächle.
„Guten Morgen.“ Flüstere ich und seine starken Arme legen sich um mich. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und er schiebt den Morgenmantel ein Stück über meine Schulter nach unten und küsst sie sanft.
Ich drehe mich um und er nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Du bist so wunderschön.“ Er lächelt und ich gebe ihm einen sanften Kuss. Er öffnet den Gürtel meines Morgenmantels und ich grinse ihn an.
„Willst du den Nachbarn eine Einlage bieten?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
Er lacht leise und zieht mich wieder in meine Wohnung um mich Augenblicke später auf der Couch zu verwöhnen. Atemlos sehe ich ihn an.
„Was ist mit uns passiert?“ frage ich leise.
„Ich weiß es nicht…“ er küsst meine Handfläche „… Seit dem Tag als du angekommen bist gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich wusste nicht warum gerade du…“ er küsst mich zärtlich „…Ich habe mich so sehr gegen meine Gefühle gewehrt, aber heute Nacht konnte ich einfach nicht mehr. Wer kann einem Zuckerwatteberg schon widerstehen?“ er grinst mich an.
„ich dachte du magst mich nicht.“ Gebe ich leise zu.
„Wie kann man dich nicht mögen?“ er küsst meine Schulter „Du bist wunderschön, klug und ja ich gebe es zu du bist frech.“ Er lacht und ich stimme mit ein. „Ich liebe Herausforderungen.“
„Ryan.“ Sage ich leise und er sieht mich an. „Wie soll es weiter gehen?“ frage ich vorsichtig.
„Ich würde sagen wir lassen deine Mum und meinen Dad erst einmal wieder ankommen und dann sagen wir es ihnen.“ Er küsst mich.
„Und bis dahin?“ ich lächle, bei ihm klingt das so leicht… mal abgesehen davon das meine Mum und Jake sich eine 8 Wochen Auszeit genommen haben und so schnell nicht wieder auftauchen werden.
Als mein Handy klingelt springe ich auf.
OLIVER
Steht in fetten Buchstaben auf meinem Display und sein Bild leuchtet auf, ich bekomme ein so schlechtes Gewissen...
Nach dem fünften Klingeln gehe ich endlich ran.
„Anna.“ Sagt er erfreut.
„Hallo Oliver.“ Sage ich steif und Ryan sieht mich kurz an ehe er ins Bad geht.
„Ich habe tolle Neuigkeiten, ich habe das Forschungsstipendium bekommen, schon morgen früh sitze ich im Flieger nach Paris.“ Jubelt Oliver und ich atme tief ein. Er hat so lange für dieses Stipendium gearbeitet und redet seitdem wir uns kennen von nichts anderem…
„Oliver ich muss unbedingt vorher noch mit dir reden.“ Sage ich eindringlich.
„Das schaffe ich nicht, ich wollte es dir nur sagen, ich fahre gleich ins Krankenhaus und sammele alle meine Unterlagen ein. Wow, 4 Monate Paris, ich hatte so sehr gehofft das es klappt…“ sagt er unbeirrt gut gelaunt „… Ich hoffe das ist in Ordnung?“ fragt er nun und ich schlucke.
Soll ich jetzt wirklich am Telefon mit ihm Schluss machen?
Macht man so etwas?
„Ja klar ist es in Ordnung.“ Sage ich schließlich.
Ich kann nicht am Telefon mit ihm Schluss machen, das gehört sich nicht…
„Okay Darling, ich liebe Dich und werde dich ganz schrecklich vermissen. Ich melde mich nächste Woche aus Paris. Genieße deinen Urlaub.“ Er schickt mir einen Kuss durchs Telefon und legt auf.
„Hast du die Sache mit ihm geklärt?“ Ryan kommt nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Bad.
„Ich habe es versucht, aber er hat ein Forschungsstipendium und ist die nächsten 4 Monate in Paris…“ ich sehe ihn entschuldigend an „… Ich kann nicht am Handy mit Schluss machen.“ Sage ich verzweifelt.
„Aber sobald er wieder hier ist legst du die Karten auf den Tisch?“ fragt er leise und nimmt mich in den Arm.
„Versprochen.“ Erwidere ich ebenso leise.
„Dann ist gut.“ Er küsst mich und ich sehe ihn an.
„Danke.“ Hauche ich.
Ich entwinde mich sanft seiner Umarmung und genehmige mir ebenfalls eine Dusche. Als ich aus dem Bad komme, kommt er gerade in Sportsachen aus seiner Wohnung.
Also wirklich, er sieht unverschämt gut aus… Seine Sportsachen bestehen nämlich nur aus Shorts und Sportschuhen, ganz ehrlich mehr muss ich dazu nicht sagen. Ich gehe zu ihm und fahre mit meinem Zeigefinger über seine Brust.
„Anna…“ ernahmt er mich spielerisch.
„Was denn?“ frage ich unschuldig.
„Los komm schon, zieh dich um.“ Er küsst mich sanft.
Ich drehe mich um und lasse auf dem Weg ins Schlafzimmer mein Handtuch fallen.
„Du kleines Biest.“ Mit großen Schritten ist er bei mir und schubst mich aufs Bett.
„Was denn?“ frage ich wieder.
„Ganz ehrlich das kannst du nicht machen…“ er küsst meine Brüste „Gott ich bin auch nur ein Mann.“ Er sieht mich erregt an.
Zwei Stunden später haben wir es dann doch aus dem Haus geschafft und laufen nebeneinander am Strand entlang. Immer wieder sehe ich ihn an und kann mir gar nicht mehr vorstellen ihn nicht geliebt zu haben…
Auch er hat in der nächsten Woche frei und wir unternehmen viel zusammen, er zeigt mir L.A. und San Diego und ich fühle mich in meiner Wahlheimat immer wohler.
Wir sitzen stundenlang auf der Terrasse unterhalten uns, lesen oder spielen mal eine Runde Schach. Na, ja er versucht es mir beizubringen aber augenscheinlich ist das nicht mein Spiel.
Ich verliebe mich jeden Tag ein wenig mehr in ihn, falls das überhaupt möglich ist.
Ich genieße es so sehr ihm durch seine Haare zu wuscheln, neben ihm am Strand entlang zu joggen und in seinen Armen einzuschlafen und aufzuwachen.
Ja, ich denke das ist der Plan den mein Leben für mich hat!
Ich an der Seite von Ryan…
Komisch, ich hatte vor einem halben Jahr viel erwartet, aber mit Sicherheit nicht das.
Oliver meldet sich die ganze Woche über nicht, aber ich bin auch nicht traurig darüber, ich koste die Zeit mit Ryan voll aus.
Als es am Freitagabend unerwartet klingelt, ziehe ich mir meinen Bademantel über und gehe zur Tür. David und Bella sehen mich gut gelaunt an.
„Habe ich eine Verabredung vergessen?“ ich sehe die Beiden perplex an und ziehe meinen Bademantel enger zu.
„Nein, aber da ich schon fast eine Woche kein Lebenszeichen von dir bekommen habe, dachte ich mir ich schaue mal lieber nach, nicht das ihr euch hier alleine noch umbringt.“ Sie geht an mir vorbei nach oben in meine Wohnung.
„Hallo Anna.“ Begrüßt mich auch David.
Dann wird mir bewusst was Bella gleich in meinem Wohnzimmer vorfinden wird.
„Stopp Bella!“ rufe ich ihr hinterher und stürme an David vorbei in meine Wohnung.
„Hoppla.“ Sie steht in der Tür zu meinem Wohnzimmer und Ryan winkt ihr nur in Shorts und T-Shirt zu.
„Hallo Bella.“ Er grinst sie an und sie sieht zu mir.
Zwei Dinge würden mich jetzt brennend interessieren, zum Ersten was jetzt gerade in Bellas Kopf vor sich geht und zum anderen wie es Ryan geschafft hat sich so schnell was anzuziehen, ich weiß ja nicht einmal wo meine Sachen sind.
„Gibt es da zufällig etwas was wir wissen sollten?“ David grinst mich und Ryan an.
Ich sehe zu Ryan und nicke leicht. Dieser steht lächelnd auf und kommt auf mich zu, ehe ich mich versehe liege ich in seinen Armen und er küsst mich leidenschaftlich.
„Noch Fragen?“ er sieht zu Bella und David die uns mit offenen Mündern anstarren.
„Tausende, aber ich würde sagen ihr zieht euch was an und wir gehen was trinken.“ Bella ist völlig verwirrt und ich gebe Ryan einen kurzen Kuss ehe er durch die Terrassentür geht um in seine Wohnung zu gelangen.
Wann hat er eigentlich das letzte Mal seine Wohnungstür benutzt?
Ich gehe ins Schlafzimmer und natürlich folgt Bella mir.
„Sag mal was ist denn bei euch los?“ sie lässt sich auf mein Bett fallen während ich mir ausgehtaugliche Abendkleidung heraus suche.
„Ich glaube ich habe mich Hals über Kopf in meinen Feind verliebt.“ Gestehe ich lächelnd.
„Ein Feind der jetzt dein Stiefbruder ist.“ Sagt sie und dreht sich auf den Bauch um mich zu beobachten.
„Komm schon Bella, Ryan und ich sind in keinster Weise blutsverwandt, wir tun nicht schlimmes.“ Wehr ich mich lachend.
„Was wohl eure Eltern dazu sagen?“ kichert sie.
„Wir haben beschlossen sie nach ihrer Auszeit erst einmal ankommen zu lassen und es ihnen dann zu sagen.“ Ich nehme mir ein hellblaues Tube Top aus meinem Kleiderschrank und ziehe es mir über.
„Und Oliver?“ fragt sie vorsichtig.
„Er ist für 4 Monate in Paris, wenn er wieder da ist werde ich sofort mit ihm reden.“ Erkläre ich ihr und ziehe meinen Jeansrock an.
„Warum warten?“ sie sieht mich skeptisch an.
„Ganz ehrlich Bella, ich kann nicht am Telefon mit ihm Schluss machen, so etwas gehört sich nicht.“ Erkläre ich ihr und binde mir einen Pferdeschwanz.
Nachdem ich noch ein wenig Make Up aufgelegt habe treffen wir im Wohnzimmer auf Ryan und David und machen uns auf den Weg.
Es ist ein so entspannter Abend und mir und Ryan tut es gut das die Beiden Bescheid wissen…
In den nächsten Wochen spielt sich alles gespenstisch gut ein. Ich dachte immer wenn man Ärztin ist braucht man zwangsläufig auch einen Arzt an seiner Seite, denn wer würde denn sonst mit den Arbeitszeiten und den unmöglichen Diensten zu Recht kommen?
Aber bei mir uns Ryan funktioniert es, mittlerweile benutzen wir abwechselnd unsere Wohnungen, je nach dem welchen Dienst ich habe.
Bella und David verbringen fast jedes Wochenende mit uns zusammen und wir fahren mit dem Segelboot von Bellas Dad raus. Ich kann mittlerweile schon ganz gut segeln, sagen sie mir jedenfalls…
Im Krankenhaus werde ich ständig nach Oliver gefragt, aber ich gehe den Fragen ganz geschickt aus dem Weg. Ich muss das erst mit ihm klären. Wir telefonieren unregelmäßig und er merkt anscheinend nicht einmal dass etwas mit mir nicht stimmt.
Sollte man das nicht von seinem Freund erwarten können?
Es stört ihn auch nicht das wir manchmal nur einmal die Woche telefonieren, Ryan und ich telefonieren mehrmals am Tag wenn wir uns nicht sehen können.
Sollte es nicht eher so sein?
Dann endlich kommen meine Mum und Jake wieder und sind doch ein wenig erstaunt als ich und Ryan sie zusammen von Flughafen abholen, aber sie schöpfen keinen Verdacht.
Wir haben beschlossen sie erst einmal ankommen zu lassen, natürlich verbringt Ryan weiterhin die Nächte bei mir und ich fühle mich jedes Mal wenn ich mich aus seiner Wohnung schleiche als hätte ich etwas Verbotenes getan.
Heute Nachmittag kommt Oliver wieder und wir haben beschlossen heute Abend an allen Fronten für Klarheit
zu sorgen.
Ich wache in Ryans Armen auf und küsse ihn zärtlich, mein Dienst beginnt heute um 5 Uhr und er kann noch ein wneig schlafen ehe er aufstehen muss.
Ich tapse im Halbschlaf ins Bad und fast fällt mir ein kleiner Korb auf den Fußboden, ich fange ihn im letzten Moment und sehe hinein. Mein Tampons…
Oh mein Gott!
Ich laufe fast panisch in die Küche und sehe auf den Kalender. Klar habe ich bei Ryan und Oliver immer verhütet, aber irgendwie scheint irgendwo was falsch gelaufen zu sein.
Ich setze mich auf einen Stuhl und merke wie mir schlecht wird.
Das kann nicht sein!
Beruhige dich Anna Connor, bevor du in Panik ausbrichst machst du erst einmal einen Schwangerschaftstest… versuche ich mich selbst zu beruhigen. Mit eher mäßigem Erfolg, aber ich gehe duschen und ziehe mich um.
Ich fahre in die Klinik und lasse mir von einem Kollegen Blut abnehmen. Er fragt nicht lange nach und ich bitte ihn mir das Ergebnis sofort zu geben wenn es da ist.
Eher fahrig verrichte ich meinen Dienst in der Notaufnahme.
Am Mittag gibt er mir dann meine Laborergebnisse und ich merke wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht.
Nein!
Nein!
Nein!
Ich gehe hoch in die Gyn und schnappe mir April, eine Assistenzärztin die mit mir zusammen angefangen hat. Texas…
Ich atme tief durch und bitte sie mich in einen Behandlungsraum zu begleiten.
„Was ist denn los Anna? Du bist weiß wie eine Wand.“ Sie sieht mich besorgt an.
Ich reiche ihr meine Laborergebnisse und sie schlägt die Hand vor den Mund.
„Versprich mir dass du es keinem sagst.“ Ich sehe sie bittend an.
„Klar, möchtest du dass ich eine Sono mache?“ sie sieht mich fragend an.
„Ja bitte, ich möchte gerne wissen in welcher Woche ich bin.“ Ich lege mich auf die Liege und sie verteilt das Gel auf meinem Bauch.
Sie untersucht mich genau und sieht mich dann an „Also ich kann es auf zwei bis drei Tage eingrenzen. Du bist in der 16. Woche + - 3 Tage.“ Sie sieht mich an und ich schließe meine Augen.
Super, genau das war meine schlimmste Befürchtung, denn nun kommen sowohl Ryan als auch Oliver in Betracht.
„Anna?“ fragt April vorsichtig.
„Kannst du mich krank melden?“ bitte ich sie und sie nickt verständnisvoll und reicht mir einen Ausdruck des Ultraschalls.
Sollte dieser Moment nicht einer der Schönsten im Leben einer Frau sein?
Für mich ist es ein Alptraum… der Schlimmste meines Lebens…
Ich ziehe mich um und fahre in die Klinik von Jake und meiner Mum.
Polly, die Empfangsdame sieht mich perplex an.
„Oh Hallo Anna…“ sie sieht auf „…Kann ich etwas für dich tun?“
„Ist meine Mum im OP?“ frage ich sie und merke wie sehr meine Hände zittern.
„Nein, sie ist fertig und die nächste OP ist erst in zwei Stunden.“ Erklärt sie mir und deutet auf die Bürotür meiner Mum.
„Können sie Jacob sagen er möchte bitte auch kommen?“ bitte ich sie.
Ich muss ihnen die Wahrheit sagen, anders geht es nicht. Ich werde damit nicht alleine fertig und ich habe nicht die Geringste Ahnung wie Ryan oder Oliver reagieren.
Ich klopfe an die Bürotür meiner Mum und als das Herein ertönt drücke ich langsam die Klinke runter.
„Spatz.“ Sie sieht mich überrascht an, steht auf und nimmt mich in den Arm. „Was ist denn los, du siehst ja furchtbar aus.“ Sie sieht mich besorgt an.
„Können wir kurz auf Jake warten? Ich muss mit euch reden.“ Sage ich und sie nickt.
Jake kommt einige Augenblicke später herein und ich bitte die Beiden sich hinzu setzen.
„Was ist denn los?“ Jake sieht mich ebenso wie meine Mum abwartend an.
„Ich bin schwanger.“ Sage ich ohne Umschweife und meine Mum beginnt zu strahlen.
„Oh das ist ja wunderbar.“ Sie steht auf und will mich in den Arm nehmen.
Ich habe meine Hand und sie setzt sich wieder.
Ich merke wie mir die Tränen übers Gesicht laufen.
„Aber Spatz, das ist wunderbar.“ Meine Mum sieht mich verständnislos an.
„Will Oliver das Baby nicht?“ Jake will meine Hand nehmen.
„Er weiß es noch nicht…“ gebe ich schluchzend zu „… Ich weiß nicht ob er der Vater ist.“ Sage ich leise.
„Wie meinst du das?“ meine Mum sieht mich erstaunt an.
„Als ihr auf Hawaii wart das ist etwas passiert…“ beginne ich leise und fange nun an richtig zu weinen.
„Aber Spatz.“ Meine Mum setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm.
„Ryan?“ fragt Jake zaghaft und ich nicke leicht.
Einen Moment herrscht eine gespenstische Stille.
„Wir werden schon eine Lösung finden.“ Sagt meine Mum und streicht mir beruhigend über den Rücken.
„Mum, ich liebe Ryan wirklich aber ich denke nicht das er damit klar kommt.“ Gebe ich zu.
Klar, haben Ryan und ich mal im Scherz über eine eigene Familie gesprochen, aber das war nie wirklich Ernst gemeint, immerhin sind wir gerade mal 4 Monate zusammen.
„Wie weit bist du denn?“ meine Mum versucht meine Tränenflut einzudämmen.
„In der 16. Woche.“ Sage ich leise und gebe ihr das Ultraschallbild.
„Pass auf Anna, ich werde jetzt Oliver und Ryan anrufen. Sie sollen in einer Stunde bei uns sein und dann versuchen wir die Sache zu klären.“ Jake steht auf und ich sehe ihn ängstlich an.
„Wir finden einen Weg.“ Sagt er sicher und geht raus um die Beiden anzurufen.
