Kapitel 1
Bella
Ich warf noch einmal einen Blick in den großen Spiegel, der sich in unserem hell beleuchteten Flur befand. Heute trug ich eine schlichte schwarze Hose, kombiniert mit einer weißen Bluse, die perfekt zu meinem blassen Teint passte.
Meine schokobraunen Haare fielen mir leicht gewellt bis über die Schultern, sodass ich in meiner Kleidung nicht ganz so konservativ aussah. Manchmal wirkte ich überhaupt nicht wie eine reife junge Frau, sondern eher wie ein unbeholfener Teenager. Das war schon immer so gewesen und mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass meine Schüler mich sogar des öfteren bei meinem Vornamen nannten. Ich war nun mal keine typisch strenge Lehrerin und die wollte ich auch überhaupt nicht sein. An der Forks High School – an der ich seit letzten Sommer unterrichtete – reichten normale Regeln völlig aus. Bisher gab es noch keinen Schüler, der über die Strenge geschlagen hatte und ich hoffe inständig, dass das auch so bleiben würde.
„Du bist wunderschön, mein Schatz.“ Jacobs raue Stimme drang an mein Ohr. Seine Hände lagen an meiner Taille, während man ihn nun ebenfalls im Spiegel sehen konnte. Im Gegensatz zu mir war seine Haut sonnengebräunt, worum ich ihn schon ein manches Mal beneidet hatte. Gerne hätte ich ein bisschen mehr Farbe gehabt, aber auch meine Blässe war etwas, womit ich mich in all den Jahren abgefasst hatte.
„Sei ehrlich, sieht so eine Lehrerin aus?“, fragte ich und drehte mich schließlich zu ihm um. Ich konnte sehen, wie Jacob angestrengt darüber nachdachte und sich seine Lippen dann zu einem zaghaften Lächeln formten.
„Du siehst vielleicht nicht aus wie diese typischen Lehrer, für die es im Leben nichts anderes gibt als ihre Matheklausuren und Geschichtsbücher, aber dafür bist du umso schöner.“
„Ich sehe aus wie ein Teenie“, flüsterte ich an seine Brust gewandt.
„Bella, du bist die beste Lehrerin, die ein Schüler haben kann. Warum zweifelst du denn plötzlich an deinen Fähigkeiten?“
„Ich weiß es nicht.“ Jacob musterte mich eindringlich. Er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht die Wahrheit sprach.
„Okay, also.... wir bekommen heute unsere neuen Schüler und das einzige, was ich über sie weiß, ist, dass sie aus Alaska stammen.“
„Und das ist ein Problem für dich?“ Er nahm mein Gesicht in seine Hände und starrte mich weiterhin unverwandt an. „Du bist doch bisher mit allen klar gekommen.“
„Ja, aber woher soll ich wissen, wie sich die Teenager aus dieser Region verhalten. Hier in Forks kennt jeder jeden, das ist irgendwie einfacher.“
„Du schaffst das schon.“ Jacob drückte mir einen sanften Kuss auf den Mund, was mich ein wenig zu beruhigen schien. Seit 3 Jahren führten wir nun schon eine Ehe und in dieser Zeit hatte er es immer wieder geschafft, mich in schlechten Momenten aufzumuntern. Er war der perfekte Mann für mich und ich konnte mir keinen anderen an meiner Seite vorstellen.
„Dann werde ich jetzt mal los gehen. Bist du heute Abend zu Hause?“
„Es kommt drauf an, wie viel wir auf dem Polizeirevier zu tun haben. Ich werde dich aber anrufen, wenn es später werden sollte.“
„Mach das“, lächelte ich, während meine Lippen noch einmal seine berührten. Dann verließ ich mit einem gestärkten Gefühl das Haus. Wäre doch gelacht, wenn ich den heutigen Tag mit meinen bereits 30 Jahren nicht bewerkstelligen könnte.
Als ich mich auf den Weg zu meinem Klassenraum machte, wurde mir jedoch wieder ein wenig mulmig zu Mute. Ich hatte keine Angst vor den neuen Schülern, eher davor, dass sie mich nicht akzeptieren könnten. Dass ich nicht die Respektsperson für sie sein würde, die ich eigentlich sein wollte. Augenblicklich musste ich an unseren Biologielehrer Mr. Newton denken, der solch eine Autorität besaß, dass selbst ich ihm nicht widersprechen könnte. Er war jemand, den ich manchmal bewunderte, dessen Unterrichtsform ich jedoch nie kopieren würde. Meine Schüler sollten zwar etwas lernen, aber ich wollte sie nicht in Angst und Schrecken versetzen.
Etwas unsicher betrat ich schließlich den Klassenraum und wie immer schienen noch einige meiner Schüler zu fehlen. Also stellte ich erst einmal meine Tasche auf das Pult und holte die Materialien für den heutigen Unterricht heraus.
„Morgen, Mrs. Black.“
„Morgen, Tony.“ Ein schlaksiger pickeliger Junge lief an mir vorbei und setzte sich auf seinen Platz in der ersten Reihe. Er war einer der Schüler, die ich am meisten mochte, weil er sich immer stets an die Regeln hielt. Nur seine Beteiligung am Unterricht war nicht so berauschend wie die seiner Mitschüler, was mich unweigerlich an meine Schulzeit erinnerte. Auch ich hatte es früher eher schwer gehabt.
„Mrs. Black.“ Eine vertraute Stimme holte mich aus meinen Gedanken und erst jetzt bemerkte ich unseren Direktor, der an der Eingangstür stand und mich zu sich herüberwinkte.
„Was gibt es?“
„Das hier sind die zwei neuen Schüler. Die anderen beiden habe ich Mr. Newton zugeteilt. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie?“
„Natürlich“, versicherte ich ihm und zum ersten Mal fiel mein Blick auf meine beiden neuen Schüler, die so wunderschön aussahen, dass es mir die Sprache verschlug. Ich wusste, dass mein Blick viel zu lange auf ihnen gelegen hatte, also räusperte ich mich schließlich verlegen: „Dann kommt mal mit.“
Der Direktor lächelte mir noch aufmunternd zu, während ich mit meinen beiden neuen Schülern den Klassenraum betrat. Erst jetzt konnte ich sie richtig erkennen. Das Mädchen hatte kurze dunkle Haare, die ihr ohnehin schon perfektes Gesicht umschmeichelten. Ihre Augen schimmerten in einem merkwürdigen goldbraun, was ich in dieser Form noch nie zuvor gesehen hatte. Auch der Junge – der vermutlich ihr Bruder war – hatte diese goldenen Augen, dessen Schönheit mir fast den Atem raubte. Wie seine Schwester hatte er einen blassen Tein, der seine Haut wie gemeißelt aussehen ließ. Seine Haare waren Bronzefarben und am liebsten hätte ich sie gerne einmal berührt, nur um sicher zu gehen, dass sie auch tatsächlich echt waren. Im Vergleich zu diesen beiden Teenager, besaß ich zum ersten Mal eine leichte Bräune, aber dafür wirkten sie umso reifer wie ich. Es fiel mir schwer damit umzugehen, denn diese Tatsache war so offensichtlich, dass man sie nicht ignorieren konnte.
Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe.
„Stellt euch bitte kurz vor und setzt euch dann auf die freien Plätze.“
„Ich bin Alice Cullen, 17 Jahre und komme ursprünglich aus Alaska. Ich bin vor kurzem mit meiner Familie“, - sie deutete auf ihren Bruder –, „nach Forks gezogen.“ Dann schwang sie sich mit einer eleganten Bewegung zu dem freien Platz neben Tony. Warum auch immer, aber ich war froh, dass der bronzefarbene Junge sich nicht mehr dort hinsetzen konnte. Ich hätte es nicht ausgehalten, wenn er sich die ganze Unterrichtsstunde unmittelbar in meiner Nähe aufgehalten hätte.
„Ich bin Edward Cullen, 17 Jahre und komme ebenfalls aus Alaska.“ Obwohl diese Worte nur relativ knapp gewesen waren, hatte mich dieser Satz so aus dem Konzept gebracht, dass ich mich an meinem Pult abstützen musste. Seine Stimme hatte etwas Melodisches an sich, das mich regelrecht sprachlos werden ließ.
„Okay, setz dich bitte neben Alyssa“, sprach ich schließlich mit brüchiger Stimme und tat für einen Moment so, als würde ich in meiner Tasche nach etwas suchen. Noch nie hatten meine Schüler mich so aus dem Konzept gebracht. Doch Edward und Alice sahen nicht aus wie gewöhnliche Teenager. Sie sahen überhaupt nicht aus wie die Menschen, die ich bisher kennengelernt hatte. Ihre einzigartige Schönheit, der Klang ihrer Stimmen und ihre fließenden Bewegung machten sie zu etwas Besonderem.
Den Rest des Unterrichts musste ich mich beherrschen, damit ich sie nicht ständig anstarrte. Besonders Edward hatte mich in seinen Bann gezogen.
Edward
Nachdem unsere neue Lehrerin mich aufgefordert hatte neben einem Mädchen namens Alyssa Platz zu nehmen, lief ich in Menschengeschwindigkeit zu ihr herüber und versuchte mich auf etwas völlig Belangloses zu konzentrieren. Seitdem ich Mrs. Black das erste Mal gesehen hatte und ihr Geruch mir in die Nase gestiegen war, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Sie besaß solch einen köstlichen Duft, dass mir das Wasser im Munde zusammenlief. Nur meine Jahre lange Beherrschung hinderte mich daran, geradewegs aufzustehen und sie mitten vor ihren Schülern zu befallen.
Beherrsche dich
, konnte ich Alice denken hören und augenblicklich verfinsterte sich meine ohnehin schon schlechte Stimmung. Manchmal konnte es ganz schön lästig sein, die Gedanken anderer Menschen zu hören. Besonders von Alice mahnenden Worten wäre ich gerne erspart geblieben, aber das war nun einmal Teil meines Vampirlebens.
„Hallo Edward.“ Die piespsige Stimme meiner Banknachbarin drang an mein Ohr. „Ich bin Alyssa.“ Sie wollte mir ihre Hand reichen, doch anstatt darauf einzugehen, versuchte ich mich einfach nur an einem leichten Lächeln. Ich wusste, dass ich unwiderstehlich auf die Frauenwelt wirkte und manchmal tat dies sogar ganz gut, aber heute hatte ich zum ersten Mal nur Augen für eine Frau. Unsere Lehrerin, die soeben dabei war ein paar Unterlagen auszuteilen, warf mir immer wieder einen unauffälligen Blick zu. Menschlichen Augen wäre das vermutlich gar nicht aufgefallen, doch mir entging diese Geste nicht.
Was sie wohl gerade dachte? Ich versuchte mich nur auf sie zu konzentrieren, nur leider erklang in meinem Kopf immer wieder dieselben Stimmen. Da war einmal Alice die mir ständig mahnende Worte zurief, dann der pickelige Junge neben ihr, dem ich solch schmutzige Gedanken gar nicht zugetraut hätte und Alyssa die mich unverwandt anstarrte. Ich musste schmunzeln und gleichzeitig war ich verwirrt, weil mir normalerweise keine Gedanken entgingen, doch aus irgendeinem Grund blieben mir Mrs. Blacks bisher verwehrt.
Ich musste schlucken, als sie an unseren Tisch ankam und uns ein Blatt reichte. Unsere Blicke trafen sich für einen Moment und zum ersten Mal verwandelte sich meine eben noch dagewesene Gier nach ihrem Blut in etwas anderem.
Solche Gefühle hatte ich noch nie verspürt.
„Bella ist eine tolle Lehrerin. Du kannst echt froh sein, dass du nicht in Mike Newtons Unterricht gekommen bist“, strahlte Alyssa und wand sich dann ihren Unterlagen zu.
Bella heißt sie also. Für den Rest des Unterrichts konnte ich an nichts anderes mehr denken.
Kapitel 2
Bella
Der Unterricht verging viel zu langsam und nachdem endlich die Schulglocke erklang, atmete ich erleichtert aus. Noch nie zuvor waren mir die ersten beiden Stunden so lange vorgekommen. Meistens gab es zwischendurch immer etwas zu tun, sodass ich nicht unnötig an meinem Pult herumsitzen musste. Doch heute konnte ich mich auf nichts anderes konzentrieren, als auf meine zwei neuen Schüler. Wie zwei perfekt gemeißelte Staturen saßen sie auf ihren Plätzen und starrten ins Leere. Hin und wieder widmeten sie sich ihren Aufgaben, aber dann – in einem ganz entscheidenden Moment – veränderten sich wieder ihre Gesichtsausdrücke. Wenn Alice einen mahnenden Blick aufsetzte, wirkte Edward noch ernster als er ohnehin schon aussah. Als ob sie miteinander kommunizieren.
Ich schüttelte vernehmend den Kopf. In dieser Entfernung war es unmöglich miteinander zu reden und wenn Alice etwas gesagt hätte, dann hätte ich es auf jeden Fall mitbekommen.
„Mrs. Black?“ Ich sah von meinen Unterlagen auf und entdeckte Alice, die in einer perfekten Haltung vor mir stand. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sie von ihrem Platz aufgestanden war. Neben ihr befand sich Edward, der immer wieder einen nervösen Blick zur Tür warf.
„Ja?“
„Wir würden gerne kurz etwas mit Ihnen besprechen“, entgegnete sie mit ihrer wunderschön melodischen Stimme. Mir blieb für einen kurzen Moment die Luft weg. Selbst wenn ich für dieses Gespräch keine Zeit gehabt hätte, wäre ich vermutlich trotzdem darauf eingegangen. Diesen beiden Geschwistern konnte man scheinbar nichts abschlagen und das machte mir ein wenig Angst. Sie gehörten immerhin zu meinen Schülern und nicht zu meinen engsten Freunden. Ich musste schlucken.
„Was gibt’s?“
„Die ersten beiden Unterrichtsstunden mit Ihnen haben uns wirklich sehr gut gefallen und wir wissen es wirklich zu schätzen, dass Ihre Schule uns so bereitwillig aufgenommen hat, dennoch wollten wir fragen, ob es vielleicht möglich wäre, dass man uns in die Klasse von Mr. Newton verlegt? Selbstverständlich würden unsere beiden anderen Geschwister dann zu Ihnen in den Unterricht kommen.“ Obwohl sie dies in einem freundlichen, fast schon überheblichen Ton gesagt hatte, spürte ich plötzlich einen aufkommenden Zorn in mir. Noch nie zuvor hatte es jemanden gegeben, der freiwillig in Mikes Klasse wechseln wollte.
Sie müssen mich ja ganz schön schrecklich finden.
Meine Finger krallten sich in die Unterlagen.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt... aber natürlich kann ich nichts versprechen“, sagte ich schließlich, woraufhin Alice verständnisvoll nickte.
„Wir wären Ihnen wirklich sehr dankbar dafür. Rosalie und Emmett werden Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten.“
„Wa-warum wollt ihr eigentlich wechseln?“, brachte ich auf einmal hervor. Ich brauchte unbedingt eine Antwort darauf, auch wenn ich mir sicher war, dass sie mir nicht die Wahrheit erzählen würden. Edward mochte mich nicht sonderlich, das konnte ich an seinem Blick erkennen. Noch immer sah er aus, als würde er jeden Augenblick einen Wutanfall bekommen. Schön und dennoch gefährlich.
„Ich denke nicht, dass Sie das etwas angeht. Komm Alice, wir gehen!“ Zum ersten Mal meldete er sich zu Wort und obwohl seine Stimme hasserfüllt klingen müsste, hörte es sich an wie ein überaus schönes Glockenspiel.
„Tut mir wirklich leid, aber das hat nichts mit Ihnen zu tun. Rosalie und Emmett kommen scheinbar nicht mit Mr. Newton zurecht und ich denke, dass die beiden in Ihrer Klasse besser aufgehoben wären“, beteuerte Alice und auch wenn ich mir sicher war, dass sie log, wirkte sie trotzdem ein wenig schuldbewusst.
„Ist schon in Ordnung“, murmelte ich etwas verlegen, während sich mein Zorn langsam wieder in Luft aufzulösen schien.
„Alice!“ Edwards liebliche Stimme hatte sich plötzlich schlagartig verändert. Jetzt hörten sich sich seine Worte so mahnend an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. „Komm bitte!“
„Ich hoffe, du verzeihst mir“, fügte Alice noch hinzu, ehe sie ihren Bruder hinaus auf den Flur folgte. Nun stand ich ganz allein im Klassenraum, umgeben von meinen zerdrückten Unterlagen, die ich alle noch einmal erneuern müsste.
„So ein Mist!“, fluchte ich. Was ist nur los mit mir?
Ich ließ mich auf den Stuhl nieder und dachte über das soeben Geschehene nach.
Es war so offensichtlich gewesen, dass Alice nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Außerdem
– fiel mir plötzlich ein – sie weiß doch gar nicht, ob es ihren Geschwistern nicht doch in Mikes Unterricht gefallen hat. Sie haben in den letzten zwei Stunden überhaupt nicht miteinander gesprochen.
Schon wieder verspürte ich einen leichten Zorn in meiner Brust. Ich mochte es nicht, wenn man mich für dumm verkaufte. Vielleicht war ich das früher einmal gewesen – dumm und naiv – aber jetzt nicht mehr! Ich würde schon noch herausfinden, warum die beiden meine Klasse verlassen wollten. Und ich war mir sicher, dass dies etwas mit Edward zu tun hatte. Seine Blicke, sein Verhalten, irgendwas hatte er zu verbergen...
Widerwillig sammelte ich schließlich meine Unterlagen ein. Gleich würden die nächsten Stunden beginnen und ich war froh, nicht in dieser, sondern in einer ganz anderen normalen
Klasse zu unterrichten.
Edward
„Du hättest sie nicht so anfahren sollen“, schnaubte Alice, als wir die überfüllte Cafeteria betraten. An dem hintersten Tisch saßen schon Emmett und Rosalie, die gespannt auf uns warteten. Wie mich das nervte.
„Hey, ihr beiden.“ Rosalie setzte ihr perfektes Lächeln auf, während Emmett mir freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
„Wie waren eure ersten beiden Unterrichtsstunden? Schon potenzielle Opfer gefunden?“ Er begann lautstark zu lachen und auch wenn es nur Spaß war, machte es mich in diesem Moment wütend. Diese Lehrerin Bella hatte mich total aus dem Konzept gebracht und ich wusste immer noch nicht, woran das lag. Jahrelang hatte ich jedem Menschen widerstehen können, egal ob es um das Blut oder die Leidenschaft ging, doch bei ihr schien sich plötzlich alles schlagartig zu ändern.
Das musste verhindert werden!
„Na ja...“, seufzte Alice schließlich und fuhr dann ungehindert fort, „es gab tatsächlich ein paar Probleme. Allerdings nicht mit den Schülern.“
„Sondern?“ Emmett schien neugierig geworden zu sein und beugte sich deshalb weit über den Tisch, um Alice mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich verdrehte die Augen. Das war so schwachsinnig, denn selbst wenn er in der anderen Ecke des Raumes gestanden hätte, hätte er sie hören können. Unser feines Gehör gehörte zu einen der vielen Vorteile des Vampirdaseins. Und dennoch – ich würde mich nie freiwillig dafür entscheiden!
Lediglich das Schicksal hatte mich dazu gezwungen, dieses außergewöhnliche Leben anzunehmen.
„Mit der Lehrerin“, beendete Alice ihren Satz und ließ damit Raum für weitere Fragen.
„Das verstehe ich nicht“, gab Rosalie zu und ihre vollkommenen Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. Sie konnte es nicht leiden, wenn man ihr etwas vorenthielt.
„Edward kann ihre Gedanken nicht lesen.“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, Alice. Vielleicht lag das auch einfach nur an den vielen Eindrücken“, mischte ich mich zum ersten Mal ein, auch wenn ich an diese Theorie selbst nicht glaubte. So etwas war mir noch nie passiert!
„Ich weiß nicht“, gab sie nach einer Weile des Schweigens zu.
„Das klingt schon ziemlich abgefahren. Scheint so, als würde diese Schule doch noch zu etwas Interessantem werden.“ Emmett lehnte sich gelassen in seinem Stuhl zurück und beobachtete die vorbeilaufenden Schüler. Jeder von ihnen warf uns einen kurzen Blick zu, nur, um im selben Moment wieder wegzuschauen. Trotz unserer starken Anziehungskraft, wirkten wir bedrohlich auf die Menschen. Keiner von ihnen wollte je etwas mit uns zu tun haben und das war auch gut so! Wir wollten keine Gefahr für sie darstellen. Bella sollte nicht jeden Tag dem Tod ausgesetzt sein. Ich wollte sie vor mir schützen, also sagte ich schließlich: „Wir werden die Klassen wechseln müssen. Könnten Alice und ich mit euch tauschen?“
Rosalie und Emmet wechselten kurze präzise Blicke aus und nickten dann. „Wenn es besser für dich ist, sind wir natürlich einverstanden.“
„Vielen Dank“, murmelte ich und für den Rest der Pause widmete ich mich den Gedanken der anderen Menschen. Es beruhigte mich, ihre belanglosen Probleme zu hören und zu wissen, wie wenig sie die Welt um sich herum eigentlich kannten.
Bella
Als ich am Abend das Haus betrat, war Jacob noch immer auf der Arbeit. Es gab nur selten einen Tag, an dem er pünktlich nach Hause kam. Natürlich verstand ich es, schließlich war er hier in Forks – neben meinem Vater – ein angesagter Polizist, aber dennoch hätte ich ihn gerne öfter an meiner Seite gehabt. Gerade nach dem heutigen Stress in der Schule brauchte ich etwas Entspannung.
Es ist immer dasselbe.
Ich stieg die Treppe hoch, die mich auf unser Zimmer brachte und legte mich auf das große gemütliche Bett. Meine Gedanken drifteten wieder zu Edward und seiner Schwester. Noch immer verstand ich nicht, warum sie gleich am ersten Tag meinen Unterricht verlassen wollten. Natürlich war ich keine Autoritätsperson wie Mike, trotzdem verdiente ich ein bisschen Respekt. Doch konnte ich diesen von solch wunderbaren Wesen überhaupt verlangen? Wesen das war genau die richtige Bezeichnung für die beiden. Es schien, als würden sie nicht von dieser Welt stammen.
Das bildest du dir nur ein.
Ich schüttelte vernehmend meinen Kopf. Sonst machte ich mir doch auch keine großen Gedanken um meine Schüler, zumindest nicht auf diese Art und Weise.
Um mich ein wenig abzulenken griff ich nach dem Buch auf meinem Nachtschrank. Es handelte sich um einen Roman, den ich schon ein Dutzend Mal gelesen hatte. Jacob fand es immer erstaunlich witzig, wenn ich das Buch erneut zu lesen begann. Ich vermisste ihn, denn meistens kam er erst dann nach Hause, wenn ich bereits schlief. Mein Jacob
.
Kapitel 3
Bella
An diesem Abend hatte ich Jacob nicht mehr zu Gesicht bekommen und auch am nächsten Morgen waren wir uns nicht begegnet. Während er den Tag auf dem Polizeirevier verbrachte, unterrichtete ich die Schüler an der Forks High School. Unsere Jobs hätten nicht unterschiedlicher sein können und dennoch führten wir eine glückliche Ehe, die vielen Menschen in der heutigen Gesellschaft verwehrt blieb. Selbst meine Eltern hatten sich damals – als ich noch ein kleines Kind gewesen war – voneinander getrennt. Sie passten einfach nicht zusammen, was ich mir aber erst sehr spät eingestehen konnte. Früher waren sie für mich immer so etwas wie Vorbilder gewesen, doch nach ihrer Trennung wollte ich keinesfalls mehr so werden wie sie. Lange Zeit hatte ich die Ehe und alles was damit zusammenhing verabscheut und erst als ich zu meinem Vater nach Forks gezogen und Jacob begegnet war, hatte sich das schlagartig geändert. Wir beide waren nicht wie meine Eltern und würden es auch niemals sein!
In Gedanken versunken, blieb ich schließlich vor dem Büro des Direktors stehen. Es dauerte nicht mehr lange, bis die erste Stunde begann und noch immer war ich mir nicht sicher, ob ich ihn von der Bitte meiner neuen Schüler erzählen sollte. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er mich für diesen Klassenwechsel verantwortlich machen würde. Zwar hatte Alice mir versichert, dass es nicht an meinem Unterricht läge, aber in dieser Hinsicht schenkte ich ihr keinen Glauben. Es lag an Edward, der mich aus irgendeinem undefinierbaren Grund nicht mochte, dem war ich mir sicher.
Ich begann noch einmal tief Luft zu holen, ehe ich an die Tür klopfte und ganz vorsichtig das Büro betrat. Sofort vernahm ich die laute Stimme des Direktors, der sich jedoch nicht über mich, sondern über irgendjemand anderes aufzuregen schien. Als ich näher herantrat, erkannte ich Mike Newton. Augenblicklich drehte er sich zu mir um und starrte mich hasserfüllt an. Ein fast schon vertrauter Gesichtsausdruck, denn jedes Mal, wenn wir uns begegneten, ließ er seinen Frust an mir aus.
„Die liebe Mrs. Black lässt sich auch mal wieder blicken.“ In seiner süßlichen Stimmlage schwang so viel Ironie mit, dass mir schlecht wurde.
„Ich wüsste nicht, was Sie das anginge. Ich bin hier, um mit dem Direktor zu sprechen“, entgegnete ich mit einem süffisanten Lächeln. So schnell ließ ich mich nicht von dem meist gehassten Lehrer auf dieser Schule einschüchtern.
Nicht, seitdem ich selbst zu ihnen gehörte!
„Ich denke schon, dass mich das etwas angeht oder sind Sie nicht von dem Klassenwechsel betroffen? Immerhin gab es schon einige Gerüchte darüber.“
Ich schnaubte wutentbrannt, lief an ihm vorbei und steuerte geradewegs auf das riesige Pult des Direktors zu.
„Meine Schüler haben mich lediglich um einen Wechsel gebeten und ich sehe kein Problem darin, diesen nicht durchzuführen“, entgegnete ich lautstark, auch wenn ich eigentlich völlig anderer Meinung war. Ich wollte Edward nicht die Genugtuung geben und ihn einfach grundlos aus meinem Unterricht befreien, aber ich wollte auch nicht Mikes Ego puschen, indem ich ihn bei der Sache unterstützte.
„Ach, und der Grund für dieses Vorhaben ist Ihnen völlig egal? Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht...“
„Schluss jetzt!“, unterbrach der Direktor unsere Diskussion und klopfte wütend auf den Tisch vor sich. „Es ist besser wenn Sie jetzt erst einmal hinaus gehen, Mr. Newton. Alles weitere werde ich mit Mrs. Black besprechen.“
„Ich bin aber genauso betroffen. Ich habe Rechte!“, rief Mike aufgebracht, doch als er den Blick unseres Chefs sah, besann er sich eines anderen und verließ kommentarlos das Büro. Ein paar Sekunden starrte ich auf die verschlossene Tür.
Unsere Diskussion hatten nicht wirklich etwas mit dem heutigen Vorfall zu tun, das wusste ich. In Wahrheit war Mike nämlich aus einem ganz anderen Grund auf mich sauer. Er empfindet noch immer etwas für mich.
Damals – als wir gemeinsam auf die Forks High School gingen – hatte er mich mehrmals um ein Date gebeten, aber jedes Mal hatte ich ihn abblitzen lassen. Irgendwann war er dann völlig frustriert mit Jessica Stanley gegangen, die jetzt jedoch irgendwo in Californien zusammen mit einem Basketballspieler lebte.
Armer Mike.
In solchen Momenten tat er mir ziemlich leid und ich fühlte mich immer ein wenig schuldbewusst.
„Mrs. Black“, durchbrach der Direktor schließlich das eisige Schweigen und sofort drehte ich mich mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihm um. „Bitte verzeihen Sie Mr. Newtons plötzlichen Ausraster. Er ist nur etwas aufgebracht, wegen der neuen Schüler. Erzählen Sie mir doch noch einmal genau, was vorgefallen ist.“
„Na ja....“ Ich hielt kurz inne und überlegte, wie ich ihm die ganze Sache am besten erklären sollte. „Die beiden neuen Schüler baten mich um einen Klassenwechsel. Sie wollen gerne den Unterricht von Mr. Newton besuchen und im Gegenzug würden ihre anderen beiden Geschwister dann zu mir in die Klasse kommen.“
„Und wozu das Ganze?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich kleinlaut, auch wenn es sich dabei um eine Lüge handelte. Doch ich wollte Mike nicht unnötig in die Pfanne hauen, denn dass man ihn für diese Sache verantwortlich machte, hatte er nicht verdient.
Es ist allein meine Schuld.
„Also gibt es keinen triftigen Grund?“, fragte er erneut.
„Nein... also vielleicht gefällt ihnen mein Unterricht nicht.“
„Mrs. Black, Sie haben bisher immer einen guten Job gemacht und ich denke nicht, dass es an Ihnen liegt.“
Ich musste schlucken, obwohl mich diese Aussage eigentlich freuen sollte.
Wer wurde schon nicht gerne vom seinem eigenen Chef gelobt?
„Also schön. Ich denke wir belassen es erstmal dabei. Sollte es in Zukunft weitere Probleme geben, können Sie mich ja benachrichtigen. Im Moment sehe ich jedenfalls keinen Grund diesen Klassenwechsel durchzuführen. Die Schüler müssen sich lernen anzupassen.
„Aber...“, wollte ich noch sagen, wurde jedoch sofort unterbrochen.
„Man kann ihnen nicht schon am ersten Tag alles durchgehen lassen.“
„Und wenn wir es einfach ausprobieren?“
„Ich sehe da zurzeit keinen Sinn drin. Gehen Sie jetzt besser, der Unterricht fängt gleich an“, bat er mich, woraufhin ich mit einem letzten flehenden Blick das Büro verließ.
Als ich mich auf den Weg zum Unterricht machte, wusste ich nicht, ob ich mich über die Entscheidung des Direktors freuen oder ob ich mich darüber ärgern sollte. Auf der einen Seite wäre es mir eine Freude gewesen, Mike diese zwei wunderbaren Wesen
ans Bein zu binden, auf der anderen Seite wollte ich aber auch mehr über Edward herausfinden und das ging nur, wenn er sich weiterhin in meiner Klasse befand.
Wie jeden Morgen betrat ich auch heute wieder mit einem aufgesetzten Lächeln den Raum. Nur ganz selten kam es tatsächlich von Herzen und auch nur dann, wenn ich zum Beispiel etwas schönes mit Jacob erlebt hatte – und das kam äußerst selten vor.
„Guten Morgen.“ Mein Blick schweifte durch die Klasse, blieb zuerst an Alice und dann an Edwards Platz hängen. Doch zu meiner Verwunderung saß er nicht an seinem Tisch. Alyssa, die normalerweise neben ihm saß, schien das überhaupt nicht zu gefallen. Ich musste schmunzeln und gleichzeitig fühlte ich eine plötzliche Leere in mir. Er fehlt.
Ohne weiter auf meine innere Stimme einzugehen, schrieb ich das heutige Thema an die Tafel. Dann eröffnete ich eine Diskussion, in der alle Schüler etwas über dieses Thema sagen durften. Währenddessen wanderte mein Blick immer wieder zu Alice, die schuldbewusst auf ihren Tisch starrte und sich an dem heutigen Unterricht scheinbar nicht beteiligen wollte.
Erst als es später etwas ruhiger wurde, versuchte ich sie unbemerkt nach Edwards Befinden zu fragen. Ich hielt es einfach nicht mehr aus, unwissend auf seinen Platz zu starren. Da war diese unerträgliche Leere und die wachsende Besorgnis, die von mir Besitz ergriffen hatten. Ich brauchte Antworten!
„Er hat sich eine Grippe eingefangen“, sprach Alice im leisen Ton, sodass nur ich es verstehen konnte.
Ich nickte. „Wann wird er wieder kommen?“
„Ich weiß es nicht“, gab sie ehrlich zu und diesmal war ich mir sicher, dass sie die Wahrheit gesagt hatte, auch wenn mir die Sache mit der Grippe noch etwas komisch vorkam. Doch ich wollte sie nicht länger mit meinen Fragen löchern. Eine Lehrerin hatte sich nicht für das Privatleben ihrer Schüler zu interessieren und bisher gab es für mich auch noch nie einen Grund dafür. Bei Edward hingegen, schien sich das schlagartig geändert zu haben. Ich wollte alles über ihn wissen, was mich unweigerlich erschreckte, denn es gab so vieles, was ich noch nicht über ihn wusste.
Edward
Es war Freitag und normalerweise ein gewöhnlicher Schultag für mich, doch heute hatte ich beschlossen mir eine Auszeit zu nehmen. Seitdem Alice vorausgesehen hatte, dass der geplante Klassenwechsel nicht stattfinden würde, konnte ich nicht länger am Unterricht teilnehmen.
Ich würde sie verletzen. Es wäre nur eine Frage der Zeit.
Zähneknirschend blicke ich in den Wald, während ich versuchte meine Wut auf etwas ganz Bestimmtes zu lenken. Ein Puma lief in unmittelbarer, so griffbereit, dass es für mich ein Leichtes wäre ihn zu erledigen. Ich wartete noch ein paar Sekunden ab, bis sich meine Wut vollends entfachte und raste dann mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf das Tier zu. Leider war ich diesmal so schnell, dass es noch nicht einmal zu einem kleinen Wettrennen gekommen war und der Puma schon bald leblos neben mir lag. Gesättigt strich ich das Blut von meinen Lippen und begann breit zu Grinsen. Die Jagd war jedes Mal eine Genugtuung für mich, sodass ich für eine ganze Weile tatsächlich Bella
vergessen konnte.
Doch jetzt – in diesem Moment – erschien wieder ihr blasses wunderschönes Gesicht vor meinem inneren Auge. Ihr köstlicher Duft stieg mir in die Nase, auch wenn es nur eine Illusion war. Ich spürte die Leidenschaft und das Feuer.
„Na, schon fertig?“ Carlisle kam mit einem Lächeln auf den Lippen zu mir herüber. Auch er hatte in der Nähe seinen Hunger gestillt.
„Ja“, brachte ich kleinlaut hervor, während ich weiterhin in die Ferne starrte.
„Was ist los, mein Sohn? Irgendwas stimmt doch nicht mit dir. Ist es wegen dieser Lehrerin, deren Gedanken du nicht lesen kannst?“
Ich nickte einfach nur stumm. Es brachte nichts Carlisle etwas vorzumachen, denn das hätte er gewiss gemerkt. „Es ist alles so verwirrend.“
„Das wird schon wieder, glaub mir“, versuchte er mich zu beruhigen, während er seine Hand auf meine Schulter legte.
„Ich weiß nicht, ob ich es aushalte. Wenn ich weiterhin in ihrer Klasse bleibe, sind alle in Gefahr. Ich möchte niemanden verletzten“, sprach ich traurig.
„Edward, du hast bisher noch nie jemanden verletzt. Wieso solltest du nach so vielen Jahren deine Beherrschung verlieren?“
„Weil sie anders ist, Calisle.“ Mit einem großen Satz sprang ich auf einen der hohen Bäume. Das tat ich meistens um mich abzulenken oder einfach nur die Aussicht zu genießen. Heute traf jedoch ersteres zu.
„Vielleicht gibt es ja einen simplen Grund dafür, warum du ihre Gedanken nicht lesen kannst.“
„Es geht ja nicht nur darum, sondern auch um ihre Anziehungskraft, die sie auf mich ausübt. Ihr Duft, ihr Aussehen, die Leidenschaft in ihren Augen. Das alles habe ich zuvor noch nie in dieser Art und Weise gespürt.“
„Du hast Angst, hab ich recht?“, fragte Carlisle mich, auch wenn es eher eine Feststellung war.
„Ich habe Angst sie zu verletzten, ja.“
„Nein, das hast du nicht“, stieß er plötzlich völlig unverhofft hervor, „du hast nur Angst dich zu verlieben!“
Kapitel 4
Bella
An diesem Wochenende bekam ich endlich mal wieder Jacob zu Gesicht. Er hatte sich für den heutigen Tag extra freigenommen, nur um mich in das beste Lokal aus ganz Forks zu entführen. Obwohl es mich eigentlich freuen sollte, hatte ich dennoch ein schlechtes Gewissen, denn ich wollte nicht, dass er seinen Job wegen mir vernachlässigte. Doch stur und eigensinnig wie er war, konnte man ihn nicht mehr von seinem Vorhaben abhalten. Also hatte ich mir kurzer Hand das schlichte schwarze Kleid – was ich für all die seltenen Ausgehabende aufhob – angezogen. Es umschmeichelte gekonnt meinen blassen Teint, sodass ich mich zum ersten Mal in dieser Woche wohl in meiner Haut fühlte.
Aber mit Alice und Edward könnte ich nie mithalten.
Immer wieder schweiften meine Gedanken zu den beiden neuen Schülern, die sich so stark von allen anderen in der Schule abhoben, dass man sie glatt für etwas Besonderes halten konnte. Doch das waren sie nicht! Edward und Alice mussten genauso behandelt werden wie alle anderen und deshalb würde ich auch nicht einfach so über Edwards Abwesenheit hinwegsehen. Sobald er wieder zum Unterricht erschien, würde ich ihn darauf ansprechen!
„Du siehst wunderschön aus“, wisperte Jacob plötzlich an mein Ohr gewandt und schlang seine Arme von hinten um meine Hüfte. Jedes Mal wenn er das tat, wusste ich, was ich die ganze Woche über vermisst hatte. Er war so einfühlsam und zärtlich zu mir, dass ich am liebsten für immer in seinen Armen liegen wollte.
„Danke, du auch.“ Langsam drehte ich mich zu ihm um und mein Blick schweifte sofort zu seiner lässigen Jeanshose, über die er ein schlichtes weißes Hemd trug, wodurch seine gebräunte Haut wunderbar zur Geltung kam. Die kurzen dunklen Haare hatte er mit ein wenig Gel nach oben gestylt, was mich unweigerlich dazu animierte sie zu berühren. Ich war die einzige, die dies durfte und das zeigte mir noch einmal deutlich, dass ich nur ihm gehörte. Mein Jacob.
Er lächelte mich verschmitzt an und führte mich zur Haustür, hinaus in die kalte dunkle Nacht. Als wir im Auto saßen und er den Motor startete, stellte er mir auf einmal eine ganz unverhoffte Frage: „Wie waren eigentlich deine letzten Schultage? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten mit den neuen Schülern?“
Ich musste schlucken. Sollte ich ihm von dem merkwürdigen Verhalten der beiden erzählen? Schließlich entschied ich mich dafür, Edward und Alice zwar zu erwähnen, jedoch nicht weiter ins Detail zu gehen. Die Situation war schon merkwürdig genug, sodass ich erst einmal selbst damit klarkommen musste.
„Sie sind ganz in Ordnung, denke ich. Wir hatten noch nicht wirklich die Gelegenheit uns kennenzulernen.“
„Na ja, immerhin weisen sie keine Verhaltensauffälligkeiten auf. Ich hab dir doch gesagt, dass du gut mit Teenager auskommst, selbst, wenn sie aus Alaska stammen.“ Jacob zwinkerte mir zu und widmete sich dann wieder der Autofahrt.
„Hm... ja, wahrscheinlich hast du recht“, gab ich kleinlaut zu.
„Ich kenne dich halt schon eine ganze Weile, Bella. Ein paar aufmunternde Worte reichen bei dir schon aus.“
„Und wie war es auf deiner Arbeit so? Irgendwas Spannendes auf dem Polizeirevier passiert?“, versuchte ich schließlich das Thema zu wechseln.
„Das Übliche halt, wobei... Dein Vater und ich haben ein paar interessante Funde gemacht.“
„Tatsächlich?“
„Außerhalb von Forks gab es ein paar Blutspuren. Auch wenn diese Gegend nicht zu unserem Gebiet gehört, sind wir den Spuren eine Weile gefolgt. Wir haben schon mit dem Schlimmsten gerechnet, allerdings hat sich die Blutspur irgendwann verloren.“
„Es gab keine Leiche oder so etwas?“, fragte ich verblüfft nach, woraufhin Jake mit dem Kopf schüttelte.
„Nichts! Irgendwann sind wir dann zurück zum Revier gefahren und haben die zuständigen Polizisten aus der Umgebung benachrichtigt. Die werden das Ganze jetzt noch einmal genauer überprüfen.
„Ist ja merkwürdig. Kann es denn nicht auch von einem Tier stammen?“
„Nein, es war eindeutig Menschenblut.“ Jacobs Miene wurde ernst, was nur dann vorkam, wenn er sich wirklich Sorgen um etwas machte. „Wir gehen davon aus, dass irgendjemand die Leiche weggeschafft hat. Es muss sich jedoch um eine Person handeln, dessen Abwesenheit noch niemand bemerkt hat, denn in letzter Zeit wurden keine vermissten Anzeigen aufgegeben.“
„Und wenn es sich einfach nur um einen Verletzten handelt?“, hakte ich vorsichtig nach, während Jake weiterhin mit ernster Miene auf die Fahrbahn starrte.
„Das ist unmöglich, weil niemand diesen starken Blutverlust überleben könnte. Es sah förmlich so aus, als habe jemand die Leiche durch den Wald gezogen, bis zu einem bestimmten Ort, an dem sie plötzlich verschwindet.“
„Das klingt gruselig.“
Er nickte zustimmend. „Ja, das ist es auch.“
Für den Rest der Autofahrt verfielen wir beide ins Schweigen. Meine Gedanken drifteten wieder zu Edward, aber nur, weil mir meine Sorgen auf einmal völlig unsinnig vorkamen. Da draußen gab es so viel schrecklichere Dinge, während ich mich um einen außergewöhnlichen Schüler scherte. Das war unvernünftig und dumm von mir.
„Wir sind da“, durchbrach Jacob nach einer Weile die Stille und erst jetzt bemerkte ich, dass wir bereits auf einem Parkplatz – ganz in der Nähe des Lokals – standen.
Gentlemanlike wie er war, stieg er aus seinem Wagen, kam einmal um das Auto herum und öffnete mir die Beifahrertür.
„Wenn ich Bitten darf, Ma'm.“
„Jake!“ Gespielt empört stieß ich ihm gegen die Schulter, was er mit einem leisen „Aua“ quittierte.
„Wenn ich dich schon mal ausführe, dann doch auch richtig, oder nicht?“
„Na ja, ich stehe nicht so auf diese übertriebenen Höflichkeiten.“
„Früher wolltest du immer einen Märchenprinz haben, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern.“ Er begann zu grinsen – das breite Jacob Lächeln, was ich so sehr liebte.
„Ja, aber dann habe ich mich für dich entschieden.“
„Was soll das denn heißen?“
„Dass du mein ganz persönlicher Märchenprinz bist“, antwortete ich lächelnd und sofort zog er mich in seine Arme, wirbelte mich einmal herum und drückte mir dann einen sanften Kuss auf die Lippen. „Und du bist meine Prinzessin!“
Als wir das Lokal betraten war es ziemlich voll, sodass wir uns erst einmal einen Platz in der hintersten Ecke ergattern mussten. Dort saßen nicht so viele Leute wie vorne, was mir ganz recht kam, denn dieser Abend sollte nur mir und meinem Mann gehören. Wir studierten einige Minuten lang die Karten, als auch schon ein Kellner erschien und uns nach der Bestellung fragte.
„Für mich bitte eine Cola und das Gericht des Hauses.“
„Und für Sie, Ma'm?“, fragte der Kellner mich und bei dem Wort Ma'm zog sich mein Magen zusammen. Ich hasste es, wenn man mich so förmlich ansprach, weil ich mir dann unglaublich alt vorkam. Schlicht und einfach Bella
, das gefiel mir immer noch am meisten.
„Ähm... ich schaue noch, aber ein Glas Wasser können Sie mir schon mal bringen.“
„Selbstverständlich.“ Der Kellner notierte sich unsere Bestellung und verschwand mit einem Lächeln zurück an die Bar. Es war komisch, denn obwohl ich hier schon des Öfteren gespeist hatte, war mir dieser Mann noch nie aufgefallen.
Wahrscheinlich ist er neu hier
, dachte ich, während ich weiterhin eingehend die Speisekarte studierte.
„Du nimmst doch ohnehin das Übliche.“
„Diesmal nicht“, versuchte ich Jacob zu überzeugen, aber er schien mir nicht zu glauben. In all den Jahren gab es für mir nur ein Gericht, was mich überzeugte und das war die schlichte normale Pizza! Doch heute wollte ich meine Gewohnheit brechen und etwas völlig anderes zu mir nehmen.
„Wenn du so weiter guckst, werde ich mit dem Essen noch vor deiner Lieferung fertig sein.“
„Ich brauche nicht mehr lange“, schnaubte ich gespielt beleidigt und steckte meinen Kopf noch tiefer in die Speisekarte. Jedoch erreichte mich immer wieder das Wort Pizza, was mich unweigerlich aufstöhnen ließ. „Okay, ich gebe auf. Ich nehme...“ wollte ich noch sagen, als mein Blick plötzlich an der Eingangstür haften blieb, weil mich eine ganz bestimmte Person in seinen Bann zog. Blass, gutaussehend und unverwechselbar stand er mit noch einem seiner Art dort – Edward Cullen!
Ich begann nervös zu husten, um meine aufkeimende Nervosität zu unterdrücken. Jacob schien darauf hereinzufallen. „Was ist los, Bella Schatz?“
„Nur-ein-kleiner-Hustenanfall“, versuchte ich so wahrheitsgemäß wie nur möglich rüberzubringen. Wenn es drauf ankam, schien ich eine ganz gute Schauspielerin abzugeben. Ich wollte unbedingt verhindern, dass Jacob ihn entdeckte und vermutlich noch herausbekam, um wen es sich handelte.
Er würde ihn nicht ausstehen können
, das wusste ich.
Die meisten Männer reagierte auf so eine geballte Schönheit ihres eigenen Geschlechts ziemlich eifersüchtig und Jacob gehörte zu diese Art von Männern. Auch wenn Edward viel jünger war und eigentlich keine Konkurrenz für ihn darstellte, mit seinem reifen Auftreten konnte man ihn auch glatt älter schätzen.
Er war nicht wie die anderen Schüler in seinem Alter!
„Geht's wieder?“, frage Jake und erst jetzt bemerkte ich, dass ich aufgehört hatte zu husten.
„Ähm, ja.“ Ich nahm das Glas Wasser zur Hand, welches der Kellner mir soeben überreichte und trank es mit einem Schluck leer.
„Pass auf, dass du dich nicht wieder verschluckst.“
„Es geht schon“, murmelte ich, während mein Blick wieder vorsichtig zu Edward und seinem Kumpel – oder vielleicht handelte es sich auch um seinen Bruder, denn von der Hautfarbe sah er ihn ziemlich ähnlich – wanderte. Die beiden hatten sich zu dem Billardtisch, der sich mitten im Raum befand, begeben und schienen nun gegeneinander zu spielen.
Eine Weile sah ich ihnen dabei zu, ehe Jacob sich wieder zu Wort meldete.
„Und... nimmst du jetzt die Pizza?“
„Ja, ich denke schon.“
„Dann werde ich mal den Kellner rufen“, sprach er, doch ehe es dazu kam, begann auf einmal sein Handy zu vibrieren. Es war komisch, denn irgendwie freute ich mich darüber. Sofort wanderten meine Augen wieder zu Edward, der mich diesmal zu bemerken schien. Sein eisiger Blick traf auf meinen und instinktiv ließ ich mich noch weiter in meinen Stuhl sinken. Hatte er etwa Angst, dass ich ihn in der Schule verriet? Wollte er mich mit diesem Blick zum Schweigen bringen?
Ich wusste es nicht, aber eines war ich mir vollkommen sicher: Seine Abwesenheit hatte einen anderen Grund und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen,lag es tatsächlich einzig und allein an mir!
Edward
Wir waren auf dem Weg zu einem bekannten Lokal in Forks, zu dem mich Emmett gegen meinen Willen schleifte. Er wollte den Abend mit mir unbedingt unter Menschen verbringen, nur, damit mir dadurch klar wurde, dass ich meinen Durst unter Kontrolle hatte. Natürlich würde sein Plan aufgehen, denn bisher hatte ich mich immer und überall beherrschen können, jedoch vergaß er, dass es sich bei Bella
nicht um einen gewöhnlichen Menschen handelte – jedenfalls nicht für mich!
„Alles klar, Kumpel?“, fragte er mich schließlich und klopfte mir mit seinem muskulösen Arm auf die Schulter.
„Tz“, brachte ich nur genervt hervor und versteckte meine Hände in die Hosentaschen. Das tat ich immer, wenn ich beleidigt war.
„Ach komm schon, das wird toll.“
„Ja klar, wir widerstehen unseren Durst und schauen uns einfach nur ein paar heiße Mädchen an“, zischte ich.
„Na ja, ich hab ja schon eine Freundin, aber du kannst natürlich ein paar Blicke riskieren. Du sollst ja nur begreifen, dass du nicht gleich jedes Mädchen töten wirst.“
„Werde ich auch nicht!“
„Na, siehst du.“
„Bei Bella ist das aber etwas anderes“, gab ich kleinlaut zu.
„Sie ist einfach nur eine attraktive Lehrerin, das kann selbst uns Vampire schon mal aus dem Konzept bringen“, bestätigte Emmett, doch ich konnte seiner Theorie nichts abgewinnen. Bella
war nicht irgendeine schöne Frau, sondern etwas ganz Besonderes
. Ich spürte es, wollte dieses Gefühl jedoch mit aller Macht unterdrücken, deshalb antwortete ich einfach nur: „Wahrscheinlich hast du recht.“
„Siehst du! Und jetzt genießen wir den Abend.“
Wir betraten das überfüllte Lokal, was nach Zigarettenrauch und Alkohol stank. Vor meiner Zeit als Vampir hatte ich ein paar Mal heimlich geraucht und Bier zu mir genommen, doch heute konnte ich nicht mehr begreifen, was an diesem Zeug so toll sein sollte. Blut war das einzige, was mich befriedigte.
„Komm mit!“ Emmett zog mich zu einem leeren Billardtisch, den wir wahrscheinlich für den Rest des Abends in Anspruch nehmen würden. Als Vampir widmete man sich den Dingen viel länger, schließlich hatte man für alles unendlich viel Zeit.
„Fängst du an oder soll ich an...“, wollte Emmett mich gerade fragen, als er inne hielt und in dieselbe Richtung wie ich starrte. Dort – an einem der hinteren Tische – saß Bella
und ihr Blick traf im selben Moment auf meinen. Eine Weile starrten wir uns an, ehe sie tiefer in ihren Stuhl sank und beschämend zu ihrem Partner sah.
„Alles in Ordnung, Edward?“ Emmett war so schnell wie möglich an meine Seite geflitzt. „Oder sollen wir besser gehen?“
„Nein, ich... schaff das schon“, sprach ich in monotoner Stimmlage und versuchte mich wieder auf das bevorstehende Billardspiel zu konzentrieren. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, die Anwesenheit von Bella
– meiner Lehrerin – machte mich schier verrückt und so konnte ich nicht anders, als ihr immer wieder verstohlene Blicke zu zuwerfen.
Kapitel 5
Bella
Es war schier unmöglich nicht in Edwards Richtung zu schauen, denn egal wie oft ich mich dagegen wehrte, meine Augen wanderte immer wieder zu ihm herüber. In lässiger Haltung stand er dort, schwang gelegentlich den Billardschläger und warf mir heimlich verstohlene Blicke zu. Mittlerweile hatte ich das Gefühl, dass seine Wut ein wenig verblasst war, denn sein Gesichtsausdruck wirkte längst nicht so ernst wie vor ein paar Minuten. Doch im Gegensatz zu seiner Begleitung, schien er sich nicht vollends auf das Spiel zu konzentrieren. Ob das an mir lag?
Schnell wand ich meinen Blick von ihm ab und sah wieder zu Jacob, der noch immer angeregt telefonierte. So wie ich heraushören konnte, handelte es sich um meinen Vater, der irgendeinen neuen Fund gemacht hatte. Die Arbeit ließ ihn nie los, selbst am späten Abend nicht und ich hatte das Gefühl, dass es Jacob ähnlich ging. Die Blutspur im Wald schien alle Polizisten in Aufruhr versetzt zu haben, denn wie ich mit bekam, wurde das Ganze immer mysteriöser.
„Nein, nein, das ist kein Problem. Okay, dann bin ich gleich bei dir“, sprach Jake aufgeregt und beendete das Telefongespräch. Ich wusste, was jetzt kam und wenn ich ehrlich war, hatte ich schon die ganze Zeit damit gerechnet. Wir waren nur sehr selten ungestört und in den meisten Fällen – so wie heute – endete der Tag nicht so wie wir uns das erhofft hatten. Natürlich gab es noch genug Abende, die wir zusammen verbringen würden, aber dennoch konnte ich meine Enttäuschung nicht ganz verbergen.
„Du musst aufs Polizeirevier, hab ich recht?“
„Bella, ich... es tut mir leid. Dein Vater hat gerade angerufen. Es gibt Neuigkeiten wegen der Blutspur im Wald, von der ich dir vorhin erzählt habe. Es ist sehr wichtig.“ Jacob nahm meine Hand in seine und drückte sie ganz sanft. So gern ich jetzt in seine warmen braunen Augen geschaut hätte, ich konnte es nicht! Stattdessen wanderte mein Blick wieder unauffällig zu Edward, der wie ein Stein gemeißelt da stand und in meine Richtung starrte. Nervös biss ich auf meine Unterlippe.
