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Vorwort

Ja, ich esse gerne. Sehr gerne. Und das habe ich auch schon immer getan. Es schmeckt nun halt einmal gut. Sei es bei Muttern oder der Oma, in einem tollen Restaurant, bei einer Feier auf der man eingeladen ist, oder eben wenn es schnell gehen muss dann auch mal in einer der geläufigen Schnellrestaurants. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre habe ich fast 30 Kilo zugenommen. Sei es nun dem guten Essen meiner Frau geschuldet, vielleicht seit ich verheiratet bin wegen den regelmäßigen Mahlzeiten, oder einfach dem doch kalorienreichen Essen, das es an jeder Ecke in der Stadt zu kaufen gibt. Wohl von allem ein wenig, oder auch etwas mehr.

 

Erst neulich aber habe ich wieder damit angefangen auf mein Gewicht zu achten, und durch eine kleine Umstellung der Ernährung auch schon wieder 6 Kilo herunter bekommen. Ich war schon dabei die 100 Kilo Schallmauer zu durchbrechen. Ich ging eines Morgens ins Bad und stieg auf die Waage. Normalerweise bin ich, was mein Gewicht angeht, nicht so pingelig und ich verfalle auch nicht in Panik oder laufe schreiend durch das Haus. Aber es verschlug mir doch die Sprache, als die Anzeige der Waage auf exakten 98,9 Kilogramm stehen blieb. Da waren also nur noch 1100 Gramm Luft bis zur dreistelligen Kilogrammzahl. Und das ist und war wahrhaftig nicht viel. Ich schnappte nach Luft und entschied noch an Ort und Stelle etwas dagegen zu tun. Das geplante Frühstück in der Stadt sagte ich ab und ich suchte direkt nach meinen Sportklamotten in meinem Schrank.

 

Bis jetzt halte ich das mit dem Joggen gehen durch, und auch die Kohlenhydrate lasse ich abends nun weg. Das Ergebnis war eine schnelle Änderung meines Gewichtes in Richtung der 90 Kilo Marke. Ich arbeite nun daran endlich mal wieder, und das seit vielen Jahren, eine 8 an erster Stelle meines Gewichtes zu bekommen. Ich habe eine Körpergröße von 180 cm, das Idealgewicht liegt demnach bei 72 Kilogramm. Ok, mir ist sicher bewusst, dass ich wohl nie mehr weniger als 80 Kilo wiegen werde. Aber ich habe mir vorgenommen auf ein Gewicht von ungefähren 88 Kilogramm zu kommen. Das wären dann 10 Kilo weniger als noch vor einigen Monaten, und bereits jetzt spüre ich einen enormen Unterschied in der Beweglichkeit und Behaglichkeit. Alles geht einfacher. Das Joggen bringt mich nicht schon nach 500 Metern aus der Puste, ich bekomme alle Hosen wie früher wieder zu und das inklusive des Knopfes, und beim Schuhe zubinden muss ich mich nicht mehr setzen.

 

Ich mochte auch meine Rettungsringe nicht mehr im Spiegel sehen. Rechts eine Beule, links eine Beule und vorne natürlich auch. Sixpack im Speckmantel. So war das bei mir. Mittlerweile bin ich auf einem guten Weg zu einer normalen Figur mit einem normalen Gewicht. Auch wenn ich nicht mehr der Supersportler werde, so sehe ich doch bereits jetzt mit etwas mehr als 90 Kilo schon weitaus glücklicher und besser aus. Schlanker eben. Und ich bin auf gutem Wege zu den 88 Kilogramm. Das habe ich mir selbst versprochen. Vielleicht werden es ja auch noch ein paar Kilos weniger. Meine Gesundheit und die Waage werden es mir danken! 

Kalorien sind keine kleinen fiesen Tierchen

Wenn mich jemand vor vielen Jahren gefragt hätte was Kalorien sind, so hätte ich mich mit Sicherheit für eine Antwort aus dem Tierreich oder der Pflanzenwelt entschieden. Aber ich glaube ich wäre niemals darauf gekommen, dass das etwas mit Lebensmitteln und Essen zu tun haben könnte. Ich hatte mich für dieses Thema einfach nicht interessiert. Wahrscheinlich wäre ich bei dieser Frage aus jeder damaligen Quizshow geflogen, und hätte mir sicher die Häme aller meiner Freunde und Bekannten anhören können. Mittlerweile wurde ich ja eines Besseren belehrt, und ich weiß sehr wohl, dass es sich nicht um kleine Tierchen handelt die in den verschiedenen Lebensmitteln zuhause sind, und uns unser Leben so schwer machen. Obwohl das eine gute Bekannte von mir immer noch glaubt, und dies sogar allen erzählt die es wissen wollen oder auch nicht.

 

Nun gut, sie pfeift auch auf jegliche Überlegung sich gesund zu ernähren, und trinkt und isst mehr ungesundes Zeugs als mein ganzes Dorf in dem ich wohne zusammen. So sieht sie leider dann auch aus. Sie ist extrem dick und neigt schon zur absoluten Fettleibigkeit. Sie hat ölige Haare, da sie sich diese vor lauter Körperfülle nicht mehr waschen kann. Wie denn auch? Über den Rand der Badewanne bücken geht leider nicht mehr bei ihr. Der Bauch ist im Weg. Über das Waschbecken bücken funktioniert ebenso wenig, wie in die Dusche zu steigen. Sie ist dafür mittlerweile einfach zu dick. So wäscht sie sich zumindest noch mit einem Waschlappen an den Stellen, die sie noch von selbst mit den Armen erreichen kann. Aber das sind leider nicht mehr all zu viele. Nach dem Aufstehen morgens geht es dann übrigens mit der inneren Körperpflege los. Noch bevor der erste Happen feste Nahrung zu sich genommen wird, greift sie nach der Colaflasche. Sie trinkt dann gut und gerne einen kompletten Liter innerhalb der ersten fünf Minuten des noch jungen Tages weg. Da hätte sie dann schon mal ungefähr 500 der fiesen kleinen Tierchen in sich hineinlaufen lassen. Ach, Entschuldigung. Ich meine natürlich 500 Kalorien. Mir wäre schon mal lieber gewesen, wenn sie sich gewaschen hätte, aber das ist wirklich ein anderes Thema.

 

Der Morgen hat ja eigentlich erst angefangen. Ein weiblicher Mensch soll am Tag so in etwa 1800 Kalorien zu sich nehmen. Das ist zumindest die Zahl, die ich im Internet recherchieren konnte. Das weiß meine Bekannte auch, aber sie ignoriert es. Genauso wie sie ignoriert, dass Kalorien keine Tierchen sind. Nachdem sie sich dann ihr Körperinneres des letzten Tages auf der Toilette entledigt hat, greift sie zur Kaffeemaschine. Übrigens dauert der Toilettengang aus körperlichen Gründen und aus Gründen mangelnder Bewegungsfähigkeit immer etwas länger. Aber das mit der Kaffeemaschine wäre ja auch kein Problem. Ich trinke auch sehr gerne Kaffee und das sogar mit Milch. Und davon auch gerne mehrere am Tag. Bei ihr aber, übrigens ist ihr Name Petra, wird der Kaffee noch gesüßt. Auch das wäre kein riesiges Problem, wenn der Zucker in Maßen in die Tasse käme, und nicht in Massen. Sie versenkt in einem Kaffeepott doch tatsächlich 10 (ausgeschrieben Zehn) Stück Würfelzucker. Sie rührt den Kaffee, und den dann darin befindlichen Zucker auch nicht komplett um. Sie mag es wenn der letzte Schluck richtig süß ist. Sie sagt dann immer, so süß wie der schnuckelige Nachbar von nebenan. Na, wenn der das wüsste, ich glaube der würde kotzen.

 

Wenn Petra übrigens gut drauf ist, trinkt sie ganze drei Tassen Kaffee. Nach Adam Riese und Eva Zwerg macht das dann 30 Stück Würfelzucker. Jetzt verstehe ich auch wieso in unserem Tante Emma Laden nie Würfelzucker vorrätig ist. Kein Wunder, liegt ja alles bei Petra im Vorratsschrank. Aber dort auch nie lange bei dem Konsum. Ich habe mir auch mal den Spaß erlaubt und erkundet, dass ein Stück Würfelzucker ungefähr 18 Kalorien hat. Das wären dann bei 30 Stück Würfelzucker, plus der Kalorien der Vollmilch natürlich mit 3,8 % Fettgehalt, ungefähr weitere 550 Kalorien. So hat sie innerhalb der ersten halben Stunde am Morgen bereits über 1000 Kalorien zu sich genommen. Blieben noch 800 die sie durchschnittlich essen dürfte. Nein, halt. Natürlich darf man meiner Bekannten 10 Kalorien abrechnen, die sie vom Gang aus dem Bett ins Bad, der Schwerstarbeit auf der Toilette, und dem Einschalten der Kaffeemaschine in der Küche verbraucht hat. Wer schon mal einen 150 Kilogramm schweren Körper durch die  Wohnung geschleppt hat, wird wissen, dass dies eine Höchstleistung ist. Da werden schließlich auch Kalorien verbraucht.

 

Nun widmet sich Petra aber auch noch der festen Nahrung zum Frühstück. Und da steht der Schokoladenaufstrich natürlich an erster Stelle. Man könnte nun denken, dass auch das nichts Unübliches ist, und viele den dunkelbraunen Aufstrich schon auf der Stulle hatten. Ja, wenn Petra das nur auch so machen würde. Aber sie isst den Schokoaufstrich nicht auf dem Brot. Nein, der wird gelöffelt. Sie geht mit einem Teelöffel direkt in das Glas hinein, und isst das Zeug so. Pur. Ohne Brot oder Toast. Direkt aus dem Glas. Somit wäre auch geklärt, wieso sie sich alle zwei Tage ein neues Glas davon besorgen muss, und das in der Sondereditionsgröße. Mir wäre allerdings schon spätestens nach dem zweiten Löffel schlecht. Mal abgesehen davon, dass ich gar kein Löffel benutze, sondern mir das braune Zeugs mit einem Messer auf das Brötchen schmiere. Petra hat damit aber erst angefangen zu frühstücken. Nach dem süßen Kram, eine übrigens eklige Reihenfolge erst das Süße und dann das Herzhafte zu essen, greift sie zur Wurst und zum Käse. Vor ihr liegt bereits eine große Scheibe Weizenbrot. Weizen sei sehr gesund, das hätte sie erst neulich in einer Frauenzeitschrift gelesen, und da würde kein Blödsinn drinstehen. Sonst würde sie ja auch keiner kaufen. Meint Petra, und das allen Ernstes. Wissen doch wirklich alle, dass auch Stars Zellulite haben, und ungeschminkt aussehen wie Statisten aus einer Geisterbahn. Und es weiß doch ein jeder, dass weißes Mehl absolut totes Mehl ist, und keine Nährwerte hat, und der Körper das nicht verarbeiten kann.

 

Aber Petra will davon eigentlich nichts hören und beißt genüsslich in das mit drei Scheiben Mortadella und zwei Scheiben Butterkäse belegte Brot. Natürlich mit einer dicken Schicht Butter drunter. Zur Beruhigung des Gewissens legt sie sich immer eine schmale Scheibe einer Salatgurke oben drauf. Soll ja gesund sein, und hilft abzunehmen. Zumindest hatte sie mir das so verkaufen wollen. Als Nachtisch zum Frühstück, wenn man das überhaupt so nennen kann, gönnt sie sich eine halbe Packung Milchspeiseeis. Das Leckere mit der Schokosoße und den Mandelsplittern obendrauf. Ab hier wäre dann die Tagesration Tierchen, verdammt, natürlich Kalorien bereits erreicht. Aber da kommen ja noch das Mittagessen, der Nachmittagskaffee mit Kuchen und natürlich das Abendessen. Und leider ist zwischen all den Mahlzeiten auch noch so viel Zeit, die sonst sinnlos verstreichen würde, wenn sie nicht auch noch etwas Magen füllendes zu sich nehmen würde. Petra ist leider arbeitslos, aber anstatt etwas dagegen zu unternehmen, schaut sie sich diese tollen Realitysendungen im Fernsehen an, und dabei gönnt sie sich eine Tüte Chips, eine Flasche Cola, und als Abschluss ein paar Schokoriegel. Das ganze natürlich liegend. Wenn sie wenigstens während des Fernsehens und des Hineinschiebens all der kalorienaufstockenden Sachen auf einem Stepper oder Hometrainer fleißig ihre Runden ziehen würde. So könnte sie zumindest ein paar der Kalorien vom Frühstück wieder loswerden, aber es werden halt immer mehr. Die sagen sich sogar schon persönlich in ihrem Körper Guten Tag, da die mittlerweile so eng aneinander hängen, da haben die gar keine andere Chance.

 

Die fiese Chefkalorie sorgt auch immer schön dafür, dass weitere Neulinge kommen, und ihre Rasse niemals aussterben. Die Chefkalorie ist nämlich bei Petra der beste Freund vom Kollegen Selbstdisziplin. Und beide scheinen sich wirklich zu mögen, so dass Kollege Selbstdisziplin sich auch immer dazu überreden lässt, mal eben nicht Dienst zu schieben, und es auch nicht allzu eng zu nehmen, wenn Petra mal wieder Essen in sich hineinschiebt. Mittlerweile wird es Zeit für das Mittagessen. Aber auf kochen hat sie schon lange keine Lust mehr. Wozu auch? Sie ist ja alleine, und da lohnt sich doch der Aufwand nicht. Ok, der Aufwand um einen gesunden Körper zu erlangen lohnt sich also nicht. Ich denke, da ist eher Herr Bequemlichkeit und Frau Faulheit schuld, dass alle Lieferdienste der Gegend bereits wissen was Petra bestellt wenn sie die Telefonnummer im Display sehen. So dann auch an jenem Tag. Sie schaut schon gar nicht mehr in die Karte, sondern kann direkt aus der Anrufliste einen der Lieferdienste anrufen. Italienisch, Chinesisch, Türkisch, Indisch oder auch Griechisch. Das Repertoire ist schier unerschöpflich, und Petra entschied sich für Pizza, Nudeln und als Nachtisch Tiramisu vom Italiener zwei Ortschaften weiter.

 

Luigi kennt Petra gut, und sogar er hat ihr schon gesagt, dass sie unbedingt auf ihre Ernährung aufpassen solle, obwohl er ja damit eigentlich eine Kundin verlieren könnte. Aber das Wohl seiner Gäste ist Luigi heilig, und auch das von Petra. Ja, er ging sogar schon soweit für die Rahmsoße des Schnitzels eine fettarme Sahne zu benutzen. Aber da hatte er nicht mit Petras hervorragendem Geschmacksinn gerechnet. Sofort nach dem Verzehr des bestellten Essen rief sie Luigi an, und meinte er müsse aufpassen, dass seine Qualität des Essens nicht den Bach runtergehen dürfe. Die Rahmsoße hätte ganz anders und fade geschmeckt. Hatte Petra doch tatsächlich den Unterschied bemerkt. Eigentlich sensationell, aber auch wieder irgendwie traurig.

 

Das Essen kam dann auch zügig wie immer, und Petra und der Fahrer kennen sich natürlich gut, und sie ließ es sich nicht nehmen dem Fahrer offen und ungeniert Offerten zu machen. Er solle reinkommen, mitessen und danach könnten sie es sich ja noch auf der Couch ein wenig gemütlich machen. Aber wie immer lehnte der Fahrer auch dieses Mal ab. Nichts gegen Petra, sie ist eine echt liebe und herzensgute Frau, aber ins Bett müsste ich auch nicht mit ihr gehen. Aber trotzdem würde ich gerne wissen, ob der Fahrer nicht mal schwach werden würde, oder ob er zumindest schon mal darüber nachgedacht hat. Aber, ach nein, lassen wir das.

 

Die Pizza, die Nudeln und das Tiramisu standen nun auf dem Tisch. Aber da standen sie nicht lange. Man konnte förmlich den Kalorien zusehen, wie sie in Petras Körper übergingen. Jede Einzelne, und die Chefkalorie begrüßte jede persönlich wieder mit Handschlag, und dem Hinweis, es sich auch schön lange hier drin in Petras Innerem gemütlich zu machen. Und das tun sie heute noch. Die Pizza war relativ schnell verdrückt, dazu eine weitere Flasche Cola, übrigens die Zweite. Und es war erst Mittag. Die Nudeln schob Petra gierig hinterher, sie wollte den Nachtisch ja kalt genießen. Aber sie war zu faul um es im Kühlschrank solange zu parken bis sie mit der Hauptmahlzeit fertig gewesen wäre. Also aß sie einfach das Zeugs schneller, natürlich schlecht gekaut, und somit noch ungesünder, und so konnte sie auch noch über die Süßspeise herfallen.

 

Wenn ich mir das alles so überlege was die gute Petra alles in sich hineinstopft, und dann auch noch in solch kurzer Zeit, möchte ich gar nicht wissen, wie oft sie auf die Toilette gehen muss und welche enormen Haufen dabei entstehen müssen. Widerlich. Momentan ekel ich mich vor mir selbst und hinterfrage mich wie ich denn eigentlich auf solche komischen Gedanken komme? Diese Frau denkt wirklich den lieben langen Tag ans Essen. Vielmehr ist denken ja nur der Anfang, sie isst es ja auch noch. All das Zeugs worüber sie sich Gedanken macht, und andere nur schon beim Vorbeigehen dick werden.

 

Das schlimme aber an Petra ist auch, dass man die Fresssucht nicht nur an ihrem Körper erkennt, sondern auch an den Klamotten sieht. Das halbe Ei vom Frühstück hängt auf dem T-Shirt genau an der Stelle, an der sich ihre nun sehr großen und weit herunterhängenden Brüste abzeichnen. Außerdem zieren diverse Kaffeeflecken den Rest der Kleidung, sei es nun auf dem Shirt, der Hose oder sogar den weißen Socken. Vom Mittagessen klebt Tomatensoße der Pizza auf dem Ärmel, und etwas Tiramisu klebt nach der Schlacht mit dem Nachtisch in den Haaren. Was ja nicht schadet, gesellt sich das bisschen Tiramisu in den seit vielen Tagen nicht gewaschenen und nun fettigen Haaren zu anderen bereits eingetrockneten Lebensmittelresten. Ich denke, wenn Flöhe solche Sachen lieben, dann fühlen sie sich sicher in Petras Haaren pudelwohl. Nachmittags ist Kaffeezeit. Und damit die Kalorien in ihrem Körper auch weiter von neuen Kumpels Gesellschaft bekommen, und sie auch nicht bedroht sind auszusterben, sorgt sie für reichlich Nachschub in Form von Sahnetorte und Käsekuchen. Alles ganz harmlose Dinge eigentlich, wenn man sie wie viele andere Dinge auch in Maßen genießt.

 

Aber Petra hatte schon immer eine Schwäche für Kuchen, und auch ein Problem damit ein scharfes S von einem Doppel S zu unterscheiden. So schiebt sie sich dann erneut ungesundes Zeug in Massen in den Magen, anstatt in Maßen. Zu allem Übel, und als hätte die Sahnetorte nicht wie auch der Name schon sagt genug Sahne, sprüht sie eine sehr große Portion Fertigsahne aus der Dose obendrauf. Nur des Geschmackes wegen, sagt sie dann immer. In den Kaffee gibt sie nun aber Süßstoff. Sie würde nicht mehr so viel Zucker vertragen! Kein Wunder, hatte sie doch schon am Morgen den Bedarf an Zucker einer ganzen Schulklasse in sich hineinlaufen lassen. Leider ist ja an einem Stück Kuchen nicht mehr allzu viel dran. Erst Recht wenn man wie Petra einen solchen Hunger hat. So überbrückt sie dann auch die Zeit zwischen dem Nachmittagskuchen und dem Abendessen mit ein paar Naschereien. Gummibärchen, Schokoküsse und reichlich mit Schokolade glasierte Nüsse verschwinden nacheinander in ihrem Mund. Manches Mal stopft sie so viel davon gleichzeitig hinein, dass sie beim Kauen den Mund gar nicht mehr zubekommt. Dadurch fallen immer wieder diverse halbgekaute Reste der Naschereien auf den Boden.

 

Darüber freut sich dann übrigens Petras kleiner Dackel, dem mittlerweile auch schon vor lauter Fettleibigkeit der Bauch bis zum Boden hängt. Nun gut, Dackel haben kurze Beine, aber trotzdem sollten zwischen dem Bauch des Dackels, und dem Fußboden ein paar gute Zentimeter Luft sein. Wenn man dem kleinen Tierchen einen feuchten Putzlappen um den Bauch wickeln würde, könnte er direkt damit den Boden beim Laufen wischen. Aber er freut sich immer so, und wackelt mit seinem Schwanz wenn er die Reste auf dem Boden findet, und dann auch frisst. Petra trinkt mittlerweile den dritten oder auch schon vierten Liter des braunen und pappsüßen Zeugs aus der PET-Flasche. Mal zwischendurch eine Flasche Wasser oder ein paar Tassen Tee würden sicherlich helfen, aber das schmecke ihr nicht. Sie will ja nicht vergiftet werden mit dem Kram den Ökos und andere Weicheier trinken. Cola sei doch gesund, sonst würde ja die halbe Menschheit bereits ausgestorben sein, argumentiert sie immer. Womöglich hat sie damit noch Recht.

 

Als es dann dem Abend zugeht, knurrt Petra wieder leicht der Magen. Irgendwie kann sie sich manches Mal nicht entschließen was sie essen soll. Wurstbrote, vielleicht übriggebliebene Reste vom Vortag warm machen, oder doch noch mal schnell in die Stadt gehen sich ein wenig Fastfood besorgen. Beim letzteren würde sie sich zumindest ein wenig bewegen, was ja bei den ersten beiden Möglichkeiten nur bedingt zutrifft. An diesem Tag entschloss sich Petra für Wurstbrote. Sie war einfach zu faul so spät noch in die Stadt zu gehen, und Essen vom Vortag war gar keins mehr da. Sie hatte bereits alles verputzt. So legte sie sich diverse Dinge vom Kühlschrank auf den Tisch, und fing an sich ihre Brote zu belegen.

 

Nun ist das ja mit Wurstbroten so, dass eigentlich auf eine Scheibe Brot ungefähr zwei, drei oder vielleicht auch vier Scheiben Wurst kommen. Eventuell noch garniert mit einer Scheibe Gurke, etwas Petersilie oder einer Scheibe Tomate. Gerne auch noch ein wenig Zwiebelringe oder Paprikastreifen. Bei Petra blieb das an diesem Abend eher wurstlastig, und als Garnierung anstatt Gemüse eben noch einmal Wurst obendrauf. Eine Scheibe Brot, Butter als Schmiermittel, und davon natürlich reichlich, Salami aber keine vom Rind, damit es auch schön schmeckt, und auf die Salami kam noch Presskopf aus dem Glas. Also der komplette Presskopf. 200 Gramm schwer war das Glas, vielmehr der Inhalt. Das Glas war aber direkt nach dem Auftragen des Presskopfes auf das Brot leer. Komplett leer. Damit das Abendbrot noch ein wenig Farbe bekam, schnitt sie noch ein gekochtes Ei in Scheiben und legte es als Zugabe obendrauf. Das Ganze war bereits so dick, dass jeder normale Mensch gar nicht hätte abbeißen können. Aber Petra ist nun einmal nicht normal. Sie hat halt Hunger, und schon ihre Mama hatte gesagt als sie noch klein war „Lass sie doch, sie hat nun mal Hunger. Und wenn sie Hunger hat, soll sie ruhig essen“.

 

Zumindest hatte das Petras Mutter immer zu ihrem Mann gesagt. Das Ergebnis sieht man heute, auch wenn es ihre Mama immer nur gut gemeint hatte. Petra kommt schon bei der kleinsten Bewegung außer Puste, und mit sportlicher Betätigung braucht sie erst gar nicht anzufangen. Da tun ihr direkt die Knie weh, der Kopf schwillt an, wird rot und droht zu platzen. Sie schwitzt wie ein tropfender Kieslaster, und schnauft wie eine alte rostige Dampflok. Irgendwie hat sie im Laufe der letzten Jahre gemerkt, dass sie wenige Freunde hat, und ich bin einer davon. Aber auch mir ist es bisher nicht gelungen, ihr da zu einem Lebensumschwung zu verhelfen. Sie mag irgendwie diese lieben kleinen Tierchen, also die Kalorien so gerne. Sie tun ihr eigentlich nicht weh, nur das was dabei heraus gekommen ist, das tut sehr weh. Ich hoffe Petra merkt das alles noch, und bekommt rechtzeitig die Kurve. Ich drücke ihr da die Daumen, und beim nächsten Treffen bringe ich ihr auch keine Pralinen mehr mit, sondern ein Buch über Kalorien. Diese kleinen Tierchen… ach lassen wir das.

Frühstück, oder auch keins

Das Frühstück am Morgen soll ja eigentlich die wichtigste Mahlzeit des Tages sein. Schon beim Frühstück scheint es darauf anzukommen, zumindest ist das wohl bei sehr vielen Menschen so, wie man durch den Tag kommt, und was alles noch so passiert. Ich jedenfalls bekomme vor 8 Uhr morgens keinen Bissen herunter. Maximal eine Tasse Kaffee, und auch das nur, wenn meine Frau mir diese hingestellt hat. Ansonsten scheitert das schon an meiner Faulheit und an meiner Müdigkeit. Aber geht das denn überhaupt, schon in aller Früh etwas zu Essen in sich hinein zu schaufeln? Zum Beispiel solche Sachen wie Müsli, Obstsalat und Joghurt? Nein danke. Aber ich habe da einen guten Freund, der hat einen Magen wie ein Zuchthaus. Da kannst du alles erdenklich Essbare hineinstopfen, und ihm würde es immer noch gut gehen.

 

Wir waren einmal ganz früh schon mit dem Auto unterwegs, und wir hatten eine recht große Strecke auf der Autobahn hinter uns zu bringen. Und wenn ich früh sage, dann meine ich auch früh. Es war irgendetwas zwischen vier und fünf Uhr morgens. Also eine Uhrzeit, zu der ich sicher nicht mal an Essen denke, sondern maximal davon träume. Und zwar in meinem Bett. Ich war Zuhause grade so aus Diesem gekrochen, meine Frau hatte mir noch eine Tasse Kaffee hingestellt, bei der ich es auch tatsächlich geschafft hatte mit Hängen und Würgen, und nur ihr zuliebe, diese zur Hälfte auszutrinken, als mein Freund Marcel dann als wir auf der Autobahn unterwegs waren nach wenigen Kilometern Asphaltreise bereits etwas von Frühstück an der Raststätte murmelte. Wegen dem Essen war mir das irgendwie egal, aber eigentlich kam es mir sogar ganz recht, denn meine Blase drückte tatsächlich schon ein wenig von der halben Tasse Kaffee Zuhause. Da würde mir ein Toilettengang recht kommen, und so war ich dann doch froh, dass wir einen kurzen Zwischenstopp einlegten. Marcel wollte sich an der Essenstheke schlau machen, während ich dem Druck meiner Blase ein Ende bereiten konnte. Kaffee kann da ziemlich eklig werden bei mir, und wer schon mal auf Toilette musste und diesen fiesen Druck verspürt hat, wird wissen wovon ich rede.

 

Eigentlich dachte ich daran, dass Marcel sich ein belegtes Brötchen und etwas zu trinken besorgt hätte, und erwartete ihn bereits wieder im Auto sitzend. Da war er aber nicht zu finden. Das Auto war noch verschlossen, und um das Auto herum konnte ich ihn auch nicht erblicken. Vielleicht war er ja an der Kasse hängen geblieben. Möglicherweise hatte er wieder nur einen großen Geldschein dabei, und die gute Dame beim Abkassieren konnte in dieser Früh noch nicht wechseln. Also lief ich zurück in den Verkaufsraum, und fand Marcel auch recht schnell an einem Tisch sitzend. Fast wäre mir aber noch das Essen von gestern, vorgestern und die Reste des häuslichen Kaffees von heute früh wieder hochgekommen, als ich sah welche Berge Essen mein Freund vor sich stehen hatte. Wohlgemerkt, es war ungefähr fünf Uhr morgens, und auch nach dem ich ein zweites Mal die Teller sondiert, und mir die letzten Krümel aus den Augen gerieben hatte, erkannte ich auf dem einen Teller zwei Bockwürstchen mit Kartoffelsalat, auf dem nächsten Teller eine Frikadelle mit Senf, und auf dem dritten Teller noch eine riesige Portion Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Speck. Und das wie gesagt um Fünf! Morgens! Ich fing erst mal an zu würgen, und musste auch erst einmal raus aus dem Raum. Schon alleine der Geruch zwang mich fast zum Erbrechen. Auf dem Weg an die frische Luft rannte ich zuerst die im Vorraum aufgestellte Menükarte über den Haufen, und gleich am Ausgang fiel ich einer Reinigungskraft in die Arme, deren Eimer ich überlegte zum Kotzen zu benutzen. 