Meine Mum und Jake sagen ihre Termine für den Nachmittag ab und fahren mit mir nach Hause.
Gerade als meine Mum mich mit einem Glas Wasser versorgt hat kommt Ryan und sieht mich verwundert an. Als er Augenblicke später klingelt und mein Dad mit Oliver rein kommt ist er total verwirrt.
„Setzt euch.“ Jake sieht die Beiden an und sie setzen sich. „Also die Sache ist relativ einfach zu erklären…“ er atmet tief durch „…Anna ist schwanger und ihr Beide kommt als Vater in Frage.“ Platz er heraus und beide starren erst mich und dann sich an. Ehe ich mich versehe ist Ryan aufgesprungen und holt aus. Noch ehe Jake dazwischen gehen kann schlagen sie gegenseitig aufeinander ein.
„Nun macht mal halblang…“ Jake versucht die beiden zu trennen „… Hier geht es nicht darum wer das größere Ego hat, es geht hier um Anna und das sie von einem von euch Beiden ein Baby bekommt.“ Er sieht beide böse an als er endlich zwischen ihnen steht.
„Ich bin fertig mit dir.“ Oliver funkelt mich zornig an „Du hast mich wegen dem da…“ er deutet auf Ryan „… abserviert und hältst es nicht einmal für Nötig es mir zu sagen?“
„Ich wollte es dir nicht am Telefon sagen.“ Schluchze ich.
„Du brauchst mir gar nichts mehr zu sagen, ich lasse mir von dir kein Kind anhängen und soll womöglich noch dafür zahlen.“ Er zeigt mir einen Vogel. „Das badest du jetzt alleine aus- An deiner Stelle würde ich darüber nachdenken mir eine neue Stelle zu suchen, denn im Northern Central bist du nicht mehr gerne gesehen.“ Schreit er und stürmt zur Tür.
Ich beginne zu weinen und sehe zu Ryan, dieser hält sich die Nase aus der er heftig blutet.
„Ich habe dich wirklich für cleverer gehalten. Auf mich brauchst du auch nicht zu zählen.“ Er steht auf.
„Ryan.“ Donnert Jake und dieser sieht ihn abweisend an.
„Nein, ich werde nicht für diesen Fehler gerade stehen, vor allen Dingen wenn ich nicht einmal weiß ob es überhaupt mein Fehler ist.“ Er sieht mich kopfschüttelnd an und stürmt raus.
Das ist ja ganz toll gelaufen…
Ich schluchze auf und meine Mum nimmt mich beschützend in den Arm.
„Wir bekommend das hin Spatz.“ Flüstert sie und ihre Stimme drückt gerade das Gegenteil aus.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken und Gefühle, bei Oliver habe ich mit einer solchen Reaktion gerechnet, aber bei Ryan?
Ich dachte er liebt mich und ich habe mir tatsächlich eingebildet wir würden das irgendwie zusammen schaffen.
Das Leben macht Pläne?
Das Leben macht einen Scheiß!
Das Leben ist ein Arschloch!
Ich finde in dieser Nacht kaum in den Schlaf und am nächsten Morgen sehe ich wie Ryan Kisten und Kartons in sein Auto lädt.
Er will also nicht einmal mehr mit mir in einem Haus wohnen.
Ich überlege verzweifelt was sich jetzt tun soll und gehe gegen Mittag, nach einem langem Telefonat mit Molly in die Küche zu meiner Mum.
„Wie geht es dir Spatz?“ sie nimmt mich in den Arm.
„Mum, ich habe lange darüber nachgedacht…“ ich sehe sie an und Tränen sammeln sich in meinen Augen „… ich werde gehen.“ Erkläre ich ihr.
„Anna nein…“ setzt sie an und ich hebe meine Hand.
„Mum, mein Entschluss steht fest, ich habe es mir gut überlegt. Ich habe mir Geld zusammen gespart, für eine kleine Wohnung wird es reichen. Ich werde klar kommen.“ Sage ich sicher und lasse sie weinend zurück.
Ich weiß dass sie jetzt in die Praxis fährt um mit Jake zu sprechen und nutze die Gunst der Stunde, ich buche mir einen Flug und packe meine Sachen. Zwei Stunden später stehe ich am Flughafen, ich bin eingecheckt und warte darauf dass mein Flug aufgerufen wird.
Dann endlich bin ich in der Luft…
Back to Ireland!
Der Flug zieht sich quälend in die Länge und die Stewardessen sehen mich die ganze Zeit komisch von der Seite an.
Aber ist das ein Wunder?
Immer wieder beginne ich zu weinen und denke mein Herz springt mir aus der Brust. Ich kann nichts essen, ich kann nichts trinken und ich kann nicht einmal schlafen.
Am Flughafen in Dublin werde ich von Molly erwartet und werfe mich weinend in ihre Arme.
„Hey Anna.“ Sie streicht mir beruhigend über den Rücken.
„Oh Molly.“ Weine ich.
Ich nehme meine amerikanische Sim Karte aus meinem Handy und schmeiße sie weg, wenn ich schon allen den Rücken kehre dann richtig…
Molly bringt mich zum Auto und wir fahren in ihre Wohnung, hier scheint sich nichts verändert zu haben und Pat nimmt mich in den Arm als ich rein komme.
„Hallo Anna.“ Sagt er sanft, ich gehe mal ganz stark davon aus das Molly ihm alle erzählt hat.
Er bugsiert mich zur Couch und sieht mich an.
„Was machst du denn für Sachen?“ er nimmt meine Hand und Molly setzt sich auf die andere Seite neben mich.
„ich habe es mir ja nicht ausgesucht…“ schluchze ich „…Ich habe wirklich gedacht er steht hinter mir und wir bekommen das irgendwie hin. Ich habe jetzt gar nichts mehr, keine Familie, keinen Job, kein Zuhause…“ ich schlage die Hände vors Gesicht.
„Doch Anna, du bekommst ein Baby und dieses Baby braucht dich.“ Sagt Molly einfühlsam. „Und wir sind da.“ Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände. „Du hast bisher jede Herausforderung gemeistert, du schaffst auch das.“ Sagt sie sicher.
Langsam beruhige ich mich und Molly schafft es sogar das ich eine Kleinigkeit esse.
„Aber sag mal Anna, hast du plötzlich entdeckt dass er mehr Sachen wie Jeans und Shirts gibt?“ Molly grinst mich an.
„Ja, Bella stand mit beratend zur Seite.“ Ich sehe sie traurig an.
Oh Bella!
Ich habe ihr nicht einmal gesagt dass ich gehe…
„Du siehst wirklich hübsch aus.“ Pat grinst mich an.
„Danke.“ Sage ich leise, ich stehe auf und sehe aus dem Fenster in die dunklen Straßen Dublins.
So gerne wollte ich anfangs hier wieder her, aber nun wo ich hier bin…
Ich fühle mich entwurzelt, ich denke ich gehöre nirgendwo mehr richtig hin.
Es ist ein beklemmendes Gefühl, nicht zu wissen wo man hin gehört.
Molly tritt hinter mich.
„Wir schaffen das schon Anna.“ Sagt sie leise und nimmt mich in den Arm.
„Ich habe keine Ahnung wie, ich habe mein Assistenzjahr noch nicht einmal abgeschlossen, das heißt ich darf noch nicht offiziell arbeiten, mit fehlen noch 5 Monate. Wie soll ich das hin bekommen?“ ich seufze schwer.
„Wie gut dass du einen so tollen Freund wie mich hast.“ Pat steht auf „Ich habe mal ein wenig mit meinem Chefarzt gesprochen, er bietet dir an die letzten 5 Monate bei uns zu machen, allerdings in der Chirurgie und nicht in der Notaufnahme.“ Er sieht mich an.
„Aber wieso?“ frage ich erstaunt.
„Sagen wir mal so…“ er lacht leise „…Er schuldete mir einen Gefallen.“
„Und alles andere? Ich meine wenn das mein einziges Problem wäre, dann wäre ich froh.“ Ich lasse meine Schultern hängen und sehe zu Boden.
„Komm schon Anna, so kenne ich dich nicht. Die Anna die ich kenne hat immer für alles gekämpft wie eine Löwin.“ Molly tritt an mich heran. „Pat und ich wollten uns eh was zusammen suchen und was hältst du davon wenn wir eine WG gründen? Ich meine, du wirst so wie Pat auch eher selten zu Hause sein und ich bin auch mit meinem Volontariat bei dem Dublin Mirror ausgelastet. Also was meinst du?“ sie nimmt meine Hand.
„Ich weiß nicht, ich will euch nicht im Wege stehen.“ Sage ich leise.
„Ach was, komm schon Anna, wir kennen uns seit 20 Jahren, du stehst uns nicht im Weg. Wir sind deine besten Freude, schon vergessen?“ sie lächelt mich an.
„Okay.“ Sage ich leise.
„Wunderbar…“ Pat klatscht in die Hände „… dann kümmere ich mich morgen um die Personalabteilung und ihr beide durchforstet die Wohnungsanzeigen.“
„Alles klar Chef.“ Molly geht zu ihm und küsst ihn innig.
„Ich werde mich jetzt hinlegen, ich fühle mich wie gerädert.“ Ich sehe die beiden entschuldigend an und ziehe mich in Mollys kleines Arbeitszimmer zurück, in dem sie mir ein Gästebett aufgestellt haben.
Tatsächlich bin ich so müde das ich fast augenblicklich einschlafe.
Am nächsten Tag suchen Molly und ich die Wohnungsanzeigen ab und vereinbaren drei Besichtigungen, gleich die erste Wohnung in Howth, 4 km von Dublin entfernt ist ein Volltreffer. Alles passt und der Platz ist mehr wie ausreichend. Vier Zimmer, ein riesiges Wohnzimmer, eine große Küche und ein Bad mit Vollausstattung.
„Was für einen Harken gibt es das die Wohnung so günstig ist?“ ich sehe den Makler an.
„Keinen, die Vermieterin will nur so schnell wie möglich vermieten.“ Erklärt er mir.
„Also ich denke das kann ich nach bestem Gewissen ohne Pat entscheiden, die nehmen wir.“ Molly strahlt mich an. „Eine Bitte habe ich noch.“
„Ja?“ der Makler sieht sie fragend an.
„Wäre es möglich zwischen den beiden letzten Zimmern einen Durchbruch zu machen? Meine liebe Freundin Anna…“ sie nimmt mich in den Arm „… bekommt ein Baby und eine Zwischentür wäre perfekt.“ Sie sieht ihn bittend an.
„Ich spreche das ab, aber ich denke das wird kein Problem. Wann wollen sie einziehen?“ er sieht von mir zu Anna.
„Morgen?“ lacht Molly.
„Ich würde sagen in zwei Wochen.“ Er zwinkert ihr zu und hält uns den Mietvertrag hin.
Molly und ich unterschreiben und machen uns dann auf dem Weg zum Einwohnermeldeamt, ich muss mich in Irland wieder anmelden damit ich eine Kranken- und Sozialversicherung habe. Nachdem wir auch das erledigt haben fahren wir zu Pat ins Dublin Central und berichten ihm von der erfolgreichen Wohnungssuche.
Beim Umzug stehen uns alle unsere Freunde helfend zur Seite und nachdem ich mich bei IKEA mit dem Nötigsten eingedeckt habe wird es auch langsam wohnlich. Alle merken und sehen natürlich das ich mich verändert habe, aber keine reagiert negativ darauf im Gegenteil sie finden das ich mich zum Positiven verändert habe.
Endlich nach zwei Wochen ringe ich mich auch dazu durch meine Mum anzurufen, ich nehme meinen Laptop und wähle den Festanschluss.
„Dr. Olivia Preston.“ Meldet sie sich.
„Hallo Mum.“ Sage ich leise.
„Spatz? Oh mein Gott, wo bist du nur?“ schluchzt sie.
„Mum, ich habe meine Entscheidung getroffen, ich habe einen Fehler gemacht und bade ihn jetzt auch aus.“ Erkläre ich ihr ruhig. Ruhiger wie ich bin…
„Aber Anna, du gehörst hier her, zu deiner Familie.“ Sagt sie eindringlich.
„Mum, du bist alles an Familie was ich habe und ich weiß Jake kümmert sich super um dich. Ich mache mir keine Sorgen weil ich was das du in den besten Händen bist.“ Ich lächle leicht.
„Aber Anna, bitte komm zurück.“ Fleht sie mich an.
„Nein Mum, ich kann das nicht. Ich kann ihn einfach nicht sehen.“ Gebe ich zu.
„Aber Schätzchen er beruhigt sich auch wieder.“ Versucht sie es erneut.
„Hat er sich denn beruhigt?“ frage ich.
„Nein, aber er wohnt wieder hier.“ Erklärt sie mir hastig.
„Schön für ihn, aber es ändert nichts, gar nichts Mum.“ Ich versuche die Tränen zu unterdrücken.
„Aber wie kann ich dich erreichen?“ sie kämpft so sehr mit sich. Ich weiß wenn ich ihr sage wo ich bin, dann kommt sie hierher und das will ich nicht, ich bin fast 28, ich muss meine Fehler selber in Ordnung bringen.
„Gar nicht Mum, ich rufe dich an. Ich liebe Dich Mum.“ Damit lege ich auf und atme tief durch.
War das Richtig?
Ich weiß es nicht…
Aber war es von Ryan richtig?
Nein, ich denke nicht…
So macht jeder eben seine eigenen Fehler.
Besonders schlimm wird es für mich drei Wochen später, Weihnachten… Das fest der Liebe!
Ich verkrieche mich in der Wohnung und würde sie wahrscheinlich die ganzen Feiertage nicht verlassen, wenn mich Molly und Pat nicht mit zu ihren Eltern schleppen würden. Silvester bietet sich den Beiden ein ähnliches Bild, aber wieder sorgen sie dafür das ich mitkomme. Mein Bauch wächst von Tag zu Tag, ich komme auf Arbeit gut voran, lebe mich in Dublin wieder ein und versuche zu Recht zu kommen.
Mein Leben lebt sich selbst… ich muss ja nicht daran teilnehmen.
Meinen Geburtstag im Februar feiere ich nicht und dieses eine Mal haben Pat und Molly erbarmen und lassen mich in Ruhe. Ich bekomme viel für das Baby von unseren Freunden geschenkt, ich habe ja nur noch 3 Monate Zeit, am 9. Mai ist der Geburtstermin. Ich tue mich ein wenig schwer damit mich wirklich auf das Baby zu freuen… es tut mir so leid, aber ich kann nicht aus meiner Haut.
Molly redet mir immer wieder gut zu, aber mein schlechtes Gewissen bleibt.
„Anna?“ Molly schließt die Wohnungstür auf.
„Hier.“ Sage ich und wuchte mich von der Couch hoch.
„Schau mal was im Briefkasten war!“ sie wedelt mit einem Umschlag herum.
„Was ist das?“ frage ich und nehme ihr den Brief aus der Hand.
„Deine Berufsanerkennung, herzlichen Glückwunsch Dr. Anna Connor, sie sind als Ärztin zugelassen!“ sie fällt mir um den Hals.
„Oh wow, ich habe es echt geschafft.“ Ich sehe sie mit großen Augen an.
„Ja. Hast du etwa daran gezweifelt?“ sie lächelt. „Wie geht es euch beiden denn heute?“ sie legt ihre Hand auf meinen Bauch, ich habe nur noch zwei Wochen bis zum Termin und dementsprechend sehe ich auch aus. Ich habe es nur mit Häng dun würgen geschafft mein Assistenzjahr und die Prüfungen noch vor der Geburt auf die Reihe zu bekommen, aber es hat sich gelohnt!
Ich bin ganz offiziell Dr. Anna Connor!
„Ruf sie an.“ Molly nickt mir zu.
Ich starre auf das Blatt in meiner Hand und gehe in mein Zimmer, im Türrahmen zum Kinderzimmer bleibe ich stehen. Pat, Molly und ich haben es in einem hellen Gelb gestrichen und alles wartet nur noch auf das Baby. Alle Möbel sind aufgebaut und alles ist liebevoll mit Spielzeug dekoriert. Ich streichele sanft über meinen Bauch und merke wie mein Baby tritt.
„Wir schaffen das schon Krümel.“ Sage ich leise und setze mich an meinen Laptop.
Ich sehe zur Uhr und beschließe wieder über das Haustelefon anzurufen. In den letzten Monaten habe ich immer versucht wenigstens einmal im Monat anzurufen, immer über Laptop dann kann sie die Vorwahl und keine Nummer von mir sehen.
Ich weiß nicht warum ich mich so sehr dagegen wehre, aber ich will nicht das meine Mum weiß das ich in Irland bin.
Nach nur einem klingeln geht jemand ran.
„Dr. Jacob Preston.“ Meldet sich Jake.
„Hallo Jake, ist meine Mum da?“ frage ich und atme tief durch.
„Gott Anna, wir sterben hier fast vor Sorge um dich…“ setzt er an.
„Jake, gib mir meine Mum.“ Verlange ich.
Ich möchte nicht mit ihm reden…
„Aber Anna…“ versucht er es erneut.
„Gib sie mir oder ich lege auf.“ Sage ich knapp und ich höre wie der Hörer weiter gereicht wird.
„Spatz? Ist alles in Ordnung mit dir und dem Baby?“ fragt meine Mum ein paar Sekunden später.
„Ja Mum uns geht es gut. Ich wollte dir nur sagen das ich meine Zulassung bekommen habe, ich habe mein Assistenzjahr und die Prüfungen bestanden.“ Erkläre ich ihr.
„Oh mein Spatz, das ist so toll, ich bin so stolz auf dich.“ Sagt sie gerührt.
„Ich wollte es nur sagen. Ich liebe Dich Mum.“ Ich lege auf bevor es mir endgültig die Kehle zuschnürt.
Molly kommt ins Zimmer und ich sehe sie mit Tränen in den Augen an.
„Meinst du nicht du bestrafst damit deine Mum?“ sie sieht mich an und ich schluchze.
„Ich kann das nicht Molly…“ weine ich.
„Oh doch Anna, du kannst alles!“ sie setzt sich auf meinen Schreibtisch.