„Ist schon in Ordnung. Du kannst ja nichts dafür und außerdem wird das ja nicht unser letzter Abend sein.“
„Ja, genau das habe ich auch gedacht. Wir holen das auf jeden Fall nach.“
„Klar“, brachte ich gequält hervor und zwang mich zu einem verständnisvollen Lächeln, woran ich jedoch kläglich scheiterte.
„Bitte sei mir nicht böse, Bella Schatz, aber es ist wirklich sehr wichtig.“
Ist es das nicht immer?
„Wenn du möchtest, kannst du noch hier bleiben und mein Essen zu dir nehmen. Du wolltest ja sowieso mal eine andere Mahlzeit ausprobieren und für die Rückfahrt lass ich dir einen Taxi zukommen.“
„Ich weiß nicht“, gestand ich kleinlaut. Auf der einen Seite war dieses Angebot sehr verlockend, denn ich hätte Edward gerne noch eine Weile beim Billardspielen beobachtet, auf der anderen Seite wollte ich hier aber auch nicht ganz alleine sitzen bleiben.
„Bitte! Ich bestehe darauf! Du weißt genau, dass ich es nicht mag, wenn du mit leeren Magen ins Bett gehst. Das ist nicht gut für dich. Du bist so zerbrechlich.“ Liebevoll strich Jacob über meine Handfläche, wodurch ich nur noch nervöser wurde. Da ich jedoch auch nicht wollte, dass er sich Sorgen machte, willigte ich schließlich ein.
„Na schön, aber du wirst nicht so einfach davon kommen.“
„Wir werden das hier nachholen, versprochen!“
„Das mein ich nicht.“
„Sondern?“ Jacob musterte mich mit seinen warmen braunen Augen.
„Ach... schon gut.“
„Du wolltest doch irgendetwas sagen.“
„Egal, ich hab's schon wieder vergessen“, sprach ich und machte eine abwinkende Handbewegung.
„Das glaub ich dir nicht.“
„Jake, du solltest jetzt gehen.“
„Ja, aber wir klären das noch“, versicherte er mir, drückte seine sanften Lippen viel zu kurz auf meine und verschwand dann mit einem letzten Grinsen aus dem Lokal. Etwas betrübt sah ich ihm hinterher, ehe auch schon die Bedienung kam und mir Jacobs Bestellung brachte.
Nachdem ich das Essen mehr oder weniger in mich hineingezwängt hatte – die Pizza schmeckte eindeutig am besten – war ich aufgestanden und zur Bar gelaufen, um dort die Bestellung zu bezahlen. Der Kellner von vorhin nahm sofort mein Geld entgegen und schenkte mir dabei ein süffisantes Lächeln. Augenblicklich wurde mir wieder schlecht und ich hätte am liebsten das Essen ausgekotzt. Ich fragte mich, wie Jacob so etwas widerliches zu sich nehmen konnte.
„Na, schöne Frau, so ganz alleine hier?“, ertönte plötzlich eine rauchige Stimme neben mir und ein alter faltiger Mann setzte sich zu mir an den Tresen.
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, antwortete ich so selbstsicher wie möglich, auch wenn ich in solchen Situationen oftmals wie ein unbeholfener Teenager herüberkam.
„Darf ich die hübsche Dame vielleicht auf einen Drink einladen?!“ Doch es handelte sich nicht um eine Bitte, sondern eher um einen Befehl.
„Ich wollte jetzt eigentlich gehen.“
„Kommen Sie, für einen Drink hat man doch immer Zeit.“
„Ich nicht“, versuchte ich nun mit ernster Stimme zu sagen, doch stattdessen hörte es sich an, als würde ich jeden Moment losheulen. Genau vor so einer Situation hatte ich mich die Ganze Zeit über gefürchtet. Mein Blick wanderte schnell wieder zu Edward, der uns mit hasserfüllter Miene beobachtete.
„Jetzt zieren sie sich nicht so.“ Der alte Mann berührte mit seinen schrumpeligen Fingern mein Handgelenk und instinktiv zog ich meinen Arm zurück.
„Lassen Sie die Frau sofort los!“ Noch ehe ich realisieren konnte, was geschah, stand Edward auf einmal zwischen uns und umklammerte die knochige Hand des alten Mannes. „Sie sollten jetzt besser verschwinden.“
„Wer sind Sie, dass Sie so mit mir reden?“
„Wenn Sie nicht gleich abhauen, werden Sie das noch früh genug herausbekommen.“ Noch immer stand Edward wie ein Schutzschild neben uns, sodass ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, aber ich war mir ganz sicher, dass er ziemlich wütend aussehen musste. Ich dachte, er mag mich nicht.
„Edward, lass ihn gehen!“ Jetzt war sein stämmiger Kumpel – oder Bruder – erschienen und versuchte ihn zu beruhigen. „Du solltest es nicht übertreiben!“
Ganz langsam ließ er den alten Mann los und nachdem dieser verschwunden war, ging es ihm wieder besser.
„Wir sollten gehen.“
„Nein! Ich bin Bella noch ein paar Erklärungen schuldig.“ Woher wusste er meinen Vornamen? Mir stockte der Atem.
„Du hast ihr geholfen, das hätte jeder in deiner Situation getan. Was gibt es da noch zu besprechen?“ Sie sprachen über mich, als wäre ich nicht anwesend. Das irritierte mich und deshalb bestellte ich mir noch einen Drink.
„Emmett, bitte“, flehte Edward ihn an.
„Na schön, ich bin draußen, wenn du mich suchst.“ Er klopfte ihm noch einmal aufmunternd auf die Schulter, ehe er aus dem Lokal verschwand und uns alleine ließ.
„Wie konntest du so schnell an meiner Seite sein?“, war das erste, was ich herausbrachte.
„Du brauchtest Hilfe.“
„Aber du standest vor ein paar Sekunden noch am Billardtisch“, entgegnete ich verwirrt, während ich nun das Getränk entgegennahm.
„Du solltest nicht so viel von dem Zeug trinken, das kann einem Menschen nämlich echt die Sinne vernebeln.“
„Woher willst du das wissen? Du darfst dieses Zeug überhaupt noch nicht zu dir nehmen und außerdem ist das mein erstes alkoholische Getränk heute Abend.“ Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er ja immer noch mein Schüler war und wir uns gerade auf einer Ebene unterhielten, die nicht richtig war.
„Warum warst du heute nicht in der Schule?“, versuchte ich also das Thema zu wechseln.
Edward rümpfte seine Nase, starrte unentwegt auf den Tresen und sagte schließlich:
„Mir ging es heute Morgen nicht so gut.“
„Dafür siehst du jetzt aber außerordentlich fit aus.“
„Das täuscht.“
„Ach ja?“ Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn fragend. Ich hasste es, wenn man mir in einem Gespräch nicht in die Augen sah.
„Bella...“ Schon wieder benutzte er meinen Vornamen.
„Für dich immer noch Mrs. Black! Woher weißt du überhaupt meinen Vornamen?“
„Alyssa hat ihn mir verraten. Von den Schülern wirst du doch ohnehin ständig geduzt. Ist es nicht so?“ Er hatte endlich seinen Kopf gehoben. Sein Blick bohrte sich in meinen. Die karamellfarbenen Augen schienen mich fast auszuziehen.
„Ähm... das tut nichts zur Sache. Ich bin deine Lehrerin und ich verdiene deinen Respekt.“ Das klang selbst für meine Verhältnisse etwas zu hochgestochen und ich wusste, dass ich so rot wie eine Tomate geworden war.
„Es ist komisch, weil Sie gar nicht wie eine Autoritätsperson wirken“, murmelte er schließlich und mir war nicht entgangen, dass er mich nun endlich siezte. Doch irgendwie wurde unser Gespräch dadurch immer steifer. Die Tatsache, dass ich mich gerade – spät abends in irgendeinem Lokal – mit einem meiner Schüler unterhielt, machte mich schier verrückt. Das durfte einfach nicht sein!
Edward
„Es ist schon spät und wir sollten jetzt beide nach Hause gehen und schlafen“, versuchte Bella plötzlich unsere Unterhaltung zu beenden. „Also ich meine jeder bei sich zu Hause“, fügte sie beschämend hinzu.
Augenblicklich musste ich lachen. Ihre Art und Weise faszinierte mich immer mehr, besonders, weil sie überhaupt nicht wie eine typische Lehrerin wirkte. Wenn man ihre Kleidung nicht beachtete, hätte sie glatt noch als Teenager durchgehen können. Die rosigen Wangen, die strahlenden schokobraunen Augen, das alles sah viel zu jugendhaft für eine reife Frau, die mitten im Leben stand, aus.
„Was gibt es da zu lachen?“
„Ich mag es, wenn Sie verlegen sind“, antwortete ich wahrheitsgemäß und diesmal hielt ich meinen Blick stand. Zwar konnte ich noch immer das Blut in ihren Adern pulsieren hören, ihren köstlichen Duft riechen, aber das alles war Nebensache geworden. Wie hatte ich je denken können, dass ich so einer wunderbaren Frau etwas antun würde? Niemals werde ich dir wehtun.
„Edward, bitte. Wir sollten nicht über so etwas reden.“
„Hat Ihnen etwa noch nie ein Schüler Komplimente gemacht?“
„Früher vielleicht, als ich selbst noch auf die High School ging“, sagte sie schließlich.
„Sind Sie auf dieselbe Schule gegangen, an der sie heute unterrichten?“ Sie nickte und nahm den letzten Schluck von ihrem Drink zu sich. Der Gestank von Alkohol stieg mir in die Nase.
„Ich sollte jetzt wirklich besser gehen und du auch.“
„Sie mögen mich nicht sonderlich, kann das sein?“
„Genau dasselbe habe ich von dir gedacht.“
„Warum?“ Auch wenn die Frage völlig unnötig war – weil ich ja genau wusste, welche Blicke ich Bella am Anfang zu geworfen hatte – stellte ich sie dennoch.
„Na ja, du sahst nicht gerade begeistert aus.“
„Sagen wir es mal so: Ich musste mich erst einmal an die neue Schule gewöhnen“, log ich.
„Verstehe. Kommst du denn morgen wieder zum Unterricht?“
„Ich denke schon.“
„Also ist das ein Ja?“
Ich nickte und für einen ganz kurzen Augenblick nahm ich ein Funkeln in Bellas Augen wahr. Auch wenn sie es vielleicht nicht zugab, sie schien sich darüber zu freuen.
„Und zu deiner Frage: Nein, ich mag dich nicht sonderlich, aber wir müssen ja auch keine Freunde werden.“
Dann drückte sie dem Kellner das Geld in die Hand, stand auf und verabschiedete sich mit den Worten „Bis morgen“ bei mir.
Kapitel 6
Bella
Am nächsten Schultag fühlte ich mich ziemlich unwohl, denn noch immer musste ich an das gestrige Gespräche mit Edward denken. Er war mein Schüler und trotzdem hatten wir uns auf einer Ebene unterhalten, die weder für ihn, noch für mich gut gewesen war. Eigentlich hätte ich mich gar nicht darauf einlassen dürfen, doch es gab so viele Dinge, denen ich mich nicht widersetzen konnte. Ich war nicht wie andere Lehrer – so wie Mike Newton, der streng und beherrscht den Unterricht führte. Viele meiner damaligen Klassenkameraden hatten mich eher in der Bürobranche gesehen, aber nach meinem Abschluss stand für mich fest, dass ich Lehrerin werden wollte. Vielleicht auch, um diesen Leuten zu beweisen, was in mir steckte.
Doch jetzt gerade hatte ich das Gefühl, alles würde den Bach herunter gehen.
Nur wegen eines privaten Gespräches mit Edward.
Mein Blick schweifte durch die Klasse. Die meisten Schüler saßen schon auf ihren Plätze, nur von Edward und Alice fehlte jegliche Spur.
So viel zu deinem Versprechen
, dachte ich, knallte wütend meine Unterlagen auf das Pult und begann darin herumzuwühlen.
Ob irgendjemand bemerkte, dass etwas nicht stimmte?
Meistens war ich ziemlich leicht zu durchschauen – noch eine weitere Eigenschaft, die ich an mir hasste.
Nachdem ich 10 Minuten lang die Zeit mit Kramen verbracht hatte und die beiden neuen Schüler immer noch nicht aufgetaucht waren, entschied ich mich schließlich dazu, mit dem Unterricht zu beginnen.
„Unser heutiges Thema ist...“ Ich nahm eine weiße Kreide zur Hand und begab mich zur Tafel, als plötzlich die Tür aufflog und alle Aufmerksamkeit zum Eingang gelenkt wurde. Alice und Edward kamen in geschmeidigen – fast schon anmutigen – Bewegungen ins Klassenzimmer gelaufen und entschuldigten sich mit betont höflichen Worten für ihre Verspätung.
Augenblicklich begann ich innerlich zu kochen. Obwohl die beiden offensichtlich einen Fehler gemacht hatten, konnte ich ihnen nicht böse sein. Die Art und Weise wie sie sprachen, besänftigte mich und es blieb nur noch die Wut auf mich selbst, weil ich sie nicht zur Rechenschaft gezogen hatte.
Doch ehe ich gewöhnlich mit dem Unterricht fortfahren konnte, ertönte auf einmal Alyssas piepsige Stimme aus den hinteren Reihen.
„Ja?“ Ich drehte mich zu ihr um und sah, dass die Blicke der anderen Schüler ebenfalls auf mir ruhten. Es war ein unangenehmes Gefühl, denn sie wirkten alle ein wenig genervt.
„Wollen Sie Edward und Alice nicht für ihre Verspätung bestrafen? Schließlich haben die beiden gegen die Schulordnung verstoßen.“
„Ähm... ich.“
„Oder haben die neuen Schüler etwa Narrenfreiheit?“ Alyssas gespielte Engelsstimme brachte mich zur Weißglut. Ich mochte sie nicht sonderlich, denn sie war einer dieser Schüler, die sich für etwas Besseres hielten. Wahrscheinlich konnte sie es nur nicht verkraften, dass ihr endlich mal jemand die Show stahl. Alice sah um Längen besser aus, aber vor allem wirkte sie wesentlich reifer als diese Möchtegern-Göre.
„Natürlich nicht.“ Ich hielt inne, räusperte mich verlegen und fuhr dann fort. „Edward, Alice? Ihr werdet nach der Schule hier bleiben und nachsitzen. Das gilt natürlich auch für alle anderen, die in Zukunft zu spät kommen werden. Niemand wird hier bevorzugt oder benachteiligt.“
Alyssas rosafarbene Lippen formten sich zu einem gehässigen Grinsen, was ich jedoch unkommentiert ließ. Stattdessen wand ich mich wieder der Tafel zu und versuchte die Blicke der anderen Schüler zu ignorieren. Doch Edwards Anwesenheit konnte ich nicht ausblenden. Noch immer musste ich an unser Gespräch denken, das mir einfach nicht mehr aus dem Kopf zu gehen schien.
Edward
„Ich hab dir doch gesagt, das schaffen wir nicht mehr... Aber nein, du musstest ja unbedingt auf Nummer sicher gehen.“
„Sie wird uns schon nicht den Kopf abreißen und ich werde es Dank dieses Notfallplans auch nicht tun“, sprach ich beherrscht, während Alice sofort zurück donnerte.
„Mag sein, aber glaubst du nicht, dass du ein wenig übertreibst? Ihr seit euch gestern in diesem Lokal begegnet und da hast du sie schließlich auch nicht angefallen.“
„Das kann auch nur Glückssache gewesen sein. Sicher ist sicher!“
„Tz... du übertreibst trotzdem“, schnaubte Alice verächtlich, was ich irgendwie auch verstehen konnte. Heute morgen – vor Schulbeginn – wollte ich unbedingt noch kurz in den Wald jagen gehen und damit ich nicht alleine gehen musste, hatte meine Schwester mich widerwillig begleitet. Doch war das nicht die richtige Entscheidung?
Immerhin konnte keiner mit Garantie sagen, dass ich Bellas Blut auf Dauer widerstand. Zwar bestand – laut Alice Zukunftsvisionen – keine Gefahr, aber darauf wollte ich mich lieber nicht verlassen. Nichts war sicher – weder meine, noch die Gabe meiner Schwester. Die Dinge änderten sich viel zu schnell und mit ihr die Zukunft. Bellas Gedanken blieben mir verwehrt. Jeder besaß eine Schwachstelle!
Als wir die Cafeteria betraten und zu unserem Stammplatz gingen, musste ich plötzlich an Jasper denken. Ob das der Grund war, warum Alice sich in letzter Zeit so überempfindlich verhielt?
„Na, ihr beiden. Wie war euer Unterricht? Hat Bella schon angebissen?“, fragte Emmett belustigt und ich wusste, dass diese Bemerkung einzig und allein mir galt. Rosalie boxte ihm leicht gegen die Rippen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, mich weiterhin mit Fragen zu löchern.
„Ihr hättet ihn gestern mal sehen sollen. Er hat die kleine Bella von einem alten widerlichen Mann gerettet. Das war richtig heldenhaft, Kumpel.“
„Emmett, bitte“, fuhr Alice dazwischen, weil sie wahrscheinlich meinen wütenden Blick bemerkt hatte. Doch es ging hier nicht um meinen Bruder. Ich war seine Späße gewohnt und mittlerweile konnte ich ganz gut damit umgehen.
Nein, es ging um etwas ganz anderes!
„Vermisst du ihn manchmal?“, sprach ich meine Gedanken schließlich laut aus. Alle starrten mich daraufhin entsetzt an. Sie wussten genau, wen ich damit meinte.
Doch am schlimmsten war Alice' entsetzlicher Gesichtsausdruck. Es sah aus, als befinde sie sich in Trance – als hätte sie wieder einer ihrer Visionen. Doch ich kannte sie besser. Die Tatsache, dass ich zum ersten Mal wieder ihren Jasper erwähnte, schockierte sie.
„Edward!“ Rosalies wütender Blick traf auf meinen.
„Es ist schon in Ordnung, Rose. Ich...“ Alice brach ab und ich war mich sicher, wenn sie noch ein Mensch gewesen wäre, hätte sie jetzt geweint. Aber Vampire konnten keine wirklichen Emotionen zeigen und so saß sie für den Rest der Pause einfach nur da und starrte ins Leere.
Bella
Zum Ende des Unterrichts erschien Edward tatsächlich zum Nachsitzen, jedoch ohne seine Schwester, was mich ein wenig verwirrte. Ich hatte Alice bisher als sehr zuverlässig eingeschätzt, doch das Leben zeigte einem oft genug, dass man sich in jedem Menschen täuschen konnte.
„Hallo“, sagte ich schließlich, „freut mich, dass du gekommen bist.“
„Na ja, was bleibt mir anderes übrig?“ Edward zuckte die Achseln und setzte sich an den Tisch vor dem Pult. Sein Blick traf auf meinen und schon wieder hatte ich das Gefühl, in seinen karamellfarbenen Augen zu versinken.
„Ähm... wo ist deine Schwester“, versuchte ich so beiläufig wie möglich zu fragen, denn ich wollte ihm keinesfalls einen Vorwurf machen. Dass er tatsächlich erschienen war – sogar ohne Alice – rechnete ich ihm hoch an.
„Ihr ging es nicht gut, deshalb ist sie frühzeitig nach Hause gegangen.“ Und das sollte ich ihm jetzt abkaufen? Ich glaubte ihm kein Wort!
„Kann es denn auch sein, dass sie einfach keine Lust auf die Strafarbeit hatte?“
„Bella...“ Schon wieder nannte er mich bei meinem Vornamen, was mich augenblicklich zusammenzucken ließ. „Ihr ging es wirklich schlecht.“
Er sah mich mit diesem Blick an, mit dem er wahrscheinlich schon tausende Mädchenherzen erobert hatte. Doch halt! Stopp! Ich war kein Mädchen, sondern eine reife erwachsene Frau, die sich bestimmt nicht von einem 17 Jährigen Schüler einlullen ließ. Sofort versuchte ich wieder meine strenge Haltung einzunehmen, woran ich jedoch kläglich scheiterte. Es war zum verrückt werden.
„Glauben Sie mir das etwa nicht?“
„Ich weiß es nicht“, gab ich kleinlaut zu.
„Ich habe Sie gestern vor diesem alten Mann gerettet, ist das kein Vertrauensbeweis?“
„Edward, können wir dieses Thema bitte lassen?! Wir sind hier in der Schule und meine Aufgabe ist es einfach nur, dich beim Nachsitzen zu kontrollieren, alles andere tut nichts zur Sache.“
„Und meine Schwester?“, fragte er zögerlich nach.
„Die wird die Konsequenzen für ihr Fehlen tragen müssen.“
„Na schön. Wo sind die Aufgaben?“ Plötzlich hatte sich seine Miene drastisch verändert. Jetzt wirkte er wieder wie eine Statue. Keine Mimik, keine Gestik, noch nicht einmal ein kleines Fältchen in seinem Gesicht. Ich musste schlucken.
„Hier sind die Aufgaben. Was du in dieser Stunde nicht schaffst, musst du zu Hause beenden“, sprach ich und reichte ihm die Unterlagen. Dann setzte ich mich ans Pult und widmete mich dem Korrigieren einiger Tests. Doch sich in Edwards Nähe zu konzentrieren, war schier unmöglich für mich. Immer wieder wanderte mein Blick zu seinem Tisch, seiner Hand, in der er den Füller hielt und geschmeidig übers Blatt gleiten ließ. Gegen seine Schrift, war meine die reinste Sauklaue.
„Sie sind ganz schön neugierig“, durchbrach Edward auf einmal die Stille, während er mit dem Füller weiterhin geschwungene Linien zog. Nahm er das Ganze nicht ein bisschen zu ernst? Schließlich war das hier kein Schreibwettbewerb.
„Wie bitte?“, schockiert hielt ich inne.
„Wenn Sie mich die Ganze Zeit beobachten, werden Sie die Tests wohl zu Hause weiter korrigieren müssen.“
Obwohl mich seine Bemerkung rasend machte, versuchte ich die Fassung zu bewahren und antwortete stattdessen: „Tja, das ist es mir Wert. Ich möchte nur sicher gehen, dass du deine Arbeit auch richtig ausführst.“
„Keine Sorge, ich bin gleich fertig.“ Verwirrt starrte ich auf sein Blatt. Das war unmöglich! Die Aufgaben, die ich ihm gegeben hatte, konnte man nicht in einer Stunde fertig bekommen.
„Vergiss nicht die Rückseite“, entgegnete ich schließlich ein wenig gehässig, da ich mir sicher war, dass er diese noch nicht gemacht hatte. Das wäre zumindest die einzig logische Erklärung gewesen.
„Keine Sorge, Mrs. Black.“ In seinem eben noch ausdruckslosem Gesicht erschien ein Lächeln. „Damit bin ich schon vor 20 Minuten fertig geworden.“ Er reichte mir die fertig geschriebenen Blätter und sofort überflog ich seine Antworten. Auf dem ersten Blick schien alles richtig zu sein, was mich ungemein verwirrte. Nervös fuhr ich mit den Fingern die Kanten des Papiers entlang. Das war einfach unmöglich!
Doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich fand keinen Fehler. Alles schien so perfekt geschrieben, dass da selbst ein Lehrer nur schwer mithalten könnte.
„Das ist...“, wollte ich sagen, hielt jedoch inne, weil ich mir – wegen der blöden Fummelei – tatsächlich in den Finger geschnitten hatte. „Autsch!“
Das weiße Papier sog sich mit meinem Blut voll. Und als ich auf meinem roten Finger starrte, wurde mir augenblicklich schwindelig.
„Bella!“ Edwards laute Stimme drang an mein Ohr. Er schien völlig entsetzt zu sein, hatte sich aber gleichzeitig ein paar Schritte von mir entfernt.
Konnte er etwa auch kein Blut sehen?
„Ich glaube mir ist schlecht“, brachte ich mühsam hervor.
„Ich werde sofort jemanden holen.“
„Aber...“, rief ich mit brüchiger Stimme, doch da war Edward schon aus dem Klassenzimmer gelaufen.
Na toll
, dachte ich und sank erschöpft in meinen Stuhl. Aber wenigstens kenne ich jetzt seine Schwäche
.
Kapitel 7
Bella
Als ich wieder zu mir kam, spürte ich etwas Kühles auf meiner Stirn, doch ich konnte nicht sagen, um was es sich handelte. Viel mehr wollte ich wissen, wo ich mich befand und deshalb versuchte ich nun vorsichtig meine Augen zu öffnen. Zuerst wirkte alles betrübt und verschwommen, so als würde man durch eine Dunstwolke schauen. Doch umso länger ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ, umso mehr konnte ich die Umrisse erkennen. Schließlich wurde mir klar, dass ich mich im Krankenzimmer der Schule befand. Nachdem ich ohnmächtig geworden war, musste mich also jemand hierher gebracht haben. Handelte es sich vielleicht um Edward?
Ich berührte zaghaft meine Stirn und spürte einen kalten Waschlappen, den man mir aufs Gesicht gelegt hatte. Anscheinend schien ich eine ganze Weile bewusstlos gewesen zu sein, was mich jedoch nicht so beunruhigte wie die Tatsache, dass sich irgendjemand aus der Schule um mich gekümmert hatte. Doch dass es sich hierbei um Edward handelte, bezweifelte ich mittlerweile, denn sonst hätte er ja nicht einfach so den Raum verlassen.
„Bella... endlich bist du aufgewacht“, erklang plötzlich eine mir vertraute Stimme und ich sah, wie Mike Newton das Krankenzimmer betrat. Somit hätte sich diese Frage schon mal beantwortet, allerdings fühlte ich mich nun noch schlechter.
„Ich... ähm, werde wohl besser mal gehen“, entgegnete ich, während ich versuchte so schnell wie möglich aus diesem Bett zu kommen.
„Du solltest lieber noch etwas liegen bleiben!“ Mike fing den Waschlappen auf, der soeben von meinem Gesicht gerutscht war und legte ihn wieder auf meine Stirn. „Mit einem Ohnmachtsanfall ist nicht zu Spaßen.“
„Ich habe mir lediglich in den Finger geschnitten, es ist also nichts Lebensbedrohliches“, antwortete ich bissig, während mein Arbeitskollege noch immer außerordentlich ruhig blieb. Solch ein Verhalten war ich von ihm überhaupt nicht mehr gewohnt, denn seitdem ich ihn damals in der High School hab abblitzen lassen, verhielt er sich mir gegenüber wie ein eifersüchtiger Teenager. Egal was ich tat, alles war ihm ein Dorn im Auge und so kam es dazu, dass wir uns in jeder bestmöglichen Gelegenheit stritten. Aus seinem Munde heute zum ersten Mal wieder meinen Vornamen zu hören, war ein komisches, aber gleichzeitig auch schönes Gefühl.
Ich hatte diesen Streit nie gewollt und ich hoffte inständig, dass wir uns darin nun einig waren und diese Albernheiten hinter uns lassen konnten.
„Bitte Bella“, sprach Mike flehentlich und somit sank ich schließlich seufzend zurück ins Bett.
„Aber nur für ein paar Minuten. Die Schule ist schon lange aus und ich müsste eigentlich schon längst zu Hause sein.“
„Na ja, wenn du diesem Cullen noch Strafarbeiten aufbrummst.“
„Er ist zu spät gekommen! Was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen?“, fragte ich barsch, ohne auf die Formalitäten zu achten, mit denen ich ihn sonst ansprach. Warum sollte ich jemanden siezen, wenn er mich auch nicht siezte?
Augenblicklich musste ich an Edward denken. Auf einmal kam mir unser Schüler-Lehrer-Verhältnis noch komischer vor.
„Du hättest zum Beispiel darauf achten können, dass du dir dabei nicht in den Finger schneidest“, sprach Mike Newton belustigt, während ich ihm einen mahnenden Blick zuwarf.
„Erstens weißt du ganz genau, dass mir solche Dinge ständig passieren und zweitens: Ich könnte dich genauso gut fragen, was du so spät noch in der Schule machst?“
„Dich retten, was denn sonst?“, entgegnete er lässig, „Immerhin schien dieser Edward Cullen ja nicht dazu in der Lage gewesen zu sein.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, nachdem er mir Bescheid gesagt hat, dass du in Lebensgefahr
schwebst, hat er sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht.“
„Komisch“, murmelte ich, „wahrscheinlich kann er auch kein Blut sehen."
„Ja, das könnte gut sein. Würde mich bei deinen Schülern zumindest nicht wundern.“
„Was soll das denn schon wieder heißen?“, schrie ich wütend und diesmal konnte er mich nicht vom Aufstehen abhalten.
„Hey, hey, das war doch nur Spaß.“ Mike hob beschwichtigend seine Hände, sodass ich ihm ohne Probleme den Waschlappen ins Gesicht klatschen konnte.
„Und DAS, mein Lieber, war auch nur Spaß!“ Dann verließ ich mit schnellen Schritten das Krankenzimmer.
Edward
Ich saß zu Hause an dem großen Flügel und spielte ein Lied, das ich vor einigen Jahren einmal selbst komponiert hatte. Da ich bisher jedoch noch keinen passenden Titel gefunden hatte, nannten es alle aus meiner Familie „Das Lied ohne Namen“. Zwar gefiel mir dieser Titel nicht besonders, aber immerhin gab es somit eine Bezeichnung dafür.
„Du spielst wieder?“, hörte ich plötzlich Esme mit liebevoller Stimme fragen. Sie setzte sich ohne Umschweife neben mich und beobachtete meine Finger, die wie von selbst über die Tasten flogen.
„Irgendetwas muss ich ja tun.“
„Gibt es denn einen Grund dafür?“ Ich wusste, warum sie mir nun genau diese Frage stellte. Wann immer es mir nämlich schlecht ging oder ich versuchte, meinen Gedanken zu entfliehen, setzte ich mich an das große Klavier und begann zu spielen. Die Melodie lenkte mich ab – beförderte mich in eine Art Trance.
„Ich habe einen großen Fehler gemacht“, gestand ich kleinlaut.
„Redest du von dieser Bella?“
„Für mich heißt sie Mrs. Black.“
„Warum? Weil sie nicht möchte, dass du sie bei ihrem Vornamen nennst?“ Esme durchschaute die Dinge sehr schnell, sodass einem meistens keine andere Wahl blieb als ihr wenigstens einen Teil der Wahrheit zu gestehen.
„Nun ja, sie ist immerhin meine Lehrerin.“
„Ja, das stimmt.“ Sie strich mitfühlend über meinen Rücken, was mich tatsächlich ein wenig zu besänftigen schien.
„Sie hat sich heute in den Finger geschnitten und ich konnte ihr nicht helfen. Stattdessen musste ich diesen Mike Newton holen, weil er der einzige war, der sich in unserer Nähe befand.“ Auch wenn Alice mit Sicherheit schon jedem von diesem Ereignis erzählt hatte, wollte ich es meiner Mutter noch einmal persönlich sagen. Dieses Gefühl, was ich nun empfand, machte mich schier verrückt.
Ich fühlte mich schuldig – wie jemand, der Fahrerflucht begangen hat.
„Edward, dafür kannst du doch nichts. Ich bin mir zwar sicher, dass du in ihrer Nähe nicht die Beherrschung verloren hättest, aber das, was du getan hast, war das Richtige. Wir alle sind stolz auf dich, denn bisher hast du immer vernünftig gehandelt.
„Und wenn das irgendwann nicht mehr funktioniert?“, schrie ich plötzlich, „wenn das Monster in mir durchkommt und ich sie verletze? Es gibt keine Garantie dafür!“
„Wieso hast du denn so große Angst sie zu verletzen?“, fragte Esme noch immer mit ruhiger Stimme. Selbst von meiner lauten Stimmlage ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie war jemand, der einen in fast jeder Situation beruhigen konnte – vermutlich lag auch darin ihre versteckte Gabe. Die liebevollste Mutter der Welt.
„Weil-weil, sie...“ Ich brach ab, denn um ehrlich zu sein konnte ich mir meine Angst selbst nicht erklären.
„Ich glaube einfach, dass sie dir ziemlich viel bedeutet.“
„Das stimmt nicht!“, entgegnete ich scharf, obwohl ich genau wusste, dass sie damit völlig richtig lag. Bella bedeutete mir mehr als ich mir eingestehen wollte!
„Es ist keine Schande, wenn sich einer von uns in einen Menschen verliebt, Edward. Natürlich kommt das recht selten vor, aber es ist nicht unmöglich. Liebe ist grenzenlos.“
Ich musste schlucken. Ihre Worte berührte mich auf eine Art und Weise, die ich in all meinen Menschen- und Vampirjahren noch nie verspürt hatte.
Liebe kann alles verändern.
Bella
Es war das erste Mal – seit dem misslungenen Essen im Lokal – dass Jacob und ich wieder vereint waren. Zwar schien es schon recht spät zu sein, aber das ignorierten wir geflissentlich, denn an diesem Abend spielte die Zeit keine Rolle. Wir beide – vereint – das war das einzige, was zählte. Hier mit ihm zu liegen und einfach nur die Ruhe zu genießen, reichte mir völlig aus. Doch wenn ich mir vorstellte, ohne ihn in diesem viel zu großen Bett zu liegen und über den Tag zu grübeln, machte mich das schier verrückt. Ich brauchte Jake, genau so wie er mich brauchte!
„Heute war ziemlich viel los auf der Wache“, durchbrach er schließlich die Stille und berührte mit seinen Fingern einer meiner Strähnen. Das tat er immer, wenn er mir etwas Wichtiges erzählte oder manchmal auch dann, wenn er mir ein Kompliment zu machen versuchte – eben auf seine Jacob Art.
„Ging es wieder um die Blutspuren?“, fragte ich, während er zu nicken begann.
„An der Grenze von Forks und La Push hat man nun weitere Spuren entdeckt. Es handelt sich aber nicht um dasselbe Blut. Da scheint also jemand wahllos Menschen umzubringen.“
„Wie bitte?“ Ich starrte ihn an, fassungslos über das, was er mir soeben erzählte.
„Genaueres wissen wir leider auch nicht. Der Täter verwischt seine Spuren ziemlich gut. Es ist so, als ob man sich im Kreis bewegt.“
„Jake, ich... möchte nicht, dass dir auch noch etwas passiert“, hauchte ich an sein Ohr gewandt. Zwar wusste ich schon lange, wie gefährlich sein Job war, jedoch hatte ich mir bisher noch nicht solche Sorgen um ihn gemacht wie in diesem Moment.
„Bella Schatz, hab keine Angst.“ Seine Lippen berührten meine Stirn. „Ich werde schon auf mich aufpassen. Irgendjemand muss ja diese Verbrecher fangen, ansonsten haben wir demnächst nur noch Tote in dieser Stadt!“
Ich musste schlucken. „Und Charlie?“
„Dein Vater ist genauso vorsichtig wie ich. Schau doch mal, wie lange er schon bei der Polizei ist.“
„Ja, aber bisher gab es auch noch nie solche komischen Fälle. Meistens ging es nur um harmlose Dinge.“
„Jeder erlebt in seinem Beruf mal etwas Schlimmeres“, flüsterte er an mein Ohr gewandt, knabberte leicht daran und begann nun meinen Hals entlang zu küssen. Dass ich dabei ausgerechnet an Edward denken musste, ignorierte ich geflissentlich.
„Wahrscheinlich hast du recht. Ich mache mir einfach nur zu viele Sorgen.“
„Das liegt in deiner Natur.“ Jacob grinste breit, doch ehe ich etwas erwidern konnte, drückte er mir einen Kuss auf den Mund.
Schließlich ließ ich mich mit voller Leidenschaft auf ihn ein, sodass wir endlich mal wieder etwas taten, was wir schon so lange nicht mehr getan hatten.
Ich zog ihm langsam sein weißes T-Shirt aus, unter dem sich sein muskulöser Oberkörper befand. Auch er befreite mich von meinem Top und zog liebevoll meinen BH aus. Dabei glitten meine Hände immer wieder zu seinem besten Stück, wodurch er leise zu stöhnen begann. Als er schließlich meine Brust liebkoste und in meinen Intimbereich hinunter glitt, fing auch ich laut zu Stöhnen an. Die Lust überrollte uns beide so stark, dass wir alles andere vergaßen und uns einfach nur dem Gefühlsrausch hingaben.
Es war eine Nacht, die ich niemals vergessen würde, denn dort existierte unsere Liebe zum letzten Mal. Jemand anderes würde schon bald seinen Platz einnehmen und alles zerstören, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte - eine Liebe, die ich in diesem Moment nicht für möglich gehalten hätte, da es für mich ja nur meinen Jacob gab. Doch ich täuschte mich! Es gab mehr – denn es gab ihn
!
Kapitel 8
Bella
Eine Woche war jetzt seit meinem kleinen Zwischenfall in der Schule vergangen. Die Wunde an meinem kleinen Finger konnte man kaum noch erkennen, allerdings war dafür die Anspannung zwischen Edward und mir noch deutlich zu spüren. Ich wollte ihn ein paar Mal auf das Thema ansprechen und mich bei ihm bedanken – denn immerhin hatte er sofort Hilfe geholt, auch wenn es sich dabei um den meist gehassten Lehrer Mike Newton handelte –, doch Edward schien mir bei jeder Gelegenheit aus dem Weg zu gehen. Wenn ich ihn nach dem Unterricht abfangen wollte, entfernte er sich sofort mit einem leisen „Sorry“ bei mir und wenn ich ihm zufällig auf dem Gang begegnete, ging er meistens rechtzeitig in irgendeinen geöffneten Klassenraum, wo wir nicht ungestört miteinander reden konnten.
Es machte mich schier verrückt, sodass ich nach ein paar Tagen beschlossen hatte, ihn keines Blickes mehr zu würdigen. Er sollte schließlich nicht das Gefühl bekommen, dass ich ihm heimlich hinterher spionierte. Das tat ich ja auch nicht – zumindest nicht häufig!
„Na, schöne Frau“, hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir flüstern.
„Was willst du?“, fragte ich ohne mich umzudrehen. Mittlerweile entwickelte ich schon eine Art Methode, wie ich ihn am besten abwimmeln konnte.
„Dich sehen, mit dir reden.“
„Ich habe dafür jetzt keine Zeit. Der Unterricht ist zu Ende und ich würde gerne nach Hause fahren.“ Mit schnellen Schritten lief ich über den Schulhof, in Richtung der Parkplätze, wo mein altes Auto schon auf mich wartete. Doch trotz dieser Aussage – oder vielleicht auch gerade deshalb – folgte er mir weiterhin.
„Ach, komm schon, Bella! Ein paar Minuten werden wohl noch drin sein.“
„Nein!“, entgegnete ich bissig, während ich in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel suchte. Gerade in solchen Momenten ärgerte es mich, wenn nichts nach Plan lief.
„Mist! Wo ist denn das verdammte Ding?“, stieß ich leise hervor.
„Soll ich mal nachschauen?“
„Nein, Mike!“ Ohne dass ich es wollte, wanderte mein Blick nun doch zu ihm. Wie immer trug er einen Anzug mit Krawatte und dazu ein paar edle Lederschuhe. Er sah viel mehr wie ein Geschäftsmann und nicht wie ein gewöhnlicher High School Lehrer aus.
„Okay, okay, hab schon verstanden.“ Er hob beschwichtigend seine Arme und lehnte sich gegen den alten Chevrolet. „Du möchtest deine Ruhe haben.“
„Genau.“
„Aber ist nicht ein bisschen Gesellschaft viel schöner?“
„Ich arbeite den ganzen Tag mit pubertierenden Teenagern, da ist mangelnde Gesellschaft wohl mein kleinstes Problem“, sprach ich noch immer leicht genervt, während ich endlich den Schlüssel für mein Auto hervorholte.
„Da dürfte doch ein Mittagessen mit einem netten Arbeitskollege genau das Richtige sein?!“
„Mike, ich... ich bin verheiratet und außerdem habe ich vorhin schon etwas gegessen.“ Ich hoffte inständig, dass er diese Aussage nun verstand und sich endlich von mir entfernte, doch seitdem er mir – seiner Meinung nach – das Leben
gerettet hatte, ließ er sich nicht mehr so leicht abwimmeln. Auf einmal war ich wieder seine liebste Kollegin, mit der er ja angeblich schon seit Jahren befreundet war.
„Hab schon verstanden, aber weißt du was? Pass auf, dass du dir nicht zu viel einbildest! Nicht jeder, der dich auf ein Essen einlädt ist gleich in dich verliebt. Wir sind keine kleinen naiven Schüler mehr!“ Mit diesen Worten entfernte er sich endlich von mir und ohne, dass ich es verhindern konnte, musste ich plötzlich schlucken.
Hatte er mir gerade etwa erfolgreich die Meinung gesagt?
Zwar war ich bissige Sprüche von ihm schon gewohnt, allerdings hatte er mir noch nie eine solch deutliche Ansage gemacht.
Obwohl es mich kalt lassen sollte, schmerzte es. Traurig und wütend zugleich blickte ich ihm hinterher, ehe ich schließlich in meinen alten Chevrolet stieg und davon fuhr.
Edward
Mikes Gedanken ließen mich wütend werden. Ich hatte es nur am Rande mitbekommen, doch so wie es schien, hatte er Bella ordentlich die Meinung gesagt. Eine Sache, die mich innerlich aufwühlte, obwohl sie mich eigentlich kalt lassen müsste. Was gingen mich schon die Probleme meiner Lehrerin an?
Aber Bella war nicht einfach nur eine Lehrerin – sie war mehr für mich, das musste ich mir heute erneut eingestehen. Wenn es ihr nicht gut ging oder irgendjemand sie schlecht behandelte, dann machte mich das sehr wütend.
Was habe ich nur getan? Ich hätte sie nicht so anschnauzen dürfen.
Mikes Gedanken drangen wieder in mein Bewusstsein. Er machte sich Vorwürfe, was ihm recht geschah, allerdings fehlte noch etwas – jemand der ihn in die Schranken wies.
Ich verließ mein Versteck und ging geradewegs auf Mike zu, der mich allerdings kaum wahr zu nehmen schien.
Stattdessen sagte er nur: „Solltest du nicht im Unterricht sein? Schüler haben um diese Uhrzeit nichts auf dem Pausenhof verloren.“
„Ach ja?“, entgegnete ich scharf, „doch etwa nicht, damit so Lehrer wie Sie andere Frauen in Ruhe belästigen können?“
Mike starrte mich fassungslos an. Mit solch einem Kommentar hatte er nicht gerechnet. Woher weiß...
„Woher ich es weiß? Ich habe ein ziemlich gutes Gehör“, beendete ich seinen Satz.
„Das wird...“, wollte er sagen, allerdings hatte ich ihn schon am Kragen gepackt und gegen die Wand gestemmt.
„Es ist mir egal, ob das Konsequenzen hat! Sie haben nicht das Recht, Mrs. Black – ich musste mich zusammenreißen, damit ich nicht ihren Vornamen verwendete – zu belästigen!“
„Ich... ich habe sie nicht belästigt. Du musst da etwas falsch verstanden haben.“
„Tatsächlich?“, fragte ich, während bei Mike Newton langsam der Angstschweiß ausbrach. Auch wenn ich normalerweise nicht für körperliche Gewalt war, kostete ich meine Vampirkraft jetzt doch ein wenig aus. Ich wollte ihn nicht verletzen, aber er sollte immerhin zu spüren bekommen, wie sich Bedrängnis anfühlt.
„Bitte! Das zwischen Mrs. Black und mir ist etwas kompliziert. Wir wollen dem jeweils anderen nichts Böses.“
Und was ist mit deinen Gedanken, die du währenddessen hattest?
, dachte ich. Am liebsten hätte er es noch im Auto mit ihr getan und wenn Bella ihm nicht so deutlich eine Abfuhr erteilt hätte, wäre er mit Sicherheit noch weiter gegangen.
Ich knirschte wütend mit den Zähnen, als plötzlich Emmett und Rosalie erschienen. Ohne dass ich es verhindern konnte, hatten sich mich von Mike weggezerrt.
„Was soll das, Alter?“ Emmett starrte mich fassungslos an, während Rosalies Blick immer wieder von mir zu Mike wanderte.
„Es...“, wollte ich sagen, allerdings blieben die restlichen Worte aus.
Was gab es auch in solch einer Situation zu erklären? Es war ja offensichtlich, dass ich gerade einen Lehrer angegriffen hatte.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte Emmett nun an Mike gewandt. Dieser nickte nur, denn er schien immer noch leicht außer Atem zu sein.
Ich musste schlucken. „Es tut mir leid.“
„Das wird Konsequenzen haben!“ Nach diesen Worten lief er mit schnellen Schritten in die Schule und ich wusste, dass er sich Bella erst einmal nicht mehr nähern würde.
„Hast du sie noch alle?“ Rosalie musterte mich abwertend. Ich konnte es ihr nicht verübeln.
„Er hat Bella belästigt.“
„Und deshalb schnürst du ihm gleich die Luft ab? Edward, was ist nur los mit dir?“ Emmett schüttelte mich so stark, dass mir, wenn ich noch ein Menschen gewesen wäre, vermutlich schwindelig geworden wäre.
„Ich weiß es nicht“, brachte ich mit gesenktem Kopf hervor.
„Du bist nicht mehr wiederzuerkennen. Diese Bella“ - Rosalie sprach ihren Namen in solch einen abfälligen Ton aus, dass man fast schon von Hass ausgehen könnte -, „hat dich total verändert.“
„Ich will einfach nicht, dass es ihr schlecht geht“, gab ich leise zu.
„Edward! Wenn sie dir so viel bedeutet, solltest du vielleicht noch mal mit ihr reden, denn ansonsten können wir diese Schule bald wieder verlassen. Was glaubst du, wird Mike Newton von deiner enormen Kraft halten? Du siehst nämlich nicht gerade wie ein Schlägertyp aus.“
„Das bin ich ja auch nicht!“
„Das weiß ich doch, Kumpel.“ Emmett klopfte mir nun aufmunternd auf die Schulter, doch Rosalie schien immer noch sauer auf mich zu sein.
„Ich wollte das ja überhaupt nicht. Es ist so... kompliziert.“
„Vielleicht sollten wir das alle noch mal in Ruhe besprechen. Ich denke nicht, dass es so weitergehen kann.“ Auch wenn ich wusste, dass er damit recht hatte, versetzte es mir einen Stich in meinem stillgelegten Herzen. Das einzige, was mir eventuell helfen konnte, wäre eine längere Auszeit.
Als wir zu Hause ankamen, setzte sich unsere Familie sofort zusammen und wir redeten über das Geschehene. Es fühlte sich komisch an, denn in diesem Gespräch ging es einzig und allein um mich. Ich stand nicht gerne im Mittelpunkt, aber an diesem Abend blieb mir nichts anderes übrig. Ich hatte einen Fehler gemacht und ich konnte nicht garantieren, dass mir dieser nicht noch einmal passierte. Seitdem Bella in mein Leben getreten war, hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Manchmal fühlte ich mich wie ein neugeborener Vampir – wild und unbezähmbar!
„Wir werden schon eine Lösung finden.“ Esme strich beruhigend über meinen Rücken.
„Ach ja, und welche? Ich habe einen Menschen angegriffen!“
„Du hast ihn lediglich in die Schranken gewiesen, Edward. Das war zwar nicht ganz richtig, aber du bist auch nicht weitergegangen, was schon mal viel Wert ist“, versuchte Carlisle mich zu beruhigen.
Doch Rosalie sprach das aus, was alle insgeheim dachten: „Vielleicht auch nur, weil wir rechtzeitig dazwischen gegangen sind.“
„Rose!“, zischte Alice.
„Nein, sie hat recht. Wer weiß schon, was sonst passiert wäre? Ich hatte mich nicht unter Kontrolle“, gestand ich kleinlaut. „Wahrscheinlich ist eine längere Auszeit das Beste.“
„Und wie hast du dir das vorgestellt?“, fragte Alice mitfühlend.
„Ich werde euch für eine Weile verlassen müssen.“
„Nein!“, stieß Esme kleinlaut hervor.
„Es gibt sonst keine andere Möglichkeit.“
„Doch die gibt es“, meldete sich Emmett zum ersten Mal wieder zu Wort, „wir kommen mit dir!“
„Aber wir haben uns doch gerade erst hier eingelebt.“ Rosalie blickte genervt in die Runde. Ich konnte sie verstehen und nahm ihr diese Reaktion überhaupt nicht übel.
„Rose, es tut mir leid, aber ich muss Emmett leider zustimmen. Wir können Edward nicht alleine lassen“, mischte sich Carlisle mit ruhiger Stimme ein.
„Aber...“
„Hört zu: Ich möchte keine Belästigung für euch sein! In diesem Zustand verletze ich nur jeden in meiner Umgebung und das möchte ich vermeiden. Vielleicht sollte ich eine Weile alleine sein, um in Ruhe damit klar zu kommen.“
„Kommt nicht in Frage!“ Alice hatte sich nun zu mir gesetzt. Ein wenig schmeichelten mich ihre Worte, doch ich wollte ihr nicht unnötig Sorgen bereiten, denn immerhin hatte sie schon genug mit Jaspers Verschwinden zu kämpfen. „Ich werde dich begleiten.“
„Ich auch“, willigten Esme und Emmett gleichzeitig ein.
„Rose?“
„Carlisle, ich...“
„Wir sind eine Familie. Jeder hilft den anderen, wenn er in Schwierigkeiten steckt. Ich kann dich nicht von deiner Entscheidung abhalten, aber es würde uns freuen, wenn du mit uns kommst.“
Was bedeutete das? Hatte er etwa gerade beschlossen, dass wir nun alle fort gingen? Ich musste schlucken, denn jetzt fühlte ich mich schuldiger als je zu vor.
„Was bleibt mir denn anderes übrig? Ich kann meinen
Emmett doch nicht alleine lassen.“
„Also ist das ein Ja?“ Rosalie nickte und Esme nahm sie sofort in ihre Arme. Alle schienen zufrieden mit dieser Entscheidung, nur Alice und mir ging es plötzlich schlecht. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie einfach nur ins Leere starrte.
Ich kannte diesen Blick. Sie musste an ihren
Jasper denken.
Kapitel 9
Bella
Manchmal fühlte ich mich geborgen und sicher und manchmal hatte ich das Gefühl, ich stünde ganz alleine da, ohne irgendeine Unterstützung.
Heute war einer dieser Tage, an denen ich nicht wusste, wo ich eigentlich hingehörte.
Klar – da gab es meinen
Jacob, der wirklich alles Erdenkliche für mich tun würde, aber war das auch genug? Wollte ich einen Partner, der für mich in einen brennendes Haus stürmen würde, egal ob er da wieder lebend herauskam? Oder wollte ich lieber jemanden an meiner Seite haben, der sich nicht nur schutzlos durch die Flammen kämpfte, sondern es auch wirklich schaffte, mich dort rauszuholen?
Manchmal hatte ich das Gefühlt, dass Jacob mir zwar helfen würde, mich jedoch – trotz großer Anstrengungen – nicht retten könnte. Das lag nicht daran, dass er mich nicht genug liebte, sondern einfach, weil er nicht stark genug war, um uns beide dauerhaft die Sicherheit zu geben, die wir benötigten. Er war einfach viel zu sehr damit beschäftigt, alles und jedem zu helfen.
Ob das an seinem Beruf als Polizist lag? Charlie hatte ähnliche Ansichten wie er, deshalb kam es mir auch oft so vor, als müsste ich die beiden vor sich selbst schützen.
Wenn man versucht alle Menschen zu beschützen, geht man dann nicht irgendwann selbst verloren?
Ich lief den schmalen Pfad Richtung Wald entlang. Ich war keine Egoistin, aber ich würde mich auch nicht für fremde Menschen opfern. Wahrscheinlich wollte ich deshalb auch nie den Beruf meines Vaters ausüben. Ich wäre einfach nicht gut genug darin.
Während ich mich mit langsamen Schritten durch das Gestrüpp kämpfte, musste ich plötzlich an Mike denken. Er war genau das Gegenteil von Charlie und Jacob. Wann immer es eine Gelegenheit dazu gab, dachte er nur an sich selbst. Für ihn zählte meistens sein persönlicher Erfolg und deshalb machten ihn meine ständigen Abfuhren wohl auch so wütend. Mit aller Macht wollte er mich erobern, aber sein gestriges Verhalten nach der Schule hatte mir noch einmal gezeigt, was er für einen unscheinbaren Charakter besaß. Im ersten Moment war er dein bester Freund und im nächsten Augenblick machte er dir das Leben zur Hölle.
Dann lieber ein überfürsoglicher Jacob
, dachte ich insgeheim, während ich mich nun mitten im Wald befand, umgeben von unzähligen Bäumen. Immer wenn ich meine Ruhe brauchte, ging ich hierhin. Denn zwischen all den Tieren und Pflanzen fühlte ich mich wesentlich wohler als zu Hause, wo mir schnell nach einiger Zeit die Decke auf den Kopf fiel. Mittlerweile kannte ich mich hier so gut aus, dass ich vermutlich auch mit verbundenen Augen den Weg zur Lichtung gefunden hätte. Doch wenn Jacob davon erfuhr, würde er sich vermutlich noch mehr Sorgen um mich machen.
Es lagen nur noch ein paar Meter vor mir und von Weitem konnte ich sogar schon die Umrisse der Blumenwiese erkennen. Zum Ende des Frühlings hin, gefiel mir dieser Ort am besten, denn dann sah es tatsächlich wie ein kleines Paradies aus.