 

Marcel saß immer noch genüsslich vor seinen vor Fett triefenden Bratkartoffeln, den eklig riechenden Frikadellen, und dem Kartoffelsalat der aus mehr Mayonnaise bestand als Kartoffeln beinhaltet waren. Er saß doch tatsächlich am Tisch und schob sich all das Zeug voller Freude in den Hals. Ich bin schon froh wenn ich es hinbekomme eine Scheibe Toast und einen Kaffee zum Frühstück zu mir zu nehmen, und Marcel schiebt sich innerhalb von 20 Minuten das rein, was andere in einer ganzen Woche als Fettreserve in sich hineinstopfen. Ich war bedient, und das einzige was ich auf der restlichen Fahrt meinem Magen noch zumutete, waren ein Kaugummi, einen Schokoriegel, von dem ich aber nur die Hälfte schaffte, und eine weitere Tasse Kaffee an einer anderen Raststätte. Mein Freund aber fragte keine fünf Minuten nach unserer Ankunft am Zielort nach weiterem Essen. Einfach herrlich, aber ich möchte auf gar keinen Fall mit ansehen müssen, welche Haufen da bei ihm auf der Toilettenschüssel entstehen. Bei den Massen von Nahrungsmitteln muss der Notdienst sicher immer wieder auftauchen um verstopfte Rohre frei zu bekommen. Was mich aber völlig bei ihm wundert ist, dass er absolut schlank ist. Kaum Fett, sehr drahtig und keinerlei Ansatz von Bauch oder Speckfalten. Marcel muss eine dermaßen gute innere Verbrennung haben, dass wohl jedes Heizkraftwerk, das Müll zur Energieerzeugung verbrennt, neidisch werden würde. Aber ihm geht es gut, ausgesprochen gut sogar. Er war neulich erst beim Arzt, und seine Blutwerte, sein Blutdruck, und seine sonstigen Werte seien alle in Ordnung. Er hat kein Sodbrennen, keine Magenprobleme und schlecht wird ihm auch anscheinend nie. Wohl ein frühstückstechnisches Naturtalent. Stell ihm hin, was auch immer es ist, und er isst es. Genial. Eine menschliche Verwertungsmaschine.

 

Aber genau so kommen mir manches Mal die Menschen in den Hotels am Frühstücksbuffet auch vor. Ich war beruflich früher oft auf Reisen, und da blieb es auch nicht aus in diversen Hotels zu übernachten. Meist waren das höherklassige Hotels, denn bezahlt haben das ja sowieso indirekt die Kunden über die Aufwandsrechnung meiner Firma. Also wurde immer ein anständiges Zimmer gebucht, inklusive Parkplatz und natürlich Frühstücksbuffet. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass das wirklich eine superfeine Sache mit dem Frühstück in einem Hotel ist. Man steht auf, geht sich Duschen, zieht sich an, und spaziert dann ganz gemütlich in den Frühstücksraum. Schon im Fahrstuhl kann man den Kaffeeduft, und den Geruch der frischen Brötchen riechen. Eine nette Bedienung weist einem den Platz zu, und sie schenkt auch noch, bevor man sich an das Buffet herangemacht hat, den ersten Kaffee in die Tasse ein. Einen ersten Blick in die Zeitung auf dem Tisch konnte man auch schon machen, und nach wenigen Sekunden wandert man dann direkt in Richtung der vielen Leckereien. Und da gibt es wirklich alles was man sich wünscht. Das ist wie im Schlaraffenland. Brot, Brötchen und Kuchen. Rührei mit oder ohne Speck. Harte, mittelweiche oder ganz weiche Eier. Wurst, Käse und Schinken in allen Arten. Marmelade, Honig und sonstige Brotaufstriche in allen Variationen. Müsli, Joghurt und auch Obst. Kekse, Stückchen und auch Schokoriegel. Und auch Sonderwünsche werden oft ausgeführt.

 

So hatte ich einmal einen Mann beobachtet, der die Bedienung danach fragte, ob er denn einen entkoffeinierten Kaffee mit laktosefreier Milch und zwei Stück Süßstoff haben könne. Dazu noch ein Müsli ohne Schokostreusel, aber mit fettarmen Joghurt, und außerdem noch zwei Scheiben Graubrot, von der sie Kruste abschneiden solle. Nun gut, die Bedienung schaute den Herrn zu allererst ein wenig komisch an, sie verschwand dann aber für ein paar Minuten in der Küche, um dann wenige Augenblicke später mit all dem gewünschten Zeugs wieder zu kommen. „Respekt“, dachte ich mir damals. Das sieht man nun wirklich nicht alle Tage. Zumindest aber war der Herr so vornehm, dass er das Frühstücksbuffet und auch seinen Tisch nicht als Schlachtfeld hinterlassen hatte. Da habe ich auch schon ganz andere feine Herren im Anzug oder Damen im Kleid gesehen. Ich kam also wie sonst auch immer aus meinem Zimmer, und schlenderte noch etwas verträumt, und mit leicht geschlossenen Augen an das Frühstücksbuffet. Aber was ich dann dort sah, machte mich relativ schnell wieder wach, und brachte mich auf Trab. Zwei Herren im feinen Zwirn machten sich bereits am Buffet zu schaffen, wobei der eine alles Essbare das auf dem Tisch zu finden war mit der Nase mittels einer Geruchprobe untersuchte, und der andere alles mit den Fingern und der Hand anfasste, nur um sich dann wieder anders zu entscheiden, und die Speisen wieder zurück auf den Platz legte wo er sie her hatte.

 

Wie eklig war das denn? Ich möchte gar nicht wissen was dem einen Herrn alles aus der Nase fiel, und auf dem Essen landete, und was der andere Herr bisher alles angefasst hatte, ohne sich danach die Hände zu waschen. Der Klassiker wäre da ja der Toilettengang. Und das ist kein Witz oder erfunden. Wie oft habe ich schon Herren beobachten können die auf die Herrentoilette gegangen sind, sich im Stehen dem entledigt haben was sie so sehr gedrückt hatte, um dann direkt nach dem Schließen des Hosenstalles wieder auf ihren Platz zu gehen und weiter zu frühstücken? Wo bitte schön wurden da die Hände gewaschen? Eben noch den eigenen Schniedel in der Hand gehabt, und wenige Sekunden später stehen diese Herren dann am Frühstücksbuffet und haben ein Brötchen nach dem anderen in der ungewaschenen Hand, welches sie dann auch noch schön brav wieder zurück in den Korb legen, da sie es doch nicht essen möchten! Da fällt mir echt das linke Ei aus der rechten Hosentasche. Mir kam das auch sofort in den Kopf, und schnell entschloss ich mich an diesem Tag nur einen Joghurt und ein Stück Kuchen zu essen, da beides frisch verpackt am anderen Ende des Buffets stand. Ich genoss also meinen Joghurt, in den ich ab und an eine Banane tunkte. Die hatte ja glücklicherweise eine natürliche Verpackung, und somit war sie den nasalen Resten des einen, und den schmutzigen Händen des anderen entkommen.

 

Ein anderer Tischnachbar aber hatte sichtlich Probleme mit der Platzbeherrschung auf seinem Tisch, und dem zu sich nehmen des Frühstückes allgemein. Ständig kippte ein Glas oder eine Tasse um, die Marmelade tropfte dauernd von seinem Brötchen, und im Dreiminutentakt fiel ihm das Messer mit einem laut schepperndem Geräusch auf den Boden. Außerdem sah sein reichlich gedeckter Tisch aus wie nach einer Bombenexplosion, und überall waren bereits Kaffeeflecken zu finden. Ständig rief er die Bedienung ob sie ihm noch Dies und Das bringen könne, und wie soll es auch anders sein, hatte er sich viel zu viel von allem auf den Teller gepackt, was nachdem er ging, liegen blieb, und somit sicherlich im Mülleimer landete. Aber das habe ich auch schon bei so vielen Menschen gesehen, die sich an einem Buffet zu schaffen gemacht haben. Fast ausnahmslos jeder, wirklich fast jeder klopft sich den Teller, manchmal auch mehrere Teller, so dermaßen voll, dass erstens teilweise die Speisen wieder herunterfallen, und der Weg zurück zum Tisch damit markiert wurde. Und zweitens bleibt meist ein großer Rest übrig, der wegen des schnell einsetzenden Sättigungsgefühls dann erst gar nicht mehr gegessen wird.

 

Machen die das um andere zu ärgern, haben die Angst, dass nichts mehr nachgelegt wird, oder mussten die früher hungern? Vielleicht bekommen die Zuhause bei Mama oder der Frau auch nichts zu essen, oder sie gönnen den anderen nicht mal mehr die letzte Scheibe Wurst auf dem Brot. Keine Ahnung, aber warum nehmen diese Leute nicht erst mal ein paar wenige Sachen, und holen sich dann von mir aus das ein oder andere Brötchen und Wurst sowie Käse später nach? Muss denn die Portion Rührei aus sechs Eiern mit Speck und Toast bestehen, wenn sie doch wissen dass sie nur drei Eier schaffen? Warum schöpfen sie sich die große Müslischale voll bis oben hin, wenn sie es doch nur bis zu Hälfte essen, und nebendran eine kleinere Schale gewesen wäre? Und warum muss die Bedienung den Kaffee in die Tasse bis zum Rand nachgießen, wenn man doch nur noch einen Schluck trinken möchte? Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, aber gierig und egoistisch schienen mir solche Leute schon immer zu sein.

 

Aber ich habe auch schon ein sehr spartanisches und merkwürdiges Frühstückserlebnis in einem Hotel gehabt. Es war eine kurzfristige Reise, und es war wirklich kein einziges freies Zimmer mehr in einem normalen Hotel zu finden. So entschloss ich mich es bei einem Billighotel zu versuchen. Schnell fand ich eines und buchte ein Zimmer inklusive Frühstück. Es sollte ja nur für eine Nacht sein. Am nächsten Morgen dann, frisch geduscht und hungrig, lief ich zum Frühstücksbuffet. Zumindest das was man als Buffet hätte bezeichnen können. Schon der Duft des Kaffees erinnerte mich eher an die Imbissbude vom Hauptbahnhof, und auch die Sitzplatzgelegenheit kam mir eher vor, als ob sie die Stühle und Tische aus der Konkursmasse eines Kindergartens aufgekauft hätten. Alles war zu eng, zu klein und zu tief. Aber egal, ich wollte eine Tasse Kaffee und ein belegtes Brötchen haben. Mehr nicht. Vielleicht noch ein Frühstücksei und einen Joghurt. Das wäre wirklich eine tolle Sache gewesen. Eine Tasse Kaffee war schnell besorgt, aber leider mochte ich nicht mehr als den ersten Schluck trinken, da diese braune Brühe einfach nicht zu genießen war. Es schmeckte irgendwie nach Heizöl. Denn leider stand diese bereits wohl mehr als eine Stunde in einer Glaskaraffe auf einer Heizplatte und schmurgelte so vor sich hin. Ich versuchte es also mit einem Brötchen, welches aber daran scheiterte dieses aufzuschneiden. Lag es am stumpfen Messer, oder an der doch gummiartigen Beschaffenheit der Bäckereiware dass mir das nicht gelang? Wahrscheinlich an beidem.

 

Aber es hätte auch keinen Sinn gemacht das Brötchen zu belegen. Ich hatte doch tatsächlich die Wahl zwischen Schmierwurst fein und Schmierwurst grob. Käse war auch keiner zu sehen, und als Marmelade konnte ich nur Pflaumenmus finden. Nun ist Pflaumenmus nicht unbedingt meine Leibspeise, so dass ich gänzlich darauf verzichtete. Also versuchte ich mich an dem Müsli welches in einer großen Schale auf dem Buffettisch aufgestellt war. Immerhin konnte ich Milch finden, die aber erstens warm und zweitens so dünn war, dass man gut und gerne hätte meinen können sie wäre um mehr als die Hälfte gestreckt worden. Aber auch das mit dem Müsli hätte ich lieber bleiben lassen sollen. Ich hatte vor vielen Jahren mal an einem Haus an einer Schüttdämmung gearbeitet. Schüttdämmung besteht aus styroporartigen kleinen Kugeln, die in die Zwischenräume des Dachaufbaues eingebracht werden. Da ich damals nicht immer aufgepasst hatte, bekam ich beim Einschütten der Dämmung und gleichzeitigem Reden mit meinem damaligen Helfer einige dieser Styroporkugeln in den Mund und Rachenraum. Und genau an diesen Moment erinnerte ich mich wieder als ich versuchte das Müsli zu essen. Es hatte genau diese Konsistenz der Styroporkugeln aus der Schüttdämmung von damals. Widerlich. 

 

Aber was soll es auch, denn nicht immer ist ein Frühstück oder das Drumherum schlecht. Ich hatte auch schon großes Glück, als ich einmal beruflich in Helsinki in einem gehobenen Hotel nächtigen durfte. Das war genau ein Frühstück wie man es sich wünscht, so wie es sich jeder vorstellt, und was man wirklich nur ganz selten bekommt. Schon der Kaffee schmeckte auch nach Kaffee. Der gesamte Frühstückssaal roch danach, und ich habe noch nie so viele Tassen davon bereits morgens in mich hineingeschüttet wie damals. Da brauchte ich auch keinen Zucker oder Milch. Das hätte das edle Getränk nur verschandelt, und so spürte ich den puren Kaffeegenuss auf meiner Zunge und dem Gaumen. Das war wie ein guter Wein, ein toller Cognac, oder ein klassischer Whiskey. Außerdem gönnte ich mir eine Portion Rührei mit Speck und Buttertoast. Solch ein fluffiges, wohlschmeckendes, und gut gewürztes Frühstücksei in verquirlter Form hatte ich bis dahin noch nie gegessen, und so kam es, dass ich mir von der Bedienung den Teller noch zweimal nachfüllen ließ. Ich denke das waren gut und gerne 6-8 Eier die damals von mir verspeist wurden. Das Ganze toll abgeschmeckt mit Salz, Pfeffer, frischer Petersilie obendrauf, und frischer kalter Butter auf dem leicht gebräunten Toastbrot. Einfach herrlich. So schmeckt simple und einfache Küche ganz besonders gut und bekömmlich.

 

Was ich noch ausgesprochen gut fand damals, war der frisch gepresste Orangensaft. Die hatten damals eigens eine Angestellte dafür hinter dem Tresen die verschiedenste Früchte aufschnitt, diese presste und frisch in ein absolut sauberes und leicht vorgekühltes Glas goss. Ich entschied mich für Orangensaft und bereute diese Entscheidung auch überhaupt nicht. Dieser Orangensaft sprengte auch meinen allerletzten Geschmackssinn, und diesen Geschmack habe ich heute immer noch im Kopf wenn ich daran zurück denke. Das war überhaupt kein Vergleich zu unseren Möchtegern-Orangen hier aus dem Discounter, oder einem Tütensaft aus einem Restaurant oder einer Bar. Das sind doch alles nur Wassersäfte. Aber dieser Saft damals, vielmehr diesen Orangen konnte man förmlich die Frische ansehen, und alleine beim Hinsehen lief mir damals das gesamte zur Verfügung stehende Wasser meines Körpers im Mund zusammen. Alleine an diesem Morgen trank ich sicherlich einen ganzen Liter Orangensaft. Kein Wunder, schmeckte dieser auch als sei ich im siebten Himmel gewesen, als hätten mir Engel diesen Saft gepresst und hingestellt, oder als ob der Orangengott persönlich dafür gesorgt hätte, dass diese Früchte so schmackhaft waren und ich sie genießen durfte. Das war Frühstück 3.0 oder einfach gesagt: Weltklasse! Frühstück geht halt auch anders.

Kantine oder Supermarkt

Ich erinnere mich noch ganz genau. Jeden Tag, wirklich jeden verdammten Tag kam mein Kollege in mein Büro, und hat mir diese eine Frage gestellt: „Was essen wir denn heute?“ Und ihm war eigentlich schon klar, und mir natürlich auch, dass es nur zwei Möglichkeiten gab: Die Kantine der Firma, oder den Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Aber eigentlich wusste ich bereits, dass mein Kollege den Tagesspeisenplan der Kantine seit dem Morgen mehrfach einstudiert hatte, und die Sonderangebote der Fleischtheke des Supermarktes auswendig kannte. Wir versuchten natürlich schon die Rosinen aus dem Kantinenessen herauszupicken. Also nur das, was wirklich gut schmecken würde, oder wir in dem Glauben waren, dass das wirklich etwas sein könnte.

 

So wie damals in meiner Lehrzeit. Meine Ausbildungsstätte war auf einem großen Firmenpark angesiedelt, auf dem die unterschiedlichsten Firmen und Betriebe beherbergt waren. Da gab es Metallbauer, Schlossereien, Dachdeckerfirmen und was man sich sonst noch an Handwerksbetrieben so vorstellen kann. Und mittig auf dem Gelände war eine Kantine zu finden, die jeden der Arbeiterinnen und Arbeiter mit dem immer wiederkehrenden Speiseplan beglückte. Das sah dann ungefähr so aus, dass es Montags Eintopf mit Wurst gab, Dienstags Hackbraten mit Kartoffelbrei, Mittwochs gab es Hühnerfrikassee mit Reis, Donnerstags Schnitzel mit Pommes, und Freitags Fisch mit Kartoffeln. Logisch, dass wir Auszubildenden dann immer nur Dienstags und Donnerstags dort auftauchten, um uns dem leckeren Hackbraten und dem wohlschmeckendem Schnitzel zu widmen. Und das brachte uns einen ganz besonderen Spitznamen ein. Denn immer wenn wir die Eingangstür öffneten und in den Saal gingen, schauten uns ein paar Arbeiter im Blaumann an, und riefen ganz laut: „Ah ja, da kommen sie ja wieder, die Rosinenpicker!“

 

Aber das machte uns nichts aus. Denn es war ja nicht verboten nur an zwei Tagen dort zum Essen zu gehen, und sich dann nun einmal für Speisen zu entscheiden, die einem schmecken und auf die man Lust hat. Wir konnten ja nichts dafür, dass die Kerle die uns diesen Spitznamen gaben, sich jeden Montag einen Eintopf in den Magen stopften, den man gut und gerne als Füllmaterial für Bodenunebenheiten hätte nehmen können, oder Freitags sich lieblos gebratenen, und völlig geschmacksneutralen Fisch einverleibten. Da hätten Sie auch gut und gerne in ein Stück Pappkarton beißen können. Es wäre dasselbe dabei herausbekommen. Trotzdem bekamen wir an jedem verdammten Dienstag und Donnerstag diesen Spitznamen vor die Füße geworfen. Und jedes Mal wurde unser Grinsen breiter und breiter, was diese Kerle immer weiter und heftiger in Rage brachte, bis sie eines Tages dann eine Beschwerde bei der Kantinenaufsicht einlegten. Aber was sollte die auch machen? Uns zwingen täglich dort zu essen, auch wenn es uns nicht schmeckt? Uns Hausverbot geben, so dass wir gar nicht mehr dort essen hätten dürfen? Es blieb so wie es ist, und bis zum Ende unserer Lehrzeit zogen wir diese beiden Tage durch. Noch heute kann ich über diesen Spitznamen grinsen.

 

So war das mit meinem späteren Arbeitskollegen auch. Wir gingen also nur zum Rosinenpicken in die Kantine. Und wenn es tatsächlich mal nichts gab was unseren Gaumen hätte kitzeln können, so gingen wir eben die Rosinen aus dem Supermarkt pflücken. Aber angefangen bei einer dieser Kantinen, in der wir ab und an essen waren, gibt es ja die unterschiedlichsten Leute die dort ihre Mittagspause verbringen, und sich mit ein paar Köstlichkeiten den Magen füllen wollen. Im Prinzip tauchten da alle Schichten der Belegschaft auf. Angefangen vom Hausmeister, bis hoch zur Geschäftsführung gaben sich alle die Klinke in die Hand. Was aber durch die vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen und beruflichen Schichten dann auch schon Mal zu diversen Problemen führen kann.

 

Wir gingen dann wieder an diesem Tag an dem mein Kollege zum x-ten Male bei mir völlig ausgehungert im Büro stand in die Kantine, und wir fuhren, um nicht allzu sehr außer Atem zu sein, wie immer mit dem Fahrstuhl. Wir saßen im 5. Stock, und die Kantine war im Erdgeschoss. Meist wenn man es aber gar nicht gebrauchen kann, dann hält der Fahrstuhl an allen anderen übrigen Stockwerken, und es steigen Leute ein die man so überhaupt nicht sehen will, und auch erst recht nicht ausstehen kann. Und so kam es auch an diesem Tag. Der Aufzug hielt in Etage drei. Wir schauten uns an, und wir wussten wenn der Aufzug in Etage drei anhält, wer dann einsteigt. Die Herren der Geschäftsleitung. Ausgerechnet die Beiden, und wie sollte es auch anders kommen, wollten sie auch ins Erdgeschoss in die Kantine. Natürlich taten beide so als ob sie uns nicht gesehen hätten, und ignorierten uns völlig. Welche Geschäftsleitung will sich auch schon mit dem niederen Volk abgeben, geschweige denn sich unterhalten? Womöglich hätten wir Sie noch auf eine Gehaltserhöhung, oder andere unangenehme Gesprächsthemen angesprochen.

 

Als wir im Erdgeschoss ankamen, und in Richtung Kantine liefen, sahen wir bereits eine größere Schlange vor der Essensausgabe stehen. Und das obwohl wir recht früh waren. Aber es war logisch, denn es gab an diesem Tag Schnitzel mit Pommes, Salat und einem Nachtisch inklusive einem Freigetränk. Klar, wenn es schon mal etwas umsonst gab, dann kommen sogar diejenigen zum Essen, die nie etwas essen. Wir beide stellten uns artig hinten an der Schlange an, was die beiden Herren aus der Geschäftsleitung zu meiner Verwunderung nicht machten. Sie setzten sich an einen reservierten Tisch, schnippten kurz mit den Fingern nach der Sekretärin, die schon reichlich nervös am Nebeneingang stand und wartete, und bestellten bei ihr das Mittagessen. Das sind wohl die Vorzüge dieser Position. Egal wann man auftaucht, die Sekretärin wird es schon richten, und man selbst will sich ja nicht zu all dem wieder einmal niederen Volk in die Schlange stellen, und dem verschwitzt aussehendem Koch dabei zu müssen, wie dieser lieblos das Menü auf den Teller klatscht. Aber das hätten die beiden sowieso nicht gesehen, und die Sekretärin auch nicht. Die stöckelte kurzerhand direkt in die Kantinenküche, und kam wenige Augenblicke mit einem kleinen Wagen, auf dem das Essen und die Getränke der beiden Geschäftsführer standen, zurück. Das sah aus wie das Kapitänsdinner beim Traumschiff. Hätte nur noch die Torte, und die Wunderkerzen gefehlt, und eine Kapelle die einen Einzugsmarsch abspielt, sowie Publikum das voller Begeisterung dazu klatscht. Ich sagte nur zu meinem Kollegen: „Wenn das alles noch passieren würde was ich eben aufgezählt hatte, dann würde es Klatschen. Aber dann keinen Beifall!“

 

Wir standen also nun schon seit guten zehn Minuten in der Schlange, während die beiden Anzugträger aus der gehobenen Position bereits die ersten Bissen im Mund hatten. Aber wie sollte es auch anders sein. Immer wenn ich in einer Schlange stehe, dann passiert auch irgendetwas. Und so war es auch an diesem Tag wieder soweit. Es war ein Herr an der Reihe, der schon alleine von der Gestalt her aussah, als ob er an allem etwas auszusetzen hätte. Und tatsächlich ging es dann los. Erst war ihm der Teller zu schmutzig, dann wieder zu kalt. Der Reis war zu klebrig, und die Soße zu mehlig. Das Fleisch war ihm viel zu klein, und schon vom Hinsehen wüsste er, dass das gute Stück auch noch zäh sei. Dann war ihm die Portion natürlich allgemein zu wenig, der Salat zu welk, und der Preis dafür, wie sollte es auch anders kommen, viel zu hoch. Aber beim nächsten schon ging es genauso weiter, und mein Kollege und ich hatten immer noch fünf andere hungrige Mäuler vor uns zu überstehen. Bei dem Typ der jetzt dran war, wäre der Koch aber wohl am liebsten mit seinem scharfen Messer über die Theke gesprungen. Ich glaubte zu erkennen, dass er kurz davor war zu Platzen. Immer wieder nervte dieser Typ den Koch damit, dass er doch von diesem so viel, von dem anderen nur so wenig, und wenn möglich noch alles getrennt haben wolle. Wenn er jetzt nicht bald zu Fragen aufgehört hätte wo der Koch die Lebensmittel herbekommen würde, ob die alle getestet wären, und welche Nährwerte das Futter haben würde, dann hätte ihn der eigentlich lammfromme Mann in weiß wohl zu Hackbällchen verarbeitet, die er dann sicherlich den Tauben draußen zum Fraß vorgesetzt hätte.

 

Bemerkenswerter Weise verlief die Essensausgabe der anderen drei Personen vor uns ohne nennenswerten Zwischenfall. Kein Gemecker, keine Probleme, und alles war in bester Ordnung. Bis wir dann an der Reihe waren. Ich wollte grade eben meine Bestellung an den Koch abgeben, als dieser schnaufend davon trabte. Der ging einfach weg. Das Problem war nun: Wenn kein Koch da war, dann würde es auch kein Essen geben. Auf jeden Fall ging der Kerl weg, und er blieb auch für mehrere Minuten verschwunden. Ich möchte auch gar nicht wissen was er gemacht hatte, aber ich befürchtete, er war auf Toilette gewesen. Und ob er da nun ein großes oder ein kleines Geschäft gemacht hatte war eigentlich egal, die Hauptsache war, er hatte sich die Hände gewaschen. Bitte lass ihn die Hände gewaschen haben, denn er hatte doch immer wieder Mal diverse Lebensmittel in der Hand, und hygienische Einmalhandschuhe trug er leider auch keine.

 

Aber an diesem Tag hatten wir beide auch mit dem Essen kein Glück. Wir nahmen das Schnitzel mit Pommes Frites, Salat und einem Nachtisch. Aber hätten wir das lieber gelassen, und uns für etwas anderes entschieden, oder wären wir an diesem Tag lieber in den Supermarkt gegangen. Dann hätten wir uns erspart, dass das Schnitzel so zäh wie ein alte Schuhsohle war, die Soße dazu wie Kleister geschmeckt hatte, der Salat welk und versandet war als ob man auf Schleifpapier kauen würde, und der Nachtisch eine Konsistenz hatte, dass man ihn gut und gerne als Silikonmasse im Baumarkt hätte verkaufen können. Und dann noch diese unsäglichen Magenschmerzen die im Laufe des Tages bei mir auftauchten, und dafür verantwortlich waren, dass ich den Rest meiner Stunden mehr in der Keramikabteilung meiner Firma verbracht hatte, als an meinem Schreibtisch. Ich hätte gut und gerne meinen Namen außen auf die Toilettentür schreiben können, da ich sowieso der einzige war der in dieser Kabine sein Geschäft verrichtete. Glücklicherweise war genügend Toilettenpapier vorhanden, die Lüftung schaffte trotz Schwerstarbeit den Duft weg zu transportieren, und auch der Akku meines Handys machte nicht schlapp. So konnte ich zumindest die Zeit dort nutzen, um alle Nachrichten ausführlich zu lesen, und auch endlich die restlichen Level eines Spieles zu Ende zu bringen. Aber lieber wäre mir gewesen, wenn ich ohne diese Magenkrämpfe hätte weiterarbeiten können.

 

Nach einer dann auch noch unruhigen Nacht, in der ich mehr Zeit in meinen gefliesten Räumen verbracht hatte als im kuschelig warmen Bett, war ich am nächsten Tag doch schon wieder soweit magentechnisch hergestellt, dass wir uns entschlossen zum Mittag in den Supermarkt zu gehen. Und das kann dort auch ganz schön amüsant werden. Schon der Weg dorthin kann abenteuerlich werden, denn wir mussten eine doch sehr stark befahrene Straße überqueren, die direkt in ein Industriegebiet geführt hat. Nun ist das ja so, dass Autofahrer die sowieso schon zu spät dran sind, LKW-Fahrer die aus Prinzip schon genervt sind, oder zum Beispiel Kurierfahrer oder Außendienstmitarbeiter die den ganzen Tag auf den Straßen unterwegs sind, und es immer eilig haben, nie anhalten. Und erst recht nicht an einer Stelle der Straße, wo weder eine Fußgängerampel oder ein Zebrastreifen das sichere Überqueren für uns möglich gemacht hätte. So artete das jedes Mal in einem doch sehr starken und sicherheitsbedenklichen Slalomkurs aus, bei dem immer wieder unserer schnelle Reaktion, das richtige Einschätzen von Geschwindigkeiten, und natürlich eine Menge Glück dafür verantwortlich waren, dass wir den Supermarkt überhaupt erst einmal erreicht haben. Aber wir sind dann doch irgendwie immer angekommen, und den Rückweg hatten wir auch immer wieder geschafft. Ok, wir mussten uns immer wieder diversen Beschimpfungen anderer Verkehrsteilnehmer aussetzen, und manches Hupsignal hat sich bis heute unweigerlich in unser Gehirn gebohrt, aber wer nun einmal Hunger hat, und sich etwas zu Essen besorgen möchte, der nimmt einiges in Kauf. Manches Mal kam mir der Weg in den Supermarkt vor wie ein Trainingslauf bei der Fremdenlegion.