„Nein, ich glaube ich habe noch niemals in meinem Leben jemanden so geliebt wie ihn und bei der ersten Bewährungsprobe ist er geflüchtet…“ ich lege meine Hände auf meinen Bauch.
„Weißt du denn wie er die Sache jetzt sieht?“ sie sieht mich fragend an.
„Nein, aber es würde nichts ändern.“ Ich sehe sie an, sie weiß so gut wie ich das ich lüge, aber wir lassen es einfach mal so im Raum stehen…
Vier Tage später sind wir zu einer kleiner Feier bei einer unserer Freundinnen eingeladen, sie feiert ihren Jungesellinenabschied und ich habe wirklich Spaß.
Gegen 23 Uhr wollen wir aufbrechen als ich einen reißenden Schmerz verspüre und geschockt unter mich sehe.
„Molly!“ rufe ich panisch und sie stürzt ins Bad.
„Gott Anna. Was ist passiert?“ sie sieht mich an und ich versuche gleichmäßig zu atmen.
„Meine Fruchtblase ist geplatzt, ich muss ins Krankenhaus.“ Ich versuche ruhig zu bleiben.
Sie ruft sofort einen Krankenwagen und mit Blaulicht werde ich ins Dublin Central gebracht und aufgenommen.
Eine Geburt kann sich ja so in die Länge ziehen…
Das muss auch ich am eigenen Leib erfahren, denn obwohl ich regelmäßige Wehen habe, hat sich nach 14 Stunden noch nicht wirklich was getan.
Immer und immer wieder werde ich untersucht und Pat und Molly wechseln sich an meinem Bett ab.
Dann plötzlich bricht Panik um mich herum aus und ich sehe ängstlich zu Pat.
„Ganz ruhig Anna, die Herztöne sind abgefallen, wir werden jetzt einen Kaiserschnitt machen. Verstehst du mich?“ er nimmt meine Hand und ich nicke schwach, dann bekomme ich auch schon eine Narkose und alles um mich herum wird schwarz…
Las ich aufwache fühle ich mich furchtbar, alles tut mir weh und ich habe Schmerzen beim atmen.
Molly sitzt an meinem Bett und ich sehe sie an.
„Gott Anna, mach so etwas nie wieder.“ Sie nimmt mich in den Arm.
Ich will sie gerade fragen was los war als sie aufsteht und mir mein Baby in den Arm legt.
„Ein perfektes kleines Mädchen.“ Sagt sie andächtig und ich sehe sie unter Tränen an.
Ich betrachte meine kleine Tochter und fühle eine solche Liebe dass ich es nicht fassen kann.
Wie kann man jemanden so sehr lieben den man gerade erst kennen gelernt hat?
Sie ist wirklich perfekt.
Zehn kleine Fingerchen, dunkle kleine Locken und einen Schmollmund.
Pat kommt herein und strahlt mich an.
„Ist alles in Ordnung?“ frage ich heiser.
„Mit der kleinen Miss ist alles in bester Ordnung…“ er setzt sich auf meine Bettkante „… Anna du bist uns im OP fast verblutet. Wir mussten dich zwei Mal wieder beleben.“ Erklärt er mir und ich sehe ihn geschockt an.
„Es war richtig einen Kaiserschnitt zu machen, unter einer normalen Geburt wärst du uns unter den Händen verblutet.“ Er nimmt meine Hand „Anna du hattest unheimliches Glück.“
„Danke Pat.“ Ich atme tief durch.
„Bekommt die kleine Maus heute noch einen Namen?“ Molly grinst mich an.
„Lilly Olivia.“ Ich streiche ihr übers Köpfchen.
„Ein wunderschöner Name.“ Sagt Pat anerkennend.
„So wir sollten jetzt versuchen ob Lilly Hunger hat, sie hat schon ein wenig Premilch bekommen.“ Pat sieht mich an und ich lächle.
„Komm schon Anna, ich bin Gynäkologe, ich habe schon mehr Brüste gesehen wie du…“ er lacht „… Vertrau mir.“
Ich mache mich frei und lege Lilly an, nach einigen Anläufen nuckelt sie zufrieden an meiner Brust.
„Wunderbar.“ Lobt mich Pat und ich sehe ihn an.
„Anna, in erster Linie bist du gerade meine Patientin, erst dann meine beste Freundin.“ Grinst er.
„Schon verstanden.“ Erwidere ich lächelnd.
Nachdem Lilly satt und zufrieden auf meinem Arm schläft verabschieden sich die Beiden und stellen mir meinen Laptop auf den Nachttisch. Ich ziehe die Tischplatte zu mir und ziehe scharf Luft ein.
Wer immer denkt das ein Kaiserschnitt weniger schmerzhaft wie eine normale Geburt ist, der lässt die Schmerzen danach außer acht…
Ich klappe den Laptop auf und gehe auf skype, ich muss meiner Mum Lilly einfach zeigen.
Ich gehe online und werde sofort mit Nachrichten bombardiert, an die 100 allein von Bella und Davis steht ihr in nichts nach.
Ich suche meine Mum und stelle fest dass sie über die Klinik online ist. Ich drücke auf den grünen Hörer und warte einen Moment.
Dann erscheint ihr Gesicht auf dem Bildschirm.
„Spatz?“ sie schlägt die Hände vors Gesicht und ich sehe wie Jake aus dem Hintergrund kommt.
„Oh Anna.“ Sagt er gerührt als er realisiert wo ich bin.
„Hallo Mum, darf ich dir Lilly Olivia vorstellen?“ ich halte die Kleine ein wenig hoch und meine Mum beginnt zu weinen.
„Oh sie ist so klein und so niedlich.“ Schnieft sie. „Geht es euch gut?“ fragt sie besorgt.
„Ja, ich werde wohl noch ein paar Tage bleiben müssen…“ setze ich an.
„Was ist passiert?“ fragt Jake ängstlich.
„Lilly kam per Kaiserschnitt und ich habe schwere innere Blutungen gehabt.“ Erkläre ich kurz und meine Mum weint auf.
„Mum, ich wollte sie dir nur zeigen…“ ich sehe zu ihr und sie sieht mich ängstlich an.
„Bitte lege jetzt nicht wieder auf Anna.“ Fleht sie mich an.
„Es tut mir leid Mum, ich liebe Dich!“ sage ich schnell und klappe den Laptop zu.
Ich sehe zu Lilly…
Oh Gott wenn ich mir vorstelle das sie das mal mit mir macht, da bleibt mein Herz fast stehen…
Aber ich bin schon viel zu sehr in der Situation drin, ich weiß nur ich kann sie ändern, aber ehrlich gesagt habe ich keine Kraft dazu.
Nach 2 Wochen kann ich endlich entlassen werden und genieße mein Leben als frisch gebackne Mama mit all seinen Höhen und Tiefen.
Klar Schlaf wird Mangelware, aber wenn man sich anstrengt kann man zu jeder Tageszeit schlafen.
Und Lillys glucksen und lächeln ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.
Ich bestelle einen Krippenplatz für sie, da ich von Dublin Central ein Angebot bekommen habe. Wenn Lilly 1 Jahr alt ist, dann kann ich mit festen Sprechzeiten in der Notaufnahme anfangen… so langsam scheint mir Leben mir wieder wohl gesonnen zu sein.
Es spielt sich alles schnell ein und ich bin wirklich froh Pat und Molly zu haben, sie helfen mir wo sie nur können und verwöhnen Lilly nach Strich und Faden, ihr Zimmer ist von einem hellgelben Sonnenzimmer in eine rosa Flauschewelt mutiert. Hey, ich bin nicht Schuld daran! Molly ist vernarrt in Lilly und sie nimmt sie mir ab und an ab damit ich mal wieder durchatmen kann. Ohne sie wären keine Friseurbesuche oder kleine Shoppingtouren möglich, denn meine Tochter weiß eines ganz gut… Nämlich wie man die ungeteilte Aufmerksamkeit bekommt. Am Vormittag bin ich immer mit ihr alleine, aber wir gehen zum Babyschwimmen, zum Babymassage und was Pat und Molly sonst noch auftun. Lilly hat einen Riesenspaß daran und ich liebe es sie glücklich zu sehen.
Einmal im Monat spreche ich kurz mit meiner Mum, ich berichte ihr von Lillys Fortschritten und immer öfter beginne ich mich zu fragen ob das alles so richtig ist.
Wie lange kann ich mich noch verstecken?
„Besuch!“ Molly schließt die Haustür auf, ich sehe verwundert auf meine Uhr und nehme Lilly auf den Arm. Kaum zu fassen dass sie schon 7 Monate alt ist, heute genau auf den Tag. Ich trete in den Flur und bleibe wie angewurzelt stehen. David steht neben Molly und sieht mich an.
Er kommt zu mir und nimmt mich in den Arm.
„Gott Anna, wir sind gestorben vor Sorge um dich.“ Er drückt mich an sich „Und du musst Lilly sein.“ Er kitzelt sie und sie lacht.
Ich fahre ihr über ihre hellbraunen Haare, normalerweise mache ich ihr immer zwei Zöpfe weil sie damit einfach zum reinbeißen aussieht, aber es ist gerade mal 9 Uhr morgens und ehrlich gesagt habe ich mit keinem Besuch gerechnet und mit dem Besuch schon mal gar nicht.
„Ich lasse euch mal allein, ich wollte ihn nur vorbei bringen.“ Molly drückt mir einen Kuss auf die Wange, küsst Lilly auf die Stirn und schließt die Tür wieder hinter sich.
Ich starre David immer noch an.
„Was machst du hier?“ frage ich nach einer gefühlten Ewigkeit.
„Wäre es unhöflich dich erst einmal nach einem Kaffee zu fragen? Ich bin seit 20 Stunden auf den Beinen.“ Er grinst mich an.
„Moment.“ Ich setze Lilly in ihr Laufgitter im Wohnzimmer und gehe in die Küche. Ich stelle die Kaffeemaschine an und hole eine Tasse aus dem Schrank.
Als die Maschine soviel Kaffee ausgespuckt hat wie ich für die Tasse benötige, fülle ich sie und trage sie mit zittrigen Händen ins Wohnzimmer.
David steht an Lillys Laufgitter und schäkert mit ihr.
Ich stelle die Tasse ab und setze mich in den Sessel.
Er sieht auf und setzt sich mir gegenüber auf die Couch, er genehmigt sich einen Schluck des Kaffees und sieht mich an.
„Was hast du dir nur dabei gedacht?“ er sieht mich fassungslos an.
„Ich wusste nicht mehr weiter, Oliver und Ryan haben mir eindeutig klar gemacht das ich mit meinem “Problem“ alleine fertig werden muss.“ Sage ich und sehe zu Lilly.
„Und da hältst du es für sinnvoll einfach abzuhauen und niemandem zu sagen wo du bist?“ er sieht mich skeptisch an.
„Ihr seid doch vorher auch ohne mich klar gekommen.“ Ich verschränke die Arme vor meiner Brust.
„Ja, aber dann bist du ein Teil unseres Lebens geworden und selbst wenn du dann meinst du verschwindest…“ er sieht mich zweifelnd an „…Glaubst du allen Ernstes das wir einfach vergessen das du existierst? Anna, wir sind Freunde…“ er holt tief Luft „… Freunde sind immer da.“ Sagt er und ich sehe ihn an. „Anna, ganz ehrlich ich will mir nicht vorstellen in welcher Situation du warst und das Oliver und Ryan falsch reagiert haben steht außer Frage, aber hattest du so wenig vertrauen in deine Familie und in uns?“ er schließt kurz die Augen, ich hätte nie gedacht das ich ihn so verletzt habe.
„Meine Familie ist nur meine Mum und sie ist bei Jake in den besten Händen.“ Wehre ich mich.
„Nein auch Jake und Ryan sind deine Familie, zugegeben auf eine etwas verdrehte Art und Weise, aber sie vermissen dich. Und Gott Bella vermisst dich so sehr. Ich habe ein paar Monate nicht mit Ryan gesprochen weil ich sein Verhalten nicht verstehen konnte. Mittlerweile sehen wir uns wieder ab und zu zum segeln oder wir gehen mal aus. Aber die Stimmung bei euch zu Hause ist nicht mehr dieselbe. Deine Mum ist wirklich krank vor Sorge, weil sie nicht weiß wo du bist und glaub mir deine monatlichen Anrufe tragen nicht dazu bei das sie sich besser fühlt. Jake hat schon einen Privatdetektiv auf dich angesetzt ohne Erfolg und Ryan spricht gar nicht über dich. Wenn es einer geschafft hat dich aus seinem Kopf zu streichen, dann er.“ Er steht auf und geht vor mir in die Hocke. „Bitte Anna, ich bitte dich, komm zurück. Nicht für mich oder Bella, aber für deine Mum und Jake.“ Er sieht mich eindringlich an.
Super, der einzige Mensch dem ich gehofft habe wichtig zu sein, ist augenscheinlich der Einzige der mich aus seinem Leben streichen konnte…
„Wie hast du mich gefunden?“ frage ich nach einer kleinen Pause.
„Durch Zufall, wir haben einen Artikel vom Dublin Mirror bekommen um ihn zu drucken, er war von Molly O´Meally und ich habe alles auf eine Karte gesetzt und sie angerufen. Du hast uns ja viel von Molly und deinen Freunden erzählt. Zugegeben die Chance war gering, aber was hatte ich zu verlieren? Erst hat sie alles abgestritten aber schlussendlich dann doch zugegeben das sie die Molly ist und das du hier bist.“ Er streichelt meine Wange. „Ich bin froh dass ich dich gefunden habe.“
„David ich kann nicht einfach wieder auftauchen und sagen: Hallo da bin ich.“ Ich sehe ihn zweifelnd an.
„Oh doch Anna, genau das kannst du.“ Er nickt leicht.
„Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut.“ Ich sehe zu Lilly.
„Bist du hier glücklich?“ fragt er mich ernst.
„Werde ich in Oceanside glücklich sein?“ antworte ich mit einer Gegenfrage.
„Kein Ahnung, wenn du hier glücklich bist, dann lasse ich dich hier und fliege alleine zurück…“ er steht auf und setzt sich wieder „… Aber nach allem was ich von Molly weiß bist du hier nicht glücklich, du hast dich arrangiert, aber sollte man sich mit seinem Leben arrangieren? Wo ist dein zu Hause Anna?“
„Ich habe kein zu Hause.“ Sage ich traurig.
„Dublin ist es augenscheinlich nicht, also warum gibst du Oceanside nicht die Chance es vielleicht doch noch für dich…“ er sieht lächelnd zu Lilly „… und Lilly zu werden?“
Ich öffne meinen Mund um etwas zu sagen, aber schließe ihn wieder.
Weil Ryan da ist!
Weil ich ihn nicht in meiner Nähe haben kann!
Weil er mich zu sehr verletzt hat!
„Ryan?“ fragt David leise und ich sehe ihn an.
„Komm schon Anna, was da immer auch zwischen euch war. Ihr seid beide erwachsen, du wirst ihm nicht auf ewig aus dem Weg gehen können. Er gehört zu Jake und Jake ist so etwas wie dein Dad.“
Ich bin doch immer schon über ein Jahr auf der Flucht, warum sollte das nicht weiter funktionieren?
„Ich schaffe das doch bisher auch ganz gut?“ sage ich fast trotzig.
Ich weiß dass er Recht hat!
Verdammt noch mal ich weiß es!
Aber ich habe nicht gerne Unrecht!
Ich liebe es Recht zu haben und hasse es dementsprechend Unrecht zu haben.
„Und zu welchen Preis?“ er zieht eine Augenbraue hoch „Deine Mum hat ihre Enkelin noch nie gesehen, du hast deine Mum seit über einem Jahr nicht gesehen…“ er sieht mich an „Ist es das Wert? Ganz ehrlich, was aus dir und Ryan wird ist egal, es geht hier um dich und deine Mum.“ Sagt er eindringlich und ich merke wie mein Widerstand zu bröckeln beginnt. „Weißt du jetzt eigentlich wer von den beiden ihr Daddy ist?“ er deutet auf Lilly und ich schüttele mit dem Kopf.
Wie denn auch?
Wie soll ich einen Vaterschaftstest ohne DNA Material des potenziellen Vaters machen?
Bisher bin ich meine Verdrängungstechnik ja ganz gut gefahren.
„Pass auf Anna, ich fahre jetzt in mein Hotel. Ich komme morgen um 11 Uhr wieder, entweder sind deine Taschen gepackt oder aber ich fliege alleine nach Hause.“ Er nickt, kommt zu mir haucht mir einen Kuss auf die Wange und nimmt Lilly auf den Arm.
„So kleine Maus, ärgere deine Mummy nicht.“ Er gibt sie mir und sie strahlt ihn an.
Total verwirrt lässt er mich zurück und in meinem Kopf überschlägt sich alles…
Was soll ich nur machen?
Ich ziehe Lilly erst einmal etwas an und packe sie in ihren Kinderwagen. Ich brauche jetzt frische Luft um einen klaren Kopf zu bekommen.
Ich gehe fast drei Stunden mit ihr spazieren und als ich nach Hause komme, erwarten mich Molly und Pat schon.
„Da bist du ja wieder.“ Molly lächelt mich an.
Sie nimmt Lilly aus ihrem Kinderwagen und zieht sie aus während ich mich neben Pat auf die Couch setze.
„Ich würde ja sagen dass es mir leid tut…“ Molly sieht mich an „… Aber ich lüge so ungern.“ Sie zuckt mit den Schultern.
„Ich weiß nicht was ich machen soll…“ ich stütze meinen Kopf auf meinen Händen ab.
„Hör zu Anna, versteh mich jetzt nicht falsch…“ Pat zwingt mich ihn anzusehen „…Aber beweg deinen hübschen Hintern zurück in die Staaten.“
„Aber…“ setze ich an.
„Nein Anna, nichts aber…“ sagt Molly streng, sie setzt sich mit Lilly auf dem Schoß in den Sessel „… Wir haben dich wirklich gerne hier, aber wir sehen das du hier nicht mehr hin gehörst, du bist in dem halben Jahr dort drüben zu einer von ihnen geworden…“ sie lächelt „… Das ist Okay, ganz ehrlich Anna. Du hast den Platz auf der Welt gefunden der für dich bestimmt ist. Du wirst in deinem Herzen immer ein Irish Girl sein, aber eben ein Irish Girl welches in Kalifornien lebt.“ Sie zwinkert mir zu. „Und verlasse dich drauf Pat und ich werden dich mindestens einmal im Jahr besuchen um zu schauen ob es unserer kleinen Prinzessin gut geht.“ Sie gibt Lilly einen dicken Kuss.