Eine Welt ganz für mich allein
, dachte ich schmunzelnd. Meine Schritte beschleunigten sich ein wenig und als ich die Blumen unter mir erblicken konnte, ließ ich mich inmitten der Lichtung in das weiche Gras fallen.
Für viele mochte dies unbedeutend oder gar lustig sein – eine erwachsende Frau, die sich an einer simplen Blumenwiese erfreute -, doch für mich bedeutete es die pure Freiheit. Hier war ich keine Lehrerin, die sich streng und erwachsen geben musste, sondern einfach nur eine gewöhnliche junge Frau. Und im Herzen ein Kind.
Mein Blick schweifte zum Himmel, an dem ein paar Wolken vorüberzogen, die wie weiße Zuckerwatte aussahen. Früher als kleines Kind hatte ich mir immer ihren Geschmack vorgestellt – süß und bitter zugleich.
„Eine Mischung aus Sonnenschein und Regen“, flüsterte ich vor mich hin.
Doch als ich meine Augen schloss, schienen sich meine Gedanken mit einer unbekannten Melodie zu vermischen. Oder handelte es sich um eine Stimme?
„Ja, der Himmel ist etwas Schönes. Er kann die Welt mit Regen erschüttern oder mit Sonnenschein erfüllen. Er ist so nah und doch so fern – nicht zu ergreifen!“
„Wer?“ Ich riss meine Augen auf und erschrak. Vor mir kniete ein fremder Mann. Sein Gesicht war meinem so nahe und dennoch erkannte ich keine einzige Falte in seinem blassen, fast schon weißem Gesicht. Seine Haut glitzerte im Schein der Sonne, als wäre er ein wertvoller Diamant. Noch nie hatte ich so etwas vergleichbar Schönes und gleichzeitig Schreckliches gesehen. Seine Augen waren so rot wie ein Rubin und wenn er breit zu grinsen begann, konnte ich seine scharfen Eckzähne erkennen.
„Was... wer-bist-du?“
„Wer ich bin?“, wiederholte er meine Frage mit süßlicher Stimme. Jetzt wusste ich auch, woran mich dieser Klang erinnerte. Edward und Alice.
Ich begann zu schlucken und entfernte mich ein paar Zentimeter von ihm.
„Was ist? Hast du etwa Angst vor mir?“
„Ich... was willst du?“
„Was ich will?“ Schon wieder dachte er über meine Worte nach, bis er schließlich fortfuhr. „Wie wäre es mit einem Spiel?“
„Du versuchst herauszufinden, wer oder was ich bin und ich... ich werde dir zeigen, was ich will.“ Mit seinen kalten Fingern strich er über meinen Oberarm.
Stand er nicht gerade noch weit genug von mir entfernt?
In meinem Kopf drehte sich alles, doch ich versuchte nicht die Fassung zu verlieren.
In solchen Momenten durfte man sich nicht verrückt machen, denn das würde alles nur noch verschlimmern. Wenn dann sollte es schnell vorbeigehen!
„Also was ist jetzt? Sollen wir ein bisschen miteinander spielen?“ Seine harten Finger krallten sich in mein Kinn und augenblicklich musste ich laut aufschreien. Ich spürte das warme Blut, was an meinem Kinn heruntertropfte. Die Angst lähmte den Schmerz, was die Situation aber nicht gerade verbesserte. Der Mann bleckte seine scharfen Zähne und leckte sich mit der Zunge über seine Lippen.
Dann schloss er die letzten Millimeter zwischen uns und ehe ich wusste, was mit mir geschah, berührte er plötzlich mit seiner feuchten Zunge mein Kinn. Während ich wie versteinert dasaß, sog er das Blut – welches noch immer aus meiner Wunde tropfte – in sich auf.
„Köstlich“, murmelte er. In mir verkrampfte sich alles. Ich wusste nicht, was ich denken oder fühlen sollte.
„Du bist krank“, schrie ich deshalb einfach nur.
„Ach ja?“ Sein Blick bohrte sich in meinen. „Weißt du, die Welt ist nicht immer das, was sie vorzugeben scheint.“
„Was meinst du damit?“
„Schau dich doch mal um. Wenn das für dich das Paradies ist, dann hast du noch nicht die Hölle kennengelernt.“
„Was bist du?“, fragte ich entsetzt nach, doch ehe er mir eine Antwort geben konnte, wurde er auf einmal von jemanden durch die Luft geschleudert. Ein dumpfer Schlag war zu hören und in einiger Entfernung ging ein großer Stein zu Bruch.
Augenblicklich zuckte ich zusammen.
„Bella.“ Alice liebevolle Stimme drang an mein Ohr. „Du brauchst keine Angst haben, wir werden dich hier wegbringen.“
Da ich nicht fähig war zu antworten, nickte ich einfach nur. Dann nahm mich jemand in seine Arme, in die ich mich völlig erschöpft niederließ. Alles passierte in weiter Ferne und irgendwann glitt ich in einen unruhigen Schlaf.
Edward
Weit weg, das war das einzige Ziel, was ich nun vor Augen hatte. Ich musste von hier verschwinden, um nicht nur mich, sondern auch die Menschen in meiner Umgebung zu schützen. Mein Ausraster gegen Mike wäre erst der Anfang gewesen, dem war ich mir sicher. Bella bedeutete mir einfach schon viel zu viel und das durfte nicht sein! Niemals!
„Edward, bist du bereit?“ Emmett legte eine Hand auf meine Schulter und ich nickte. In der Nacht hatten wir all unsere Sachen gepackt, um heute in aller Früh Richtung Norden aufzubrechen. Danach würden zwar noch die Abmeldungen von der Schule erfolgen, aber darum wollte sich Carlisle kümmern. Jetzt galt es erst einmal so schnell wie möglich von hier zu verschwinden und ich war meiner Familie außerordentlich dankbar, dass sie mich begleitete. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde.
Mochte sein, dass viele Vampire lieber allein und völlig abgeschottet von der Außenwelt lebten, doch bei uns war es anders. Wir brauchten den Zusammenhalt, um zu überleben. Natürlich konnte man den Durst nach Blut nicht einfach so abschalten und er würde auch immer ein Teil von uns bleiben, aber immerhin hatten wir eine friedliche Lebensweise damit gefunden. Kein Mensch sollte durch mich sterben.
Ich wollte kein Monster sein, auch wenn ich mich oft so fühlte.
Gestern war es am Schlimmsten gewesen und deshalb gab es kein Zurück mehr!“
„Dann mal los“, sprach Alice mit gefasster Stimme. Ich hatte sie gestern noch eine Weile beobachtet. Oft sah ich den Schmerz in ihren Augen und zum ersten Mal konnte ich sie verstehen. Sie hatte geliebt – ebenso wie ich, vielleicht sogar noch intensiver – und es gab keine Möglichkeit diese Liebe zu erhalten.
Wir mussten beide versuchen loszulassen.
Während wir alle durch den Wald flitzten, warf ich noch einmal einen Blick zurück. Forks war kein besonderer Ort, aber vermutlich der einzige, an den ich mich dauerhaft erinnern würde.
„Alles in Ordnung?“ Esme schenkte mir ein warmes Lächeln und ich versuchte dieses so gut es ging zu erwidern. „Es ist das Richtige.“
„Ich weiß.“ Die nächsten Minuten verfielen wir alle ins Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach und besonders Rosalie sah man noch ein wenig die Verärgerung über die frühzeitige Abreise an. Sie hatte am meisten damit zu kämpfen – und dennoch lässt sie sich darauf ein.
„Danke“, wisperte ich an sie gewandt.
„Wofür?“ Argwöhnisch musterte sie mich.
„Dass du hier bist und mitkommst.“
„Du bist mein Bruder.“
„Aber...“
„Kein ABER, Edward. Dafür braucht es keine Erklärung. Für meine Familie würde ich alles tun... immer und überall.“
Ich begann zu lächeln. Langsam schien sich der Schmerz zu legen und ich gewöhnte mich an die Tatsache, Bella nie wieder zu sehen. Doch als plötzlich ein dumpfer Schrei zu hören war, kam sie mir ganz unverhofft wieder in den Sinn.
„Was war das?“
„Ich weiß es nicht.“ Carlisle hielt inne. Obwohl dieser Schrei aus weiter Ferne kam, nahm ich einen Hauch des Geruches wahr. Ich hätte sie aus tausenden von Gerüchen erkannt.
„Es ist Bella. Ihr ist etwas passiert“, rief ich panisch.
„Bist du dir sicher?“ Emmett schien mir nicht recht glauben zu wollen, doch als Alices Blick sich verschleierte, wusste ich, dass ich richtig lag.
„Sie... sie ist es tatsächlich“, sprach sie geschockt, „jemand von unserer Art fügt ihr Schmerzen zu.“
„Wie bitte?“ Aber hier gibt es doch gar keine Vampire außer uns.“
„Ich weiß es doch auch nicht, Edward! Sie soll seine Beute werden, allerdings möchte er vorher noch mit ihr spielen.“
„Was bedeutet das?“, fragte ich voller Entsetzen nach.
„Das wir ihr helfen müssen.“ Carlisle sah uns alle nacheinander eindringlich an und keiner widersprach seinen Worten. Bella musste gerettet werden!
„Und wie gehen wir vor?“ Rosalie wirkte ein wenig skeptisch, doch als Alice uns ihren schnell ausgedachten Plan erklärte, schien sie einverstanden zu sein.
„Also werde ich ihn mit Emmett und Carlisle angreifen und ihr bringt sie fort?“
Alice nickte. „Genau. Wir werden sie erstmal zu unserem Haus bringen, damit sie in Sicherheit ist. In der Zwischenzeit kümmert ihr euch um ihn.“
„Und wenn er zu stark ist?“ Ich wusste nicht, woher die plötzliche Panik kam, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Plan noch Lücken besaß.
„Er ist schnell und flink, aber er ist nicht unbesiegbar und wenn wir ihn nicht aufhalten...“
„Ich verstehe schon“, unterbrach ich sie“, dann wird Bella sterben.“
„Nicht nur sie, sondern auch viele andere Menschen. Er hat Forks zu seinem Jagdgebiet gemacht!“
Wir alle erschraken, als Alice von ihrer Vision erzählte.
Jetzt gab es keinen Halt mehr: Wir mussten ihn aufhalten!
Mit rasender Geschwindigkeit näherten wir uns der Lichtung und endlich einmal konnte ich meiner Wut freien Lauf lassen. In mir kam der Vampir zum Vorschein.
Bella würde mich zum ersten Mal so sehen, wie ich wirklich war. Ein Monster! Unberechen- und unbezähmbar.
Kapitel 10
Edward
Alles ging verdammt schnell. Nachdem wir die Lichtung erreicht hatten, war Emmett schon auf den unbekannten Vampir gestürmt und schleuderte ihn so stark in die Luft, dass er beim Aufprall einen ganzen Felsbrocken zertrümmerte. In der Zwischenzeit kümmerten sich Alice, Rosalie und Esme um Bella, die sich ängstlich in das Gras kauerte. Am liebsten wäre ich zur ihr gerannt und hätte sie höchstpersönlich von diesem schrecklichen Ort gebracht, aber ich musste mich um dieses Monster kümmern, das sich jetzt wütend auf meinen Bruder stürzte. Auch wenn Emmett ein guter Kämpfer war und Carlisle mit seinen Strategien meistens im Vorteil lag, brauchten sie dennoch jemanden, der ihnen dabei half. Eine Person die mit blindem Hass voran ging und keine Rücksicht auf seinen Gegner nahm. Einer der alles tun würde, um diese unschuldige Frau zu retten – jemanden wie mich
!
Ein Knurren entfuhr meiner Kehle und ich stürmte mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Sobald ich seinen Kragen erfasste, stemmte ich ihn gegen einen nahegelegenen Baum. Unzählige Blätter und Äste fielen zu Boden, während sich in dem Holz eine Kerbe gebildet hatte. Das war meine wahre Kraft, von der niemand etwas ahnte, die mein Gegenüber aber nun vollends zu spüren bekam.
Die Kraft eines Vampirs!
Carlisle und Emmett eilten mir zu Hilfe, indem sie sich ebenfalls um den Baum stellten und unser Feind erst einmal keine Chance hatte sich zu befreien. Er war stark – sehr stark -, doch meine unermessliche Wut machte mich stärker.
Ich drückte sein blasses Gesicht gegen das dunkle Holz. Blutunterlaufende Augen starrten mich an. Noch nie hatte ich mich für meine Art so sehr geschämt, wie in diesem Moment. Niemals würde ich zu dem werden, was er war! Für mich galten die Menschen nicht als irgendeine Beute, die man einfach so benutzen konnte. Sie hatten ein Recht auf ihr Leben, ebenso wie Bella.
„Wie kannst du nur eine unschuldige Frau angreifen? Denkst du wirklich das ist ein Spiel?“, begann ich ihn nun anzubrüllen.
Ein gehässiges Lachen ertönte, während seine spitzen Zähne zum Vorschein kamen.
„Sie roch so köstlich. Süß und bitter zugleich. Wie Sonne und Regen.“
„Du mieses Schwein“, brüllte ich, während ich mit voller Wucht auf sein Gesicht einschlug. Jeder normale Mensch wäre daraufhin zusammengesackt oder hätte zumindest eine gebrochene Nase, doch ein Vampir blieb bei solchen Schlägen unversehrt. Stattdessen begann er mich erneut auszulachen.
„Denkst du wirklich, dass du mich mit diesen Babyfäusten verletzen kannst? Du musst noch viel lernen, wenn du mich zu Boden schlagen willst, EDWARD ANTHONY MASEN CULLEN!“
Ich erschrak. Hatte er soeben meinen vollständigen Namen genannt?
„Wo... woher?“
„Woher ich das weiß? Hach, lieber Eddi. Es gibt so vieles in diesem Leben, was du noch lernen musst. Mag sein, dass du ein Vampir bist... Ein Vegetarier, so wie ihr euch nennt“, - er deutete auf Carlisle und Emmett, die ihn ungläubig anstarrten -, „aber du bist kein Held, der jeden unschuldigen Menschen retten kann. Merk dir das!“ Mit voller Wucht schlug er mir in den Magen und befreite sich somit aus meinen Griff. Dann schlug er Emmett und Carlisle gekonnt von sich, als wären sie zwei lästige Fliegen.
Wir werden uns wiedersehen und bis dahin solltest du ein bisschen an deiner Kampftechnik feilen. Wir wollen uns ja nicht langweilen, nicht wahr?
, dachte er und ehe wir uns versahen, war er in den Tiefen des Waldes verschwunden.
Ungläubig sah ich ihm nach, ehe ich das soeben Geschehene realisierte.
„Woher weiß er das alles über mich? Ich... ich muss ihm nachgehen!“
„Edward.“ Vorsichtig aber bestimmend legte Carlisle seine Hand auf meine Schulter. „Du solltest ihm jetzt lieber nicht folgen!“
„Und warum nicht? Er wusste sogar, dass ich seine Gedanken lesen kann. Er kannte meinen vollständigen Namen.“
„Da scheint sich jemand sehr gut über dich informiert zu haben“, sprach Emmett ernst.
„Wer ist dieser Vampir?“
„Wir wissen es nicht, Edward, aber es scheint niemand aus der Umgebung zu sein. Ich bin ihn in all meinen Jahren noch nie begegnet.“
„Und wie gehen wir jetzt vor?“ Fragend musterte ich Carlisle und zum ersten Mal sah er unentschlossen aus. Diese Situation war für uns alle neu und ich fragte mich, ob Alice vielleicht schon etwas vorausgesehen hatte.
„Zuerst sollten wir....“
„Ich muss zu Alice“, unterbrach ich ihn. „Vielleicht hat sich schon etwas über ihn in Erfahrung gebracht.“
„Das geht nicht. Rosalie und die anderen haben Bella erstmal zu unserem Haus gebracht“, mischte sich Emmett ein.
„Na und, was spielt das für eine Rolle?“
„Wolltest du dich nicht von ihr fernhalten?“
„Da-dafür haben wir jetzt keine Zeit.“
„Ich denke er hat recht, Emmett. Wir müssen alle gemeinsam besprechen, wie wir weiter vorgehen.“
„Traust du dir das zu?“ Mein Bruder sah skeptisch aus, doch ich nickte entschlossen. In diesem Moment war mir nichts wichtiger als Bellas Sicherheit. Niemals würde ich ihr etwas antun können, dem war ich mir nun sicher.
„Dann sollten wir uns beeilen. Er ist zwar weiter nach Norden gelaufen, aber er könnte immer noch seine Richtung wechseln und ihre Fährte aufnehmen. Wir müssen vorsichtig sein.“
Emmett und ich stimmten ihm zu und sofort machten wir uns auf den Weg, unwissend, was uns alles noch bevorstand.
Bella
Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich meine Augen öffnete und leise Stimmen hörte, die sich unterhielten. Automatisch berührte ich mit der Hand meine Stirn, aber diesmal hatte man mir zum Glück keinen nassen Waschlappen auf das Gesicht gelegt. Also befand ich mich wenigstens nicht in Mikes Obhut, der ja eigentlich auch gar nicht auf dieser Lichtung gewesen war. Augenblicklich strömten die Bilder auf mich ein.
Dieser komisch aussehende Mann erschien vor meinem inneren Auge. Er glitzerte wie ein Diamant, oder hatte ich mir das nur eingebildet? Danach konnte ich mich nur noch an den dumpfen Knall und an schützende Arme erinnern. Jemand hatte mich also gerettet, doch wer war dieser jemand?
Mein Blick schweifte durch den Raum und da erkannte ich auf einmal meine Schülerin Alice, die auf einem Stuhl saß und ins Leere blickte. Ihre Augen wirkten glasig, fast so, als würde sie sich in einer Art Trance befinden.
„Und kannst du etwas erkennen?“, fragte eine hübsche blonde Frau, die neben ihr saß.
„Nein, leider nicht. Ich sehe nur Edward, Emmett und Carlisle, die in wenigen Minuten hier sein müssten. Irgendwas scheint allerdings nicht zu stimmen. Sie wirken alle drei sehr beunruhigt. Esme befindet sich noch im Wald und hält Wache.“
Edward?
In mir drehte sich alles. Meine Gedanken bestanden aus einzelnen Puzzlestücken und ich wusste nicht, wie ich sie richtig zuordnen sollte. Es gab einfach keine Verbindungen zwischen der Lichtung und diesem fremden Haus, in dem ich mich jetzt befand. Niemand außer mir kannte bisher die Lichtung und schon gar nicht die Leute, die erst neu nach Forks gekommen waren.
Wie hatten sie mich also finden können?
„Wir sollten Bella am besten schon mal aufwecken.“
„Das ist nicht mehr nötig“, hörte ich Alice sagen und erst da bemerkte, dass sie bereits neben mir saß. „Du... Sie sind aufgewacht. Wie fühlen Sie sich?“
Es war völlig grotesk, dass sie mich in so einem Moment noch siezte, allerdings vergaß ich auch viel zu schnell, dass es sich noch immer um meine Schülerin handelte.
Ich musste schlucken. „Ganz gut, denke ich.“
„Können Sie sich an irgendwas erinnern?“
„Ich... ich war auf der Lichtung. Was ist passiert?“ Auch wenn ich mich an einige Sachen noch erinnern konnte, wollte ich wissen, ob Alice mir die Wahrheit sagen würde. Die rubinroten Augen des Mannes hatte ich mir nicht eingebildet, dem war ich mir nun sicher. Irgendwas Merkwürdiges passierte hier.
„Wir waren im Wald spazieren und haben Sie dort entdeckt. Ihnen ging es nicht gut und...“
„Edward und Alice kannten Sie von der Schule und haben sich Sorgen gemacht. Deshalb brachten wir Sie erstmal zu unserem Haus“, fügte die blonde Schönheit hinzu. Erst jetzt sah ich, dass ihre Augen genauso Karamellfarben aussahen, wie die ihrer Geschwister.
Diese Blässe.
„Wir wollten warten, bis Sie aufwachen.“
„Und der Mann?“, fragte ich zaghaft nach. Ich konnte mir ihn unmöglich eingebildet haben.
„Welcher Mann?“ Alice und die Blondine starrten sich ungläubig an. Ich wusste, dass sie logen, ließ mir jedoch nichts anmerken. Es musste einen Grund dafür geben, doch darum würde ich mich später kümmern.
„Ich weiß es nicht, aber immerhin habt ihr mich gerettet. Ich danke euch.“
Alice nickte. „Kein Problem. Das ist übrigens Rosalie, meine Schwester“, - sie deutete auf die Blondine, die mir ein zaghaftes Lächeln schenkte, - „Edward und die anderen werden auch gleich kommen. Möchten Sie etwas trinken?“
„Alice...“ Ich ergriff ihr Handgelenk, was sich so kalt anfühlte, dass ich augenblicklich zusammenzuckte. Obwohl mir dieser Temperaturunterschied Angst machen müsste, fühlte ich mich ausgesprochen wohl im Hause der Cullens. Sie waren anders, aber das machte sie vermutlich auch zu etwas Besonderem.
„Ja?“
„Eigentlich biete ich meinen Schülern so etwas nicht an, aber bei dir bzw. euch möchte ich eine Ausnahme machen. Bitte duzt mich doch, sonst komme ich mir so alt vor.“ Beschämend starrte ich auf den Boden, während meine Wangen zu glühen begannen.
„Gerne.“ Alice grinste breit und auf einmal kam sie mir viel mehr wie eine gute Freundin und nicht wie eine Schülerin vor. Sie wirken so erwachsen.
„Möchtest du was zu trinken?“
„Ja, gerne.“
„Rose, würdest du ihr...“
„Klar doch“, antwortete Rosalie in einem leicht schnippischen Ton, ehe sie sich schon auf den Weg in die Küche machte.
„Was hat sie? Ist es wegen mir? Wenn ich euch störe...“
„Bella!“ Alice legte ihre kalte Hand auf meine, doch diesmal kam es mir seltsam erfrischend vor. „Du störst nicht. Sie ist manchmal einfach so, das hat aber nichts mit dir zu tun.“
Nach diesen Worten ertönte das Klacken der Haustür und ich war mich sicher, dass es sich um Edward und den anderen handelte. Nun würde ich die komplette Familie Cullen kennenlernen. Leider wusste ich nicht, ob das gut oder schlecht war, denn in all meinen Jahren hatte ich noch nie so ein komisches Verhältnis zu meinen Schülern gehabt. Von ihrer Art her wirkten sie fast schon reifer als ich und deshalb hatte ich Angst, dass ihre Eltern mich nicht ernst nehmen würden. Ich musste unbedingt an meiner Haltung arbeiten.
Schnell setzte ich mich aufrecht hin und strich meine Kleidung glatt. Dann blickte nervös zum Eingang, durch den nun drei blasse Gestalten kamen.
Kapitel 11
Edward
Wir betraten unser Haus und schon von Weitem konnte ich ihren Geruch deutlich wahrnehmen. Die gesamte Wohnung roch danach, doch komischerweise machte mir dies überhaupt nichts aus. Ich wollte Bella beschützen und sie nicht umbringen! Natürlich war das Verlangen noch immer da, aber ich konnte es ignorieren, denn in diesem Moment gab es für mich nichts Wichtigeres als ihre Sicherheit. Mochte sein, dass täglich Menschen durch irgendwelche Dinge starben, ob es sich nun um einen Verkehrsunfall oder einen Vampir handelte. Doch Bella gehörte für mich nicht zu den zahlreichen Leuten, bei denen es mir egal war, ob sie nun von einem Vampir angegriffen wurden oder nicht. Sie bedeutete mir wesentlich mehr als ich mir zuvor eingestehen wollte und deshalb musste ich sie mit all meiner Kraft vor diesem fremden Vampir schützen.
„Geht es?“ Esme unterbrach meinen Gedankengang und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Bis gerade eben hatte sie noch Wache im Wald gehalten, aber dieser Vampir hatte sich unserem Haus nicht genähert. Wahrscheinlich wusste er, dass er so nicht gegen unsere Familie ankommen würde.
„Es macht mir nichts mehr aus“, antwortete ich kühl. Das stimmte sogar, denn der Gedanke, dass jemand ihr Blut trinken und sie töten wollte, hielt mich davon ab, es selbst zu tun. Es war absolut widerlich, so etwas überhaupt in Betracht zu ziehen.
„Zum Glück geht es euch gut.“ Alice kam gespielt freudig auf uns zugelaufen. Natürlich hatte sie schon in ihrer Vision gesehen, dass wir wohlauf waren, aber davon durfte Bella ja nichts erfahren.
„Ja.“ Carlisle nickte und ging sofort zum Sofa, auf dem sie sich befand.
„Haben Sie irgendwelche Schmerzen?“, hörte ich ihn fragen.
„Ich denke nicht. Es ist alles nur ein wenig verwirrend“, antwortete Bella und mein Vater nickte.
„Ich bin Carlisle, der Vater von Edward und Alice. Ich arbeite als Arzt in dem nahegelegenen Krankenhaus, deshalb auch meine Frage nach deinem Gesundheitszustand.“
Ich sah wie Bella skeptisch nickte. Es war mir klar warum, denn vermutlich fragte sie sich, wie ein Mann in diesem Alter noch so jung und sportlich aussehen konnte, wo er doch schon vier Kinder im Teenageralter besaß.
„Alles klar mit dir?“ Emmett klopfte mir auf die Schulter und riss mich somit aus meiner Starre. „Du solltest dich ein wenig bewegen und hier nicht wie ein Stein mitten im Raum herumstehen, das wirkt nämlich verdächtig.“
„Ich weiß.“ Schweigend setzte ich mich auf das freie Sofa gegenüber, während sich Esme nun ebenfalls vorstellte. Auch sie wirkte viel zu jung für eine Mutter.
„Wie habt ihr mich überhaupt finden können? Ich mein... also die Lichtung befindet sich ja schon ziemlich tief im Wald.“
„Na ja, wir wollten uns mal ein bisschen Forks anschauen“, sprach Rosalie achselzuckend. Insgeheim wünschte sie sich jedoch, wir hätten einen anderen Weg genommen, das konnte ich ihren Gedanken entnehmen. Ihr gefiel es überhaupt nicht, dass wir nun hier mit einem Menschen saßen, bei dem es sich obendrein auch noch um eine Lehrerin auf der neuen High School handelte.
Ich warf ihr einen strengen Blick zu, aber sie ignorierte diesen gekonnt.
„Und was ist mit dem Mann? Er war so komisch und...“
„Bella, dort war kein Mann! Du bist einfach nur ohnmächtig geworden, schätze ich“, unterbrach Alice sie. Was sollte das denn jetzt? Wieso log sie?
„Alice, du solltest ihr ein bisschen mehr Respekt entgegenbringen, schließlich ist sie deine Lehrerin.“
„Es ist okay. Bella möchte, dass wir sie duzen, stimmt's?“
Schüchtern begann diese zu nicken. In diesem Moment wirkte sie noch zerbrechlicher und ich wollte sie am liebsten nie wieder gehen lassen, nur damit ihr niemand mehr etwas antun konnte.
„Na ja, wie dem auch sei. Wir sollten Mrs. Black nicht zu sehr damit belasten. Ich denke es ist besser, wenn wir es dabei belassen.“
„Aber...“, mischte ich mich zum ersten Mal ein, hielt jedoch inne. Carlisle hatte recht. Bella durfte nicht unsere wahre Natur erfahren. Sie war ein Mensch und führte ein glückliches Eheleben. Mit diesem Wissen würden wir ihr ganzes Weltbild zerstören und das wäre gewiss nicht gut für sie. Wir mussten sie beschützen und gleichzeitig alles Schlechte von ihr fernhalten. In diesem Augenblick fragte ich mich, wie ich so dumm sein und fast von hier verschwinden konnte, wo ich doch eigentlich nur bei ihr bei ihr sein wollte?!
„Ihr belastet mich nicht, aber ich danke euch für die Rettung oder was auch immer da auf der Lichtung passiert ist. Ich sollte wohl jetzt besser gehen“, sprach sie, während ihr Blick plötzlich auf meinen traf. Erneut ärgerte ich mich, dass meine Fähigkeit nicht bei ihr funktionierte. Ihre Gedanken bleiben mir verwehrt.
„Möchten Sie sich nicht noch etwas ausruhen?“, fragte Esme besorgt.
„Danke, aber das kann ich gleich zu Hause machen. Es geht mir ja auch schon wesentlich besser.“
„Trotzdem sollten Sie heute lieber nicht alleine nach Hause gehen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann würde ich sie eben fahren.“
„Das kann doch auch Edward machen, Dad.“ Emmett zwinkerte mir schelmisch zu, was ich nur mit einem wütenden Grummeln quittierte. Mochte sein, dass ich jetzt gegen Bellas Blut immun war, allerdings wollte ich auch nicht sofort das Risiko eingehen und mich mit ihr in ein stickiges Auto setzen.
„Würdest du das machen, Edward?“ Carlisle musterte mich eindringlich, während nun auch die anderen Blicke auf mir lagen. Ich wusste, dass sie mir das alle noch nicht zutrauten, deshalb wollte ich es ihnen erst recht beweisen.
„Klar.“
„Na dann. Wäre es Ihnen recht, wenn mein Sohn Sie fährt?“
Bella schien ein wenig zu zögern, aber dann nickte sie und begann zaghaft zu lächeln – ein Lächeln, was mich schier verrückt machte.
Bella
Nachdem feststand, dass Edward mich nach Hause fahren würde, war mir auf einmal ausgesprochen unbehaglich zu Mute. Nicht, weil ich ihn nicht leiden konnte und auch nicht, weil er mein Schüler war, sondern einfach, weil ich das Gefühl hatte, dass es ihm nicht sonderlich gefiel.
Seine Miene wirkte noch immer unergründlich, selbst als wir hinaus zu seinem Auto traten. Gentlemanlike hielt er mir die Beifahrertür auf, was überhaupt nicht zu dieser Situation passte. Wenn ich recht überlegte, passte es noch nicht einmal zur heutigen Zeit. Er war wirklich ganz anders, als all die Schüler, die ich bisher unterrichtet hatte. Doch das traf nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine gesamte Familie zu.
Seine Eltern wirkten nicht viel älter als er selbst, deshalb fragte ich mich, ob sie ihre Kinder vielleicht adoptiert hatten. Aber sie haben alle diese goldbraunen Augen.
„Was denkst du?“ Edward startete den Motor und wir rasten über den Schotterweg, hinaus auf die Straße.
„Deine Eltern sehen ziemlich jung aus.“
„Ich nehme an das ist ein Kompliment?“ Er begann leise zu lachen, was mich irgendwie verwunderte, da er mir eben noch das Gefühl gab, nicht erwünscht zu sein.
„Also... Ja natürlich, aber...“
„Aber was?“ Sein Blick bohrte sich in meinen. Er wirkte angespannt und faszinierend zugleich.
„Ihr geht alle schon auf die High School und sie sehen aus, als hätten sie gerade mal das College abgeschlossen.“
„Ist das so schlimm?“
„Nein, aber ungewöhnlich.“
„Na ja, für die beiden stand schon recht früh fest, dass sie Kinder haben wollen und deshalb haben sie uns adoptiert.“
„Oh, tut mir leid, das wusste ich nicht.“ Das erklärte wenigstens schon mal den geringen Altersunterschied, trotzdem verstand ich nicht, warum sie sich auf irgendeiner Art und Weise so ähnlich sahen? Lag es tatsächlich nur an der Blässe und derselben Augenfarbe?
„Kein Problem. Weißt du, wir sind solche Fragen schon gewohnt. Ich darf doch Du sagen, oder?“
„Klar. Ich habe es Alice ja auch angeboten. Ihr habt mir geholfen und dafür wollte ich mich ein bisschen erkenntlich zeigen. Allerdings sollten wir es im Unterricht lieber beim Sie belassen.“
„Natürlich.“ Edward konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn.
„Du musst gleich links abbiegen und danach dürften wir schon da sein.“
„Du wohnst gar nicht so weit von der Schule entfernt.“
„Tja, so hab ich's leichter.“ Ich kicherte leise, was mich selbst ein wenig verwunderte, denn normalerweise verhielt ich mich in Gegenwart eines Schülern nicht so.
Doch was war an dem heutigen Tag schon normal?
„Die-dieser Mann, den ich auf der Lichtung gesehen habe... Seine Haut hat geglitzert wie ein Diamant. Er... er hat mein Blut gekostet.“
Plötzlich machte das Auto eine Vollbremsung. Edward hielt mitten auf der Straße an und umklammerte zitternd das Lenkrad.
„Hat er dich gebissen?“, fragte er forsch nach.
„Er... nein, natürlich nicht!“
„Wie kam er dann an deinem Blut, Bella?“
„Seine Fingernägel... sie haben sich in mein Kinn gebohrt. Es ging alles so schnell. Ich kann mich nicht richtig erinnern. Er meinte nur, es schmecke köstlich.“
„Du solltest das nächste Mal, wenn du ohnmächtig wirst, nicht so einen Mist träumen!“
„Aber du hast mich doch gerade selbst gefragt, ob...“
„Es ist besser, wenn du hier aussteigst“, unterbrach er mich zornig.
Was machte ihn denn jetzt so wütend? Ich verstand es nicht. Ich verstand ihn
nicht!
„Du klangst gerade ziemlich überrascht.“
„Bella, bitte steig aus!“
„Ihr verheimlicht mir etwas. Ich habe mir diesen Mann nicht eingebildet, stimmt's?“
„Du bist müde und die Fantasie geht mit dir durch. Bitte geh jetzt nach Hause.“
„Es reicht mir nicht zu wissen, dass ihr mich gerettet habt. Ich möchte auch erfahren, vor wem oder was?!“, schrie ich, während ich mich aus dem Sitz befreite und die Beifahrertür öffnete. „Ich werde es schon noch herausfinden!“ Mit diesen Worten stieg nun aus dem Auto. Dann knallte ich die Tür zu und lief davon, nach Hause – da wo mein
Jacob auf mich wartete.
Kapitel 12
Bella
Langsam öffnete ich die Haustür. Ich wusste, dass sich Jacob zu Hause befand, denn sein Auto stand bereits in der Auffahrt. Ausgerechnet heute machte er also keine Überstunden, sodass ich ihm auf jeden Fall eine Erklärung schuldig sein würde.
Doch sollte ich ihm wirklich die Wahrheit erzählen?
Dass meine Schüler mich vor etwas gerettet hatten, von dem ich noch nicht einmal sagen konnte, ob es tatsächlich existierte?
Würde er mir überhaupt Glauben schenken?
Ich konnte es nicht sagen, denn Dank Edward und seiner Familie herrschte in mir ein großes Gefühlschaos. Schon von Anfang an hatte ich mich zu diesen beiden Schülern hingezogen gefühlt. Sie waren anders als alle anderen und genau das machte sie zu etwas Besonderem. Irgendwas stimmte nicht mit ihnen, dem war ich mir nun sicher. Edwards Verhalten im Auto hatte es mir noch einmal gezeigt. Sie kannten diesen Mann, der sich auf der Lichtung befand und aus irgendeinem Grund wollten sie mich von ihm fernhalten.
Wenn ich doch nur wüsste…
„Bella, da bist du ja.“ Jacob unterbrach meinen Gedankengang und kam breit grinsend auf mich zugelaufen.
„Tut mir leid, ich ähm… war noch auf einem Lehrertreffen.“ Diese Ausrede war völlig aus der Luft gegriffen, doch ich hoffte inständig, dass er es nicht bemerkte. Eigentlich hätte ich ihm genauso gut die Wahrheit erzählen können, doch irgendwas hielt mich davon ab. Dieses Etwas zog und zerrte an mir und am liebsten wollte ich nur noch in mein Bett und dieser Unterhaltung aus dem Weg gehen.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Ich hang die Jacke auf und lief ins Wohnzimmer. Jacob kannte mich viel zu gut, deswegen war es eigentlich fast unmöglich ihm etwas zu verschweigen. Aber dennoch – ich wollte es wenigstens versuchen. „Klar, alles bestens.“
„Du siehst müde aus.“
„Es war ja auch ein anstrengender Tag.“
„Verstehe“. Jacob nickte und setzte sich zu mir aufs Sofa. Er nahm mich einfach nur in den Arm und sagte nichts weiter, doch selbst das fühlte sich in diesem Moment nicht richtig an. Ich hatte das Gefühl eine Straftat begangen zu haben, nur weil ich von einem Schüler nach Hause gebracht wurde.
„Und wie war es bei dir auf der Arbeit? Habt ihr etwas Genaueres über die Blutspuren im Wald herausgefunden?“
„Nicht wirklich. Es ist uns immer noch ein Rätsel, wer dafür verantwortlich sein könnte. Ein Tier kann so etwas unmöglich anrichten, aber auch ein Mensch wäre eigentlich nicht in der Lage dazu. Wir beschäftigen uns schon seit Tagen damit und heute hat Charlie mich früher entlassen. Er wollte sich alleine darum kümmern, damit ich mal wieder mehr Zeit mit dir verbringe. Er ist der Meinung, dass du mich sonst irgendwann womöglich nicht mehr ins Haus hineinlässt.“
Er begann lauthals zu lachen und fügte noch hinzu: „Aber heute durfte ich dich endlich mal empfangen. Das mag vielleicht komisch klingen, aber ich habe mich darüber gefreut. Bella, du sollst nicht denken, dass…
„Jake, ich denke gar nichts. Es ist nur… Ich bin ziemlich müde, verstehst du?“
„Ja, ein langer Tag und so. Ich dachte nur, wir würden heute Abend vielleicht noch etwas unternehmen?“
Seine rehbraunen Augen trafen auf meine und wieder einmal konnte ich ihm nicht widerstehen. Wenn er schon nicht die Wahrheit über meinen heutigen Tag erfuhr, dann sollte er wenigstens einen ehrlichen Abend mit mir verbringen. Ich wollte für ihn die Frau sein, die er verdiente – ihm all meine Lieben entgegenbringen!
„Was hältst du von einem Diner oder einem Kinobesuch?“
„Ich hatte da eher an einen ruhigen Abend zu zweit gedacht. Nur wir beide.“
„Klar, warum nicht.“ Jacob zog mich noch etwas näher in seine Arme und für einen kurzen Augenblick blieb mir die Luft zum Atmen weg. Mich überkamen Ängste und Zweifel, die ich jedoch nichts zuordnen konnte. Ich wusste nur, dass ich mich auf einmal fremd in seiner Näher fühlte.
Deshalb fiel es mir auch so unglaublich schwer die glückliche Ehefrau zu spielen.
Doch lagen Glück und Leid nicht nah beieinander?
„Sollen wir einen Film schauen?“
„Gerne.“ Ich nickte. Auf in den Kampf!
Edward
Carlisle stand bereits am Eingang, als ich die Auffahrt zu unserem Haus entlang fuhr.
„Na, ist alles gut gegangen?“
„Das sollte Alice doch wohl am besten wissen“, antwortete ich schnippisch.
„Ja natürlich, aber sie hat im Moment ihre eigenen Sorgen. Ich möchte sie nicht immer damit belasten.“
„Gibt es etwas Neues von Jasper?“ Keiner von den anderen wagte es mehr seinen Namen auszusprechen, doch ich wollte mich dieser Albernheit nicht anschließen. Mochte sein, dass er unsere Familie ohne ein Wort verlassen und Alice damit wahrscheinlich für immer das kalte Herz gebrochen hatte, doch irgendwie war er ja mal ein Teil von uns gewesen, egal auswelchem Grund man nun nichts mehr von ihm hörte.
„Nein, aber du solltest Alice lieber nicht mehr darauf ansprechen. Das ist besser für den Heilungsprozess, verstehst du?“
„Bist du dir da sicher, Carlisle? Müsstest nicht gerade du wissen, dass Liebe nicht einfach so erlischt? Es tut mir wirklich leid, dass ich dir in dieser Hinsicht widersprechen muss, aber ich glaube nicht an eine Heilung!“
Nach diesen Worten trat ich ins Haus, vorbei an den anderen und in die Richtung meines Zimmers. Ich wollte jetzt nur noch alleine sein und über das Geschehene nachdenken – über Bella
. Sie war der Grund, warum ich Alice plötzlich mehr verstand, als jeden anderen in meinem bisherigen Vampirleben. Gefühle entwickeln sich einfach so – irgendwann –, an einem Ort den man vielleicht gar nicht vermutet und sind sie einmal da, so wird man sie gewiss nie mehr los. Mochte sein, dass die Zeit alle Wunden heilte und der Schmerz irgendwann verblasste, doch eine Narbe würde immer zurückbleiben. Bella war also bereits ein Teil von mir geworden, den ich nie wieder loslassen könnte. Ab sofort musste ich sie vor allem Bösen schützen, ohne allerdings ein Teil ihres Lebens zu werden. Ich passte nicht in ihre Welt, deshalb wollte ich sie wenigstens glücklich sehen.
Am nächsten Morgen war ich Bella das erste Mal zur Schule gefolgt. Ich hatte gesehen, wie sie sich mit einem Abschiedskuss von ihrem Mann losgelöst und dann beinahe einen Stolperer gemacht hatte. Während der Autofahrt war ich ihr in einem sicheren Abstand gefolgt, nur um sie in einem Notfall retten zu können.
Er kann jederzeit wieder zuschlagen
, das war mein Divise, allerdings steckte da viel mehr hinter. Ich mochte es Bella zu beobachten. Wie sie mit ihren hektischen Schritten in das Schulgebäude lief und sich dabei immer wieder verlegen umschaute. Sie hatte eine ganz eigene Art dieses Leben zu meistern und obwohl sie im ersten Moment zerbrechlich wirkte, besaß sie dennoch eine enorme Stärke in sich. Schon gestern während der Autofahrt hatte sie dies bewiesen. Allerdings wollte ich mit allen Mitteln verhindern, dass sie die Wahrheit über uns herausfand.
Ihr Menschen passt nicht in unsere Welt, genauso wenig wie wir in Eure.
Schnell stieg ich aus dem Auto, als Emmett plötzlich neben mir auftauchte.
„Warum bist du heute so früh aufgebrochen?“
„Irgendeiner muss sie ja beschützen.“
„Glaubst du wirklich, dass er hier einfach so auftaucht? Er weiß ganz genau, dass er keine Chance gegen uns hat.“
„Woher willst du das wissen, Emmett?“, schrie ich, „Du kennst ihn überhaupt nicht. Er hat meinen vollen Namen genannt und er hat Bellas Blut gekostet. Ich glaube kaum, dass man so etwas auf die leichte Schulter nehmen sollte.“
„Er hat was? Aber ich dachte, er hätte sie nicht gebissen. Ich mein… wir…“
„Nein, das hat er auch nicht, aber er hätte es jede Sekunde tun können. Wir waren zur selben Zeit am richtigen Ort, doch darauf können wir uns nicht immer verlassen. Ich für meinen Teil werde Bella nicht mehr aus den Augen lassen.“
„Meinst du nicht, wir sollten ihr die Wahrheit sagen? Sie scheint nicht doof zu sein und ich glaube, sie verkraftet das.“
„Bist du verrückt?“ Wieder ging meine Stimme eine Oktave höher, allerdings schien keiner der Schüler unsere Diskussion mitzubekommen.
„Wieso denn nicht, Edward? Ich dachte sie ist dir wichtig.“
„Das ist sie und deshalb wird sie auch nichts davon erfahren“, sprach ich forsch. Während wir uns nun in menschlicher Geschwindigkeit dem Schulgebäude näherten, machte Emmett sich auf den Weg zu Mike Newtons Unterricht. Ich hingegen war plötzlich unschlüssig, ob ich Bella an diesem Tag unter die Augen treten sollte.
Doch irgendjemand musste ja ein sicheres Auge auf sie werfen. Ohne Alice Gabe konnte schließlich keiner wissen, was als nächstes passierte.
Kapitel 13
Bella
Schnellen Schrittes verließ ich das Schulgebäude. Ich wusste, dass er mich verfolgte, denn er tat es bereits den gesamten Tag. Ich hatte am Morgen sein Auto erkannt, das in unmittelbarer Nähe unseres Hauses gestanden hatte. Es war reiner Zufall gewesen, denn wäre Jacob nicht noch einmal ins Haus gegangen, dann wäre ich vermutlich nicht auf die Idee gekommen, meinen Blick ein wenig durch die Ferne schweifen zu lassen. Eigentlich war ich morgens viel zu müde, um überhaupt irgendwelche Dinge zu registrieren, aber sein silberner Volvo stach mir sofort ins Auge. Natürlich hätte es auch das Auto eines anderen sein können, aber niemand in Forks fuhr mit solch einem makellosen Wagen herum. Irgendwelche Spuren gab es immer, doch nur auf Edwards Volvo schien das nicht zuzutreffen.
Für einen Schüler in diesem Alter sehr ungewöhnlich
, dachte ich und hinzu kam noch, dass sich normalerweise kein junger Mann solch ein teures Auto leisten konnte.
Langsam beschlich mich ein ungutes Gefühl und die Tatsache, dass er mich nun schon wieder verfolgte, verstärkte dies. Es war zum verrückt werden, denn eigentlich wollte ich nur noch eins: Bei meinem
Jacob sein! Doch dieser würde erst am späten Abend zurückkehren und ich müsste deshalb den restlichen Tag alleine verbringen.
Es sei denn... Mein Blick wanderte nach hinten, doch von Edward fehlte jegliche Spur. Höchstwahrscheinlich hatte er sich in irgendeiner Ecke versteckt.
Na dann, wollen wir mal sehen wie lange du mich noch verfolgen wirst, Cullen!
Ich stieg ins Auto, startete den Motor und fuhr los. Zwar wusste ich noch nicht, wohin mich das alles brachte und ob ich ich nicht doch ein wenig übertrieb, aber irgendwie fühlte es sich richtig an. Der frische Fahrtwind – der durch die geöffnete Fensterscheibe wehte – fühlte sich unglaublich gut an. Einfach mal nicht das zu tun, was ich für gewöhnlich tat, sondern etwas zu riskieren. Seitdem ich mit Jacob verheiratet war, hatte ich mich schon lange nicht mehr so frei gefühlt. Es war nicht so, dass er mir in unserer Ehe keinen Freiraum ließ. Das Problem lag eher an mir, denn in seiner Nähe wollte ich stets vernünftig sein. Ich wollte kein unbeholfener Teenager mehr sein, auch wenn ich mir manchmal nichts sehnlicher wünschte. Mit Edward war es in diesem Moment so einfach. Er verfolgte mich – aus welchem Grund auch immer –, aber er stellte mein Verhalten nicht in Frage. Im Grunde kannte er mich ja auch nicht und trotzdem fühlte es sich so vertraut mit ihm an.
Mein Blick wanderte zum Rückspiegel. Hinter mir, in sicherer Entfernung, fuhr ein silberner makelloser Volvo.
„Ha, ich wusste es!“ Ich begann zu lachen. Ich erkannte mich in diesem Moment selbst nicht wider, denn eigentlich gab es für mich nichts Schlimmeres als eine Verfolgungsjagd, doch Edward machte mir keine Angst.
So absurd sein Verhalten auch war, ich wusste, warum er es tat. Er wollte mich beschützen, das hatte ich gestern in seinen Augen gesehen.
Doch warum sorgte sich ein Schüler so um mich?
Auch wenn ich die Antwort tief in mir kannte, wollte ich es nicht wahrhaben.
Lieber sah ich das Ganze als ein Spiel. Und ich war mir sicher, dass ich dieses so gut wie gewonnen hatte.
Schnell bog ich in die nächste Straßenecke ein. Der Volvo fuhr jetzt ganz dicht hinter mir, doch ich bot ihm keine Chance mich zu überholen.
„Du magst zwar das bessere Auto besitzen, aber du hast nicht die Jahrelange Erfahrung, die ich habe.“
Ich beschleunigte den Motor und raste nun mit der höchsten Geschwindigkeit, die mein Auto zu bieten hatte, durch die Seitengasse. Auch wenn das was wir hier taten nicht ganz ungefährlich war, ließ ich mich nicht davon abhalten. Mochte sein, dass ich eigentlich eine erwachsene Frau war, doch in diesem Moment fühlte ich mich wieder wie ein 17 Jähriges Mädchen, das die Gefahren zwar kannte, sie jedoch einfach ignorierte und sich auf das Abenteuer einließ.
Edward hatte Schwierigkeiten mir zu folgen, denn diese Seitengasse erwies sich schmaler als gedacht.
Doch als ich wieder nach vorne sah, begriff ich, warum er sein Tempo verringert hatte. Vor mir befand sich eine Mauer. Es gab keine weitere Abzweigung oder sonst irgendeine Ausweichmöglichkeit. Eine Sackgasse!
So fest ich konnte trat ich auf die Bremse, aber in diesem geringen Abstand konnte ich den Wagen unmöglich zum Stehen bringen. Es blieb mir nur noch die Zeit, um rechtzeitig meine Augen zu schließen und auf das zu warten, was nun kommen würde.
Edward
Spätestens als Bella nicht den gewöhnlichen Weg nach Hause nahm, wusste ich, dass sie mich bemerkt hatte. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, denn auch wenn sie die Kunst besaß, sich in lebensbedrohliche Situationen zu stürzen, so nahm sie ihre Umgebung dennoch intensiv wahr.
Trotzdem blieb mir in diesem Moment nichts anderes übrig als ihr zu folgen. Denn wenn ich es nicht tat, würde gewiss die Gefahr bestehen, dass ihr wieder etwas zustoßt.
Und das werde ich nicht zu lassen!
Ich umklammerte fester das Lenkrad und beschleunigte den Motor. Sie sollte ruhig die Führung übernehmen, irgendwann würde es ihr schon langweilig werden.
In diesem Augenblick wünschte ich mir nichts sehnlicher als ihre Gedanken lesen zu können. Warum tat sie das? Wollte sie sich einfach nur einen Spaß erlauben und mich abwimmeln oder was steckte hinter ihrer Aktion?
Diese Frau wurde immer mehr zu einem Rätsel für mich, denn noch nie war ich solch einem Menschen begegnet. Die Lehrer, die ich bis dahin kannte, würden sich niemals auf dieses Spielchen einlassen. Aber dazu hätten sie ja auch keinen Grund gehabt.
Bella war die einzige, die ich begehrte und die ich je begehren würde.
Es gefiel mir, dass sie sich darauf einließ.
Nach einer Weile bog sie schließlich in eine Seitengasse ein, obwohl es sich hierbei eindeutig um eine Sackgasse handelte. Hatte sie etwa nicht das Schild bemerkt?
Schnell folgte ich ihr, denn plötzlich beschlich mich ein ungutes Gefühl.
Sie beschleunigte ihre Geschwindigkeit, obwohl diese Straße jeden Moment zu Ende sein könnte. Solch ein risikohaftes Verhalten traute ich ihr gewiss nicht zu, deshalb ging ich davon aus, dass sie das Schild tatsächlich übersehen hatte.
„Bella, was tust du da`?“, schrie ich, doch sie schien meine Stimme nicht zu hören. Noch immer vergaß ich, dass die Menschen ja nicht so ein gutes Gehör wie wir besaßen. Aufgrund der tosenden Motoren und der zu großen Entfernung, konnte ich sie unmöglich warnen. Also blieb mir nur noch eine Wahl.
In letzter Minute verließ ich das Auto und stürmte in unmenschlicher Geschwindigkeit auf die Mauer zu. Dann sah ich ihren Wagen, der sich zwar verlangsamte, aber noch lange nicht zum Stehen kam. Dies würde ich nun ändern! Mit aller Kraft stemmte ich mich dagegen, um sie vor der steinharten Mauer zu schützen und so in letzter Sekunde einen Aufprall zu verhindern.
Bella
Ich wartete auf den darauffolgenden Knall oder auf irgendein anderes Zeichen, dass sich jeden Augenblick bemerkbar machen müsste. Doch außer einem kurzen Ruck war nichts zu spüren und ich fragte mich, ob sich so vielleicht das Sterben anfühlte.
Gibt es tatsächlich ein Leben nach dem Tod?
Immerhin spürte ich keine Schmerzen oder sonstige Anzeichen für Verletzungen.
Also musste ich mich bereits im Himmel befinden.
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch die Angst hinderte mich daran. Ich wollte nicht wissen, was mich nun erwartete – noch nicht!
„Bella? Bella, geht es dir gut?“ Eine panische Stimme drang an mein Ohr. Selbst in dieser Situation, erkannte ich den unverwechselbaren Klang seiner Stimme. Niemand sprach so wunderschön wie er.
„Bella, hörst du mich? Hast du Schmerzen?“
Nein, natürlich nicht
, dachte ich. Wie denn auch, wenn ich nicht mehr lebte?
Wahrscheinlich handelte es sich sowieso nur um eine Illusion, denn Edward konnte unmöglich ebenfalls tot sein.
„Hör zu... ich werde dich jetzt hier herausholen.“ Ich spürte zwei harte Arme, die mich hochhoben und in nächster Sekunde hatte man mich bereits wieder niedergelassen. Auch wenn ich noch immer vor dem Angst hatte, was mich nun erwartete, so wollte ich mich nicht länger davor verstecken. Ganz langsam öffnete ich meine Augen und erkannte Edward, der am Steuer saß und mit ernster Miene auf die Fahrbahn starrte.
Sah so der Himmel? Das konnte unmöglich sein!
„Wie... wieso lebe ich noch?“, war das einzige, was ich herausbrachte.
„Das klingt ein wenig enttäuschend, wenn du mich fragst.“
„Nein, ich meine... wieso gab es keinen Knall? Da war diese Mauer und ich konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen...“
„Du hattest Glück“, unterbrach mich Edward, doch ich wusste es besser.