 

Wir wollten uns also den Weg an die Fleischtheke bahnen, und kamen auch zu unserem Erstaunen zügig dort an. Normalerweise blieben wir immer schon an der Schlange der Bäckerei am Eingang des Supermarktes hängen, da niemand Platz machen mochte, in der Angst man will sich unverschämter Weise vordrängeln, obwohl man doch einfach nur hindurchgehen möchte. Wir wussten aber auch was uns an der Fleischtheke erwarten sollte. Es gab an dieser Futtermöglichkeit immer nur zwei Zustände. Eine endlos lange Schlange von unzähligen hungrigen Menschen, oder eine noch viel endlosere lange Schlange von unzähligen und ausgehungerten Menschen, die keine Rücksicht und auch keine Freundlichkeit kennen. Menschen die Hunger haben sind wie Bestien. Und so war das auch regelmäßig an dieser Fleischtheke. Wir kamen also an diesem Tag dorthin, und sahen bereits eine höhere zweistellige Zahl an nach heißem Fleisch gierenden Damen und Herren. Zuerst stellten wir beide uns als letzte hinten an das Ende, ich ging aber nach wenigen Sekunden bereits direkt nach vorne, um erkennen zu können welches Angebot heute zu erstehen wäre, und was alles tolles in der Auslage lag. Schon der Duft des Gebratenen und Gesottenen zog mich an, und so registrierte ich eine etwas doch korpulentere Frau gar nicht, die an zweiter Stelle stand, und wohl in wenigen Sekunden an der Reihe gewesen wäre. Leider dachte die gute Frau wohl, dass ich mich vordrängeln wollte um natürlich vor ihr an der Reihe zu sein. Dem war ja nicht so, wollte ich doch lediglich schauen was meinen Magen in kurzer Zeit füllen, und meinen Hunger stillen sollte.

 

Kaum an der Glasscheibe der Theke angekommen, vernahm ich ein sehr zorniges und vor lauter Hunger der guten Frau sehr energisches, und mit tiefer Stimme brüllendes: „Hey, was soll das? Hier wird sich nicht vorgedrängelt. Wir mussten alle warten, also stellen Sie sich gefälligst hinten an. Sonst können Sie was erleben!“ Auf das mit dem „Erleben“ musste ich, respektive die Frau, nicht lange warten. Da ich in solchen Situationen nicht zimperlich bin, entgegnete ich ihr ganz trocken: „Sie scheinen ja nicht wegen des Essens anzustehen. Sie sehen rundum gut genährt aus. Sie stehen aber falsch an hier. Die Diätmittel gibt es in der Drogerieabteilung!“ Ganz schnell bekam sie nun einen hochroten Kopf, und fluchtartig rannte die gute Frau heulend aus dem Laden. Na da hatte ich doch für alle etwas Gutes getan. Für den Rest blieb nun mehr von dem köstlichen Essen übrig, ich war eine Position weiter nach vorne gerückt, und der Frau hatte ich, auch wenn es ungewollt für sie war, eine Diät an diesem Tag verordnet. Vorausgesetzt sie stürzte sich jetzt nicht vor lauter Kummer in die nächste Dönerbude, oder aß Zuhause die komplette Schublade mit den Süßigkeiten leer. Ich erfuhr es nicht, und ich wollte es auch gar nicht wissen. Wer direkt auf einen Draufhaut, ohne zu wissen was man denn eigentlich vorhat, der muss sich nicht wundern, wenn man mit ganz großen Geschützen zurückschlägt. Da war ich schon immer rigoros. Mein damaliger Kollege kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, und da er immer noch darüber mit offenem Mund nachdachte, bestellte ich ihm etwas zu essen.

 

Wir waren dann ziemlich schnell an der Reihe, bestellten und gingen zur Kasse. Der Laden war ziemlich voll, und das war er eigentlich zur Mittagszeit immer. Aber es wäre ja auch viel zu einfach gewesen, wenn ab hier alles reibungslos funktioniert hätte. Ich war auch noch nicht ein einziges Mal in diesem Supermarkt gewesen, ohne dass nicht noch irgendetwas passiert war. Wir liefen also die Gänge in Richtung Kasse, und schon da erblickte ich, dass lediglich eine einzige Kasse, von übrigens vier Stück, geöffnet war. Auch hier hatte sich bereits eine Schlange gebildet, die ihres gleichen gesucht hat. Gefühlt waren das 30 Leute, gezählt habe ich sie natürlich nicht, da ich damit beschäftigt war mich sehr über den ein oder anderen zu wundern. Das nur eine Kasse offen war, an der auch noch eine völlig überforderte junge Auszubildende ihren Dienst verrichtete, war eigentlich schon wieder normal. Das manche Menschen sich nicht waschen, duschen und pflegen, und dann stinken wie zehn nasse Füchse die seit Wochen tot in der Ecke liegen, daran muss man sich wohl gewöhnen.

 

Warum aber müssen manche Menschen denn ausgerechnet zur Mittagszeit ihren Großeinkauf erledigen, in dem sie zwei vollgestopfte Wagen an die Kasse rollen, dann noch jeden einzelnen Preis hinterfragen, und zum Schluss auch noch an dieser verdammten Rabattaktion teilnehmen, bei denen es irgendwelche Billigtöpfe und Messer für umgerechnet einen viel zu hohen Preis zu erstehen gibt? Das dann zwischendurch die Bonrolle der Kasse leer wird, die Auszubildende ständig einen Preis stornieren muss, und dafür den Schlüssel des Marktleiters benötigt, der natürlich ewig braucht bis der überhaupt da ist, und mir auch ständig der Hintermann mit seinem Wagen in die Hacken fährt, das nervt dann schon enorm. Mein Kollege und ich verbrachten diese Mittagspause also an diesem Tag in der Schlange an der Kasse eines Supermarktes. Nun gut, geschmeckt hatte das Essen auch hier, in der Kantine wäre es halt gemütlicher gewesen. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir auch lieber die miese Laune des Koches dort angetan, als nun hier im Supermarkt zu enden. Bis wir an der Reihe waren, hatten wir letztendlich aufgegessen. Draußen vor der Tür begegnete uns übrigens die Heulsuse von der Fleischtheke von vorhin. Natürlich mit einem Döner und einem Schokoriegel in der Hand…

Interviews mit Hungrigen

Die folgenden Interviews sind übrigens echt. Ich habe sie tatsächlich so geführt, und manche Antwort ist reichlich merkwürdig  (auf Anführungszeichen wurde verzichtet…).

 

 

Vor einem Schnellrestaurant (vier Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren):

 

Ich: Hey Jungs und Mädels. Was macht ihr hier?

Junge: Wir wollen was Essen, alter ey.

Ich: Was denn?

Mädel: Na Burger. Ist doch geil, oder?

Ich: Wieso denn Burger? Das Zeug ist doch ungesund, oder?

Anderes Mädel: Ach so´n quatsch. Ich ess´ das schon seit Jahren, und ich hab noch nie was zugenommen, man. (Leider sehe ich aus der Hüfthose diversen Speck an beiden Seiten heraus quellen, die Backen sind aufgeblasen wie bei einem Hamster, und die Oberschenkel dieses Mädels sitzen press in der Jeans wie in einer zugeschweißten Schrumpfmuffe).

Ich: Und was gibt´s dazu? Holt ihr euch einen Salat?

Anderer Junge: Salat? Das Grünzeug ist doch schon auf dem Burger drauf. Mehr brauch ich davon nicht.

Ich: Aha, aber Salat ist doch gesund, oder?

Junge: Gesund? Sind doch die Burger auch. Sonst wäre doch schon die halbe Menschheit tot. Hahahaha… (lautes Lachen des Jungen, wobei er selbst merkt, dass das irgendwie nicht witzig war).

Mädel: Aber ich esse Salat, muss aber doppelt viel Soße drauf sein. Sonst schmeckt das nicht.

Ich: Doppelt viel Soße? Das ist dann auch doppelt viel Kalorien, Sahne und so ein Zeug, oder?

Mädel: Ja, aber dafür ess` ich ja auch nur `ne kleine Pommes!

Ich: Na immerhin. Und was trinkt ihr dazu?

Alle: Cola Light. Da ist kein Zucker drin, und man nimmt ab. (irgendwie hatten alle vier es geschafft das gleichzeitig zu sagen).

Ich: Aber da ist Süßstoff drin, und der ist doch noch schlimmer als Zucker!

Junge: Süßstoff? Was ist das?

 

Nach dieser Antwort war das Interview beendet, und alle gingen ihres Weges. Ich nach Hause und die vier in den Burgerladen!

 

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Beim Einkaufen (eine Rentnerin Mitte Siebzig):

 

Ich: Guten Tag. Darf ich fragen was Sie so alles einkaufen?

Rentnerin: Warum wollen Sie das wissen?

Ich: Ich schreibe ein Buch über Hungrige und das Essen.

Rentnerin: Werde ich darin namentlich erwähnt?

Ich: Das Buch ist noch nicht geschrieben (ich verdrehe leicht die Augen, denn die Dame scheint raffgierig zu sein und will eine Leistung mit einer Gegenleistung haben).

Rentnerin: Ich beantworte ihre Fragen nur, wenn mein Name darin auftaucht (zwischenzeitlich merke ich, dass das wohl nichts wird mit dem Interview und blicke mich nach einem weiteren potenziellen Interviewpartner um).

Ich: Können wir uns darauf einigen, dass Sie mir nur ein paar Fragen beantworten?

Rentnerin: Nein.

Ich: Nein?

Rentnerin: Ja. Ich habe nein gesagt!

Ich: Aber in der Zwischenzeit konnte ich doch sowieso schon sehen was Sie alles eingekauft haben!

Rentnerin: Dann ich hoffe mein Name ist drin!

Ich: Aber das Buch ist doch noch gar nicht erschienen!

Rentnerin: Warum fragen Sie mich dann?

Ich: Vergessen Sie das mit dem Interview bitte wieder. Ich schreibe wohl doch kein Buch.

Rentnerin: Aber warum das denn nun auf einmal?

Ich: Weil Sie mir nicht sagen was Sie alles einkaufen?

Rentnerin: Na, ich habe nun einmal meine Prinzipien. Und mein Mann Karl sagt immer, dass wir nichts zu verschenken haben. Aber wissen Sie, mein Mann Karl ist…… blablabla…

 

Mittlerweile war ich aber bereits am Weggehen. Die Rentnerin hatte das zuerst gar nicht bemerkt, da Sie dabei war ihre Sachen im Einkaufswagen zu sortieren, und mich dabei aus den Augen verloren hat. Ich glaube sie redet immer noch!

 

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Im Restaurant (eine Bedienung Anfang Dreißig – wobei das kein klassisches Interview war und ich die Situation ausgenutzt habe):

 

Bedienung: Guten Tag der Herr!

Ich: Guten Tag. Was können Sie denn empfehlen?

Bedienung: Oh, tut mir leid. Ich kenne die Gerichte nicht so genau und hab` noch keins davon gegessen!

Ich: Sie wissen also nicht wie das alles schmeckt?

Bedienung: Genau. Tut mir echt sorry. Aber sagen sie es keinem. Ich esse nur vegetarisch, und das hier ist doch ein Steakhaus.

Ich: Sie essen also kein Fleisch?

Bedienung: Nur gekochten Schinken und ab und an mal eine Bratwurst.

Ich: Aber das ist doch auch Fleisch? Ich dachte Sie sind Vegetarierin?

Bedienung: Manchmal!

Ich: Manchmal? Wie geht das denn?

Bedienung: Wollen Sie nun etwas essen (ich merke dass sie meiner Frage ausweicht)?

Ich: Ja, nur weiß ich nicht was!

Bedienung: Na, dann nehmen Sie doch das Steak mit Zwiebeln und Pfeffer. Das wird hier am häufigsten bestellt. Also muss es schmecken. Nur wenige sagen es wäre nicht gut.

Ich: Und wenn ich einer der wenigen wäre? Was dann?

Bedienung: Das wäre dann Pech.

Ich: So, ich hätte dann Pech. Auch nicht schlecht. Übrigens. Ich schreibe ein Buch über Hungrige und das Essen. Ich interviewe Leute und unterhalte mich mit ihnen, wie jetzt auch mit Ihnen hier.

Bedienung: Na da hab´ ich ja Glück gehabt.

Ich: Wieso das denn?

Bedienung: Ich bin nicht hungrig, und Essen werd´ ich heute auch nix mehr!

 

Ich habe übrigens das besagte Steak mit Zwiebeln und Pfeffer bestellt. Hatte aber Glück, dass es gut geschmeckt hatte.

Auf dem Markt

Samstags ist immer Markttag. Darauf freuen wir uns schon die gesamte Woche, und wenn wir einmal verhindert sind, dann sind das meist endlos lange Tage bis wir wieder dorthin können. Der Markt öffnet seine Pforten gegen sechs Uhr am Morgen, aber das ist meiner Frau und mir wirklich noch zu früh. Meist fahren wir um acht Uhr los, und sind knappe 20 Minuten später an einem Parkplatz angelangt. Der liegt einige Minuten zu Fuß vom Marktplatz entfernt. Es dauert aber nicht allzu lange, bis wir unser Ziel erreicht haben. Schon von weitem kann man das Treiben dort riechen, hören und sehen. Alles wuselt umher, alles läuft von einem Stand zum nächsten, und immer wieder hört man hier und da ein paar übriggebliebene Marktschreier, die so versuchen etwas mehr Ware an den Mann, oder wie man jetzt aus Gründen der Gleichberechtigung sagen muss, auch an die Frau zu bringen. Hier riecht es nach Käse, an einem anderen Stand nach Wurst, an der nächsten Ecke nach Fisch, und ein weiterer Stand bietet hunderte verschiedene Gewürze an. Es gibt Blumen zu kaufen, ein Türkischer Händler bietet zig verschiedene Sorten von Oliven, Paprika und Schafskäse an, und sogar an einem kleinen Stand gibt es frisch aufgebrühten Kaffee zu erstehen.

 

Aber morgens um acht oder neun Uhr schon Bratwurst, Pommes und Hamburger? Das geht bei mir gar nicht. Maximal eine Tasse Kaffee, vielleicht eine Scheibe Toast, oder ein kleines Stück trockenen Kuchen. Aber doch keine richtige Mahlzeit mit mehr als 2000 Kalorien, einem Fettgehalt wie ein Fass Butter, und Cholesterin so viel, dass jeder Arzt einen sofort in die Klinik einweisen würde. Aber schon an der ersten Pommesbude sehe ich rund um den Wagen eine Unmenge an Menschen stehen, die sich soeben etwas Fleischiges bestellen, oder bereits dabei sind, sich die erste Currywurst mit ordentlich viel Ketchup, und eine große Portion Pommes Frites einzuverleiben. Gierig schieben die sich vor Fett triefende Stücke Wurst, und völlig mit Mayonnaise zugekleisterte Pommes in den Rachen. Und das sind nicht nur Erwachsene. Nein, die schleppen sogar ihre kleinen Kinder mit dorthin, und sogar die hauen sich das fettige Zeugs schon in aller Früh in den Magen. Kein Wunder, werden Kinder immer dicker und unsportlicher. Irgendwo müssen die Mayo, die Pommes und das Bratfett ja hin. Meist setzt sich das als Rettungsring um den Bauch, als Fettränder an den Armen, oder als Schwulst am Hintern ab.

 

Aber was wirklich oft unschön ist, sind die Leute, die das Ganze auf dem Wagen verkaufen, also diejenigen, die hinter der Theke die Hamburger braten, die Bratwurst drehen, oder die Pommes frittieren. Ich frage mich immer ob die fettigen Haare davon herrühren, dass die Leute dort arbeiten und sich das Fett vom Braten dort absetzt, oder kommt das daher, dass sie sich einfach nicht duschen? Vielleicht ja von beidem etwas. Aber ehrlich gesagt will ich das nicht immer so genau wissen, denn ich habe mir abgewöhnt da genauer nachzuforschen, da ich mir sowieso kein Essen mehr an solchen Buden kaufe. Das letzte Mal, als ich das getan hatte, hat es mir nämlich gelangt.

 

Ich war in der Stadt unterwegs, und hatte mächtig Hunger. Durch Zufall dann kam ich an eine Straßenecke, an der ein Imbiss gelegen war. Ich hatte gar nicht so genau auf das Äußere geachtet, und bestellte mir einen Hamburger mit Pommes, und eine Dose Cola. Ich erkannte zwar, dass die gute Frau älter war, aber sie stand mit dem Rücken zu mir, und winkte mir kurz mit der Hand zu, um mir mitzuteilen, dass sie meine Bestellung verstanden hätte. Als die gute Frau sich aber zu mir drehte, verging mir wirklich alles. Die Lust, mein Hunger, das Interesse abends auszugehen, und überhaupt verging mir alles was mir in diesem Moment hätte einfallen können.

 

Ihr Gesicht sah aus, wie das einer uralten ausgemergelten Lederhandtasche. Die Kittelschürze hatte schon seit Monaten keine Waschmaschine gesehen, und das ehemals gute Stück triefte genauso vor Öl und Fett, wie die Haare der alten Dame. Unter den ungepflegten und vergilbten Fingernägeln verbarg sich mehr Schmutz als auf die kleine Schippe gepasst hätte, die völlig verdreckt neben dem kleinen Handfeger, der auch schon wesentlich bessere Zeiten gesehen hatte, in der Ecke stand. Und da stand er wohl schon ziemlich lange, hatten sich doch diverse Spinnen schon damit versucht ihre Netze dort zu bauen. Und eigentlich dachte ich, dass mir nicht noch übler im Magen hätte werden können, aber als mich dieses ungepflegte Etwas auch noch ansprach, und mir dabei direkt in mein Gesicht sah, erkannte ich die Kraterlandschaft in ihrem Mund. Kein einziger Zahn war mehr im Urzustand, und dort wo eigentlich hätte die untere Kauleiste sein sollen, standen zwei einzelne abgebrochene Stummel, die alles andere als gesund aussahen. Im Prinzip sah die alte Frau genauso schäbig aus, wie die Imbissbude selbst. Und hätte sie mich nicht angesprochen, so hätte man sie sicherlich nicht in all dem Schmutz und Dreck erkennen können. Wie ein Chamäleon passte sie sich der Umgebung an.

 

Ich ließ das mit dem Hamburger dann sein, und auch auf dem Markt esse ich solche Dinge nicht mehr. Aber Menschen sind nun einmal wahre Egoisten wenn es um Essen geht, und erst recht wenn es etwas umsonst gibt. Manche Stände bieten zum Probieren ein paar ihrer Köstlichkeiten auf einem kleinen Stehtisch an. Das macht zum Beispiel einer dieser türkischen Händler so. Die Sachen die man dort Kaufen kann sind extrem lecker, schmackhaft und so vorzüglich, dass man daran einfach nicht vorbei kommt, und sich auch immer einer oder sogar mehrere dieser Leckereien mit nach Hause nimmt. Und genau solch einen Probierstand hat dieser Händler auch. Auf einem kleinen Stehtisch sind immer diverse kleine Leckereien abgestellt, wie zum Beispiel eingelegte Oliven, verschieden scharfe und teils gefüllte Peperoni, Fladenbrotstücke mit Käsecreme, oder eben solch leckere Antipasti, die irgendwie gefühlt ein Vermögen kosten wenn man davon ein paar Hundert Gramm erstehen möchte. Schön wäre es nur, wenn ich ein einziges Mal dort hinkommen würde, und auf dem Probierteller würde noch etwas zu finden sein von all dem köstlichen Zeugs. Aber weit gefehlt. Ich hatte da bisher wenig Glück. Meist finde ich nur noch klitzekleine Reste, oder die wild herumliegenden Zahnstocher oder kleine Holzspieße, die dazu benutzt werden sich die kleinen Antipasti in den Mund zu schieben.

 

Einmal habe ich eine Dame beobachten können, die regelrecht darauf gewartet hat bis der Händler den Stehtisch wieder aufgefüllt hatte. Ganz unauffällig stand sie an einer ruhigen Ecke des Marktplatzes, und immer wieder blickte sie mit ihren Augen auf den Stehtisch vor dem Wagen des türkischen Händlers. Ich konnte das sehr gut beobachten, da ich mir eine Tasse Kaffee an dem kleinen Stand wenige Meter weiter gönnte. Und ich konnte regelrecht erkennen, wie die gute Frau sich langsam aber stetig in Startaufstellung brachte, um als allererste dort zu sein, wenn der Händler die Sachen wieder aufgefüllt hatte. Genau so kam es dann auch. Der türkische Händler stellte ein riesiges Tablett voll mit den unterschiedlichsten kleinen Häppchen auf den Tisch, räumte den Abfall noch weg, und verschwand wieder in seinen Wagen um die nächsten Kunden zu bedienen. Und wirklich keine tausendstel Sekunde später sprang die Frau wie eine sich wieder ausdehnende Sprungfeder regelrecht aus der Ecke hervor, ging zum Tisch, und fing an sich eine Leckerei nach der anderen in den Hals zu schieben. Das sah so aus, als ob sie seit einer Woche nichts gegessen hatte. Vielleicht war sie bis hierhin auf Diät, vielleicht hatte ihr Mann verboten etwas zu essen, und sie durfte das nur heimlich tun, oder wenn er nicht dabei war, oder sie wollte einfach kein Geld für diese tolle Sachen ausgeben?

 

Auf jeden Fall hatte sie innerhalb weniger Sekunden bereits die Hälfte von den Sachen verschlungen. Der Händler merkte das nicht, war der doch mit dem Verkauf seiner Ware beschäftigt. Eigentlich hatte ich alle Hoffnung doch auch noch ein wenig probieren zu können, aber ich wollte natürlich noch in Ruhe meinen Kaffee genießen. Und während ich das tat, schob sich die Olle ein Häppchen nach dem anderen hinein. Auch wenn andere Marktbesucher sich ein kleines Stück von dem Kuchen gönnen wollten, so drehte sich die Frau immer so geschickt um den Stehtisch herum, dass ihre riesige Handtasche den Weg zum Probieren versperrte. Immerhin ließ sie ein einziges Stück anstandshalber auf dem Teller liegen, um das sich auch direkt drei andere neu hinzugekommene Marktbesucher stritten. Auf leisen Sohlen schlich die nun sichtlich satte Frau davon, und schnalzte noch einmal kräftig und laut mit der Zunge. Wenige Minuten später schon sah ich sie an einem anderen Stand der Brot und Kuchen anbot. Auch dort gab es Probierhappen, und wieder schlug sie sich den Bauch voll.

 

Ich war mittlerweile auf dem Weg zum Blumenstand und war immer noch wegen dem Gehabe der gefräßigen Frau am Grinsen. Womöglich hatte sie noch Alufolie dabei um ihre Brut Zuhause auch noch zu versorgen. War das nun geschickt um satt zu werden und Geld zu sparen, oder einfach unverschämt? Ich verdrängte das alles aus meinem Sinn, als ich die ersten Sprüche der Blumenverkäufer hörte. Wie immer, so auch an diesem Tag, standen bereits unzählige vorgebundene Blumensträuße in allen Farben und Variationen auf dem riesigen Verkaufsgelände bereit. Das war Wahnsinn, zählte ich doch alleine am ersten Stand eine Fläche von 15 mal 15 Blumenkübel die dort wie die Soldaten zum Verkauf aufgereiht waren. Und immer wieder röhrte der Blumenverkäufer mit eiserner Stimme: „Jeder Eimer 8 Euro!“ Und das wiederholte er innerhalb einer Minute mindestens zehn Mal. Wenn er das in diesem Takt gemacht hatte, dann schmetterte er diesen Satz wohl mehrere Hundert male an einem Verkaufstag. Ich würde wahnsinnig werden, und das wurde ich bereits vom Hinhören in den ersten fünf Minuten.

 

Und erst als ich den Spruch das zwanzigste Mal hörte, dachte ich richtig darüber nach. Jeder Eimer 8 Euro? Wieso eigentlich Eimer? Ich würde doch keinen Eimer kaufen wollen! Der Kerl müsste doch eigentlich etwas sagen wie zum Beispiel „Jeder Strauß Blumen 8 Euro.“ Das wäre sinnvoll gewesen, aber doch nicht einen Eimer für das viele Geld. Die gibt es im Baumarkt im Dreierpack doch für die Hälfte des Geldes. Ich nahm also einen Eimer, ich meine einen Strauß Blumen für 8 Euro für meine Frau mit. Ich hatte das bisher viel zu wenig gemacht, und so nahm ich die Gelegenheit wahr mal wieder Zuhause für eine kleine Überraschung zu sorgen.

 

Auf dem Rückweg zu meinem Wagen dann kam ich an einem Imbiss der halbe Hähnchen verkaufte vorbei. Gebratene halbe Hähnchen am Spieß. Und so wie diese Bude aussah, hätte man auch das Ding gut und gerne „Imbiss des Grauens“ nennen können. Von außen sah der Hänger aus wie der Toilettenwagen auf einer Kirmes, und ich konnte nur hoffen, dass er nicht auch von innen so aussah, oder nicht auch noch so roch! Auf jeden Fall hatte der Händler eine Unmenge an halben Hähnchen auf den Spießen, die alle drehend vor sich hin schmorten, und nur darauf warteten, bis ein Kunde sich einer dieser geflügelten Viecher gönnte. Aber egal wie gut solch ein Imbiss auch aussehen mag, egal ob der Wagen neu gewesen wäre, und egal wie sauber das alles gewesen wäre, ich habe immer Skrupel mir ein halbes Hähnchen an solch einem Stand zu kaufen, und dann auch zu essen. Sicher nicht jede Salmonelle lässt sich durch die Flammen wegbruzzeln, und wie willst du dann beweisen, dass du dir genau an diesem Stand etwas eingefangen hast? Aber beim genaueren Hinsehen verging mir der Hunger, und die Lust auf Hähnchen sowieso, falls das bei mir überhaupt in Frage gekommen wäre. Denn rein zufällig sah ich wie der Verkäufer in dem Wagen mit demselben Putzlappen, mit dem er die leeren und gebrauchten Spieße reinigte, auch alles andere wegputzte. Den Schmutz und Dreck an den Stehtischen, seine Hände, den Türgriff, und zu allem Übel auch noch den Aschenbecher der an der Seite stand, und bereits mit diversen alten Kippen und Asche befüllt war. Na prima, und guten Appetit. Womöglich spülte er auch noch die Teller und das Besteck damit!

 

Diesen Anblick ersparte ich mir und ging eines anderen Weges. Zumindest hatte ich keine Lust mehr mit anzusehen wie der Typ sich nach dem Griff mit der einen Hand in seine Hose, an noch frischen halben Hähnchen aus dem Kühlschrank zu schaffen machte. Widerlich! Bei so etwas frage ich mich immer wieder, wie denn solche Händler die Konzession zum Verkauf von Lebensmitteln bekommen? Aber das war mir dann auch egal. Kurz vor Verlassen des Marktes, fiel mir auf wie viele Männer doch mit Weidenkörben auf dem Verkaufsgelände unterwegs waren. Bisher war mir das nie so aufgefallen, aber seit den Geschichten eines Comedian aus dem Fernsehen, der mal von einem Freund erzählt hatte, der das Kochen für sich entdeckt hat, und dafür mit einem Weidenkorb über den Markt schlendert und Mangold kauft, schien etwas an diesem Gesagten dran zu sein. Sollte sich dieses Klischee bewahrheiten? Kaum den Gedanken zu Ende gedacht, rempelte mich ein junger Kerl vielleicht so um die Dreißig an, und rammte mir gleichzeitig eine Seite seines übergroßen Korbes in die Nieren. Eigentlich wollte ich dem Kerl etwas hinterherrufen, aber ein Blick in den Inhalt seines Weidenkorbes ließ mich doch etwas schmunzeln, und die Schmerzen schnell vergessen. Der Typ hatte doch tatsächlich das eingekauft, was ich bisher nur bei Frauen gesehen hatte.

 

Ich erkannte ein Glas Basilikumpesto, eine Schale voll mit Ruccolablätter, Pfifferlinge, Kartoffeln und jeweils ein Bund Petersilie, Dill und Schnittlauch. Was hatte der denn vor? Eine heimische Kräuterkunde abhalten? Das Zeugs aus Studienzwecken mitnehmen, oder wollte er da tatsächlich etwas zu Essen draus zaubern? Mein Weltbild der Männer war zerstört. Bisher gingen wir doch auf den Markt um entweder unsere Frau zu begleiten weil „Sie“ es wollte, um eine Currywurst zu essen, oder einfach um eine Dose Bier zu trinken. Vielleicht noch um die Blumen zu kaufen, um die einen die Schwiegermutter gebeten hatte. Aber Männer gingen doch bisher nicht auf den Markt um Obst und Gemüse zu kaufen! Und schon gar nicht Pesto, Mangold und Ruccola! Und erst recht nicht mit so einem verkackten Weidenkorb! Können diese Kerle nicht wie richtige Männer handeln, und wenn sie schon auf den Markt gehen um solches Zeugs zu kaufen, es dann in der Hand halten? Womöglich tragen die dann auch noch diese typischen Klamotten die uns Deutschen nachgesagt wird: Ein viel zu großes Polohemd, das wegen des zu dicken Bauches vorne zu kurz ist und absteht, eine kurze karierte Bermudashorts, die bis knapp über die Knie geht, Ledersandalen, und dazu hochgezogene weiße Tennissocken. Dazu dann der braune Weidenkorb und die Olle im Arm, die einen ständig herumkommandiert! Wenn ich das an diesem Tag auf dem Markt auch noch gesehen hätte, dann hätte das sicherlich alles andere getoppt.