„Und Anna?“ Pat zieht mich in seine Arme und ich sehe in seine grau blauen Augen die so viel Wärme ausstrahlen.
„Sieht aus als hättet ihr schon eine Entscheidung getroffen.“ Sage ich leise.
„Aber ist es auch das was du willst?“ er streicht mir eine Strähne meines, mittlerweile auf schulterlänge gestutzten Haares, hinter das Ohr.
„Ja.“ Sage ich leise.
Ich weiß wie sehr ich mich auch dagegen wehre…
Irgendwann muss ich zurück gehen.
Ich gehöre zu meiner Mum und dementsprechend auch zu Jake. Ryan ist eine Sache für sich, dafür kann meine Mum nichts und auch Jake nicht…
Ich mache Lilly gegen 19 Uhr bettfertig und nach ihrer Flasche lege ich sie in ihr Bettchen. Dann beginne ich unsere Taschen zu packen. Irgendwann gegen Mitternacht stehe ich vor 7 gepackten Taschen und Koffern.
Also ehrlich mit einem Baby zu verreisen stellt einen vor ganz neue Herausforderungen. Molly steht mir mit Rat und Tat zur Seite und ja, ohne sie, hätte ich wahrscheinlich auch Lillys Wintersachen eingepackt…
Wofür?
Keine Ahnung!
Ich kann in dieser Nacht nicht schlafen und wälze mich nur in meinem Bett hin und her.
Als Lilly um 6 Uhr ausgeschlafen hat, habe ich noch nicht ein Auge zu gemacht. Ich mache ihr einen Brei zum Frühstück und verabschiede mich dann von Molly und Pat. Wir wollen keine großartige Szene und sie haben versprochen mich in 6 Wochen zu besuchen.
Molly meint so schön, es ist ja nur ein kleiner Abschied.
Wie gerne würde ich ihr glauben…
Ich habe das Gefühl viel zu oft in meinem Leben schon etwas hinter mir gelassen zu haben. Ich habe dem Dublin Central abgesagt und mich per Computer abgemeldet, für die nächsten Tage bin ich staatenlos…
Komisch aber genauso fühle ich mich.
Staatenlos, Heimatlos und irgendwie verloren.
Herrgott, ich bin 28, fast schon 29 und habe keinen Plan für mein Leben.
Anderen mag das nichts ausmachen, aber für mich ist es eine Qual.
Ich hatte immer einen Plan, bis zu dem Zeitpunkt als ich nach Oceanside ging. Seitdem steht mein Leben Kopf und ich schaffe es nicht Ordnung da rein zu bringen.
Ich ziehe Lilly noch dick an, immerhin sind wir noch in Dublin und hier ist es im September eben schon ordentlich kalt. Aber ich habe in meinem Handgepäck ein Kleidchen, ich kann es ihr ja im Flieger anziehen.
Ich bin völlig nervös und ziehe mich drei Mal um, um dann schlussendlich doch in einer dunkelblauen Jeans und einer kurzen weißen Bluse und einem grauen Pullunder vor dem Spiegel zu stehen.
Wie gut das ich das als Erstes anhatte…
Ich bin meine Schwangerschaftspfunde noch nicht ganz los, aber mich stört es nicht, ich pendele mich gerade zwischen 60 und 62 kg ein und ich mag mich so. Ich mache mir meine Haare und schminke mich dezent…
Warum eigentlich?
Ich rede mir gerne ein ich mache es für mich…
Dann klingelt es endlich und ich öffne David die Tür, er wirft einen Blick hinter mich und entdeckt die Taschen.
„Ich wusste es.“ Er zieht mich lächelnd in seine Arme.
„Mir ist schlecht.“ Sage ich und sehe ihn ängstlich an.
„Das wird schon…“ er kommt rein „… Wo ist denn Lilly?“
„Im Wohnzimmer.“ Ich deute auf das Wohnzimmer, Lilly liegt auf einer Decke und sabbert ihren Lieblingsteddy voll. Es ist ein selber gehäkelter 30 cm großer Teddy von Mollys Mum, in weiß mit einem rosa Kleidchen. Sie hat ihn gesehen und seitdem schleppen wir sie überall mit hin. Bei uns heißt sie Lola.
„In 20 Minuten kommt das Taxi…“ David sieht mich an „… Hast du alles?“
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu.
„Sag mir die wichtigsten Sachen, was dann fehlt kaufen wir eben neu.“ Er zwinkert mir zu und ich lächle gequält.
„Ich habe die Babyschale fürs Auto, ich habe ihren Kinderwagen, Anziehsachen, ein Reisebett, Windeln, Feuchttücher, Flaschen, Milchpulver, Breipulver, Spucktücher…“ ich denke nach „Lola muss mit und im Handgepäck habe ich denke ich alles was ich für den Flug brauche: 3 fertige Flaschen, Flaschenwärmer, eine Decke, Feuchttücher, Windeln, Spielzeug.“ Ich sehe mich suchend um „Unsere Pässe.“ Sage ich erleichtert.
„Ganz ruhig atmen Anna, weißt du wir fliegen in eine zivilisiertes Land, dort kann man alles kaufen.“ Er lacht leise und nimmt Lilly auf den Arm „Deine Mummy ist mit ihren Nerven ja völlig am Ende.“ Er kitzelt sie und sie gluckst „Sag mal hast du heute Nacht überhaupt geschlafen?“ er sieht mich fragend an.
„Nein.“ Gebe ich zu.
„Hast du dich von Molly und Patrick verabschiedet?“ er sieht mich komisch an.
„Ja, natürlich.“ Ich sehe ihn verständnislos an.
„So natürlich ist das nicht.“ Er zieht eine Augenbraue hoch.
„Geht das jetzt den ganzen Flug so?“ frage ich gespielt genervt.
„Hmm…“ er tut als würde er nachdenken „… Ja.“ Sagt er schließlich und grinst breit.
Es klingelt und dann bricht für einen Moment Chaos aus. Wir packen alle Sachen ins Taxi und ich ziehe Lilly eine Jacke an.
Dann fahren wir zum Flughafen und es wird echt turbulent alles einzuchecken. David bezahlt grinsend den Frachtzuschlag und dann gehen wir in den Check in Bereich.
„Das Geld bekommst du wieder.“ Ich sehe ihn entschuldigend an.
„Ach was Anna, mach dir mal keine Gedanken. Wenn ich Bella strahlen sehe wenn sie entdeckt wen ich mit gebracht habe, dann ist alles vergessen.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Wir setzen uns in den Wartebereich und ich sehe Lilly beim schlafen zu. Sie ist so eine niedliche kleine Maus, dick eingekuschelt, heftig an ihrem Schnuller saugend liegt sie in ihrem Maxi Cosi und ahnt nicht von der bösen Welt da draußen.
„Die Kleine ist echt süß.“ David schubst mich leicht an.
„Ich liebe sie mehr wie mein Leben.“ Sage ich und sehe ihn an „Ich werde nicht drum herum kommen einen Vaterschaftstest zu machen, oder?“
„Nein, oder willst du Lilly später sagen das du nicht weißt wer ihr Daddy ist weil du Angst hattest?“ er nimmt mich in den Arm.
„Nein.“ Sage ich leise.
Dann wird unsere Maschine ausgerufen und wir gehen zum Gate. Eine Stunde später heben wir ab und ich sehe hinunter auf Dublin.
Mein mir fremd gewordene Heimat…
Lilly verschläft den Start und ich lasse sie nicht aus den Augen.
„Wie geht es Bella?“ ich sehe zu Davis und er grinst.
„Willst du dich jetzt schnell auf den Neusten Stand bringen?“ lacht er.
„Komm schon David.“ Ich knuffe ihn leicht.
„Ihr geht es gut, sie hat ein eigenes Büro bekommen und sie überlegen sie zur Partnerin zu machen.“ Erzählt er stolz.
„Wow, das ist Wahnsinn.“ Ich sehe ihn staunend an.
„Ja.“ Er strahlt „Bevor ich es vergesse, Bella und ich werden nächsten Sommer heiraten.“ Er grinst und ich falle ihm um den Hals.
„Und das sagst du erst jetzt?“ ich sehe ihn erstaunt an.
„Ich bin nach Dublin geflogen um so einen irischen Sturkopf zu holen und ich glaube der Sturkopf hatte erst einmal genug mit sich und einer Entscheidung zu tun. Sturköpfe neigen nämlich dazu nicht alle Informationen auf einmal verarbeiten zu können.“ Er sieht mich an.
„Schon verstanden, du musst das Wort Sturkopf nicht 3-mal in einem Satz verwenden.“ Ich drehe mit den Augen.
„Oh doch.“ Er lacht. „Ansonsten geht es ihr wirklich gut, aber sie vermisst dich wirklich.“
„Ich freue mich auf sie. Holt sie uns vom Flughafen ab?“ ich sehe ihn an.
„Ja, sie denkt sie holt mich vom Flughafen ab.“ Er grinst. Ich mache Lillys Jacke ein Stück auf und lehne mich zurück.
Irgendwann lege ich meinen Kopf an seine Schulter und sehe mir einen Moment lang den Film an, dann merke ich wie sich mein Schlafmangel langsam aber sicher rächt. Komisch auf dem Hinflug habe ich kein Auge zu gemacht und jetzt? Wir sind gerade mal 1 Stunde in der Luft und ich kann mich nicht mehr wach halten.
Irgendwann schrecke ich hoch und merke das David nicht neben mir sitzt, ich sehe zu dem Sitz auf dem Lilly angeschnallt war, aber auch sie ist weg.
„David?“ rufe ich und merke wie mein Herz aus der Brust zu springen droht.
„Ganz ruhig.“ Er kommt mit Lilly auf dem Arm und sie Wickeltasche unter dem Arm zu mir. „Was denkst du wo ich mit ihr hin bin?“ er gibt sie mir und sie strahlt mich an.
„Keine Ahnung.“ Sage ich und ziehe eine Flunsch.
„Kann es sein das du echt Schlaf nötig hattest?“ er sieht mich grinsend an.
„Warum?“ frage ich und gebe Lilly Lola in die Hand.
„Du hast gerade 14 Stunden durch geschlafen…“ er grinst und ich sehe ihn entschuldigend an „Kein Problem Anna, ich hatte nette Hilfe…“ er deutet auf eine ältere Dame und sie winkt uns zu, unsicher winke ich zurück „… Sie hat mir geholfen das Fläschen warm zu machen und ihre Windel zu wechseln. Ganz ehrlich was gibst du deiner Tochter zu essen?“ er sieht mich angewidert an und ich lache.
„Jedenfalls hat sie zwei Flaschen leer getrunken und die letzte zur Hälfte. Sie hat dreimal eine neue Windel bekommen, ich habe mir ihr gespielt und sie hat ein wenig geschlafen. Ich habe darauf geachtet sie ein bisschen in die kalifornische Zeit zu bekommen, hat ganz gut funktioniert glaube ich.“ Er sieht mich stolz an.
„Du bist der Wahnsinn David Cullen.“ Lache ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Wann sind wir denn da?“ ich streiche Lilly über ihr Köpfchen.
„In drei Stunden.“ Sagt er und streckt sich.
„Dann schlaf du noch ein wenig.“ Ich drücke ihm meine Decke in die Hand und wir tauschen die Plätze, so kann er am Fenster sitzen und ich muss nicht immer an ihm vorbei.
Ich ziehe meinen Pullunder aus da es ganz schön warm in der Maschine ist, dann nehme ich mir Lilyls Kleidchen und ziehe sie ebenfalls um, sie sieht aus wie eine kleine Puppe in dem Kleid und ich setze mich mit ihr auf den Boden und wir spielen zusammen.
Wie immer wenn ich mit Lilly zusammen bin merke ich gar nicht wie schnell die Zeit vergeht.
„Miss? Sie müssen sich bitte hinsetzen und ihren Sitznachbarn wecken, wir landen in 20 Minuten in San Diego.“ Sie reicht mir eine Wasserflasche. „Lassen sie die Kleine bei der Landung trinken.“ Sie zwinkert mir zu.
Ich gehe zurück zu meinem Sitz und schnalle Lilly in ihrem Maxi Cosi an, dann wecke ich vorsichtig David.
„Hey wir sind gleich da.“ Sage ich sanft und er sieht mich verschlafen an.
Er streckt sich ausgiebig und fängt an zu grinsen.
„Showtime Ireland.“ Er knufft mich leicht und ich verdrehe die Augen.
Ich fülle Lilly Wasser in eine ihrer Flaschen und sie hat Gott sei Dank keine Probleme bei der Landung.
Dann gehen wir zum Gepäckband und wegen der Massen an Gepäck dauert es etwas länger. Wir bauen den Kinderwagen wieder zusammen und ich setze Lilly rein. Sie findet alles um sich herum faszinierend und interessant und gibt keinen Mucks von sich.
Nachdem auch Koffer Nummer 7 auf dem Koffertrolli liegt schiebt David diesen vor sich her und ich folge ihm mit dem Kinderwagen.
Ich sehe Bella und sie stürmt auf David zu und küsst ihn stürmisch.
„Endlich.“ Jubelt sie und David lacht.
„Ich war gerade mal 2 Tage weg.“ Er nimmt sie fest in seine Arme. „Aber schau mal wen ich Dublin eingesammelt habe.“ Er deutet auf mich und Bella stößt einen kleinen Schrei aus und kommt zu mir gelaufen.
„Oh Anna, du hast mir so sehr gefehlt.“ Sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Du mir auch.“ Gebe ich zu und drücke sie an mich.
„Wo ist deinen Kleine?“ sie sieht mich an und wischt sich ihre Tränen weg.
„Schau mal Lilly, das ist Bella.“ Ich sehe zu Lilly die das Ohr ihres Teddys ankaut.
„Oh sie ist so süß.“ Bella streicht ihr über den Kopf und ihre Zöpfe schnellen wieder nach oben als Bella ihre Hand weg nimmt. „Wissen deine Mum und Jake das du hier bist?“ sie sieht zu mir auf und ich schüttele langsam meinen Kopf. Ich sehe ihr direkt in ihre warmen braunen Augen und meine Angst spiegelt sich darin.
„Dann passt es ja gut dass ich mich und David heute zum Lunch bei ihnen angemeldet habe.“ Sie zwinkert mir zu. „Mein Dad und Jake wollen irgendetwas bekannt geben.“ Sie zuckt mit den Schultern.
„Hmm.“ Ich atme tief ein.
„Kann mir einer von euch sagen wie ich das alles in mein Cabrio bekommen soll?“ Bella legt ihren Arm um meine Schultern und sieht auf den Koffertrolli, auf dem obendrauf die Babyschale prangt.
„Ich denke ich fahre mit Anna mit einem Taxi.“ Sagt David und Bella nickt zustimmend.
„Ja, ansonsten müsste ich mindestens 3-mal fahren.“ Sie lacht leise und wir treten hinaus in die warme Sonne Kaliforniens.
Oh die Sonne hat mir gefehlt…
Ich schließe einen kleinen Moment meine Augen.
„Na war es kalt in Irland?“ David grinst mich an.
„Du warst in Irland?“ japst Bella und ich sehe sie erstaunt an.
„Ja in Dub.“ Gebe ich zu.
„Aber dieser komische Privatdetektiv hat doch angeblich alles auf den Kopf gestellt und dich nicht gefunden.“ Sie sieht mich zweifelnd an.
„Keine Ahnung.“ Gebe ich zu.
David organisiert uns einen Kleinbus und wir beladen ihn, ich lege Lilly wieder in ihre Babyschale und verspreche ihr dass sie die nächsten Tage da nicht mehr rein muss. Sie lacht glücklich und drückt Lola an sich.
Die 45 Minuten nach Oceanside ziehen sich qualvoll in die Länge. Mir ist schlecht, ich bekomme kaum Luft und ich habe wahnsinnige Angst.
„Anna…“ David nimmt meine Hand „… Atmen.“ Sagt er leise und ich versuche tief einzuatmen.
„Ich kann das nicht.“ Ich sehe ihn panisch an.
„Doch Anna.“ Sagt er sicher und drückt meine Hand kurz.
Als wir vor dem Haus anhalten habe ich das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. David steigt aus und meine Mum und Jake erscheinen in der Tür. Bella parkt in der Auffahrt und steigt ebenfalls aus, meine Mum und Jake sehen sie verwirrt an.
Dann hält David mir die Tür auf und ich stiege langsam aus, ich greife hinter mich und hebe die Babyschale aus dem Auto.
„Anna!“ meine Mum schlägt ihre Hände vors Gesicht und ich merke wie die Tränen sich bei mir den Weg bahnen.
Dann endlich läuft sie los, ich gebe David die Babyschale in die Hand und meine Mum nimmt mich in den Arm.
„Oh mein Spatz.“ Sie fährt mir durch die Haare und streicht meinen Pony aus dem Gesicht. „Ich bin so glücklich das du hier bist.“ Sie will mich gar nicht los lassen.
„Entschuldigung kann mal bitte jemand das Taxi mit ausladen?“ der Taxifahrer stemmt seine Hände in die Hüften und David gibt Lilly schnell an Bella weiter und er und Jake laden das Taxi aus und David bezahlt den Fahrer.
„Kommt erst einmal rein.“ Jake schiebt uns sanft in Richtung Haus.
„Ich kann es nicht glauben.“ Meine Mum nimmt mein Gesicht in ihre Hände.
Weinend mache ich mich von ihr los. Ich beuge mich über die Babyschale und nehme Lilly raus.
„Schau mal Lilly, das ist deine Grandma.“ Ich gebe ihr Lilly auf den Arm.
„Oh sie ist so winzig.“ Meine Mum begutachtet sie von allen Seiten.
Jake sieht mich unentschlossen an, ich gebe mir einen Ruck und nehme ihn in den Arm.