„Das kann nicht sein. Niemals! Ich habe es doch gesehen.“
„Bella, bitte beruhige dich. Du stehst wahrscheinlich unter Schock.“ Seine goldbraunen Augen trafen auf meine und obwohl ich noch so viele Fragen an ihn hatte, sank ich einfach tiefer in den Sitz und starrte aus dem Fenster.
Seitdem ich Edward kannte, passierten mir ständig komische Dinge. Natürlich war ich schon früher anfällig für Unfälle gewesen, aber noch nie hätte es mich fast das Leben gekostet. Hinzu kam, dass die Cullens sich in solchen Situationen äußerst merkwürdig verhielten.
„Was ist mit meinem Auto?“, setzte ich nach einer Weile wieder an.
„Ich werde es nachher in eine Werkstatt bringen, okay?“
„Also hat das Ganze doch seine Spuren hinterlassen.“
„Ja, aber das Wichtigste ist doch, dass es dir gut geht, nicht wahr?“
Ich nickte, denn in diesem Fall musste ich ihm ausnahmsweise recht geben. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass er mich vor diesem Aufprall bewahrt hatte. Das ist unmöglich, aber
... „Danke“, wisperte ich mit leiser Stimme.
„Wofür?“
„Einfach, weil du da warst“, antwortete ich und zum ersten Mal begann sich Edwards Miene zu verändern. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Er sah noch so viel schöner aus, wenn er lächelte.
„Ich möchte einfach nicht, dass dir noch einmal etwas zustößt. Es tut mir leid, dass ich auch heute wieder versagt habe.“
„Deswegen hast du mich verfolgt?“, fragte ich verwirrt nach.
„Jemand muss dich doch beschützen, oder nicht?“
„Nein, eigentlich kam ich bisher auch gut alleine zurecht.“ Aber seitdem du in mein Leben getreten bist, ist alles aus dem Gleichgewicht geraten
, fügte ich noch in Gedanken hinzu.
„Weißt du, manchmal ändern sich die Dinge.“
„Ja, das stimmt wohl“, murmelte ich und für den Rest der Fahrt verfielen wir wieder ins Schweigen.
Als wir endlich vor meinem Haus hielten, stand Jacob bereits an der Eingangstür. Seinem Blick nach zu urteilen, schien er nicht sonderlich begeistert über die Tatsache, dass ich in dem Auto eines Fremden saß.
„Ich werde dich noch kurz begleiten“, sprach Edward, doch ehe ich ihn davon abhalten konnte, war er schon aus dem Auto gestiegen und hatte mir die Autotür geöffnet.
„So so, ein Gentleman“, säuselte Jacob, als wir endlich die Veranda betraten.
„Es ist nicht so wie es aussieht.“
„Das sagen sie alle.“ Jake begann gehässig zu lachen und sofort begriff ich, dass er Edward nicht leiden konnte. Zwar kannten sich die beiden überhaupt noch nicht, aber es gab oft Menschen, die sich auf Anhieb unsympathisch waren. Komischerweise erinnerte mich das an Jessica, die in der High School vorgab einer meiner besten Freunde zu sein.
So kann man sich täuschen.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen Sorge bereitet habe. Bella hatte einen kleinen Autounfall und ich habe mich bereit erklärt sie nach Hause zu bringen.“
„Wie bitte?“ Sofort wand sich Jacob an mich. „Geht es dir gut, Bella Schatz? Bist du verletzt?“
„Nein, Jake. Ich... es ist alles in Ordnung. Edward Cullen ist einer meiner Schüler, er hat mich durch Zufall entdeckt.“
„Verstehe...“ Er schien nicht so recht glauben zu können, dass es sich bei diesem gutaussehenden Mann – der auf Anhieb viel mehr Lebenserfahrung ausstrahlte als er selbst – um einen meiner High School Schüler handelte. „Und wo ist das Auto?“
„Es ist noch am Unfallort. Edward wollte es in eine Werkstatt bringen.“
„Nein, überlasst das bitte mir.“
„Sie brauchen sich keine Umstände zu machen. Ich werde die Reparaturkosten übernehmen.“
„Ich möchte mich aber darum kümmern, also bring das Auto bitte hierhin.“
„Es ist wirklich nicht nötig“, versicherte Edward, doch Jake schien dies als eine Beleidigung anzusehen. Wütend starrte er auf den silbernen Volvo, der noch immer im makellosen Glanz erstrahlte.
„Du brauchst nicht denken...“
„Schatz, bitte“, unterbrach ich ihn. Dann wand ich mich an Edward. „Mein Mann kennt sich gut mit Autos aus. Er schraubt in seiner Freizeit öfter an ihnen herum, du kannst ihm also ruhig die Reparatur überlassen.“
„Na, schön. Ich werde dein Auto so schnell es geht vorbeibringen.“
„Danke“, hauchte ich, in der Hoffnung, dass er mir diese unangenehme Begegnung nicht übel nahm. Doch als er sich mit einem „Du solltest besser zu einem Arzt gehen“ von mir verabschiedete, hatte ich das Gefühl, Jacob habe ihn zutiefst gekränkt.
„Du hättest ruhig ein wenig netter zu ihm sein können, immerhin ist er mein Schüler“, sprach ich wütend, während wir gemeinsam das Haus betraten.
„Genau deswegen, Bella. Schüler retten nicht ihre Lehrer!“
Ich musste schlucken. Das Ganze entwickelte sich zu einer Sache, die ich nicht mehr kontrollieren konnte. Was war nur in mich gefahren?
Kapitel 14
Edward
Gleich nachdem ich Bellas Grundstück verlassen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Unfallstelle. Zu meinem Glück hatte noch niemand etwas davon bemerkt, sodass ich in Ruhe die Beule des Wagens ein wenig zurecht biegen und es unbemerkt zu Bellas Haus bringen konnte. Doch wie ich bereits ahnte, blieb dies von ihrem Mann nicht unbemerkt. Er stand am Küchenfenster, eine Zigarette in der Hand (jaa Jacob raucht .. er hat sich in den Jahren ein wenig verändert^^) und starrte hinaus auf den Parkplatz. Seine Miene war weiterhin ernst, was mir noch einmal deutlich zeigte, wie wenig er mich mochte. Aber was war überhaupt der Auslöser dafür?
Ich verstand das Verhalten der Menschen manchmal nicht und dieser Jacob schien zu einer ganz komplizierten Kategorie zu gehören. Mit seinem durchtrainierten Körper und den muskulösen Oberarmen, stellte er so gut wie jeden Sportler in den Schatten.
Was findet sie nur an ihm?
Kopfschüttelnd stieg in meinen silbernen Volvo und schon in wenigen Minuten erreichte ich unser Haus. In der Nacht konnte man ungehindert durch die Straßen fahren, denn nur die wenigsten Polizisten achteten dann auf die Geschwindigkeitsbegrenzung. Wobei ich mir sicher war, dass dieser Jacob mit aller Wahrscheinlichkeit sehr wohl darauf achtete. Heute Nachmittag trug er eine Polizeiuniform, was mich ein wenig verwunderte, denn Bella hatte nie erwähnt, dass sie mit einem Polizisten verheiratet ist. Aber was erwartete ich auch?
Ihre Ehe ging keinem Schüler etwas an und vermutlich wäre es mir sogar egal gewesen, allerdings beschlich mich das ungute Gefühl, dass sie nicht wirklich glücklich mit diesem Jacob war. Er sah aus wie einer dieser Workerholiker, die ihren Beruf viel zu ernst nahmen und nachts sogar in ihrer Arbeitskleidung schliefen.
Im Haus traf ich auf Alice, die ganz alleine im Wohnzimmer saß und auf den Fernseher starrte. Es lief irgendeine Dokumentation, aber sie schien diese nicht wirklich zu verfolgen, denn ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um ein Thema. Sie versuchte dieses zu umgehen, doch ich konnte immer wieder Bellas Namen daraus vernehmen.
„Was ist passiert? Wo sind die anderen?“, fragte ich besorgt nach. „Alice?“ Ich setzte mich neben sie und begann leicht an ihrem Arm zu rütteln. Erst nach einigen Sekunden löste sie sich aus ihrer Starre.
„Ich... die anderen sind oben in ihren Zimmern.“
„Was ist denn los?“
„Es ist nichts, Edward.“ Alice starrte wieder auf den Fernseher, aber ich war schneller und schaltete diesen aus.
„Du sagst mir jetzt sofort, warum du die ganze Zeit an Bella denkst?!“
„Ich habe mir nur Sorgen gemacht und dachte vielleicht, dass du bei ihr bist.“
„Du lügst!“
„Edward“, stammelte sie und dann brach es plötzlich aus ihr heraus. „Ich habe etwas gesehen. Wie du weißt, sind meine Visionen nicht immer klar, denn die Zukunft kann sich jederzeit ändern – aber diese eine Sache habe ich ganz deutlich gesehen!“
„Es geht um Bella, habe ich recht?“
Sie nickte. „Es könnte sein, dass sie schon bald ein Vampir wird.“
„Was?“ Entsetzt starrte ich sie an. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit solch einer absurden Theorie. Bella könnte niemals zu einem Vampir werden, allein schon deswegen, weil ich es mit allen Mitteln verhindern würde. „Du irrst dich!“
„Ich denke nicht, Edward. Noch nie habe ich etwas so klar vor mir gesehen. Sie wird wunderschön sein.“
„Hör auf damit!“, schrie ich nun, doch das hinderte sie nicht im mindesten daran, fortzufahren.
„Du solltest die Tatsache akzeptieren. Es hat doch auch etwas Positives, immerhin könntest du durchaus ihr Herz erobern. Außerdem mag ich...“
„Was hast du nicht an meinen Worten verstanden, Alice? Jeder irrt sich einmal, auch ein Vampir! Bella... sie wird niemals so ein Monster werden wie ich, das würde ich zu verhindern wissen. Und was soll bitteschön so toll daran sein? Sie hat einen Ehemann, einen gutbezahlten Job – unsere Welt passt nicht zu ihr und wir passen nicht in ihre!“
„Woher willst du das wissen?“ Ihre Stimme war nun auch eine Oktave höher geworden und ich war mir sicher, dass die anderen uns bereits belauschten.
„Weißt du was ich glaube? Du machst dir in allen Dingen etwas vor. Es geht hier doch gar nicht um Bella, sondern um Jasper!“ Ich konnte hören, wie oben jemand die Luft scharf einsog, vermutlich, weil ich seinen Namen einfach so in Alice Gegenwart genannt hatte. Doch das war mir egal, denn sie musste endlich lernen, dass wir nicht für immer darauf Rücksicht nehmen konnten.
„Wie... wie kommst du jetzt darauf?“
„Du willst dein Gewissen bereinigen, indem du Bella und mich zusammenbringst – aber ich sag dir jetzt mal was: Jasper ist nicht gegangen, weil du etwas falsch gemacht hast. Du trägst keine Schuld an seinem Verschwinden. Er hat es aus freien Stücken getan und dabei keine Rücksicht auf dich genommen. Wenn sich einer Vorwürfe machen müsste, dann er!“
„Wie kannst du so etwas sagen?“ Alice schien zutiefst gekränkt, das konnte ich ihrem Blick entnehmen.
„Es tut mir leid, aber das musste einmal gesagt werden.“
„Du hast doch überhaupt keine Ahnung. Du schwärmst für eine Lehrerin, die du gerade mal ein paar Wochen kennst, während ich schon ein ganzes Leben mit Jasper verbracht habe. Du weißt nicht im entferntesten wie ich mich fühle, also unterstelle mir nicht irgendwelche Machenschaften!“ Nach diesen Worten verschwand sie nach oben und ließ mich alleine im Wohnzimmer zurück.
Ich hätte nicht so hart zu ihr sein sollen
, dachte ich.
Aber musste man Alice nicht endlich einmal die Augen öffnen?
Mir kamen ihre Worte in den Sinn. Es hat doch auch etwas Positives, immerhin könntest du durchaus ihr Herz erobern.
Ja, vermutlich konnte ich das, aber ich hatte große Angst davor, am Ende ebenfalls alles zu verlieren.
Bella
Am nächsten Morgen kümmerte sich Jacob um mein Auto. Es war Samstag und eigentlich musste er arbeiten, doch komischerweise hatte er sich zum ersten Mal freigenommen. Das passte nicht zu ihm, deshalb war ich mir sicher, dass er es nur aus Trotz wegen Edward tat. Jeder sollte gleich wissen, dass er durchaus in der Lage war, ein beschädigtes Auto alleine zu reparieren.
Männer
, dachte ich, ist ihr Ego einmal angekratzt, müssen sie sich gleich der ganzen Welt beweisen.
Ich nahm das restliche Geschirr zur Hand und stellte es in die Spülmaschine. Dann trat ich hinaus und beobachtete meinen Mann ein paar Minuten bei seiner Arbeit. Wenn er sich etwas vorgenommen hatte, tat er dies mit äußerster Sorgfalt.
Nach einer Weile bemerkte er mich schließlich und winkte mich zu sich heran.
„Komm mal bitte, Bella. Sieh dir das an!“
Ich trat näher und starrte auf die Motorhaube. Dort war eine große Delle zu sehen, die überhaupt nicht zur robusten Mauer passte.
„Wie kann das sein?“
„Das frage ich mich auch. Ich habe ja schon einige beschädigte Autos repariert, aber noch nie ist mir so etwas untergekommen. Das kann unmöglich eine Mauer angerichtet haben. Es sieht aus, als hätte jemand versucht das Auto zu stoppen.“ Er begann laut zu lachen. „Jedenfalls würde das die verbeulte Motorhaube erklären.“
„Sehr witzig, Jake“, sagte ich, doch insgeheim beunruhigte mich seine Aussage. Es sah wirklich verdammt komisch aus, das konnte sogar ein unerfahrener Mechaniker erkennen.
„Natürlich kann ich das Auto trotzdem reparieren, aber bist du vielleicht noch irgendwo anders gegen gefahren?“
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Vielleicht standest du zu sehr unter Schock. Du solltest mal diesen Edward fragen.“ Er sprach seinen Namen so genervt aus, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte.
„Ja, das werde ich machen.“
„Möchtest du nicht lieber zu einem Arzt gehen? Nachher hast du doch irgendwelche inneren Verletzungen.“ Jacob musterte mich besorgt, woraufhin ich meinen Kopf schüttelte.
„Ich glaube, das würde ich merken. Außerdem hat Ed... hat er mir sofort geholfen.“
„Verstehe.“ Jake widmete sich wieder seiner Arbeit, während ich mit langsamen Schritten zurück ins Haus lief.
Warum empfand ich auf einmal wieder dieses komische Gefühl, was ich schon auf der Lichtung verspürt hatte? Als würde er mich anlügen.
Ich war mir sicher, dass er etwas zu verbergen hatte und ich war bereit es endlich herauszufinden.
Kapitel 15
Bella
Das Wochenende verlief ausgesprochen gut, wenn man davon absah, dass Jacob die meiste Zeit an meinem Auto herumschraubte. Jetzt hatte er sich auch noch in den Kopf gesetzt, den Wagen einen Extra Feinschliff zu verleihen. Es war zwar eine nett gemeinte Geste, aber natürlich wusste ich ganz genau, dass diese nicht wirklich mir galt. Ich interessierte mich nicht sonderlich für Autos, denn für mich waren es nur gewöhnliche Transportmittel und deshalb würde Jacob auch nie von alleine auf die Idee kommen und mein Auto auftunen. Nein, er tat es nur, um Edward seine Stärken vorzuweisen. Dass er sich damit ganz und gar lächerlich machte, verschwieg ich ihm, denn um ehrlich zu sein gefiel es mir. Schon lang nicht mehr, hatten Jacob und ich ein ganzes Wochenende zusammen verbracht. Es fühlte sich an wie Urlaub, auch wenn die zwei Tage relativ schnell umgingen. Nun befand sich mein Mann wieder auf dem Revier und ich selbst fuhr mit meinem fast schon niegelnagelneuen Chevrolet zur Schule. Einigen Schülern schien das Tuning aufzufallen, doch ich versuchte diese Blicke gekonnt zu ignorieren. Ich hatte keine Lust, irgendwelchen Teenager Auskunft über mein Auto zu geben.
In der Klasse angekommen, saßen bereits alle Schüler auf ihren Plätzen und ungewollt wanderte mein Blick zu Edward. Er wirkte heute noch in sich gekehrter als sonst und auch Alice sah irgendwie gequält aus.
„Guten Morgen. Holt bitte eure Bücher raus. Wir fangen sofort an!“
Standartsätze, die ich fast jeden Tag benutzte, weil ich sonst einfach nicht in den Unterricht fand. Es lag weniger an meinen Schüler als viel mehr an mir, denn ich war nicht unbedingt die geborene Lehrerin. Als ich damals aufs College ging und mich später für diesen Beruf entschied, hätte mir das niemand zugetraut. Aber erstaunlicherweise schlug ich mich bisher ganz gut, auch wenn ich wohl nie das Niveau eines Mike Newtons erreichen würde.
Na ja, ist vielleicht auch besser so
, dachte ich insgeheim, während mein Blick schon wieder unbemerkt auf Edward haften blieb. Zwischen ihm und Alice schien eine unsichtbare Spannung zu liegen, das konnte ich sogar aus dieser Entfernung spüren.
Ob etwas vorgefallen ist? Bella,
ermahnte ich mich selbst in Gedanken. Es konnte mir doch völlig egal sein, welche privaten Probleme meine Schüler beschäftigten. Außerdem waren gelegentliche Streits unter Geschwistern nichts Ungewöhnliches. Auch wenn ich selber keine besaß, hatte ich das schon oft bei Jacobs Familie mitbekommen.
Du machst dir einfach zu viele Gedanken…
Und dennoch - mein Entschluss etwas mehr über die Familie Cullen herauszufinden, stand fest!
„Wer von euch kann uns ein bisschen was zum Thema aus der letzten Stunde erzählen?“, fragte ich schließlich in die Runde und zu meiner Überraschung handelte es sich um Alice, die außerordentlich schnell
ihren Arm hob.
„Ja, bitte.“ Alice begann in melodischer Stimmlage über den vergangenen Unterricht zu erzählen, bis mir plötzlich einfiel, dass sie an diesem Tag überhaupt nicht in der Schule gewesen war. Wie kann das sein?
Mein Herz begann wie wild gegen meinen Brustkorb zu schlagen, denn während ihrer Erzählung machte Alice nicht einen einzigen Fehler. Sie gab alles so explizit wider, dass selbst Dinge vorkamen, die ich mir selbst noch nicht einmal gemerkt hatte.
„Du… du weißt aber gut Bescheid“, unterbrach ich sie nach einer Weile.
„Ich habe mich informiert.“
„Obwohl du krank warst?“, fragte ich zaghaft nach und zum ersten Mal konnte ich Edwards leises Grummeln vernehmen. Ihn schien das Ganze überhaupt nicht zu gefallen, was unweigerlich bedeutete, dass seine Schwester log. Sie alle lügen!
„Ich musste ja etwas Sinnvolles während meiner Abwesenheit tun.“ Alice zwinkerte mir strahlend zu, woraufhin ich nur verwirrt nickte.
„Hat dem noch irgendjemand etwas hinzuzufügen?“
Natürlich blieb meine letzte Frage unkommentiert, sodass ich einfach routiniert mit dem Unterricht fortfuhr.
Sie sind so unglaublich schnell und haben wunderschöne Stimmen. Ihre Augen sehen wie flüssiges Gold aus und heben sich deutlich von ihrem blassen Teint ab. Sie ähneln auf irgendeiner Weise dem unbekannten Mann auf der Lichtung, dachte ich. Doch einen großen Unterschied gab es. Seine Augen waren Blutrot.
Es fiel mir schwer, mich an alle Einzelheiten zu erinnern, aber ich war mir vollkommen sicher, dass er existierte. Solch eine Gestalt konnte ich mir einfach nicht ausdenken, vor allem, weil meine Verletzung am Kinn tatsächlich existierte.
Er wollte mein Blut kosten, aber warum?
Angestrengt ging ich alle Möglichkeiten durch, während ich mich mit großen Schritten auf den Weg zur Schulbibliothek machte. Anfangs war es nur eine dumme Idee gewesen, doch jetzt hatte ich das Gefühl dort wirklich fündig zu werden.
Vielleicht gab es ja tatsächlich unbekannte Wesen auf dieser Welt, die den Menschen zwar ähnelten, sich aber in vielerlei Hinsicht von ihnen unterschieden.
Doch würden sie sich dann nicht versteckt halten?
Ich musste augenblicklich an Hexen denken, doch ich bezweifelte stark, dass es sich hierbei um irgendeine Zauberei handelte. Es war vielmehr ihr Aussehen, was sie zu etwas Besonderem machte.
Ich beschloss, einfach mal in der Abteilung der Legenden und Sagen nachzuschauen, auch wenn es sich bei den meisten Sachen wahrscheinlich um großen Humbug handelte. Genauso hatte ich diese ganzen Geschichtsbücher zumindest bis jetzt gesehen. Dass daran eventuell etwas Wahres dran sein könnte, hätte ich nicht für möglich gehalten, aber die Ereignisse der letzten Wochen waren der beste Beweis dafür. Oder geht mit mir einfach nur die Fantasie durch, weil ich überarbeitet bin?
Ich schüttelte innerlich den Kopf. Die Delle am Auto hatte ja sogar Jacob gesehen und das konnte unmöglich eine Inszenierung gewesen sein.
Mein Blick wanderte durch die großen Regale. Das letzte Mal war ich in meinem Abschlussjahr hier gewesen, um über die Legenden von Forks zu berichten.
Das ist es! Ich erinnerte mich nur noch wage an dieses Buch, denn damals hatte mich der Inhalt nicht sonderlich interessiert, da der von mir so gefürchtete Abschlussball bevorstand und ich zu dieser Zeit an nichts anderes denken konnte.
Leider wusste ich überhaupt nicht mehr, wo sich dieses Buch befand, deshalb beschloss ich nachzufragen.
„Hallo, Miss Swan, welch eine Freude Sie hier mal wieder begrüßen zu dürfen. Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Bei der Bibliothekarin handelte es sich um eine ältere Dame, die schon damals zu meiner Schulzeit hier arbeitete. Da wir uns nur selten über den Weg liefen, wusste sie nicht, dass ich bereits verheiratet war.
„Ja, da haben Sie recht. Es hat sich bisher nie die Gelegenheit ergeben.“
„Aber jetzt brauchen sie meine Hilfe, stimmt’s?“
„Es geht um ein Buch, was ich damals in der Abschlussklasse ausgeliehen habe. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber es ging um Legenden.“
„Wollen Sie es jetzt für Ihren Unterricht verwenden?“ Die alte Frau begann schelmisch zu grinsen und sofort spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
„Ja, so ungefähr.“
„Dann wollen wir mal schauen.“
„Meinen Sie das hier?“, durchbrach plötzlich jemand die Stille und ich sah, wie Mike Newton mit einem Buch in der Hand die Bibliothek betrat. Seinem Grinsen nach zu urteilen, musste er uns eine ganze Weile belauscht haben.
„Ich denke nicht, dass Sie ausgerechnet das Buch haben, was ich suche.“
„Und wenn doch.“ Mike legte das dicke Exemplar auf den Tisch und tatsächlich – Die Legenden von Forks.
„Woher?“
„Na ja, ich wusste, dass Sie nur das Buch meinen können. Wir haben damals zusammengearbeitet, können Sie sich nicht mehr erinnern?“ Und ob ich mich erinnerte! Auch damals schon hatte Mike keine Minute gezögert, um sich an mich ranzumachen. Da bereits alle einen Partner hatten, musste ich dem wohl oder übel nachgeben.
„Und wozu brauchten Sie das?“, fragte ich forsch nach.
„Genau dieselbe Frage könnte ich Ihnen stellen.“
„Nu haben Sie ja das Buch, Miss Swan“, meldete sich wieder die Bibliothekarin zu Wort.
„Miss Swan?“, wollte Mike irritiert wissen.
„Tz… Danke“, antwortete ich schnippisch, nahm das Buch entgegen und verließ damit die Bibliothek.
„Frauen, die soll mal einer verstehen“, konnte ich Mike noch belustigt sagen hören, doch diese Worte versuchte ich einfach zu ignorieren. Vielmehr beschäftigte mich die Frage, warum er ausgerechnet dieses
Buch ausgeliehen hatte?
Edward
Der heutige Schultag war ein Desaster gewesen, was hauptsächlich an Alice lag, die sich einfach nicht an die Regeln halten konnte. Noch immer herrschte eine Anspannung zwischen uns und bisher wollte keiner von uns beiden nachgeben. Ich wusste, dass ich Alice mit meinen Worten verletzt hatte – was mir im Nachhinein auch leid tat –, aber ich würde dieses Gespräch trotzdem nicht rückgängig machen wollen. Irgendjemand musste ihr endlich die Augen öffnen und so sehr diese Erkenntnis auch schmerzte, würde es sie dennoch zum Schluss vor weiteren Vorwürfen bewahren. Wir alle waren von Jaspers Verschwinden erschüttert gewesen, doch im Gegensatz zu Alice, würden wir uns niemals selbst die Schuld dafür geben. Jasper wird seine Gründe gehabt haben, aber ich bin mir sicher, dass es nicht an Alice lag.
„Edward?“ Bellas liebliche Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken drehte ich mich um und sah sie mit schnellen Schritten auf mich zukommen.
„Was gibt’s?“ fragte ich so gelassen wie möglich nach.
„Ich… ich wollte mich noch einmal dafür bedanken, dass du das Auto noch am selben Abend zu mir gebracht hast.“
„Ist doch selbstverständlich.“
„Nein, ist es nicht. Weißt du, Jak… mein Mann hat sich direkt am nächsten Morgen dran gesetzt und es repariert.“
„Na, dann ist ja noch mal alles gut gegangen“, sprach ich beiläufig.
„Na ja, nicht unbedingt. Wir haben uns die verbeulte Motorhaube angeschaut und wir sind der festen Überzeugung, dass das unmöglich eine Mauer verursacht haben kann.“
„Was sollte es denn sonst gewesen sein?“ Unsicherheit machte sich in mir breit, doch ich versuchte diese so gut es ging zu verbergen. Langsam schien einfach alles aus dem Ruder zu laufen.
„Keine Ahnung. Ich dachte, du könntest mir das vielleicht sagen.“
„Bella, du bist selbst gegen diese Mauer gefahren, also was gibt es da bitteschön zu erklären? Es tut mir leid, aber ich muss jetzt auch los.“ Ich schloss den Volvo auf und wollte einsteigen, als sie plötzlich – ganz unverhofft – mein Handgelenk ergriff. Ihrem Blick nach zu urteilen, schien sie von meiner kalten Haut überrascht zu sein.
„Bitte warte! Ich…“
„Hey, Bella.“ Inmitten unseres Gespräches kam auf einmal Alice angetänzelt. Von den gestrigen Spuren war nichts mehr zu sehen. Wenn ich sie nicht besser kannte, hätte man sogar denken können, sie sei frisch verliebt. Doch es handelte sich nur um eine Fassade, die sie so oft wie möglich versuchte aufrechtzuerhalten.
„Was willst du, Alice?“
„Ich wollte mit Bella sprechen.“
„Und worüber?“, zischte ich leise, doch sie versuchte mich gekonnt zu ignorieren, indem sie mir einfach den Rücken kehrte und sich an unsere Lehrerin wendete.
„Bella, ich wollte Sie… ähm, ich meine dich fragen, ob du eventuell Lust hast uns morgen besuchen zu kommen? Wir würden uns sehr freuen, dich erneut begrüßen zu dürfen. Beim letzten Mal haben wir uns ja leider unter nicht so guten Bedingungen kennengelernt.“
„Alice…“ Bella machte eine kurze Pause und fuhr dann ungehindert fort. „Ich finde es wirklich sehr nett von euch, aber ich muss leider ablehnen. Als Lehrerin ist es mir nicht erlaubt, solch ein inniges Verhältnis mit meinen Schülern einzugehen. Wenn das jemand herausbekommt, könnte man denken, ich würde euch vorziehen.“
„Es soll ja auch ein rein privates Treffen werden. Ich versichere dir, dass meine Eltern keinesfalls nach unseren schulischen Leistungen fragen werden.“
„Alice, hast du sie nicht gehört?“, entgegnete ich forsch.
„Also überlegst du es dir noch mal?“
Plötzlich musterte Bella mich mit ihren schokobraunenn Augen. Ihr eben noch unsicherer Blick, verwandelte sich in pure Entschlossenheit.
„Wenn es wirklich nur rein privat ist, dann kann ich dieses Angebot wohl kaum abschlagen.“
„Also wirst du kommen?“ Bella nickte, während Alice sie voller Vorfreude zu umarmen begann. Hatte sie unsere Lehrerin wirklich so gern oder wollte sie mir damit einfach nur eins auswischen?
„Ich werde dich dann gleich nach der Schule abholen.“
„Ist okay, dann bist morgen.“ Noch einmal warf sie mir einen herausfordernden Blick zu, ehe sie winkend in der Ferne verschwand.
„Ist sie nicht wunderbar“, strahlte Alice voller Vorfreude.
„Du... du“, schnaubte ich, behielt die letzten Worte jedoch für mich und stieg stattdessen in mein Auto. Selbst als ich schon außer Sichtweite war, konnte ich noch Alice belustigte Gedanken hören. Das wird toll
!
Kapitel 16
Bella
Am späten Abend – Jacob befand sich noch immer auf dem Revier – saß ich in unserem Wohnzimmer und studierte das Buch der Legenden. Es ging um merkwürdige Dinge, die hauptsächlich im 18. und 19. Jahrhundert geschehen sein sollen. Es war die Rede von Hexen, Werwölfen und andere Gestalten, die man aus Fantasy-Büchern kennt. Besonders den Beschreibungen über die Hexen konnte ich keinen Glauben schenken. Es passte einfach nicht in das Bild, was ich von der Familie Cullen hatte. Nein, sie waren sicherlich keine Zauberer, die auf Besen flogen und irgendwelche Zaubersprüche von sich gaben. Allein der Gedanke daran brachte mich leicht zum Schmunzeln. Werwölfe konnte sie ebenfalls nicht sein, denn dafür wirkte ihre Haut viel zu Blass. Sie strahlten mehr Kälte als Wärme aus und wenn sie zu den Wölfen gehörten, dann müsste es eigentlich umgekehrt sein. Mir kam augenblicklich Edwards kaltes Handgelenk in den Sinn. Es hatte sich angefühlt wie ein leichter Stromschlag, nicht unangenehm, sondern eher ungewohnt. Bisher war mir noch nie ein Mensch begegnet, der solche kalten Hände hatte.
Ich schüttelte innerlich den Kopf. Vielleicht lag das auch einfach nur an der kalten Luft, denn hier in Forks war es wirklich nur selten warm. Obwohl ich selbst nun schon mehr als 10 Jahre hier lebte, schien sich mein Körper noch immer nach der Wärme Arizonas zu sehnen. Es könnte ja gut möglich sein, dass es Edward genauso erging, immerhin lebte seine Familie noch nicht alt so lange hier.
Aber was ist mit dem Mann auf der Lichtung? Warum haben sie ihn mir verschwiegen?
Eine Frage auf die ich noch immer keine Antwort wusste, doch auch dafür könnte es eine logische Erklärung geben. Sie wollten mich beschützen, soviel stand fest, und wahrscheinlich sollte ich ihnen einfach dankbar dafür sein.
Vielleicht steigere ich mich da tatsächlich in etwas hinein.
Ich klappte das dicke Buch zu und starrte auf die gegenüberliegende Wand, an der das Hochzeitsfoto von mir und Jake hing. Vor 5 Jahren hatten wir geheiratet und damals – so erschien es mir – war einiges noch um Längen leichter gewesen. Jacob hatte weniger gearbeitet und dementsprechend mehr Zeit für mich und unsere Liebe gehabt. Wir hatten viel unternommen und uns fast jeden Abend geliebt.
Heute war davon nicht mehr viel übrig. Natürlich existierte unsere Liebe noch, doch irgendwie schien sie in den tiefen unserer Herzen verschlossen. Wir lebten öfter nebeneinanderher, selbst unsere Küsse wirkten einstudiert und langweilig. Gern wollte ich wieder das leidenschaftliche Feuer zwischen uns spüren, was unsere Ehe vor einigen Jahren noch ausgemacht hatte. Aber solange wir uns nicht die Zeit dafür nahmen, würde es nicht funktionieren. Ein ständige Kreislauf, der sich Alltag nannte und dem man nicht so einfach entkommen konnte.
Genau das war vermutlich auch der Grund, warum ich mich so sehr für die Familie Cullen interessierte. Sie waren anders als andere Familien! Ihr Zusammenhalt faszinierte mich und obwohl sich Edward und Alice im Moment nicht alt zu gut verstanden, wirkte ihr Leben dennoch perfekt. Wenn ich mich in ihrer Nähe befand, löste sich der Alltagstrott in Luft auf. Sie brachten Spannung in mein Leben!
Aber sie verändern es auch!
Und genau das machte mir vermutlich auch so Angst. Ich wollte mich nicht noch weiter von Jacob entfernen, aber ich wollte auch nicht den Rest meines Lebens im Alltag versinken. Es gab so viel da draußen zu entdecken, was ich mit meinen mittlerweile 30 Jahren noch nicht kannte.
Ich wollte es spüren, wollte endlich einmal ausbrechen.
Na gut, ein letztes Mal.
Ich schlug eine der hinteren Buchseiten auf, denn dort befanden sich diverse Zeichnungen von unbekannten Wesen. Zunächst stapelten sich dort mehrere Wolfsarten und dann – auf der nächsten Seite – gab es unzählige Bilder von Personen, die auf dem ersten Blick tatsächlich aussahen wie Menschen.
Die Überschrift zierte jedoch das Wort Vampire
und beim genaueren Hinsehen konnte ich deutliche ihre scharfen Eckzähne erkennen. Aber das war nicht alles! Sie wirkten so schön und anmutig, dass es mir die Sprache verschlug. Am Rand standen einige Notizen, in denen die Fähigkeiten dieser Vampire beschrieben wurden.
Wunderschön, kalt, schnell und ausgesprochen flink.
Ich musste schlucken. Die Beschreibung traf genau auf die Cullens zu. Das einzige was mich stutzen ließ, war die Augenfarbe. Hier wurde nur über blutrote Augen geschrieben – wie sie der Vampir auf der Lichtung besaß.
Gab es vielleicht ein paar Unterschiede? Immerhin sahen wir Menschen ja auch nicht alle gleich aus. Auf der anderen Seite wollte ich mir aber auch nicht vorstellen, dass sich Edward und Alice eventuell vom menschlichen Blut ernährten. Dazu wirkten sie einfach viel zu liebevoll. Nein!
Ich sträubte mich innerlich gegen diese Vorstellungen, doch auch wenn ich mir bei den beiden nicht sicher war, so gab es bei dem unbekannten Mann auf der Lichtung keine andere Erklärung. Er besaß nicht nur diese blutroten Augen, sondern er hatte auch mein Blut gekostet. Es bestand kein Zweifel darin, dass es sich bei ihm um einen Vampir handelte! Ich war mir sogar sicher, dass die Cullens es ebenfalls wussten und mich deshalb vor ihm schützen wollten.
Der nächste Tag fing genauso an wie der andere aufgehört hatte. Ich kämpfte mich müde zur Schule und versuchte mich mit dem Gedanken an den bevorstehenden Nachmittag bei den Cullens aufzumuntern. Es klappte einigermaßen, sodass der Vormittag relativ schnell verging und ich bereits gegen 15:00 Uhr in Alice Auto saß. Sie bestand darauf, dass ich mit ihr fuhr – meinen Chevrolet würden wir später nach Hause bringen.
„Es ist ganz ungewohnt in solch einem modernen Auto zu sitzen“, gab ich kleinlaut zu.
Alice musterte mich grinsend von der Seite.
„Gefällt es dir?“
„Es ist nicht schlecht, aber ich muss zugeben, dass mir mein alter Transporter lieber ist.“
„Obwohl du dir sicherlich etwas Besseres leisten könntest?“
„Ich hänge eben an den alten Sachen“, gab ich achselzuckend zu, „außerdem würde es sich für mich nicht lohnen. Weder Edwards Volvo, noch dein Porsche würden lange überleben.“
Alice begann leise zu kichern, was ich ihr nicht verübeln konnte. Nur wenige verstanden mich in dieser Hinsicht – im Grunde genommen einzig und allein Jacob, aber auch nur, weil er mich wahrscheinlich nicht kränken wollte.
„Du bist ja nicht sonderlich überzeugt von dir“, sagte sie nach einer Weile.
„Ich weiß, das ist vermutlich auch der Grund, warum ich so eine miese Lehrerin bin.“
„Das stimmt nicht, Bella! Du bist vielleicht nicht so zielstrebig wie Mr. Newton, aber das würde auch nicht zu dir passen. Bleib am besten so wie du bist.“ Wieder formten sich ihre Lippen zu einem warmen Lächeln. Es war das erste Mal, dass mich jemand genau so mochte wie ich war. Die meisten verlangten von mir, dass ich mehr aus mir herausholte, ohne zu bemerken, dass das ja eigentlich zu meiner Persönlichkeit gehörte.
„Warum könnt ihr euch eigentlich diese teuren Autos leisten?“, platzte es plötzlich aus mir heraus. Ich hatte mir schon öfter darüber Gedanken gemacht, traute mich aber nie sie darauf anzusprechen. Dass es jetzt so unverhofft über meine Lippen glitt, brachte meine Wangen mal wieder zum Glühen.
„Nun ja... wie du weißt, ist unser Vater Arzt. Er hat sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet und ist deshalb sehr gefragt. Um es mit einfachen Worten zu sagen: Wir haben keine finanziellen Sorgen und können uns dementsprechend einiges leisten, aber bitte denke nicht, dass wir uns deshalb für etwas Besseres halten. Autos sind unsere große Leidenschaft, ansonsten gehen wir es eher ruhiger an.“
Augenblicklich kam mir ihr großes Haus in den Sinn. Es war alles so prunkvoll eingerichtet, dass ich mich fragte, wie es aussehen würde, wenn sie es nicht so ruhig angehen würden. Jedenfalls hatten sie eine ganz andere Vorstellung von Reichtum als ich. „Das macht dir doch nichts aus, oder?“, fragte Alice besorgt nach.
„Nein, nein... ich möchte nur nicht, dass ihr denkt, ich würde euch deshalb ausnutzen.“
„Das glaubst du jetzt nicht wirklich, oder?“
Ich hob ahnungslos die Schultern. „Man weiß nie.“
„Bella, sonst hätte ich dich mit Sicherheit nicht eingeladen. Außerdem würdest du dann bestimmt nicht mit so einem alten Wagen herumfahren.“ Sie rümpfte die Nase. Es war offensichtlich, dass sie großen Wert auf gepflegte Autos legte. Doch noch mehr schien sie auf ihre Kleidung zu achten, denn bisher hatte ich sie nicht einmal in demselben Outfit gesehen. Ihr Kleiderschrank musste demnach überdimensional groß sein.
„Da wären wir.“ Erst jetzt nahm ich die große Garage der Cullens wahr. Ich war solch eine schnelle Fahrt noch immer nicht gewohnt.
„Komm, die anderen warten schon.“ Alice winkte mich zu sich und ich musste schließlich ihr makelloses Auto verlassen. Auf einmal breitete sich in mir eine ungewohnte Nervosität aus, die ich zuletzt wahrscheinlich auf meinem Abschlussball verspürt hatte. Ich wusste noch nicht einmal, warum ich so aufgeregt war, denn eigentlich kannte ich das alles hier ja schon. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch nicht das Buch der Legenden gelesen. Ich wollte mir nicht vorstellen, wenn das alles tatsächlich stimmte und ich geradewegs in ein Haus voller Vampire lief.
Hör auf
, ermahnte ich mich selbst in Gedanken. Sie haben dich gerettet!
„Alles in Ordnung, Bella?“ Alice musterte mich schief, während wir uns auf den Weg zur Haustür machten.
„Ich bin nur ein wenig... gespannt.“ Das traf zwar nicht annähernd auf meine Empfindung zu, aber ich wollte auch nicht unhöflich erscheinen.
Wenige Sekunden später öffnete Mrs. Cullen die Tür.
„Kinder, da seid ihr ja. Kommt herein.“ Sie zog mich in eine kurze Umarmung und stellte sich mir mit ihrem Vornamen vor. Esme hieß sie. Ein ausgesprochen seltener, aber auch schöner Name, wie ich fand. Auch Mr. Cullen bot mir seinen Vornamen an, was mir noch einmal deutlich machte, wie sehr ich bereits in die Familie eingedrungen war. Ich hoffte inständig, dass keiner aus der Schule etwas davon mitbekam.
„Ich bin Carlisle.“ Er reichte mir seine kalte Hand, doch diesmal war ich darauf vorbereitet und versuchte diesen Druck standzuhalten.
Dann geleitete uns Esme ins Wohnzimmer, wo bereits Rosalie und Emmett auf uns warteten. Im Gegensatz zu ihrem Freund, schien Rose wieder mal nicht sonderlich von meinem Besuch begeistert. Sofort kam ich mir vor wie ein Eindringling, schob diesen Gedanken jedoch schnell beiseite.
„Setze dich ruhig“, bat Carlisle mich.
„Du musst unbedingt die Kekse probieren, die Esme gebacken hat.“ Emmett deutete auf eine Marmorschüssel, gefüllt mir prachtvollen Schokokeksen. Um nicht unhöflich zu sein, nahm ich sofort einen zu mir. Sie schmeckten wirklich köstlich und vor allem waren sie der eindeutige Beweis dafür, dass hier keine Vampire hausten.
„Wo ist eigentlich Edward?“, murmelte ich unter zusammengebissenen Zähnen.
„Das würde ich auch gerne mal wissen“, schnaubte Rosalie, „sich einfach so aus dem Staub zu machen.“
„Er wird bald kommen“, versicherte Alice und auch wenn ich es nicht wollte, machte mein Herz in diesem Moment einen kleinen Freudensprung. Nur wegen ihm war ich schließlich hier. Er wollte nicht, dass ich kam und genau das brachte mich dazu, es eben doch zu tun. Es war wie ein ständiger Wettkampf zwischen uns. Er verfolgte mich, während ich vor ihm floh. Er rettete mich und stieß mich gleichzeitig von sich weg. Ich lief ihm nur dann hinterher, wenn er es nicht wollte. Wir waren wie zwei Gegenpole und gleichzeitig konnten wir nicht ohne einander.
Ein Spiel das ich noch nie gespielt hatte, aber super beherrschte. Ein Spiel dessen Regeln sich ständig änderten und das jeden Moment vorbei sein konnte. Niemand von uns beide wusste, wie es ausgehen würde, nur, dass wir es nicht mehr rückgängig machen konnten.
Edward
Ich wollte nicht zurück, wo ich doch wusste, wer mich dort erwarten würde. Ich hatte mir fest vorgenommen Alice und auch Bella diese Genugtuung nicht zu geben, aber nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass mein Verhalten völlig lächerlich war. Außerdem würde es mich schier verrückt machen, wenn ich noch weiter ziellos durch die Gegend lief. An der Grenze von Forks machte ich also schließlich kehrt, benutzte jedoch diesmal den Wald als kleine Abkürzung. Hier konnte ich mich frei bewegen, ohne großartig aufzufallen. Es fühlte sich befreiend und gleichzeitig bedrückend an, weil es mir noch einmal deutlich zeigte, wie sehr wir Vampire uns von den Menschen unterschieden. Wir sind Monster!
Ich erhöhte meine Geschwindigkeit, damit ich rechtzeitig zu Hause ankommen könnte. Doch während ich mich darauf konzentrierte, bemerkte ich plötzlich noch etwas anderes. Ein paar Meter von mir entfernt hatte sich etwas bewegt. Es war schneller als ein Tier, aber langsamer als ich selbst gewesen.
Abrupt hielt ich an, um Ausschau nach dem unbekannten Wesen zu halten. Vielleicht hatte es sich hinter den gegenüberliegenden Bäumen versteckt.
Schnell sah ich nach, aber nirgendwo gab es eine Spur. Es kam mir fast so vor, als hätte ich mir das Ganze nur eingebildet.
Nein
, dachte ich, da war wirklich etwas
. Doch ich konnte keine Gedanken wahrnehmen und ein Tier würde sich unmöglich so grazil und schnell bewegen.
„Das war definitiv ein Vampir“, knurrte ich leise. Aus irgendeinem Grund kam mir sofort der unbekannte Vampir auf der Lichtung in den Sinn.
Ich muss sofort zu den anderen!
Ohne groß darüber nachzudenken, rannte ich wieder los. Ich hoffte inständig, dass sich Bella noch bei uns befand, denn ansonsten konnte es gut möglich sein, dass sie in großer Gefahr schwebte. Aber wenn uns tatsächlich etwas Schreckliches bevorstand, dann hätte es Alice ja sehen müssen. Oder war sie so gekränkt von mir, dass sie mir davon nicht Bericht erstattet hatte? Nein, das passte definitiv nicht zu ihr!
Die letzten Meter bis zum Haus waren ein Katzensprung und in wenigen Sekunden stand ich bereits vor unserer Tür. Ich nahm die Gedanken der anderen wahr, doch keiner von ihnen wirkte besorgniserregend.
„Edward!“ Alice öffnete lächelnd die Tür. „Ich wusste, dass du kommst.“
„Und sonst nichts?“
Sie schien verwirrt über meine Frage, doch ich sagte nichts weiter darauf. Stattdessen wanderten meine Augen ins Wohnzimmer, wo Bella sich gerade angeregt mit Esme unterhielt. Als ich den Raum betrat wanderten alle Blicke zu mir herüber.
„Edward, mein Junge, da bist du ja.“ Carlisle klopfte mir zur Begrüßung auf die Schulter, während Rosalie und Emmett ein wenig gekränkt aussahen.
„Könntest du mir mal bitte verraten, was du mit deiner Frage gerade meintest?“, zischte Alice an mein Ohr gewandt, doch außer Bella, entging natürlich niemanden unsere Unterhaltung.
„Welche Frage?“ Esme schien verwirrt, sodass ich ihr nur zu gern von meiner Begegnung im Wald erzählen wollte, aber solange sich Bella in diesem Raum befand, konnte ich das nicht. Genauso wenig könnte ich sie jedoch wegschicken, denn wenn es sich tatsächlich um diesen Vampir handelte, schwebte sie in großer Gefahr
„Es...“
„Was ist passiert?“, fragte Carlisle nun mit besorgter Stimme nach.
„Ich kann es euch nicht sagen... zumindest nicht jetzt.“
„Ich verstehe schon“, mischte sich plötzlich Bella ein, „es ist wegen mir. Du kannst es nicht sagen, weil ich nichts davon wissen darf.“
„Nein, ich...“
„Lass gut sein, Edward. Ich kann mir denken, worum es geht. Ich werde euch nicht länger belästigen.“ Esme nahm ihre Hand, doch Bella löste sich mit einem entschuldigenden Blick von ihr. „Es tut mir leid.“
„Dir brauch überhaupt nichts leid zu tun. Du kannst ja nichts dafür, wenn Edward nicht mit der Sprache herausrücken will.“ Alice warf mir einen eindringenden Blick zu, in der Hoffnung, dass ich den einzigen Menschen, der mir etwas bedeutete, ins Verderben stürzte. Zumindest war das genau meine Sicht der Dinge. Bella durfte es nicht erfahren!
„Ich weiß, aber ich werde jetzt trotzdem gehen. Danke für eure Gastfreundschaft.“
„Nein!“, rief ich völlig unverhofft. Reflexartig hatte ich mich zur Haustür begeben.
„Was war das eben?“ Bella schien verwirrt, wirkte aber noch immer völlig gelassen.
„Bitte geh nicht“, wisperte ich.
„Und warum nicht?“
„Das gerade war nicht so gemeint.“
„Edward, du solltest es ihr sagen“, versuchte Carlisle mich zu ermutigen. Anscheinend waren alle aus der Familie davon überzeugt, dass es besser wäre, ihr die Wahrheit zu erzählen.
„Er hat recht...“, murmelte Bella, „außerdem weiß ich es sowieso schon.“
„Wie bitte?“ Panik machte sich in mir breit. Wovon sprach sie?
„Ich rede von dem Mann auf der Lichtung.“
„Wie oft denn noch: dieser Mann existiert nicht!“
„Nein, das tut er ja auch im Grunde nicht, immerhin ist er ein Vampir!“ Bellas schokobraune Augen trafen auf meine. In ihrem Blick sah man pure Entschlossenheit. Irgendwie hatte sie es also erfahren. Doch von den anderen schien es ihr keiner gesagt zu haben, zumindest wirkten sie über diese Erkenntnis selber erstaunt. Bestand also die Möglichkeit, dass sie es von ganz alleine herausgefunden hat?
Fassungslos glitt ich schließlich die Haustür hinunter. Ihr Leben würde nie mehr das sein, was es einmal war und ich ganz allein trug die Schuld dafür.
Kapitel 17
Bella
Ich hatte richtig gelegen, genau das ging mir durch den Kopf, als Edward vor mir zu Boden sank. Er fuhr sich immer wieder nervös durch die Haare und murmelte unmissverständliche Worte. Mit solch einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet, denn bisher wirkte er stets stark und beständig. Ihn nun so niedergeschlagen zu sehen, ließ meinen Triumph weniger schön erscheinen.
Doch was genau hatte ich denn jetzt eigentlich falsch gemacht?
Müsste er nicht froh über diese Erkenntnis sein? Offenbar schien seine Familie nämlich kein Problem damit zu haben – ganz im Gegenteil! Esme schenkte mir hin und wieder aufmunternde Blicke, während Carlisle mir helfend zur Seite stand.
Alle waren anscheinend mit meinem Mitwissen einverstanden, nur Edward nicht.
„Wie… woher willst du das wissen?“, fragte er schließlich mit bedrückter Stimme nach.
„Ist es nicht offensichtlich?“ Ich blicke ihn die Runde, damit sie mir ebenfalls zuhörten. „Ein fremder Mann nähert sich mir auf der Richtung. Seine Haut ist blass und kalt, seine Augen blutrot. Er verletzt mich, kostet mein Blut und sieht mich dabei an wie ein hungriges Tier. Es gibt also nur zwei Möglichkeit: Entweder ich habe ihn mir tatsächlich nur eingebildet oder aber…“, erneut sah ich jedem einzelnen in die Augen.
„Er ist ein Vampir“, beendete plötzlich Emmett meine Erzählung. „Ab wann hast du es gemerkt?“
„Ich habe einfach nur eins und eins zusammengezählt. Ich konnte mir so etwas unmöglich eingebildet haben und ihr seid der eindeutige Beweis dafür, dass ich recht hatte.“
„Was willst du damit sagen?“, meldete sich Edward mit panischer Stimme zu Wort. Er wirkte auf einmal so klein und zerbrechlich unter seiner makellos blassen Haut. Zum ersten Mal hätte er tatsächlich für 17 Jahre durchgehen können.
„Dass ich nicht genau weiß, in welcher Verbindung ihr mit ihm steht“, gab ich leise zu. „Natürlich glaube ich nicht, dass ihr mit ihm gemeinsame Sache macht, es geht hier viel mehr um die Ähnlichkeit zwischen euch.“ Ich wusste, dass ich damit ein heikles Thema ansprach, doch jetzt – da ich so weit gekommen war – wollte ich nicht auf halber Strecke aufgeben. Von den Cullens ging keine Gefahr aus, dem konnte ich mir nun sicher sein.
„Ich glaub es nicht“, begann Rosalie verächtlich zu schnauben. „Ich dachte dein Mann wäre ein Cop und nicht du.“
„Ich… ich möchte euch keinesfalls zu nahe treten. Vielleicht war es wirklich eine dumme Idee herzukommen.“
„Gewiss nicht. Es wird Zeit, dass wir uns aussprechen, auch wenn Edward da anderer Meinung ist.“
„Carlisle, das wäre nicht gut für sie!“ Erst jetzt wurde mir bewusste, dass Edward bereits wieder aufgestanden war. Er wirkte nicht mehr so zerbrechlich wie vor ein paar Minuten, dafür war seine Stimmlage jedoch kühl und abweisend.
„Wenn sie in so großer Gefahr schwebt, wie du es uns gerade verdeutlich hast, dann wäre es töricht ihr nichts von unserer Existenz zu erzählen.“
„Ich finde Edward hat recht“, mischte sich erneut Rosalie ein. Sie warf mir einen verächtlichen Blick zu, was Emmett mit einem Brummen quittierte. Ich wusste nicht so recht, ob diese Geste nun mir oder ihr galt.
„Ich muss dem widersprechen und meinem Mann Recht geben.“ Esme schenkte mir ein herzhaftes Lächeln, was die gesamte Situation für einen Augenblick weniger schlimm erscheinen ließ.
„Ich bin auch auf Bellas Seite.“ Alice trat neben mich und legte mir freundschaftlich einen Arm um die Schulter.
„Gut… dann liegt die Entscheidung wohl bei dir.“ Carlisle wand sich an Emmett, der nicht so recht zu wissen schien, ob er sich tatsächlich gegen seine Freundin stellen sollte. Doch zu meiner Überraschung trat er plötzlich entschlossen nach vorne.