 

Was aber auch schlimm sein kann ist, wenn Oma und Opa jeder mit seinem Rollator angerauscht kommt, und sich mit diesen Flitzern auch noch Rennen liefern. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn ältere Herrschaften sich mittels eines fahrbaren Untersatzes helfen lassen, und sich damit besser bewegen können. Aber wenn solch ein Markplatz schon sehr gut besucht ist, und sich normale bewegende Menschen kaum rühren können, sich bereits Mütter mit den Kinderwagen wahre Schlachten um die wenigen Plätze am Imbiss für eine Tüte Pommes liefern, und auch bereits ältere Muttis riesengroße Einkaufsbuggys hinter sich her ziehen, dann wird das irgendwann wirklich des Guten zu viel, wenn man nun auch noch eine Spur für Rollatoren benötigt. Ja ich weiß, auch ältere Leute haben natürlich ein Recht darauf sich frei zu bewegen, und das auch gerne mit Rollator, aber es nimmt auch keiner der eben Genannten Rücksicht auf andere! Und schon gar nicht auf uns normal Bewegende.

 

Dauernd bekommst du den Kinderwagen in die Hacken, an jeder Ecke stolperst man über eine Rollator, und immer wieder dieses quietschende Geräusch in den Ohren von alten ausgelutschten Rollen der Einkaufsbuggys, das einem so dermaßen in Mark und Bein fährt, dass jeder Bohrer beim Zahnarzt eine wahre Wohltat wäre. Vielleicht habe ich eine Marktlücke entdeckt und biete in Marktnähe Abstellplätze für Kinderwagen, Einkaufsbuggys und Rollatoren an. Gleichzeitig dann noch ein Bällchenbad für die kleinen Racker, ein Stück Rasen für den Hund, und ein paar Sitzgelegenheiten damit Oma und Opa in Ruhe Kaffee trinken und Kuchen essen können! Für den Mann noch eine Biertheke, und zu alledem verkaufe ich noch Weidenkörbe, damit die Frau einer dieser Dinger ihrem Mann in die Hand drücken kann. Wo sonst soll er auch das Grünzeug hintun? Ach, so ein Markttag ist einfach herrlich.

Fastfood

Einer meiner Lieblingsspeisen sind Hamburger. Und wenn schon Hamburger, dann am allerliebsten selbstgemacht. Ich toaste das Weizenbrötchen, und während ich die Gurken in Scheiben und die Zwiebel in Ringe schneide, bruzzelt das Rinderhackfleisch in appetitlichen Scheiben auf einem Lowfatgrill. Ich stelle mir die Ketchupflasche auf den Tisch, gieße mir eine kühle Cola in mein Glas, und belege in der Zwischenzeit den ersten Hamburger nach Lust und Laune. Frischer Salat darf da genauso wenig fehlen, wie Käse und Speck. Meist wird der Hamburger so dick, dass ich alle Mühe habe abzubeißen. Das sind noch Hamburger. Schmackhaft, frisch und reichhaltig belegt. Das Weizenbrötchen kross getoastet, das Rinderhackfleisch saftig, die Zwiebeln leicht scharf, und die Gurke leicht säuerlich. Perfekt einfach. Einfach perfekt.

 

Und trotzdem lande ich auch immer wieder in einem dieser Fastfoodläden in der Stadt. Es ist halt nun einmal relativ schnell und einfach dort an Essen zu gelangen. Es gibt leider diese Tage, an denen es schnell gehen muss, an denen einfach der Hunger einen dorthin treibt, und obwohl man doch weiß, dass das Zeugs dort wenig Nährwert und auch sonst wenig Nutzen hat, schlägt man dann doch richtig zu. Und es ist so bequem, weil es auch Vorteile hat wie freie Parkplätze, schnelles und einfaches Hungerstillen, und den Dreck kann man auch noch stehen lassen. Aber wenn ich so richtig darüber nachdenke, dann finde ich mehr Nach- als Vorteile. Zumindest was die Sache für mich betrifft.

 

Erst neulich wieder war ich in einer dieser Hamburgerläden. Ich wollte einfach diesen neuen Burger ausprobieren, den ich immer wieder in diversen Reklameprospekten und auch in Werbespots im Fernsehen gesehen hatte. Also fuhr ich mit hoffnungsvollem Hunger in die Stadt, und parkte meinen Wagen auf dem Parkplatz direkt vor der Tür. Das ist wirklich einer der wenigen schönen Dinge in so einem Laden. Man kann direkt vor der Tür das Auto abstellen. Das haben die wirklich klug hinbekommen. Denn wer will schon mehrere Meter, vielleicht sogar einige hundert davon zu Fuß in das Burgerschlaraffenland laufen, um dann nach dem Genuss dieses Zeugs wieder zurücklaufen zu müssen?

 

Ich stieg also aus meinem Auto aus, ging zum Eingang und öffnete die Tür. Schon da fiel mir der sehr verschmutzte Eingangsbereich auf. Es stand zwar in der rechten Ecke ein Mülleimer, der quoll aber dermaßen über, dass einiges an Müll bereits verstreut davor lag. Der Türgriff war abgegriffen, fettig und vom vielen Benutzen bereits locker. Ein fleißiger Mitarbeiter versuchte mit einem Handbesen auf dem Vorplatz dieses Ladens vergeblich Dreckreste, Müll und kleine Papierschnipsel aus den Fugen und Ritzen zu fegen. Ich wunderte mich über dessen Engelsgeduld. Ich hätte bereits nach wenigen Minuten den Besen, die Schippe und wahrscheinlich auch den Job in die Ecke gefeuert. Der gute Mann aber fegte seelenruhig Quadratzentimeter für Quadratzentimeter weiter. Wohlwissend jede Sekunde die verging näher an seinen Feierabend zu kommen.

 

Im Vorraum dann ging mein Blick direkt in den Innenraum. Und wie sollte es auch anders kommen, sah ich eine sehr lange Schlange Menschen, die ungeduldig darauf warteten, dass der erste in der Schlange endlich seine Bestellung loswerden, der Mitarbeiter diese nun endlich nach fünfmaligem Nachfragen und endlosem Nichtverstehen in die Kasse tippen, und die ganze Bestellung auch endlich auf dem Tablett landen würde. Ich reihte mich brav hinter einer der beiden Schlangen ein, und beobachtete die Szenerie. Im Prinzip kann man jede Art von Menschen in solch einem Laden finden die man sich vorstellen kann. Eltern mit Kindern, die nicht nur den Hunger stillen wollen sondern auch auf die kleinen Spielzeuge aus sind, Bauarbeiter, die ihre Mittagspause dort verbringen, Außendienstmitarbeiter, die vor dem nächsten Kundenbesuch etwas Essen möchten, Schüler und Jugendliche, die nach der Schule vorbeischauen um die nervigen Lehrer zu vergessen, Rechtsanwälte, die sich mit Senf den guten Anzug versauen, Fußballfans, die den Frust des verlorenen Spiels in sich hineinfressen, Opa und Oma, die das auch mal alles ausprobieren wollen, schreiende kleine Babys, die von ihrer Mutter mitgenommen werden, und sogar Nonnen habe ich schon gesehen, die für ihre Ordensschwestern ein paar Burger mitgenommen haben.

 

Ich stand nun also als letzter in der Reihe von diversen anderen Menschen, die alle nur das eine wollten: Ganz schnell bestellen und satt werden. Nun ist das mit dem schnell Bestellen und satt werden nicht mehr ganz so einfach, wenn es bereits Probleme bei der Verständigung gibt. Leider hatte die Angestellte dieses Ladens an diesem Tag keinen der Guten davon erwischt. Dauernd musste sie erneut nachfragen, immer wieder vergaß sie den einen oder anderen Artikel aus der Bestellung, und auch mit dem korrekten Wechselgeld gab es immer wieder Probleme. Anstatt Limo gab sie Cola aus, wo Eis drin sein sollte war keines drin, und umgekehrt. Auf dem einen Burger fehlte der Käse, und auf dem anderen waren die Zwiebeln zu viel drauf. Mal gab sie zu viel Essen heraus, dann wieder zu wenig. Alle fünf Minuten fiel ihr etwas herunter, und merken konnte sie sich auch wenig bis gar nichts. Und somit wurde die Schlange von hungrigen Menschen auch leider nicht merkbar kleiner, die Zeit die ich in dieser verbrachte aber immer länger.

 

Ich überlegte nun was denn der Name Fastfood eigentlich bedeuten sollte. Zeit hatte ich ja noch genug, denn an der anderen Kasse sah die Situation leider nicht besser aus. Ich übersetze Fastfood eigentlich mit schnellem Essen. Nur was soll das bedeuten? Gelangt man einfach schnell an sein Essen, oder soll es bedeuten, dass man das Essen schnell essen kann? Auf jeden Fall traf bisher keines der beiden Punkte zu. Weder gelangte ich schnell an mein Essen, und da ich ja noch nichts zum Essen bekommen hatte, konnte ich auch gar nicht schnell essen. Was denn auch?

 

Ganz langsam wurde einer nach dem anderen abgefertigt, bis ein Herr an der Reihe war, dem ich am allerliebsten einen dicken Hamburger in sein Mundwerk geschoben hätte. Wenn ich denn solch einen in der Hand gehabt hätte. Erst wusste er gar nicht was er bestellen wollte. Und das obwohl er genau wie ich bereits 20 Minuten gewartet hatte. Es war wohl noch nicht genug Zeit vergangen um sich zu entscheiden. Dann wollte er die Cola ohne Eis, den Burger ohne Zwiebeln, und die Pommes ohne Salz. Schließlich wusste er nicht ob er von allem nicht doch zwei Sachen haben wolle, und er überlegte sich noch auch einen Salat dazu zu nehmen. Wie bitte? Allein der Typ stand nun schon 10 Minuten planlos und verwirrt an der Theke. Wie lange würden die anderen drei vor mir noch benötigen? Wenn der nicht bald fertig werden würde, dann würde ich mir überlegen, ihm nachzuhelfen. Aber dann nicht mit der Entscheidung welcher Burger es sein darf oder nicht, sondern mit einer auf die Fresse würde ich ihm helfen.

 

Als ich dann doch nach einer gefühlten und endlosen Ewigkeit ganz vorne an der Bestellannahme angelangt war, ging die Olle, die eigentlich hätte meine Bestellung aufnehmen sollen, einfach weg. Sie wäre gleich wieder da, hatte sie noch beim Weggehen in die Menge gerufen. Dabei ging sie hinter in die Küche um zu quatschen. Die stand da hinten rum und fing an mit ihrem Kollegen zu plaudern. Ich dachte damals wirklich mich trifft der Schlag. Ich war wenige Sekunden davor mir den ersten Happen zu Gemüte zu führen, als die Tussi einfach abhaute. Am liebsten hätte ich sie quer über die Kasse gezogen, vermied das aber, da ich befürchtete dann aus Gründen eines ausgesprochenen Hausverbots noch länger auf irgendein Essen warten zu müssen. Und als ich mich schon an die andere Kasse begeben wollte, ich hatte übrigens wirklich keine Lust auf irgendwelche Tumulte am Tresen, bewegte sich die alte Quatschtante doch tatsächlich in meine Richtung, und fing an mich mit einem Lächeln zu befragen, was ich denn bestellen wolle. Na die hatte Nerven.

 

Aber da ich ja meist ein ruhiger und ausgeglichener Mensch bin, gönnte ich ihr dann doch diese Auszeit, und fing an meine Bestellung an sie loszuwerden. Seltsamerweise ging dabei alles glatt. Keine Wiederholung der Bestellung, das Wechselgeld stimmte, in der Cola war kein Eis, und auch die Extra Zwiebeln fand ich auf meinem Burger wieder. Und geschmeckt hatte das alles auch noch. Ok, bisher sah zwar noch kein einziger Burger aus wie auf dem Werbeplakat, aber mir war es in diesem Moment wichtiger endlich, und bevor ich verhungern sollte, die ersten Bissen genießen zu können. Das einzige was mich immer noch an diesem Laden störte, und das scheint in allen dieser Läden so zu sein, sind die winzigen Stühle und Tische. Entweder haben die eine Konkursmasse einer Grundschule aufgekauft, oder das Zeugs ist alles zu heiß gebadet. Nicht ein einziges Mal saß ich bisher an einem normal großen Tisch, oder auf einem normal großen Stuhl. Ist das ein Laden für Schüler? Dürfen hier nur Zwerge essen gehen, oder machen die das aus Gründen der Unbequemlichkeit, und die wollen einen großen Durchfluss von Leuten erreichen? Ich habe wirklich keine Ahnung, aber bequem geht anders.

 

Aber es gibt ja auch genügend Läden, die gar keine Sitzmöglichkeiten haben. Pommesbuden, Imbisse und sogar Dönerläden gehören dazu. Wenn das mit dem Stehen in diesen Buden nur das einzige Problem wäre, dann wäre ich schon zufrieden. Immer wieder machen mir der Geruch, die Sauberkeit, und auch die Leute hinter dem Tresen große Sorgen. Neulich wieder wollte ich mir eine Currywurst rotweiß gönnen, und so hielt ich nach einer schon länger dauernden Autofahrt an einer solchen Bude an. Ich mache das nicht oft, aber wenn ich nun mal Heißhunger auf eine gute und wohlschmeckende Bratwurst habe, dann sind mir auch die Kalorien egal. Aber das letzte Mal hätte ich lieber weiterfahren sollen, denn schon beim Aussteigen aus dem Auto roch ich altes und wohl schon arg verbrauchtes Fett, dessen Duft in der Luft lag, wie der Gestank alter Socken aus dem Korb der Schmutzwäsche. Eigentlich widerlich, aber ich hatte noch alle Hoffnung, dass dies der einzige Makel bleiben würde. Aber das war weit gefehlt. Von Sauberkeit konnte man nun wirklich nicht reden. Hier alte Flecken auf der Tischdecke des Stehtisches, dort der Aschenbecher übervoll, und auch der Abfalleimer quoll dermaßen über, dass nicht mal mehr ein klitzekleiner Fetzen Papier hineingepasst hätte.

 

Und als ich am Imbisswagen angekommen war, und direkt bestellen wollte, drehte sich die Bedienung um. Mir fiel alles aus dem Gesicht, und auch meine Bestellung wollte ich eigentlich vergessen. Denn von dieser Person konnte, vielmehr wollte ich mir keine Currywurst zubereiten lassen. Eine nach meinen Einschätzungen 200 Kilogramm schwere Drohne grinste mir mit dicken Backen, fettigen, sowie völlig amateurhaft gesträhnten Haaren, und schmutzigen Klamotten, die wohl seit Jahren kein Wasser und keine Seife mehr gesehen hatten, ins Gesicht, und fragte mich nach meiner Bestellung. Wie in Trance fing ich an diese Frau, die immerhin Lebensmittel an den Mann brachte, zu mustern. Während sie mich ansprach konnte ich die nur noch wenig verbliebenden Zähne im Mund entdecken. Falls die gute Frau ihre eigene Bratwurst essen sollte, dann machte sie das lutschend. Denn beißen und kauen ohne Zähne geht nicht so einfach. Die durch ihr Gewicht auch massigen Brüste zeichneten sich unter der Bluse, oder was der Fetzen den sie anhatte auch immer war, extrem nach außen ab. Was aber nicht bedeutete, dass diese standen oder wohlgeformt waren. Vielmehr waren das die Schläuche, die sich bis auf die Oberschenkel ausdehnten, und sich wohl dort ausruhten. Wenn diese Frau jemals ein Brustpearcing tragen würde, dann wäre das wohl identisch der Größe eines Türklopfers.

 

Noch immer stand ich vor der Bude und hatte nicht bestellt. Das konnte ich auch gar nicht, denn nun fielen meine Blicke auf die übergroßen Hände, die so groß wie ein Klodeckel waren. Und schmutzig noch dazu. Unter ihren Fingernägeln hatte sich bereits so viel Dreck angesammelt, dass man gut und gerne damit einen mittelgroßen Blumentopf damit hätte auffüllen können. Und zu allem Überfluss dieser modrige Geruch aus ihrem Mund. Ich dachte zuerst an altes Fleisch, dass sie irgendwo in der Ecke hatte liegen lassen, aber als sie etwas näher kam um mich deutlicher zu verstehen, fiel mir alles aus dem Gesicht. Ich lief grün an, und gleichzeitig musste ich auch noch anfangen zu würgen. Erst jetzt sah ich einen übervollen Resteimer mit Speisen der in der hinteren Ecke des Wagens stand, und auch das gesamte Interieur hatte sicherlich schon bessere Zeiten erlebt. In der Grillwanne in der die Bratwürstchen vor sich hin brutzelten, hatte sich bereits eine dicke Kruste von altem Fett und verbranntem Fleisch angesammelt, der Kühlschrank sah aus wie das innere einer schon lange nicht mehr gereinigten Toilette, und was so alles auf dem Boden lag, wollte ich schon gar nicht mehr genauer analysieren. Ich drehte mich um, ging weg, und lies das mit dem Essen sein. Hier wollte ich auf gar keinen Fall etwas bestellen, geschweige denn etwas essen, und schon gar nicht von dieser exemplarischen Unreinheit in Person bedient werden. Ich war bedient, und zwar von dem Dreck und dem Würgegefühl welches mich den Rest des Tages begleitete.

 

So zog ich unverrichteter Dinge wieder ab, und überließ der dicken Köchin sich und dem Schlachtfeld selbst. Aber ich hatte irgendwie immer noch Hunger auf eine Currywurst, und da fiel mir ein, dass es seit einiger Zeit schon fertig abgepackte Würstchen gibt. Und das inklusive Soße, Currypulver, und sogar einem kleinen Holzspieß. Unverrichteter Dinge fuhr ich in den nächsten Supermarkt, lief zum Kühlregal, und schnappte mir drei dieser Packungen. Voller Hoffnung warf ich den Inhalt der drei bunten Päckchen in die Mikrowelle. Volle Stufe, 5 Minuten, und wenige Augenblicke später saß ich vor dem Haufen Wurst mit Soße. Wen der schnelle Hunger packt, und seine Ansprüche auf null schraubt, für den ist das ein wunderbares Essen. Schnell, einfach und unkompliziert. Und relativ billig ist das ganze Zeugs auch noch. Aber auch hier gilt: Currywurst geht anders. Ich will gar nicht wissen welches Fleisch dort in der Wurst gelandet ist, wie die Tomaten aussahen, die dort in der Soße verarbeitet waren (falls denn überhaupt Tomaten verwendet wurden und nicht irgendwelche Farb- und Geschmacksstoffe), und auch wollte ich nicht erfahren, woher das Currypulver stammte, und welche kleinen und minderjährigen Kinder die Körner dazu gepflückt und verarbeitet haben. Hinzu kommen da sicher noch die wahrscheinlich nicht allzu motivierten Mitarbeiter der Currywurstfabrik, die am Fließband wahrscheinlich mehrere Hundert Würstchen mit Soße in der Stunde verpacken, und jemand die Aufgabe dort hat je Currywurst ein Päckchen Currypulver und einen Holzspieß mit in die Verpackung zu legen. Dann der gestresste LKW-Fahrer, der all die tausenden Currywurstpäckchen an die Supermärkte ausliefert, der faule Supermarktangestellte, der alles ins Regal räumt, und die müde Kassiererin, die mir das trotz schlechter Laune immer noch mit einem freundlichen Lächeln verkauft hat. Und wahrscheinlich habe ich in dieser Aufstellung noch unzählig viele Leute vergessen, die alle mit dieser verpackten Currywurst im Fastfoodstil zu tun haben.

 

Ganz plötzlich schmeckte mir die Currywurst gar nicht mehr so gut, und ich ließ das gute Stück links liegen. Da erinnerte ich mich an meine letzte Currywurst die ich mir Zuhause gemacht hatte. Das war noch eine richtige Bratwurst vom Metzger. Grob und gut gewürzt. Schön eingepackt in einem Schweinedarm, und es war auch richtig was dran an dem guten Stück. Die Soße hatte ich mir aus frischen Tomaten zusammengeköchelt, abgeschmeckt mit Currypulver, Salz, Pfeffer, Tomatenmark, und einem Schuss Curryketchup aus der Flasche. Ich goss die Soße über die schon dunkelbraun gebratene Wurst, und schüttete reichlich das Currypulver zu einem richtigen Bergmassiv darüber. Einfach herrlich wenn einem der Duft der Wurst, der Soße und des Currypulvers in die Nase steigt. Beim Aufschneiden der Wurst vermischte sich der Bratensaft, die Soße und das Currypulver zu einem matschigen, aber oberhammergut schmeckendem Brei, in den ich dann immer wieder kleine Fetzen des frischen Graubrotes tunkte, und alles mit Genuss, und in aller Ruhe aß. Das war Fastfood turned to Slowfood. Endlich mal eine Wurst die schmeckt und die satt macht. Da lasse ich mir dann auch immer eine Unmenge an Zeit. Denn wenn ich es eilig habe, dann gehe ich an die Pommesbude, und schieb mir in aller Hektik einen lieblos gebratenen Schweinehackstengel in den Rachen. Aber Zuhause schmecken die Currywurst und der Hamburger halt doch am besten.

Ritteressen

Ein ehemaliger Chef in meiner alten Firma wollte zu seinem 60. Geburtstag eine große Feier ausrichten, und hatte dazu eingeladen. Eines Morgens öffnete ich mein Mailprogramm, und im Posteingang sah ich in der Betreffzeile bereits was er sich hatte einfallen lassen. „Einladung zu meinem 60. Geburtstag auf der Burg Hartenhausen zum Ritteressen“. Irgendwie hatte ich da schon eine Vorahnung, was uns alle dort erwarten würde, aber noch bevor ich die Mail nur annähernd öffnen, geschweige denn lesen konnte, rief mein damaliger Arbeitskollege schon: „Geil, endlich so richtig alles in sich hineinstopfen was geht, die Knochen hinter mich werfen, endlos Saufen und Weiber werden sicher auch da sein!“ Ich verdrehte nur noch meine Augen, und zog die Augenbrauen hoch, wusste ich doch was kommen sollte, und erst recht bei ihm. Das war leider auch so ein Kollege, der tagein und tagaus vor sich hinarbeitet, von dem du eigentlich nie etwas hörst, der nie etwas zum Chef oder seinen Kollegen sagt, wenn es aber um eine Feier geht, dann völlig aus sich raus kommt, und im wahrsten Sinne des Wortes die Sau rauslässt. Nun gut, Alkohol hatte er noch nie viel vertragen, und ab einer Promillezahl größer Eins wurde seine Zunge immer leichter, die Hände konnte er nie bei sich behalten, und sein schlechtes Gerede über die Kollegen und Vorgesetzten wurde dann auch immer derber, und ging immer tiefer unter die Gürtellinie. Also konnte ich mir vorstellen was kommen sollte.

 

Später dann am Nachmittag fiel mir die besagte Einladung wieder ein, und vor lauter geschäftlichen Telefonaten hatte ich es versäumt diese bisher zu öffnen und zu lesen, um zu erfahren welches Programm denn eigentlich geplant war. Je mehr ich davon las, umso mehr verging mir eigentlich die Lust. Der Tagesablauf sah vor sich am Parkplatz unten vor der Burg zu treffen, dann eine Wanderung mit anschließender Burgbesichtigung durchzuführen, um dann abschließend im Rittersaal das Festmahl zu sich zu nehmen. Zwischendurch sollte ein Minnesänger mit altertümlichem Gesang die Stimmung aufheitern, ein paar Hofdamen sollten einen Tanz aufführen, und während diesem Spektakel dürften sich alle im Bogenschießen und Lanzenwerfen üben, und wer mochte, dürfte sich dann auch ein paar Minuten in der Folterkammer austoben. Ich wäre eigentlich schon froh gewesen, wenn es dort normale Toiletten geben würde, und wir nicht unsere Notdurft auf einem Plumpsklo verrichten müssten. Ich hatte dann wenige Augenblicke später auch wirklich große Angst davor, dass der Minnesänger sein Gedudel direkt an meinem Tisch abhalten würde, und mich eine der Tänzerinnen darum bittet meine Hüften zu dem Geleier zu schwingen. Außerdem bin ich überhaupt kein Freund von Essen mit den Händen, und schon gar nicht wenn das alles aus einem Trog stattfinden würde. Und ich hasse Wandern. Ich hatte wirklich keine Lust dazu, vor dem Essen erst noch unendlich viele Kilometer den Berg hinauf zur Burg zu laufen, und dazu das ewige Gerede meiner Kollegen über Wein, Bier und Schnaps ertragen zu müssen. Wobei das ja meist erst eklig und unerträglich wird, wenn der Promillepegel in Richtung einer Zwei ansteigt.

 

Der Tag kam dann auch leider schneller als gedacht, und wir standen unten am Fuße der Burg auf dem Parkplatz. Zu meinem großen Erschrecken musste ich feststellen, dass sich mein damaliger Chef und einige Kollegen in ritterlicher Bekleidung präsentierten! Hatte ich das in der Einladung überlesen, hatte ich es einfach nur vergessen, oder hatte ich Halluzinationen? Keines dieser drei Dinge traf zu. Weder stand es in der Einladung, ich hatte es nicht vergessen, und ich war auch nicht verwirrt. Die hatten doch tatsächlich Klamotten an, so wie man sie in der Ritterzeit früher trug. Ich musste schon aufpassen, dass ich nicht zu sehr anfing zu grinsen, und mir dabei nicht auch noch in die Hosen machte. Wegen meinen Kollegen war mir das egal, aber mein Chef hätte es mir sicherlich übel genommen, und das wahrscheinlich in die nächste Gehaltsrunde einfließen lassen. Also drehte ich mich weg, so dass niemand mein breites Grinsen hatte sehen können. Und das war bereits so breit, dass ganz locker eine Scheibe Brot quer in meinen Mund gepasst hätte. Die sahen aber auch einfach lächerlich kacke aus. Ich hatte große Hoffnung, dass ich ganz vorne laufen würde, und ich mir die restlichen Gedanken und Erinnerungen mit Alkohol wegpusten könnte.

 

Bis zur Burg waren es zu Fuß gute zwei Kilometer, leider aber bergauf, und ich befürchtete, dass da auch niemand ein Einsehen hätte, und uns mit dem Wagen oder irgendwie anders mitnehmen würde. Und so liefen wir los wie im Gänsemarsch, und ich reihte mich an zweiter Stelle ein. Glücklicherweise waren alle meine wie zu Faschingszeiten verkleideten Kollegen hinter mir. Somit blieb mir der immer noch bekloppte Anblick erspart. Auch von der etwas moppeligen Kollegin, die ein viel zu kurzes Leinenkleid anhatte, und somit ihre dicken Oberschenkel im Takt des Laufens ständig aneinander klatschten. Ich war ja froh, dass sie überhaupt etwas anhatte, denn als ich mich kurz umdrehte, um zu erkennen wieviel Strecke wir schon hinter uns gebracht hatten, erkannte ich, dass sie gar keinen BH trug. Nun ist das ja mit der Schwerkraft und großen schweren Brüsten so, dass alles nach unten gezogen wird. Außerdem war das Leinenkleid weiß, und durch das warme Wetter, und das Wandern nach oben zur Burg, schwitzte sie auch schon extrem. Und das war der Moment, in dem ich direkt Einblick hatte wo denn das Ende der Brüste war, und wie groß und mächtig doch die Burstwarzen sein mussten. Aber mein Blick musste schon fast bis an ihre Knie gehen, denn die Schwerkraft hatte gute Arbeit verrichtet, und zog wirklich alles komplett nach unten. Ich drehte mich wieder um, hoffte auf ein baldiges Ende dieser Tortur, und freute mich auf ein kühles Bier aus einem Steinkrug, und auf das hoffentlich tolle Essen.

 

Nach einer gefühlt endloser Ewigkeit dann kamen wir am Tor zur Burg an. Mir ging es relativ gut, hatte ich doch Hoffnung auf baldige Abkühlung für meine Kehle, aber einigen sah man die Anstrengung förmlich an. Meine dicke Kollegin kroch fast auf allen Vieren, ein anderer Kollege suchte nur noch Schatten, ein weiterer Kollege sah aus wie geduscht, und sogar mein Chef hatte diverse Stücke seiner bei ihm doch reichlich lächerlich aussehenden Ritterbekleidung abgelegt. Und zu allem Übel sollten wir als kleine Überraschung auch noch Fragen zur Burg beantworten, die uns dann Einlass in die Gemäuer ermöglichen sollten. Ich überlegte kurz was besser war. Das Spielchen mitmachen, in der Hoffnung auf eine schnelle Lösung und kühlem Bier, oder einfach alles falsch machen, in der Hoffnung dann schnell wieder Zuhause zu sein?