„Es tut mir leid, ich hätte nicht einfach gehen dürfen.“ Sage ich leise.
„Schon gut.“ Sagt er sanft und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Nein Jake, es tut mir wirklich leid.“ Sage ich und wische meine Tränen weg.
„Anna bitte.“ Er sieht mich an und lächelt zaghaft „Ich bin nicht dein Dad und darf mich nicht in deine Sachen einmischen.“
„Jake, Mum war bis vor drei Jahren alles an Familie was ich hatte, du bist nicht mein Dad aber du bist die Person die dem am nächsten kommt.“ Sage ich und er zieht mich in seine Arme.
„Schau mal Lilly, das ist dein Grandpa.“ Ich sehe zu Lilly und meine Mum reicht sie an Jake weiter.
In diesem Moment taucht Ryan auf und ich denke mein Herz muss stehen bleiben… er erfasst die Situation, dreht sich um und geht.
Ich atme tief ein und Jake legt seine Hand auf meinen Rücken.
„Lass ihn das erst einmal verstehen, das letzte Jahr war hart für ihn, er war außer sich vor Sorge um dich.“ Sagt er leise und ich sehe ihn erstaunt an „Natürlich würde er das niemals zugeben, aber ich kenne meinen Sohn.“ Fügt er hinzu und ich nicke leicht.
Mein Blick fällt auf die große Uhr, 19 Uhr Ortszeit.
„Ich muss Lilly bettfertig machen, sonst tanzt sie mir die ganze Nacht auf der Nase herum.“ Ich sehe meine Mum entschuldigend an. „Ich bin in einer halben Stunde bei euch.“ Verspreche ich und David hilft mir meine Sachen in meine Wohnung zu tragen. Wir richten ein provisorisches Kinderzimmer im Arbeitszimmer ein und als ich Lilly ihre Flasche gegeben habe lege ich sie ins Reisebett welches Bella und er aufgebaut haben.
„Meine Güte für so ein Teil muss man ja studiert haben.“ Lacht Bella und ich decke Lilly zu. Ich stelle das Babyphon neben das Bett und nehme den Empfänger mit.
„Gute Nacht Prinzessin.“ Ich streichele sie sanft und ziehe dann leise die Tür zu.
„So einfach ist das?“ Bella sieht mich erstaunt an.
„Ja, ich denke ich habe sie in der Beziehung gut erzogen.“ Grinse ich.
Wir gehen nach unten und ich unterhalte mich lange mit Jake und meiner Mum, auf der einen Seite verstehen sie mich aber auf der anderen Seite kommen immer wieder leichte Vorwürfe durch.
Gegen 2 Uhr bin ich endlich im Bett und dann dreht Lilly auf. Sie weint, sie schreit und lässt sich kaum beruhigen. Ich laufe mit ihr durch die Wohnung und versuche sie inständig dazu zu bekommen mir wenigstens eine Stunde Schlaf zu gönnen.
Vergeblich, um 8 Uhr wage ich es mich nach unten zu gehen und meine Mum kommt mir entgegen.
„Was ist denn los Engelchen?“ sie nimmt mir Lilly ab und sieht sie besorgt an.
„Keine Ahnung…“ ich seufze und setze mich an den Tisch „Die Zeitumstellung? Zähne? Hunger, Windel und Durst habe ich ausgeschlossen. Ungefähr 100 Mal heute Nacht.“ Sage ich müde.
„Oh Spatz, Jake und ich müssen gleich in die Klinik, meinst du, du kommst bis um 2 Uhr klar? Dann bin ich wieder da.“ Sie sieht mich zweifelnd an.
„Aber sicher.“ Ich unterdrücke ein gähnen.
Ich möchte sie gerne nach Ryan fragen, aber ich beiße mir auf die Zunge.
Nicht jetzt!
Ich bin viel zu erledigt…
Jake begrüßt mich und Lilly strahlend und dann müssen die beiden auch schon los. Da sie nicht wussten dass ich komme habe sie einen vollen OP Plan.
Lilly ist den ganzen Tag über quengelig und will nur bei mir auf dem Arm bleiben, sie lässt niemanden in ihre Nähe ohne hysterisch zu brüllen.
In den folgenden Tagen ist sie phasenweise lieb und phasenweise ein kleines Monster. Nachts bekomme ich kaum ein Auge zu und ich bin wirklich müde…
Meine Mum hat sich den Freitag frei genommen, wir gehen lange spazieren reden über alles Mögliche und versuchen irgendwie die Zeit aufzuholen. Langsam aber sicher gelingt uns das Schritt für Schritt.
Jake ist toll im Umgang mit Lilly und sie liebt ihn. Nur wenn sie ihre Mummy Phasen hat, dann liebt sie niemanden.
Gerade bin ich mit meiner Mum und Lilly am Pier angekommen. Lilly schläft und hält ihre Lola fest. Meine Mum sieht sie an und klopft neben sich auf eine Bank.
„Kann ich dich was fragen Spatz?“ beginnt sie vorsichtig.
„Hmm.“ Ich nicke leicht und verschlinge meine Hände ineinander.
„Was war eigentlich bei dir, Oliver und Ryan los?“ sie legt ihre Hand auf meine Hände und ich seufze.
„Es ist kompliziert.“ Gebe ich zu.
„Tja also das wissen wir mittlerweile alle.“ Sie lächelt mir aufmunternd zu.
„Wenn ich ganz ehrlich bin hat mir Ryan vom ersten Augenblick an gefallen…“ ich grinse schief „… Aber ich dachte er kann mich nicht leiden, ich dachte er sieht mich als Eindringling. Du weißt ja wie wir uns immer angezofft haben.“ Ich sehe zu ihr und sie nickt.
„Oh ja daran kann ich mich gut erinnern.“
„Auf eurer Hochzeit als wir euch zum Flughafen gebracht hatten, da haben wir das erste Mal wirklich offen geredet und dann plötzlich war alles so klar…“ ich atme tief ein „Wir hatten uns verliebt. Ich wollte Oliver sofort sagen was los ist, aber er bekam dieses Forschungsstipendium und ich wollte es ihm einfach nicht am Telefon sagen. Mir wurde plötzlich bewusst wie wenig ich ihn liebe und er mich augenscheinlich auch. Ich genoss die Zeit mit Ryan du dann passierte es…“ ich zucke mit den Schultern und sehe sie an.
Gut, das ist jetzt die Kurzfassung von der Kurzfassung.
„Spatz…“ meine Mum zieht mich in ihre Arme „Wir müssen erst einmal Klarheit bekommen was Lilly angeht und dann solltest du sowohl mit Oliver als auch mit Ryan reden.“ Sie nickt mir zu.
„Danke Mum.“ Sage ich leise.
„Dafür nicht Spatz.“ Sie gibt mir einen Kuss.
Am Nachmittag habe ich mich mit Bella verabredet und als sie mit drei Tüten aus dem Auto steigt schwant mir schon nicht Gutes.
„Bella.“ Sage ich gespielt genervt.
„Was denn?“ sie gibt mir einen Kuss und hüpft die Treppen hoch „Lilly!“ jubelt sie als ich hinter ihr ins Wohnzimmer trete. „Weißt du was? Deine Tante Bella hat dir ganz tolle Sachen mit gebracht.“ Sie nimmt sie auf den Arm.
„Bella du sollst ihr nicht ständig was kaufen.“ Sage ich und sehe sie strafend an.
„Anna, ich bin vernarrt in diese kleine Maus.“ Sie knuddelt sie „Und wenn ich ihr was kaufen möchte, dann lass mich bitte.“ Sie sieht mich an und zieht eine Flunsch.
Ich schüttele meinen Kopf und wage einen Blick in die Tüten. Rosa, Rosa, Rosa oh Weiß. Ich lache auf und stelle die Tüten in Lillys Zimmer. Die letzten drei Tage waren Handwerker in meiner Wohnung. Jake hat darauf bestanden Lilly ein richtiges Kinderzimmer zu schenken, und das hat sie jetzt. Ein tolles Kinderzimmer mit Möbeln aus Ahorn und einem Blick auf den Pazifik.
Alle verwöhnen sie wo sie nur könne, ich habe ein wenig Angst wo das endet…
Des Weiteren wurde ich von meiner Mum dun Jake mit drei, ich betone drei verschiedenen Kinderwägen ausgestattet.
Einen zum Joggen, einen Buggy für hier und einen für unterwegs.
Bella und ich schnappen uns einen der Wägen und fahren mit Lilly an den Strand spazieren. Bei Bella fühle ich mich als wäre ich nie weg gewesen…
„Wann ist der Termin?“ sie sieht mich fragend an.
„Nächsten Donnerstag, da hat Oliver erst Zeit.“ Sage ich und atme tief durch.
Jake hat darauf bestanden die Probenentnahme für den Vaterschaftstest selber zu machen und wir sollen am Donnerstag alle in die Klinik kommen.
„Alles wird gut.“ Bella sieht mich an und nimmt meine Hand.
„Danke Bella.“ Sage ich leise.
Wie gerne würde ich ihr glauben…
Ich komme von meiner Joggingrunde wieder und stelle den Jogger in die Eingangshalle, da Lilly beschlossen hat endlich mal zu schlafen.
Ich gehe leise die Treppe hoch und stelle ich unter die Dusche, heute Nachmittag soll ich zu Jake und meiner Mum in die Klinik kommen. Ich werde also Oliver und Ryan sehen. Mir ist nicht gut bei dem Gedanken daran, aber wir alle brauchen endlich Gewissheit…
Ich schaffe es gerade eben zu duschen und mir was Vernünftiges anzuziehen da ist Lilly auch schon wieder wach. Ich bin jetzt seit knapp 2 Wochen wieder hier und in dieser Zeit schlafe ich nicht mehr wie 2 Stunden am Stück, wir wissen jetzt das Lilly Zähne bekommt, aber das hilft mir nicht weiter wenn sie herzzerreißend weint…
Ich bringe sie ins Auto und schnalle sie an. Ich lade den Buggy ein fahre die 20 Minuten bis zur Klinik. Sofort fallen mit die Autos von Oliver und Ryan ins Auge.
Ich habe Ryan die letzen 14 Tage nur zwei Mal kurz gesehen und Oliver habe ich seit der Hochzeit nicht gesehen.
Ich setze Lilly in den Buggy und gebe ihr Lola in die Hand. Ich rede mir selber gut zu und betrete die Klinik.
„Da bist du ja.“ Meine Mum nimmt mich in den Arm und hebt dann Lilly aus dem Buggy, sofort fängt sie an zu weinen und ich nehme sie ihr ab.
„Oh heute wieder ein Mummy Tag?“ meine Mum grinst Lilly an.
„Ja.“ Sage ich nur.
Mir ist schlecht, ich will am Liebsten einfach umdrehen und wieder raus laufen, aber ich kann nicht.
Ich muss da jetzt durch…
„Alles gut Prinzessin.“ Rede ich ihr gut zu, sie beruhigt sich und wir betreten das Büro von Jake.
Oliver und Ryan drehen sich um und Jake deutet auf einen Stuhl und ich nehme Platz.
Meine Mum geht wieder raus.
Ich sehe ihr hinterher, am Liebsten würde ich ihr hinterher schreien das sie mich nicht alleine lassen soll, aber das hier ist mein Schlamassel in den ich mich ganz alleine befördert habe. Mein Herz schlägt so heftig in meiner Brust das ich denke es springt gleich raus und mein Magen dreht sich.
Ich fühle mich nicht wohl mit Ryan und Oliver in einem Raum. Lilly kuschelt sich an mich und ich hauche ihr Küsschen auf ihr Haar.
Sie riecht so wunderbar nach Erdbeeren, das Shampoo hat sie von Pat bekommen. Leicht lächle ich, dann konzentriere ich mich wieder auf Jake. Er sieht uns alle drei an und erklärt uns den genauen Ablauf und wie der Test funktioniert, na ja eigentlich erklärt er es Ryan, denn Oliver und ich wissen das.
Die Entnahme der Proben dauert nur ein paar Minuten und Ryan sowie Oliver wollen gerade aufstehen als Jake sich erhebt.
„Hier geblieben. Beide.“ Sagt er streng und ich sehe ihn an.
Was hat er jetzt vor?
„Also, wir müssen jetzt eine Woche auf das Ergebnis warten. Einer von euch ist der Vater dieses wunderbaren kleinen Mädchens. Was immer zwischen euch und Anna vorgefallen ist, sie hat damit nichts zu tun.“ Er sieht beide kurz an. „Wer auch immer ihr Daddy ist, er wird sich um sie kümmern. Er wird dafür Sorge tragen das er ein Teil ihres Lebens wird und es für immer bleibt. Sie hat es sich nicht ausgesucht.“ Er macht eine Handbewegung dass die beiden aufstehen können.
„Die Kleine tut mir leid bei einer Mutter wie dir.“ Oliver sieht mich feindselig an.
Ich kann nichts darauf erwidern und sehe ihn nur geschockt an. Es erinnert mich nichts mehr an ihm, an den Mann in den ich mal verliebt war… Nichts. Seine braunen Augen fixieren mich kalt und seine ganze Körperhaltung ist auf Angriff.
„Ich werde nie auch nur einen Cent Unterhalt zahlen.“ Spuckt er mir fast ins Gesicht.
Jake will was gerade was sagen, aber ich hebe meine Hand.
Er sieht mich verständnislos an und Oliver macht einen Schritt auf mich zu.
„Der größte Fehler meines Lebens war es mich auf dich einzulassen.“ Sagt er verächtlich.
Ich starre ihn einen Moment an, dann stehe geschockt auf und verlasse schnellen Schrittes das Büro.
„Ja lauf nur weg, das kannst du eh am Besten.“ Ruft mir Oliver hinterher.
„Spatz?“ meine Mum sieht mich fragend an.
„Alles gut, ich fahre nach Hause. Wir sehen uns heute Abend.“ Sage ich eilig zu ihr, setze Lilly in den Buggy und fahre raus.
Ich muss hier weg!
So schnell ich kann schnalle ich sie an und verstaue den Buggy ehe ich auf den schnellsten Weg nach Hause fahre.
Mein Herz zerspringt gleich, meine Atmung rast und ich bin kurz davor in Tränen auszubrechen.
Lilly schläft auf der Fahrt ein und ich lege sie in ihr Bett. Zum Glück wird sie nicht wach.
Ich zittere am ganzen Körper, noch niemals hat jemand so mit mir geredet…
Und noch nie habe ich es mir einfach so gefallen lassen.
Ich lasse mich auf eine der Sonnenliegen fallen und fange an zu weinen. Die ganzen aufgestauten Gefühle kommen plötzlich hoch und der Schlafmangel der letzten Tage tut sein übriges.
Ich kann einfach nicht mehr…
Ich bin am Ende.
Wie kann er mir nur unterstellen ich sei eine schlechte Mutter?
„Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?“ donnert eine Stimme ein paar Meter entfernt und ich sehe erschrocken auf.
Ryan sieht mich zornig an.
Warum in aller Welt ist er so böse auf mich?
Ich meine ich bin seit zwei Wochen wieder hier, er hat kein einziges Wort mit mir gewechselt und jetzt stellt er sich hier hin und schreit mich an?
„Los sag schon…“ verlangt er wütend „… Was hast du dir dabei gedacht?“
Ich schluchze nur, ich kann darauf nichts erwidern.
„Hast du auch nur einmal, eine Sekunde lang daran gedacht was du deiner Mum antust? Hast du dir auch nur einen Moment darüber Gedanken gemacht?“ er sieht mich so unglaublich zornig an.
Ich habe nicht einmal die Kraft etwas zu erwidern.
Ich kann das alles nicht.
Es war ein Fehler wieder hierher zu kommen.
Ich hätte in Dublin bleiben sollen…
„Ich rede mit dir Anna Connor.“ Er macht einen Schritt auf mich zu und ich zucke zusammen.
„Willst du mir jetzt auch erzählen was für eine schlechte Mutter ich bin? Willst du mir jetzt auch sagen dass du niemals auch nur einen Cent Unterhalt zahlen wirst? Weißt du was? ...“ ich rappele mich auf „Das brauchst du nicht, keiner von euch braucht das! Ich liebe Lilly mehr wie mein Leben und ich sehe das ein wenig anders wie Jake, ihr könnt euch aus ihrem Leben raus halten. Ich bin keine schlechte Mum…“ weine ich. „Ich bin bei ihrer Geburt fast gestorben. Aber soll ich dir was sagen? Es ist mir egal. Jeden Morgen wenn mich ihre blauen Augen anstrahlen, dann weiß ich, ich wäre für sie gestorben ohne eine Sekunde darüber nachzudenken.“ Schluchze ich erstickt. „Ryan, ich liege schon am Boden du musst nicht noch nach treten.“ Sage ich resigniert.
Ich will aufstehen und in meine Wohnung gehen, ich kann ihn nicht länger in meiner Nähe ertragen.
Ich kann seinen vorwurfvollen Blick nicht ertragen.
Ich kann es nicht ertragen das er mich nicht mehr liebt…
Ich stehe auf, in meinem Kopf dreht sich alles. Ich versuche mich noch abzustützen, aber mein Körper macht ziemlich schnell Bekanntschaft mit dem Fliesenboden.
Alles wird schwarz…
Oh wie schön, diese Ruhe, diese unheimliche Stille und das Gefühl des Nicht seins.
Mein Kopf tut weh, mein Mund ist trocken und ich will meine Augen einfach nicht aufmachen.
„Anna?“ Höre ich eine Stimme wie durch Watte.
„Anna?“ Kommt es erneut und ich öffne meine Augen.
Ryan beugt sich über mich, ich liege immer noch halb auf dem Boden.
„Anna? Kannst du mich hören?“ fragt er und seine Stimme klingt wie als wenn ich unter Wasser bin. Ich höre was er sagt, aber die Worte ergeben keinen Sinn für mich…
„Anna? Bitte sag etwas, sprich mit mir.“ Er tätschelt mein Gesicht.
„Ryan.“ Flüstere ich.
„Ja.“ Er sieht mich verwirrt an.
Er ist verwirrt?