„Ich bin der Meinung, Bella hat ein Recht darauf die Wahrheit über uns zu erfahren.“
„Em, das ist nicht dein Ernst?“ Rosalie sah ein wenig gekränkt aus, was ich ihr komischerweise nicht verübeln konnte. Ich trat einfach so in ihr Leben und mischte mich in die Familienverhältnisse ein, wer würde da nicht sauer sein?
„Okay, dann wäre das geklärt. Da die Mehrzahl für Bella gestimmt hat…“
„Mr. Cul… Carlisle“, unterbrach ich ihn, „vielleicht hätte ich mich nicht so einmischen dürfen. Ich möchte keinesfalls einen Keil zwischen euch treiben. Es tut mir leid.“
Ich wollte zur Haustür treten, aber noch immer stand Edward davor und versperrte mir den Weg. „Würdest du mich bitte durchlassen.“
„Sie haben Recht.“
„Wie bitte?“, fragte ich zögernd nach. Es war mir unbegreiflich, warum Edward nun doch seine Meinung änderte.
„Du solltest die Wahrheit erfahren.“
„Tatsächlich?“
„Aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“ Ich warf ihm einen neugierigen Blick zu und versank dabei förmlich in seine goldbraunen Augen. In diesem Moment hatte sich etwas Entscheidendes verändert. Ich sah ihn nicht mehr als einen x-beliebigen Schüler, sondern zum ersten Mal als einen attraktiven Mann. Noch nie hatte mich jemand so in seinen Bann gezogen.
„Lass mich dich beschützen!“
Ich war mir nicht sicher, wie lange wir nun schon gemeinsam im Wohnzimmer saßen und über die Ereignisse sprachen. Doch es musste sich um mehrere Stunden handeln, denn draußen brach bereits die Dunkelheit an.
Die Cullens waren also tatsächlich Vampire! Nicht diese Art von Monster, wie man sie aus jeglichen Filmen kannte. Bei ihnen handelte es sich um das Gute und auch wenn die Chance bestand, dass sie mich vielleicht anlogen, vertraute ich jedem einzelnen voll und ganz. Sogar Rosalie wirkte auf mich keinesfalls bedrohlich. Es erstaunte mich, dass sie alle schon Jahrzehnte lange zusammenlebten und sich in all den Jahren kein bisschen verändert hatten. Für viele mochte das Angsteinflößend sein, doch für mich gab es nichts Interessanteres. Sie waren wunderbare Geschöpfe und das einzige was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass es unterer ihrer Art auch das Böse gab.
Genauso wie bei uns Menschen
, dachte ich. Es gibt immer zwei Seiten, damit die Welt nicht aus den Fugen gerät.
Das mochte für viele absurd klingen, aber genau so versuchte ich mir die Dinge oftmals zu erklären.
„Ich kann verstehen, dass es für dich ziemlich unglaubwürdig erscheinen muss. Das ist auch der Grund, warum ich dir das ganze ersparen wollte. Ich bin nicht stolz darauf ein Vampir zu sein.“
„Edward…“, ich hielt inne, denn sein verletzter Gesichtsausdruck brachte mich zum Schweigen. Alles was er tat, nahm ich plötzlich – aus unerklärlichen Gründen – intensiver wahr.
„Du hast keine Ahnung von unserer Welt, Bella. Das schlimme ist nur, dass es jetzt kein Zurück mehr für dich gibt. Dieser Vampir auf der Lichtung bedeutet Gefahr und wenn wir dich nicht in unsere Obhut nehmen, wärest du zum Tode verurteilt.“
„A… aber kann es euch im Grunde nicht völlig egal sein? Ich weiß jetzt, dass ihr keine Menschen tötet, aber ihr fühlt euch uns gegenüber auch nicht verpflichtet. Was ist also der Grund, warum ihr mich vor ihm beschützen wollt?“
„Ich arbeite in einem Krankenhaus“, antwortete Carlisle mit ruhiger Stimme, „die Menschen sind mir also gewiss nicht egal.“
„Außerdem bist du keine Fremde mehr, sondern die Lehrerin unserer Kinder. Wir würden nie einfach so einen bekannten Menschen sterben lassen.“ Esme schenkte mir ein warmes Lächeln. Jetzt da ich wusste, dass sie eigentlich viele Jahre älter als ich war, erschien sie mir viel mehr wie eine Mutter.
„Verstehe.“ Ich nickte und nahm noch einen der kaltgewordenen Schokokekse zu mir. Obwohl die Cullens keine derartige Nahrung zu sich nahmen, hatten sie diese leckeren Kekse für mich gebacken. Das war meine Art danke zu sagen.
„Nein!“ Edward meldete sich so unverhofft zu Wort, dass ich kurz zusammenzuckte. Dann fuhr er in leiser Stimmlage fort: „Die anderen machen das nur mir zu liebe. Bella, ich bin der Grund, warum du nun dieser schrecklichen Gefahr ausgesetzt bist.“
„Aber du konntest doch nichts dafür. Ich bin freiwillig zur Lichtung gegangen und ich habe es euch zu verdanken, dass ich noch lebe.“
„Wenn ich nicht wäre, gäbe es dieses Problem aber gar nicht. Dieser Vampir… er ist nur wegen mir in Forks.“
„Was?“, fragte ich entsetzt nach. „Woher willst du das wissen?“
„Er kannte meinen vollen Namen. Ich weiß nicht, was genau er vor hat, fest steht jedoch, dass er dich nun als Druckmittel einsetzen könnte.“
„Das ist der Grund, warum du mich nicht gehen lassen wolltest“, murmelte ich abwesend.
„Ich habe vorhin im Wald eine unmenschliche Gestalt gesehen. Ich glaube nicht, dass es sich um ein Tier gehandelt hat.“
„Also bin ich tatsächlich in Gefahr?“ Ich blickte ängstlich in die Runde. Alle wirkten leicht bedrückt und sogar Rosalie schien ein wenig Mitleid zu haben.
„Wir müssen von dem Schlimmsten ausgehen, ja.“
„Aber ihr könnt mich doch nicht hier einsperren?! Ich muss nach Hause zu meinem Mann!“ Plötzlich machte sich Panik in mir breit. Ich wollte nur noch weg – zurück in mein altes Leben, da wo mein
Jacob auf mich wartete.
„Beruhig dich, Bella! Wir werden bestimmt eine Lösung finden.“ Alice setzte sich mitfühlend neben mich.
„Und welche? Wollt ihr mich jetzt auf Schritt und Tritt begleiten?
„Wenn es sein muss, dann ja“, entgegnete Edward unter zusammengebissenen Zähnen.
„Das geht nicht!“
„Bitte setz dich“, konnte ich Esme sagen hören, doch ich hatte mich bereits in Rage geredet.
„Nein! Ich muss gehen. Jetzt sofort! Jake… er wartet auf mich. Was ist wenn er auch in Gefahr ist?“
„Aus diesem Grund werde ich dich ab sofort überallhin begleiten. Du wirst mich nicht einmal bemerken, sofern ich nicht eingreifen muss. Es ist zu deinem eigenen Schutz!“
„Also kann ich nach Hause?“, fragte ich zaghaft nach.
„Ich denke für diesen Abend besteht keine Gefahr mehr. Zumindest kann ich nichts dergleichen erkennen.“ Alice Blick wirkte glasig, als sie dies sagte. Nun fiel mir ein, dass einige in dieser Familie ja auch noch spezielle Fähigkeiten besaßen. Edward konnte Gedanken lesen, jedoch blieben ihm meine auf unerklärliche Weise verwehrt. In diesem Moment war ich unglaublich froh darüber.
„Tu mir aber bitte den Gefallen und lass mich dich nach Hause begleiten.“
„Warum tust du das alles für mich?“, wand ich mich nun an Edward. Er schien von dieser Frage überrascht und runzelte die Stirn.
„Warum denn nicht?“
„Weil ich dir egal sein könnte.“
„Bist du aber nicht“, gab er wie selbstverständlich von sich. Einige Sekunden starrte ich ihn fassungslos an, in der Hoffnung, dass es noch eine weitere logische Erklärung dafür gab. Doch für ihn war das anscheinend Antwort genug und so fügte ich mich diesem Vorschlag und verabschiedete mich von den restlichen Familienmitgliedern.
Kapitel 18
Edward
Es war bereits dunkel, als ich Bella in meinem Volvo nach Hause fuhr. Das zweite Mal saß sie nun schon in meinem Auto – eine Lehrerin, die eigentlich gar nicht hätte bei mir sein dürfen. Es machte ich schier verrückt, dass sie sich nur wegen mir in solch einer Gefahr befand. Am liebsten hätte ich das alles rückgängig gemacht, aber gegen den Lauf der Zeit kamen selbst wir Vampire nicht an. Im Grunde gab es also doch etwas, was uns mit den Menschen verband. Wir alle müssen mit unseren Taten leben.
Ich versuchte so konzentriert wie möglich auszusehen, indem ich unentwegt auf die leere Fahrbahn starrte. Bella neben mir schien es ähnlich zu gehen, denn bisher hatte sie ihren Blick nicht von der Fensterscheibe abgewandt.
„Alles in Ordnung?“ Die Frage glitt so unverhofft über meine Lippen, dass ich selbst darüber erschrocken war. Hoffentlich fühlte Bella sich nicht bedroht von mir, jetzt da sie wusste, dass ich bereits über 100 Jahre auf dieser Erde lebte.
„Weißt du was ich mich frage?“ Ihre unschuldigen schokobraunen Augen trafen auf meine und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl in ihnen zu versinken.
„Hm?“
„Ich frage mich noch immer, warum du das alles für mich tust.“ Verlegen senkte sie ihren Kopf, doch von Angst gab es keine Spur.
„Ach, weißt du…“, ich hielt inne, weil ich einfach nicht die richtigen Worte fand. Ich wollte ehrlich zu ihr sein, aber wenn ich ihr nun meine Gefühle offenbarte, würde das alles noch viel komplizierter machen. Also sagte ich stattdessen: „Was hältst du davon, wenn wir irgendwo etwas essen gehen? Du musst doch halb am Verhungern sein.“
„Du machst dir Sorgen um meine Ernährung?“ Bella musterte mich skeptisch, doch dann begann sie auf einmal leise zu kichern. „Wäre das nicht viel zu langweilig für dich? Außerdem wartet Jacob bestimmt schon auf mich.“
„Nein.“
„Nein was?“
„Er wartet nicht auf dich.“
„Woher willst du das wissen?“
„Alice… Sie hat gesehen, dass er vor Mitternacht nicht nach Hause kommen wird. Einem Restaurantbesuch stände also nichts im Wege, außer du bevorzugst die Tiefkühlpizza.“ Ich zwinkerte ihr zu, in der Hoffnung, die Situation so etwas aufzulockern.
„Edward, ich…“
„Ja, ich weiß“, unterbrach ich sie, „du hast einen Mann und ich bin ein Vampir, der nicht sonderlich viel von der menschlichen Nahrung hält, aber können wir all das nicht einfach für einen Abend vergessen? Ich möchte mich auf diese Weise bei dir entschuldigen und ich wäre sehr gekränkt, wenn du diese Entschuldigung nicht annehmen würdest.“
„Es geht nicht darum, dass ich verheiratet bin und noch weniger stört es mich, dass du ein Vampir bist, auch wenn ich an eure Existenz bisher nicht geglaubt habe. Das Problem ist nur, dass es da draußen jede Menge Menschen gibt, die davon keine Ahnung haben und deshalb bist du immer noch minderjährig und ich deine Lehrerin.“
„Ich bin 91 Jahre älter als du“, grummelte ich.
„Das mag sein, aber genau genommen würdest du dann nicht mehr leben. Verstehe mich bitte nicht falsch, natürlich bin ich froh dir begegnet zu sein, jedoch müssen wir uns an die Regeln halten.“
„Du solltest nicht froh darüber sein, denn ohne mich hättest du dieses Problem überhaupt nicht.“
„Was redest du da?“ Bellas Stimme wurde lauter und ich hoffte inständig, dass sie bei ihrer Meinung blieb und meinen Vorschlag tatsächlich ablehnte, denn mittlerweile hielt ich es selbst für eine schlechte Idee.
„Du hast Recht, wir sollten das nicht tun. Ich werde dich jetzt nach Hause bringen und du versucht so gut es geht dein Leben weiter zu leben.“
„Als hätte es dich nie gegeben?“
Ich nickte. „Du wirst mich nicht bemerken.“
„Ok, ich nehme deine Entschuldigung an.“
„Wie bitte?“
„Du hast schon richtig gehört“, schnaubte Bella, „lass uns in ein nahegelegenes Restaurant fahren!“
Nach einer intensiven Suche fanden wir schließlich ein kleines abgelegenes Restaurant, in dem lauter fremder Menschen saßen, die wir nicht kannten. Wir hatten uns absichtlich für diesen Ort entschieden, da sonst die Gefahr bestand, dass uns jemand erkannte. Bella wirkte jetzt wesentlich aufgeschlossener als zu Beginn der Autofahrt und manchmal huschte sogar ein leichtes Lächeln über ihre Lippen. Selbst mir fiel es schwer meine gewohnt ernste Miene aufzusetzen, denn sie wärmte mein einst so kühl gewordenes Herz wieder auf. Genau solch einen Abend hatte ich mir die ganze Zeit gewünscht, doch zu ihrem Schutz erschien mir dieser Gedanke unmöglich.
Jetzt da sie bereits alles wusste und wir gemeinsam bei Kerzenschein miteinander redeten, fragte ich mich, wie ich es nur ohne sie aushalten konnte.
„Bella“, ergriff ich schließlich das Wort, „danke, dass du diesen Abend mit mir verbringst.“
„Dafür brauchst du dich doch nicht bei mir zu bedanken.“ Sie schenkte mir erneut ihr schönstes Lächeln, während sie ein Stück vom Salatdressing zu sich nahm. Es fiel mir ausgesprochen schwer, ihr nicht unentwegt in die Augen zu sehen, aber es musste sein, denn die Menschen mochten es nicht gerne, wenn man sie ununterbrochen anstarrte. Außerdem wollte ich nicht, dass sie von meinen Gefühlen erfuhr, denn das wäre töricht gewesen. Bella war eine verheiratete Frau und somit tabu für mich.
„Ich möchte es aber, weil du dich immerhin für mich und nicht für die Tiefkühlpizza entschieden hast.“
„Ach weiß du… es ist nicht nur die Tiefkühlpizza.“ Plötzlich wirkte sie betrübt.
Hatte ich etwas Falsches gesagt?
„Sondern?“
„Ich weiß nicht, ob…“ Bella hielt inne und senkte ihren Blick. Die einst so selbstbewusste Frau schien verschwunden und stattdessen wirkte sie nun wie ein unbeholfener Teenager. Solch einem Menschen war ich in all den Jahren nie begegnet und genau das faszinierte mich so sehr an ihr.
„Du kannst mir alles erzählen. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich für dich da.“ Beinahe hätte meine Hand ihre berührt, doch meine Reflexe waren schneller und so saßen wir uns wieder im sicheren Abstand gegenüber.
„Das ist nett von dir, aber ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich es hier in diesem Restaurant viel schöner finde. Ich wäre heute Abend nur ungern allein gewesen.“
„Das kann ich verstehen. Auch wenn wir sehr zurückgezogen leben, so wüsste ich nicht, was ich ohne meine Familie tun würde.“
„Du kannst dich echt glücklich schätzen, so eine Familie zu haben. Das findet man heute nur noch selten“, entgegnete Bella traurig und schon wieder beschlich mich das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. „Meine Mum und mein Dad haben sich damals scheiden lassen. Ich war noch ein Baby und habe demnach nicht viel davon mitbekommen. Während meine Mutter und ich in Arizona lebten, verbrachte mein Dad die Jahre hier in Forks.“
„Und wann hast du dich dazu entschlossen, ebenfalls nach Forks zu ziehen?“, fragte ich so beiläufig wie möglich, da ich nicht alt zu neugierig wirken wollte.
„Irgendwann lernte meine Mum einen neuen Mann kennen. Er passte sehr gut zu ihr, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr zu ihnen passte. Wir verstanden uns gut, daran lag es nicht, aber ich verspürte auf einmal den Drang nach etwas Neuem. Ich wollte meinen Dad besser kennen lernen – mit ihm Zeit verbringen.“
Ich nickte. „Verstehe.“
„Ich war 17 Jahre als ich nach Forks kam und den Rest kennst du ja schon. Ich ging auf die High School und irgendwann lernte ich Jacob kennen. Er ist der Sohn eines alten Freundes meines Vaters.“
„Und hast du dich mit Forks anfreunden können? Ich mein, in Arizona ist das Wetter doch viel schöner.“
„Ja, das stimmt schon und eigentlich mag ich die Kälte auch nicht besonders, doch ich muss ehrlich sagen, dass es mir hier gefällt. In all den Jahren habe ich nie so etwas wie Heimweh verspürt“, sagte Bella aus voller Überzeugung. Selbst in dieser Hinsicht war sie mir ein Rätsel. Der Drang dieses Rätsel zu lösen, war noch nie so stark wie in diesem Moment gewesen.
„Also bist du glücklich?“
„Nein!“ Die kurze klare Antwort kam so unverhofft, dass sie selbst darüber erschrocken schien. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schämte sie sich dafür.
Mist! Wie gerne würde ich ihre Gedanken lesen können – nur für diesen einen Augenblick.
„Bist du es denn?“, versuchte sie auch sogleich das Thema zu wechseln.
„Im Moment schon.“
„Aber du warst es nicht immer?!“
„Es gab Zeiten, in denen ich mich für meine Natur gehasst habe. Ich wollte kein Monster sein, doch irgendwann habe ich gelernt damit umzugehen.“
„Siehst du dich denn immer noch so?“ Ihr besorgter Blick traf auf meinen. Diesmal erschien es mir unmöglich wegzusehen.
„Ja.“
„Edward, so darfst du aber nicht denken. Du bist nicht wie dieser Mann auf der Lichtung“, antwortete Bella bestimmend.
„Dafür gibt es keine Garantie, denn auch ich verzehre mich nach deinem Blut.“
Plötzlich geschah etwas Unverhofftes. Bellas warme Hand berührte meine. Anstatt darauf zu reagieren, verharrten wir beide so in dieser Position.
Machte ihr meine Kälte überhaupt nichts aus?
Ich verstand es nicht – verstand sie nicht!
„Ich vertraue dir“, hauchte sie nun mit samtweicher Stimme.
„Das solltest du nicht tun.“
„Das Risiko gehe ich ein.“
„Warum?“, wisperte ich.
„Weil sich für mich noch nie etwas so richtig angefühlt hat wie DAS hier.“ Ich wusste zwar nicht, worauf genau diese Aussage bezogen war, versuchte aber nicht alt zu überrascht auszusehen. Bella sollte nicht denken, dass ich ihre Worte auf mich selbst bezog. Damit ist bestimmt der gesamte Abend gemeint
, dachte ich.
„Wir sollten jetzt besser gehen“, sagte ich schließlich.
„Ja… ja, du hast recht.“ Verlegen zog Bella ihren Arm zurück. „Ich habe ganz die Zeit vergessen.“
„Geht mir genauso.“
„Es war ein schöner Abend.“
„Ja, das fand ich auch“, entgegnete ich. Eine Weile blieben wir noch sitzen und warteten auf den Kellner, ehe wir gemeinsam das Restaurant verließen und in die kalte, dunkle Nacht traten, die genauso ungewiss wie unsere Zukunft erschien.
Kapitel 19
Bella
In all den Jahren war mir unser Haus noch nie so kühl und unbelebt vorgekommen. Instinktiv fragte ich mich, ob es überhaupt je wieder so sein würde wie früher. Damals hatten zu dieser Zeit noch die Lichter gebrannt und Jake und ich lagen meistens vor dem warmen Kamin und redeten über den Tag. Wir waren stets bemüht, uns immer alles gegenseitig zu sagen, mochte es noch so schmerzhaft für den anderen sein. Und es funktionierte – 5 Jahre lang.
Bis zu dem heutigen Abend, an dem ich die dunkle Fassade betrachtete und mir eingestehen musste, dass sich einiges verändert hatte.
Ich betrat den leeren Flur, doch selbst die Lichter am Treppengeländer waren erloschen. Von innen wirkte die Wohnung noch düster, sodass ich erst einmal in die Küche lief und das Licht einschaltete. Ob Jake immer noch auf dem Revier ist?
Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war bereits weit über Mitternacht.
Edward und ich hatten den gesamten Abend in diesem unbekannten Restaurant verbracht, welches nicht Ansatzweise mit denen in Forks mithalten konnte. Bei jedem anderen hätte ich mich vermutlich gegen diesen Besuch gesträubt, doch bei Edward schien es mir völlig egal zu sein. Was blieb uns auch andere übrig?
Ich wollte nicht, dass uns irgendjemand Bekanntes entdeckt und vermutlich noch irgendwelche falschen Schlüsse daraus zieht. Wir beide hatten uns einfach nur ausgesprochen und ich musste mir eingestehen, dass dieser Abend sehr schön verlaufen war. Jetzt hier in dieser kalten Wohnung zu stehen, machte mich jedoch schier verrückt.
Ich setzte heißes Wasser auf, um mir einen Tee zu kochen und somit noch ein wenig den Tag Review passieren zu lassen. An Schlaf konnte ich in diesem Moment einfach noch nicht denken. Die Cullens waren also tatsächlich Vampire! Nicht irgendwelche Ungeheuer, wie man sie aus Horrorfilmen kannte, aber dennoch eindeutig in der Lage Menschen zu töten. Diese Möglichkeit zogen sie aber nicht in Betracht, denn bei ihnen handelte es sich irrwitziger Weise um „Vegetarier“, die sich ausschließlich von Tierblut ernährten. Daher stammt auch diese außergewöhnliche Augenfarbe, die mich jedes Mal in den Bann zog. Wenn ich so darüber nachdachte, klang das alles ziemlich abgefahren, doch ich hegte keinen Zweifel daran, dass es stimmte. Edward und Alice waren etwas Besonderes, das hatte ich auf dem ersten Blick gesehen.
„Du bist endlich da, Liebes.“ Die Stimme meines Mannes beförderte mich wieder zurück in die Realität. Er stand im Türrahmen und musterte mich verschlafen. „Wie lang bist du schon hier?“
„Ein paar Minuten“, murmelte ich, während ich das heiße Wasser in eine Tasse goss und einen Beutel mit Früchtetee hineintunkte.
„Ach so, deshalb dieses Geräusch.“
„Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe. Möchtest du auch einen Tee?“ Jacob nickte und nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz.
„Wo warst du denn noch solange?“
„Ich ähm…“ Was sollte ihm nun erzählen? Ich wollte ihn ungern anlügen, aber es hätte uns beiden auch nicht gut getan, wenn ihm die Wahrheit erzählen würde. Also versuchte ich mich schließlich an eine Notlüge. „Ich war noch mit ein paar Lehrern aus. Du weißt schon, Mike Newton und so… Nichts Großes also.“
„Dieser Typ hält auch schon seit der High School an dir fest. Ich glaube, der kapiert es nie“, grummelte Jake.
„Ach, du weißt doch wie er ist.“ Ich machte eine abwerfende Handbewegung. Über das Thema „Mike Newton“ wollte ich jetzt am allerwenigsten sprechen. „Wie lang hast du eigentlich noch gearbeitet?“, versuchte ich das Thema stattdessen zu wechseln.
Jacob schien zu überlegen. „Ich glaube, bis 00:15 Uhr.“
„Solange?“ Alice hatte also Recht
, dachte ich im Stillen.
Er seufzte. „Es gab viel zu tun. Ein paar Jugendliche haben randaliert und am späten Abend sind erneute Blutspuren im Wald vorgefunden worden.“
Ich erschrak. Konnte es sich dabei um den unbekannten Vampir auf der Lichtung handeln? Mit Sicherheit!
„Verstehe.“
„Es tut mir wirklich leid, aber ich habe auch nicht damit gerechnet, dass du so spät nach Hause kommst.“
„Ich muss ja auch nicht immer daheim sein, um meinen Mann zu empfangen“, antwortete ich schnippisch und war gleichzeitig erschrocken über meine abweisende Art. Normalerweise unterdrückte ich derartige Bemerkungen, doch immer häufiger misslang mir das.
„Natürlich nicht, Bella.“ Jacob ergriff meine Hand und obwohl sie sich deutlich wärmer anfühlte als Edwards, empfand ich es als unangenehm.
Verlegen zog ich meine Hand zurück. „Der ähm… Tee ist fertig.“
Ich überreichte meinem Mann eine dampfende Tasse und nahm meine eigene ebenfalls zur Hand. Der Geruch von frischen Früchten stieg mir in die Nase.
„Tut mir leid“, murmelte ich.
„Schon gut. Ich kann dich ja verstehen, denn immerhin sehen wir uns sehr selten.“
Und warum änderst du dann nicht etwas daran?,
fragte ich mich insgeheim. Es machte mich schier verrückt, dass wir hier saßen und scheinbar aneinander vorbeiredeten.
„Das ist alles nichts so einfach“, gestand ich schließlich kleinlaut.
„Nein, aber es ist nichts aussichtslos. Wir schaffen das, Bella.“ Jake klang so überzeugt, dass ich ihm am liebsten zugestimmt hätte. Doch ich konnte es nicht! Seit dem Gespräch mit Edward stellte ich unsere Ehe ernsthaft in Frage. Eigentlich war es absurd, so etwas an einem einzigen Menschen festzumachen, aber Edward war kein Mensch mehr, sondern ein Vampir, mit wesentlich mehr Lebenserfahrung als ich selbst.
„Du glaubst doch auch daran, oder?“, wiederholte er nun seine Worte.
„Ich weiß nicht, Jake“, wisperte ich, während ich mit meinen Händen noch fester die Teetasse umklammerte.
„Vielleicht haben wir im Moment unsere Schwierigkeiten, aber gibt es die nicht in jeder gesunden Ehe? Du wirst sehen. Ich werde mir öfter frei nehmen und dann…“
„Wahrscheinlich hast du recht“, unterbrach ich ihn, „wir sollten einfach an uns arbeiten.“ Sofort schenkte mir Jacob sein breites Grinsen, was ihn wie den Teenager von damals aussehen ließ. Ja, für diesen einen Augenblick fühlte ich mich tatsächlich in die Vergangenheit zurückversetzt, nicht merkend, dass es in den Tiefen meines Herzens längst anders aussah.
Am nächsten Morgen war mein Mann schon längst aus dem Haus, sodass ich alleine ein karges Frühstück zu mir nahm. Wir hatten die Nacht noch ein bisschen geredet, allerdings nur über unbedeutende Themen. Es fühlte sich so wesentlich besser an, aber natürlich könnten wir unseren Problemen nicht ständig aus dem Weg gehen. Entweder wir fingen endlich an zu kämpfen oder wir würden uns bald aus den Augen verlieren. Beide Optionen gefielen mir nicht sonderlich gut, auch wenn ich mich bald für einen dieser Wege entscheiden müsste.
Ich bin nicht glücklich.
Genau das hatte ich Edward gestanden und es entsprach der vollen Wahrheit. In meinem momentanen Leben gab es nichts Aufregendes oder gar Außergewöhnliches. Jeder Tag verlief gleich, was ja eigentlich völlig normal war, doch mittlerweile traf dies sogar auf das Wochenende zu. Wenn Jacob von morgens bis abends arbeitete, fühlte ich mich oftmals allein gelassen von ihm.
Ich nahm noch einen letzten Bissen, stand dann auf machte mich auf den Weg zur Haustür. Genau in diesem Moment klopfte es an der Tür. Ich öffnete sie und ehe ich mich versah, stand Edward in meinem Flur.
„Was machst du hier?“, fragte ich irritiert nach.
„Dich beschützen.“
„Du meintest das wirklich ernst?“
„Sehe ich so aus, als würde ich Witze machen.“ Edward legte eine gespielt beleidigte Miene auf, sodass ich eine Seite an ihm entdeckte, die ich bisher gar nicht kannte. Moment mal!,
dachte ich, eigentlich kennst du ihn ja auch kaum.
„Also was ist jetzt? Wollen wir los?“
„Du weißt schon, dass wir da nicht zusammen aufkreuzen können“, entgegnete ich und augenblicklich erschien Mike Newton vor meinem inneren Auge, dem so eine Kleinigkeit bestimmt nicht entgehen würde.
„Deshalb folge ich die ja auch im sicheren Abstand. Keiner wird etwas bemerken, glaub mir.“
„Du bist echt unglaublich.“ Kopfschüttelnd wollte ich an ihm vorbei zur Haustür gehen, als er mir plötzlich eine eigentlich völlig unbedeutende Frage stellte.
„War das ein Kompliment?“
Ich drehte mich zu ihm um. Seine goldbraunen Augen strahlten voller Erwartung auf meine Antwort.
„Es… ja, ich denke schon“, antwortete ich kleinlaut.
„Dann möchte ich dir sagen, dass du für mich auch unglaublich bist.“
„Inwiefern?“ Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Du bist etwas Besonderes, Bella.“ Bei seinen Worten wurde mir ganz warm ums Herz und ohne dass wir es bemerkten, verringerte sich die Distanz zwischen uns.
„Edward, das…“ Verlegen sah ich zu Boden. Ich konnte ihm doch nicht dasselbe sagen, immerhin hatte ich einen Ehemann.
„Du brauchst nicht antworten.“ Jetzt stand er ganz dicht vor mir und zum ersten Mal verspürte ich ein alt zu bekanntes Gefühl, von dem ich mich eigentlich schon längst verabschiedet hatte.
„Sollten wir nicht langsam…“ Ehe ich meinen Satz beenden konnte, hatte er mir auf einmal seinen Zeigefinger auf den Mund gelegt. So kühl und makellos. Wunderschön.
„Bitte sag nichts.“ Er beugte sich zu mir hinunter und wenige Sekunden später trafen seine Lippen auf meine.
Kapitel 20
Edward
Ich wusste nicht, warum ich Bella auf einmal so nahe gekommen war. Ich wusste nur, dass ich dieses Verlangen tief in mir spürte. Es handelte sich nicht um ihr Blut, was ich unbedingt kosten wollte, sondern um etwas anderes. Ich hatte solch ein Verlangen in dieser Art und Weise noch nie gespürt, deshalb war ich selbst überrascht, als ihre weichen Lippen plötzlich meine berührten. Ein berauschendes Gefühl durchströmte mich und ich rechnete fest damit, dass Bella sich jeden Moment von mir abwendete und wutentbrannt davon lief oder vielleicht würde sie mir auch einen Vortrag halten.
Jedenfalls könnte ich ihr das nicht verübeln, immerhin war sie verheiratet und somit tabu für mich.
Doch zu meiner Überraschung schmiegte sie sich noch näher an mich und setzte so viel Leidenschaft in den Kuss, dass mir schwindelig wurde. So etwas hatte ich in all meinen Vampirjahren noch nie erlebt. Ein berauschendes Gefühl, was mir jedoch auch ein wenig Angst machte, denn in diesem Augenblick hatte ich mich nicht unter Kontrolle. Ich konnte nicht mehr unterscheiden, ob es sich um das Verlangen nach ihrem Blut oder nach ihrer Liebe handelte. Ich wusste nur, dass ich es schnellst möglich beenden musste, da es sonst gefährlich für sie werden konnte.
Ihre Lippen streiften erneut meine, doch diesmal war ich vorbereitet. So schnell wie möglich löste ich mich von ihr und bemerkte dabei nicht, wie ich mich unbewusst einen ganzen Meter von ihr entfernte. Bella stand noch immer an der Haustür und starrte ins Leere.
„Edward…“ Sie hielt inne und wand sich beschämend zur Seite.
Sollte nicht eigentlich ich an ihrer Stelle stehen? Immerhin hatte ich fest damit gerechnet, dass sie mich für diesen Kuss verabscheute. Ich begriff einfach nicht, warum sie immer noch dort stand und mit mir sprach.
„B… Bella es tut mir leid“, brachte ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ich… Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand sie kleinlaut.
„Das brauchst du auch nicht. Ich habe einen großen Fehler gemacht und ich kann verstehen, wenn du mich nicht mehr in deiner Nähe haben willst.“
„Nein!“, stieß sie ganz unverhofft hervor. „Da gehören immer zwei dazu. Ich bin genauso Schuld daran wie du.“
Jetzt hatte es mir die Sprache verschlagen und ich konnte nicht anders als stumm den Kopf zu schütteln.
„Warum hast du dich eigentlich so plötzlich von mir abgewandt?“ Bella wirkte enttäuscht, während sie dies fragte.
„Weil… Ich hätte das einfach nicht machen dürfen. Es ist einzig und allein meine Schuld!“
„Ist es nicht! Edward, ich habe diesen Kuss erwidert, weil…“
„Weil du überrascht warst“, beendete ich ihren Satz.
Sie nickte. „Ja, aber das ist nicht der einzige Grund.“
„Sondern?“
„Ich weiß es doch auch nicht. Jedenfalls habe ich dich nicht sofort weggestoßen, obwohl ich es eigentlich hätte tun sollen.“ Bellas schokobraune Augen trafen auf meine. Sie sah traurig und enttäuscht aus, zwang sich jedoch an ein schwaches Lächeln. „Es ist eben passiert.“
„Ja, weil ich mich nicht unter Kontrolle hatte“, grummelte ich.
„Wir hatten uns beide nicht…“
„Hör auf!“, unterbrach ich sie streng. „Hör auf die Schuld ständig auf dich zunehmen! Ich habe dich geküsst und ich konnte einfach nicht von dir loslassen. Es ist meine Aufgabe dich zu beschützen und mehr nicht!“ Ich hatte mich förmlich in Rage geredet, doch das war mir egal. Durch die Wut verschwand wenigstens das unbekannte Verlangen, welches mir fast den Verstand geraubt hätte. „So etwas darf mir nicht noch einmal passieren – niemals!“
„Was soll das heißen?“ Bella schien schockiert.
Vielleicht begreift sie ja endlich, welches Monster sich vor ihr befindet.
„Was soll das heißen, Edward?“, wiederholte Bella ihre Worte, während sie sich mir in langsamen Schritten näherte.
„Ich bin nicht gut für dich.“
„Glaubst du wirklich, dass das funktioniert?“ Ihre Augen bohrten sich in meine. Die Distanz zwischen uns hatte sich schon wieder verringert.
„Es muss sein“, brachte ich leise hervor.
„Ja, weil du zu feige bist. Wenn Probleme auftauchen läufst du einfach davon, anstatt du dich einfach mal den Herausforderungen stellst. Mag sein, dass du nicht unbedingt der beste Umgang für mich bist und dass das was wir getan haben nicht richtig ist, aber glaubst du wirklich etwas würde sich ändern, wenn wir uns nicht mehr sehen? Ist es nicht viel besser, wenn wir darüber reden und gemeinsam versuchen eine Lösung zu finden?“
„Hah, welche Lösung denn?“ Ich begann aus Verlegenheit zu lachen. Bella hatte mich sofort durchschaut, obwohl wir uns so wenig kannten. Zu gern wollte ich ihre Gedanken lesen, doch diese blieben mir natürlich weiterhin verwehrt.
„Das ist echt albern. Wir sind beide erwachsen und sollten uns auch so verhalten.“
„Wenn man es genau nimmt, bin ich doch bei 17 Jahren stehengeblieben – das waren deine Worte“, zitierte ich sie.
„Ich habe das doch nur auf die Schule bezogen, weil wir uns dort unmöglich so verhalten können wie wir es in der Freizeit tun.“
„Da wären wir doch wieder beim eigentlich Thema. Das was wir... Nein! Das was ich getan habe war nicht richtig, deshalb werde ich mich auch ab sofort von dir fernhalten. Natürlich ist weiterhin für deine Sicherheit gesorgt, aber du solltest mich nicht als Bestandteil deines Lebens ansehen.“
„Verstehe.“ Bella starrte betrübt zu Boden. Es zerbrach mir das kalte Herz sie so unglücklich zu sehen, doch es gab sonst keine andere Lösung. Wir beide gehörten einfach nicht zusammen – weder in der Welt der Menschen, noch in der Vampirwelt!
In langsamen Schritten lief ich schließlich an ihr vorbei zur Haustür. Ohne groß nachzudenken trat ich hinaus und spürte plötzlich Bellas warme Hand, die mein Handgelenk ergriff.
„Weißt du, warum ich diesen Kuss erwidert habe?“ Ich blieb in meiner Position stehen, drehte mich jedoch nicht zu ihr um. Ich wollte sie nicht sehen, denn das hätte mich vermutlich wieder schwach gemacht. „Ich habe es getan, weil...“ Bella hielt inne. „Was war das?“, fragte sie völlig entsetzt.
Irgendjemand schien uns in der Ferne zu beobachten, das konnte auch ich ganz deutlich spüren.
„Es kommt von dahinten.“ Ich deutete auf ein paar Bäume, wo eben noch eine dunkle Gestalt gestanden hatte.
„Kann es sein, dass es sich um den Vampir von der Lichtung handelt?“
„Ich weiß es nicht“, grummelte ich, „ aber es kann gut möglich sein. Hör zu! Du gehst ins Haus zurück und wartest auf Alice. Ich werde ihr Bescheid sagen und mich darum kümmern.“
„Das ist doch viel zu gefährlich.“
„Bitte versuch mir nur dieses eine Mal zu vertrauen, Bella. Ich bin ein Vampir und kein verletzlicher Menschen. Ich werde das schon schaffen.“
„O... okay.“
Schnell schnappte ich mir mein Handy und rief Alice an. Diese war ziemlich überrascht, denn sie hatte nichts dergleichen vorausgesehen. Langsam beschlich mich sogar das Gefühl, dass sie diesen unbekannten Vampir gar nicht sehen konnte.
So wie ich nicht Bellas Gedanken lesen kann.
Unsere Fähigkeiten besaßen also Lücken und ich musste mich zum ersten Mal ganz auf meine Instinkte vertrauen.
Bella
Es dauerte noch nicht einmal 5 Minuten, da stand Alice schon vor meiner Haustür. Sie wirkte ungewohnt zerstreut und überhaupt nicht organisiert und zurechtgemacht, wie ich sie sonst kannte. Wahrscheinlich machte sie sich ernsthafte Sorgen um Edward und ich musste mir eingestehen, dass es mir genauso ging.
„Eigentlich müsste ich jetzt zur Arbeit“, murmelte ich, während wir gemeinsam ins Wohnzimmer traten und vor dem Kamin Platz nahmen.
Alice musterte mich mitfühlend. „Manchmal kommen die Dinge eben anders als man denkt.“
„Ja, da hast du recht.“ Augenblicklich musste ich an den Kuss denken. Edwards kalte harte Lippen auf meinen zu spüren hätte mich abschrecken müssen, doch das tat es nicht. Alles andere hatte in diesem Moment an Bedeutung verloren – auch Jacob
. Die beiden konnte man nicht miteinander vergleichen, aber ich innerlich versuchte ich es trotzdem. Da gab es Edward – den Vampir –, der nicht gut für mich war und mich dennoch magisch anzog und da gab es Jacob – meinen Ehemann -, den ich schon mein Leben lang kannte und eigentlich niemals verlieren wollte. Ich wusste selbst nicht, warum ich plötzlich mein ganzes Leben infrage stellte.
„Ich habe es gesehen“, unterbrach Alice auf einmal meine Gedankengänge.
„Was?“
„Ihr habt euch geküsst, Edward und du.“ Ich spürte meine Wangen, die nun wahrscheinlich ein zartes Rot annahmen.
„Ach, das. Es...“
„Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen, Bella. Ihr wärt ein schönes Paar. Ich würde mich für euch freuen, besonders für meinen Bruder. Er hat es verdient glücklich zu sein.“
„Ich glaube nicht, dass ich die Richtige für ihn bin“, gestand ich kleinlaut.
„Warum?“ Mein Blick fiel zu einem Bild von Jacob und mir, was über den Kamin hing. Alice Augen wanderten ebenfalls dorthin. „Verstehe.“
„Er ist mein Ehemann. Ich hätte eigentlich gar nicht so weit gehen dürfen. Es tut mir wirklich leid.“
„Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen. Wie ich schon sagte: Manchmal kommen die Dinge eben anders als man denkt.“
„Hast du gewusst, dass er gehen wird?“ Die Frage glitt so unverhofft über meine Lippen, dass ich mich innerlich dafür ohrfeigte. Trotzdem fügte ich noch hinzu: „Ich mein... Hattest du keine Zukunftsversion oder hat Jasper dir nicht wenigstens einen Brief hinterlassen?“
Alice Gesichtsausdruck wurde noch betrübter. Ich hatte sie noch nie so niedergeschlagen gesehen, was mich erschütterte. Eine Frau die stets fröhlich auf mich wirkte, schien in Wahrheit zutiefst verletzt geworden zu sein. Das Verschwinden von Jasper hatte ihr das Herz gebrochen und zum ersten Mal gab sie mir einen Einblick in ihr Gefühlsleben.
„Nein“, brachte sie schließlich leise hervor. „Nichts!“
„Das tut mir leid.“ Ich legte mitfühlend meine Hand auf ihre Schulter. Alice wirkte so zerbrechlich auf mich. In diesem Moment war es schwer vorstellbar, dass es sich bei ihr ebenfalls um einen starken Vampir handelte und dass sie mich vermutlich mit einem Handgriff umlegen konnte.
„Weißt du, wir waren eigentlich sehr glücklich. Er machte nie einen unzufriedenen Eindruck. Ich dachte, er sei mein Mann fürs Leben.“
Das dachte ich bei Jacob auch
, kam es mir plötzlich in den Sinn.
„Vielleicht hat sein Verschwinden nichts mit dir zu tun.“
„Das versuche ich mir auch ständig einzureden“, sprach Alice traurig, „doch wie du schon sagtest, hätte er mir dann doch wenigstens einen Brief hinterlassen können.“
„Und wenn er es nicht konnte?“
„Aus welchem Grund denn?“ Alice wirkte überrascht und gleichzeitig schien sie über diese Option angestrengt nachzudenken. Ich wollte ihr keine unnötige Hoffnung machen, aber obwohl ich Jasper nicht kannte, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Er hatte zur Cullen Familie gehört, warum sollte er sie also grundlos wieder verlassen?
Ich würde es nicht tun.
Alice neben mir seufzte. „Das bringt doch nichts. Ich habe mir darüber oft genug Gedanken gemacht und jetzt ist Schluss damit!“
„Ich kann dich verstehen, aber vielleicht gibt es etwas, was du übersehen hast.“
„Und was?“, fragte sie skeptisch nach.
„Ich weiß es nicht. Würdest du mir von euch erzählen?“ Normalerweise war ich nie so aufdringlich, doch ich wollte Alice wirklich helfen. Noch nie hatte ich jemanden gesehen, der solch starke Gefühle für seinen Partner empfand.
Nicht vergleichbar mit mir und Jacob.
Unsere Ehe basierte nicht auf solch eine Liebe. Natürlich hegten wir Gefühle füreinander, aber auf eine ganz andere Ebene.
„Du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue. Also ja, ich würde dir unsere Geschichte erzählen, aber nur unter einer Bedingung.“ Alice goldbraune Augen trafen auf meine. Ich wusste genau, was sie von mir verlangte.
„Edward und ich...“
„Ich möchte nicht, dass du deinen Ehemann für ihn verlässt. Ich möchte noch nicht einmal, dass du es mit Edward versuchst. Bitte werde dir einfach nur über deine Gefühle im Klaren. Egal für wen du dich entscheidest, lasse den anderen nicht unwissend im Regen stehen.“
Ich nickte. „Natürlich nicht.“
„Die Frage, warum man verlassen wurde, ist die Schlimmste die es gibt. Ich glaube, wenn ich den Grund kennen würde, wäre es leichter für mich damit abzuschließen. Deshalb möchte ich nicht, dass es deinem Ehemann oder Edward ähnlich ergeht.“
„Klar.“ Ich musste schlucken. In diesem Moment hätte ich mich nicht für einen von beiden entscheiden können, obwohl die Antwort direkt vor mir lag.
„Also gut. Unsere Liebe begann vor vielen vielen Jahren...“
Kapitel 21
Alice
Im Jahre 1948 lernte ich Jasper in einer Kneipe kennen. Zu dieser Zeit war ich gerade mal 28 Jahre als Vampir unterwegs und noch sehr unerfahren in dem was ich tat. Oft überkamen mich Visionen von einem jungen männlichen Vampir, der sich an meiner Seite befand. Auch wenn diese Vorhausahnungen sehr ungenau waren, hielt ich mich an ihnen fest. Sie gaben mir die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, denn in den ersten Jahren nach meiner Verwandlung war ich komplett auf mich alleine gestellt. Mein früheres Menschenleben schien wie ausgelöscht. Ich wusste nur, dass ich mich zuvor in einer Irrenanstalt befunden hatte, vermutlich wegen meiner Visionen. Da diese Fähigkeit mir jedoch als einziges geblieben ist, klammerte ich mich daran fest, wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Ich war davon überzeugt, dass es diesen Vampir gab und dass ich meine Zukunft mit ihm verbringen würde – und ich hatte recht! Fast 30 Jahre später traf ich den Mann, der mich von Beginn an in meinen Gedanken begleitete. Das Gefühl – ihn auf einmal neben dir sitzen zu sehen und zu wissen, dass deine Suche wirklich nicht vergebens war – ist unbeschreiblich. Ich wollte ihn am liebsten in den Arm nehmen und nie wieder los lassen, aber das ging natürlich nicht. Jasper kannte mich nicht, demnach mussten wir uns erst einmal kennen lernen. Ich versuchte es also langsam angehen zu lassen, indem ich ihn mit den Worten „Du hast mich lange warten lassen“ begrüßte.
Erst sah er verwirrt aus, aber dann schenkte er mir für einen klitzekleinen Moment das schönste Lächeln der Welt. Von da an begriff ich, dass sich all die lange Suche nach ihm tatsächlich gelohnt hat.
Wir unterhielten uns eine Weile und obwohl wir beide ganz genau wussten, dass es sich bei dem jeweils anderen nicht um einen Menschen handelte, versuchten wir uns so zu verhalten. Nur für diesen einen Abend wollten wir so gewöhnlich wie jeder andere in dieser Kneipe sein. Wir redeten viel und Jasper erzählte mir von seinem Leben. Man sah deutlich, wie sehr ihn die Vergangenheit noch immer quälte.
In diesem Augenblick empfand ich meine Amnesie zum ersten Mal als Geschenk.
Was brachten mir meine Erinnerungen, wenn sie möglicherweise genauso so schrecklich wie Jaspers waren? Ich wollte es mir nicht vorstellen, deshalb machte ich mir von da an nie wieder Gedanken darüber.
In den nächsten Monaten lernten wir uns immer besser kennen, sodass wir uns unser Leben bereits nach einem Jahr nicht mehr ohne des jeweils anderen vorstellen konnten. Obwohl Jasper oft sehr verschlossen wirkte, hatte ich das Gefühl ihn immer besser verstehen zu können. In meiner Nähe verhielt er sich aufgeschlossen und befreiter. Ich hoffte inständig, dass ich ihm wenigstens an bisschen von seiner Last nehmen konnte.
„Du findest es nicht richtig, unschuldige Menschen zu töten, hab ich recht?“ Jasper und ich standen auf einer freien Wiese, umgeben von unzähligen Blumen.
„Nein. Ich fühle mich nicht gut dabei“, gestand er kleinlaut.
„Warum tust du es dann?“
„Habe ich denn eine Wahl?“ Es handelte sich eher um eine rhetorische Frage, aber nur, weil er wirklich davon überzeugt war, dass es keine andere Möglichkeit gab.
„Wir haben immer eine Wahl. Sieh mich...“ Ich tänzelte über die grüne Wiese und breitete meine Arme nach ihm aus. „Komm her.“
Jasper ergriff meine Hand und ließ sich in den Strudel des Tanzes entführen.
Es mussten mehrere Stunden vergangen sein, als wir endlich eine Pause einlegten und uns lachend ins Grad fallen ließen.
„Wie machst du das nur?“
„Was genau meinst du?“, fragte ich erstaunt nach.
„Wie schaffst du es, dich einzig und allein von Tierblut zu ernähren? Ist es wirklich eine Alternative?“
„Es...“ Ich hielt verblüfft inne, denn ich hätte nicht so früh mit seinem Interesse gerechnet. Das zeigte mir nur, wie schlimm für ihn das Töten von Menschen sein musste. Vielleicht wird ihm meine Lebensart gefallen.
„Ich weiß, dass es für mich schwer werden könnte, aber ich versuche es einfach nur zu begreifen. Ich bewundere dich, Alice.“ Seine Worte erwärmten mein kaltes Herz. Dieses Gefühl wollte ich für immer bei mir tragen.
„Weißt du, es ist eigentlich gar nicht so schwer wie es auf den ersten Blick erscheint. Natürlich gehört eine Menge Selbstdisziplin dazu, aber die entwickelt sich schon allein durch die Willenskraft. Du musst es hier drin wollen“ – ich legte meine Hand auf seinen Brustkorb –, „dann klappt es auch!“
„Würdest du mir denn dabei helfen?“ Unsere Blicke trafen sich, während er meine Hand ergriff. Die Antwort war so klar und dennoch ließ ich ihn einen Moment zappeln. Dann hauchte ich schließlich an sein Ohr gewandt. „Für dich würde ich alles tun.“
Er lächelte. „Danke.“
Eineinhalb Jahre später begegneten wir den Cullens. Sie waren so freundlich und nahmen uns auf. Zuerst fühlte es sich ungewohnt an, doch wir gewöhnten uns schnell an diese Familie und einige Jahre später konnten wir uns ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen. Natürlich gab es auch Vampire, die die Einsamkeit liebten, aber Jasper und ich taten es nicht. Durch den starken Zusammenhalt wurde es für ihn immer leichter auf das menschliche Blut zu verzichten. Er hatte schwer damit zu kämpfen, doch er wollte es uns zu liebe nie wieder anrühren. Bis jetzt ist er diesen Weg gegangen und auch wenn es ihm schwer fällt, ist er stets zuversichtlich gewesen, dass sich das bessern würde. Unsere Verbindung hatte sich ebenso gefestigt, sodass Carlisle uns den Vorschlag einer Hochzeit machte. Bis dahin hatten wir nie darüber nachgedacht, aber uns gefiel dieser Gedanke, also willigten wir schließlich ein.
Jasper machte mir noch einmal ganz offiziell und so wie man es von früher kannte, einen Heiratsantrag. Die Hochzeit fand schon ein halbes Jahr später statt und dann begann unsere erste große Reise. Wir trennten uns für ein paar Wochen von unseren restlichen Familienmitgliedern und verbrachten ein paar wunderschöne Tage auf einer Insel. Auch wenn ich mich an mein früheres Leben nicht mehr erinnern kann, müssen das die besten Wochen meines gesamten Lebens gewesen sein. Wir liebten einander und dachten nicht an morgen – nicht an das, was irgendwann sein könnte. Vor uns lag eine glänzende Zukunft, der wir mit großen Erwartungen entgegen sahen. Bis heute hatte ich nie damit gerechnet, dass Jasper mich jemals verlassen könnte, eben, weil ich es selbst auch nie getan hätte. Doch wie man sieht, sollte man sich nie ganz sicher sein, denn selbst ein Vampir – so wie ich – kann nicht die ganze Zukunft sehen.
Der Tag an dem Jasper von uns ging, war ein grauer Novembertag. Ich hatte noch nicht einmal Ansatzweise etwas in diese Richtung gesehen, sodass ich anfangs auch nicht von Jaspers Abwesenheit überrascht war. Erst als Rosalie mir berichtete, dass sie ihn am späten Abend noch immer nicht gesehen hatte. Zuerst versuchte ich eine logische Erklärung zu finden, die mir schließlich half die nächsten Tage unbeschwert zu überstehen. Aber dann wurde es zunehmend merkwürdiger und ich zog mich immer weiter zurück. Ich dachte wieder und wieder an den Tag, bevor er mich verlassen hatte. Ich versuchte irgendeinen Fehler, eine Gewohnheit zu finden, die anders war als sonst. Doch es gab nichts, was mich hätte vorwarnen können.
Das muss wahrscheinlich die bisher schlimmste Zeit meines Lebens gewesen sein, denn in den nächsten Monaten rührte ich mich nicht mehr von meinem Platz.
Ich starrte ununterbrochen die Wand an und ich kann mich auch nur noch wage daran erinnern, wie mir die anderen hin und wieder etwas Blut zum Trinken brachten. Irgendwann war ich so geschwächt, dass ich nicht einmal mehr sitze konnte. Esme saß häufig an meinem Bett und hielt meine Hand. Sie erzählte mir Geschichten aus ihrem früheren Leben, aber selbst daran kann ich mich kaum erinnern. Es fühlte sich an als befände ich mich im Koma, aus dem es kein entrinnen gab. Die Rettung kam viel später, als meine Familie bereits glaubte mich ebenfalls verloren zu haben.
Eine heftige Vision überkam mich. Ich durchlebte noch einmal das Zusammentreffen mit Jasper. All die glückliche Zeit spielte sich wie ein Film vor meinen Augen ab, bis zu dem Augenblick, wo sich etwas ganz Entscheidendes veränderte. Es gab eine Sache, die anders war als früher. Im Hintergrund tauchte immer wieder ein Vampir auf, der uns aus sicherer Entfernung beobachtete. Ich wollte ihn erreichen, aber ich konnte es nicht. Und als ich schließlich wieder zu mir kam, nahm ich zum ersten Mal die Umgebung um mich herum wahr. An diesem Tag saß Carlisle an meinem Bett.