 

Ich hatte aber doch großen Durst, und bis nach Hause war es weit, hätte ich doch erst den kompletten Weg wieder zurück zum Auto erneut zu Fuß bewältigen müssen. So entschloss ich mich die Frage zu beantworten, und mir dann erst einmal ein großes Bier zu gönnen. Ich hatte Glück. Meine Frage bezog sich darauf, wie denn ein bekannter Ritter aus einem bestimmten Jahrhundert hieß? Ich war und bin wahrlich kein großer Kenner der Ritterzeit, aber ich erinnerte mich an diverse Filme aus dem Fernsehen, und nannte die mir als erste einfallenden Antwort: Richard Löwenherz. Und das war der Treffer, der das Boot versenken, vielmehr mir die Tür zur Burg, und somit zum kühlen Bier öffnen sollte. Meine etwas zu sehr beleibte Kollegin hatte da weniger Glück mit der Frage. Sie sollte schätzen wann die Burg, vor der wir standen, denn ungefähr erbaut worden wäre. Sie dürfe sich auch um 100 Jahre vor und zurück verschätzen. Aber ihre Antwort brachte doch alles zum Schmunzeln. „1850?“ kam zögerlich und fragend aus ihren Lippen hervor. „Vor oder nach Christi?“ raunzte ein anderer Kollege lachend, und konnte sich kaum mehr halten. Die eh schon im Gesicht vor Scham errötete Kollegin wusste, dass sie da eben einen Brüller rausgehauen hatte, und versuchte sich in noch peinlicher Weise jeweils um Hundert Jahre dem korrekten Datum anzunähern. Es hatte dann doch acht Versuche und einem gnädigen Fragenden gedauert, bis sie annähernd an dem Jahre 950 nach Christus angekommen war.

 

Aber irgendwann dann waren alle Fragen beantwortet, alle Kollegen in der Burg, und wir durften uns eine gute Stunde umsehen und die Folterkammer inspizieren. Nur zu gerne hätte ich meinen damaligen Chef auf die Streckbank gelegt, ihn in die Eiserne Jungfrau gesteckt, oder diese fiesen Daumenschrauben angelegt. Aber das ganze Zeugs war leider verschlossen hinter Gittern, und nur noch zur Besichtigung dort ausgestellt. Also war die Folterkammer zwar bizarr, aber dann doch ziemlich langweilig. Da ich sowieso auf Toilette musste, verließ ich das Verlies (ein tolles Wortspiel), verirrte mich aber in den vielen Gängen, Winkeln und Ecken, und kam so an der Küche vorbei in denen diverse Köche und Gehilfen mit dem Zubereiten der Speisen beschäftigt waren. Das sollte dann wohl innerhalb der nächsten Stunden unser Mahl werden, und schon der Duft von dem Gebratenen und Gesottenen ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen.

 

Bis ich aus einem Nebenraum der Küche merkwürdige Geräusche vernehmen konnte. Neugierig wie Menschen so nun einmal sind, und ich übrigens auch, versuchte ich etwas über das Treiben aus dem Nebenraum erkennen zu können. Und ich erkannte ein Treiben. Eine junge Küchengehilfin trieb es doch tatsächlich mit einem der Köche. Direkt ein Raum weiter hatten die beiden sich die Hosen heruntergezogen, und fummelten an sich herum, vielmehr wurden da diverse Flüssigkeiten ausgetauscht. Es ist ja eigentlich gar nicht so schlimm, wenn man jemanden anderes beim Sex erwischt, erst recht nicht wenn man ein Mann ist, und der weibliche Part dieses Aktes auch noch hübsch ist. Da schaut man eigentlich gerne zu, aber leider musste ich erkennen, wo genau die beiden ihrer Lust freien Lauf ließen. Nämlich mitten in unseren noch im Rohzustand befindlichen Haxen und Hähnchen. Die lagen dort alle ausgepackt, und noch nicht zubereitet auf genau dem Tisch, auf dem sich auch das Pärchen gemütlich gemacht hatte, und beide waren mittlerweile genauso ausgepackt, wie das Fleisch und das Geflügel. Eigentlich war es wirklich nicht schlimm den beiden zuzusehen, aber irgendwie hatte ich plötzlich keinen Hunger mehr als ich merkte, dass beide zum Ende kamen und sich allem entledigten was der Körper in solch einer Situation hergibt. Wo das alles gelandet war, konnte und wollte ich mir gar nicht vorstellen.

 

Ich vergaß sogar, dass ich eigentlich auf Toilette musste, und ging zurück in den Restaurantbereich. Dort wo wir dann hätten essen sollen, vielmehr dort wo die anderen nun würden essen. Ich ging schnurstracks in Richtung Tresen und bestellte mir ein Herrengedeck. Ein Bier und einen Schnaps, und das ganze gleich doppelt, da ich vermutete, dass ein Gedeck für den Anfang nicht reichen würde. Der Schnaps war stark, und eigentlich absolut eklig, aber nichts konnte in diesem Moment ekliger sein, als der Anblick der Körpersäfte der beiden von eben aus dem Nebenraum auf dem leckeren Essen, das wir hätten zu uns nehmen sollen. Ich erinnerte mich daran, dass ein paar Bier wie ein paar Scheiben Brot satt machen würden, und bestellte mir direkt die nächste Runde. Mittlerweile war dann auch mehr als eine Stunde vergangen, und es hatten sich alle meine damaligen Kollegen im Speisesaal versammelt. Nicht in dem Wissen, was noch vor kurzer Zeit mit und auf den Speisen passiert war. Als dann das Menü auf den Tisch gestellt wurde fielen natürlich alle über das Zeugs her als gäbe es keinen Morgen mehr. Da wurde sichtlich gefressen, so wie es nun einmal bei einem Ritteressen der Fall ist. Alles wurde mit den Händen angefasst, es wurde Wein dazu getrunken, vielmehr gesoffen, und die Knochenreste wurden tatsächlich einfach auf den Boden hinter sich geworfen. Es wurde wild gerülpst, gefurzt und sich die Hände an allem abgewischt was greifbar war. Ich stand immer noch am Tresen, gluckerte am nächsten Bierkrug, und sah dem Treiben zu. Immer in dem Wissen, dass das Ganze mit diversen Körpersäften gewürzt war. Und ich wollte gar nicht wissen, mit was noch allem.

 

Die anderen bemerkten gar nicht, dass ich am Tisch fehlte, und so nutzte ich die Gelegenheit mir beim Italiener unten aus dem Kaff eine Pizza liefern zu lassen. Typisch Ritteressen halt, etwas eingedeutscht, bzw. einitalienert. Aber mittlerweile war mir das egal, denn ich wollte sowieso nicht mit der Dicken aus der Buchhaltung aus einer Schüssel essen, von Rotwein war ich auch nicht der Freund, und das Fleisch, das Gemüse und die Kartoffeln lagen bereits nach wenigen Minuten sowieso schon verstreut auf dem gesamten Tisch. Nachdem ich mir die Pizza schmecken ließ, und ich wieder zurück im Speisesaal war, kam die ritterliche Tanztruppe hinter einem Vorhang hervor, und der angekündigte Minnesänger fing an auf seiner Klampfe irgendwelche Laute von sich zu geben. Dazu schmetterte er altes Liedgut. Leider aber so schief, dass sogar die Blumen auf dem Tisch zu verwelken drohten. Der untalentierteste Teilnehmer aus irgendeiner Castingshow wäre besser gewesen, aber was sollten wir machen? Ich versuchte das Gejaule zu verdrängen, und der zumindest vom Anblick her schönen Tanztruppe meine Aufmerksamkeit zu widmen.

 

Mittlerweile war das Essen in den Mägen meiner Kolleginnen und Kollegen angekommen, alle hatten reichlich Bier, Wein und Schnaps intus, als mein damaliger Chef dann auf die Idee kam, das Tanzbein zu schwingen. Nun ist das mit dem Tanzen schon in normalen Zustand nicht immer ganz einfach, mit vollem Magen und einer Promillezahl jenseits der Zwei, ist das dann noch schwieriger. Und so war das dann auch an diesem Abend mit meinem Chef. Er dachte, er könne in diesem Zustand, und auch schon mit seinen mittlerweile 60 Lenzen, noch einmal den Rock and Roller aus sich herausholen. Was ja auch so super gut zu der Ritterszeit, dem Minnesänger und der Tanztruppe gepasst hatte. Aber das war ihm egal, und er schnappte sich, wie sollte es auch anders sein, meine damalige korpulente Kollegin, die vor wenigen Stunden draußen noch Probleme mit dem Erraten des Baujahres des alten Gemäuers hatte. Das war dann auch reichlich lustig mit anzusehen, wie sich ein betrunkener Chef, und eine seiner weiblichen Angestellten vor der Belegschaft lächerlich machten. Diverse Fotos und Handyvideos kursieren meines Wissens heute noch zwischen den ehemaligen Kollegen hin und her. Und das obwohl der Chef schon damals Höchstpreise dafür gezahlt hätte. Aber wer den Schaden hat, braucht ja bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen.

 

So war das dann auch die letzte Feier die mein damaliger Chef jemals gegeben hatte. Wenige Zeit später ging er sowieso in Frührente. An diesem Abend aber war er nun einmal das Gelächter aller Anwesenden, und wenn man so wie ich damals das Ganze von der Außenlinie beobachten kann, ist das doppelt amüsant. Irgendwann dann zu später Stunde, es war bereits nach Zwei, ließ sich mein Chef ein Taxi kommen, welches ihn nach Hause bringen sollte. Er hatte zwar diverse Anläufe benötigt die Stufen nach draußen zu benutzen, die Hälfte seiner Klamotten lag noch im Speisesaal, und sicherlich hatte er diverse Mal den Weg von der Burg zum Taxi mit seinem Mageninnerem gekennzeichnet, aber irgendwann dann hatte der Taxifahrer ihn mit Engelsgeduld auf dem Beifahrersitz deponiert. Aber dem war das sicher egal, der Taxometer lief ja seit Ankunft, und immerhin waren gut und gerne zwanzig Minuten vergangen, bis das Taxi vom Hof fuhr.

 

Da ich noch reichlich nüchtern war, und auch noch Hunger besaß, machte ich mich auf den Weg an die restlichen Speisen die nachträglich zu später Stunde erst hineingetragen wurden, aber aus Gründen des satten Gefühls und einer zu hohen Alkoholdosis im Blut niemand mehr anfassen mochte. Einfach herrlich wie auf einmal Braten, Geflügel und Klöße schmecken können, trotz dass sie nur noch lauwarm bzw. fast kalt waren. Essen ohne das Geschwätz der Kollegen, ohne in die dummen Gesichter schauen zu müssen, und ohne dem Chef eine gute Miene machen zu müssen, wenn er zum wiederholten Male fragt ob denn alles Ok sei auf der Arbeit, und mit den laufenden Projekten. Ich genoss diese Ruhe. Es waren zwar noch ein paar meiner Kollegen anwesend, aber der eine schlief bereits auf dem Stuhl, ein anderer war dauernd aus guten Gründen auf der Toilette verschwunden, und die Kollegin aus der Buchhaltung und der langjährige Kollege aus der Poststelle, fingen an sich im Rausch zu befummeln. Die hatten für alles andere gar keine Augen mehr. Mir war das egal. Ich aß auf, trank meinen Krug leer, und machte mich auf den Weg nach Hause.

 

Meine Frau wartete damals unten auf dem Parkplatz an meinem Auto. Nur der Weg von der Burg oben hinunter zum Parkplatz war ziemlich langweilig. Schließlich war ich alleine, aber ich musste wenigstens nicht wie beim Hinauflaufen am Nachmittag meiner dicken Kollegin auf den elefantösen Hintern, oder die übergroßen und hängenden Brüste schauen. Und da war ich ziemlich froh drum gewesen. Zu dem Ritteressen fiel mir nur noch ein: „Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?“

Grillen macht Spaß

Sommer, Sonne, 30 Grad im Schatten, ein schönes kühles Bier in der Hand, und mitten auf der Wiese im Garten hinter dem Haus steht der Grill in dem die Kohle langsam aber stetig vor sich hin wabert, um dann irgendwann die richtige Temperatur für all das Fleisch, welches man gekauft hat, zu erreichen. Und genau das ist dann der Augenblick, sich das erste kühle Bier zu gönnen, und mit einem langen und kräftigen Schluck den goldenen Saft die Kehle herunter laufen zu lassen. Wenige Minuten später dann liegt das Fleisch auf dem Grillrost, und brutzelt vor sich hin. Die Flammen schlagen teilweise hoch, verbrennen das Fett, es qualmt und riecht, und das nächste Bier wartet bereits im Kühlschrank darauf geöffnet zu werden. Der Nachbar schaut neugierig über den Zaun, und der Oma von nebenan ist das alles zu laut und viel zu viel Qualm. Mir ist das aber egal. Mein Nachbar soll rüberkommen wenn er möchte, und die Oma regt sich sowieso über Jeden und Alles auf.

 

Aber so wie eben beschrieben, das ist Grillen. Gemütlich und Entspannend. Nur das Aufräumen hinterher ist der unbequeme Teil daran. Die Teller und die Essensreste sind ja eigentlich recht schnell entsorgt, die leeren Flaschen wieder schnell im Kasten einsortiert, und auch der Hund freut sich über den einen oder anderen Knochen. Aber trotzdem ist es nervig. Im Nachbardorf hatte eine Familie das Aufräumen auf ganz andere Art erledigt. Leider eine sehr unangenehme Art. Es blieb nämlich am nächsten Tag nichts von allem übrig. Weder vom Grill, auch nicht vom Garten, und auch nichts mehr vom Haus. Angefangen hatte alles mit einer normalen Grillfeier. Es gab Würstchen, Steaks, Salate und diverse Getränke. Eben was es so auf einer Grillfeier nun einmal gibt. Das dumme war nur, dass der Grill schon ziemlich altertümlich war, und auch das Blech schon arg verrostet, und dass das Ganze auf einer Terrasse stattgefunden hatte, die komplett mit Holz verkleidet war. Sogar der Boden war aus Holzdielen gebaut, und zusätzlich war es ein langer und heißer Sommer gewesen, das Holz also demnach sehr trocken.

 

Als die Grillfeier dann in der Nacht zu Ende ging, und sich alle ins Bett verabschiedet hatten, glimmte die Holzkohle im Grill weiter. Wirklich blöd nur, dass ausgerechnet in dieser Nacht der Blechboden aus Rostgründen nachgab, die noch enorm heiße Kohle komplett auf das Holz fiel, und diese dann innerhalb weniger Minuten zuerst den Terrassenboden in Brand steckte. Leider merkte das anfänglich niemand, so dass sehr schnell die hintere Haushälfte vollständig in Flammen stand. Glück im Unglück hatte die Familie aber, dass der Hund anfing laut zu bellen, und somit wohl Lebensretter für alle war, die in dieser Nacht in dem Haus schliefen. Das wichtigste war aber, dass alle heil aus dem Haus gekommen waren, der Brand war aber auch für die Feuerwehr nicht mehr zu löschen. Da das Haus noch sehr viel mit Holzteilen verkleidet war, brannte das Ganze bald lichterloh wie ein Christbaum. So wurde aus einer Grillfeier leider ein riesiges Flammenmeer. Das komplette Haus war bis auf die Grundmauern zerstört. Alles war verbrannt. Übrig blieben nur ein Schutthaufen und viel Asche. Ein paar Tage später wurde dann noch der Grillrost gefunden, darauf eine eingebrannte alte Bratwurst, die einem Stück Holzkohle ähnelte. Hinterher muss man wirklich sagen, wieso man überhaupt auf einer Terrasse, die mit viel Holz verkleidet war, anfängt mit einem Kohlegrill zu hantieren? Da kann ich auch gleich mein Smartphone in den Fluss werfen, und ich weiß hinterher ganz genau, dass es nicht mehr funktionieren wird. Dazu war der Grill ein uraltes und billiges Teil aus Blech gewesen. Irgend so ein Import aus Fernost, mit Blechteilen so dick wie Aluminiumfolie. Leider zahlte auch die Versicherung bisher den Schaden nicht, da man wirklich niemanden gegen Dummheit oder Blödheit versichern kann.

 

Wobei das, was ich mal in einer Zeitung las, war auch wirklich der Knaller. Hatte doch ein Mieter einer Wohnung große Lust auf Grillen, war aber weder in Besitz eines Gartens, noch einer Terrasse, oder eines Balkons gewesen. Und so entschloss er sich in der Wohnung den Grill anzuzünden. Wohl gemerkt, einen Holzkohlegrill. Wenn das wenigstens ein Elektrogrill gewesen wäre, hätte ich das ja noch verstanden. Aber der Kerl zündete tatsächlich einen Holzkohlegrill an. Und das mitten im Wohnzimmer. Auf dem Teppich. In der eigenen Bude. Die Kinder hatten sich zumindest solange gefreut, bis die kompletten Räume voll mit Qualm und Rauch waren. Seine Frau hatte ihm von Anfang an den Vogel gezeigt. Hustend, und mit einer leichten Rauchvergiftung, konnten sich alle retten. Aber richtig gequalmt hatte das Ganze erst, als der Grillmeister die Glut mit seiner Flasche Bier zu löschen versuchte. Was aus einer wasserähnlichen Flüssigkeit wird, die auf etwas Glühendes geschüttet wird, ist wohl jedem klar: Dampf. Eine Menge an Dampf. Und so sah die Wohnung aus wie eine Räucherkammer, die direkt neben einer finnischen Dampfsauna gelegen war, und sich beide im Hochbetrieb befanden. Glücklicherweise kam auch hier niemand ernsthaft zu schaden, außer, dass die gesamte Bude renoviert werden musste, und diverse Möbel heute noch immer nach dem Rauch stinken.

 

Aber auch draußen macht das Grillen nicht immer Sinn. Zumindest wenn es kein Sommer ist, oder zumindest nicht die Temperaturen vorherrschen die eigentlich sein sollten. Und so kam ein alter Freund von mir auf die Idee ein Wintergrillen zu veranstalten. Dagegen wäre ja nichts auszusetzen gewesen, wenn es nicht minus fünfzehn Grad gewesen wäre, und es dazu auch noch geschneit hätte. Außerdem war alles vereist, und es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis der Grill die korrekte Temperatur erreicht hatte, um die eingefrorenen Würstchen halbwegs braun und durch zu bekommen. Lustig war übrigens die Kleidung die alle anhatten. Mütze, Schal und Handschuhe. Warme Stiefel waren ebenso zu sehen, wie teilweise Ohrenschützer, und einer hatte sogar einen Taschenwärmer dabei. Also ähnelte das Ganze eher einer Eiswanderung, als einem Grillen so wie man es kennt. Aber trotzdem ließen es sich die Jungs nicht nehmen ein „kühles“ Bier dazu zu trinken. „Bier gehöre nun mal zum Grillen dazu“, so war der Tenor.

 

Als aber dann einer der Eisgriller sich etwas Ketchup aus der Flasche auf die Wurst gießen wollte, kam nichts aus der Flasche. Kein einziger Tropfen des roten Saftes floss aus der Öffnung. Kein Wunder, war der gesamte Inhalt doch zu einem einzigen großen Klumpen zusammen gefroren. Tomate on Ice. Man hätte maximal den Ketchup lutschen können, was aber wiederum wohl ziemlich ekelhaft schmeckt. Aber trotz aller Widrigkeiten, der Kälte, und auch dem Umstand, dass diverse Nachbarn nur noch mit dem Kopf schüttelten, ließ sich die Gruppe um meinen Freund keineswegs abhalten, und zog das mit dem Grillen durch. Da sie einen Kugelgrill benutzt hatten, ließen sie die Kohle leicht ausbrennen, und legten abends immer wieder die eine oder andere Holzscheite nach. Alle Mann versammelten sich dann am späten Abend mit einer letzten Flasche Bier um den Grill, und ließen sich vom Feuer, und vielleicht auch schon ein wenig von dem vielen Alkohol im Blut, wärmen. Das Ganze wurde in der Nacht nur noch davon getoppt, als es anfing zu schneien, und als genügend Schnee gefallen war, ein Schneemann direkt neben dem Kugelgrill gebaut wurde. Damit das aufgenommene Foto auch lustig war, drückte man dem Schneemann in die linke Hand die Ketchupflasche, in die rechte Hand eine übriggebliebene Bratwurst, und um den Hals und den Oberkörper legte man die Grillschürze. Das Foto wurde direkt in die sozialen Netzwerke hochgeladen, und belustigte die Internetmassen. Ein grillender Schneemann war geboren.

 

Andere wiederum kommen gar nicht dazu, das gekaufte Fleisch überhaupt nur annähernd auf den Grillrost legen zu können. Denn schon beim Anzünden der Kohle werden direkt erste Fehler gemacht. Ja sogar lebensgefährlich hantiert, wenn direkt irgendwelche explosiven oder leicht entzündlichen Flüssigkeiten dazu verwendet werden, den Glühvorgang der Kohle zu beschleunigen. Das geht dann auch mal richtig in die Hose. So wie bei dem Kerl aus einem Nachbarort von mir. Der hatte sich irgendwelchen Billigspiritus aus der Sonderangebotswoche aus dem Baumarkt besorgt. Sowas hätte man eigentlich zum Abbeizen alter Farbe auf einer Holztür verwenden können, aber nicht um die Kohle schneller zum Glühen zu bringen. Ihm ging das mal wieder alles viel zu langsam. Der Hunger nagte bereits, das Fußballspiel sollte bald anfangen, und die Kinder wollten endlich ihre Wurst essen. Und so kam es dann, dass er nach der Spiritusflasche griff, und mit einem großen und kräftigen Strahl direkt aus der Flasche dem Grill ein wenig Feuer unter dem Hintern machen wollte. Leider ging das richtig daneben. Mit einer großen Verpuffung flog im sprichwörtlich alles um die Ohren. Die Flasche, der Grill, und die Würstchen schossen durch die Luft. Seine Kleidung rabenschwarz und angekohlt, stand der Grillprofi dann da, und wusste erst gar nicht was geschehen war. Alle Haare versengt, und der Rasen um den Grill herum völlig hinüber, blieb ihm der Schutzengel treu. Außer den besagten schmutzigen Klamotten, schwarzem Ruß im Gesicht, und keinen gut aussehenden Würstchen mehr, war glücklicherweise nichts passiert. Das hätte auch ganz anders ausgehen können.

 

Aber heutzutage wird ja alles Mögliche verwendet um schneller an seine fertig gebratenen Würstchen zu gelangen. Da wird alles auf die Kohle geschüttet was irgendwie nur annähernd dazu geeignet ist, den Brennvorgang zu beschleunigen. Von Benzin, über Terpentin bis hin zu Öl, und sogar Schnaps wurde schon verwendet. Das hatte mal ein Kumpel von mir ausprobiert. Er wollte mit ein paar anderen Freunden Grillen, und dazu ein paar Drinks in alkoholischer Form genießen. Jeder hatte diverse Getränke und Spirituosen dabei, wobei einer der Freunde in einem Discounter zu einem Billigfusel gegriffen hatte, und diesen stolz präsentierte. Ich würde sowas nur als Reiniger für Pinsel benutzen um die alte Farbe aus den Borsten zu waschen. Er aber wollte das Zeugs trinken. Ich denke, zwei oder vielleicht drei Schluck zu viel davon, und man wäre sicherlich erblindet.

 

So kam es dann, dass die Kohle einfach nicht anfing zu glühen, und sich das Essen immer weiter nach hinten verzögerte. Bis einer der Freunde doch auf die Idee kam, den Billigfusel als Brandbeschleuniger zu verwenden. Das gelang auch ganz gut. Nach einer kleinen Geschmacksprobe, ob das Zeugs nicht doch genießbar sei, entschied man sich dafür ein paar Schluck über die Kohle zu gießen, und das Ganze erneut zu entfachen. Glücklicherweise waren die Jungs nicht so dumm gewesen, den Schnaps über die halbwegs glühende Kohle zu schütten, sondern nur über den Teil der sowieso aus war. Aus der Ferne dann schmissen sie brennende Streichhölzer in den Grill, und nach wenigen Versuchen brannte das gute Stück mit einer Stichflamme los. Die Kohle glühte, die Würstchen waren innerhalb weniger Minuten gegrillt, lediglich merkte der ein oder andere Freund an, dass die Würstchen einen merkwürdigen Nachgeschmack nach Schnaps gehabt hätten. Ob das wohl an dem Billigfusel gelegen haben mag? Aber irgendwann wurden alle satt, und das nicht nur der Würstchen wegen. Die anderen Schnapsflaschen hatten ihr übriges getan, und jeder ging dann in der Nacht mit einer Promillezahl größer Eins nach Hause. Aber sie hatten gegrillt, und den Billigfusel musste auch keiner trinken.

 

Besonderheiten beim Grillen gibt es ja immer mehr, und wer heute nur noch Steaks und Würstchen auf den Grill wirft, ist eigentlich out. Prinzipiell kann man alles auf den Grillrost legen, was die Küche hergibt. Ob das nun Fisch ist, im Ganzen oder auch nur das Filet, Gemüse, jede Art von Fleisch, und auch Kartoffeln und Zwiebeln in Aluminiumfolie eingepackt. Alles ist da möglich. Aber es gibt noch weitaus mehr, und so machte ich große Augen, als ich eines Tages auf einer Grillfeier doch merkwürdiges entdeckte, was der Hausherr da alles auf den Rost gelegt hatte. Zuerst war ich erstaunt, dass er drei Holzkohlegrills aufgebaut hatte, in denen alle bereits die Kohle nur darauf wartete, das Essen auf den Garpunkt bringen zu können. Auf den ersten Grill legte er Fisch und Meeresfrüchte als Vorspeise. Auf den zweiten Grill dann kamen Steaks, Würstchen und Geflügel. Bis hierhin war das für mich alles relativ normal, und es sah so aus, als ob der dritte Grill nur als Ersatz da sein sollte. Denn hier legte der Grillmeister erst einmal nichts auf, sondern versuchte immer nur die Kohle am Glühen zu halten. Als alle dann die Vor- und die Hauptspeise verzehrt hatten, sich also dem gemütlichen Teil der Feier zuwenden wollten, lief der Kerl vor dem Grill zur Höchstform auf. Er ging zum Kühlschrank, und holte eine Plastikbox heraus, die er mit einem leichten Grinsen zum dritten und noch einzig heißem Grill transportierte.

 

Nun gut, ein Grillmeister, der eine Box aus dem Kühlschrank zum Grill trug, war wirklich nichts spezielles. Ich dachte zuerst er würde noch irgendein exotisches Fleisch auflegen, vielleicht ein besonderes Gemüse, oder irgendwelche Fischhäppchen. Aber das war weit gefehlt. Zum Vorschein kamen Schokoladenriegel. In der Box waren doch tatsächlich kalte Schokoladenriegel. Ich dachte aber immer noch nicht daran, dass er die auf den Grill werfen wollte. Wie sollte das funktionieren? Hitze und Schokolade waren doch wirklich zwei Dinge, die man tunlichst nicht zusammen bringen sollte. Aber wie aus dem Nichts stellte er einen kleinen Topf auf den Grill, schüttete Öl hinein, und wartete bis der Inhalt heiß geworden war. Als es dann soweit war, und das Öl die richtige Temperatur erreicht hatte, legte er die noch zuvor in einem Backteig ummantelten Schokoladenriegel eben in diesen Topf und frittierte sie. Er frittierte demnach Schokoladenriegel in einem Öltopf auf einem Holzkohlegrill. Das war sensationell, die absolute Bereicherung und Aufheiterung bei allen Gästen an diesem Abend. Ich hatte das bisher nicht gesehen, und wohl kein anderer der an diesem Abend anwesend war auch.

 

Aber der gute Mann, der eben noch die Schokoriegel frittiert hatte, setzte noch einen drauf. Ich hätte mir das im Traum nicht einfallen lassen können, dass man diese Aktion noch hätte toppen können. Aber er toppte sie. Wieder ging er zum Kühlschrank, griff aber dieses Mal in das Eisfach, und holte eine große Schale voll mit Vanilleeis hervor. Damit, und mit einem Eislöffel, ging er nun zum Grill, tunkte eine Kugel, die er zuvor mit dem Eislöffel aus dem Behälter kratzte, in einen Backteig, und legte diese wie zuvor den Schokoriegel in das siedende Öl. Der Kerl warf also nicht nur Schokoriegel in das heiße Öl, nein er machte dasselbe auch noch mit Vanilleeis. Auch hier waren aller Augen groß. Frittiertes Eis im Teig, und das auf einem Holzkohlegrill. Das war noch sensationeller als die Schokoriegel. Und beides schmeckte absolut gigantisch. Der Schokoriegel war außen heiß und knusprig frittiert, und als ich hineinbiss, bemerkte ich das weich gewordene Innere, das schmackhaft süß und weich auf der Zunge zerfloss. Das Eis war ebenso außen heiß und kross frittiert, und als ich es mit einem kleinen Löffel anstach, floss ein wenig flüssig gewordenes Vanilleeis aus dem Teig, jedoch der Kern des Eises war weiterhin kalt wie Eis es nun einmal sein muss. Die Kombination von heißem, kaltem, krossem Teig und süßem Inneren war schier unglaublich. Ich glaube beim nächsten Mal wenn ich Zuhause grillen werde, kommen erst einmal Schokoriegel und Eis auf den Grill. Meine Frau und mein Sohn werden sicherlich staunen.