Mein Kopf ist gerade ungebremst auf den Fliesen aufgeschlagen und fühlt sich an als wäre in tausend Teile zerbrochen. Ich habe Schwierigkeiten meine Gedanken zu ordnen, alles scheint durch die Schmerzen blockiert zu sein. Im Hintergrind höre ich Lilly weinen…
Meine kleine Lilly.
Ich versuche mich aufzurappeln.
„Bleib ruhig liegen.“ Sagt Ryan.
„Lilly.“ Wimmere ich.
„Ich kümmere mich um sie.“ Sagt er und steht auf als ein Sanitäter sich über mich beugt.
„Hallo? Kannst du mich hören?“ er leuchtet mir in die Augen und einrasender Schmerz breitet sich in meinem Kopf aus.
„Ja.“ Sage ich leise.
„Wie heißt du?“ fragt er weiter.
„Anna.“ Meine Stimme klingt überhaupt nicht nach mir… sie klingt so weit entfernt.
Ich sehe den Sanitäter an, ich sehe dass sein Mund Worte formt aber irgendwo auf dem Weg von ihm zu mir gehen sie verloren.
Sie erreichen mich nicht und ich schließe müde meine Augen. Das letzte was ich sehe ist Ryan mit Lilly auf dem Arm.
Ein schönes letztes Bild…
Ich bin Ärztin und ich weiß das ich aus dieser Nummer wohl nicht so einfach raus komme, irgend etwas stimmt hier nicht… ganz und gar nicht.
Piep, Piep, Piep…
Ich versuche meine Augen zu öffnen und nach einigen Anstrengungen gelingt es mir.
Wo bin ich?
Was ist passiert?
Warum habe ich solche wahnsinnigen Kopfschmerzen?
„Hallo Anna.“ Sagt eine mir unbekannte Stimme und ich wende mich ihr zu.
Ich registriere dass ich mich in einem Krankenhaus befinden muss, es sei denn im Himmel gibt es auch so viele Geräte wie die, die an mir angeschlossen sind.
Eher unwahrscheinlich, oder?
„Kannst du mich sehen?“ fragt ein älterer Mann und ich versuche ein klares Bild von ihm zu bekommen, nach einigen blinzeln gelingt es mir und ich nicke leicht.
Ich habe einen Tubus im Mund und versuche gegen den Würgereiz anzukämpfen, Tränen steigen mir in die Augen.
„Ganz ruhig Anna, ich muss ein paar Reaktionstests mit dir machen…“ er nimmt meine Hand „… Wenn alles gut ist dann entferne ich deinen Tubus, Okay?“ er sieht mich an und ich nicke schwach.
„Gut Anna, kannst du deine Hand bewegen?“ er sieht auf meine Hand die in seiner liegt und ich schaffe es sie leicht zu bewegen.
„Ganz toll Anna.“ Lobt er mich.
„Und wie sieht es mit deinen Füßen aus?“ er hebt die Decke an und ich versuche meine Zehen zu bewegen, es tut weh aber ich denke ich schaffe es. Ich kann ja nichts sehen.
Ich warte auf die Reaktion des Arztes und ein kleines lächeln umspielt seine Lippen.
„Sehr schön Anna.“ Lobt er mich erneut.
Er beugt sich über mich und leuchtet mir in meine Augen, als er die Lampe weg nimmt kneife ich meine Augen zu und sehe einen Moment nur glitzernde Punkte.
„So, wie versprochen Anna.“ Er sieht mich an und eine Schwester kommt herein und sie entfernen den Tubus und ich bekomme einen Sauerstoffschlauch für die Nase.
Es ist eine Erleichterung den Tubus los zu sein und die Schwester reicht mir ein Glas Wasser mit einem Strohhalm, dankbar trinke ich ein paar Schlucke.
„Danke.“ Sage ich leise.
Mein Hals brennt aber ich bin froh dass ich jetzt wieder sprechen kann.
„Hallo Anna…“ der Arzt setzt sich auf meine Bettkante „…Ich bin Dr. James Larsen. Kannst du mir deinen Namen sagen?“ er sieht mich fragend an.
„Anna Mary Connor.“ Sage ich und er lächelt.
„Und wann bist du geboren?“ er drückt kurz meine Hand.
Das alles strengt mich ungemein an, aber ich kenne diese Prozedur, es ist wichtig.
„27. Februar 1983, Dublin, Irland.“ Sage ich und er lacht leise.
„Ich vergaß, Dr. Anna Connor, richtig?“
Ich nicke leicht.
„An was kannst du dich als letztes erinnern?“ fragt er und beobachtet mich genau.
„Ich bin gefallen glaube ich…“ ich denke angestrengt nach „… Was ist passiert?“ Panik erfasst meine Stimme.
„Ganz ruhig Anna. Du bist auf deiner Terrasse schwer gestürzt.“ Versucht er mich zu beruhigen.
„Weißt du welchen Tag wir heute haben?“
„Den 12.09.2009?“ frage ich ehe als ich antworte.
Er zieht scharf Luft ein und ich sehe ihn verwirrt an.
„Anna, wir haben heute den 15.01.2012. An was kannst du dich in den Wochen vor deinem Unfall erinnern?“ er sieht mich an und ich merke wie wieder Panik in mir aufsteigt.
„Lag ich 2 ½ Jahre im Koma?“ frage ich ihn verwirrt.
„Nein Anna, du hattest am 08.12.2011 den Unfall.“ Erklärt er mir ganz ruhig. „Anna, du bist wirklich schwer gestürzt, du hattest einen 4 fachen Schädelbasisbruch und schwere Gehirnblutungen. Wir mussten dich 8-mal operieren und dein Gehirn brauchte eine kleine Auszeit um sich zu erholen.“ Erklärt er weiter. „Ich denke dein Gedächtnisverlust ist nur vorübergehend, denn wir konnten nicht fest stellen dass dein Gehirn nachhaltig verletzt ist. Du musst dir jetzt Zeit geben.“
„Retrograde Amnesie.“ Sage ich tonlos.
„An was erinnerst du dich zuletzt?“ fragt er mich und ich denke angestrengt nach.
„Meine Mum und ich sind hierher nach Oceanside gekommen. Sie und Jake wollen morgen heiraten. Ich wohne in einem Haus am Strand…“ ich reibe mir über die Augen.
„Okay Anna, das war schon sehr gut. Ich werde jetzt mit deiner Mum sprechen und dann sehen wir uns wieder.“ Er nickt mir zu und wendet sich zum gehen.
„Kann ich was gegen die Kopfschmerzen bekommen?“ frage ich ehe er and er Tür ist.
„Wie schlimm sind sie auf einer Skala…“ setzt er an.
„8.“ Unterbreche ich ihn und er stellt meinen Diffusor neu ein.
„Wenn es nicht reicht, dann klingele nach der Schwester.“ Sagt er und verlässt das Zimmer.
Ich sehe mich im Zimmer um, ich bin augenscheinlich an alles angeschlossen was der Medizin zur Verfügung steht… Gut das ist übertrieben, aber es stehen unzählige Geräte herum die leise vor sich hin summen, piepen oder andere Geräusche machen.
In meinem Kopf dreht sich alles…
Was ist passiert?
Verdammt was ist in den letzten 2 ½ Jahren passiert?
Bin ich noch mit Oliver zusammen?
Sind wir vielleicht verheiratet?
Ich sehe zu meiner Hand und atme erleichtert aus als ich keinen Ring entdecke.
Komisch, wenn ich an ihn denke, dann fühle ich eine Art Verliebt sein, aber richtige Liebe?
Nein eher nicht.
Was ist mit meiner Mum und Jake?
Was ist mit Ryan?
Mein Herz macht einen Satz und ich schüttele leicht meinen Kopf.
Ist er immer noch so gemein?
Mögen wir uns immer noch nicht?
Ich sinke in meine Kissen…
Es ist schlimm zu wissen das die letzten 2 ½ Jahre irgendwo in deinem Gehirn verschüttet sind und du nicht da ran kommst… es ist ein beklemmendes Gefühl und ich fühle mich verletzt und wütend.
Ich starre aus dem Fenster, als es zaghaft klopft und meine Mum mit Dr. Larsen herein kommt.
„Mum.“ Sage ich leise und sie wischt sich eine Träne weg.
„Oh mein Spatz.“ Sie streicht mir über die Wange.
„Tut mir leid dass ich dir so viel Kummer mache.“ Ich sehe sie entschuldigend an.
„Ach was meine Kleine.“ Sie winkt ab. „Als ich mich mit deinem Dad eingelassen habe, da wusste ich das du, wenn du auch nur halb so chaotisch bist wie er… dann kommst du einer Naturkatastrophe gleich.“ Sie grinst. „Ich bin so froh dass du wach bist.“ Sagt sie liebevoll.
„Was ist denn nur passiert?“ ich sehe sie hilfesuchend an.
„Oh Anna…“ sie weint.
„Was ist los Mum?“ frage ich erneut.
„Anna?“ Dr. Larsen lenkt meine Aufmerksamkeit auf ihn. „Ich habe mich mit deiner Mum unterhalten, das sie dir nicht alles sagen wird was in den letzten Jahren passiert ist. Dein Gehirn soll die Möglichkeit haben das Puzzle wieder selbst zusammen zu setzen.“ Erklärt er mir „Über ein paar Dinge müssen wir dich aber informieren.“ Er nickt meiner Mum zu. Dann stellen sie mein Bett hoch und ich sitze nun im Bett.
„Spatz…“ sie nimmt meine Hand „Du hast eine kleine Tochter. Sie heißt Lilly und sie ist 9 ½ Monate alt.“ Sie sieht mich an.
„Ich habe was?“ frage ich sie erstaunt.
Kann man sein eigenes Baby vergessen?
Wie schrecklich ist das?
„Wer ist ihr Daddy?“ ich sehe zu meiner Mum.
„Das wirst du selber heraus finden müssen.“ Sie drückt kurz meine Hand. „Spatz, du warst über ein Jahr in Dublin, Lilly ist dort geboren und du hast dein Assistenzjahr dort zu Ende gemacht und deine Zulassung bekommen. Du bist erst seit ein paar Wochen wieder hier.“ Sie sagt das alles ganz ruhig aber ich höre das Zittern in ihrer Stimme.
„Bin ich noch mit Oliver zusammen?“ ich sehe sie an und sie schüttelt leicht den Kopf.
„Nein, schon lange nicht mehr.“ Erklärt sie mir und komischer Weise spüre ich eine Erleichterung.
„Ich werde jetzt mal die kleine Lilly holen.“ Sagt Dr. Larsen und geht aus dem Zimmer.
„Warum war ich in Dublin? Und warum so lange?“ ich sehe meine Mum verständnislos an.
„Ganz ruhig Spatz.“ Sie nimmt mich in den Arm. „Lass dir Zeit, jetzt siehst du Lilly erst einmal.“ Sie sieht mich aufmunternd an.
Dr. Larsen kommt zurück und setzt Lilly zu mir aufs Bett.
Ich sehe die Kleine an…
Ja das ist meine Tochter!
Sie gehört zu mir!
Ich nehme sie in den Arm und schnuppere an ihren Haaren.
„Hallo Lilly.“ Sage ich leise und sie strahlt mich mit ihren großen blauen Augen an.
„Kannst du dich erinnern?“ fragt meine Mum vorsichtig.
„Verschwommen, aber sie ist meine Tochter. Sie war ein Kaiserschnitt, ich habe viel Blut verloren und es ging mir nicht gut. Ich liebe sie so sehr.“ Ich sehe zu Lilly und drücke sie an mich.
„Siehst du.“ Sagt Dr. Larsen und ich sehe ihn an.
„Es sind nur Bruchstücke, sie wirbeln umher und ergeben keinen Sinn.“ Tränen stehen mir in den Augen.
„Lass dir Zeit Anna.“ Sagt er und geht hinaus in den Flur.
Ich kann gar nicht aufhören Lilly anzusehen. Sie ist so ein liebes, süßes Kind… So bildschön und perfekt.
Kleine Erinnerungsfetzen kommen an die Oberfläche.
Wie sie lacht, wie ich sie bade, wie ich mit spazieren gehe. Aber nichts ergibt ein gesamtes Bild.
„Es ist frustrierend.“ Ich sehe traurig zu meiner Mum.
„Gib deinem hübschen Kopf ein wenig Zeit das alles zu verarbeiten.“ Sie gibt mir einen Kuss „Ich bringe Lilly jetzt zu ihrer Tagesmutter und dann muss ich in die Klinik.“ Sie hebt Lilly von meinem Bett.
„Kommt ihr noch mal vorbei?“ frage ich traurig.
„Aber sicher Spatz, ich komme mit ihr gegen 16 Uhr vorbei. Jake kommt bestimmt auch mit.“ Sie lächelt mich an und ich lasse mich zurück in die Kissen sinken.
Trotz alle dem schaffe ich es ein wenig zu schlafen, meine Kopfschmerzen sind auf ein erträgliches Maß zurück gegangen und ich esse eine Kleinigkeit.
Als es klopft rechne ich fest mit meiner Mum, aber ein Blick auf die Uhr sagt mir dass sie es noch nicht sein kann.
Zu meiner Verwunderung betritt Ryan das Zimmer.
„Hallo Ryan.“ Sage ich erstaunt.
Mein Herz schlägt heftig in meiner Brust und der Monitor neben mir fängt an zu piepen. Verwirrt sehe ich ihn an… er lächelt.
Ryan lächelt?
Was ist denn da passiert?
Der Alarm verstummt und Ryan setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett.
„Hey Ireland.“ Sagt er leise und ich sehe ihn an.
„Warum bist du denn hier?“ frage ich verwirrt.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“ Gibt er zu und ich sehe in seine blauen Augen, sie sehen müde und abgespannt aus.
„Du hast dir Sorgen gemacht? Du magst mich nicht einmal besonders…“ ich denke angestrengt nach „… Oder hat sich das geändert?“ frage ich vorsichtig.
„Ja und Nein.“ Er sieht mich ängstlich an „Erinnerst du dich an gar nichts mehr?“
„Nein, ab und zu blitzen Bilder auf…“ ich seufze „… sie ergeben aber keinen Sinn.“ Erkläre ich ihm.
„Wir mögen uns.“ Er sieht zu Boden und ich runzele die Stirn.
Wir mögen uns?
Ehrlich jetzt?
„Das ist überraschend.“ Gebe ich zu.
Er schaut auf und ich bekomme unwillkürlich eine Gänsehaut.
Was ist denn mit mir los?
„Ja.“ Sagt er nur und seine Augen sehen plötzlich unendlich traurig aus.
„Was ist passiert?“ ich sehe ihn fragend an.
„Wir… ich… du.“ Er fährt sich durch die Haare.
„Was ist denn?“ ich bin echt verwirrt.
Also erst einmal ist er so der letzte Mensch den ich an meinem Krankenbett erwartet habe und er wirkt so nervös und angeschlagen.
„Irgendwann fällt es dir bestimmt wieder ein…“ er steht auf „Tut mir leid, ich muss los.“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich im Unklaren zurück.
Na toll, wenn das jetzt so weiter geht…
Erst ist meine Mum so komisch und dann auch noch Ryan.
Ich schließe meine Augen… Ich sehe Ryan wie er mich anlächelt, ich sehe ihn wie wir neben einander am Strand entlang laufen, ich sehe ihn wie er mir eine Strähne aus dem Gesicht streicht und mich dabei so liebevoll ansieht…
Ich reiße meine Augen auf.
Was zum Teufel ist passiert?
Ich sehe aus dem Fenster, noch mehr Bilder erscheinen in meinem Kopf.
Ein Ryan der mich anschreit, ein Ryan der mich böse anfunkelt, ein Ryan der weg geht…
Das ergibt alles keinen Sinn!
Dann sehe ich Oliver und sein wutverzerrtes Gesicht, ich sehe auch ihn mich anschreien, ich sehe wie sich Ryan und Oliver prügeln und Jake mich geschockt ansieht.
In meinem Kopf dreht sich alles…
Ich bin so müde, so unendlich müde, ich schlafe ein und die Bilder rasen mit einer ungeheuren Geschwindigkeit an mir vorbei. Eine weinende Mum, ein wütender Jake, ein wütender Oliver, ein wütender Ryan, eine weinende Bella, ein enttäuschter David, eine weinende Molly, ein Pat der hilflos meine Hand tätschelt…
Was habe ich nur getan?
Mir laufen die Tränen übers Gesicht und ich schrecke hoch.
Was bin ich für ein Mensch?
Wer bin ich?
Zwei Jahre erscheinen einem kurz, aber wenn sie plötzlich aus deinem Gedächtnis weg gewischt sind, dann ist eine verdammt lange Zeit.
Irgendetwas sehr Schlimmes muss passiert sein…
Meine Mum kommt mit Lilly rein und ich wische meine Tränen weg. Jake folgt ihr und nimmt mich in den Arm.
„Na Kleines.“ Er sieht mich besorgt an.
„Jake? Was habe ich Schlimmes getan?“ ich sehe ihn an und eine Träne stiehlt sich aus meinem Augenwinkel.
„Was meinst du?“ er zieht mich zu sich und ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.
„Es kommen so komische Bilder hoch… alle sind böse auf mich, sie weinen oder sie schreien mich an. Was habe ich nur getan?“ weine ich.
„Hey Kleine…“ er zwingt mich ihn anzusehen „…Du hast nichts Böses getan.“ Verspricht er mir „Es gab Umstände in denen du unüberlegt und vielleicht falsch gehandelt hast, aber du hast nichts Schlimmes gemacht. Ich verspreche es dir.“ Er küsst meinen Scheitel.
„Ryan war da.“ Sage ich an meine Mum gewandt und sie legt mir die schlafende Lilly in den Arm „Hallo Prinzessin.“ Ich hauche ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Ryan?“ fragt sie verwundert.
„Ja, er wollte schauen wie es mir geht…“ ich mache eine kleine Pause „… Er war komisch und er sah so müde und angeschlagen aus. Er sagt wir mögen uns jetzt. Stimmt das?“ ich sehe zu ihr und sie sieht zu Jake.
„Ja.“ Sagt Jake schließlich und ich sehe ihn skeptisch an.