Er schien über meine plötzlich klare Anwesenheit total überrascht, aber er stellte nichts in Frage. Ich erzählte ihm von meiner Vision und versicherte ihm nie wieder solch eine Dummheit zu begehen. Seitdem suche ich diesen Vampir, der in irgendeiner Weise mit uns in Verbindung stehen muss.
Kapitel 22
Bella
Ich starrte Alice überrascht an. Ihre und Jaspers Liebesgeschichte war sehr ergreifend gewesen und gerne hätte ich mich noch ein bisschen mit ihr darüber unterhalten. Allerdings brannte mir eine ganz andere, wichtige Frage auf der Zunge, sodass ich diese zunächst einmal loswerden musste.
„Glaubst... glaubst du es handelt sich um denselben Vampir, der uns verfolgt?“ Alice schien nicht im mindesten überrascht, wahrscheinlich hatte sie diese Option schon selbst in Betracht gezogen.
„Möglich wäre es. Leider habe ich damals in meinen Visionen nicht sein Gesicht erkennen können, aber ich würde diese Möglichkeit nicht ausschließen.“
„Oh nein.“ Ich begann zu schluchzen, denn es gab einen Teil in mir, der mich plötzlich für all dies verantwortlich machte. Ich hatte diesen Vampir nach Forks gebracht!
„Was ist los?“ Alice musterte mich besorgt, doch ich war viel zu sehr in Gedanken versunken und konnte ihr deshalb nicht antworten. „Bella, sag bitte was.“ Sie schüttelte mich solange, bis ich wieder zur Besinnung kam.
„Es ist meine Schuld“, wimmerte ich.
„Was redest du da? Denk so etwas nicht!“
„Aber... Alice, nur wegen mir befindet sich dieser Vampir hier. Ich bin dafür verantwortlich!“
„Das bist du nicht, hörst du?! Jasper hat unsere Familie schon vor einem Jahr verlassen und damals lebten wir noch in Alaska. Es kann gut möglich sein, dass er uns gefolgt ist. Demnach sind wir die Schuldigen und nicht du.“
Ich erstarrte. Langsam ergab das alles Sinn und ich beruhigte mich wieder ein bisschen. Jedoch war ich noch immer davon überzeugt, dass ich ebenfalls Schuld an dem Ganzen trug.
„Wenn du wirklich recht hast und euch dieser Vampir schon länger verfolgt, was will er dann von euch? Warum gibt er sich nicht einfach zu erkennen?“
„Ich weiß es nicht.“ Alice Stimme wurde leiser, bis sie schließlich zu flüstern begann. „Nicht alle Vampire sind so wie Menschen, auch wenn sie es einmal waren. Sie lassen nicht gerne mit sich reden und nur in den seltensten Fällen kann man mit ihnen verhandeln. Wenn du also einem Vampir etwas schuldest, dann könnte das dein Tod bedeuten.“
Ich musste schlucken. Allein der Gedanke, den Cullens könnte etwas zustoßen, brachte mich fast um den Verstand. Ich wollte diese Möglichkeit erst gar nicht in Erwägung ziehen, konnte meine Angst aber auch nicht einfach so verbergen.
„Also sind Edward und die anderen in Gefahr“, schlussfolgerte ich.
„Bella, bitte hör auf dir irgendwelche unnötigen Sorgen zu machen. Wir sind ebenfalls Vampire und somit weniger gefährdet als du. Deine Sicherheit steht im Moment an oberster Stelle.
„Das mag sein, trotzdem sollten wir in dieser Angelegenheit vorsichtig sein“, fügte ich noch hinzu, während sich plötzlich die Haustür öffnete. Wenige Sekunden später stand Edward im Wohnzimmer. Er sah ernst und entschlossen aus.
„Was ist los?“ Alice war sofort aufgesprungen und hatte sich ihm gegenüber gestellt.
Er blickte erst mich und dann seine Schwester an. „Ich möchte, dass du zu den anderen gehst. Ich werde mit Bella für eine Weile von hier verschwinden!“
„Wie bitte?“ entsetzt starrte ich ihn an. Das konnte doch nicht sein ernst sein?
„Bitte macht einfach das, was ich euch sagen.“
„Ist etwas Schlimmes passiert? Ich habe nichts gesehen und...“
„Nein, es ist alles in Ordnung“, unterbrach Edward sie, „allerdings haben wir ihn an der Grenze von Forks verloren. Es könnte also gut möglich sein, dass er zu einem Gegenschlag ausholt und uns aus dem Hinterhalt angreift.“
Ich erstarrte. Die Lage schien also tatsächlich ernst zu sein, was wiederum bedeutete, dass mir keine andere Wahl blieb und ich Edward folgen musste.
„Und was ist mit Jak... meinem Mann? Ich kann ihn unmöglich verlassen!“
„Es gibt leider keine andere Möglichkeit, Bella“, grummelte Edward, während er Richtung Schlafzimmer deutete. „Geh und packe deine Sachen!“
„A... aber was ist, wenn ihm etwas passiert?“
„Ich denke Edward hat recht. Wenn du hier bleibst, sind die Leute aus deiner Umgebung erst recht gefährdet. Außerdem werden wir dafür sorgen, dass ihm nichts geschieht.“
„Also habe ich keine andere Wahl?“
Edward schüttelte den Kopf. „Es ist ja nicht für immer, sondern nur solange, bis wir ihn überführt haben.“
„Na schön.“ Ich drehte mich um und versuchte zuversichtlich auszusehen, was jedoch völlig überflüssig war, denn die beiden hatten bereits den Raum verlassen.
Nachdem Alice gegangen und Edward mir beim Packen meiner Tasche geholfen hatte, waren wir eine ganze Strecke Richtung Norden gefahren. In irgendeiner Kleinstadt hielten wir schließlich an und seitdem befanden wir uns in einem großen Apartment, was uns ganz allein zur Verfügung stand. Es gab mehrere Bad- und Schlafzimmer, eine riesige Küche mit Essbereich und ein Wohnzimmer, das die reinsten High-Tech-Anlagen enthielt. Doch trotz diesem Luxus fühlte ich mich unwohl in dem kalten unpersönlichen Raum. Der einzige, der mir ein wenig Trost spendete, war Edward. Er saß in dem großen Sessel und starrte mit unergründlicher Miene an die gegenüberliegende Wand.
„Ich habe Angst um ihn“, gestand ich schließlich kleinlaut.
„Dafür gibt es keinen Grund. Es ist für seine Sicherheit gesorgt, Bella.“
„Ich habe versprochen, dass ich ihn nie verlassen werde. Und jetzt? Sieh mich an! Ich befinde mich in einem fremden Apartment, irgendwo in einer anderen Stadt und kann nichts tun, außer abwarten. Es macht mich verrückt!“
Mit schnellen Schritten lief ich im Wohnzimmer umher und versuchte so meine Nervosität zu unterdrücken. Vergebens.
„Das verstehe ich ja und glaub mir, gerne hätte ich dir das alles hier erspart. Ich gebe dir sogar mein Versprechen, dass du mich und meine Familie – wenn das alles hier vorbei – nie wiedersehen wirst. Danach kannst du dein glückliches Eheleben weiterführen.
Ich hielt erschrocken inne. Glaubte er immer noch dafür verantwortlich zu sein?
„Das ist doch schwachsinnig. Du bist keinesfalls für mein Unglück verantwortlich!“
„Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Edward senkte seinen Blick, was mich dazu veranlasste, noch schneller über den Seidenteppich zu laufen. „Es gibt Informationen, die ich dir noch nicht erzählt habe.“
„Und die wären?“
„Wenn du aufhören würdest ständig hin und her zu gehen, kann ich dir gerne davon erzählen. Ansonsten werde ich noch genau so verrückt.“ Er schenkte mir ein süffisantes Lächeln und zum ersten Mal verspürte ich wieder diese unnötigen Gefühle, die ich schon seit unserer ersten Begegnung zu ignorieren versuchte.
Was machst du nur mit mir?
„Also? Wirst du mir zuhören?“
„Ich weiß gar nicht, ob ich noch weitere schlechte Nachrichten ertragen kann.“
„Das wirst du.“ Ehe ich blinzeln konnte, befand ich mich plötzlich auf Edwards Schoß.
„Wie hast du?“, fragte ich verblüfft nach, während ich versuchte das soeben Geschehene zu begreifen.
„Wir Vampire können auch ziemlich flink sein, wenn wir wollen.“
„Deshalb warst du letztens so schnell an der Haustür.“
Er nickte. „Natürlich halten wir in der Öffentlichkeit die menschliche Geschwindigkeit ein, aber beim Jagen kann das ganz hilfreich sein.“
„Verstehe. Und was hast du mir noch zu sagen?“, wollte ich wissen, während seine Miene schlagartig ernst wurde. Ich hoffte inständig, dass mich die Informationen nicht völlig aus der Bahn werfen würden.
„Nun ja... auf der Lichtung, da habe ich kurz mit diesem Vampir geredet. Er kannte meinen vollständigen Namen.“
„Das ist alles?“, sprach ich belustigt.
„Bella, verstehst du denn nicht? Er wusste meinen richtigen Namen von früher.“
„Wie bitte?“ Ich hielt erschrocken die Luft an. Das bedeutete nichts Gutes.
„Ich weiß, das klingt verrückt, aber es gibt nur eine logische Erklärung dafür.“
„Ihr kennt euch aus Menschentagen“, fügte ich entsetzt hinzu.
„Höchstwahrscheinlich ja. Jedoch kann ich mich an dieses Leben kaum noch erinnern. Es ist alles schon verdammt lange her, sodass ich keine bestimmten Einzelheiten mehr weiß.“
„Und wenn er dich einfach nur kennenlernen will.“ Ich versuchte zuversichtlich zu klingen, obwohl mir klar war wie lächerlich diese Option klang.
„Sonst hätte er dich wohl kaum angegriffen. Glaub mir, er ist nicht zum Quatschen gekommen.“ Augenblicklich kamen mir wieder Alice Worte in den Sinn. Die meisten Vampire waren wie Raubtiere und somit unberechenbar.
„Aber was will er dann von dir?“
„Wahrscheinlich möchte er sich für irgendetwas rächen.“ Edwards goldbraune Augen trafen auf meine. Zum ersten Mal erkannte ich darin einen Hauch von Traurigkeit.
„Verstehe.“ Müde schmiegte ich mich an ihn. Normalerweise hätte ich es gar nicht soweit kommen lassen dürfen, doch das meiste lief sowieso schon aus dem Ruder.
„Trotzdem vertraue ich dir“, fügte ich noch flüsternd hinzu.
„Du bist echt ein Rätsel für mich, Bella.“
„Na wie gut, dass du nicht meine Gedanken lesen kannst“, murmelte ich.
„Das verwirrt mich manchmal ganz schön.“
Ich begann leise zu kichern. „Ich mag verwirrte Männer.“
„Oder du bist einfach nur müde. Komm, ich trage dich ins Bett.“
„Würdest du mir einen Gefallen tun?“ Ich öffnete meine Augen, nichts ahnend, dass wir uns schon wieder so verdammt nahe waren.
„Alles was du willst.“
„Würdest du die Nacht bei mir bleiben?“
„Natürlich, das hatte ich sowieso vor.“
„Nein, das meine ich nicht.
Edward musterte mich fragend. „Sondern?“
„Würdest du an meiner Seite bleiben? Ich weiß, dass du nicht schläfst und es ziemlich langweilig werden könnte, aber...“
„Ist in Ordnung“, unterbrach er mich und legte seinen kalten Finger auf meinen Mund.
Sobald wir im Bett lagen, konnte ich nicht mehr schlafen. Mein rasendes Herz und die Tatsache, dass Edward genau neben mir lag, hinderten mich daran. Ich schämte mich für meine Unvernunft. In diesem Moment benahm ich mich tatsächlich wie ein Teenager, der sich von irgendeiner fremden Person verführen ließ.
Warum bin ich nicht stark genug, um ihm zu widerstehen? Weil ich es nicht will!
Ja, genau das war der Grund, warum ich mich schuldig fühlte. Ich ließ etwas zu, obwohl es mein ganzes Leben auf den Kopf stellte.
Langsam blickte ich zur Seite. Edward hatte seine Augen geschlossen und es sah tatsächlich so aus als würde er schlafen. Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus und berührte mit meinen Fingern sein makelloses Gesicht. Ich wollte ihm nahe sein – so verdammt nah.
„Was ist nur los mit mir“, wisperte ich. Dicke Tränen quollen aus meinen Augen. Sie zu unterdrücken wäre falsch gewesen, also ließ ich ihnen freien Lauf. Mit jeder Sekunde wuchs meine Sehnsucht. Ein Gefühl was ich eigentlich für meinen Ehemann empfinden sollte, denn schließlich hatte ich ihn einfach so zurückgelassen. Doch ich musste mir eingestehen, dass ich nichts so sehr vermisste als die Nähe zu Edward.
„Bitte weine nicht, liebste Bella.“ Seine samtweiche Stimme drang an mein Ohr. Eine unglaubliche Gänsehaut breitete sich in mir aus. Ich wollte mehr!
„Ich kann einfach nichts dagegen tun.“
„Ich weiß.“ Kommentarlos näherte ich mich ihm. Er nahm mich in seine starken Arme, ohne diese Geste in Frage zu stellen. Schon lange nicht mehr hatte ich so sehr geweint, doch ich musste mir eingestehen, dass es gut tat.
Jacob war in letzter Zeit einfach viel zu müde gewesen, um mir für den Rest der Nacht seine Liebe zu schenken. Es tut mir leid.
Ohne zu zögern näherte ich mich Edwards Gesicht. Unsere Lippen waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
„Bist du dir sicher, dass du das willst?“
Ich nickte. „Es würde mir sonst das Herzen brechen.“
„Und was ist mit deinem Ehemann?“
„Daran kann und will ich jetzt nicht denken“, flüsterte ich und gab ihm schließlich einen leidenschaftlichen Kuss. Im Gegensatz zum letztes Mal, erwiderte Edward ihn ohne zu zögern. Er hatte sich besser unter Kontrolle, was mich dazu veranlasste, mehr in die Offensive zu gehen. Langsam fuhr ich mit meiner Hand unter sein T-Shirt und berührte jeden seiner Bauchmuskel. Er stöhnte leise auf und umklammerte mit seinen Händen sachte meine Hüfte. Dann fing er an meinen Hals zu küssen und gefühlvoll in Richtung meines Dekoltees herunterzugleiten. Ihn so hemmungslos zu sehen, machte mich rasend. Auch Vampire konnten sich dem Rausch der Gefühle nicht entziehen. Dass es sehr gefährlich werden könnte, machte mir keine Angst, denn ich vertraute Edward. Er würde mir gegenüber nie seine volle Kraft einsetzen.
Mir entglitt ein Stöhnen und ich fuhr mit meinen Händen durch seine bronzefarbenen Haare. Alles mit ihm war so neu und spannend – nicht vergleichbar mit Jacob.
„Was wir tun ist nicht richtig“, stammelte Edward plötzlich zwischen weiteren Küssen hervor.
„Ich weiß“, gab ich kleinlaut zu, „und trotzdem will ich dich.“
„Ich könnte dich verletzen, Bella.“
„Das würde mir vermutlich nichts ausmachen.“
Er zog mich zur Seite und starrte mich entsetzt an. „Was redest du da? Willst du, dass ich dich womöglich umbringe? Nein, das könnte ich mir nie verzeihen!“
„Reicht es nicht, wenn ich dir sage, dass du es nicht tun wirst.“
„Nein!“ Edward umklammerte fester die Bettdecke. Meine Sicherheit stand für ihn an oberster Stelle und dennoch fiel es ihm schwer zu widerstehen. Wir wollten einander so sehr, dass alles andere immer weiter in den Hintergrund geriet.
„Das was ich für dich empfinde ist viel zu groß, um es für diesen einen Abend aufs Spiel zu setzen. Bella, du hast einen Mann, der zu Hause auf dich wartet. Du führst ein Leben, in das ich nicht hineingehöre. Es wäre töricht von mir, wenn ich deine jetzige Lage ausnutzen würde.“
„Du liegst falsch. Mir ist durchaus bewusst, dass ich Jake in diesem Moment hintergehe und ich weiß auch, dass unsere Welten sehr verschieden sind, aber das alles ist in deiner Nähe völlig bedeutungslos.“ Ich zog ihn wieder näher zu mir heran und auch wenn er es zu verbergen versuchte, ihm gefiel diese Nähe – ebenso wie mir.
„Bitte sei vernünftig.“
„Wenn ich nicht so verdammt müde wäre... Wahrscheinlich hast du recht. Es tut mir leid.“
„Shhhht. Schlaf jetzt“, befahl er. Sofort schloss ich meine Augen und das einzige, was ich noch mitbekam, waren Edwards Lippen, die ein letztes Mal sachte meine berührten.
Kapitel 23
Edward
Vereinzelte Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster hindurch und umhüllten Bella in ein warmes Licht. Sie wirkte so unschuldig und sorgenfrei, wenn sie schlief.
Wunderschön und perfekt.
Die glänzende Sonne trug dazu bei, dass ich sie berühren wollte. Ihre Wangen zierten ein zartes Rosa und ich beugte mich zu ihr hinunter, um sie noch einmal zu küssen. Doch ehe meine Lippen ihre weiche Haut berühren konnten, öffnete sie ganz unverhofft ihre Augen. Verschlafen musterte sie mich.
„Was?“
„Guten Morgen, Liebste.“ Ich schenkte ihr mein schönstes Lächeln und versuchte so die Situation zu überspielen, in der wir uns befanden. Der gestrige Tag war ziemlich überraschend verlaufen und ich hoffte inständig, dass Bella alles gut verkraftet hatte. Doch als sie mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte und ganz plötzlich aus dem Schlafzimmer floh, wusste ich es besser. Sie bereut es.
Ich konnte es ihr nicht verübeln, auch wenn es mich ein wenig traurig stimmte.
Eine Weile blieb ich im Türrahmen stehen und blicke den Flur entlang. Bella war verschwunden und ich vermutete, dass sie sich im Bad eingeschlossen hatte. Auch wenn ich bisher nicht sonderlich viele Erfahrungen im Umgang mit Frauen besaß, kannte ich mich in dieser Hinsicht ein wenig aus. In diversen Filmen und Büchern flohen die Frauen immer zuerst ins Badezimmer, obwohl ich nicht so recht verstand, warum sie dies taten. Vermutlich glaubten sie dort ungestört zu sein und normalerweise sollte man ihnen diese Freiheit auch gewähren, doch leider konnte ich sie im Moment unmöglich alleine lassen.
Deshalb lief ich schließlich den langen Flur entlang und klopfte zaghaft gegen die Badezimmertür. Drei-, viermal wiederholte ich diesen Vorgang, doch von Bella kam keine Reaktion. Entweder sie befand sich in einem der anderen Räume oder sie wollte tatsächlich nicht mit mir sprechen. Beide Optionen waren nicht gut, denn zurzeit wollte ich sie nur ungern aus den Augen verlieren.
„Bella, bist du da drin?“ Nichts. „Ich weiß… wir hätten das nicht tun dürfen. Aber ich versichere dir, dass nichts dergleichen noch einmal geschehen wird. Wir müssen noch nicht einmal miteinander reden, aber bleibe wenigstens in meinem Sichtfeld. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt, hörst du?“
Ich vernahm ein Poltern, gefolgt von einem Knarren und dann stand sie schließlich vor mir. Ihre braunen Haare fielen in leichten Wellen über ihre Schultern und ein dezentes Make-up sorgte dafür, dass sie nicht mehr ganz so verschlafen aussah. Außerdem trug sie jetzt eine schlichte schwarze Stoffhose, kombiniert mit einer weißen Bluse.
„Was hast du vor?“, fragte ich leicht irritiert nach.
Bella ging an mir vorbei Richtung Schlafzimmer.
„Ich muss zur Schule“, sagte sie nahm den großen schwarzen Koffer und stopfte alle Klamotten – die im Raum verstreut lagen – hinein. Dann nahm sie ihren Mantel vom Hacken und drehte sich noch einmal zu mir herum. „Es tut mir leid, Edward. Das ist nicht deine Schuld, aber ich kann das alles hier nicht mehr. Ich… ich möchte mein gewohntes Leben zurück.“
„Das verstehe ich ja und glaub mir: Ich würde alles Erdenkliche tun, um dir diese Situation zu ersparen, aber ich kann dich jetzt unmöglich alleine lassen. Da draußen lauert dieser Vampir und wartet nur auf solch eine Gelegenheit. Wir dürfen ihm die nicht geben!“
„Ich weiß und trotzdem kannst du mich nicht für den Rest meines Lebens einsperren! Vielleicht sollten wir endlich einmal selbst in die Offensive gehen.“
„Und dich womöglich verlieren.“ Ich griff nach ihrem Arm, was sie kommentarlos über sich ergehen ließ. „Bella, ich möchte dich doch nur beschützen.“
„Dann komm mit mir. Wir gehen zur Schule und warten ab was passiert.“
„Das ist zu gefährlich“, grummelte ich leise.
„Natürlich ist es das, aber Alice und die anderen werden auch dort Wache schieben. Was macht es also für einen Unterschied?“ Darauf wusste ich keine Antwort, denn im Grunde hatte sie Recht. Früher oder später ließe sich eine Begegnung sowieso nicht mehr aufschieben.
„Also gut“, entgegnete ich schließlich, „aber nur unter einer Bedingung.
„Die da wäre?“ Bella zog eine Augenbraue hoch und musterte mich schief. Schon wieder wollte ich sie einfach nur in den Arm nehmen und küssen.
Doch dazu wird es nie wieder kommen.
„Bitte bleib immer in meiner Nähe und wenn dir nur die kleinste Kleinigkeit auffällt, informiere mich darüber.“
„Das ist alles?“ Sie begann zu lachen, was die ganze Situation ein wenig aufhellte.
„Also war das eine Zustimmung?“
„Ich habe doch sowieso keine andere Wahl.“
„Und wenn du eine hättest?“, fragte ich zaghaft nach.
„Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.“ Sie seufzte und zog sich den Mantel an. Zwischen uns gab es noch so viele ungeklärte Fragen – Dinge die wir getan hatten und gleichzeitig zu verdrängen versuchten. All das musste schon bald zur Sprache gebracht werden, aber ich wollte Bella dafür noch ein wenig Zeit geben.
Solange bis ich selbst einen klaren Gedanken fassen kann.
Bis dahin würden wir einfach so tun als wäre nichts zwischen uns vorgefallen. Sie war eine Lehrerin und ich ihr Schüler. Zwei unterschiedliche Welten, die niemals zueinander passten. Mensch und Vampir – Leben und Tod.
Das waren wir.
Auf der High School ins Forks hatte sich nichts verändert. Keiner der hier Anwesenden schien unsere Abwesenheit bemerkt zu haben. Alle waren viel zu sehr mit den bevorstehenden Klausuren beschäftigt.
Nach unserer Ankunft hatte ich sofort meine Familie informiert. Sie waren nicht sonderlich begeistert von dieser Idee, konnten das Bella aber keinesfalls übel nehmen. Sie war eine erwachsene Frau, die ihre Freiheit benötigte und es wäre töricht von uns gewesen, wenn wir sie eingesperrt hätten. Also mussten wir uns nun eine neue Strategie überlegen, die weniger gefährlich für Bella erschien. Nur ungern hatte ich diesem Vorschlag zugestimmt, musste jedoch zugeben, dass es sich um die beste Lösung handelte. Jetzt sorgte also nicht nur ich, sondern auch meine Geschwister für Bellas Sicherheit. Wir wechselten uns gelegentlich ab, sodass es weniger auffällig war. In der Zwischenzeit hielten Carlisle und Esme an der Grenze Wache und wenn möglich, hielten wir gelegentlich auch Ausschau nach Jacob, der seinen Verpflichtungen als Polizist nachging. Diese Aufgabe verabscheute ich zutiefst und dennoch musste ich mich heute darum kümmern.
In menschlicher Geschwindigkeit verließ ich das Schulgelände. Es regnete – wie so oft in Forks – und alle Schüler um mich herum trugen einen Regenschirm bei sich. Einige hatten auch einfach nur ihre Kapuze aufgesetzt und liefen so schnell es ging zu ihrem Auto. Normalerweise war ich einer der ersten, die nach Schulschluss hinausliefen, aber heute ließ ich mir besonders viel Zeit. Die Voraussicht, dass ich Jacob den ganz Tag über beschatten musste, machte mich schier verrückt. Ich wollte nicht wissen, wer genau dieser Mann war, wo ich doch beinahe mit seiner Frau geschlafen hätte. Ich wollte nicht seine Gedanken hören und vermutlich Dinge erfahren, die nicht für meine Ohren bestimmt waren. Doch es ging nun mal um Bellas Sicherheit und in diesem Fall würde ich absolut alles in Kauf nehmen.
Ich ballte meine Hand zur einer Faust und lief die letzten Meter bis zu meinem Auto. Dann drehte ich mich ganz unverhofft um, denn ich hatte ihn bereits erwartet. Seine Gedanken waren so laut, als würde er mir mitten ins Gesicht brüllen. Doch er blieb ganz ruhig und schenkte mir ein süffisantes Lächeln.
„Edward Cullen, richtig?“, sagte er und ging noch ein paar Schritte auf mich zu.
Ich nickte, während ich meinen Volvo aufschloss. „Was gibt es?“
„Hättest du einen Moment Zeit für mich?“ Wenn nicht, dann…,
schrie er in Gedanken, doch ich ignorierte es geflissentlich.
Woher sollte er auch wissen, dass ich ihn hören konnte?
„Natürlich.“ Ich versiegelte wieder mein Autoschloss und folgte ihm ein paar Schritte. Als er sicher war, dass sich niemand in Hörweite befand, fuhr er fort: „Du solltest vorsichtig sein.“
Verwundert starrte ich ihn an. Dass er mich nicht leiden konnte, wusste ich ja seit längerem, aber diese Drohung kam trotzdem ein wenig unverhofft.
„Ja, du hast ganz richtig gehört. An deiner Stelle würde ich mich ab sofort von Bella fernhalten.“
„Was soll das werden?“, entgegnete ich streng.
„Das wirst du noch früh genug erfahren, wenn du dich nicht von ihr fernhältst.“
„Hören Sie zu, ich habe für solche Spielchen keine Zeit.“
„Ich weiß es!“ Mikes Augen blitzten gefährlich auf. Was meint er damit?
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ging wieder zurück zu meinem Auto. Er folgte mir und packte mich schließlich grob an der Schulter. Seine Finger bohrten sich in meine stahlharten Muskeln. Jeder andere hätte bei dieser Berührung leichte Schmerzen erlitten, doch für mich war es nicht viel mehr als ein Kribbeln.
„Es reicht!“ Ich umklammerte sein Handgelenk. Mike schien nicht im Mindesten überrascht. Noch immer lächelte er mir frech ins Gesicht.
„Du bist sehr stark für einen doch recht mageren Schüler.“
„Ich weiß nicht, was Sie mir damit sagen wollen und es interessiert mich auch nicht.“
„Oh doch, das weißt du ganz genau.“
„Ich warne Sie, halten Sie sich von mir fern“, sprach ich barsch, während mein Griff sich verstärkte. Mike zuckte kurz zusammen, versuchte seine Schmerzen jedoch zu verbergen.
„Was sonst? Soll das etwa eine Drohung sein?“
„Sie drohen mir auch, also wundern Sie sich nicht, wenn ich mich verteidige.“
„Edward, Edward… Hast du das wirklich nötig? Lauter Gesetze die du missachtest, aber was rede ich da – deine ganze Existenz ist ein Vergehen!“ Du dreckiger Blutsauger
, hallte es in meinen Ohren. Konnte das wirklich möglich sein?
Erschrocken ließ ich ihn los, während ich mich ein paar Schritte von ihm entfernte.
„Woher… was?“
„Woher ich das alles weiß?“ Mike begann gehässig zu lachen. „Du bist so schlecht darin dich zu tarnen. Ein wenig Recherchen genügen da schon aus.“
Ich begriff es einfach nicht – verstand nicht wie er das alles einfach so herausfinden konnte. Aber Mike war vom ersten Tag an sonderbar gewesen und er war aufmerksam genug, um sich alle nötigen Informationen zu besorgen.
„Sie sind besessen von ihr“, entgegnete ich wütend, blieb jedoch leise genug, damit niemand etwas davon mitbekam.
„Das sagt der Richtige. Wer schleicht denn ständig um Bella herum?“
„Sie sind so erbärmlich.“ Ich drehte mich um und stieg in mein Auto. Erst als ich den Motor aufheulen ließ, begann Mike plötzlich gegen die Autoscheibe zu schlagen. Immer und immer wieder, bis ich schließlich die Fensterscheibe herunterkurbelte.
„Ich sage es gerne noch einmal: Halte dich von Bella fern, ansonsten wird es für deine Familie schlecht aussehen. Ich weiß alles über euch und wenn es nötig ist, wird es die ganze Welt erfahren.“ Er lehnte sich lässig gegen das Auto, als würde er einfach nur ein Pläuschchen mit mir halten. In mir begann es zu brodeln und am liebsten hätte ich ihn über den gesamten Parkplatz geschleudert. Doch ich musste Ruhe bewahren, denn in diesem Moment hätte ich ihm alles zugetraut.
Er hat keine Angst, weil er sich seiner Sache zu sicher ist
, dachte ich, während ich einen weiteren Blick nach draußen warf.
„Also schön“, antwortete ich schließlich widerwillig, „ich werde mich so gut es geht von ihr fernhalten.“
„Kein Wort zu Bella! Lass sie einfach in dem Glauben, dass es zwischen euch aus ist.“ Ich fragte mich, wie er auch das herausgefunden hatte, denn während der Schulzeit waren wir uns nie nahe gekommen. Er muss uns schon länger beschatten.
„Ist in Ordnung.“
„Na dann, mach’s gut.“ Lachend entfernte er sich vom Auto und selbst als ich mit rasender Geschwindigkeit davon fuhr, konnte ich noch seine Gedanken hören.
Er war ein unberechenbarer Stalker!
Kapitel 24
Edward
Ich stand vor der Polizeiwache und beobachtete Bellas Mann. Bereits zum dritten Mal hielt er eine Tasse Kaffee in der Hand und lief damit ununterbrochen auf und ab. Er wirkte nervös und angespannt, was überhaupt nicht zu seiner ruhigen Ehefrau passte. Bella und er waren so verschieden wie Tag und Nacht, was das Ganze nicht einfacher machte. Bereits nach einer Stunde hasste ich es, ihn zu beobachten. Obwohl das hier einzig und allein zur Sicherheit diente, kam ich mir vor wie ein Stalker.
Du bist nicht besser als Mike
, schallte es in meinen Ohren.
Wieso verglich ich mich auf einmal mit diesem Möchtegern-Lehrer? Er liebte Bella nicht nur, sondern er war völlig besessen von ihr. Und das bist du auch.
Ja, tief in mir wollte ich sie genauso sehr und nur dieser gebräunte, breitschultrige Mann mit seiner Kaffeesucht hielt mich davon ab. Für mich gab es nichts heiligeres als die Ehe und deshalb würde ich nie zwei Menschen voneinander trennen, die sich irgendwann einmal das Jawort gegeben hatten.
Ich schob meine Gedanken beiseite, denn plötzlich verließ Jacob das Revier und setzte sich schnaubend in eines der Polizeiautos. Er fluchte leise vor sich hin, ehe der Motor aufheulte und ich ihm schließlich widerwillig folgte. Für einen Polizisten fuhr er viel zu schnell, aber wer würde schon einen Beamten anhalten und in die Schranken weisen?
Es gab keinen, der sich vollends an die Gesetze hielt, doch es gab auch niemanden, der sie so sehr missachtete wie wir Vampire.
Nach einigen Minuten erfuhr ich, dass Jacob auf dem Weg nach Hause war, weil er dort irgendwelche Akten vergessen hatte, die Bellas Vater unbedingt sehen wollte. Er war wütend auf sich selbst, weil er sie zum wiederholten Male vergessen hatte.
Das Lenkrad fest umklammert starrte er in den Rückspiegel zu mir herüber, konnte mich durch die getönten Scheiben allerdings nicht erkennen. Trotzdem entging es ihm nicht, dass ich ihn schon eine ganze Weile verfolgte, also bog ich schließlich an der nächsten Kreuzung ab und fuhr einen kleinen Umweg. Diese kurze Strecke würde schon nichts passieren und sollte dem so sein, wäre ich in binnen weniger Sekunde an Ort und Stelle. Doch als ich hinter dem Haus anhielt, konnte ich ihn wieder genervt schnauben hören. Bella wollte wissen, warum er denn schon so früh zu Hause sei, aber Jake hielt dieses Frage-Antwort-Spiel für reine Zeitverschwendung. Er musste so schnell wie möglich zurück aufs Revier, damit Charlie die Unterlagen inspizieren konnte. Es fiel mir außerordentlich schwer, nicht eingreifen zu können.
„Darf ich jetzt mal wissen, was genau du suchst?“, fragte Bella erneut, während ihr Mann weiterhin stumm die Wohnung durchsuchte. „Okay, anscheinend willst du nicht mit mir reden – warum auch immer – ,aber ich möchte dir doch nur behilflich sein.“
„Schatz, ich... ich habe im Moment keine Zeit für solche Gespräche. Ich suche wichtige Unterlagen, die dein Vater und ich brauchen.“
„Meinst du etwa die hier?“ Es raschelte kurz und dann hielt Bella einen weißen Umschlag in die Luft.
„Woher hast du den?“
„Spielt das eine Rolle? Jetzt hast du ihn ja und kannst gehen.“
„Es tut mir leid. Wir haben viel zu tun und...“ Er meinte es wirklich ernst.
„Du wirst heute Abend später kommen, habe schon verstanden“, beendete sie seinen Satz.
„Wir holen das alles nach, versprochen.“
„Na klar.“ Jake wollte sich hinunter beugen und ihr einen Kuss aufdrücken, aber da hatte sie sich schon von ihm weggedreht. „Du solltest gehen.“
„Ich liebe dich.“ Mit diesen Worten verließ er wieder die Wohnung und fuhr so schnell davon, dass ich es aufgab ihm zu folgen.
„Was machst du da draußen?“ Bella stand am Fenster und sah zu mir hinunter. Ich wusste nicht, wie lange ich schon da stand – an meinem Volvo gelehnt – und völlig in Gedanken versunken. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich es nicht sogar mit Absicht getan hatte, damit Bella mich irgendwann entdeckte.
„Willst... willst du nicht reinkommen?“, sagte sie schnell und schaute sich dann hektisch um, ob sich auch niemand in der Nähe befand, der uns beobachtete.
„Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein“, antwortete ich mehr für mich selbst.
Mike hat es mir verboten und ich muss für die Sicherheit deines Ehemanns sorgen.
Alles Dinge, die ich nicht erfüllen wollte und konnte.
„Keine Angst, Jake ist verschwunden und er wird auch so schnell nicht wieder kommen.“
„Ich weiß“, gestand ich kleinlaut.
„Na, worauf wartest du denn dann noch?“
„Ich muss gehen.“
„Ed...?“ Bella verstummte, schlug das Fenster zu und ehe ich mich ins Auto setzen konnte, stand sie plötzlich vor mir.
„Was soll das? Warum seid ihr heute alle so komisch zu mir? Habe ich euch irgendwas getan? Ich verstehe das nicht.“ Sie stand mitten auf der Straße und gestikulierte wild mit den Armen. Ich musste schmunzeln. In diesem Augenblick wäre so gut wie jeder auf uns aufmerksam geworden. „Also was ist jetzt? Ich weiß, dass du mich hören kannst.“
„Geh wieder ins Haus, Bella.“
„Erst wenn du mitkommst.“
Ich öffnete nun vollends die Autotür, ließ mich jedoch nicht ermutigen, auszusteigen.
„Ich kann nicht“, antwortete ich stattdessen mit bleicher Stimme.
Bella runzelte die Stirn. Sie schien angestrengt über mein Verhalten nachzudenken, doch ich konnte ihr unmöglich von Mikes Bedingung erzählen. Ich verfluchte diesen kleinen Mistkerl für seine Hinterhältigkeit. Er hatte alles genauestens durchdacht.
„Na schön. Ich weiß, dass ich das Apartment nicht hätte verlassen dürfen und ich weiß auch, dass wir über viele Dinge sprechen müssen. Aber manchmal fällt es mir so unglaublich schwer, weil ich ein Eheleben führe, was mich verdammt noch mal ankotzt, das ich aber nicht einfach so aufgeben möchte. Ich liebe ihn. Ich liebe dich. Ich liebe euch.“ Völlig aufgebracht lief sie schließlich davon. Und auch wenn ich ihr eigentlich nicht folgen wollte, tat ich es trotzdem. Denn hätte ich es nicht getan, konnte ich nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren.
Es dauerte nicht lange und ich hatte sie eingeholt. Sie stand am Waldrand und blickte hinauf zu den Bäumen. Eine Weile blieb ich hinter ihr stehen, weil ich sie nicht erschrecken wollte. Doch ich musste mir eingestehen, dass es eigentlich an meiner Feigheit lag.
„Glaubst du, ich habe dich nicht bemerkt?“ Bella drehte sich um und in ihren Augen blitzte eine Träne auf.
„Ich... es tut mir leid.“
„Das habe ich heute schon einmal gehört.“
„Das alles ist nicht so einfach für mich“, gab ich leise zu.
„Denkst du etwa für mich? Ich mache dir ja noch nicht einmal einen Vorwurf, denn schließlich bist du mir zu nichts verpflichtet. Es ist nur... ach, ich weiß doch auch nicht .“ Langsam näherte ich mich ihr. Von Mike schien es keine Spur zu geben, also konnte ich sie ruhig für einen Moment in den Arm nehmen. Bella ließ es schweigend zu, was mich wunderte, denn ihren Mann hatte sie zuvor noch abgewiesen.
„Du weißt, dass ich immer für dich da bin“, sprach ich an ihr Ohr gewandt.
„Jake... für ihn gibt es nur noch seine Arbeit. Ich weiß, was wir getan haben war nicht richtig, aber ich fühle mich auf einmal nicht mehr so schuldig. Ist das verkehrt?“
„Das fragst du ausgerechnet mich?“
„Du bist der einzige, der...“
„Ich verstehe schon“, unterbrach ich sie, „trotzdem kann ich dir diese Frage nicht beantworten.“
„Meintest du das eigentlich ernst?“
Bella löste sich aus der Umarmung und musterte mich fragend.
„Dass du ihn und mich liebst, meine ich.“
„Ihr seid so verschieden, aber ja auf irgendeine Weise schon.“ Beschämend drehte sie sich wieder um, doch diesmal wollte ich ihre Gefühle auf irgendeine Art und Weise erwidern. Also schlang ich schließlich von hinten meine Arme um sie und wir blickten gemeinsam zur untergehenden Sonne.
Kapitel 25
Edward
Hier mit Bella zu stehen und den Sonnenuntergang zu betrachten, war mehr als ich für möglich gehalten hätte, deshalb wunderte es mich auch nicht, dass ich ganz plötzlich Alice Gedanken vernahm. Solche besonderen Momente hielten nie lange an und meistens endeten sie in einem Chaos.
Edward. Edward. Hoffentlich kannst du mich hören. Du musst sofort herkommen. Oh, es tut mir so leid. Es ist etwas Schreckliches passiert. Carlisle ist dort und… bitte komm sofort zum Krankenhaus. Du musst uns helfen.
Schlagartig riss ich mich von Bella los. Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, obwohl ich es damit nicht vergleichen konnte, denn schließlich würde mir so etwas nichts ausmachen – vielleicht sollte man es eher wie einen abgerissenen Arm betrachten. Ich wusste es nicht so recht, denn meine Gedanken drehten sich nur um eine Sache: Wer oder was befand sich dort im Krankenhaus und bangte um sein Leben? Für Carlisle war dies nichts ungewöhnliches, er sah täglich Menschen sterben.
Also muss es jemand sein, den wir kennen.
Automatisch entfernte ich mich ein paar Schritte von Bella, die mich verwirrt anstarrte. Sie legte ihren Kopf schief und musterte mich eingehend.
„Was ist los?“, fragte sie dann mit besorgter Stimme.
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich sah wieder zum Sonnenuntergang. Es dauerte nicht mehr lange, bis die Dämmerung einschlug und den gesamten Wald in völlige Dunkelheit eintauchen würde.
„Aber du wirkst so anders.“
„Ich muss sofort ins Krankenhaus.“
„Wie bitte?!“
„Natürlich bringe ich dich noch nach Hause“, stammelte ich unsicher, während Bella leicht zu nicken begann.
„Geht es um den Vampir? Hat er…?“
Jacob, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte ihn völlig vergessen, hatte mich nicht mehr um ihn gekümmert, weil mir seine Frau wichtiger gewesen war.
Wenn ihm etwas passiert ist, werde ich mir das nie verzeihen können.
Warum hatte mir Alice nicht mehr mitgeteilt? Ich lauschte nach ihren Gedanken, doch sie war viel zu weit weg, als dass ich sie hätte hören können. Es wunderte mich, dass ihre Warnung überhaupt bei mir angekommen war.
„Bella, es tut mir leid. Das was ich jetzt von dir verlange, tue ich nur, weil es wirklich eilig ist. Ich hätte dir das gerne alles erspart…“
„Was ist es?“, unterbrach sie mich forsch. „Los, sag es mir. Du musst mich nicht ständig wie ein rohes Ei behandeln.“
„Na schön“, grummelte ich. Dann ging ich in die Hocke und bat sie auf meinen Rücken zu steigen. „Schließe deine Augen.“ Sie presste sich an meinen Körper und schlang ihre Arme um meinen Hals.
„Bist du bereit?“
„Wenn du es bist.“
„Gut.“ In Höchstgeschwindigkeit raste ich durch den Wald. Hätten wir den Weg auf der öffentlichen Straße genommen, wären wir zwar schneller dort gewesen, aber ich wollte auf keinen Fall Aufsehen erregen. Also rasten wir so schnell an Bäumen und Sträuchern vorbei, dass sie für einen Menschen wie Bella nicht mehr zu erkennen waren. Wenige Minuten später standen wir vor ihrem Haus.
„Alice.“
„Da seid ihr ja. Ich habe hier auf euch gewartet. Zum Glück hast du mich gehört.“
„Was ist passiert?“, fragte Bella keuchend. Erst jetzt sah ich, dass sie sich auf dem Gehweg erbrach.
„Bist du verrückt geworden? Du kannst mit ihr doch nicht in solch einer Geschwindigkeit durch die Gegend rasen.“ Besorgt begann sie Bella zu stützen.
„Es ge-geht schon“, stammelte diese.
„Komm ich bring dich ins Haus.“
„N-nein, zuerst möchte ich wissen, was los ist.“
Alice warf mir einen unsicheren Blick zu. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht.
„Du hättest die Augen schließen sollen, so wie ich es dir gesagt habe.“
„Es tut mir leid.“ Bella wischte sich mit dem freien Ärmel über den Mund.
„Wir sollten dir erst einmal etwas anderes anziehen und danach fahren wir gemeinsam ins Krankenhaus.“
Sie nickte. „Okay.“
„Ich warte hier auf euch“, grummelte ich leise. Es ärgerte mich gewaltig, dass ich nichts aus Alice herausbekam. Wenn es drauf ankam, konnte sie ihre Gedanken gut verschleiern. Doch dann – in einem stillen Moment – vernahm ich den Namen eines Mannes. Charlie.
Bella
Mir war immer noch schlecht und seitdem wir dieses Krankenhaus betreten hatten, wurde es von Minute zu Minute schlimmer. Alice saß neben mir und strich besorgt über meinen Rücken. Soeben hatte ich erfahren, dass mein Vater im OP lag und um sein Leben bangte. Jemand oder wie man es hier nannte ETWAS hatte ihn angegriffen und so schwer an Hals und Bein verletzt, dass es schlimm um ihn stand. Die Cullens gingen davon aus, dass es sich dabei um den unbekannten Vampir handelte. Emmett, Rosalie und Esme hielten Ausschau nach ihm, doch bisher schien es keine Neuigkeiten zu geben. Es war auch verdammt schwer etwas aus Edward herauszubekommen, denn bereits seit einer Stunde starrte er ununterbrochen ins Leere. Sein Blick wirkte fast so glasig wie der von Alice, wenn sie eine ihrer Versionen hatte. Ich seufzte schwer und vergrub mein Gesicht in meine Hände. Wenn das so weiterging, würde ich mich erneut übergeben müssen.
„Bella. Liebste.“ Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich Jacobs Stimme vernahm. Er kam so schnell auf mich zu gerannt, dass ich nicht anders konnte als aufzustehen und in seine Umarmung zu tauchen. Eine Weile wiegte er mich hin und her, ehe er mich los ließ und wütend zu Alice und Edward blickte.
„Du… was macht ihr hier?“
„Jake, bitte reg dich nicht auf. Sie haben mich nur hergebracht, weil ihr Vater doch hier im Krankenhaus arbeitet.“
„Na dann“, erwiderte er kleinlaut. „Komm, wir setzen uns dort drüben hin. Hier ist nicht genug Platz für uns alle.“ Mir entging der schnippische Unterton in seiner Stimme nicht, aber ich versuchte diesen geflissentlich zu ignorieren. Jetzt war einfach keine Zeit für solche Diskussionen.
„Wie… wie ist das eigentlich passiert?“, fragte ich nach einer Weile des Schweigens.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Jacob mit ruhiger Stimme. „Ich bin ja noch mal nach Hause, um die Unterlagen zu holen und als ich wieder beim Revier ankam, war Charlie plötzlich verschwunden. Dann habe ich mein Handy genommen und eine SMS von ihm erhalten: Er sei noch mal im Wald, um einige Dinge zu überprüfen. Natürlich bin ich ihm sofort gefolgt und somit habe ihn schließlich Blut überströmt auf einer kleinen Lichtung gefunden.“
Schlagartig wurde mir wieder schlecht und ich begann zu würgen.
„Bella, geht es?“
„Es… ja, ich habe nur einen schwachen Magen, das weißt du doch.“
„Hätte ich nur besser auf ihn aufgepasst oder wäre ich ihm nur eher gefolgt.“
„Dich trägt keine Schuld.“ Ich legte meine Hand auf seine. Sie fühlte sich ganz warm an –
wie immer.
„Ich hoffe nur, dass er es schafft.“
„Das hoffe ich auch“, murmelte Jake. Fast zeitgleich kam Dr. Cullen auf uns zu gelaufen.
„Was ist mit ihm?“
„Er hat es überstanden“, sprach Carlisle mit ruhiger Stimme, „aber er benötigt jetzt äußerste Ruhe. Die Nacht wird zeigen, ob er wirklich stark genug ist.“
„Was soll das heißen?“ Jacob war aufgesprungen und blickte wütend in die Gesichter der Cullens. Er mochte sie nicht, dass sah man ihm sofort an.
„Sie müssen sich leider noch etwas gedulden.“
„Also schwebt er weiterhin in Lebensgefahr“, vollendete ich seinen Satz.
„Ja“, hauchte Carlisle traurig, während er sich langsam von uns abwand und dabei von Alice begleitet wurde. Entsetzt starrte ich ihm hinterher. Erst Edwards sanfte Stimme beförderte mich wieder zurück in die Realität.
„Können wir einen Augenblick reden?“ Ich nickte, doch Jacob stellte sich sofort zwischen uns.
„Du solltest sie jetzt in Ruhe lassen.“
„Das werde ich, nachdem wir geredet haben.“
„Auch wenn die Klinik deinem Vater gehört, hast du noch lange nicht das Recht dich so aufzuführen. Ich werde mich schon um sie kümmern“, entgegnete Jake bissig.
„Ich war es. Ich sollte auf ihn aufpassen, habe es aber nicht getan. Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten ging nun auch Edward davon.
„Wovon redet er?“
„Ich weiß es nicht“, wisperte ich und erbrach mich erneut auf dem Krankenhausboden.
Kapitel 26
Edward
Wütend verließ ich das Krankenhaus. Bellas Ehemann verabscheute mich zutiefst, was ich ihm nicht verübeln konnte. Für ihn war ich ein notgeiler Schüler, der sich unsterblich in seine Lehrerin verknallt hatte. Wenn man es genau betrachtete, stimmte dies sogar. Jedoch hatte ich nicht die Absicht Bella erneut in meinen Bann zu ziehen. Ich wollte sie warnen – wollte ihr mitteilen, dass ich mit meinem Egoismus alle ins Verderben stürzte. Sie sollte endlich begreifen, wie entsetzlich schlecht ich für sie war. Ihrem Vater hätte so etwas einfach nicht passieren dürfen!
Draußen war nun vollends die Dunkelheit eingebrochen, als wäre die Welt von einem dunklen Loch verschluckt worden. Wäre ich noch ein Mensch gewesen, hätte ich womöglich meine eigene Hand vor Augen nicht gesehen, doch diese Zeit gehörte schon lange der Vergangenheit an. Es handelte sich einzig und allein um wage Erinnerungen, die von Jahr zu Jahr immer mehr verblassten. Mittlerweile erkannte ich durch diese dicke Nebelschicht nur noch vereinzelte Umrisse.
Und irgendwann wird gar nichts mehr davon übrig bleiben.
Manchmal stimmte mich diese Tatsache traurig, obwohl mir das Leben in der Cullen-Familie so viel besser gefiel.
Ich rannte in den Wald, um den besorgten Gedanken der anderen zu entkommen. Charlie durfte nicht sterben, denn das könnte ich mir nie verzeihen. Niemals!
Carlisle hatte mir zwar versichert, dass ich es vermutlich sowieso nicht hätte verhindern können, aber das wollte ich einfach nicht glauben. Wenn ich in Jacobs Nähe geblieben wäre, hätte es mit Sicherheit einen Weg gegeben Bellas Vater vor all dem zu bewahren.
Es tut mir so verdammt leid.
Ich beschleunigte meine Geschwindigkeit. Jetzt brauchte ich keine Rücksicht mehr auf jemanden zu nehmen. Es gab niemanden mehr, den ich beschützen musste. Ich hatte versagt. Die Bäume schossen wie Pfeile an mir vorbei – bohrten sich tief in mein kalt gewordenes Herz. Jeder einzelne Stich brachte mich mehr um den Verstand, doch es gab für mich keinen Grund mehr dagegen anzukämpfen. Ich ließ es zu. Die Stimme, die in meinem Kopf ertönte, war so vertraut als hätte sie schon immer zu mir gehört. Wahrscheinlich waren das die ersten Anzeichen, dass ich verrückt wurde.
Wer wusste schon, ob Vampire nicht irgendwann auch schmerzlich zusammenbrachen.
Edward, kannst du mich hören?
Ich nickte stumm, ohne mir etwas anmerken zu lassen.
Ich bin hier. Spürst du mich?
„Ich spüre rein gar nichts“, stieß ich hervor, „weil Monster keine Gefühle empfinden können.“
Du musst mich finden, erst dann ist der Spuk vorbei.
Das Moos unter meinen Füßen flog davon. Mittlerweile hatte ich unzählige kleine Bäume aus der Erde gerissen und davon geschleudert. Sie alle landeten irgendwo, versunken in der Dunkelheit.
Finde mich.
„Deine Stimme kommt mir so bekannt vor“, wisperte ich mehr für mich selbst und hielt zum ersten Mal – seit ich mich in diesem Wald befand – an.
Ein merkwürdiger Geruch stieg mir in die Nase. Es roch nach Familie.
„Ich kenne dich.“
Folge meiner Spur.
Langsam schritt ich zu einem hochgewachsenen Baum. Die Fährte war noch frisch. Tief in mir wusste ich schon längst, wer mich da rief, doch ich wollte es einfach nicht wahr haben.
„Das ist unmöglich. Du kannst es nicht sein. Du hast uns vor über einem Jahr verlassen.“ Hastig sah ich mich um. Er schien nicht weit entfernt zu sein, also schlug ich schließlich eine andere Richtung ein.
Du kommst näher. Ich kann dich riechen. So ist es gut.
„Ich mache das nur für sie“, grummelte ich. „Sie hat dich geliebt und du hast sie verlassen.“ Noch während ich diese Worte aussprach, kamen sie mir so verdammt bekannt vor. Tat ich in diesem Moment nicht genau dasselbe?
Bitte sei mir nicht böse. Versprichst du mir das? Ich liebe dich, Bruder.
Schon wieder begann ich vereinzelte Bäume herauszureißen, doch diesmal fielen sie an Ort und Stelle mit einem lauten Knall zu Boden. Die Distanz zwischen uns verringerte sich immer mehr, sodass meine Geschwindigkeit automatisch abnahm.
Ich wollte am liebsten umkehren, aber ich konnte es nicht. Es ist zu spät.
In sicherer Entfernung stand ich nun vor ihm. Nicht weil ich Angst vor ihm hatte, sondern weil ich es nicht ertrug ihn anzusehen.
„Warum?“, stieß ich nach einer Weile des Schweigens hervor.
„Weil es für mich keine andere Option gab.“
„Sagte der Held und stieg vom Ross“, fügte ich spöttisch hinzu. „Man… wir befinden uns in keinem Märchen, ansonsten dürfte es uns gar nicht geben.“
„Ich weiß. Das hier ist die grausame Realität.“
„Wofür auch du verantwortlich bist. Also was willst du?“ Ich lehnte mich gegen einen Stamm und blickte wütend ins Leere. Irgendwo da draußen stand er und versuchte mich um den Finger zu wickeln. Aber das wirst du nicht schaffen.