 

Das Blöde am Grillen ist aber nicht die Vorbereitung, es ist auch nicht das Problem jeden Gast zu begrüßen, oder die alten Kalauer zu ertragen, die diverse Freunde und Nachbarn schon zum 100. Male erzählen. Und auch wenn das Bier zur Neige geht, ist das meist erträglich, wenn man auf Spirituosen ausweichen kann. Vielmehr das Saubermachen und das Putzen des Grills ist das Problem. Alte und verbrauchte Kohle die staubig ist und stinkt wie ein alter vollgestopfter Müllsack, ein von Ruß und altem angebranntem Fett verkrustetes Grillrost, und diverse Essensreste lassen einen tollen Grillabend dann doch wieder anstrengend enden. Die Kohle ist ja meist schnell in der Mülltonne entsorgt, und die Essensreste genauso. Problematisch wird das alles aber beim Grillrost. Ich habe dazu meist an dem Abend der Grillfete keine Lust, und lasse den Grillrost entweder auf dem Grill, oder daneben stehen. Das dauert dann auch schon mal zwei bis drei Tage, bis ich mich dazu überwinden kann den Grillrost zu reinigen. Ich habe da aber meine Tricks wie ich mühelos das alles sauber bekomme. Mein Nachbar ist da weniger geschickt. Der hat wirklich schon mit jedem erdenklichen Werkzeug an seinem Grillrost Hand angelegt. Er hat es schon mit einer Drahtbürste, einer Feile, einer Spachtel und diversen Schraubendreher probiert. Leider bisher immer nur mit mäßigem Erfolg. Ja er hat sogar schon eine Flex herausgeholt, und mit der groben Scheibe versucht die eingebrannten Reste zu entfernen. Das ging dann soweit, dass er teilweise viel zu fest auf das Rost gedrückt hatte, und die einzelnen Drähte komplett weggehobelt hatte. Ok, der Dreck war weg, das Grillrost aber leider auch.

 

Ich habe ihm dann meinen Trick verraten. Man benötigt dazu aber ein Stück Rasen, oder Wiese, die dann über Nacht leicht feucht geworden ist. Ich lege den Grillrost dann ein bis zwei Tage draußen auf meinen Rasen, und warte bis die Natur und die Feuchtigkeit den Schmutz aufgeweicht hat. Nach zwei Tagen nehme ich den Grillrost, und lege es in die Spülmaschine. Und wie durch Zauberhand ist das komplette Ding blitzeblank sauber. Und das ohne Arbeit, und ohne Mühen. Ganz einfach wie von alleine. Da mein Nachbar keinen Rasen hat, schmeißt dieser nun seit neuestem seinen Grillrost für zwei Tage auf meinen Rasen. Ich habe damit kein Problem, solange er zur Endreinigung nicht auch noch meine Spülmaschine, und zum Abtrocknen nicht auch noch meine Frau benutzt, sondern seine eigene!

Ich will abnehmen

Früher war ich wesentlich schlanker. Als ich meine Frau damals vor mehr als zwanzig Jahren kennenlernte, wog ich zarte 63 Kilogramm. Nun, viele Jahre später, hat sich mein Gewicht auf gute 95 Kilogramm eingependelt. Das sind dann doch sage und schreibe 32 Kilogramm mehr als damals, die nun auf der Waage verzeichnet werden. Jahrelang habe ich mich überhaupt nicht gewogen, denn ich hatte mich immer wohl gefühlt, und dass man im Alter zunimmt, ist ja auch keine Seltenheit. Nun gut, die Hosengröße wurde im Laufe der Zeit immer höher, und auch bei den Löchern am Gürtel musste ich irgendwann feststellen, dass ich davon vermehrt die Vorderen benutzen musste. Nach einer endlosen Zeit ohne Kenntnisse meines genauen Gewichtes, war ich eines Tages beim Arzt, um mich prophylaktisch untersuchen zu lassen. Dort musste ich auch angeben wie schwer ich denn nun sei. Zugegeben, ich wusste es gar nicht, und so schickte mich mein Hausarzt auf die Waage.

 

Ehrlich gesagt rechnete ich so mit einem Gewicht um die 80 Kilogramm herum. Vielmehr konnte das nicht sein, denn ich hatte mich nie schlecht gefühlt, hatte meines Erachtens noch genügend Ausdauer, und auch waren mein Blutdruck, oder sonstige Werte, die auf eine Verfettung hingedeutet hätten, allesamt in Ordnung. Ich zog also die Schuhe aus, und stieg ohne schlechtes Gewissen auf die Waage. Ärzte haben keine elektronische Waage mit einer digitalen Anzeige. Ärzte benutzen noch analoge Waagen mit alter, aber doch sehr zuverlässiger Technik. Man bekommt sein Gewicht mittels einer kleinen Drehscheibe angezeigt, bei der ein kleiner Pfeil dann genau auf dem Gewicht stehen bleibt, welches man mit sich herumschleppt. Und so war das natürlich auch bei mir. Schwungvoll drehte sich das Rädchen hin und her, und schlingerte anfänglich weit zwischen 70 und 120 Kilogramm. Ich hatte alle Hoffnung, dass sich mein Gewicht auch tatsächlich bei der Zahl 80 einpendeln würde. Während die Waage noch versuchte mein aktuelles Gewicht auszuloten, blickte ich den Arzt an, und warf ihm sorgenfreie Blicke zu. „Wird schon nicht allzu schlimm werden“, sagte ich in Gedanken zu mir selbst. Vier oder Fünf Kilogramm zu viel werden es sicher werden, aber die würde ich locker herunter bekommen. Ein wenig mehr Obst und Gemüse, und etwas Sport wären sowieso mal wieder gut für mich und meinen Körper.

 

Aus den Vier bzw. Fünf Kilogramm wurde aber nichts. Es wurden dann Stolze 18 Kilogramm daraus. Der Zeiger der Waage blieb nämlich bei stolzen 98 Kilogramm stehen. Ich war demnach auf dem Weg die dreistellige Schallmauer der 100 Kilogrammgrenze zu durchbrechen. Da ich nur 180 cm groß bin, und man daraus ein ungefähres Idealgewicht von ca. 80 Kilogramm ableitet, waren das 18 Kilogramm zu viel auf den Hüften. Meine allererste Anmerkung ging in Richtung Arzt: „Sind Sie sicher, dass die Waage auch geeicht ist?“ Dezent wies mich der Herr Doktor auf den Eichstempel hin, der direkt auf der Vorderseite der Waage aufgebracht war. Und dieser war vom vorigen Monat. Ich versuchte diverse Kilos damit zu begründen, dass ich noch nicht auf Toilette gewesen bin, ich an diesem Morgen viel gefrühstückt, und auch sehr viele Klamotten an meinem Körper hatte. Außerdem trug ich an diesem Tag meine schwere Armbanduhr, und auch hatte ich es nicht geschafft zum Friseur zu gehen. Da würde sicherlich das ein oder andere Gramm zusammen kommen. Schnell aber brachte mich mein Hausarzt wieder in die Spur. Denn auch wenn wir mit allem guten Willen, und viel Aufrunden, maximal zwei Kilogramm abziehen würden, bliebe immer noch ein Übergewicht von stolzen 16 Kilogramm übrig. Jetzt verstand ich auch den Spruch, den mein Sohn mir ab und an entgegen warf. Man würde immer erst meinen Bauch sehen wenn ich in sein Zimmer kommen würde. Und ich dachte er würde scherzen.

 

Mit ernstem Gesicht schaute mich mein Arzt an, und prüfte auch direkt mein Körperfett, mein Bodymaßindex, sowie meine Cholesterinwerte. Aber auch mit allem guten Zureden, und allen Augen die wir beide zudrückten, half es nichts. Ich war einfach zu dick, zu fett oder wie man auch scherzhaft sagt, zu klein für mein Gewicht. Nein, ernsthaft. Ich musste etwas tun, und dieser Tag sollte der Anfang sein an dem ich mir und meinem Arzt versprach, ab sofort gegen mein überhöhtes Körpergewicht anzugehen. Das allererste das mir einfiel war mein Essen umzustellen, und anfänglich ein wenig mehr Sport zu betreiben. So etwas wie Schwimmen, Radfahren oder Joggen. Das sollte doch für den Anfang genügen, soll man es ja auch nicht gleich übertreiben. Sofort als ich nach Hause kam, überprüfte ich meinen Kühl- und Vorratsschrank. Ich wollte aussortieren, fiel mir aber doch in derselben Sekunde ein, dass meine Frau und auch mein Sohn wohl damit nicht einverstanden gewesen wären. Irgendwie musste ich es aber schaffen an dem Schokoladenbrotaufstrich, der fettigen Hausmacherwurst, und den Süßigkeiten vorbeizukommen. Aber mein Arzt sagte mir auch, dass ich das alles Essen dürfte. Und zwar in Maßen, und nicht in Massen. Ich solle lieber abends die Kohlenhydrate wie Nudeln, Reis, Brot und Kartoffeln weglassen, und dafür lieber einen Salat mit Geflügelfleisch essen. Salat? Abends? Und was sollte ich bitte schön danach essen?

 

Aber direkt an diesem Abend saß ich mit Frau und Sohn beim Abendbrot. Meine Frau hatte da die wenigsten Probleme damit, und aß dasselbe, was ich auf dem Teller hatte. Gemischten Salat, etwas Essig und Öl, sowie ein paar ohne Fett gebratene Putenbruststreifen. Mein Sohn schaute mich da schon ein wenig komischer an, und biss in seine Brotscheibe, die mit leckerer Blutwurst belegt war. Ich war schon in Versuchung mir eine schöne Butterstulle mit Leberwurst zu gönnen, aber zumindest an diesem Abend blieb ich standhaft. Aber ernsthaft, wer schafft es denn jeden Abend, oder jeden Tag, Salat zu essen? Da mutiert man doch zu einem Karnickel. Die nächsten Tage war das eine ganz schöne Umstellung. Ich mag nun Mal Reis, Nudeln, Klöße und Kartoffeln. Und auf all das sollte ich nun verzichten? Zumindest abends? Tagsüber war ich ja auf der Arbeit, und da gab es für mich solche Sachen nicht. Wir hatten auf der Arbeit keine Kantine, und jedes Mal in die Stadt fahren war doch ziemlich aufwendig.

 

So blieb das unter der Woche hart für mich. Schnell frühstücken, mittags in der Pause etwas halbwegs Vernünftiges in mich hineinstopfen, um dann am Abend wieder beim Salat zu landen. Heutzutage gibt es ja die verschiedensten Sorten von Salaten. Aber man hat das doch schnell satt, und den Magen füllt es auch nur mäßig. Zumindest bei mir war das so. Hinzu kam ja noch der Alkoholkonsum. Das sollte ich tunlichst einschränken, oder wenn möglich sogar komplett damit aufhören. Nicht, dass ich eine Unmenge davon trinken würde, aber ab und an ein Schöppchen gönnte ich mir doch. Fußball ohne Bier? Geburtstag ohne Sekt? Fasching ohne Schnaps, und ein heißer Sommer ohne Apfelwein? Na das konnte ja heiter werden. Und zu allem Übel war auch keine Schokolade mehr drin. Aber was darf man denn außer Salat und Obst denn überhaupt essen? Müsli? Knäckebrot? Fisch und Geflügel? Keine Ahnung, aber ich war erst einmal eisern, und versuchte mich an die Order meines Arztes zu halten.

 

Aber die Essensumstellung war ja nicht das alleinige Heilmittel um meine lästigen Pfunde loszuwerden. Ich musste mit Sport anfangen. Als ich noch jung war, da war das kein Problem. Aber jetzt mit über 40? Ich entschied mich zu allererst für das Joggen. Laufen war doch früher immer schon meine Stärke gewesen, und Ausdauer hatte ich auch schon immer eine sehr gute gehabt. Damit das alles wenigstens ein bisschen Professioneller ablaufen sollte, besorgte ich mir aus einem Sportladen in der Stadt neue Laufschuhe, und atmungsaktive Sportkleidung. Ich wollte nicht gleich am ersten Tag mit Fußschmerzen dastehen, und schwitzen wie ein Bauarbeiter. Zwei Tage später stand ich Ablaufbereit im Hof. Ich schnürte den letzten Schnürsenkel zu, stöpselte mir die Kopfhörer meines MP3-Players in die Ohren, und trank einen letzten kleinen Schluck Wasser. Zumindest sah es halbwegs gut aus, und ich konnte mir nicht vorwerfen unvorbereitet gewesen zu sein. Dachte ich zumindest.

 

Wenige Sekunden später lief ich los. Und erstaunlicherweise ging das die ersten paar hundert Meter auch richtig gut. Als hätte ich nie etwas anderes gemacht, verschlang ich Meter um Meter, und der Asphalt schmolz förmlich unter meinen Sohlen weg. Aber wie das nun einmal so ist, übernimmt man sich bei so etwas sehr gerne, und so war das dann auch bei mir. Den ersten Kilometer noch relativ gut hinter mich gebracht, fing ich kaum den Zweiten angefangen arg nach Luft zu ringen an. Ich bekam Seitenstechen, einen Hustenanfall, trotz dass ich kein Raucher war, und meine Knie brannten wie Feuer. Der Schweiß rann mir alle Ritzen herunter, und meine Füße schalteten direkt auf Taubheit um. Ich röchelte und schnaufte wie eine alte Dampflok.

 

Bereits nach eineinhalb Kilometer kam ich zum austrudeln, und blieb kurze Zeit später mit den Armen in den Hüften verschränkt stehen. Da hatte ich die ersten Meter wohl viel zu schnell losgelegt. Ich musste mir eingestehen, dass ich doch keine Zwanzig mehr war, gute 18 Kilogramm zu viel Hüftspeck mit mir herumschleppen musste, und ich wohl doch viel zu unvorbereitet war. Ich hatte keinen Trainingsplan ausgearbeitet, ich hatte immer noch zu wenig getrunken, und auf Asphalt laufen ist nun einmal für alte Knochen, die völlig untrainiert sind, wohl auch nicht das Beste. Zu allem Übel bekam ich auch noch das berühmte Seitenstechen, und das von der schlimmeren Sorte. Ich lief erst einmal im Spazierschritt weiter, und versuchte aber mir nicht anmerken zu lassen, dass ich völlig am Ende war. „Am Arsch“, wie man auf neudeutsch sagt. Es ging nichts mehr. Mein Kopf drohte zu platzen, mein Seitenstechen kehrte mein Inneres nach außen, und die Schweißflecke unter meinen Achseln, und zwischen meinen Beinen, waren bereits mehrere Quadratzentimeter groß.

 

Entsprechend roch ich auch, und irgendwie hatte ich an diesem Tag gar keine Lust mehr weiterzumachen. Leider verliefen die nächsten Tage ähnlich. Ich kam zwar immer ein paar Meter weiter als am Vortag, aber so richtig erfolgreich war das nicht wirklich. Ich war deprimiert. War ich wirklich in solch miserabler Kondition? War ich nicht mehr in der Lage ein paar läppische Meter zu joggen, ohne dass ich direkt am Stock ging? Ich hatte bereits Angst, dass mich andere Spaziergänger, die mit ihrem Hund unterwegs waren, überholten, oder dass die alten Omis mit ihren Rollator an mir vorbeischießen würden, wie Rennwagen die ein Hindernis überholen. Außerdem hatte solche Anstrengung einen Effekt: Man bekommt Hunger. Aber wie sollte ich meinen Hunger dann abends mit Salat stillen? Das waren wirklich keine tollen Aussichten. Und sogar meine Waage bewegte sich irgendwie gar nicht so in die Richtung in die ich es erwartet hätte.

 

Immerhin waren es mittlerweile gute 500 Gramm weniger als noch vor zwei Wochen. War das aber nur die übliche Schwankung, oder hatten die letzten 14 Tage doch etwas gebracht? Ich hatte eigentlich gar keine Kontrolle über das was ich tat, und so entschloss ich mich in ein Fitnessstudio zu gehen, und mich dort ein wenig beraten zu lassen. So stand ich eine Woche später in solch einem Sporttempel in der Stadt. Ich ging aber zu einem der das Ganze auch Physiotherapeutisch betreut. Der andere Laden in der Stadt war mir viel zu öffentlich. Man muss sich vorstellen, dass der Besitzer ein komplettes Stockwerk mit fast 500 Quadratmetern gemietet hat, und die Räumlichkeiten komplett verglast hat. Das bedeutet zwar, dass man toll von innen nach außen schauen kann, aber man kann auch von außen nach innen blicken, und allen Sportbegeisterten wie Hühner auf der Stange beim Abrackern und Schwitzen zusehen. Manches Mal ist das ja auch wirklich ästhetisch wenn z.B. junge Damen mit sportlichen Figuren trainieren. Manches Mal aber ist das gar nicht lustig, wenn irgendwelche unförmigen Menschen glauben sie müssten sich sportlich betätigen, und ihre schwabbeligen Kilos auf einem Crosstrainer hin und her bewegen. Das wollte ich nun wirklich nicht ansehen, und schon gar nicht live dabei sein. Deswegen ging ich zu dem Laden bei mir in der Nähe. Der war auch groß genug um mich fit zu halten, und zumindest konnten mir nicht allzu viele Leute bei meinen komischen Bewegungen zusehen.

 

Sofort begrüßte mich ein netter junger Mann, der wohl auch Fitnesstrainer war. Ohne großes Brimborium gingen wir nach einem kurzen Einweisungsgespräch direkt in ein Probetraining. Ich sollte mich auf einem fahrradähnlichen Crosstrainer warmstrampeln. Plötzlich war ich mittendrin anstatt nur dabei. Die ersten Minuten radelte ich los, und glücklicherweise saß ich wie in der ersten Reihe, da vor mir eine hübsche junge Dame in sehr engen sportlichen Klamotten Stretchübungen ausführte, und mir dabei immer wieder ihr Hinterteil fast ins Gesicht streckte. Zugegeben, ein hübsches Hinterteil, wohlgeformt und straff. Aber ich konnte vor lauter Anstrengung irgendwann gar nicht mehr richtig hinsehen. Mir lief der Schweiß in die Augen, das Strampeln wurde immer schwerer, und mein Puls war sicherlich schon wieder Jenseits der Schallmauer. Alle fünf Minuten kam der Fitnesstrainer an, und fragte ob alles in Ordnung wäre, was ich natürlich bejahte, um mich nicht in der ersten halbe Stunde bloßstellen zu lassen. Außerdem wollte ich nicht gleich vor all den jungen Damen als Schlappschwanz dastehen. Ein wenig Ehre und Achtung der Anderen wollte ich mir schon bewahren.

 

Nach einer Stunde des Warmfahrens und des Ausführens von Dehnübungen, ging ich an die Hantelbank. Laut Fitnesstrainer durfte ich mir nun aussuchen wo und was ich weiter trainieren wolle. Ich setzte mich, und schnallte mir diverse Hantelstangen auf. Natürlich viel zu viel, und ausgesprochen zu schwer. Der erste Hieb dieser Hantelstange mit meinem rechten Arm ging noch ganz gut, beim zweiten Hieb schon schwerer, brachte ich den dritten Versuch schon gar nicht mehr zustande. Die komplette Stange krachte mit lautem Schlag auf den Boden. Wenn diese auf die Matte gefallen wäre, hätte das niemand mitbekommen, aber leider schlug sie auf den harten Boden auf. Genau in diesem Moment blickte mich die junge Dame, die mir vor wenigen Augenblicken noch ihr ausgesprochen schönes Hinterteil ins Gesicht streckte, mit einem hämischen Grinsen an, als wollte sie mir mitteilen, dass ich doch einige der Eisenräder wieder abschnallen, und es mit weitaus weniger Gewicht probieren sollte. Peinlich war das. Wirklich peinlich.

 

Ich war nicht nur mehr in der Lage ein bis zwei Kilometer zu joggen, nein ich war auch nicht mal mehr in der Lage ein läppisches Gewicht von ein paar Kilogramm, ein paar Mal in die Luft zu stemmen, das maximal so schwer war wie ein paar Liter Milch die meine Frau vom Einkaufen mitbringt, und ohne große Probleme vom Auto quer durch den Hof bis hinein in unsere Küche trägt. Wobei sie in der anderen Hand noch den großen Einkaufskorb hat, der auch voll mit Lebensmitteln ist. Ach ja, zusätzlich schließt sie auch ohne das alles abzusetzen, gekonnt mit dem Schlüssel die Haustüre auf. Aber ich zwang mich weiterzumachen. Ich würde das schaffen. Ehrgeiz war schon immer meine Stärke gewesen, auch wenn ich mir eingestehen musste, dass es viele andere Menschen gibt, die weitaus älter und auch noch extrem fitter waren als ich. Nach ein paar Wochen des harten Trainings und des Umstellens meiner Essgewohnheiten dann, stieg ich wieder auf die Waage. Und tatsächlich hatte ich es geschafft sieben Kilogramm abzunehmen. Die Waage pendelte sich bei nur noch 91 Kilogramm ein. Zumindest bis hierhin hatte sich die Anstrengung, das andere Essen, und die oft hämischen Blicke der Anderen gelohnt. Aber mehr ging irgendwie nicht mehr runter. Ob es an meinem Training, der falschen Ernährung, oder einfach meiner immer öfter werdenden Lustlosigkeit lag, war mir nicht zu ergründen. Wenige Zeit später hatte ich wieder zwei Kilogramm zugenommen, und noch heute schwankt mein Gewicht immer zwischen 92 und 94 Kilogramm, so dass ich dann doch stolz behaupten kann ein paar Pfunde losgeworden zu sein. Mehr aber auch nicht.

 

Das Fitnesstraining habe ich aus Zeit- und Kostengründen wieder abgebrochen, und auch mit der Essensumstellung klappt das aus berufstechnischen Gründen nicht immer alles korrekt einzuhalten. Ich esse halt zu gerne, und das oft auch in tollen Restaurants. Da will ich doch keinen Salat essen, oder an einer Suppe herumlöffeln. Nein, da gibt es Steak, Soße und Wein. Sonst ist das leben doch nicht mehr lebenswert. Und das wird auch immer so bleiben bei mir. Da ist mir das mit den etwas zu vielen Kilos dann auch egal. Guten Hunger, oder eben auch Mahlzeit, und noch viel Spaß beim Fitnesstraining, und natürlich beim Abnehmen!

Alles inklusive

Vor einigen Monaten hatte in der Stadt mal wieder einer dieser riesigen Einkaufszentren eröffnet. So ein Megapark, in dem man wirklich alles bekommen kann, was Mann oder auch Frau benötigt. Es gibt dort unter anderem einen Friseurladen, einen Baumarkt, einen Möbelmarkt, einen Discounter, eine Bäckerei, einen Elektronikfachmarkt, einen Supermarkt, einen Hundeshop, natürlich einen Mobilfunkladen, und auch diverse Restaurants. Es hat schon große Vorteile dort einzukaufen, kann ich doch mein Auto in der Mitte auf den großzügig angelegten Parkplätzen parken, und dann bequem einen Laden nach dem anderen abgehen, um zu sehen was ich wo mitnehmen und erstehen kann. Die Wege sind kurz, die Parkplätze kostenlos, und billiger einkaufen geht kaum noch wirklich irgendwo anders besser. Als ich erst letztens wieder dort war, um nach meinem Friseurbesuch in der Bäckerei mit integriertem Cafe eine Kleinigkeit zu frühstücken, sah ich beim Herausfahren aus dem Einkaufskomplex linker Hand ein neues Asiatisches Restaurant.

 

Schon von der Straße aus konnte ich erkennen, dass das ein riesiges Gebäude war. Auf der Vorderseite war alles mit übergroßen Scheiben verglast, es schien so als ob das gesamte Haus aus nur diesem Glas bestand. Und wie üblich, zumindest hatte ich bisher wenige Asiatische Restaurants gesehen die das nicht haben, flankierte jeweils eine große Drachenstatue die beiden Seiten des prächtig gestalteten Einganges. Ich stelle mir dabei immer wieder die Frage, wie diese Dinger, falls sie denn echt sind, aus China, Japan oder überhaupt dem asiatischen Raum bis zu uns nach Deutschland transportiert werden? Oder gibt es Steinmetze, die das bei uns auch so toll hinbekommen? Keine Ahnung, aber ich will nicht derjenige sein, der das Gesicht des Drachen so exakt ausarbeitet, sogar die Augen exakt nachbildet, und es hinbekommt, dass dieses Viech so lebensecht wirkt.

 

Wenige Tage später standen meine Frau und ich dann vor dem Eingang dieses Restaurants um dort essen zu gehen. Solche asiatischen Brutzelbuden bieten meist den gesamten Tag über Buffetessen an, das bedeutet man bezahlt einen festgelegten Preis, und kann sich dann an allen leckeren Köstlichkeiten bedienen, und prinzipiell so viel essen wie man denn möchte, oder eher gesagt, so viel wie in den Bauch hineinpasst. Und so hatten wir das an diesem Tag dann auch vor. Es hat schon diverse Vorteile Buffet zu essen, aber wo es Vorteile gibt, da gibt es auch ein paar Dinge die dann nicht so toll sind. Leider sind diese riesigen Essenstempel meist großräumige Lokale, dies bedeutet es herrscht, je mehr Leute sich dort aufhalten, ein enormer Lautstärkepegel. Je lauter sich die einzelnen Gäste unterhalten, umso lauter unterhalten sich wieder die anderen um sich zu verstehen. So steigert sich das von Minute zu Minute, bis man denkt alle schreien sich nur noch an. Irgendwie denken wohl die meisten, dass es am nächsten Tag nichts mehr zu essen gibt. Das Prinzip eines Buffets ist doch folgendes: Man nimmt sich einen Teller, geht an die Theke wo all die leckeren Sachen aufgereiht und bereit stehen, und bedient sich mal dieser, und mal der anderen Köstlichkeit. Wenn man dann ein paar der tollen Sachen auf seinem Teller hat, geht man wieder zurück zu seinem Platz, und genießt Happen für Happen. Das wiederholt man dann solange bis man üblicherweise satt ist, oder einfach kein Interesse mehr am Essen hat. Zwischendurch trinkt man etwas, unterhält sich toll, und genießt die Atmosphäre dieses Lokals.

 

Leider kennen sehr viele dieses Prinzip nicht, oder sie kennen es, ignorieren es aber absichtlich. Vielleicht wissen sie es auch wirklich nicht, haben kein Benehmen oder sie gönnen anderen einfach diverse Gerichte nicht. Auf jeden Fall beobachte ich immer wieder dasselbe: Meist gehen korpulente, und wohl außerordentlich hungrige Männer direkten Weges zu den Tellern und dem Besteck, schnappen sich jeweils das Nötige davon, und walzen dann im Stechschritt zu den ersten Trögen am Buffet. Dort angekommen, laden sie sich mittels der Kelle, einer Zange, oder einem großen Löffel diverse Fleischsorten, Gemüse, Reis, Nudeln und Fisch auf den Teller. Dabei bauen Sie ihren wuchtigen Körper dermaßen breit vor dem Buffet auf, dass andere nicht einen einzigen Millimeter mehr Platz haben um an das Essen zu gelangen. Man könnte auch meinen, die verdunkeln mit ihrem Prachtkörper die gesamte Sonne. Da aber dann sicher noch immer irgendwo auf dem Teller ein Plätzchen zu finden ist, nutzen sie diese Möglichkeit, um das mit Krabbenchips und Glückskeksen aufzufüllen. Mit all den aufgetürmten Speisen, als gäbe es innerhalb der nächsten fünf Minuten nichts mehr am Buffet zu finden, wandern sie dann zurück zum Tisch, um mit dem Verschlingen der Speisen zu beginnen.

 

Genauso einen Typen konnte ich beobachten, als meine Frau und ich an diesem Tag dann das allererste Mal dort waren. Bereits an unserem Tisch sitzend, konnte ich weiter zuschauen, wie dem guten Herrn während des Hinsetzens der Großteil seiner Speisen von seinem Teller fiel, und im Schoß seiner Frau landeten. Da war dann wohl der Teller zu voll gewesen, was ihm auch seine Frau direkt mit harschem Ton entgegenraunzte. Unglücklicherweise trug die Dame eine weiße Hose, und durch diesen Vorfall sah sie nun aus, als hätte sie die Hühner, die es jetzt gut gebrutzelt am Buffet gab, selbst in der Küche geschlachtet. Die Tischdecke sah nicht besser aus, und auch konnte ich eine Spur heruntergetropfter Soße vom Buffet bis an den Tisch der beiden entdecken. Hätte er mal den Teller nur halb so voll geladen, dann wäre die Hose seiner Frau und die Tischdecke noch sauber, die Soßenspur erst gar nicht zu finden, und es wäre auch nicht so viel von dem köstlichen Zeug auf dem Teller übriggeblieben.