„Ich habe mit Dr. Larsen gesprochen, wenn deine Untersuchungen morgen alle gut verlaufen, dann kannst du übermorgen mit uns nach Hause. Wir würden uns gerne für dich frei nehmen, aber leider sind wir so voll gestopft mit Terminen das es nicht geht…“ er sieht mich entschuldigend an „Aber Bella, David und Ryan wechseln sich ab.“
„Meint ihr ich kann mit Oliver reden? Ich würde gerne wissen wie das mit uns zu Ende gegangen ist.“ Ich sehe zu Jake.
„Ich werde ihn anrufen und fragen, aber versprechen kann ich es dir nicht.“ Gesteht er mir.
„So schlimm?“ ich sehe ihn fragend an.
„Ziemlich.“ Gibt er zu.
Ich nicke leicht und sehe weiter meine kleine Tochter an.
Gegen 18:30 Uhr verabschieden sich meine Mum und Jake. Lilly war die letzte Stunde wach und ich habe ein wenig mit ihr gespielt. Sie ist mir so vertraut obwohl ich sie eigentlich gar nicht kenne, ein befremdliches Gefühl.
Ich schlafe unruhig mein Kopf versucht ein System in die Flucht von Bildern, Gefühlen und Eindrücken zu bringen...
Vergeblich, alles ist wie ein großes Puzzle bei dem die Teile einfach nicht zusammen passen.
Früh am nächsten Morgen werde ich von Dr. Larsen geweckt und darf aufstehen, anfangs sind meine Schritte wackelig und unsicher aber nach und nach gibt sich das schnell. Ich muss mehrfach verschiedene Geschicklichkeitstests und Motoriktests bestehen, dann heißt es warten. Ich bin nur noch an das EKG und den Medikamentenperfusor angeschlossen und fühle mich eigentlich ganz fit.
Meine Mum besucht mich kurz gegen Mittag, leider ohne Lilly aber ich bin froh sie zu sehen. Wir unterhalten uns über belangloses Zeug und ich sehe gespannt zu Dr. Larsen als er das Zimmer betritt.
„Und Doc?“ frage ich sofort und er lacht auf.
„Ich denke sie können Anna heute Abend mit nach Hause nehmen, sie wird noch ein paar Tage Hilfe brauchen aber ich denke das bekommen sie hin.“ Er sieht zu meiner Mum und sie drückt kurz meine Hand.
„Danke.“ Sagt meine Mum.
„Ich danke ihnen auch Dr. Larsen.“ Schiebe ich hinterher und er lächelt.
„Anna, ich bitte dich alle zwei Wochen einen Termin zu machen. Wir werden im nächsten halben Jahr in 14tägigen Abständen durchs MRT jagen und hoffen das sich dein Gehirn erholt.“ Er nickt mir zu und ich erwidere es. „Dein erster Termin ist am 28.01., ich erwarte dich um 10:20 Uhr.“ Er legt mir einen Zettel auf den Nachttisch.
Ich nehme ihn und reiche ihn meiner Mum.
„Gut Spatz, dann pack du zusammen…“ sie küsst mich auf die Stirn „… Ich hole dich später ab.“ Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und sieht mich liebevoll an. „Wir schaffen das schon.“
Nachdem beide gegangen sind werde ich auch von meinen letzten beiden Maschinen getrennt und kann mich endlich frei bewegen, mein erster Gang geht ins Bad und ich sehe in den Spiegel.
Warum sind meine Haare so kurz?
Ich betrachte die Narben der neurologischen Bohrlöcher, zum Glück sind sie so gelegt das ich meine Haare darüber tragen kann. Allerdings das auf der linken Schläfe lässt sich nicht so leicht verdecken. Ein dicker Verband klebt noch auf ihr, ich soll ihn jeden Tag wechseln bis es zugeheilt ist.
Meine Augen sehen müde aus, komisch wenn ich bedenke dass ich 6 Wochen lang geschlafen habe. Na, ja für mich fühlt es sich an als hätte ich die letzten 2 ½ Jahre geschlafen…
Meine Mum hat mir gestern schon eine Tasche mitgebracht und ich suche mir was zum anziehen heraus. Diese Krankenhaushemdchen sind nicht gerade sehr kleidsam. Ich ziehe mir eine Jeans an und muss fest stellen dass sie mir zu groß ist, zum Glück finde ich noch einen Gürtel. Mein Blick fällt auf meinen Bauch, die Kaiserschnittnarbe ist blass zu sehen und ich fahre mit meinen Fingerspitzen darüber.
Lilly, meine Lilly…
Ich ziehe mir einen BH und ein schwarzen Top an, Gott sehe ich blass aus. Ich packe die restlichen Sachen zurück in die Tasche und setze mich auf mein Bett, ich kann von hier aus den Pazifik in der Ferne erkennen.
Ich freue mich nach Hause zu kommen, aber ich habe auch Angst…
Was würde ich jetzt für eine gute Fee geben die mir einen Wunsch erfüllt.
Ich will wieder wissen was in den letzten 2 ½ Jahren passiert ist.
Puff und ich wüsste wieder alles.
Gott Anna Connor, du hast doch einen Dachschaden zurück behalten.
Nachdem ich 4 Stunden auf meinem Bett gesessen habe und versucht habe meine Erinnerungen mit aller Macht zurück zu holen kommt meinen Mum und holt mich ab.
Ich bekomme meine Medikamente für die nächsten zwei Wochen mit. Unglaublich was ich da jeden Tag in mich reinschaufeln soll. Damit kann ich bestimmt in einem armen Land in Afrika eine Apotheke auf machen.
Die Straßen nach Hause sind mir bekannt und ich lächele als wir vor dem Haus halten.
„Lilly wartet schon ganz ungeduldig auf ihre Mummy.“ Meine Mum grinst und hilft mir aus dem Auto. So ganz fit bin ich noch nicht wieder. Laufen, gehen und stehen fällt mir noch schwer und ich bin froh wenn mich jemand stützt.
Wir betreten das Haus und die Kühle ist angenehm. Jake steht mit Lilly auf dem Arm im Eingangsbereich und ich streichele Lilly über ihren Kopf.
„Hallo Mausi.“ Ich gebe ihr einen Kuss und meine Mum hilft mir die Treppe rauf.
Endlich wieder in meiner Wohnung, aber alles sieht hier so anders aus. Mein Arbeitszimmer ist weg, stattdessen ist dort ein Kinderzimmer, überall an jeder Ecke sind Lillys Spielsachen und es sieht leicht chaotisch aus.
Ich setze mich erleichtert auf die Couch und Jake setzt mir Lilly auf den Schoß die sich sofort an mich ran kuschelt.
„Sie ist schon langsam müde.“ Sagt meine Mum und ich nicke.
„Sie geht immer um 19 Uhr ins Bett, oder?“ frage ich leise und meine Mum nickt lächelnd.
Es klopft kurz und Ryan kommt herein.
„Da bist du ja wieder.“ Grinst er.
Lilly sieht zu ihm hoch und streckt ihre Ärmchen nach ihm aus.
Ich bin verwirrt…
Was ist denn das?
Er nimmt sie auf den Arm und schäkert mit ihr.
„Ich gehe runter und mache das Abendessen.“ Meine Mum gibt mir einen Kuss und verlässt die Wohnung.
„Kleines…“ Jake stupst mich leicht an, da ich Ryan und Lilly anstarre, verwundert sehe ich zu ihm „Ich habe mit Oliver gesprochen, er ist noch sechs Wochen in Paris, wenn er wieder da ist, dann trifft er sich mit dir.“ Auch er steht auf und gibt mir einen Kuss auf die Wange „Okay?“ fragt er leise und ich nicke.
Moment mal, ihr lasst mich mit Ryan und Lilly alleine?
„Ich werde ihr eben eine neue Windel machen und ihr einen Schlafanzug anziehen. Ist das Okay?“ Ryan sieht mich an und ich nicke erstaunt.
„Ich mache ihr eine Flasche.“ Sage ich und stehe langsam auf „Sie bekommt doch noch eine Flasche, oder?“ ich sehe ihn ängstlich an.
„Ja, aber nur noch zur Nacht eine, ansonsten muffelt sie alles weg was du ihr vor die Nase hältst.“ Er lacht leise und geht mit Lilly in ihr Kinderzimmer.
Ich gehe in die Küche und versuche mich zu erinnern wo ich wohl alles hin getan habe, nachdem ich fast alle Schränke durchsucht habe finde ich endlich alles. Ich muss mir die Anleitung auf der Packung zwei Mal durchlesen ehe ich sie verstehe und mache Lilly eine Flasche.
Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, sitzt Ryan mit Lilly auf der Couch und sie studieren den Videotext.
Niedlich die Beiden…
Moment?
Was?
Gott, ich bin so wütend das ich nichts mehr weiß.
Ich setze mich neben die beiden und Ryan gibt mir Lilly, sie schläft bei ihrer Flasche fast ein und dann nimmt soe Ryan vorsichtig und legt sie in ihr Bettchen.
„Machst du das öfter?“ frage ich ihn leise als wir wieder ins Wohnzimmer gehen.
„Manchmal.“ Sagt er ausweichend.
„Sie mag dich.“ Stelle ich fest.
„Ja ich denke auch, sie ist süß.“ Er grinst leicht. „Kommst du mit zum Abendessen?“ er bietet mir seinen Arm an.
Ich nicke leicht und harke mich bei ihm unter.
Ganz ehrlich ich fühle mich wie 60 und nicht wie 26… Stopp ich bin ja jetzt fast 29. Aber mal im Ernst mit 29 ist man auch nicht so gebrechlich wie ich mich gerade fühle…
Das Abendessen ist entspannt und ich versuche irgendeine Erinnerung herauf zu beschwören bei der wir alle hier genauso zusammen gesessen haben… Nichts.
Ich verabschiede mich nach dem Essen ins Bett, der Tag war so anstrengend für mich. Meine Mum bringt mich hoch und wartet bis ich im Bett liege.
„Morgen kommt Bella vorbei.“ Sie grinst mich an, schwach erwidere ich es.
Als ich wach werde ist Bella schon da und kümmert sich um Lilly, alles scheint so eingespielt und so vertraut. Ich stehe langsam auf und tapse ins Wohnzimmer.
„Hallo Sonnenschein!“ Bella fällt mir um den Hals. „Na gut geschlafen Dornröschen?“ sie grinst und ich erwidere es schief.
„Witzig.“ Gebe ich zurück und beuge mich über Lilly die auf dem Boden spielt. „Guten Morgen Mausi.“
„Na Hunger?“ Bella sieht mich fragend an und stürmt in die Küche und ein paar Minuten später mit einer Starbucks Tüte zurück zu kommen. „Bagels und Milchkaffee.“ Sie grinst und packt alles aus.
Ich stelle fest dass ich wirklich hungrig bin und wir essen unser Frühstück und beobachten Lilly beim Spielen, sie robbt sich quer durchs Wohnzimmer.
„Bella?“ ich sehe sie an.
„Na was kommt jetzt?“ sie grinst.
„Was habe ich Schlimmes gemacht?“ frage ich leise.
„Du hast nichts Schlimmes gemacht.“ Sie sieht mich mit großen Augen an.
„Immer wenn ich meine Augen schließe, dann sehe ich wie Oliver mich anschreit, dann sehe ich wie Ryan mich anschreit, wie er mich böse anschaut und dann einfach geht. Ich sehe wie meine Mum weint, ich sehe wie du weinst, ich sehe Molly weinen. Bitte Bella…“ ich sehe sie traurig an „Was habe ich getan?“
„Anna, du hast nichts Böses getan.“ Versucht sie mich zu beruhigen.
„Aber irgendetwas stimmt hier nicht.“ Ich nehme ihre Hand und sie schüttelt den Kopf.
„Ich habe es deiner Mum und Jake versprochen.“ Gibt sie zu und ich schlucke.
Also ist doch was passiert, nur sagt mir keiner was…
Wir verbringen den Tag ruhig in meiner Wohnung und abends wird sie von David abgelöst, eigentlich will ich nicht dass ständig jemand um mich ist, aber ich bin auf Hilfe angewiesen.
Es ist so furchtbar nicht voll und ganz für sein eigenes Kind sorgen zu können.
David bleibt bis 22 Uhr, dann traut er mir wirklich zu mich um mich alleine zu kümmern.
„Morgen früh um 6:30 Uhr kommt Ryan, Lilly schläft meistens bis ungefähr um diese Zeit.“ Er schickt mir noch einen Handkuss zu und geht. Ich liege in meinem Bett und starre die Decke an, irgendwann wache ich schweißgebadet und tränenüberströmt auf.
Ich setze mich auf und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
Wieder diese Bilder… Mum, Ryan, Jake, Bella, Molly, David und Pat.
Was hat das zu bedeuten?
Ryan kommt in mein Schlafzimmer und sieht mich besorgt an.
„Alles in Ordnung?“ er setzt sich auf meine Bettkante.
„Ich weiß es nicht…“ stammele ich.
Einen Moment sieht er mich prüfend an, dann zieht er mich in seine Arme und küsst mich zärtlich.
Er küsst mich?
Was soll das?
Ich schubse ihn von mir weg und gebe ihm eine schallende Ohrfeige.
„Was soll das denn?“ frage ich wütend.
„Alles Okay Ireland.“ Er hebt die Hände und reibt sich seine Wange.
Er geht wieder raus und ich lasse mich zurück fallen.
Was in aller Welt war denn das?
Mein Kopf beginnt zu dröhnen aber noch mehr macht mir ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend zu schaffen.
Nach einer Weile stehe ich auf und gehe in die Küche, Ryan hat Frühstück für uns gemacht, einen Moment schweigen wir uns noch an, aber dann plötzlich ist es locker und ungezwungen.
Komisch, es kommt mir alles so vertraut vor.
Die drei wechseln sich ab mit dem Beistand bei mir, aber nach 4 Wochen ist damit Schluss, ich muss mein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Allein.
Lilly hat seit Tagen schon Einschlafprobleme und ich bin dankbar wenn Ryan abends rüber kommt, bei ihm wird sie immer viel Ruhiger.
Ich komme gerade aus der Dusche und sehe mich verwirrt im Wohnzimmer um, der Schein des Fernsehers beleuchtet das Zimmer schwach, aber keiner ist da.
Ich gehe um die Couch, da sehe ich ihn liegen. Lilly hat Ryan heute echt fertig gemacht. Ich betrachte ihn einen Moment und wie von einer unsichtbaren Hand geführt setze ich mich zu ihm und streiche ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Er öffnet seine Augen und lächelt.
„Sorry.“ Murmelt er und ich erwidere sein lächeln.
Ich beuge mich über ihn und küsse ihn zärtlich.
Ich weiß nicht warum ich das mache, aber es fühlt sich richtig an und schön.
Nach einer Weile lasse ich von ihm ab und räuspere mich.
„Gute Nacht.“ Sage ich leise und gehe mit Herzklopfen in mein Bett.
Immer mal wieder ergeben sich Situationen in denen mir bewusst wird, das zwischen mir und Ryan etwas sein muss, aber die Alpträume die mich immer noch fast jede Nacht plagen hindern mich daran der Sache auf den Grund zu gehen.
Ich bettle Bella an mir endlich was zu sagen, aber sie schweigt.
Alle schweigen sie und das macht mich wahnsinnig!
Ich erhoffe mir Erlösung von Oliver, er ist seit einer Woche wieder da und ich warte schon eine Stunde auf ihn. Er war komisch am Telefon und ich frage mich was alles noch kommt. Bella ist mit Lilly in den Park gegangen und Ryan macht Kaffee.
Die ganze Zeit schon ist er nervös und angespannt.
„Ryan?“ frage ich vorsichtig.
„Alles Okay?“ er sieht mich fragend an.
„Ich habe ein wenig Angst.“ Gestehe ich.
„Alles wird gut.“ Er zwinkert mir zu.
Als es klingelt geht er und öffnet Oliver die Tür. Er setzt sich mir gegenüber auf den Sessel und ich atme tief durch.
„Was ist passiert Oliver?“ frage ich vorsichtig.
„Wir haben uns getrennt.“ Sagt er mit zusammen gepressten Lippen.
„Ja, das ist mir auch klar, aber was ist passiert?“ ich sehe ihn an, aber er weicht meinem Blick aus. „Sag mir bitte irgend etwas?“ flehe ich ihn an.
Er ist meine letzte Hoffnung, ich habe Angst den Rest meines Lebens in Ungewissheit über diesen Zeitraum meines Lebens verbringen zu müssen.
„Bitte.“ Sage ich erneut.
„Anna…“ er atmet tief durch, so als ob ihm schon das aussprechen meines Namens schmerzen bereiten würde. „Ich kann das nicht. Ich kann dich nicht in meiner Nähe ertragen.“ Er sieht zu Ryan und schüttelt den Kopf.
Ich gehe raus auf die Terrasse und sehe einen Moment in den Himmel.
Ich lasse mich auf eine der Sonnenliegen fallen und sehe Ryan, der mir gefolgt ist, traurig an.
„Ich kann das alles nicht mehr. Was bin ich nur für ein Mensch? Was habe ich getan das Oliver mich nicht einmal anschauen kann?“ ich beginne zu weinen.
Die letzten 7 Wochen waren schrecklich…
Ich will mein Leben zurück!
Ryan kommt zu mir und nimmt meine Hände in seine.
„Anna…“ er sieht mich an und ich sehe auf „… Anna, ich habe es meinem Dad und Olivia versprochen.“ Sagt er leise und ich sehe ihn traurig an.
„Bitte Ryan ich kann es nicht mehr ertragen.“ Wimmere ich und sehe auf unsere Hände.
Erinnerungen strömen in meinem Kopf und hinterlassen ein wildes Durcheinander.
„Ich würde es so gerne.“ Gesteht er mir.
„Dann sag mir bitte was passiert ist…“ flehe ich ihn an „Was habe getan das alle so verletzt sind?“
„Wir waren verletzt das stimmt, aber wir sind es nicht mehr…“ er denkt einen Moment nach „Oliver vielleicht schon, aber ich nicht, deine Mum nicht und sonst auch kein anderer.“ Er nimmt mein Gesicht in seine Hände.
„Ich liebe dich.“ Er beugt sich zu mir und einen Moment bin ich erstarrt, aber es fühlt sich so vertraut an. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und wir verschmelzen in einem sanften Kuss.
Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren, ganz langsam setzen sich die Bruchstücke zusammen und ergeben ein zusammenhängendes Bild, das Puzzle setzt sich zusammen. Ich lasse ihn los und sehe ihn an.
„Wie kannst du mich nach all dem noch lieben?“ ich sehe ihn unter Tränen an.
„Was meinst du?“ er sieht mich verwirrt an.
Ich stehe ruckartig auf und sehe auf den Platz neben der Liege, da bin ich mit meinem Kopf aufgeschlagen am Tag an dem wir alle bei Jake in der Klinik waren. Ich schlage mir die Hände vors Gesicht.
„Ireland?“ Ryan nimmt mich in den Arm.
„Es ergibt alles einen Sinn, ich weiß wieder warum Oliver so wütend ist.“ Gebe ich zu „Ich weiß alles wieder, es setzt sich in meinem Kopf zusammen…“ ich mache mich von ihm los und sehe auf den Pazifik, die Sonne glitzert auf der Oberfläche „Was habe ich nur getan?“ schluchze ich.
„Auch ich habe Fehler gemacht.“ Sagt Ryan leise.
„Aber ich bin weg gelaufen.“ Ich sehe ihn mit großen Augen an.
„Ich habe dich dazu getrieben.“ Er nimmt mich wieder in den Arm „Die ganze Zeit über als du weg warst habe ich mich gefragt wo du bist, was du machst, wie es dem Baby geht und eines ist mir bewusst geworden…“ er zwingt mich ihn anzusehen.
„Was?“ schluchze ich.
„Ich liebe Dich so sehr und ich hätte zu dir stehen müssen. Egal wie beschissen die Situation war, du hast mich gebraucht und ich bin gegangen.“ Er sieht mich entschuldigend an.
„Du bist jetzt da.“ Sage ich und sehe ihn an.
„Ja, ich werde niemals wieder irgendwo hin gehen.“ Verspricht er mir und küsst mich sanft.
Eine Weile stehen wir da und sehen dem bunten Treiben am Strand zu. Ich kuschele mich an Ryan… mein Ryan.
„Was ist bei dem Test raus gekommen.“ Ich hebe meinen Kopf und er sieht mich ernst an.
„Willst du das wirklich wissen?“ fragt er fast schon ängstlich.
„Ja. Wer ist Lillys Dad?“ ich trete einen Schritt zurück.
Er sieht mich prüfend an.
„Ich fühle mich wie ihr Daddy, ich saß neben ihr als sie ihre erste Erkältung hatte, sie hat bei mir gewohnt als du im Krankenhaus warst, ich habe sie in den Schlaf geschaukelt wenn sie nicht einschlafen konnte…“ er holt tief Luft „Wir haben den Umschlag noch nicht aufgemacht. Denn egal was da drin steht, Lilly ist meine Tochter. Selbst wenn sie von Oliver sein sollte. Ich bin der Mann an deiner Seite und ich bin ihr Dad.“ Er sieht mich an. „Sie sagt Dada zu mir.“ Er lächelt.
Ich gehe zu ihm und nehme ihn in den Arm.
„Ich liebe Dich.“ Flüstere ich.
„Möchtest du das Ergebnis haben?“ er sieht mich fragend an und ich nicke leicht.
Er geht in seine Wohnung und kommt mit einem Umschlag wieder. Er reicht ihn mir und ich drehe ihn in meinen Händen.
Was soll ich nur tun?
Was wenn Oliver ihr Dad ist?
Kommt Ryan wirklich damit klar?
Ich setze mich an den kleinen Tisch und atme tief durch ehe ich den Brief öffne. Auch wenn es Ryan egal ist, ich brauche Gewissheit und Oliver auch, denn ich werde ihn nicht zwingen Zeit mit mir zu verbringen wenn er es nicht muss. Ich überfliege die Zeilen und fange an zu weinen.
Ryan kommt zu mir und nimmt den Brief, aber er leist ihn nicht, er zerknüllt ihn und wirft ihn in den Müll.
„Es ist egal…“ er küsst mich „… Lilly ist meine Tochter, so oder so.“
Ich sehe ihn liebevoll an und streiche ihm über die Wange.
„Sie ist deine Tochter.“ Sage ich leise und er küsst mich.
„Unsere Tochter.“ Korrigiert er mich.
„Unsere Tochter.“ Sage ich andächtig.
„Wann bringt Bella Lilly eigentlich wieder?“ er grinst mich an.
„In einer halben Stunde.“ Ich sehe auf meine Uhr.
Ehe ich mich versehe hebt er mich auf seine Arme und trägt mich in sein Wohnzimmer.
„Was hast du denn jetzt vor?“ ich lächle ihn an, die Tränen in meinem Gesicht sind noch nicht ganz getrocknet.
„Anna Connor, es ist eine lange, lange Zeit her das ich mit dir zusammen sein konnte…“ er zieht mir mein Top über den Kopf „… Ich habe Nachholbedarf.“
Er bedeckt meinen Körper mit tausend kleinen Küssen und ich fühle mich als würde ich schweben.
„Vielleicht sollten wir dieses Mal über Verhütung nachdenken. Ich nehme die Pille nicht.“ Ich sehe ihn atemlos an und er lacht leise.
„Mach dir keine Gedanken Ireland. Ich kann gerne noch so eine süße Tochter haben….“ Er küsst meinen Bauch „… Oder 10.“ Lacht er leise.
„10?“ erwidere ich lachend.
„Okay, weil ich dich so sehr liebe auch 12.“ Er beugt sich über mich und wir verschmelzen.
„Oh Ryan.“ Stöhne ich wohlig auf.
Wir schaffen es gerade so uns anzuziehen bevor Bella Lilly nach Hause bringt. Ich nehme ihr Lilly ab und sie strahlt mich mit einem Schokoladenmund an.
„Mama.“ Sagt sie und ich gebe ihr einen Kuss, klebrig, feucht und glitschig… Brrr.
„Was habt ihr denn gemacht?“ ich sehe zu Bella und sie lacht.
„Wir waren Eis essen.“ Erklärt Bella stolz.
„Ist denn auch etwas von dem Eis in ihrem Mund gelandet?“ ich sehe sie grinsend an und sehe mir Lillys Schoko verschmiertes Kleidchen an.
„Ich denke ja.“ Lacht sie und legt ihre Jacke ab.
Ryan sieht zu mir und ich gebe ihm Lilly.
„Dada.“ Juchzt sie vergnügt.
„Ja meine Süße, aber Daddy wird dich jetzt erst einmal in die Wanne stecken, ja?“ er stupst sie auf die Nase und sie quietscht vergnügt.
Bella sieht mich fragend an und ich klopfe neben mir auf die Couch.
„Setz dich bitte.“ Ich sehe sie bittend an und sie setzt sich zu mir.
„Was ist passiert?“ sie nimmt meine Hand.
„Es tut mir so leid Bella…“ beginne ich „…Ich weiß was ich getan habe und ich weiß auch wieder wie sehr ich dir weh getan habe.“ Ich sehe zu Boden.
„Oh Anna…“ sie nimmt mich in den Arm „Du bist meine beste Freundin.“ Flüstert sie mir in mein Ohr.
„Du bist meine beste Freundin.“ Hauche ich.
„Ja, ich gebe zu ich war sauer auf dich, aber ich weiß nicht wie ich in einer solchen Situation reagiert hätte.“ Sie sieht mich an „Ich bin nur froh dass meine Trauzeugin kein Loch mehr in ihrem Gehirn hat…“ sie befühlt meine Narbe an der Schläfe. „Weißt du denn alles wieder?“ sie sieht mich prüfend an.
„Ja… alles.“ Sage ich und atme tief durch.
„Hast du den Brief aufgemacht?“ fragt sie vorsichtig.
„Ja, ich brauchte die Gewissheit und ich denke ich bin es Oliver irgendwie schuldig.“ Ich lächle gequält.
„Ryan ist ihr Daddy.“ Sagt sie sicher „Egal was in diesem Test steht, er ist es.“
„Ja…“ ich lächle „Er ist ihr Dad, auch ihr biologischer Dad.“ Sage ich und sie atmet erleichtert aus.
„Das ist so schön.“ Sie gibt mir einen Kuss.
„Die letzten Wochen waren hart.“ Gebe ich zu „Diese ganzen Gefühle die nicht zusammen passten. Danke das du da warst.“ Ich sehe sie dankbar an.
„War denn plötzlich alles wieder da?“ sie sieht mich gespannt an.
„Ryan hat mir gesagt das er mich liebt und mich dann geküsst…“ ich lächle „Plötzlich fing es in meinem Kopf an zu arbeiten und die Bilder setzen sich zusammen.“ Versuche ich ihr zu erklären. „Immer wenn er mich küsste dann versuchte mein Kopf alles zusammen zu setzen, aber heute ging es, alles war gestochen klar und ergab einen Sinn.“
„Moment mal, ihr habt euch schon vorher geküsst?“ sie sieht mich mit großen Augen an.
Ich lache leise „Ich glaube ich habe mich noch mal in ihn verliebt und ja…“ ich ziehe das a in die Länge „Wir haben uns schon ein paar Mal geküsst, das erste Mal zwei Tage nachdem ich hier war…“ ich lächle bei der Erinnerung daran „… ich habe ihm eine Ohrfeige dafür verpasst.“
Sie lacht hell auf. „Ehrlich?“
„Ja, dann war erst einmal eine Weile nichts und das nächste Mal ging der Kuss von mir aus, er lag auf meiner Couch und hat nach einer anstrengenden Nacht mit Lilly geschlafen. Ich konnte nicht widerstehen.“ Ich grinse verschmitzt.
„Und dann?“ Bella hibbelt herum.
„Ich weiß nicht, immer und immer wieder überkamen mich diese Gefühle für ihn. Gott ich war so verwirrt, ich meine das Letzte was ich wusste war das wir uns nicht mögen.“ Ich grinse vielsagend.
„Oh ja an die unzähligen Fragen in diese Richtung erinnere ich mich ziemlich genau.“ Sie rollt mit den Augen.
„Ich verliebte mich in ihn…“ ich zucke mit den Schultern.
„Ich freue mich wirklich für euch.“ Sagt sie ehrlich und Ryan kommt rein.
„Alles klar Mädels?“ er lässt sich neben mir auf die Couch fallen und küsst meine Hand.
„Ja.“ Sagen Bella und ich wie aus einem Mund.
„Es hat sich gelohnt, oder?“ Bella sieht zu Ryan und ich zwischen den Beiden hin und her.
„Ja danke Bella, danke dass du immer für mich da warst.“ Er sieht sie dankbar an.
„Ryan hat ab und zu bei mir und David auf der Couch geschlafen wenn David bei dir war. Ja er war ziemlich verwirrt…“ sie sieht in an „Weißt du Anna, nach deinem Unfall ergab auch alles für mich einen Sinn, Ryan hat dich nicht aus seinen Gedanken gestrichen wie er uns weis machen wollte, er hat mit Abstand am Meisten gelitten. Glaub mir, erst habe ich es auch nicht fassen können, aber ich sah ihn jeden Tag bei dir im Krankenhaus, in den Nächten mit Lilly und es wurde mir klar.“ Sie sieht uns Beide an. „Ihr gehört zusammen.“ Sagt sie und ich wische mir eine Träne weg.
„Danke.“ Sage ich gerührt und nehme sie erneut in den Arm.
Ich höre wie die Haustür unten aufgeschlossen wird.
„Mum.“ Flüstere ich und springe auf, ich laufe die Treppe runter und werfe mich meiner Mum in die Arme.
„Es tut mir so unendlich leid.“ Schluchze ich und sie streicht mir über den Rücken.
„Alles ist gut Spatz. Alles.“ Sagt sie und sieht mich an „Alles.“ Wiederholt sie und ich schmiege mich an sie.
Jake kommt rein und ich sehe ihn unter Tränen an, ich mache mich von meiner Mum los und nehme ihn in den Arm.
„Ich weiß nicht was ich tun soll damit du mir verzeihst.“ Flüstere ich leise.
„Nichts meine Kleine, alles ist gut.“ Er grinst mich an.
„Danke Dad.“ Sage ich und er streichelt meine Wange.
„Dafür nicht Kleines.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
Ryan und Bella kommen die Treppe runter und Jake sieht zu Ryan.
„Alles Okay?“ fragt er und Ryan nickt lächelnd, er kommt zu uns und zieht mich in seine Arme.
„Alles gut.“ Sagt er und küsst mich sanft.
„So Leute, ich muss.“ Bella gibt mir einen Kuss. „Wir sehen uns am Samstag auf dem Boot, ja?“ sie sieht mich und Ryan fragend an.
„Wenn Mum und Dad auf Lilly aufpassen.“ Ich sehe zu meiner Mum und sie strahlt.
„Na klar, ich glaube Lilly möchte mal wieder eine Shoppingtour mit ihrer Grandma machen.“ Sie zwinkert mir zu.
„Also bis dann ihr Zwei!“ Bella schickt uns einen Luftkuss zu und zieht die Tür hinter sich ins Schloss.
„Wo ist denn Lilly?“ meine Mum sieht sich suchend um.
„Sie ist nach dem baden eingeschlafen.“ Ryan deutet auf das Babyphon an seinem Gürtel.
„Kaffee?“ Jake sieht uns an und wir nicken alle. Wir gehen in die Küche und reden ein wenig, ich merke das meine Mum und Jake was auf dem Herzen haben und sehe beide an.
„Was ist los?“ frage ich und lege meinen Kopf schief.
„Habt ihr die Testergebnisse gelesen?“ fragt Jake schließlich.
„Ja…“ sage ich „zu 99,9997 %...“ ich mache eine Pause und lächle „Ryan.“ Sage ich schließlich und meine Mum und Jake fallen sich in die Arme.
„Unsere Prinzessin.“ Strahlt meine Mum.
„Ja unsere Prinzessin.“ Sagt Jake liebevoll.
Ryan beugt sich zu mir und küsst mich innig.
Endlich habe ich meine Erinnerungen wieder und ich denke ich bin dabei die schönsten Erinnerungen gerade zu erleben…
Ich stehe in der Küche und sehe auf den Pazifik, ein lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Es kommt mir unwirklich vor aber mein Baby feiert heute ihren Sweet 16.
Wow 16, ich kann es kaum glauben und natürlich will sie ihre Eltern nicht dabei haben… Teenager.
Ryan fährt sie gerade zu ihrer Party in den Yachtclub, dann haben wir endlich mal wieder einen Abend für uns. Er bringt Kian und Shane, unsere 14jährigen Zwillinge zu Bella und David. Sie und ihre 12jährige Tochter Lara sind ein Herz und eine Seele. Er wird auch Emma, unsere 10jährige Tochter da lassen damit sie mit Kyle spielen kann. Es hat schon einen gewissen Vorteil wenn die Kinder der besten Freunde ungefähr das gleiche Alter wie die eigenen Kinder haben. Ich sehe auf die Uhr, jetzt müsste er bei Mum und Dad ankommen um Katie und Julie abzuliefern. Die beiden sind 10 und 8 und ein Wochenende bei Grandma und Grandpa ist das Größte. Ich habe vor zwei Stunden Alec, unseren Jüngsten mit seinen 5 Jahren auch an sie “verkauft“ und ich kann es nicht fassen dass wir wirklich alle unsere Kinder untergebracht haben.
Ich gehe ins Wohnzimmer und sehe auf den Kaminsims… unzählige Fotos erzählen die Geschichte meiner Familie, unserer Familie… der Familie Connor-Preston.
Oh was haben wir damals über einen Nachnamen diskutiert… ich lächele und nehme unser Hochzeitsfoto in die Hand. Wir haben eine Woche nach Bella und David geheiratet, in der gleichen Kirche mit dem gleichen Pastor. Wir strahlen in die Kamera und ich kann es kaum fassen dass wir schon 15 Jahre verheiratet sind. Daneben sind Bilder unserer Kinder, sie wachsen so wahnsinnig schnell. Lilly sieht aus wie Ryan, wenn man die Geduld hätte zu warten wie sich die Kinder entwickeln, dann bräuchte man so manches Mal keinen Vaterschaftstest. Sie hat seine strahlend blauen Augen und seine hellbraunen Haare, der Rest unserer Kinderschar ist ein Potpourri aus mir und Ryan. Nur Alec unser Jüngster, er sieht aus wie ich, das zumindestens behauptet meinen Mum.
Daneben ist ein Bild aus dem Krankenhaus mit meinen ganzen Kollegen, ich habe noch eine Weiterbildung in Kinderheilkunde gemacht und arbeite seit 11 Jahren im Oceanside Child – Care – Center. Seit 8 Jahren bin ich Oberärztin der Intensivabteilung und man hat mir schon mehrmals den Posten der Chefärztin angeboten, aber ich will das nicht… Ich habe eine Familie und meine Karriere wird immer hinter meine Familie anstehen.
Mein Blick fällt auf das Bild von unserem letzten Urlaub in Irland vor einem halben Jahr… Wahnsinn das wir alle aufs Bild gepasst haben, denn Molly und Pat stehen mir und Ryan mit ihren 6 Kindern in nichts nach. Gut wir haben ein Kind Vorsprung und das wird sich auch nicht ändern, aber Lilly ist die Tochter von uns allen…
Von jedem ein kleines bisschen.
„Ireland?“ ich höre wie die Tür aufgeschlossen wird und laufe in den Flur. Wir sind vor 12 Jahren in unser eigenes Haus gezogen… 3 km von dem Haus unserer Eltern entfernt auf der anderen Seite des Piers.
„Hallo mein Schatz.“ Ich grinse ihn an und küsse ihn innig.
Er legt seine Arme um meine Hüften und zieht mich an sich.
„Endlich mal allein.“ Er zwinkert mir zu.
„Ja endlich.“ Lache ich.
Er nimmt meine Hand und wir gehen ins Wohnzimmer.
Ich möchte mein Leben mit niemandem auf der ganzen Welt tauschen.
Es wird immer Höhen und Tiefen im Leben und in der Liebe geben… Nur die Tiefen lehren uns die Höhen bewusster wahr zu nehmen und zu genießen!
Texte: me
Bildmaterialien: Google
Tag der Veröffentlichung: 28.07.2012
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