„Du musst mir vertrauen, Edward. Ich komme, um euch zu helfen.“
„Dafür ist es zu spät.“
„Ich weiß, was passiert ist. Und es wird auch nicht einfach so aufhören.“
„Ach ja“, begann ich gehässig, „das fällt dir aber früh ein.“
„Es ist noch nicht zu spät. Ich habe Information, die euch von Nutzen sein könnten.“
„Hast du auch nur mal eine Sekunde an Alice gedacht?“ Wütend stieß ich mich vom Baum ab und ging auf ihn zu. Die Äste unter meinen Füßen knarrten und am Himmel krächzte ein Rabe.
„Das habe ich… jede einzelne Sekunde.“ Jetzt sah ich ihn. Er stand hinter einem Baumstamm und starrte zu Boden. Sein Anblick versetzte mich in eine Art Schockstarre.
„Jasper“, hauchte ich.
„Du musst mir verzeihen. Ihr müsst mir verzeihen.“
„Wie ist das passiert? Deine Kleidung ist ganz zerrissen.“
„Na ja, so sieht man nun mal aus, wenn man viele Monate umher gereist ist, ohne nie wirklich Rast gemacht zu haben.“ Er zuckte die Achseln und hob seinen Kopf. Dann sah ich ihm zum ersten Mal ins Gesicht und erschrak. Seine Augen waren blutrot.
„Du…“
„Ja, ich habe menschliches Blut zu mir genommen“, vollendete er meinen Satz.
„Aber wieso?“ Mit langsamen Schritten näherte ich mich ihm. „Warum verdammt noch mal, Jasper? Du warst wie ein Bruder für mich.“
Traurig senkte er wieder den Kopf. „Ich sagte doch bereits, dass es mir Leid tut.“
„Dann erkläre es mir! Ich möchte wissen, wieso du damals fortgegangen bist?“
„Ich kann es erst in Gegenwart der anderen sagen. Wir müssen weit genug entfernt sein, ansonsten dürfte es gefährlich werden.“
„Woher sollen wir wissen, ob wir dir noch vertrauen können? Wer sagt mir, dass du uns nicht hintergehst?“
„Du darfst meine Gedanken durchsuchen. Wenn du auch nur den Hauch eines Hinterhalts wahrnimmst, verschwinde ich wieder“, antwortete Jasper entschlossen.
„Du bist geübt darin, deine wahren Gedanken vor mir zu verbergen. Im Moment sehnst du dich nach Alice.“
„Ist das nicht Beweis genug?“
„Ich weiß es leider nicht“, gab ich kleinlaut zu.
Bella
Ich hatte die ganze Nacht auf der Intensivstation verbracht – sitzend neben Charlie –, immer darauf hofftend, dass er jeden Moment aufwachte. Doch bisher hatte sich an seinem Zustand nichts verändert. Er lag immer noch regungslos da, als würde er etwas friedliches träumen. Ich hoffe sehr, dass es etwas schönes ist, Dad.
Ich nahm seine Hand. Sie fühlte sich ganz kalt an, fast so wie die von Edward.
„Alles wird gut, hörst du? Du schaffst das“, hauchte ich leise. Es fiel mir schwer diese Worte auszusprechen, weil ich in diesem Moment nicht sonderlich zuversichtlich sein konnte. Der kleine Hoffnungsschimmer schien so weit entfernt, dass ich Angst hatte, er könnte mir entgleiten. Was war, wenn Charlie wirklich starb?
Daran konnte und wollte ich besser nicht denken. Er musste es schaffen, ansonsten würde meine kleine Welt endgültig in einen Trümmerhaufen zerfallen.
„Du bist ja immer noch hier“, erklang plötzlich Jacobs Stimme. Leise betrat er den Raum und setzte sich neben mich.
„Du solltest ein wenig schlafen gehen, Bella. Was hältst du davon, wenn ich solange deinen Posten übernehme?“
„Ich kann nicht. Er... er braucht mich jetzt.“
„Aber es macht doch momentan sowieso keinen Unterschied, ob wir hier sind oder nicht. Damit ist ihm auch nicht geholfen.“
„Ich habe mal gehört, dass Koma-Patienten die Anwesenheit ihrer engsten Vertrauten wahrnehmen können“, entgegnete ich forsch“, deshalb werde ich nicht von seiner Seite weichen!“
„Na schön, dann bring ich uns wenigstens einen Kaffee.“ Seufzend stand Jake auf und ließ mich wieder allein zurück. Ich bemerkte noch nicht einmal wie die Tür ins Schloss fiel, so sehr war ich in meinen Gedanken versunken.
„Er wird sicherlich gleich rauskommen.“ Jacob drückte mir einen weiteren Kaffeebecher in die Hand, den ich dankend annahm. Vor einer halben Stunde mussten wir die Intensivstation verlassen, weil Carlisle einige Untersuchungen an Charlie durchführen wollte. Also standen wir wieder im Flur und warteten ungeduldig auf die Ergebnisse.
„Warum dauert das denn so lange?“, fluchte ich leise vor mich hin. Jeder meiner Schritte hallte durch den gesamten Gang, was hin und wieder sogar einigen Krankenschwestern und Besuchern auffiel. Aber es war mir egal, was sie davon hielten. Hier ging es um meinen Vater und der schwebte noch immer in Lebensgefahr.
„Willst du dich nicht lieber mal hinsetzen, Liebste? Du machst mich noch ganz verrückt.“
Du machst mich verrückt
, hallte es plötzlich in meinen Ohren. Irgendwo hatte ich diese Worte schon einmal gehört, nur von einer anderen Stimme gesprochen. Edwards Stimme
, kam es mir in den Sinn. In einigen Augenblicken ähnelten sich die beiden so verdammt stark, obwohl sie nicht verschiedener hätten seinen können.
Es verwirrte mich jedes Mals aufs Neue.
„Ich meine es wirklich ernst. Wenn du so weiter machst, kippst du mir noch um.“
„Das...“, wollte ich noch erwidern, doch genau in diesem Moment erschien Carlisle im Flur. Seine schmalen blutroten Lippen formten sich zu einem zaghaften Lächeln.
„Es geht ihm besser“, sagte er schließlich.
„Wird er es schaffen?“
Carlisle nickte. „Er hat das Schlimmste überstanden. Wir werden ihn noch heute aus dem Koma holen, allerdings erst gegen Abend. Bis dahin können Sie sich ruhig einen schönen Tag machen. Gehen Sie schlafen oder essen Sie was ordentliches.“
„Ich weiß nicht“, gab ich zögernd zu.
„Bella... du hast ihn gehört. Lass uns gehen.“
„Na gut. Wir werden dann heute Abend wieder kommen.“
„Selbstverständlich.“ Wieder schenkte mir Carlisle ein Lächeln. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sämtliche Krankenschwestern auf ihn standen. Esme konnte sich glücklich schätzen ihn zu haben. Er war der perfekte Ehemann!
Kapitel 27
Edward
Jasper stand mir noch immer in sicherer Entfernung gegenüber und wartete auf eine Antwort. Ich wusste einfach nicht, ob ich ihm weiterhin vertrauen konnte oder ob er uns nicht im Grunde alle hinterging.
Er ist fort gegangen
, kam es mir wieder in den Sinn, er hat uns einfach so im Stich gelassen.
Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, sodass er sachte seinen Kopf hob und ich nun direkt in seine blutroten Augen sah. Für mich waren es die Augen eines Killers und dafür gab es absolut keine Rechtfertigung. Er hatte diesen Weg aus freien Stücken gewählt und sich damit automatisch gegen seine Familie gestellt.
„Es tut mir wirklich leid, Bruder, das musst du mir glauben.“
„Wir sind keine Brüder mehr und deshalb kann ich dir nicht mehr vertrauen“, entgegnete ich scharf.
„Und wenn es für all dies eine Erklärung gibt?“
„Dann solltest du endlich damit herausrücken, ansonsten müssen wir uns leider wieder von dir verabschieden“, erklang plötzlich Emmetts Stimme, der dicht gefolgt von Rosalie, Esme und Alice das Waldstück betrat.
„Ihr seid gekommen.“
„Natürlich oder meinst du etwa, wir lassen Edward in dieser Situation allein? Falls du es vergessen hast: Wir sind auch ohne dich immer noch eine Familie!“ Emmett hatte sich schützend vor Alice gestellt, die sich dahinter verzweifelt an Esme klammerte. Rosalie stand inzwischen neben mir und blickte wütend zu Jasper hinüber.
„Du tauchst einfach so auf und glaubst tatsächlich, dass wir dir sehnsuchtsvoll in die Arme springen?“
„Nein, das weiß ich doch. Ich bin nur hier, um euch zu warnen und wenn es möglich ist, möchte ich euch helfen.“ Rosalie begann spöttisch zu lachen.
„Du hast sie verlassen und jetzt tauchst du auf und glaubst alles wieder gut machen zu können? Wie erbärmlich.“
„Rose, bitte“, mischte sich Alice mit brüchiger Stimme ein. Sie hatte sich von Esme gelöst und trat nun langsam nach vorne. Wenige Sekunden später stand sie vor ihm.
„Ich habe in meiner Vision gesehen, dass du Kontakt mit Edward aufgenommen hast. Warum?“
„Alice…“, hauchte Jasper und sofort veränderte sich sein Blick. Für einen Moment schien er wieder ganz der Alte zu sein, trotz seiner roten Augen.
„Ich hoffe wirklich, dass du es ehrlich meinst.“
„Ich könnte dich niemals belügen, das weißt du doch.“
„Es reicht“, fauchte ich schließlich und ging dazwischen. „Hör auf sie mit deinen Worten einzulullen und sag uns endlich, was du hier möchtest!“
„Nicht hier.“
„Und wo dann?“ Wütend packte ich Jasper am Kragen, doch sein Gesichtsausdruck blieb weiterhin reumütig.
„Zu un-eurem Haus, wenn es geht.“
„Paahh“, stieß ich hervor und mit einem Schlag landete er krachend gegen den nächstgelegenen Baum.
„Edward, bitte sei nicht so streng mit ihm.“ Schnell lief Alice zu Jasper und half ihm auf.
„Sie hat Recht, wir sollten ihm wenigsten die Chance geben das alles zu erklären, danach können wir weitersehen.“
„Aber Esme…“
„Er ist immer noch mein Sohn und wenn es wichtig ist, werde ich ihm vertrauen müssen.“ Ein warmherziges Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Sie war Mutter mit Leib und Seele, das wurde mir in diesem Moment einmal mehr bewusst.
„Seine Augen sind blutrot“, grummelte Emmett, „nennst du das einen vertrauenswürdigen Sohn?“
„Nein, aber jedem von uns steht es frei, für welchen Weg er sich letztendlich entscheidet.“
„Er hat Alice verlassen“, zischte Rosalie und machte damit deutlich, dass sie es ebenfalls für keine gute Idee hielt.
„Ich weiß und er hat mich damit sehr verletzt, aber ich bin der gleichen Meinung. Lasst uns wenigstens seine Erklärung anhören.“ Wir alle wussten, dass wir uns dem nicht widersetzen konnten. Wenn Alice bereit war ihm eine Chance zu geben, dann mussten wir das auch tun – für die Familie.
Die Dunkelheit war bereits angebrochen, während meine Familie und ich im Wohnzimmer saßen und ungeduldig auf Carlisle warteten. Er befand sich noch immer im Krankenhaus, doch da er wusste, wie dringend wir ihn benötigten, würde er heute versuchen früher nach Hause zu kommen.
Ich warf einen kritischen Blick zu Jasper, der mir gegenüber saß und nicht so recht zu wissen schien, wie er mit der Situation umgehen sollte. In seinen Gedanken herrschte ein einziges Chaos, aber das konnte auch genauso gut eine Tarnung sein. Wir alle waren auf das Schlimmste vorbereitet und nur die kleinste Veränderung würde uns dazu veranlassen, ihn wieder hinauszuwerfen.
„Siehst du etwas?“, fragte Emmett bereits zum wiederholten Male, während Alice mechanisch den Kopf schüttelte.
„Es ist alles in bester Ordnung. Carlisle wird jeden Moment eintreffen.“
„Wie kann alles gut sein, wenn wir diesen Verräter hier bei uns haben“, zischte Rosalie und warf Jasper einen kalten Blick zu. In diesem Moment tat er mir zum ersten Mal ein wenig leid, denn wenn er tatsächlich unschuldig war, hatten wir als Familie gründlich versagt.
Trotzdem müssen wird vorsichtig sein
, dachte ich, denn in dieser Welt durfte man niemanden trauen. Wenn ich eines in all den Jahren gelernt hatte, dann, dass Freundschaft und Feindschaft oftmals sehr nah beieinander lagen.
„Er kommt“, meldete sich Alice nach einer Weile des Schweigens. Sofort sprang Esme auf, lief in den Flur und öffnete galant die Haustür. Carlisle trat schweigend ein und wenige Sekunden später saßen wir alle beisammen – neugierig, was Jasper uns zu berichten hatte.
(Flashback - Jasper)
Alles begann vor mehr als einem Jahr – der Tag an dem ich verschwand. Es war ein grauer nebeliger Morgen, der einen nur ungern vor die Tür lockte. Doch für mich war dies eine willkommene Abwechslung, da ihr alle bereits beschäftigt wart und ich so ein wenig Zeit für mich hatte. Carlisle befand sich in der Klinik, Alice war mit Esme zum Shoppen gefahren, Rosalie und Emmett vergnügten sich irgendwo zu zweit und Edward konnte ich unten Piano spielen hören.
Ich trat also kurz entschlossen hinaus und lief ein wenig im Wald spazieren. Die vollkommene Stille tat gut, sodass ich einfach mal meinen Gedanken nachhingen konnte. Die letzten Jahrzehnte waren für mich nicht leicht gewesen, doch ich fand, dass es langsam bergauf ging. Ich hatte meinen Blutdurst zwar noch immer nicht vollständig unter Kontrolle, aber von Tag zu Tag schien es ein wenig leichter zu werden. Ich war stolz auf mich und dankte Alice von Herzen für ihre Geduld und ihre Liebe, die sie mir immer wieder aufs Neue schenkte. Doch ich musste mir auch eingestehen, dass ich manchmal Angst hatte zu versagen. Ich wollte meine Familie unter keinen Umständen enttäuschen!
An diesem Morgen versuchte ich mir darüber jedoch keine weiteren Gedanken zu machen, denn es gab keinen Grund für meine Unsicherheit. Alles lief Bestens, zumindest solange, bis ich plötzlich ein Ungewöhnliches Rascheln vernahm. Da es sich unmöglich um ein Tier handeln konnte, wurde ich neugierig. Ich lief weiter in den Wald hinein, während die Geräusche immer lauter wurden. Jemand war ganz in der Nähe und dieser jemand war definitiv kein Mensch! Heute weiß ich, dass ich in diesem Moment meinem Instinkt hätte folgen und umkehren müssen, denn einen Augenblick später gab es kein Zurück mehr. Es fühlte sich an wie eine unsichtbare Schnur, die mich immer weiter voran zog. Ich konnte nicht mehr stehen bleiben und fühlte mich wie hypnotisiert. Dann – nach einer unglaublich langen Zeit – erblickte ich einen unbekannten Vampir. Er stand auf einer Lichtung, über und über mit Blut befleckt und vor seinen Füßen lag ein schlaffer lebloser Körper. In mir verkrafte sich alles, denn der köstliche Duft des Blutes stieg mir sofort in die Nase.
„Jasper, ich habe auf dich gewartet“, sagte er mit mächtiger Stimme. „Trete näher.“
„We-wer bist?“, fragte ich ernst, merkte jedoch, wie schwach und hilflos ich mich anhörte. Noch immer hatte ich das Gefühl, dass ich mich in einer Art Trance befand.
„Ab heute werde ich deine neue Familie sein“, sprach er.
„Ich verstehe nicht ganz.“ Automatisch ging ich in Abwehrhaltung, was den Vampir vor mir zu amüsieren schien. Er begann grollend zu Lachen und streckte mir schließlich seinen Zeigefinger entgegen, an dem noch das Blut des Opfers klebte.
„Möchtest du mal probieren?“ Vor mir bildete sich ein roter Schleier, doch ich kämpfte mit aller Macht dagegen an. Warum, verdammt noch mal, laufe ich nicht weg?
, dachte ich in diesem Moment. Es schien, als würde ich Stück für Stück die Kontrolle über meinen Körper verlieren.
„Geht es dir nicht gut, Jasper? Brauchst du Blut?“
Resigniert schüttelte ich den Kopf.
„Du siehst sehr hungrig aus, wenn du mich fragst. Weißt du, wenn du mit mir umherziehst, wirst du deinen Durst regelmäßig stillen können.“
„Lieber würde ich zu Grunde gehen, als mich auf dich einzulassen“, brüllte ich mühevoll zurück. Wieder begann der Vampir vor mir zu lachen.
„Glaubst du etwa du hast eine Wahl?“
Warum kann ich mich nicht bewegen?
, kam es mir erneut in den Sinn. Hat er mich etwa unter Kontrolle?
„Wie fühlt es sich an, wenn man als Cullen-Mitglied plötzlich machtlos ist? Ich kann mir vorstellen, dass es demütigend ist. Hier stehe ich – einer der mächtigsten Vampire – und du kannst nichts dagegen tun. Deine kleine Gabe ist nichts im Vergleich zu meiner.
„Du-du kannst mich manipulieren“, stellte ich mit bissiger Stimme fest.
„Ganz genau.“ Er umkreiste mich einmal und fuhr dann mit seinen blutigen Fingern über meinen Hals. „Ich kann in dein Bewusstsein eindringen und dich das machen lassen, was ich will.“
„Und wozu das Ganze? Was möchtest du von mir?“
„Von dir möchte ich absolut gar nichts, denn eigentlich bist du völlig nutzlos, aber du hast Glück, denn ich habe gerade beschlossen, dass du mir doch sehr hilfreich sein könntest. Gemeinsam sind wir so viel stärker…“
„Was…?“, wollte ich erneut wissen, doch plötzlich wirbelten meine Gedanken umher. Jemand durchforstete mein Inneres und nistete sich dort ein. Ich hatte das Gefühl, tief in mir gefangen zu sein. Die Worte die daraufhin folgten, stammten nicht von mir selbst, wurden aber dennoch mit meiner Stimme gesprochen.
„Lass uns Edward vernichten!“
(Flashback Ende)
Ungläubig starrte ich Jasper an. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit solch einer merkwürdigen Geschichte. Ich konnte mir unmöglich vorstellen, dass sie stimmte.
Einen Vampir mit solch einer mächtigen Gabe kann es nicht geben, sonst hätten ihn die Volturi schon längst ausfindig gemacht.
Auch die anderen sahen verwirrt aus und besonders Carlisle schien angestrengt darüber nachzudenken. Er warf Jasper einen ernsten Blick zu, was dieser mit gesengtem Kopf über sich ergehen ließ.
„Ich weiß, dass das Ganze etwas merkwürdig klingt, aber auch dafür gibt es eine Erklärung. Habt ihr euch nie gefragt, warum Alice ihn nicht sehen konnte?“
„Gehört das etwa auch zu seiner Gabe?“, schnaubte Rosalie verächtlich.
„Nein!“
Neugierig sahen wir wieder in seine Richtung, doch diesmal hatte sich etwas Entscheidendes verändert. Jaspers Gedanken waren mit Angst verbunden. Eine Angst, die er nicht absichtlich hervorrief, denn dafür fühlte sie sich zu real an.
Mit bleicher Stimme antwortete er: „Es handelt sich hierbei um keinen gewöhnlichen Vampir. Ich habe auch lange gebraucht, um es zu begreifen, denn so etwas hat es in dieser Art und Weise noch nie gegeben. Er-er war einmal ein Halbvampir, jedoch reichte ihm das nicht aus und als sich die Möglichkeit bot, hat er sich vollständig verwandeln lassen. Das ist der Grund, warum Alice ihn nicht sehen kann und warum seine Gabe so viel mächtiger ist als unsere. Er besitzt die doppelte Macht und er will sich damit an dir rächen, Edward!"
Kapitel 28
Bella
Seitdem mein Vater aus dem Koma erwacht war, schien es wieder bergauf mit ihm zu gehen. Zwar fiel ihm das Sprechen und Essen noch sehr schwer, aber mit dieser unfassbaren Willensstärke würde er schon bald ins normale Leben zurückkehren können. Die Ärzte – insbesondere Carlisle – waren zuversichtlich und so hatte Dad mich an diesem Tag aufgefordert nach Hause zu gehen. Ich solle meinen Verpflichtungen nachgehen, schließlich erledigten sich diese nicht von selbst. Und er hatte Recht! Ein Berg von Arbeit stapelte sich auf meinem Schreibtisch und auch im Haushalt musste noch einiges erledigt werden. Das Leben machte eben keine Pause, sondern zog ungehindert an uns vorbei.
Ich seufzte schwer, während ich die schmutzige Wäsche aussortierte, die sich in einem separaten Korb türmte. Eine Menge Arbeit lag vor mir und ich hatte das Gefühl dabei keinerlei Unterstützung von meinem Ehemann zu bekommen. Den ganzen Morgen über studierte er nun schon die Zeitungen, um sich über die Umstände der aktuellen Geschehenes zu informieren. Charlie stand in allen Zeitungen, was einen enormen Druck auf Jacob ausübte, denn jetzt musste er sich um alle wichtigen Angelegenheiten kümmern. Ich konnte seinen Missmut zwar verstehen, trotzdem verstand ich nicht, warum er so abweisend zu mir war.
Ist es immer noch wegen Edward?
Innerlich schüttelte ich den Kopf. Seit zwei Tagen hatte ich ihn nicht mehr gesehen, demnach gab es keinen Grund eifersüchtig zu sein. Es konnte sich eigentlich nur um den Stress handeln, dem er im Moment ausgeliefert war. Also beschloss ich, ihm eine kleine Freude zu bereiten, indem ich sein Lieblingsmittagessen zubereiten würde.
Wir saßen in der Küche, Jacob hing nun über eine ältere Zeitung und las einen Artikel, der vor ein paar Wochen aktuell gewesen war. Anscheinend versuchte er irgendwelche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Unfällen zu suchen. Es fiel mir schwer die Unwissende zu spielen, denn am liebsten hätte ich ihm gesagt, er solle endlich diese bescheuerte Zeitung weglegen und begreifen, dass dies unmöglich ein Mensch oder Tier angerichtet haben konnte. Es war ein Vampir
, dachte ich bissig, aber natürlich registrierte er meinen veränderten Gesichtsausdruck nicht. Ich war sogar der festen Überzeugung, dass er noch nicht einmal bemerkt hatte, dass es sein Lieblingsessen gab. Hin und wieder stocherte er darin herum und nahm einen kleinen Bissen zu sich. In diesem Moment sah ich uns als erstes Mal wie einer dieser alten Ehepaare, die sich ständig stritten und nur aus reiner Gewohnheit zusammen blieben – unglücklich bis an ihr Lebensende.
„Das reicht“, stieß ich schließlich hervor, ließ das Besteck auf den Teller fallen und stand auf. „So kann das nicht weitergehen, Jake. Ahnungslos hob er den Kopf, selbst das schien ihn völlig gleichgültig zu sein.
„Seit-seitdem Charlie im Krankenhaus liegt, haben wir kein vernünftiges Wort mehr miteinander geredet“, fuhr ich fort, „und ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird.“
„Vielleicht solltest du dich mal fragen warum“, grummelte Jacob in sich hinein.
„Wir sitzen hier wie ein altes Ehepaar und du merkst noch nicht einmal, dass ich dein Leibgericht gekocht habe. Du-du hängst nur über diesen Zeitungen ohne ein Wort zu sagen.“
„Dann weißt du ja, wie es mir im Krankenhaus ging“, erwiderte Jake gelassen. Fassungslos starrte ich ihn an. „Worauf willst du genau hinaus?“
„Na ja, zuerst tauchst du dort mit diesem Edward und seiner Sippschaft auf und verhältst dich so, als würdest du zu ihnen gehören. Dann sitzt du ganz allein auf der Intensivstation bei deinem Vater, ohne mich einmal zu beachten. Ich habe mehrmals versucht dir beizustehen, aber du hast mich jedes Mal mit Ignoranz gestraft. Irgendwann habe ich es dann aufgegeben, aber selbst das hast du nicht gemerkt. Du-du hast nur diesen Dr. Cullen angehimmelt, als wäre er ein Heiliger, der Charlie von den Toten auferstehen lässt.“
„Wie bitte?“, brachte ich entsetzt hervor. Den schmutzigen Teller hatte ich bereits in die Spüle geworfen, sodass er an einer Stelle einen Riss bekam.
„Du hast mich schon ganz richtig verstanden. Anscheinend bin ich dir nicht so wichtig wie diese Cullens, also kann ich mich auch genauso gut um die Arbeit kümmern. Irgendjemand muss ja das Geld nach Hause bringen.“
„Ich gehe auch arbeiten“, protestierte ich, woraufhin Jake spöttisch zu lachen begann.
„Ja, nur leider warst du seit Tagen nicht mehr dort. Es würde mich nicht wundern, wenn sie dich bald feuern.“ Das war zu viel des Guten. Jacob hatte es mit seinen Worten zu weit getrieben und ich spürte eine unsagbare Wut, die in mir aufkeimte. Wütend warf ich ihm das Geschirrtuch um die Ohren und stampfte aus der Küche. Dann stürmte ich nach draußen, um dem ganzen Chaos zu entkommen und in der Hoffnung, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.
Doch selbst als ich mich ein paar Meter von unserem Haus entfernt hatte, konnte ich immer noch seine Worte in meinen Gedanken hören.
Es würde mich nicht wundern, wenn sie dich bald feuern.
Wieso sagte er so etwas? Er wusste doch ganz genau, warum ich mir frei genommen hatte. Mochte sein, dass ich ihn in den letzten Tagen nicht unbedingt wie eine liebende Ehefrau umgarnt hatte, aber war das wegen der momentanen Umstände nicht völlig normal? Mein Vater wäre beinahe gestorben und natürlich empfand ich für Carlisle tiefe Dankbarkeit, schließlich hatte er ihn in gewisser Weise das Leben gerettet.
Die Cullens standen mir in den letzten Wochen immer bei, da war es doch ganz natürlich, dass sie mir wichtig geworden sind. Allerdings traf das nicht unbedingt auf Edward zu, denn zu ihm hatte ich eine ganz andere Verbindung. Eigentlich – das wusste ich – hätte ich mich dafür schämen müssen, aber aus irgendeinem Grund ging dies nicht. Ich war froh, Edward kennengelernt zu haben, denn durch ihn lernte ich zum ersten Mal das wahre Glück kennen. All die Jahre zuvor hatte ich mir nur etwas vorgemacht. Die Ehe mit Jacob konnte man nicht mit der Verbindung zu Edward vergleichen. Natürlich empfand ich etwas für ihn, aber es war keine Liebe, wie ich in diesem Moment schmerzlich verstellen musste.
Mittlerweile hatte ich die Straßenseite gewechselt und nur ein paar Kilometer weiter befand sich die Forks High School. Dort sollte ich heute eigentlich unterrichten, aber stattdessen lief ich einsam umher und badete im Selbstmitleid. Ein wenig schämte ich mich dafür, obwohl jeder von den Umständen wusste und mir meinen kleinen Spaziergang bestimmt nicht übel nehmen würde. In dieser Kleinstadt hielten alle zusammen und jeder – so erschien es mir häufig– wusste das Geheimnis des jeweils anderen.
„Bella.“ Ich zuckte zusammen als ich meinen Namen vernahm und Mike Newton plötzlich vor mir auftauchte. Wie immer lief er akkurat gekleidet herum, seine Haare perfekt gestylt und ein verschmitztes Lächeln lag auf seinen Lippen.
„Heute mal nicht förmlich“, zischte ich wütend.
„Ich habe mir gedacht, wozu das Ganze, immerhin kennen wir uns schon so unglaublich lange.“
„Was willst du?“
„Ich habe gehört, dein Vater liegt im Krankenhaus und es steht nicht gut um ihn. Ich wollte dir eigentlich nur mein Mitgefühl aussprechen.“
„Danke, aber es geht ihm mittlerweile besser, das dürftest selbst du mitbekommen haben. Also was willst du wirklich von mir?“
„Du bist sehr clever, weißt du das?“ Mike grinste frech und entblößte eine Reihe perfekt aneinander gereihter Zähne. In jeder Hinsicht legte er Wert auf Perfektion, was sich wiederum auch in seinem Unterricht widerspiegelte. Keiner der Schüler konnte ihn ausstehen!
„Hör zu: Ich habe weder Zeit, noch Nerven für ein Gespräch mit dir.“
„Du hast dir doch frei genommen, also dürfte es kein Problem sein ein kleines Pläuschchen mit mir zu halten. Ich kann dich ein wenig auf andere Gedanken bringen, wenn du magst.“
Langsam wurde es mir zu viel, also lief ich kurzer Hand an ihm vorbei. Mike ließ sich davon jedoch nicht abwimmeln und folgte mir.
„Wie oft soll ich noch sagen, dass du mich in Ruhe lassen sollst“, meckerte ich.
„Nicht oft genug. Weißt du Bella, ich wollte wirklich ein vernünftiges Gespräch mit dir führen, aber es ist besser, wenn wir sofort auf den Punkt kommen. Edward und du…“ Er hielt inne, während ich mich überrascht zu ihm umdrehte.
„Wie bitte?“
Wieder begann er hämisch zu grinsen. „So schnell bekommt man deine Aufmerksamkeit. Es genügt nur die Erwähnung des charmanten Schülers Edward Cullen und Mrs. Black ist hin und weg.
„Worauf willst du hinaus?“, fragte ich unsicher nach.
„Ach, das weißt du doch ganz genau. Wer euch beide zusammen sieht, dürfte es kaum übersehen.“ Mein Herz begann schneller zu schlagen, während ich nervös von einem Bein auf das andere trat. Wie hat er es nur herausgefunden?
„Ich habe ihn gewarnt – im gesagt, er solle sich von dir fernhalten, aber das war wohl zu viel verlangt.“ Langsam näherte er sich mir und sah mir dabei tief in die Augen. Es fiel mir schwer seinen Blick standzuhalten. Die Auseinandersetzung mit Jacob war verschwunden, dafür machte sich in mir eine andere Angst breit.
Hatte er jemandem von seiner Vermutung erzählt?
„Ich weiß, was du jetzt denkst und du kannst beruhigt sein: Noch habe ich keinem davon erzählt.“
„Aber du wirst es tun“, zischte ich leise.
„War das ein Geständnis? Hat die junge unerfahrene Lehrerin gerade zugegeben, dass sie etwas mit einem ihrer Schüler hat?“ Ich schwieg und starrte zu Boden.
Was sollte ich in diesem Moment noch sagen? Ich war verloren.
„Höchst interessant das Ganze, wenn man bedenkt, was Edward wirklich ist. Muss es nicht höllisch gefährlich sein mit so einem… na, sagen wir mal Ungeheuer.“
Ich verfiel in eine Art Schockstarre, denn ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Mike wusste Bescheid!
„Es war ganz einfach herauszufinden, wenn man euch ständig und überall beobachtet. Irgendwann bin ich dann auf die Idee gekommen, in die Bibliothek zu gehen und ein paar Recherchen anzustellen. Du weißt schon, das Buch über Forks. Der Rest ergab sich somit von ganz allein.“
„Ich-ich weiß nicht wovon du sprichst“, stotterte ich schließlich.“
„Du bist eine schlechte Lügnerin, Bella.“
„Und was gedenkst du jetzt zu tun?“ Ich versuchte ein wenig mutiger zu klingen, versagte jedoch kläglich.
„Ich könnte euch noch eine Chance geben, wenn du mir ein wenig entgegen kommst. Du wirst nicht so versagen wie Edward, da bin ich mir sicher.“
„Vergiss es“, stieß ich entschlossen hervor, „niemals werde ich mich auf dich einlassen.“
„Wir sind nicht mehr auf der High School. Wir sind nun Lehrer und tragen Verantwortung. Es wäre doch schrecklich, wenn das alles herauskommen würde.“
„Das traust du dich nicht.“
„Wer weiß das schon“, sprach Mike gelassen. Mittlerweile hatten wir uns vollständig von der Straße entfernt und standen an einem verlassenen Pfad.
Plötzlich überkam mich ein Ungutes Gefühl und ich wollte nur noch weg von hier. Überall raschelten Blätter und es schien, als wäre ganz plötzlich die Dämmerung eingebrochen. Da dies unmöglich sein konnte, vermutete ich, dass es bald regnen würde.
„Wir sollten lieber von hier verschwinden“, gab ich missmutig zu.
„Das ist nicht dein ernst?“ Mike brach in schallendes Gelächter aus.
„Es sieht nach einem Gewitter aus und ich habe keine Lust gegrillt zu werden, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Kaum sind wir an einem einsamen Ort, bekommt es die kleine Bella mit der Angst zu tun. Du warst schon damals in der Schule zart beseidet, sodass wir dich alle beschützen mussten. Keine Angst, ich werde auch heute für dich da sein.“
„Ich meine es wirklich ernst“, entgegnete ich forsch. Irgendwas schien hier ganz und gar nicht zu stimmen, das spürte ich.
„Also schön, was hältst du davon, wenn wir ein wenig zu mir gehen? Dann können wir uns aufwärmen und noch mal über das Angebot reden.
Ohne zu zögern antwortete ich mit „Ja“, was Mike sichtlich überraschte, mir in diesem Moment aber völlig gleichgültig war.
Jemand beobachtet uns
, dachte ich.
Das Rascheln der Blätter wurde immer stärker, während wir uns einen Weg durch das Dickicht suchten. Irgendwie hatten wir beide die Orientierung verloren.
„Vielleicht sollten wir doch lieber hierbleiben.“ Jetzt erklang auch Mike ein wenig ängstlich.
„Kommt nicht in Frage!“
„Wir schaffen es nicht rechtzeitig.“
„Das ist mir egal“, antwortete ich trotzig.
„Warte, Bella“, konnte ich Mike panisch rufen hören, der im nächsten Augenblick einen ohrenbetäubenden Schrei von sich gab. Zitternd drehte ich mich um und erschrak. Ein Vampir hatte sich über ihn gebeugt, die spitzen Zähne in seinen Hals steckend. Das Blut strömte unaufhörlich an ihm herunter, während langsam das Leben aus ihm gesaugt wurde. Mike war dabei das Bewusstsein zu verlieren, zwang sich jedoch die Augen geöffnet zu halten. Mit schwacher Stimme flüsterte er: „Be-Bella, du-du musst von hier ver-schwinden. Es tu-tut mir leid. Ich lie-liebe dich.“ Dann sackte er in sich zusammen und der Vampir gab ein gurgelndes Geräusch von sich.
Mikes Leiche fiel zu Boden, getaucht in einem entsetzlichen Blutbad. Noch nie hatte ich so etwas Schreckliches gesehen. Mein Magen drehte sich um und es begann in Strömen zu regnen.
Ich weiß, das mit Mike kommt jetzt ziemlich überraschend und ich habe auch lange überlegt, ob ich ihn tatsächlich sterben lassen soll, aber irgendwie hat kein Weg daran vorbeigeführt. Klingt jetzt hart, aber ich glaube, für den weiteren Verlauf der FF ist es besser.
In seinen letzten Sekunden wollte ich Mike noch einmal so darstellen, wie er tief in seinem Herzen im Grunde eig. war. Wenn man es so nimmt, hat seine krankhafte Liebe zu Bella ihn letztendlich umgebracht. Es ist schwer sich in ihn hineinzuversetzen, aber ich habe beim Schreiben versucht ihn zu verstehen und am Ende war ich froh, dass ich ihn hab diese letzten Worte aussprechen lassen. Ich hoffe, ihr nimmt es mir nicht so übel.^^
Kapitel 29
Edward
„Was soll das heißen, er will sich an mir rächen? Ich kenne ihn ja noch nicht einmal“, brachte ich entsetzt hervor.
Jasper schüttelte vernehmend den Kopf. „Da täuscht du dich.“
Jetzt waren auch die anderen leicht verwirrt und selbst Carlisle – der sich eigentlich mit allem auskannte – wusste nicht mit der Situation umzugehen.
„Diese Information ist mir neu“, sagte er weiterhin nachdenklich.
„Deshalb muss ich euch unbedingt den zweiten Teil meines Erlebnisses erzählen.“
Rosalie und Emmett begannen spöttisch zu lachen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, immerhin sprach Jasper ziemlich gelassen über seine Gefangenschaft. Nur seinem trüben Blick konnte ich entnehmen, dass dem nicht so war. Er hatte Schreckliches durchlebt, das wurde mir in diesem Moment erst richtig bewusst.
„Sprich, mein Sohn“, forderte Carlisle ihn auf und so fuhr Jasper mit seiner Erzählung fort.
(Flashback 2 – Jasper)
Der dichte Wald war in Nebel getaucht und es fiel mir schwer nicht die Orientierung zu verlieren. Alles verschwamm hin und wieder vor meinen Augen, sodass ich glaubte jeden Augenblick in Ohnmacht zu fallen. Doch das würde sowieso nicht passieren, denn ich besaß schon seit mehreren Tage nicht mehr die Kontrolle über meinen Körper – oder handelte es sich sogar um Monate? Ich wusste es nicht, denn seitdem dieser unbekannte Vampir meinen Körper steuerte, hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Egal wohin er ging oder was er tat, immer musste ich ihn dabei begleiten. Es war ein seltsames Gefühl und allmählich verließ mich der Mut.
Bist du durstig?
, fragte der Vampir mit samtweicher und dennoch grausamer Stimme. Hin und wieder konnte ich seine Worte in meinen Gedanken hören. Er schmiedete noch immer an einen Plan, um meinen Bruder Edward zu vernichten.
Noch ist es zu riskant, aber wenn wir uns erst aneinander gewöhnt haben, werden wir ihn gemeinsam zur Strecke bringen.
Das sagte er so häufig, dass ich mittlerweile hoffte, er würde es irgendwann aufgeben.
Natürlich bist du das, schließlich kann ich das Brennen in deiner Kehle spüren.
Zu gern hätte ich gewusst, wie er das machte. Wo war sein eigener Körper, wenn sich sein Geist in mir befand? Ich wollte ihn danach fragen, jedoch fiel mir keine Möglichkeit dazu ein. Sollte ich es einfach denken?
Er begann zu lachen. Das erkläre ich dir später.
Also konnte er mich tatsächlich hören.
Natürlich kann ich das. Ich höre deine nervtötenden Gedanken schon die ganze Zeit. Also was ist jetzt? Lust auf einen kleinen Drink?
Nein!
, dachte ich, doch der Vampir ignorierte mich. Tatsächlich musste ich mir aber eingestehen, dass meine Kehle völlig ausgedorrt war und somit höllisch brannte. Ohne Blut würden wir also nicht lange auskommen und genau das bereitete mir am meisten Sorgen. Ich wollte nicht, dass er in meinem Körper einen Menschen umbrachte.
Ich-ich ernähre mich nur von Tierblut
, gab ich zögernd zu.
Auch noch Sonderwünsche, der Herr. Ich habe von eurer Eigenart gehört. Nennt ihr euch nicht lustigerweise Vegetarier?
Er begann spöttisch zu lachen.
Bitte, es ist mir sehr wichtig.
Ist das nicht total eintönig?
Nein, das war es definitiv nicht! Auch Tiere besaßen verschiedene Duftnoten, was die Auswahlmöglichkeit enorm erleichterte.
Du hast einfach schon viel zu lange auf menschliches Blut verzichtet. Wenn du es erneut kostest, wirst du merken wie sehr es deinen Körper stärkt.
Es zerstört mich
, dachte ich niedergeschlagen.
Wieder lachte der Vampir, jedoch diesmal ohne mir eine Antwort zu geben. Er hatte seine Entscheidung schon längst getroffen und ich konnte nichts anderes tun als mich darauf einzulassen.
Dann wollen wir mal.
Es dauerte nicht lange und wir vernahmen am Waldrand den Geruch eines Menschen. Keine besondere Duftnote, aber trotzdem gut genug für einen „sogenannten“ Drink. Mir wurde zunehmend bewusst, dass dieser Moment mein schwer erkämpftes Leben zerstören würde. Egal ob ich mich irgendwann aus den Fängen dieses unbekannten Vampirs befreien könnte, ich würde dennoch als blutrünstiges Monster zurückkehren. Man konnte das Ganze ein wenig mit einem Ex-Alkoholiker vergleichen. Wer sich einmal seiner Sucht hingab, wird von ihr gnadenlos in einen Teufelskreis gezogen.
Noch einmal werde ich nicht davon loskommen
, dachte ich mehr für mich selbst.
Das brauchst du doch auch gar nicht. Es gibt so viele Menschen auf dieser Welt
, erwiderte der Vampir und nahm die Fährte des Mannes auf, der ahnungslos am Waldrand stand. Der Jagdmodus packte mich so schnell, dass sich mein Durst plötzlich verdoppelte. Ein blutroter Schleier bildete sich vor meinen Augen und ließ mich zu dem werden, was ich vor vielen Jahren einmal gewesen war – ein kaltherziges Monster!
„Edward hat sie umgebracht.“ Wir saßen auf einer Wiese, irgendwo Richtung Osten und es war das erste Mal, dass dieser Vampir meinen Körper verlassen und in seinen eigenen zurückgekehrt war. Jetzt saß er neben mir und wirkte so zerbrechlich wie ein kleines Kind. Ob ich die Chance nutzen sollte?
Andererseits interessierte es mich brennend, was er über meinen Bruder zu berichten hatte. Vielleicht konnten diese Informationen nützlich sein.
„Wie bitte?“, brachte ich schließlich zögernd hervor.
„Meine Mutter… Er hat sie getötet als ich noch ein kleines Kind war.“
„Ich verstehe nicht…“
„Sie hat mich zur Welt gebracht, obwohl ich sie fast umgebracht hätte“, unterbrach er mich mit brüchiger Stimme. „Mein Vater war ein Vampir. Die beiden waren unsterblich ineinander verliebt und meine Mutter hat ihn sogar häufig auf seiner Jagd begleitet. Sie fand es nicht schlimm, all diese Menschen sterben zu sehen, aber nur weil sie ihn so sehr geliebt hat. Er brauchte das Blut und sie brauchte ihn. Irgendwann wurde sie dann schwanger.“
Ich sog scharf die Luft ein. Neben mir saß kein gewöhnlicher Vampir.
„Sie war noch sehr jung, aber sie liebte mich von Anfang an und gab mir all das, was ich brauchte. Als ich dann geboren wurde, lag sie im Sterben. Mein Vater bereitete alles für eine Verwandlung vor und irgendwann sah sie genauso wunderschön aus wie er. Ich erinnere mich so gut daran, weil ich ziemlich schnell gewachsen bin. Schon bald sind wir gemeinsam auf die Jagd gegangen.“
Ich stellte mir vor, wie ein kleiner Junge gebeugt über eine Leiche stand und sich das Blut von den Fingern leckte. Angewidert schüttelte ich meinen Kopf.
„Wir waren eine richtige Familie, bis irgendwann dieser Edward auftauchte. Ich kannte ihn, denn unter den Vampiren war bekannt, dass er nur böse Menschen tötete.“
Das muss zu Beginn seiner Vampirzeit gewesen sein
, dachte ich.
„Er beobachtete uns oft“, fuhr der Vampir fort. „Was wir taten war für ihn eine Sünde, aber ich verstand ihn nicht. Er tötete genauso Menschen wie wir und das war – soweit ich wusste – ebenfalls eine Sünde. Eines Tages wollte mein Vater einen neuen Ort für uns suchen und ließ meine Mutter und mich für eine Weile allein. Wir kamen ganz gut zurecht, auch wenn mich häufig ein ungutes Gefühl beschlich. Dieses sollte sich eines Nachts bewahrheiten. Edward lauerte meiner Mutter draußen in der Gasse auf und brachte sie kaltblütig um. Ich erfuhr davon erst am nächsten Tag und war froh, dass mein Vater genau zu diesem Zeitpunkt zurückkehrte.“
Er brach ab und starrte in den Himmel. Das was Edward getan hatte, war richtig gewesen, jedoch empfand ich plötzlich Mitleid für den kleinen Halbvampir, der in so jungen Jahren seine Mutter verloren hatte.
„Ich dachte… mein Vater könnte mir diesen Schmerz nehmen, schließlich wusste er für alles eine Lösung, aber das traf ihn noch mehr wie mich. Er wirkte auf einmal um Jahre gealtert. Seine Zuversicht schien völlig verschwunden. Ich wollte ihm helfen, doch ich konnte es nicht. Irgendwann – als ich ein Teenager war – ging er dann fort und kehrte nie wieder zurück. Ich glaube, dass er zu den Volturi gegangen ist und sich hat umbringen lassen – zumindest wurde das damals vermutet.“
Ich musste schlucken. Diese Erzählung konnte zwar völlig erfunden sein, aber komischerweise glaubte ich ihm. Auf irgendeiner Art und Weise konnte ich verstehen, dass er sich an Edward rächen wollte und dennoch durfte ich dies auf keinen Fall zulassen. Ich sprang auf und entfernte mich in Blitzgeschwindigkeit von ihm. Jetzt galt es keine Zeit zu verlieren, denn ich musste so schnell wie möglich von hier verschwinden.
„Nanana… du vergisst da etwas“, hörte ich ihn plötzlich sagen. Wenige Sekunden später stand er vor mir und musterte mich aus enttäuschten blutroten Augen. „Ich bin nicht mehr das, für was du mich hältst. Halbvampire sind viel zu schwach, um sich an richtigen Vampiren zu rächen. Ich musste mir also etwas einfallen lassen und da kam mir die Idee, vollends ein Vampir zu werden. Zuvor hatte es dies noch nie gegeben, sodass mir keiner sagen konnte, ob es auch wirklich funktionierte, aber dieses Risiko nahm ich in Kauf. Und wie man sieht, hat es sich gelohnt. Ich bin viel mächtiger als du es bist, Jasper!“
„Wozu brauchst du mich dann überhaupt?“
„Du bist ein hervorragender Stratege und kennst ihn so gut wie kein anderer. Irgendwann werde ich das aus dir herauskitzeln.“
„Niemals!“
„Wir werden sehen.“ Er legte seinen Kopf schief und begann hämmisch zu Grinsen. Dann wurde die Umgebung wieder unscharf und mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Tief in mir konnte ich ihn spüren – er war traurig.
Nach ein paar Monaten bemerkte ich immer öfter, dass ich die Gefühle des fremden Vampirs spüren konnte. Sie wechselten häufig von wütend zu traurig und manchmal – aber nur ganz selten – empfand er etwas mit Freude. Er war von unsagbarem Hass erfüllt und wollte mit aller Macht seine Eltern rächen.
Seit unserem Gespräch auf der Wiese, hatte er meinen Körper nicht mehr verlassen. Wir waren zu einem Geschöpf geworden, obwohl sein Körper stets neben mir lief. Das hatte ich jedoch erst sehr viel später bemerkt, denn sonst war er immer einige Meilen von mir entfernt gelaufen. Jetzt brauchte er das nicht mehr, weil ich – seiner Meinung nach – allmählich vertrauenswürdig wirkte. Ein Teil seines Geistes befand sich also noch in seinem eigenen Körper, jedoch nur der Teil, der für die Motorik zuständig war. Das Ganze klang ziemlich verwirrend und gleichzeitig sehr interessant. Ich war mir sicher, dass Carlisle gerne darüber nachgeforscht hätte.
Was für eine Fähigkeit
, dachte ich.
Das konnte ich auch schon als Halbvampir
, antwortete er stolz, allerdings schaffte ich es nur die Kontrolle über kleine Lebewesen, wie Tiere und Kinder, zu übernehmen.
Dieser Satz löste etwas in mir aus. Das Wort „Kontrolle“ brannte sich in mein Gehirn ein. Nach einiger Zeit kam mir dann die rettende Idee.
Was passierte, wenn ich seine Gefühle beeinflusste? Funktionierte das überhaupt?
Angestrengt sendete ich ihm eine Welle voll Glück, doch es schien nichts zu passieren. Er verhielt sich immer noch gleich.
Ich bin froh, dass wir uns jetzt besser verstehen
, sagte er plötzlich, das macht mich irgendwie…
Glücklich?!
, vollendete ich seinen Satz.
So würde ich es nicht unbedingt nennen, aber immerhin bin ich nicht mehr so allein.
Es funktionierte. Ich musste innerlich grinsen, denn jetzt würde ich es mit dem genauen Gegenteil versuchen. Ich sendete ihm die schrecklichsten Gefühle, die es nur gab und tatsächlich zeigte dies wenige Sekunden später seine Wirkung.
Das… was ist das?
Unschuldig fragte ich ihn nach seinem Befinden.
Irgendwie fühle ich mich gar nicht gut. Dieser Schmerz…
Er brach ab und dann entzog er sich auf einmal meinem Körper und tauchte in seinen eigenen zurück. Erneut sendete ich ihm eine Welle voll Schmerz, ehe ich mich von ihm entfernte. So schnell ich konnte lief ich Richtung Norden. Diesmal holte er mich nicht so schnell ein. Ich hatte ihn das fühlen lassen, wovor er sich am meisten fürchtete – den Verlust eines geliebten Menschen.
(Flashback Ende)
Kapitel 30
Edward
Jasper war aufgestanden und stand nun reglos im Raum, während die Blicke der anderen ihn fixierten. Aus irgendeinem Grund konnte ich ihm plötzlich nicht mehr in die Augen sehen, sodass ich meinen Kopf gesenkt hielt.
„Das ist alles“, sagte Jasper. „Es steht euch frei mir zu glauben oder nicht. Ich wollte euch nur warnen, denn sein Hass und seine Macht sind weitaus stärker als ihr denkt.“
„Aber... ich verstehe nicht ganz.“ Esme sah besorgt in meine Richtung. Natürlich fragte sie sich, warum ich diese Vampirfrau umgebracht hatte, wo sie doch Mutter eines kleinen Kindes war. Keiner traute mir solch eine Tat zu – mir selbst wurde es ja auch erst jetzt bewusst. Was hatte ich nur getan? All die Jahre...
„Ich wusste es nicht“, brachte ich mühevoll hervor.
„Es ist in Ordnung, Edward.“ Carlisle legte beruhigend seine Hand auf meine Schulter.
„Nein, ist es nicht“, sprach ich entsetzt, während ich mich seinem Griff entzog. „Wenn ich gewusst hätte, dass sie die Mutter des kleinen Jungen war, wäre ich doch nie auf solch eine Idee gekommen. Ich dachte wirklich, ich tue das Richtige.“
„Moment mal“, unterbrach Jasper mich, „du wusstest gar nicht, dass sie dieses Kind bekommen hat?“ Ich schüttelte den Kopf. Noch nie hatte ich mich für etwas so sehr verabscheut.
„Nein. Ich... ich war doch noch ein Neugeborener und wusste nicht, wohin mit meiner Energie. Es gab so viel, von dem ich keine Ahnung hatte. Die Welt von ein paar schlechten Menschen und Vampiren zu befreien, erschien mir als die beste Lösung. Mein Dasein als Vampir wurde dadurch etwas erträglicher. Als ich die drei Vampire entdeckte, konnte ich nicht begreifen, wieso sie ein kleines Kind mit zur Jagd nahmen. Irgendwann fand ich dann heraus, dass dieser kleine Junge kein gewöhnliches Kind war, sondern einer von uns. Ich... ich dachte sie hätten ihn verwandelt.“
„Und deshalb wolltest du sie töten“, beendete Emmett meine Erzählung.
„Ich ging davon aus, dass sie ihn manipulierten und es mit weiteren Kindern machen würden. Plötzlich hatte ich das Gefühl, endlich etwas Sinnvolles mit meiner Macht anzustellen. Es war nicht schwer diese Frau ausfindig zu machen. Hätte ich ihr doch nur die Zeit gegeben, mir alles zu erklären, dann...“
„Das ändert nichts daran, dass sie Monster waren!“ Jasper hatte sich vor mich gestellt. Seine blutroten Augen musterten mich verständnisvoll.
„Ich habe seine Gefühle gespürt und du bist nicht der einzige Grund, warum er so voller Hass ist. Seine Eltern haben ihn zu dem erzogen.“
Ich ignorierte seine Worte und fuhr ungehindert fort: „Ich bin Schuld daran, dass er ohne seine Eltern aufwachsen musste. Kein Wunder, dass er mich so sehr verabscheut.“
„Nein!“ Rosalie war aufgesprungen und schwang plötzlich theatralisch die Arme in die Luft. „Hör auf dich ständig für alles verantwortlich zu fühlen, Edward. Dieses Kind hatte grausame Eltern und du hast nur etwas in Wallung gebracht, was ohnehin irgendwann passiert wäre. Was geschehen ist, ist geschehen!“ Schnaubend setzte sie sich wieder hin, während Emmett sie vorsichtig an sich drückte. Noch nie hatte ich Rosalie derart reden gehört. Aber sie hat Recht.
„Was gedenkst du jetzt zu tun?“, fragte Carlisle an Jasper gewandt. „Meinst du, seine Schwachstelle könnte uns nützlich sein?“
„Ich weiß es nicht… vermutlich schon. Wir bräuchten einen guten Plan. Am besten ist es, wenn wir ihn aus dem Hinterhalt überraschen.“ Jasper zog sich seufzend zurück, als Alice einen spitzen Schrei von sich gab. Ihre goldenen Augen fixierten einen unbedeutenden Punkt im Raum, während ihr Blick glasig und abwesend wurde. Jeder wusste sofort, dass sie eine Vision hatte und ich war der einzige, der diese durch ihre Gedanken hindurch mitverfolgen konnte.