 

Meist wird ja doch nicht alles aufgegessen, da man alles probieren möchte, und die Augen sehr oft größer als der Hunger und der Verstand sind. Bei diesem Herrn traf wirklich alles zu. Er bediente alle Vorurteile die einen Buffetesser ausmachen. Er lädt sich viel zu viel Speisen auf den viel zu kleinen Teller, er macht alles Mögliche schmutzig, inklusive die Hose seiner Frau, und auch er kann nicht zwischen Haupt- und Süßspeisen unterscheiden, lädt sich wieder alles durcheinander auf den Teller, um dann am Tisch zu merken, dass er da irgendetwas falsch gemacht haben muss. Vielmehr die Bedienung oder der Koch müssen etwas falsch gemacht haben, in dem sie den falschen Trog an die falsche Stelle platziert haben. Aber Nein, mein lieber Herr. Da war gar nichts falsch platziert, denn wie immer, so war auch an diesem Buffet alles ordentlich beschriftet. Nur wer lesen kann, der ist klar im Vorteil. Zugegeben sehen die gebackenen Bananen im Teig aus wie die runden und frittierten Hühnerteile, aber dazu wurde ja ganz sauber und penibel und mit gut leserlicher Schrift auf einem kleinen Schild vermerkt, um welche Speisen es sich handelt. Gebackene Bananen sind nun einmal eine Süßspeise, und in der Regel schmeckt das nicht zu gebratener Ente mit süß saurer Soße, oder zu Fisch mit Nudeln und Reis.

 

Aber ich hatte nun genug beobachtet, und ich wollte auch nicht den Rest meiner Zeit in diesem Restaurant damit verbringen, einem Kerl zuzusehen, der alle paar Minuten seine Frau von einer Peinlichkeit in die andere bringt. Ich lief also selbst beherzt zum Buffet, voller Hoffnung auf leckere Sachen. Und dort angekommen konnte ich einen kleinen Jungen beobachten, der von seinen Eltern wohl allein gelassen am Buffet herumspazierte, und sich die verschiedensten Sachen ansah. Leider blieb es nicht beim Ansehen. Immer wieder griff der kleine Kerl zum Beispiel nach einer Minifrühlingsrolle, er biss ein Stück davon ab, und warf den Rest zurück in den Trog. Na toll. Das war ja sehr appetitlich! Aber das machte der kleine Racker nun an fast jedem der Töpfe und Pfannen. An dem einen Topf pulte er in den frittierten Hühnerbällchen, am nächsten Trog biss er wieder ein Stück Fisch ab, und an der Pfanne nebenan pickte er sich die kleinen gebratenen Schweinefleischstücke aus der scharfen Currysoße. Hin und wieder spulte er eine Nudel auf die Gabel, und auch der Reis blieb nicht verschont. Aus diesem formte der Bengel kleine Bällchen, und legte diese fein säuberlich sortiert wieder zurück in den Reiskocher. Während ich sondierte was der Rotzlöffel noch nicht in seinen Finger hatte, nahm er sich die Nachspeisen vor. Er goss den Honig über die zufällig daneben liegenden Sushistücke, baute in den Wackelpudding einen Tunnel, und auch die gebackenen Bananen spuckte er nach einem kurzen Probeessen wieder auf den Boden. Immerhin nicht zurück in die Pfanne.

 

Aber wo zum Teufel waren seine Eltern? Ich machte mir den Spaß den kleinen Kerl mit einem Stück Hähnchen am Spieß zu den Soßen zu ködern. Artig folgte er mir, denn anscheinend war er sehr neugierig, und er hatte auch gar keine Lust mehr alleine am Buffet herumzulungern. Ich drückte ihm den Spieß in die Hand, und erwähnte noch, dass die Soße im vorderen Topf die leckerste wäre. Wie auf Befehl tunkte der ahnungslose kleine Bengel das Fleischstück in die scharfe Soße, und schob es mit einem Hieb in den Mund. Ich ging mit meinem Teller, den ich in der Zwischenzeit mit diversen und noch unberührten Leckereien aufgefüllt hatte, zu meinem Platz und meiner Frau zurück. Ich tat so als wäre nichts gewesen. Aber schon wenige Zehntelsekunden, nachdem ich mich herumgedreht hatte, und ich auf dem Weg zu meinem Tisch war, ging das Geschrei los. Wohl mit hochrotem Kopf, einem sirenenartigen Geheule, und einem enorm brennendem Hals, rannte der Bengel zurück zu Mama. Sagen, wer ihm das angetan hatte, konnte er vor lauter Brennen im Hals nicht, und die Stimme versagte ihm auch in diesem Moment. Aber ich konnte gut von meinem Platz aus beobachten, wie seine Mutter ihm zur Strafe zuerst seine Spielsachen wegnahm, ihm dann auf die Finger haute, und direkt bei der Bedienung zahlte und ging. Mit dem Racker natürlich. Wäre ja noch schöner gewesen, wenn der Kleine da geblieben wäre. So war endlich Ruhe eingekehrt, und die Esserei konnte losgehen, und das ohne Geschrei und Fummelei am Buffet.

 

Buffet ist ähnlich wie „All you can eat“. Das gibt es zum Beispiel im Urlaub. Das nennt sich dann da „AI“ oder auch „all inclusive“. Das ist auch eine Art von Essen und Trinken so viel man möchte. Das ist meist bei Pauschalreisen im besagten Urlaub zu finden. Von morgens bis abends kann man sich da volllaufen lassen, den Magen vollstopfen, und wenn man möchte sich andauernd an der Kaffee- und Kuchenbar mit Kalorienbomben sättigen. Schon beim Frühstück fängt das an. Wir waren in einem Hotel auf einer spanischen Ferieninsel untergekommen, und hatten für diesen Urlaub das allererste Mal all inclusive gebucht. Wir wussten also gar nicht so genau was da auf uns warten würde, hatten wir diverse Einzelheiten immer nur durch Freunde und Bekannte hören können. Alle waren immer davon begeistert gewesen, zumindest solange bis sie Zuhause nach dem Urlaub wieder auf die Waage gestiegen sind, und feststellen mussten, dass entweder die Waage einen Defekt hatte, oder sie doch wieder nach oben in Richtung der dreistelligen Kilomarke unterwegs waren. Fast immer war das Zweite der Grund wieso fast jeder all inclusive-Urlaub dann mit einem Schrecken endet, und man sich mühsam wieder das ganze Jahr über abrackert, um die Strandfigur wieder zu erlangen, die die bösen Kalorien beim letzten Urlaub schamlos verhunzt hatten.

 

So saßen meine Frau und ich am ersten Morgen nach der Anreise also beim Frühstück im Hotel. Nun gut, auch wenn man all inclusive Urlaub gebucht hatte, war das Frühstück meist inbegriffen. Das war essenstechnisch noch nichts Besonderes, obwohl wirklich alles vorhanden war was man sich vorstellen konnte. Wir frühstückten endlos, denn wir genossen das am allerersten Morgen ausgiebig. Es müssen zwei Stunden, oder vielleicht sogar Drei gewesen sein, ehe wir aufgestanden sind, und unsere nun trägen Körper in Richtung Pool geschleppt hatten. Ich glaube sogar, dass wir die ersten Leute beim Frühstück waren, die an diesem Morgen aufgetaucht sind, und wir waren meines Wissens die letzten Gäste, die wieder gegangen sind. Sogar die Kellner verdrehten schon die Augen, da ich den zwölften oder sogar schon dreizehnten Kaffee bestellte. Brötchen waren mittlerweile auch keine mehr zu bekommen, und sogar Wurst, Käse und Butter waren allesamt leergegessen. Es war zumindest, was das Frühstück anging, nichts mehr zu bekommen. Wer nun immer noch, oder auch wieder Hunger hatte, konnte sich draußen an der Poolbar einen Snack geben lassen, oder sich nun den flüssigen Gelüsten zuwenden. Das füllt ja bekanntlich auch den Magen. 

 

So kam es dann, dass wir uns anstatt an den Pool zu legen, lieber an der Bar niederließen. Schon Zuhause hatte ich meiner Frau angedroht, dass ich einen Tag lang nur an der Bar sitzen, und am Pool verbringen würde. Nun gut, dass es gleich der erste Tag sein würde war Zufall, aber ich hatte schon ein wenig Angst, dass die anderen Gäste alles in den ersten Tagen wegtrinken würden, und ich dann nur ein leeres Glas in der Hand hätte. So saßen meine Frau und ich stundenlang an der Bar, von vormittags bis in den frühen Abend. Wir bestellten die Cocktailkarte rauf und runter. Meine Frau die antialkoholischen, und ich die natürlich mit. Aber wer ununterbrochen alkoholische Getränke zu sich nimmt, wird wissen, dass das nicht allzu lange gut geht. Bereits am frühen Abend, und das war für meine Verhältnisse bereits erstaunlich lange, fing ich an doch schon arg zu schwanken. Und wie immer, hatte meine Frau das bereits vorhergesagt. Wieder behielt sie Recht, und natürlich war ich ziemlich betrunken. Das merkte man auch schon daran, dass der Takt meiner Bestellungen schneller wurde, und sich immer mehr Gläser vor mir auf dem Tresen ansammelten, als ich jemals hätte austrinken können. Den Kerl hinter dem Tresen störte das auch gar nicht, denn ihm war das sichtlich egal. Jede Bestellung eines weiteren Getränkes beantwortete er mit einem Kopfnicken, und einem breiten Grinsen.

 

Blöderweise war mit zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, dass die alkoholischen Getränke meist alles Billigfusel waren, die vom Aussehen der Flasche, der Farbe der Flüssigkeit, und vom Geschmack her denen ihrer Markenvorbilder sehr ähnelten. Aber eines war dann doch anders als bei den Originalen. Der nächste Tag ist meistens noch schlimmer, da der eigene Körper diesen Mischmasch an Billigalkohol in diesen rauen Massen einfach nicht gut verarbeiten kann. So war es dann auch bei mir am nächsten Tag. Meine Frau saß alleine am Frühstücksbuffet, ging shoppen, und zwischendurch immer wieder mal an den Pool, und lernte nette Leute kennen. Ich wiederrum war Stammgast in der Porzellanabteilung meines Hotelzimmers, und wie immer schwor ich mir mal wieder nie mehr Alkohol trinken zu wollen. Zumindest hielt ich dieses Versprechen im Urlaub durch. Meine Frau, und meine Leber, sind mir da heute noch dankbar.

XXL

Wir wollen mehr. Immer mehr. Die Portionen müssen immer größer, und der Teller soll immer voller werden. Das Schnitzel muss über den Tellerrand schauen, die Hähnchen müssen so groß wie Basketbälle sein, und der Döner so groß wie ein Wagenrad. Übergröße ist Mode. Zumindest was das Essen angeht. XXL-Portionen und die Restaurants die das Anbieten gibt es derzeit wie Sand am Meer. Manche Leute machen sich da sogar einen Spaß und Sport draus. Sie wollen immer größere Portionen in immer weniger Zeit vertilgen. Ich selbst war durch Zufall Gast in einem Restaurant in dem es auch XXL-Essen gab. Von außen war das erst gar nicht zu erkennen, die Speisekarte aber verriet die unterschiedlichen Massen der Menüs die im Angebot waren. Es gab eine Schnitzelkarte auf denen sechs verschiedene Größenangaben zu lesen waren. XS für sehr klein, S für klein, M für mittlere bzw. normale Größe, L für Übergröße und XL für sehr groß, und dann noch XXL für enorm groß. Richtig etwas vorstellen konnte ich mir aber unter den Größenangaben nur, dass wohl die Größe M des Schnitzels für mich die richtige wäre und so bestellte ich auch solch ein Menü.

 

Als das Essen gebracht wurde, traute ich meinen Augen nicht. Schon dieses Schnitzel füllte den Teller komplett aus. Es war kein einziges Stück vom weißen Porzellan des Tellers mehr zu erkennen. Wie groß wäre dann erst L, XL oder gar XXL? Ich fing an zu essen, und musste erst einmal die Berge voll Pommes Frites beiseiteschieben, die auf dem gesamten Schnitzel aufgetürmt waren. Allein von den Pommes hätte man drei Kinder glücklich machen können, und von dem Beilagensalat hätte sich eine Vegetarierfamilie eine gesamte Woche ernähren können. Ich hatte alle Mühe und Not mein Essen komplett leer zu bekommen. Ich benötigte drei große Getränke und einen Toilettengang zwischendurch, damit alles gut rutschte und ich wieder Platz hatte im Magen. Die Pommes ließ ich fast alle liegen, und vom Salat pickte ich mir nur wenige Blätter heraus. Völlig fertig und mit übervollem Bauch verließ ich das Lokal. Ich wollte an diesem Abend gar nichts mehr. Weder etwas essen, nichts mehr trinken, auch keinen Espresso oder Schnaps und auch keinen Bissen Schokolade. Und schon gar nicht wollte ich sehen wie groß die anderen Portionen gewesen wären. Ich glaube ich hätte alles vollgekübelt. Ich wollte das auf den nächsten Besuch verschieben, und mir dann zum Essen das kleinste Schnitzel bestellen. Geschmacklich war das Essen ziemlich gut, eine kleine Portion sollte demnach völlig ausreichen. Vielmehr aber wollte ich zusehen wie eine Person aussieht, die sich das XXL Schnitzel bestellt und vor allem, wie die Person nach dem Essen aussehen sollte.

 

Der Abend kam, und ich sollte eine große Überraschung erleben. Ich saß also wieder in diesem Lokal und bestellte mein Essen. Ein XS-Schnitzel, dieses Mal ohne Pommes Frites und nur mit Soße und einem ganz kleinen Salat dazu. Ich wollte das Essen genießen, und nicht in mich hineinstopfen nur weil ich den Teller leer essen wollte. Danach würde dann sicher auch noch eine Tasse Espresso hinein passen. Während ich das leckere Schnitzel bestellte, setzte sich ein junger Mann an den Nebentisch und fing an die Karte zu studieren. Ich hätte im Traum nicht daran gedacht, was der Typ dann später bestellte. Vom Aussehen her war das ein ganz normaler junger Mann. Mitte zwanzig, gut gekleidet, rasiert und er roch nach Parfum. Er sah auch sonst gepflegt aus und hatte eine schlanke Figur. Auch sah er nicht übermäßig ausgehungert aus, und niemals hätte ich geglaubt, dass er derjenige gewesen wäre, der sich ein XXL-Schnitzel bestellen würde. Aber er tat es. Ich dachte erst ich hätte mich verhört als die Bedienung die Bestellung aufnahm, aber er sagte doch tatsächlich XXL. Ich hörte XXL. Auch die Bedienung konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, hatte sie doch sicherlich dasselbe gedacht an das ich dachte: „Ist der wahnsinnig? Das schafft der nie im Leben!“

 

Wenige Minuten später stand das Essen dieses Wahnsinnigen vor ihm. Ein Schnitzel so groß wie ein Wagenrad thronte auf einer Servierplatte die grade so auf den Tisch passte. Der Berg Pommes der auf dem Schnitzel lag war kaum zu überblicken, und daneben schwamm sicherlich ein guter Liter Jägersoße. Für den Salat, der natürlich in einer extra Schüssel gereicht wurde, musste wohl ein halbes Gartenbeet geleert werden. Ich sah eigentlich nur Grünzeug und noch einmal einen guten halben Liter Joghurtdressing. Allein die eineinhalb Liter Flüssigkeit hätten mir den Spaß am Essen verdorben. Das Schnitzel mal ausgenommen, wäre ich bereits an den Pommes gescheitert. Da lag ein ganzer Sack voll davon frittiert auf dem Schnitzel. Nicht auszudenken, wieviel Salz da drauf gestreut wurde, und allein für die Panade des Fleisches mussten doch sicher zwei oder sogar drei Brötchen herhalten. Aber egal, der Kerl freute sich wie ein kleines Kind und fing an zu essen. Ein paar Mal am Schnitzel gesäbelt, zwischendurch Pommes und ein paar Blätter vom Salat und zum Spülen des Ganzen trank er zu dem Essen noch mindestens einen Liter Flüssigkeit. Dabei war er wirklich nicht der dicke Typ, von dem man gerne denken hätte können, dass er solch ein Menü öfter vertilgt. Aber er schien sehr geübt zu sein in Sachen XXL 

 

Stück für Stück verschwand das Schnitzel in seinem Mund, der Berg Pommes nahm sichtlich ab, und auch der Salat wurde weniger. Die Bedienung, die zwischenzeitlich immer mal wieder nach dem Rechten sah und weitere Getränke brachte, schaute genauso ungläubig wie ich es tat. Wo um Himmels Willen stopfte dieser dünne Kerl das alles hin? Wie machte er das? Wahrscheinlich bestand sein gesamtes Körperinneres nur aus Magen. Das muss ein einziger herumlaufender Magen gewesen sein. Immer noch fröhlich am Tisch sitzend, war nach einer guten halben Stunde der Teller leer. Es war alles weg. Aufgegessen. Verputzt. Alles im Schlund dieser Fressmaschine verschwunden. Der Kerl hatte doch tatsächlich das XXL Schnitzel komplett aufgegessen. Davon hätte ich mich eine Woche lang ernähren können, und der schob diesen riesen Berg Essen innerhalb einer halben Stunde in seinen Bauch. Ok, ich wollte nicht den Haufen sehen den er später auf der Toilette hinterließ, aber ich war immer noch völlig erstaunt und perplex. Übrigens hatte ich in derselben Zeit, während mein Tischnachbar das besagte XXL-Menü verputzt hatte, mein XS-Schnitzel gegessen. Und ich hatte sogar noch ein paar wenige Pommes über und die Hälfte vom Salat. Vielleicht hätte ich ihn fragen sollen ob er das zu Ende essen wolle?

 

Als die Bedienung den Teller abräumte, konnte sie nicht anders, als sich davon zu vergewissern, ob nicht irgendwo eine Plastikdose stand, in die der junge Mann die Reste des Essen verstaut hatte. Aber da war keine. Der Typ selbst war wohl eine wandelnde Vorratsdose. Aber solche Kerle gibt es wohl sehr oft. Eine normale Statur, und trotzdem können die Essen wie die Scheunendrescher. Vor langer Zeit einmal sah ich eine Reportage im Fernsehen über einen Amerikaner, der sich im Laufe der letzten Jahre das Schnell- und Vielessen antrainiert hatte. Kurz unter Beweis stellte er dies, indem er eine Zweiliterflasche Wasser innerhalb von wenigen Sekunden auf einen Rutsch austrank. Das sah so aus, als ob ich eine Schüssel mit Wasser in die Ecke geschüttet hätte. Der Mann setzte die Flasche an den Mund, und presste die Plastikflasche geübt leer, so dass wirklich innerhalb von zehn Sekunden der gesamte Inhalt in seinem Mund verschwand. Wie er das gemacht hatte, blieb mir bis heute verborgen. Aber er erwähnte, dass er in den Staaten wohl irgendein Meister in solch einer Schnellessdisziplin wäre. Später dann in der Reportage nahm er an einem XXL-Schnitzel Esswettbewerb teil. Es waren nur zwei andere Teilnehmer, und eben der durchtrainierte Amerikaner. Dieser saß in der Mitte, und die anderen beiden eigentlich schon siegessicheren Schnellesser jeweils links und rechts daneben. Ein Schiedsrichter beobachtete das Szenario, und auch schon kurze Zeit später wurden die Tabletts mit den XXXXL-Schnitzel, Pommes und einer Soße vor die drei Kandidaten gestellt.

 

Das waren mächtige Schnitzel, richtig mächtige Schnitzel. Groß wie Kutschenräder, so dick wie eine Hand und obendrauf lag wieder ein ganzer Eimer voll knuspriger Pommes Frites. Um das Schnitzel herum waberte die Soße, fettig und heiß, und diese Soße machte das ganze Essen wohl noch schwerwiegender als es alleine das Fleisch und die Pommes schon waren. Nach ein paar weiteren Minuten dann gab der Schiedsrichter den Startschuss und sofort fingen die beiden äußeren Wettesser an sich am Fleisch schaffen zu machen. Sie säbelten am Schnitzel, stopften sich Pommes mit Soße in den Schlund, und versuchten immer wieder mit Wasser nachzuspülen. Es vergingen viele Sekunden, und der Amerikaner saß immer noch regungslos auf seinem Platz, und hatte auch noch nicht einmal im Ansatz angefangen zu essen. Er schaute sich genussvoll die beiden anderen Kandidaten an, die schon am Anfang sichtlich Mühe hatten dieses übergroße Schnitzel zu bewältigen. Die beiden bemerkten auch nach ein bis zwei Minuten, dass der Amerikaner noch gar nicht losgelegt hatte, und wollten ihn nun komplett niedermetzeln, indem sie versuchten immer schneller zu werden.

 

Nach ungefähren fünf Minuten, die beiden anderen Kandidaten hatten ca. ein Drittel des Tellers leergegessen, fing der Meister aus den Staaten an sich dem Schnitzel zu widmen. Und so etwas hatten ich, und sicherlich auch alle Beteiligten in dem Raum, noch nie gesehen. Der Kerl riss sich riesige Fetzen vom Schnitzel ab und stopfte sie komplett in den Mund. Ohne richtig zu kauen schlang er die Brocken herunter. Kurz mit Wasser nachgespült krallte er sich mit der Hand eine Ladung Pommes und steckte auch diese komplett in den Mund. Auch die Pommes schluckte er ohne richtig zu kauen, und nur die Soße und das Wasser machten das Ganze wohl etwas einfacher für uns anderen zu verstehen, wie das Alles rutschen konnte. Der Typ war gut, sehr gut um es zu sagen. Ein wahrer Meister des Schnellessens. Innerhalb von drei Minuten hatte er die halbe Portion des Wettmenüs heruntergeschlungen. Für nicht einmal ein Drittel des Schnitzels hatten die anderen Beiden mehr als fünf Minuten benötigt. Der Schiedsrichter bekam sowieso schon große Augen, und den Mund gar nicht mehr zu, als er sah wie der Amerikaner das Essen verschlang, die beiden Äußeren Wettesser aber schauten ihn wie in Trance an und wurden mit ihren Bewegungen und dem Kauen immer langsamer.

 

„Der kaut ja gar nicht, der schluckt einfach runter“, sagte einer der beiden Gegner und hörte direkt auf mit dem Wettessen. Natürlich jetzt schon in dem Wissen, dass er sowieso keine Chance gegen dieses Essmonster haben würde. Der andere der Beiden beschleunigte noch einmal sein Vorhaben als Erster fertig zu werden, scheiterte aber daran, dass der Amerikaner fertig war mit dem gesamten Menü, als er selbst noch gut die Hälfte des Schnitzels und der Pommes vor sich hatte. Der Ami war fertig. Er war fertig. Der hatte doch tatsächlich fünf Minuten später angefangen mit dem Wettessen und war fertig als die anderen Beiden bei der Hälfte angelangt waren! Ungläubig blickten beide Gegner den Amerikaner an, als wollten sie sagen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen wäre, aber sie hatten es selbst miterlebt. Das waren kein Fake, kein doppelter Boden und auch keine miesen Tricks. Der Kerl hatte das alles tatsächlich wirklich in rasender Geschwindigkeit aufgegessen. Der Schiedsrichter hatte schon lange seine Stoppuhr beiseitegelegt, und die beiden Gegner bekamen vor lauter Staunen den Mund gar nicht mehr zu, als der Amerikaner sich und dem Ganzen Wettessen noch die Krone aufsetzte.

 

Denn dieser bestellte doch tatsächlich dieselbe Portion noch einmal! „Wie, noch einmal?“, fragte der Veranstalter. Aber diese Frage hätte er sich sparen können. „Falls ich es nicht schaffe, dann zahle ich alle Essen die heute hier auf dem Tisch standen“, entgegnete der Champion. Wenige Augenblicke später stand exakt dasselbe Essen wie beim ersten Gang vor dem Amerikaner. Und als ob es nichts wäre, verschlang er auch diese Portion. Mittlerweile starrten ihn die beiden anderen Teilnehmer noch ungläubiger an als bereits zuvor, und sie bekamen vor lauter Staunen erneut ihre Münder nun gar nicht mehr zu. Auch der Schiedsrichter und der Veranstalter verleibten sich erst einmal diverse Schnäpse ein, um das alles zu Begreifen und um sich zu beruhigen. Aber auch diese Portion, wieder ein Schnitzel so groß wie ein Kutschenrad, wurde von dem Amerikaner komplett verdrückt. Auch hier blieb kein einziger Krümel übrig. Kein einziger Fetzen Fleisch, keine einziger Stängel Pommes und kein fitzelchen Soße war mehr übrig. So nahm sich der Gewinner den Preis und zog als ob überhaupt nichts gewesen wäre von dannen. Hinterlassen hatte er ein Schlachtfeld mit zwei völlig deprimierten Wettessern, und einem Schiedsrichter sowie einem Veranstalter die wohl nie mehr ein solches Wettessen durchführen würden.

 

Mir ist übrigens aufgefallen, dass es mittlerweile sogar an Imbissbuden XXL-Gerichte zu kaufen gibt. Zum Beispiel vor einem Fußballstadion konnte ich bereits halbe Meter lange Bratwürste erstehen, Hamburger sah ich schon in der Größe eines Fußballes, und das in solchem Maß, dass man beim Essen fast eine Maulsperre bekommt. Die halben Hähnchen waren mittlerweile so groß wie früher Ganze, und auch die Portion beim Thailänder um die Ecke ist groß und hoch wie ein mittlerer Sandhaufen. Getränke bekommt man da auch nur noch Literweise, und die Portion Eis als Nachspeise gleicht eher einem Kübel aus dem Supermarkt. Gibt es denn keine kleinen Portionen mehr? Muss denn wirklich alles XXL sein? Wer isst das alles? Wer verträgt so viel Zeug in einem Magen? Was manche Menschen den lieben langen Tag so alles in sich hineinstopfen geht wirklich auf keine Kuhhaut mehr. Schnitzel so groß wie Wagenräder, Rumpsteaks so lang und breit wie Bahnschienen, und Pizza von der sich eine normale dreiköpfige Familie gut und gerne zwei Tage ernähren könnte. Ich will nur normale Portionen essen. Das ist übrigens auch gut für meine Figur, und die Waage zeigt irgendwann nicht folgenden Hinweis an: „Bitte nicht in Gruppen betreten!“ Dabei stehen ich doch alleine auf dem Ding drauf!

Wegwerfgesellschaft

Wir werfen immer mehr weg. Nicht nur der normale Müll und Abfall werden mehr, nein wir werfen auch immer mehr Essen in den Müll. Das fängt schon Zuhause an. Meist kaufen wir viel zu viel ein wenn wir in den Supermarkt gehen. Sicher haben wir die Möglichkeit die meisten Lebensmittel im Kühlschrank aufzubewahren, oder wenn es eben Konserven sind, dann im Vorratsschrank. Aber grade bei frischen Lebensmitteln werfen wir sicherlich eine Unmenge an Dingen in den Abfalleimer, über die sich jede nicht gut betuchte Familie freuen würde. Der Käse wird hart, der Salat und das Gemüse schlabbrig und welk, die Milch sauer und die Wurst schmierig und schimmlig. Niemand wollte das bisher essen, und niemand möchte das jetzt noch essen. Also ab damit auf den Müll, weil nicht einmal mehr der Hund dran geht.

 

Erst neulich wieder habe ich beim Ausräumen einer Wohnung geholfen, die einer alten Dame gehört hatte. Der Anblick all der abgelaufenen Lebensmittel in den Küchenschränken verschlug mir die Sprache. Ich fand Konservendosen die bereits Mitte der 90er Jahre abgelaufen waren. Da solche Konserven ja bekanntlich eh schon ein paar Jahre halten, waren die demnach fast 25 Jahre alt. Warum wurde das nicht gegessen? Warum musste so viel Zeugs gekauft werden? Vielleicht aus Angst nichts mehr im Supermarkt zu bekommen? Angst vor einem erneuten Weltkrieg? Sammelsucht? Ich habe keine Ahnung. Aber weggeworfen wird ja eigentlich überall wenn es um Lebensmittel geht.

 

Kürzlich kam ich abends an einem Supermarkt vorbei, und ich konnte beim Vorbeigehen ein paar Blicke in den Hinterhof werfen. Dort war ein fleißiger Angestellter damit beschäftigt abgelaufene Lebensmittel aus dem Rollwagen in den großen Abfallcontainer zu werfen. Da war alles dabei. Brot, Gemüse, Milchprodukte, Gefrorenes, Fleisch und was weiß ich nicht alles. Als der Angestellte dann wenige Minuten später wieder im Markt war, und auch sonst niemand zu sehen war, habe ich einen Blick in den Container geworfen, und mir diverse Verpackungen angesehen. Schlecht sahen die Produkte nicht aus. Es war kein Schimmel zu sehen, die Verpackungen waren alle in Ordnung, und auch sonst konnte ich nichts bemerken, was mich dazu veranlassen würde aus optischen oder verderblichen Gründen das alles wegzuwerfen. Lediglich das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum war am vorigen Tag abgelaufen. Das hatte demnach bedeutet, dass dieser Markt all die Lebensmittel aus dem Grund in den Abfall geworfen hatte, da einfach das  Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Die Sachen waren gar nicht schlecht oder marode, die durften das alles nicht mehr verkaufen, weil da ein abgelaufenes Datum draufstand! Respekt. Jeder an der Armutsgrenze lebende Bürger hätte sich darüber gefreut. Ich verstand die Welt nicht mehr, und erst recht nicht diese Gesetze, die Märkte dazu zwingen tolle Lebensmittel wegzuwerfen.