„Da ist überall Blut“, stotterte sie, „jemand wurde gebissen. Bella, sie ist bei ihm. Ihr Duft beflügelt ihn, aber er versucht sich zu beherrschen. Er braucht sie. Es ist so dunkel. Ich… ich kann nichts mehr erkennen.“
Im nächsten Moment hob Alice ihren Kopf und sah entsetzt in die Runde. „Dieser Vampir hat Mike getötet und Bella entführt.“
„Bi..bist du dir sicher?“, fragte Emmett.
„Natürlich ist sie das“, entgegnete ich forsch. Binnen weniger Sekunden stand ich an der Haustür. Ich durfte einfach nicht zulassen, dass ihr etwas passierte.
Wie konnte ich sie nur allein lassen?
Aus dem Wohnzimmer hörte ich die aufgeregten Stimmen der anderen. Jasper wollte wissen, wer Bella ist, doch ich empfand es als reine Zeitverschwendung ihm ausgerechnet jetzt davon zu erzählen. Ich musste sie retten und mir etwas wieder holen, was ich vor vielen Jahren einmal verloren hatte – meine Selbstachtung!
Bella
Ein modriger, verfaulter Geruch stieg mir in die Nase. Der Boden unter mir war feucht und kalt. Langsam tastete ich mich voran, ohne dabei die Augen zu öffnen. Eine schwere Last lag auf ihnen, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen – und genauso fühlte ich mich auch!
Müde und erschöpft lehnte ich mich gegen eine kühle Mauer, die sich direkt hinter mir befand. Fast wäre ich wieder eingeschlafen, doch da erschien plötzlich ein entsetzliches Bild vor meinem inneren Auge. Mike Newton lag blutüberströmt vor meinen Füßen, jegliches Lebens schien aus ihm verschwunden zu sein. Es war ein Anblick, den ich nie vergessen würde.
Panisch riss ich meine Augen auf. Erst jetzt realisierte ich, was geschehen war und in wessen Gefangenschaft ich mich befand. Der kalte, modrige Raum entpuppte sich als eine Art Keller. Auf dem Boden lagen jede Menge Dreck und an den Wänden hingen Spinnennetze. Er hat mich hierher gebracht.
Ängstlich zog ich die Beine zusammen und wimmerte vor mich hin. In diesem Moment entzog sich die reife, verheiratete Lehrerin meinem Körper und zurück blieb ein kleines verängstigendes Kind.
Kapitel 31
Bella
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffnete, hatte sich etwas in meiner Umgebung verändert. Zuerst wusste ich nicht, um was es sich handelte, doch dann sah ich, dass ein Bündel Brot und eine volle Wasserflasche vor der Kellertür lagen.
Er war hier, schoss es mir sofort durch den Kopf.
Wieso war ich von den Geräuschen nicht wachgeworden? Hatte die Müdigkeit mich etwa so sehr gelähmt? Ich versuchte mich angestrengt zu erinnern, aber noch immer herrschte in meinem Kopf ein einziges Chaos. Ich konnte nur Mike's Leichnam deutlich erkennen und jedes Mal wenn dies passierte, drehte sich mir der Magen um. Es machte mich schier verrückt und ich fragte mich, ob ich wohl je darüber hinwegkommen würde?! Ich hatte ihn auf quälende Art und Weise sterben sehen und obwohl ich ihn nicht ausstehen konnte, begann ich stumm um ihn zu trauern.
Das wollte ich nicht. Niemals!
Natürlich wünschte man sich manchmal, dass die Menschen, die man nicht ausstehen konnte, eine Abreibung verpasst bekamen – aber den Tod? Wer jemand anderen tatsächlich sterben sehen wollte, war ein kaltherziges Monster!
Mein Blick fiel wieder zu Tür, an der sich nichts gerührt hatte. Das Brot und die Flasche lagen noch immer unberührt davor und schienen förmlich auf eine Reaktion zu warten. Langsam versuchte ich mich an der kalten Wand hinter mir hochzuziehen. Meine Glieder fühlten sich schwer an, so als hätte ich den ganzen Tag über Sport getrieben. Natürlich lag das hauptsächlich an der Angst, denn als ich endlich zum Stehen kam, bemerkte ich das unkontrollierte Zittern in meinen Beinen.
Du bist so schwach
, schallte es in meinen Ohren, Mike Newton ist vor deinen Augen gestorben und du hast nichts Besseres zu tun, als dich in diesem heruntergekommenen Keller auszuruhen.
Plötzlich fühlte ich mich schuldig. Hätte ich ihn retten können?
„Warum nur?“ Mit wackeligen Beinen lief ich zur Tür.
Schritt für Schritt.
Noch nie war mir eine kurze Strecke so lang vorgekommen.
Als ich endlich an der Kellertür ankam, begann ich daran zu rütteln. Vielleicht wurde sie nicht richtig abgeschlossen und es ergab sich für mich die Möglichkeit einer Flucht. Aber natürlich war das völlig ausgeschlossen, denn jeder würde sich in solch einem Fall absichern. Außerdem befand sich da draußen kein gewöhnlicher Psychopath – was schon schlimm genug gewesen wäre –, sondern einer, der übernatürliche Kräfte besaß. Ein krankhafter Vampir sozusagen.
Doch trotz dieser Tatsache rüttelte ich weiter an der Tür, in der Hoffnung, dass sie sich doch noch öffnete. Vergebens.
„So ein Mist!“ Kraftlos ließ ich mich neben der Wasserflasche nieder. Wenige Sekunden später hielt ich es nicht mehr aus, griff schließlich danach und nahm ein paar gierige Schlucke zu mir.
Edward
Es gab für mich nur noch ein Ziel: Ich musste Bella finden und sie aus den Fängen dieses schrecklichen Vampirs befreien! Jedes Mal erschien ihr wunderschönes Gesicht vor meinen Augen und immer wieder schien es, als würde langsam die Lebenskraft aus ihr schwinden. Die schokobraunen Augen wurden starr, ihr Lachen erlosch und dann war sie für immer fort.
Und das ist alles nur meine Schuld.
Die Wut in mir stieg stetig an, bis sie mich fast überrollte. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich sie mal wieder in Gefahr gebracht hatte.
Warum war ich nicht einfach aus ihrem Leben verschwunden?
„Edward, warte doch!“ Hinter mir konnte ich wieder die Stimmen der anderen hören. Sie waren mir gefolgt, aber das interessierte mich nicht. Ich wollte sie da nicht mit reinziehen, auch wenn ich Verstärkung durchaus gebrauchen konnte.
„Mein Junge, das bringt doch nichts.“ Carlisle befand sich jetzt dicht hinter mir, doch er schien es nicht zu wagen näher an mich heranzukommen. Die Bäume rasten an mir vorbei und dennoch wollte dieser Wald nicht enden.
„Wo, verdammt noch mal, hält er sie gefangen?“ Zu meiner Überraschung hatte ich diese Worte tatsächlich laut ausgesprochen.
„Genau das wollen wir ja erst einmal herausfinden. Alice könnte...“
„Nein“, unterbrach ich ihn, „das würde zu lange dauern.“
„Ach, und das was du machst bringt uns schneller voran? Diese sinnlose Raserei stillt vielleicht deine Wut, aber sie wird uns nicht zu Bella führen“, raunte Rosalie und zum ersten Mal hielt ich in meiner Bewegung inne. Auch die anderen kamen zum Stehen und standen schließlich in einigem Abstand um mich herum. Ich fühlte mich wie von hungrigen Vampiren umgeben – eine leichte Beute. Doch das hier war meine Familie, die mir helfen und mich beschützen wollte. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich derjenige war, der sich in dieses Abseits befördert hatte.
„Es tut mir leid“, brachte ich leise hervor. „Ich... ich will einfach nicht, dass ihr etwas passiert. Sie bedeutet mir so verdammt viel.“
„Das verstehen wir doch, Edward.“ Esme kam auf mich zugelaufen und nahm mich schließlich in ihre Arme.
„Ich liebe sie“, wisperte ich an ihr Ohr gewandt.
„Wir werden einen Weg finden.“ Ich löste mich wieder von Esme, dann blickte ich in die Runde.
„Würdet ihr mir denn helfen?“
„Natürlich, Bruder“, meldete sich Emmett als erster zu Wort. „Nichts lieber als das.“
„Und du, Jasper?“ Ich sah hinüber zu meinem anderen Bruder, der in einiger Entfernung unschlüssig dastand. Wahrscheinlich wusste er nicht, ob wir ihn bei dieser Aktion dabeihaben wollten.
„Wenn es für dich... ich meine, wenn es für euch in Ordnung ist.“ Alle Augenpaare wandten sich nun zu Jasper. Keiner schien ihm mehr böse, zumindest machten sie nicht den Eindruck danach.
„Ich habe dir schon längst verziehen. Ich hoffe, das weißt du.“ Jasper nickte stumm, während Alice fortfuhr. „Wenn das geklärt ist, würde ich gerne zu unserem Plan übergehen.“
„Selbstverständlich.“ Carlisle gesellte sich dazu und nun schlossen auch wir anderen uns den dreien an. Wir sind wieder vereint. Eine Familie.
„Also ich würde vorschlagen, dass wir erst einmal zu dem Ort gehen, an dem Mik... an dem er ihn erwischt hat.“ Obwohl Alice ihn nicht leiden konnte, schien sein Tod ihr nahezugehen. Das konnte ich ihr nicht verübeln, denn die Bilder waren wirklich schrecklich gewesen.
„Und du weißt auch genau, wo sich dieser Ort befindet?“, schaltete sich Emmett ein.
„Ja! Es ist nicht weit von der Schule entfernt. Es könnte gut sein, dass man ihn schon gefunden hat, wir müssen also vorsichtig sein.“
„Und wo, glaubst du, hält er Bella gefangen?“, fragte ich.
„Das kann ich dir nicht sagen, aber ich hoffe, seine Fährte wird uns zu ihr führen.“
Dieser Plan besaß natürlich Lücken, doch es war unsere einzige Chance.
Bella
Ich hatte die komplette Wasserflasche in wenigen Sekunden geleert. Erst jetzt realisierte ich, wie trocken mein Hals gewesen war und wie sehr mich das Wasser stärkte. Das Zittern in meinen Beinen ließ langsam nach, sodass ich diesmal ohne Probleme hochkam. Von dem Brot würde ich allerdings nichts zu mir nehmen, denn dieses schien nicht mehr ganz so frisch zu sein. Am Rand bildete sich der Schimmel, was mich so anwiderte, dass ich mich ein paar Schritte davon entfernen musste.
Wie lange befand ich mich jetzt eigentlich hier? Wahrscheinlich handelte es sich gerade mal um ein paar Stunden, obwohl es mir vorkam wie Wochen. Die letzten Tage mit Edward lagen wie ein dicker Schleier zurück, so als hätte es sie gar nicht richtig gegeben.
Oh, Edward.
Ich seufzte und ließ mich wieder in der Ecke nieder, wo ich zuvor gesessen hatte. Genau in diesem Moment hörte ich ein Geräusch an der Tür. Das knacken eines Schlosses und dann stand er plötzlich vor mir. Seine blutroten Augen musterten mein Gesicht, wanderten hinunter zu meinem Hals.
Er bleckte die Zähne. „Dein Duft ist außergewöhnlich, hat dir das schon mal jemand gesagt?“ Instinkt tief zog ich mich tiefer zurück. „Na schön, überspringen wir den ganzen freundlichen Teil und kommen wir zum Geschäftlichen. Sicherlich fragst du dich, warum ich dich nicht auch umgebracht habe, so wie diesen lächerlichen Schleimbolzen?! Nun... die Antwort ist ganz einfach: Ich brauche dich!
„Wofür?“, brachte ich mühevoll hervor.
Er begann zu grinsen und entblößte seine spitzen Schneidezähne, die so weiß und makellos aussahen, dass er dafür hätte glatt Werbung machen können.
„Na ja, du bist Edwards kleine Prinzessin – sein wunder Punkt. Weißt du, ich warte schon lange auf solche eine Gelegenheit und endlich hat er mir seinen Schwachpunkt offenbart. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach werden würde. Ein Mensch und dazu noch eine so zarte und verführerisch riechende Frau wie du. Eigentlich habe ich ihm mehr Biss zugetraut. Verrate mir, wie kann er deinem Blut nur widerstehen?“
„Du kannst es doch auch“, stieß ich wütend hervor. Plötzlich schien die Angst gänzlich verschwunden. Seitdem er Edwards Namen erwähnt hatte, bildete sich in mir eine verborgene Kraft. Am liebsten wollte ich ihm in sein hässliches Gesicht schlagen!
„Aber nur, weil ich ein Ziel verfolge und weil ich weiß, dass dein Blut später meine Belohnung sein wird“, antwortete er lachend.
„Und was genau hast du vor? Was macht dich so sicher, dass er hier auftauchen wird?“
„Hm... lass mich überlegen. Ich würde mal behaupten, dass du für ihn alles bedeutest, demnach würde er auch alles tun, um dich zu finden.“
„Du scheinst ja gut recherchiert zu haben.“ Wieder traf sein Blick auf meinen, doch diesmal war da noch etwas anderes neben dem Hass – Traurigkeit?
„Da gab es nichts zu recherchieren. Es ist wie bei meinen Eltern. Nur dir Liebe kann die Gier nach dem Blut überwinden. Würde er dich nicht lieben, dann wärst du schon längst tot."
Kapitel 32/font>
Edward
Wir näherten uns dem Ort des Schreckens schneller als wir dachten und jeder von uns hing währenddessen seinen Gedanken nach. Alle mussten an Mike Newton denken, der nur wegen eines Zufalls hatte sterben müssen. In dieser Hinsicht waren wir uns zum ersten Mal einig: Er hatte solch einen Tod nicht verdient! Niemand hat das!
„Da vorne.“ Alice sog scharf die Luft ein, und dann erkannte auch ich den leblosen Körper. Überall klebte getrocknetes Blut, sogar die Pflanzen waren damit übersät, doch den schlimmsten Anblick bot sein Hals. Der Biss war riesig und markierte die Hälfte seines Halses. Kein Tier würde so etwas zustande bringen, aber die Menschen waren naiv genug dies zu glauben.
Wen sollten sie auch sonst dafür verantwortlich machen? In ihrer Welt gab es uns Vampire nicht und manchmal fragte ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Bella von alldem auch nichts erfahren hätte. Wahrscheinlich.
Ich starrte eine Weile auf den Leichnam, verspürte jedoch nicht den Hauch eines Kratzens. Den anderen schien es genauso zu gehen, bis auf Jasper, der sich in einiger Entfernung die Nase zuhielt. Für ihn war das Ganze natürlich eine Herausforderung, immerhin ernährte er sich wieder von Menschenblut. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, was er alles durchgemacht hatte. Er musste durch die Hölle gegangen sein!
„Was machen wir jetzt?“, durchbrach Emmett schließlich die Stille.
„Ich schlage vor, wir verständigen die Polizei“, antwortete Carlisle betont ruhig.
„Aber...“
„Willst du ihn etwa hier liegen lassen?“, unterbrach er mich.
„Nein, natürlich nicht.“
„Am besten warten Carlisle und ich auf die Polizei. In der Zwischenzeit macht ihr euch weiter auf die Suche nach Bella.“ Esmes Entscheidung schien gefallen, doch ich wusste nicht, ob das so eine gute Idee war.
„Und wo sollen wir nach ihr suchen? Was wollt ihr überhaupt der Polizei sagen?“
„Das werden wir schon regeln. Jeder X-beliebige Wanderer hätte vorbeikommen und ihn finden können. Es ist besser, wenn es einer von uns macht.“
„Da muss ich Carlisle zustimmen.“ Alice löste sich von Jasper und warf zum ersten Mal einen angewiderten Blick auf Mike, dann fuhr sie fort: „Ich glaube, ich habe eine ungefähre Ahnung, wo sie stecken könnte.“
„Tatsächlich?“
Sie nickte. „Nicht weit von hier, gibt es ein gutes Versteck. Ich bin schon öfter daran vorbeigelaufen, da es nicht weit von der Schule entfernt liegt.“
„Und du meinst, er hält sie dort gefangen?“, entgegnete ich erwartungsvoll.
„Wenn wir Glück haben, dann ja.“
Bella
Einige Sekunden verstrichen, in denen keiner etwas sagte. Noch immer saß ich gefangen in der Ecke, während seine blutroten Augen mich verstohlen musterten. Wenn er nicht so einen großen Hass auf Edward gehabt hätte, wäre er vermutlich sofort über mich hergefallen. Doch ich war sein Spielzeug und solange er mich noch brauchte, würde er mir nichts antun. Diese Tatsache beruhigte mich ein wenig, so dass ich erneut zu sprechen begann: „Warum bist du hinter Edward her?“
„Das hat verschiedene Gründe, aber wenn du es genau wissen willst…“ Er hielt inne und strich mir mit seiner kalten Hand eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich kann ihn nicht leiden!“
Ein süßlicher Duft kam mir entgegen, doch anders als bei Edward, widerte mich dieser an. Nicht alle Vampire waren so anziehend wie die Cullens.
Sie sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht – Engel und Teufel…
„Kennst du das, wenn du jemandem nicht verzeihen kannst? Egal wie sehr er sich auch anstrengt, du wirst ihm immer den Tod wünschen, auch wenn das nichts an deiner Lage ändert“, fuhr er fort.
Ich starrte ihn an. Was wollte er mir damit sagen?
„Es ist etwas, was Menschen und Vampire gleichermaßen in sich tragen: Der Wunsch nach Rache!“ Wieder streiften seine kalten Finger mein Gesicht. Edward hatte also etwas Unverzeihliches getan und instinktiv fragte ich mich, worum es sich dabei handelte. Ehe ich jedoch irgendwelche Vermutungen aufstellen konnte, kam der Vampir mir zuvor.
„Er hat sie getötet… meine Mutter.“
Ungläubig musterte ich ihn und erkannte zum ersten Mal Trauer in seinen Augen. Er sprach die Wahrheit.
„Wieso sollte er so etwas tun?“
„Ganz einfach, weil…“, wollte er sagen, als plötzlich Schritte zu hören waren. Sofort zogen sich seine starken Arme um meinen Hals, so dass ich binnen weniger Sekunden kaum noch Luft bekam. Er drängte mich in Richtung Tür, während die Geräusche immer lauter wurden.
Sie kommen
, dachte ich, endlich!
Sein Griff verfestigte sich und ich begann automatisch nach Luft zu schnappen. Mein Keuchen veranlasste ihn dazu, den Arm ein wenig senken zu lassen und mir somit meine Atmungsfreiheit wiederzugeben.
„Glaube ja nicht, ich mache das aus Mitleid. Ich brauche dich noch, das ist alles!“
Ich nickte stumm und sah Alice, die gefolgt von Edward, Emmett und einem anderen dunkelblonden Mann – den ich nicht kannte – den Gang entlang kam. Als sie uns entdeckten, wich der Vampir mit mir in eine der hintersten Ecken zurück.
„Ein Schritt näher und ich breche ihr sämtliche Knochen“, brüllte
er. Edward und die anderen blieben sofort stehen.
Dann geschah etwas Unerwartetes, denn Alice begann sich plötzlich vor Schmerzen zu krümmen. Mit den Händen umklammerte sie panisch ihren Kopf, als könne sie sich so davon befreien. Immer wieder zog sie kreischend an ihren Haaren, während der dunkelblonde Mann sie zu beruhigen versuchte.
„Er will dich manipulieren“, konnte ich ihn sagen hören. Augenblicklich glitt mein Blick nach hinten zu dem Vampir. Er hielt mich zwar noch immer fest umklammert, aber sein Blick schien gläsern, so als befände sich sein Geist an einem fernen Ort.
Ist er etwa…
„Versuch es aufzuhalten“, sprach Emmett, aber Alice konnte ihn anscheinend nicht mehr hören. Ihre Schreie waren erloschen und sie hob ihren Kopf als wäre nichts geschehen. Dann sagte sie mit samtweicher und dennoch veränderter Stimmlage: „Jetzt werde ich dich vernichten, Edward.“
Edward
Alice‘ Pupillen hatten sich gänzlich schwarz gefärbt, was sie aussehen ließ wie eine Wahnsinnige. Langsam neigte sie ihren Kopf zur Seite, während ein teuflisches Grinsen ihre Mundwinkel umspielte.
„Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet“, sprach sie aus voller Begierde. Es war erstaunlich und verwirrend zugleich, dass nicht sie, sondern dieser Vampir zu mir sprach. Noch nie hatte ich so etwas Derartiges gesehen.
„Bitte tu ihr nichts“, meldete sich Jasper zu Wort. „Ihre Seele ist noch irgendwo in diesem Körper, das spüre ich. Sie wird unterdrückt, aber wenn sie sich anstrengt, kann sie diese vielleicht bezwingen.“
„Wie soll das gehen?“, fragte Emmett mit leichter Panik in der Stimme. Noch nie hatte ich ihn so ängstlich gesehen wie heute. Eigentlich war er unser Bär, den nichts so leicht erschüttern konnte, aber nun schien auch er an seine Grenzen zu gelangen.
„Ich weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass er auch noch Bella unter Kontrolle hat.“ Jasper deutete in die Ecke, in der die beiden standen.
„Und wenn ich sie befreie? Wie will er sich wehren, wenn er gerade Alice kontrolliert?“
„Ich kann beides“, antwortete er und brach in schallendes Gelächter aus. Durch Alice‘ Stimme klang das Ganze mehr als grotesk.
„Der Teil, der für die Motorik zuständig ist, befindet sich noch in seinem Körper“, fügte Jasper hinzu. „Du solltest ihn nicht unterschätzen.“
Zum ersten Mal seitdem Jasper wieder bei uns war, fasste ich erneut Vertrauen zu ihm.
Er hat das alles selbst durchgemacht. Er weiß, wie gefährlich dieser Vampir ist.
„Wie recht dein Freund doch hat. Eigentlich sollte ich ihn zuerst zerstören, immerhin hat er für den ganz großen Plan nicht getaugt. Aber ich denke, es wird mir auch in diesem hübschen Körper gelingen.
„Du…“, grummelte Emmett und da hatte er sich auch schon auf ihn gestürzt. So schnell wie ein Blitz parierte er seine Schläge. Immer wieder wich er zur Seite, so wie Alice es vermutlich auch getan hätte. Sie war sehr flink, demnach war seine Entscheidung – ihren Körper zu bewohnen – nicht schlecht gewesen. Außerdem wusste er ganz genau, dass wir keinen aus unserer Familie töten würden.
Immer wieder glitt mein Blick automatisch zu Bella, die sich weiterhin in seinen Fängen befand und uns schuldbewusst beobachtete.
Es tut mir so leid
, dachte ich, während Emmett plötzlich zurück in den Flur geschleudert wurde und dort mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Bevor er sich aufrichten konnte, stand Alice‘ Körper vor ihm.
„Er hat keine Chance“, stieß ich panisch hervor. „Wie müssen ihm helfen!“
„Warte!“ Jasper griff nach meinem Arm und hielt mich zurück. „Lass uns erst etwas anderes versuchen. Kannst du Alice' Gedanken hören?“
Ich schüttelte den Kopf. „Leider nicht, dafür wird sie viel zu sehr unterdrückt. Ich kann aber auch nicht seine Gedanken hören. Es ist zum Verrückt werden.“
„Okay, dann hör gut zu: Ich werde jetzt versuchen seine Gefühle zu beeinflussen, so wie ich es auch damals getan habe. Wenn wir Glück haben reagiert er darauf. Geh am besten zu Bella und halt dich bereit. Sollte sein Körper auch nur das kleinste Anzeichen einer Veränderung zeigen, versuchst du sie zu befreien, okay?“
Ich nickte. Es war ein riskanter Plan, aber es war unsere einzige Hoffnung.
Bella
Es war schrecklich mit anzusehen, wie Alice sich veränderte. Ihre Stimme und ihre Bewegungen waren zwar immer noch dieselben, aber irgendwie schien sich trotzdem etwas verändert zu haben. Es sind ihre Augen
, dachte ich, sie sind schwarz wie die Nacht.
Immer wieder schleuderte sie Emmett gegen die Wand und jedes Mal, wenn er aufstand, stieß sie ihn wieder von sich. Ich fragte mich, warum niemand ihm zur Hilfe eilte, doch als Edward plötzlich den Raum betrat, wusste ich, dass sie etwas anderes vorhatten.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sich etwas tat. Alice begann zu taumeln und hielt sich wieder den Kopf. Ich war mir sicher, dass dafür einzig und allein der dunkelblonde Mann zuständig war. Doch ich wusste nicht, mit welcher Fähigkeit er ausgestattet war. Immerhin scheint es zu funktionieren.
Dann stemmte Emmett ihren Körper gegen die Wand, solange, bis sich der Vampir hinter mir wieder bewegte. Er brüllte und schleuderte um sich. Binnen weniger Sekunden war Edward bei mir, um mich zu befreien. Doch ehe er mich ergreifen konnte, stieß der Vampir mich gegen die Wand. Mit einem dumpfen Knall landete ich auf den Boden. Ein unerträglicher Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus und ließ mich beinahe ohnmächtig werden. Aber ich wollte nicht aufgeben, sondern Edward und die anderen warnen, damit sie rechtzeitig von hier verschwinden konnten. Mühevoll öffnete ich meine Augen, sah Edward und den Vampir gegeneinander kämpfen, sah Alice die auf mich zu gerannt kam, sah das Blut, was sich unter mir ausbreitete und sah die Dunkelheit, die mich langsam umhüllte und in eine andere, friedliche Welt beförderte.
Kapitel 33
Bella
Als ich aufwachte war es dunkel und um mich herum schien sich nichts zu bewegen. Befand ich mich noch immer in diesem scheußlichen Keller?
Nein, dachte ich, denn dafür war der Untergrund – auf dem ich lag – viel zu weich und kuschelig. Ob so der Himmel aussah? Auch das konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, denn als ich mich kurz bewegte, spürte ich ein Stechen in meinem Kopf. Langsam betastete ich den Verband an meiner Stirn, der sich bis zu meinem Hinterkopf erstreckte.
Ich lebe!
Erst da realisierte ich, dass ich mich nicht mehr in den Fängen des schrecklichen Vampirs befand und wir ihn womöglich sogar besiegt hatten.
Doch wer garantierte mir, dass auch die anderen so glimpflich davon gekommen waren? Was war, wenn es nicht alle von uns geschafft hatten? Wenn…
„Oh nein“, stieß ich leise hervor, während mich plötzlich jemand umarmte. Starke kühle Arme legten sich um mich und da wusste ich, dass es nur Edwards sein konnten. Sein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase, vernebelte mir alle Sinne.
„Shht“, machte er und wog mich wie ein kleines Kind hin und her. „Alles ist gut.“
„Was ist mit den anderen? Sind sie…“
„Sie sind alle wohlauf“, unterbrach er mich.
Ich spürte wie sich meine Atmung wieder normalisierte und ich langsam zur Ruhe kam. Den anderen ging es gut. Wir hatten die Schlacht anscheinend gewonnen, und das war alles was zählte. Hier in Edwards Armen zu liegen beruhigte mich mehr als ich mir eingestehen wollte. Er war eben doch mehr als nur ein Schüler für mich.
Mein Retter in der Not.
„Bella. Liebste. Du solltest jetzt schlafen.“
„Eine Frage noch.“ Ich hob den Kopf und erkannte in der Dunkelheit seine goldenen Augen, die förmlich zu leuchten schienen. Wie Sterne am Himmel.
„Sei gewiss, wir können die Fragen auch morgen noch klären.“
„Also ist er…“ Ich brachte den Satz nicht mehr zu Ende, denn meine Augenlider wurden bereits wieder schwer, so dass ich sie schließlich senken ließ und mich der Müdigkeit hingab.
Am nächsten Tag kam Carlisle vorbei und wechselte mein Verband. Er hatte mir strengste Bettruhe verordnet, was – wie ich erfuhr – auch der Grund dafür war, warum er Edward und mich in einem Hotel untergebracht hatte. Hier sollten wir uns von den Strapazen erholen und die Ereignisse der letzten Tage verarbeiten.
„Ein Klinikaufenthalt ist nicht nötig, trotzdem solltest du deine Kopfverletzung nicht unterschätzen.“ Mit diesen Worten war er gegangen und ließ Edward und mich wieder allein zurück.
„Ich bin euch so dankbar für all das“, brachte ich leise hervor.
Edward nahm eine der lavendelfarbenen Kissen und schob es mir unter meinen Nacken, damit ich mich besser zurücklehnen konnte.
„Du weißt schon, dass du erst durch mich in diese Lage geraten bist.“
„Bitte fang nicht wieder damit an“, stieß ich gespielt beleidigt hervor.
„Tut mir leid, aber es entspricht halt der Wahrheit. Ich habe nicht nur dich, sondern auch Jasper in Gefahr gebracht.“
„Jasper… war das der dunkelblonde Mann neben Alice?“
Edward nickte. „Er ist vor ein paar Tagen zu uns zurückgekehrt. Wir haben ihm Unrecht getan, weil wir nicht wussten, dass er von diesem Vampir manipuliert wurde.“
„Also konnte er tatsächlich die Kontrolle von Alice‘ Körper übernehmen?“, fragte ich aufgeregt nach.
„Nicht nur das… Er war auch so viel stärker als ein gewöhnlicher Vampir.“ Zuerst begriff ich nicht so recht, was er mir damit sagen wollte, doch dann begann er mir alles zu erzählen. Ich nahm ihm nicht übel, dass er seine Mutter getötet hatte, immerhin wollte er den kleinen Jungen nur schützen.
Wer konnte ahnen, dass aus diesem Kind einmal ein blutrünstiges Monster werden würde
, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum jemand zu so etwas fähig war.
„Ich glaube, er wäre auch so geworden, wenn du seine Mutter nicht getötet hättest“, sagte ich schließlich. „Dann hätte er zwar keine Jagd auf dich gemacht, aber trotzdem wären irgendwelche unschuldigen Menschen draufgegangen.“
„Das ist der Preis, den wir zahlen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, so ist es nicht. Ihr seid das beste Beispiel dafür, dass man auch einen anderen Weg wählen kann.“
„Vielleicht hast du Recht, aber trotzdem fühle ich mich nicht wie ein Heiliger.“
„Das sollst du doch auch gar nicht.“ Zaghaft berührte ich seine kalte, schneeweiße Hand. Ein warmes Gefühl bereitete sich in meinem Herzen aus. „Und jetzt erzähl mir bitte, wie ihr es geschafft habt, diesen starken Vampir zu vernichten.“
(Flashback - Edward)
Ich sah, wie der Vampir Bella von sich stieß und dann auf mich zu gerannt kam. Mit einem Ruck stemmte er mich gegen die Wand und versperrte mir die Sicht.
„Du bist so gut wie erledigt“, hauchte er an mein Ohr gewandt.
„Das werden wir ja noch sehen“, entgegnete ich mit einem Grollen in der Stimme, packte sein Handgelenk und schleuderte ihn durch den Raum. Mit einem Satz war ich bei Alice, die gebeugt über Bella stand und ihren Kopf inspizierte. Erst da nahm ich das viele Blut – was sich auf dem Boden ausgebreitet hatte – wahr. Es roch angenehm, aber ich hatte mich genug unter Kontrolle um diesen Geruch zu ignorieren.
„Na Edward, willst du nicht mal kosten?“
„Niemals!“
„Warum nicht? Sie riecht doch so verführerisch“. Er bleckte die Zähne, was dazu führte, dass ich mich wieder auf ihn zu stürzte.
„Du-wirst-sie-nicht-anpacken, verstanden?“
„Ich vielleicht nicht, aber dein Freund da drüben sieht sehr hungrig aus.“ Mit dem Finger deutete er in Richtung Flur, wo Emmett stand, der Jasper mit Mühe versuchte zurückzuhalten.
Er ist im Jagdmodus.
„Alice, schaff Bella hier raus – sofort!“ Ehe ich meine Aufforderungen beenden konnte, war sie mit ihr aus dem Raum geflitzt. Währenddessen hoffte ich inständig, dass sich Jasper wieder fangen würde, denn ansonsten waren wir verloren.
„Es muss schlimm sein, so einen Verräter in der Familie zu haben, nicht wahr?“, drang erneut seine Stimme an mein Ohr. Dann legte er den Kopf schief und begann lauthals zu lachen. Eine Reihe spitzer Zähne kam zum Vorschein und mit einem Mal grub er diese in meinen Hals. Mit seinen Händen versuchte er währenddessen meinen Kopf zu packen. Es war die leichteste Methode, um uns Vampire unschädlich zu machen und wenn mir nicht bald etwas einfiel, hatte ich diesen Kampf verloren.
„Emmett, tu etwas“, brachte ich mühevoll hervor. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er Jasper noch immer zu beruhigen versuchte. Dieser zeigte jedoch keine Anzeichen, dass es ihm besser ging.
Das ist mein Untergang. Ich werde sterben…jetzt!
Ich wollte meine Augen schließen, als sich der Blick meines Gegenüber plötzlich veränderte. Schmerz spiegelte sich in seinen Augen wider und sofort ließ er mich los. Dann war Emmett auch schon bei uns, stürzte sich auf ihn und riss ihm mit einem Ruck den Kopf von den Schultern.
„Edward, gib mir dein Feuerzeug – schnell!“ Auch wenn ich noch immer nicht realisieren konnte, dass ich noch lebte, reagierte ich auf Kommando und gab ihm das Feuerzeug. Wenige Sekunden später brannte es und wir machten und auf den Weg an die frische Luft.
(Flashback Ende)
Erstaunt starrte ich ihn an. Wenn dieser Jasper seine Selbstbeherrschung nicht rechtzeitig wieder erlangt hätte, wäre es für uns schlecht ausgegangen. Das war etwas, wofür ich ihm immer dankbar sein würde.
„Und ihr seid euch sicher, dass er nun endgültig vernichtet ist?“, sprach ich meine letzten Zweifel dann doch noch aus.
Edward nickte. „Wir sind danach noch mal gucken gegangen und es ist nur seine Asche übrige geblieben. Das ist der einzige Weg, um uns Vampire zu töten und deshalb wird er auch nicht mehr zurückkehren können.“
Ich stieß erleichtert die Luft aus und lehnte mich wieder gegen seinen starken Brustkorb.
„Ich bin so froh.“
„Das glaube ich dir. Nun kannst du mit deinem Ehemann das glückliche Leben weiterführen. Ihr habt es euch verdient.“
„Nein“, antwortete ich beherrscht, „das werde ich nicht tun.“
Verwirrung zeigte sich in Edwards Gesicht. „Wieso nicht?“
„Weil wir nicht zusammen passen. Unsere Leben sind viel zu verschieden, das wurde mir allerdings erst bewusst, als ich dich kennengelernt habe.“
„Aber du liebst ihn doch, sonst hättet ihr nicht geheiratet.“
„Ja, das mag sein, aber weißt du… manchmal reicht das eben nicht aus. Ich sehne mich nach etwas anderem, was mich mehr ausfüllt. Ich brauche jemanden, der an meiner Seite ist und mich glücklich macht. Jemanden so wie dich.“ Ich sah ihm tief in die Augen und zum ersten Mal ließ er es vollends zu. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, doch keiner traute sich die Barriere zu durchbrechen. Es reichte aus, dass wir uns schweigend ansahen und diesen einzigartigen Moment genossen. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Ihm konnte ich blind vertrauen. Und so schloss ich meine Augen, um mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig fallen zu lassen. Ein Strudel voller Gefühle entfachte, während unsere Münder gierig zueinander fanden. Für immer.
Kapitel 34
Edward
In dieser Nacht machte ich mich zum ersten Mal auf den Weg nach Hause. Bella schlief und im Hotel herrschte höchste Sicherheit, sodass ihr nichts passieren konnte. Ich wollte sie in ihrem momentanen Zustand nur ungern allein lassen, aber in den nächsten Stunden konnte ich sowieso nichts für sie tun. Sie brauchten ihren Schlaf und ich musste mich dringend mit meiner Familie unterhalten.
Als ich unser Haus betrat saßen schon alle im Wohnzimmer. Alice hatte meinen Besuch vermutlich vorausgesehen, worüber ich eigentlich recht froh war. Es gab noch einiges zu klären und ich hoffte inständig, dass alle mit meiner Bitte einverstanden waren.
„Willkommen zu Hause“, durchbrach Carlisle das Schweigen und zog mich kurz an sich. Dann wurde ich von Esme in eine lange und innige Umarmung gezogen. Man merkte ihr deutlich an, dass sie froh war, mich so unversehrt zu sehen.
„Wir haben die Polizei informiert und wie vorauszusehen war, gehen sie von einem gefährlichen Tier aus. Sie haben Mike sofort weggeschafft und mit den Ermittlungen begonnen. Charlie… Bellas Vater war auch da. Er ist fest davon überzeugt dieses Tier zu schnappen.“ Sie hielt inne, ehe sie mit leiser Stimme fortfuhr. „Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste. Wir hätten das Ganze ernster nehmen sollen, dann wäre uns – und besonders Bella – so etwas erspart geblieben. Aber irgendwann werden ihr Vater und ihr Ehemann die Suche nach diesem Tier aufgeben und sobald das geschehen ist, wird wieder Ruhe in Forks einkehren.“
„Genau darüber wollte ich mit euch sprechen“, sagte ich ernst, während ich mich schließlich dazugesellte. Mein Blick blieb auf Jasper haften und ich schenkte ihm ein warmherziges Lächeln. Zögernd erwiderte er es, senkte jedoch schnell wieder seinen Kopf.
„Nur zu“, forderte Carlisle mich auf, sodass ich endlich fortfuhr.
„Bella wird sich von ihrem Mann trennen! Es fällt mir schwer dies zu akzeptieren, da ich nie die Absicht hatte ihre Ehe zu zerstören. Allerdings hat sie mir zu Genüge bewiesen, dass sie bei ihm nicht mehr glücklich ist. Sie sehnt sich nach einem neuen Leben außerhalb von Forks. Zuerst wollte ich ihr das Ganze ausreden, doch sie scheint ihre Entscheidung bereits getroffen zu haben. Unsere Leben haben aus irgendeinem Grund zueinandergefunden und wir beide sind nicht mehr in der Lage dies zu ignorieren. Wir wollen endlich zu unserer Liebe stehen und deshalb möchte ich euch bitten, dass wir sie mitnehmen, wenn wir Forks verlassen.“
„Das… ist beeindruckend“, meldete sich Rosalie als erstes zu Wort. „Anfangs dachte ich, das mit euch beiden sei nur eine dumme Schwärmerei. Bella ist schließlich 30 Jahre alt und vielleicht sehnt sie sich nur nach einem jungen Abenteuer. Aber mittlerweile habt ihr mich beide vom Gegenteil überzeugt. Liebe scheint tatsächlich grenzenlos zu sein.“
„Ein Mensch und ein Vampir, dass ich das noch erleben darf.“ Emmett lachte und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
„Also habt ihr nichts dagegen?“, fragte ich zögernd in die Runde.
„Natürlich nicht, allerdings…“ Alice hielt inne, während Jasper aufmunternd ihre Hand drückte.
„Was ist los?“ Besorgt musterte ich sie, doch es dauerte einige Minuten, bis sie mir antworten konnte.
„Jasper und ich werden für eine Weile die Familie verlassen. Wir haben uns das mit Bella schon gedacht und in dem Fall haben wir eine Entscheidung getroffen. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, da Jasper sich erst einmal umgewöhnen muss. Er möchte wieder lernen sich von Tierblut zu ernähren und ich werde ihm dabei helfen.“
„Das… ist doch nicht nötig. Bella würde sich in meinem Schutz befinden und ich bin mir sicher, dass Jasper ihr nichts tun würde.“
„Ich möchte dieses Risiko nur ungern eingehen, Edward.“ Er hob den Kopf und sah mich entschuldigend an.
„Ja, aber…“
„Er hat recht“, mischte sich erneut Alice ein. „Ich werde die ganze Zeit bei ihm sein. Außerdem haben wir eine Menge nachzuholen.“
„Verstehe.“ Ich begann schelmisch zu grinsen, während augenblicklich eine Last von mir abfiel. Es würde schließlich nicht für immer sein. Irgendwann sind wir alle wieder vereint
– und bis dahin gab es noch eine Menge zu tun.
Bella (eine Woche später)
Heute war der Tag, an dem ich endlich das Hotel verlassen durfte. Meine Kopfverletzung war zwar noch immer nicht vollständig abgeheilt, aber Carlisle hatte Verständnis für meinen Freiheitsdrang. Ein paar Mal bat er mich darum, es vorsichtig angehen zulassen und natürlich würde ich seine Anweisung einhalten.
Als ich in Edward Auto stieg, merkte ich, wie wackelig ich noch auf den Beinen war. Er bestand darauf, dass wir erst mal zu ihm nach Hause fuhren, doch ich wollte heute unbedingt mit Jacob reden! Aufgrund meiner Bitte, hatte man ihm erzählt, dass ich ein paar Tage im Urlaub gewesen war, um mich von dem Unfall meines Vaters zu erholen. Ich wollte nicht, dass er sich unnötig Sorgen machte, daher wusste ich auch noch nicht genau, wie ich ihm den Verband an meinem Kopf erklären sollte.
Ach, das ist nichts Schlimmes. Ich bin im Urlaub ausgerutscht und habe mir aus Versehen den Kopf an einem Swimmingpool gestoßen.
Ja, so etwas Ähnliches würde ich vermutlich sagen.
„Schon aufgeregt?“, fragte Edward mich und ich nickte zaghaft. Ich wollte ihn nicht mehr anlügen, also beschloss ich ihm wenigstens halbwegs die Wahrheit zu anzuvertrauen. Dass ich in Wirklichkeit am liebsten umdrehen wollte, verschwieg ich ihm allerdings.
„Bereit?“
„Ich werde es schon überleben.“
„Na dann“, er zwinkerte mir zu, „ich bin hier, wenn du mich brauchst.“
Ich musste schlucken, ehe ich mein ganzen Mut zusammennahm und ausstieg.
Im Haus war es außergewöhnlich still, doch als ich den Flur betrat, hörte ich Fernsehgeräusche aus dem Wohnzimmer. Jacob sah nur selten fern, daher hatte ich nicht damit gerechnet, ihn auf dem Sofa vorzufinden.
Seine Augen weiteten sich, als er schließlich meine Anwesenheit wahrnahm.
„Bella.“ Sofort schaltete er den Fernseher aus und kam auf mich zugelaufen. „Was für eine Überraschung. Wie war dein Urlaub? Hast du dich gut erholt? Du hättest mir ruhig mal Bescheid geben können, dann hätte ich es nicht von Charlie erfahren müssen. Was ist das überhaupt für ein Verband an deinem Kopf?“
„Das…“ Ich spürte, wie mir schwindelig wurde und ich begann leicht zu schwanken. Das waren einfach zu viele Fragen auf einmal. „Darf ich mich erst mal setzen?“
„Natürlich.“ Jacob nickte und brachte mich zum Sofa. „Möchtest du ein Glas Wasser?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“
Es wurde still und minutenlang sagte keiner etwas. Dann beugte er sich plötzlich zu mir hinunter, sodass ich instinktiv meinen Kopf zur Seite drehte.
„Was ist los?“
„Es geht nicht, Jake“, hauchte ich.
„Wieso? Ist es wegen deiner Verletzung?“
„Nein! Ich meine… nicht nur. Ich habe mir den Kopf gestoßen, aber es ist nichts Schlimmes. Du weißt ja, wie trottelig ich manchmal bin.“
Er begann zu grinsen. „Ja, allerdings.“
Schnell wechselte ich das Thema. „Ich habe das mit Mike gehört. Es ist schrecklich.“ Dass ich mit dabei gewesen war, verschwieg ich ihm, denn dann hätte er mir Fragen gestellt, die ich nicht fähig war zu beantworten.
„Charlie war da. Die Cullens haben ihn gefunden. Er muss schlimm zugerichtet gewesen sein.“
In mir verkrampfte sich alles, denn augenblicklich erschienen die Bilder des Grauens vor meinem inneren Auge. Ich versuchte sie abzuschütteln und es schien zu funktionieren.
„Es tut mir so leid für ihn. Ich konnte ihn zwar nicht besonders leiden, aber das hat niemand verdient.“
„Nein, da hast du recht. Am Sonntag ist seine Beerdigung. Ich weiß, du willst dich wahrscheinlich noch erholen, aber ich wollte dich fragen, ob…“
„Ich werde da sein, Jake. Allerdings muss ich dir vorher noch etwas sagen.“ Ich hielt inne, während mein Herz schneller zu schlagen begann.
Jetzt war es so weit. Ich muss ihm die Wahrheit sagen!
Neugierig musterte er mich. Tief in seinen Augen sah ich jedoch auch Furcht. Wir kannten einander lang genug und wussten sofort, wenn mit dem anderen etwas nicht stimmte.
„Lass mich raten: Es ist nichts Erfreuliches?“ Er ahnt es.
„Nein, das ist es nicht. Das was ich dir jetzt sage, fällt mir außerordentlich schwer. Ich habe lange nachgedacht, ob es das Richtige ist und… Es geht leider nicht anders! Bitte glaube nicht, dass mir die letzten Jahre nichts bedeutet haben, denn so ist es nicht. Du bist mir immer noch wichtig, aber…“
„…du liebst mich nicht mehr“, beendete Jacob meinen Satz.
Ich nickte stumm. Meine Augen füllten sich mit Tränen, obwohl ich diejenige war, die gerade jemanden verletzt hatte. Eigentlich war es nicht fair zu weinen. Nicht jetzt!
„Ich habe es geahnt.“ Jacob stand auf und lief um den Tisch. „Du hast mich schon seit längerer Zeit nicht mehr mit demselben Blick angesehen wie früher. Wenn ich ehrlich bin, haben wir uns wahrscheinlich schon vor Monaten auseinandergelebt. Ich wollte es mir nur nie eingestehen, weil ich dich nicht verlieren wollte.“
„Das kann ich verstehen“, sagte ich leise. „Ich hatte auch Angst dich zu verlieren. Aber seit einiger Zeit geht es einfach nicht mehr. Wir leben zwar zusammen, führen jedoch gleichzeitig verschiedene Leben. Anfangs dachte ich, das würde sich wieder einrenken, aber mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. Es geht leider nicht.“
„Und wenn ich dir sage, dass ich mich ändern werde?“
„Jake, das…“
„Ich verstehe. Damit habe ich schon gerechnet. Ich bin dir noch nicht einmal böse. Ich ärgere mich einfach nur darüber, dass ich dich so kampflos verloren habe.“ Er ballte seine Hand zur Faust und fügte mir leiser Stimme hinzu: „Warum habe ich nicht um dich gekämpft?“
„Ich glaube, dass es nicht in unserer Macht steht, solche Dinge zu ändern. Sie passieren einfach, verstehst du?“
„Es ist schwer zu akzeptieren, doch ich weiß, was du meinst. Würdest du mir denn wenigstens verraten, wer der Glückliche ist?“
„Wie?“ Ungläubig starrte ich ihn an.
„Deine Augen verraten es. Du bist verliebter denn je und ich möchte einfach nur sicherstellen, dass er dich glücklich macht.“
„Es ist Edward Cullen“, antwortete ich ohne Umschweife. „Er ist sehr jung, aber vom Gesetz her ist er nun erwachsen und da ich die Schule verlassen werde, steht dem nichts mehr im Wege.
Jacob seufzte. „Na dann. Ich kann es dir nicht verübeln, immerhin war er die letzten Wochen mehr für dich da als ich.“
„Und trotzdem werde ich unsere Zeit nicht vergessen“, sprach ich und stand auf. Mit langsamen Schritten ging ich zu ihm.
„Das werde ich auch nicht. Sollte ich jedoch herausfinden, dass er dich unglücklich macht, dann…“
„Ja ja“, unterbrach ich ihn, „ich werde deine Worte in Erinnerung behalten.“
„Das will ich auch hoffen.“ Trotz der unangenehmen Situation schenkte er mir plötzlich sein schönstes Jacob-Lächeln.
„Danke für alles.“
„Nein, ich habe dir zu danken. Ohne dich wäre ich vermutlich nie zur Polizei gegangen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber es ist zu meiner Lebensaufgabe geworden. Ich möchte die Menschen hier in Forks beschützen.“ Er zog mich in eine Umarmung und zum ersten Mal konnte ich ihn verstehen. So wie ich den Drang danach hatte auszubrechen, wollte er vollends für seinen Beruf da sein. Jetzt hatte er endlich den Freiraum dazu und wer weiß, vielleicht würde auch er eines Tages die Richtige finden…
Kapitel 35
Bella (einen Monat später)
Die letzten Wochen waren die schwersten in meinem Leben gewesen. Ich hatte Jacob die Scheidung eingereicht und auch wenn er mittlerweile damit einverstanden war, setzte ihm das Ganze zu Beginn sehr stark zu. Wir redeten viel über die alten Zeiten und am Ende kamen wir beide zu der Erkenntnis, dass sich unsere Trennung nicht mehr verhindern ließ. Wir waren an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gab. Der Schlussstrich musste sein, dem stimmte nun auch Jacob zu. Die meiste Zeit befand er sich auf dem Revier bei Charlie, und in der Zwischenzeit begann ich meine Sachen in Kartons zu packen und sie mit Hilfe von Edward in das Haus der Cullens zu befördern.
Dann nahmen wir natürlich auch an der Beerdigung von Mike Newton teil. Wir alle konnten noch immer nicht glauben, dass er von uns gegangen war. Jeder sah betrübt zu Boden und versuchte sich die schönen Momente mit ihm in Erinnerung zu rufen. Anfangs fiel es mir schwer, da wir uns in den letzten Jahren nicht sonderlich gut verstanden hatten, aber am Ende des Tages fiel mir ein Augenblick ein, der noch gar nicht so lange zurücklag. Damals hatte ich einen kleinen Schwächeanfall in der Schule gehabt, wo er mir beistand. Auch wenn ich von seiner Anwesenheit nicht begeistert gewesen war, schien dieser Moment trotzdem etwas Besonderes gewesen zu sein.
Er hatte sich ernsthaft Sorgen gemacht und er war nett zu mir.
Genau das versuchte ich mir immer wieder einzuprägen. Es gab mir das Gefühl, dass Mike doch nicht gänzlich schlecht gewesen war. Tief im Herzen hatte er sich vermutlich nur nach Liebe gesehnt.
Nach der Beerdigung stand dann die wohl schwerste Entscheidung meines Lebens bevor. Nur ein paar Tage später kündigte ich nämlich meinen Beruf als Lehrerin. Es fiel mir schwerer als gedacht und ich konnte kaum die Tränen zurückhalten. Alle schienen darüber sehr traurig und besonders meine Schüler bedauerten es. Erst da wurde mir bewusst, was ich ihnen allen bedeutet hatte. Sie waren meine Heimat, Freunde und Familie zugleich gewesen.
Hier in Forks war ich aufgewachsen. Aber jetzt ist es Zeit zu gehen!
Heute wollten wir aufbrechen und die kleine Stadt für immer verlassen. Es war ein schwerer Schritt, aber mit Edward an meiner Seite fühlte es sich richtig an!
* * *
Nun endet die FF also. Es ist ein komisches Gefühl, weil ich ja schon seit über einem Jahr daran schreibe. Anfangs war es nur so eine Idee, bis sich das Ganze dann immer weiterentwickelt hat. Es kommt mir fast so vor, als hätte die Story ein Eigenleben entwickelt. Vieles kam ziemlich spontan, worüber ich mich heute noch wundere. Ich bin aber auch stolz drauf, denn ich habe noch nie so eine lange FF geschrieben. xD Auch wenn das jetzt doof klingt, bin ich froh, dass sie jetzt fertig ist. Mittlerweile möchte ich nämlich nur noch eigene Geschichten, mit eigenen Charakteren schreiben. Ich mag Twilight zwar immer noch, aber der Hype hat etwas nachgelassen. Ihr versteht sicherlich was ich meine. ;)
Danke an alle, die diese FF abonniert, gelesen und kommentiert haben. Ich freue mich wirklich über jeden einzelnen Leser. :3
Ich weiß, es ist kein typisches Ende und ich habe auch lange überlegt, ob ich es noch mal ändern soll. Aber dann bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich es so lassen sollte, einfach, weil es so untypisches ist. Ich wollte kein kitschiges Ende, sondern eines, wo man sich den Rest selbst ausdenken kann. Wer weiß, vielleicht lässt Bella sich irgendwann (wie in den Bis(s)-Büchern) in einen Vampir verwandeln - vielleicht bleibt sie aber auch ein Mensch und Edward geht am Ende mit ihr in den Tod? Das alles überlass ich eurer Fantasie.
Texte: Die Geschichte ist von mir frei erfunden und darf daher nicht "ohne Absprache" kopiert oder verbreitet werden. Die jeweiligen Charaktere wurden von Stephenie Meyer erstellt und gehören somit nicht mir. Nur das Cover wurde von mir erstellt und darf daher ebenfalls nicht in dieser Form verbreitet werden.
Tag der Veröffentlichung: 20.04.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für all die begeisterten Twilight-Fans da draußen ;)