 

Meine Sinne fingen an sich für solche Dinge zu schärfen. Zuhause achtete ich schon seit langem darauf nicht allzu viel in den Müll zu werfen, was zwar nicht immer perfekt gelang bisher, aber ich wurde immer besser. Das fing schon beim Einkaufen an, ging über das Zubereiten von Speisen weiter, und hörte beim Einfrieren von übriggebliebenen Gerichten auf. Wo es ging versuchte ich immer daran zu denken keine Lebensmittel mehr wegzuwerfen, wenn es nicht wirklich anders machbar war. Ein paar Wochen später dann saßen ich und meine Frau in einem Restaurant. Ab und an gönnen wir uns einen solchen Restaurantbesuch. Das gehört nun einmal zu unserem Lebensstil dazu, sich immer wieder mal in einem Restaurant mit tollem Essen und Wein verwöhnen zu lassen. Auch hier sind wir darauf bedacht, nicht Unmengen an Gerichten zu bestellen, die wir dann des Sättigungsgefühls wegen teilweise wieder zurück gehen lassen müssten. Die Familie einen Tisch weiter beherzigte dieses Motto aber überhaupt nicht. Da wurden Vorspeisen bestellt, Hauptgerichte geordert und sich natürlich die Nachspeisenkarte rauf und runter bringen lassen. Aber schon die Suppe ging teilweise zur Hälfte zurück, vom Hauptgericht wurde nur das Fleisch gegessen, und die Beilage und die Nachspeise fanden auch nur halb statt. Es hätte gut und gerne von den Sachen die zurückgingen eine weitere Familie satt werden können. Der Koch muss wohl auch gedacht haben, dass sein zubereitetes Essen nicht schmeckt.

 

Auf die absolute Spitze aber treiben es meiner Meinung nach die Fastfoodrestaurants. Burger zum Beispiel müssen immer frisch sein. Diese runden Dinger dürfen nicht älter als ein paar Minuten sein. Nun gibt es ja bekanntlich das Problem, dass die Kunden nicht zu lange warten sollen. Aus diesem Grund werden natürlich eine gewisse Anzahl an Burger vorproduziert, die dann geduldig in einem Warmhalteregal darauf warten gekauft und verspeist zu werden. Sollte nun aber einmal doch weniger Kundschaft im Laden sein, oder sich die Kunden einfach für andere Burgersorten entscheiden, dann werden nach einer gewissen Zeit die bereits zu lange wartenden Kalorienbomben wieder aus dem Regal genommen und entsorgt. Entsorgt heißt in diesem Fall auch entsorgt. Man könnte vielleicht denken, dass die nicht verkauften Burger nun den Armen zum Essen zur Verfügung gestellt werden, sie vielleicht an entsprechende Einrichtungen geliefert werden, oder eben vielleicht von den Angestellten gegessen werden dürfen. Aber nein, kein Obdachloser, kein Armer und nicht einmal die Angestellten dürfen sich an das immer noch gute und bei weitem nicht verdorbene Essen heranmachen. Anstatt etwas Gutes zu tun, wird das Zeug weggeworfen.

 

Einwandfreie Lebensmittel werden einfach in die Tonne geworfen. Und das ist in meinen Augen absolut pervers. Nur wenige hundert Meter weiter sitzt vielleicht ein Obdachloser mit einem Becher in der Hand und wartet auf eine Spende, in der Hoffnung, dass ihm vorbeikommende Menschen ein paar Cent hineinwerfen, wenige Häuser weiter sitzt vielleicht ein Mutter die nicht weiß was sie ihrem Kind zu essen geben soll, und mit Sicherheit sterben in diesen Augenblicken, in der der Angestellte die Burger in die Mülltonne wirft, wieder ein paar Menschen an Unterernährung. Mann, in welcher verrückten Welt leben wir denn? Aber wir sind ja selbst daran schuld. Wir wollen alles Mögliche essen können, egal woher es kommt, was es ist und wieviel es kostet ist dann meist auch egal. Es muss Obst aus Übersee sein, Fleisch von irgendwelchen exotischen Tieren aus fernen Ländern, und Gemüse von dem ich noch nie etwas gehört habe. Wenn wir uns alle darauf beschränken würden heimische Lebensmittel zu konsumieren, dann wäre das alles sicher ein wenig anders. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, wir haben von allem zu viel. An jeder Ecke gibt es eine Imbissbude, jede größere Stadt hat mittlerweile mehrere Dönerläden, eine Unmenge an ausländischen Restaurants, und eine nicht mehr überschaubare Anzahl an Fastfoodläden. Dazu noch Bäckereien, Metzgereien und andere Läden in denen es Unmengen von Speisen und Gerichten gibt. Und ich möchte es auch eigentlich gar nicht mehr wissen, wieviel Tonnen von noch guten Lebensmitteln dort weggeworfen werden.

 

Essen in der Kantine ist ja auch solch ein Klassiker. Bei einer meiner ersten Arbeitsplätze in einer großen Firma gab es solch eine Kantine. Und dort herrschten auch eiserne Regeln was die Verarbeitung und das Aufheben von Lebensmitteln angeht. Nicht auszurechnen was passieren würde wenn durch verdorbene Speisen oder nicht weggeworfene und wiederverwendete Lebensmittel und Zutaten große Teile der Belegschaft erkranken. Jeden Nachmittag, wenn die Fütterung der vielen hundert Mitarbeiter vorüber war, wurden unendliche viele Restmülltonnen voll Lebensmittel weggeworfen. Reste von den Tellern, nicht gekaufte Menüs, Wurst, Käse, Eier, Milch. Einfach alles was bereits länger stand und nicht weiter aufgehoben oder verwendet werden durfte, landete im Müllcontainer und wurde noch am selben Tag von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt. Somit wurde auch verhindert, dass sich irgendjemand am Container zu schaffen machen konnte und Teile der Lebensmittel wiederverwendet.

 

Aber es geht auch anders herum. Ein Freund erzählte mir einmal eine wohl wahre Geschichte. Er war in einem Restaurant mit Bekannten zum Essen, und nach der ersten Getränkerunde wurden diverse Menüs bestellt. Mein Freund bestellte sich damals ein Pfeffersteak mit Kroketten und Salat. Ein ganz normales Menü worauf er sich auch unwahrscheinlich freute. Nach einer Weile bekam auch jeder sein Essen, leider wurde mein Freund aber Opfer einer kleinen und eigentlich gar nicht so schlimmen Verwechslung. Anstatt eines Pfeffersteaks bekam er ein Zwiebelsteak serviert. Sonst passte alles, aber auf dem Steak waren nun einmal Zwiebeln anstatt Pfefferkörner. Er machte die Bedienung auch sofort darauf aufmerksam, worauf diese den Teller wieder mitnahm um das richtige Steak zu bringen. Das Steak auf dem die Pfefferkörner sein sollten. Das waren sie auch dann und mein Freund fing an Stück für Stück vom leckeren Fleisch zu essen. Bis er den dann doch noch immer herausstechenden Zwiebelgeschmack bemerkte. Und er mochte gar keine Zwiebeln, nein er hasste Zwiebeln und erst recht auf einem Steak. Erst da bemerkte er, was der Koch wohl in der Küche fabriziert hatte. Anstatt meinem Freund ein anderes Steak zu braten, auf dem dann die Pfefferrahmsoße aufgebracht war, kratzte der Koch vom ersten Steak die Zwiebeln herunter, drehte es auf die andere Seite, und goss dann Pfefferrahmsoße auf das Steak, auf eben dem vor wenigen Minuten noch ein Berg voll Zwiebeln thronte. Der Koch machte es sich damit sehr einfach und dachte wohl nicht im entferntestem daran, das erste Steak zu entsorgen, selbst zu essen oder einem anderen Gast zu servieren.

 

Das Problem bei der Sache war nun aber, dass mein Freund absolut kein Zwiebelfreund ist, und schon allein vom Geruch und nur schon von einem Hauch von Geschmack das nicht ausstehen kann. Zwiebeln auf dem Steak, in roher Form oder gedünstet oder in irgendeiner Weise gebraten mag er überhaupt nicht. Und so konnte er das nun überarbeitete Steak wirklich nicht essen. Außerdem hatten weder der Koch, noch die Bedienung ihn darauf aufmerksam gemacht, dass dasselbe Steak verwendet wurde. Vielleicht hätte er kein Problem damit gehabt, wenn einer der Beiden ihn darauf aufmerksam gemacht hätten. So aber hoffte der Koch wohl, dass mein Freund das nicht merken würde, hatte sich aber in seiner feinen Nase und dem guten Geschmackssinn getäuscht. Meinem Freund wurde das zu viel, er wollte nichts mehr essen, er wollte auch keine Entschuldigung und eigentlich wollte er nur noch nach Hause. Wer sollte wissen was der Koch noch alles an Speisen wieder an die Gäste rausschickt was andere haben wieder zurückgehen lassen? Das wollte er sich erst gar nicht ausmalen. So ging er nach Hause, er ärgerte sich zwar, dass der Abend für ihn gelaufen war, aber er war auch heilfroh nicht etwas auf dem Teller zu haben wo andere vielleicht schon ihre Finger dran hatten.

 

Nun mag man denken, der Koch hätte es gut gemeint, und wollte das gute Stück Fleisch nicht wegwerfen. Vielleicht war es auch so, aber hier ist man wohl in einer Zwickmühle. Warum gutes Fleisch wegwerfen, wenn doch bisher niemand Hand daran angelegt hatte? Einfach die Soße abkratzen, das Fleisch Wenden und die andere Soße darüber gießen? Das geht vielleicht Zuhause, in einem Restaurant aber möchte doch jeder Gast das haben was er bestellt hat, und dann möglichst frisch und nicht gebraucht und womöglich von einem anderen Gast der das Menü bereits auf dem Tisch stehen hatte.

 

Aber wir Verbraucher bekommen es auch nicht immer leicht gemacht. Lebensmittel werden derzeit meist gut verpackt. Man kann sie teilweise gar nicht anders kaufen. Leider aber verstehe ich diese studierten Verpackungsingenieure nicht besonders. Zumindest ihre Intension Verpackungen zu kreieren, mit denen man wirklich große Schwierigkeiten bekommt das komplette Lebensmittel zu verwenden. Angefangen bei Senftuben, oder überhaupt Lebensmittel in Tuben. Ob es sich da um Ketchup, Senf, Mayonnaise oder irgendeine Remoulade handelt ist da egal. Ich hasse Tuben, und erst recht hasse ich es, an den Inhalt der Tuben zu gelangen. Wenn man denn irgendwann eine Tube geöffnet hat, dann wird man diese vom Ende an Stück für Stück aufrollen, bis man ganz vorne angelangt ist, und mit aller Kraft versucht den letzten Rest herauszuquetschen. Man will ja nichts vergeuden, und so drückt und presst man die Tube bis aus ihr ein unförmig und kantiger kleiner Gegenstand geworden ist, der einem die Hand schmerzen lässt je fester man drückt. Auch kleine Helfer in die man die Tube einspannen kann erzielen nicht immer den gewünschten Effekt.

 

Aber auch andere Behältnisse machen einem in der Küche das Leben schwer. Das Glas mit dem Schokoladenaufstrich ist so geformt, dass man nicht unter den Rand kommt, oder die Rundungen nur schwer säubern kann. Das Marmeladenglas ist eckig, die Fischdose oval und der Schmierkäse noch einmal in eine Papierhülle eingewickelt die sternförmig gefaltet ist. Aus der Flasche mit dem flüssigen Fett zum Braten fließt prinzipiell nur dreiviertel des Inhaltes heraus, und manche Konserven bekommt man erst gar nicht auf. Entweder ist das Blech verbeult, oder der Unterdruck ist so stark, dass man den Deckel einfach nicht abdrehen kann. Nun bleibt einem nur übrig auf viele Prozente des Lebensmittels zu verzichten, und diese noch zum Teil befüllten Umverpackungen mit samt allem zu entsorgen, oder man weiß sich zu helfen. Findige Menschen nämlich schneiden zum Beispiel Tuben oder Plastikflaschen mit einer Schere auf. Das ist zwar nicht die feine Art und auch nicht ganz ungefährlich, aber so gelangt man immerhin an den gesamten Inhalt. Und der Haupteffekt, keine Lebensmittel zu verschwenden oder sie nicht wegzuwerfen, ist erreicht.

 

Aber einmal ehrlich. Wer möchte in der Küche mittels einer Schere, einer Säge oder sonstigem Werkzeug irgendwelche Behälter öffnen? Also ich nicht. Ich achte meist schon beim Einkaufen auf die Verpackung. Nichts Eckiges, nichts Krummes und auch keine Verpackungen nur weil sie gut aussehen. Was hilft mir eine tolle Verpackung, wenn ich große Mühe habe an den Inhalt zu gelangen! Da wäre doch schon einmal ein Anfang gemacht, um viel weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Vielleicht sollten alle erst einmal klein loslegen. Das wäre doch schon einmal ein erster Schritt nichts mehr zu verschwenden und um weniger wegzuwerfen! Ab sofort übrigens, esse ich wieder Senf aus dem runden Glas.

Selbstversuch 1: Scharf, schärfer, am schärfsten

Der Tag war gekommen an dem ich mich endlich traute es zu versuchen. Sogar im regionalen Fernsehprogramm wurde schon darüber berichtet, und immer wieder hörte ich von Freunden und Kollegen, dass sie auch schon da gewesen wären. Die Rede ist von einer der wohl derzeit bekanntesten Currywurstbuden in der Großstadt. Diese Wurstbude, vielmehr der Inhaber, hatte die Idee seine Currywurst in diversen verschiedenen Schärfegraden und Geschmacksrichtungen anzubieten. Das Schärfeprogramm verlief über acht Stufen, von der es wohl bisher niemand geschafft hatte, die schärfste dieser Stufen komplett aufzuessen. Ich war bisher nicht der beste Schärfe-Esser, und meist bekam ich bereits bei handelsüblichen Peperoni schon Probleme, aber ich nahm dann doch all meinen Mut zusammen und wollte das ausprobieren. Schließlich wollte ich einerseits nicht der Letzte sein, der so etwas gegessen hat, und andererseits wollte ich nicht als Feigling dastehen. Ich mache mir zwar nichts aus Gruppenzwang, aber die Reize waren auf jeden Fall genügend groß, um mich selbst an solch einem scharfen Wurststück zu versuchen. Aber ein klein wenig Feigling war ich dann doch, und so nahm ich einen Freund mit, der ebenfalls das Ganze ausprobieren wollte.

 

Wir nahmen uns vor uns zu steigern, und so wollten wir bei der kleinsten Stufe anfangen. Hungertechnisch bedeutete das, maximal acht Currywürste essen zu müssen, mit maximal acht Scheiben Brot, und jeweils einer scharfen Soße oben drauf. Dazu vielleicht noch ein Getränk, und als Nebengeschmack eine Portion Pommes, die dazu dienen sollte vielleicht die zu erwartende Schärfe zu mildern. Aber soweit kam es gar nicht erst. Wir standen also an der Wurstbude, und zu unserem Erstaunen stand dort eine Menschenschlange von gut und gerne 25 Metern. Mehr als 50 Leute warteten demnach darauf, sich einen dieser scharfen Schweine- oder auch Rindsstengel in den Magen schieben zu können. Schon von weitem konnte ich das Treiben im inneren der Bude erkennen. Wurst für Wurst, Soße für Soße und Brotscheibe für Brotscheibe wurde über den Tresen geschickt. Mal mit laschem Schärfegrad oder auch härter, mal mit Geschmacksrichtung Lemon oder auch Mango, und ab und an auch mit Pommes, natürlich Brot und Kakao. Kakao? Ja, richtig. Kakao. Der Mann hinter dem Tresen belehrte nicht nur jeden die Wurst mit den hohen Schärfegraden auf eigenes Risiko zu essen, er empfahl auch jedem eine Flasche Kakao dazu. Die Milch in dem Kakao würde die Schärfe nehmen, und das süßliche die Geschmacksnerven neu einstellen. Ich erwartete alles, aber nicht, dass ich an einer Wurstbude Kakao bekommen würde.

 

Noch machten mein Kumpel und ich uns darüber lustig. Aber das Lachen sollte uns dann doch bald vergehen. Unsere erste Bestellung war die Stufe eins. Eine Currywurst mit normal gewürzter Currysoße, einem Stück Brot und der Geschmacksrichtung Lemon oben drauf. Nun war die Stufe eins nichts Besonderes, unser Hunger immer noch groß, und so landeten wir schnell über die Stufe zwei bei der Stufe drei. Zwischenzeitlich bemerkte ich immer wieder diverse rot anlaufende Gesichter anderer Currywurstesser, die dann teilweise auch noch in Tränen ausbrachen. Aber das leider nicht vor Lachen. Stufe drei war dann auch schon weitaus schärfer als Stufe eins und zwei. Hier merkte ich bereits eine extreme Schärfe, die uns beide ziemlich schnell ins Schwitzen brachte. Wenn die Stufe drei uns aber schon vom Schweiß durchnässen ließ, was würde dann Stufe sechs, sieben oder gar die Stufe acht mit uns machen?

 

Ich hoffte auf den Gewöhnungseffekt, und dass mir die Schärfe ab Stufe fünf vielleicht gar nichts mehr ausmachen würde. Mein Freund übrigens brach nach Stufe drei ab. Er hatte zwar aufgegessen, merkte aber an, dass er keinen Hunger mehr haben würde. Wahrscheinlich war eher die dann doch unglaubliche Schärfe dieser Currysoße schuld, dass er abbrach. Ich aber bestellt Stufe vier. Currywurst, richtig scharf, eine Scheibe Brot, wieder Lemongeschmack oben drauf, und als Krönung noch klein gehackte Zwiebeln. Natürlich nahm ich immer noch keine Flasche Kakao. Das sollte sich aber als Fehler erweisen. Als großer Fehler. Schon alleine als ich die Currywurst zu unserem Stehtisch trug, stiegen mir die scharfen Dämpfe dermaßen in die Augen, dass ich alleine davon schon anfing zu weinen. Ich hatte noch kein einziges Stück Wurst mit Soße aus der Stufe vier probiert, und war jetzt schon völlig in Tränen aufgelöst und bereits nass geschwitzt wie nach einem Marathonlauf. Mein Freund war bereits gegangen. Wahrscheinlich lief er in die nächste Apotheke um sich irgendwelche Magentropfen einverleiben zu können.

 

Ich war also alleine mit der Currywurst Stufe vier. Sie stand vor mir, und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Soße auf dem Pappteller wie heiß blubbernde Lava vor sich hin gurgelte. Blasen stiegen auf, Dämpfe kamen hervor und alleine dieser in der Luft liegende scharfe Geruch machte meinen Augen zu schaffen. Aber ich wollte das probieren, und damit ich nicht noch mehr Ängste bekommen würde, versuchte ich das mit der Currywurst so zu machen wie im Schwimmbad wenn das Wasser zu kalt ist, und man sich nicht hineintraut: Anlauf nehmen und hineinspringen. Ich nahm also die Gabel, und schob mir ohne darüber nachzudenken drei Stücke der Currywurst jeweils mit viel scharfer Soße in den Mund. Bereits wenige Zehntelsekunden nach dem ich das in meinen Mund schob, brannte es wie Höllenfeuer. Ich lief rot an, meine Fußnägel pellten sich nach oben, alle mir zur Verfügung stehende Haare standen zu Berge, ich sah aus wie geduscht, meine Hände fingen an zu zittern, und mein Magen versuchte sein Inneres nach außen zu kehren. Die ersten Sekunden versuchte ich erst einmal wieder Herr meiner Sinne zu werden. Diese Soße brannte bereits wie Säure auf der Haut. Das war Schärfe 3.0, und ich war nicht mal mehr in der Lage auch nur irgendeinen Ton heraus zu bekommen.

 

Ich musste etwas haben, was diesen unsäglichen Schmerz mildern würde, und so verschlang ich die Scheibe Brot fast auf einen einzigen Hieb. Aber das milderte das Brennen und die anfangende Taubheit eigentlich fast gar nicht. Ich setzte meinen zittrigen Körper in Bewegung und schnappte mir eine auf dem Tresen stehende Kakaoflasche, öffnete diese und schob mir den gesamten halben Liter innerhalb weniger Sekunden komplett in den Magen. Ich hatte vorher noch nie eine Flasche Kakao geext. Bier, ja. Schnaps, auch. Wasser wenn es heiß war draußen ebenso. Aber Kakao? Das war für mich das allererste Mal, und bereits nach kurzer Zeit merkte ich wie zumindest der Schmerz im Mund- und Rachenbereich nachließ.

 

Wie um Himmels Willen schaffen es andere Leute die Schärfe acht zu essen? Haben die alle Geschmacks- und Schärfenerven verloren? Betäuben die ihr Inneres mit Schnaps oder sonst Etwas? Ich hatte keine Ahnung, aber als ich immer noch mit einem fiesen Magendrücken von dannen zog, konnte ich ein leicht hämisches Grinsen des Budenbetreibers erkennen. Ich wusste genau was er gedacht hatte: „Wieder einer der Großspurigen, die bei Stufe vier aufgegeben haben.“ Zumindest diesen Selbstversuch musste ich meiner Gesundheit zu liebe abbrechen. Bis heute esse ich keine Currysoße mehr die schärfer ist als normaler Ketchup aus der Tube. Mein Magen dankt es mir zumindest sehr, und der Hintern brennt auch nicht nach beim Gang auf die Toilette.

Selbstversuch 2: Und noch einen Cheeseburger

Ich hatte mich schon immer gefragt, wie viele Cheeseburger aus einem Fastfoodladen ich würde essen können. Bisher hatte ich nur wenige davon gegessen, und mir auch noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie viele tatsächlich in meinen Magen passen würden. Ich bin auch gar kein Vielesser, aber trotzdem hatte mich diese Frage schon sehr lange beschäftigt. War es möglich fünf von diesen Cheeseburgern zu essen? Würden vielleicht sogar acht, neun, zehn oder sogar zwölf davon zu schaffen sein? Eventuell sogar noch mehr von diesen runden Fleischfladen im Brötchenmantel?

 

So kam es dann wieder eines Tages, dass ich spontan zu solch einem Laden abbog, meinen  Wagen parkte und voller Erwartung auf das Ergebnis, mir anfänglich fünf dieser Cheeseburger bestellte. Nun muss ich dazu sagen, wer es nicht kennt, diese Cheeseburger sind nicht mit hausgemachten Cheeseburgern zu vergleichen. Es handelt sich bei den Cheeseburgern aus dem Fastfoodbereich eher um die ausgedünnte Variante von Burgern. Spärlich mit einer Hackfleischscheibe belegt, etwas Ketchup und Mayonnaise drauf gepackt, ein kleines Stück Salzgurke als Beilage, dazu noch etwas Senf und natürlich eine Scheibe Käse. Mehr nicht. So werden die Cheeseburger in Papier eingewickelt, und dann meist von relativ lustlos aussehenden Mitarbeitern über den Tresen geschickt. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Merkwürdiger Weise hatte ich die fünf ziemlich zerknautscht aussehenden, und mit den oben genannten Sachen gefüllten Burger, innerhalb von sage und schreibe zehn Minuten verdrückt. Das Schlimme daran: Ich hatte immer noch Hunger, und mein Magen schien nicht einmal annähernd gefüllt. So besorgte ich mir weitere fünf dieser Dinger, und aß mutig weiter. Aber eher hätte mich die Konsistenz der Burger aufgehalten zu essen, anstatt ein von mir, bereits lange erwartetes, Sättigungsgefühl. Mein Magen füllte sich zwar, aber nach erneuten fünf Cheeseburgern, nunmehr also 15 dieser Fladen, spürte ich wenig Verlangen aufzuhören. Ich spülte den in meinem Mund zerkauten Cheeseburgerbrei immer wieder mit Cola herunter, denn irgendwann wurde dieser pappige Geschmack einfach unerträglich. Die Gurke ließ mich dauernd aufstoßen, das Weizenbrötchen schmeckte auch irgendwann nach Nichts mehr, und der Senf, der Ketchup und die Mayonnaise hingen mir auch schon zum Hals heraus. Vom Käse ganz zu schweigen.

 

Satt war ich noch nicht, aber Cheeseburger wollte ich eigentlich auch keine mehr. So brach ich zumindest diesen Selbstversuch mit Cheeseburgern ab, und setzte mich in das dazugehörige Kaffee und bestellte mir eine Tasse Cappuccino und zwei Stücke Schokoladenkuchen. Erst danach dann war ich wirklich satt. Blöderweise hatte ich keine zwei Stunden später wieder Hunger. Das brachte das Gesamtergebnis dieses Versuches noch tiefer in den Keller. Erstens macht das Zeug anfänglich schon nicht satt, wenn man es dann doch geschafft hatte seinen Magen soweit zu füllen, dass man nichts mehr essen möchte, kommt der Hunger aus Mangel des Nährwertes dieses Zeuges schon kurze Zeit später wieder zurück. Somit hat man eigentlich nichts erreicht, außer eine leere Geldbörse, einem fiesen Magendrücken, ätzendem Sodbrennen und einer vollen Toilettenschüssel. Ach so, diese Betreiber dieser Fastfoodketten reiben sich natürlich die Hände, wohl wissend, dass sie wahrscheinlich ihr nächstes Mittagessen in einem Gourmettempel zu sich nehmen werden. Ich zumindest esse keine dieser Cheeseburger mehr, und wohl auch keine der anderen tollen Sachen aus einem der Fastfoodtempel.

Selbstversuch 3: Nichts als Wasser

In meinem dritten Selbstversuch ging es um das Trinken. Ohne Flüssigkeit kann ein Mensch nur wenige Tage überleben, ohne Essen mehrere Wochen oder sogar Monate. Ich wollte aber in diesem Versuch gar nicht ohne Flüssigkeit auskommen, sondern alles weglassen, außer eben die eine und vielleicht auch die wichtigste Flüssigkeit im Leben überhaupt (Nein, nicht der Alkohol!): Wasser. Ganz einfach Wasser. Das Lebenselixier schlechthin. Und so verabschiedete ich mich für das Erste von Kaffee, Tee, Cola, Limo, Bier, Schnaps und sonstigen Getränken die fast nur aus Zucker, Farbstoffen oder eben Alkohol bestehen. Ich nahm mir fest vor nur noch Wasser zu trinken. Egal welches. Ob aus dem Wasserhahn, der Flasche oder auch von sonst wo.

 

Nun muss ich dazu sagen, dass ich schon immer wenig pures Wasser getrunken habe. Das hatte sich bisher dahin beschränkt, dass ich Wasser nur getrunken habe wenn nichts anderes da war, ich beim Schwimmunterricht einfach meinen Mund nicht zugemacht habe, oder wenn es regnete und ich keinen Regenschirm dabei hatte. Wasser war für mich nun immer schon eine Flüssigkeit zum Waschen und Reinigen gewesen. Bisher hatte ich diese durchsichtige, und manches Mal hellblau schimmernde, Flüssigkeit völlig verkannt. Deswegen dann ja auch dieser Selbstversuch. Millionen, ja vielleicht sogar Milliarden anderer Menschen auf dieser Welt, kennen gar nichts anderes, und wissen nicht wie Kaffee oder Tee schmeckt, wie süß und klebrig Cola sein kann und wie betrunken der Alkohol macht. Also warum sollte ich nicht nur Wasser trinken können?

 

So ging es dann wieder eines Morgens los. Das erste Glas Wasser stand schon auf dem Frühstückstisch. Anstatt Orangensaft oder Kaffee eben. Wenn man etwas anderes ausprobiert, dann ist das meist aufregend und toll. So war es dann auch mit dem Wasser. Zugegeben, es hatte reichlich merkwürdig geschmeckt, mein Brötchen nun mit Wasser anstatt Kaffee zu genießen, aber für Neues war ich schon immer aufgeschlossen. So trank ich doch tatsächlich zwei Glas Wasser zum Frühstück. Für diese Menge Wasser hätte ich sonst wahrscheinlich eine ganze Woche benötigt. So hatte ich den ersten halben Liter bereits morgens getrunken. Aber trotzdem, die morgendliche Tasse Kaffee hatte mir schon gefehlt, und so blieb das mit dem Wasser arg gewöhnungsbedürftig für mich.

 

Im Laufe des Tages kam ich immer wieder in die Küche, und somit an der Wasserflasche vorbei, an der ich ein Wasserglas vorbereitet hatte, um nicht zu vergessen regelmäßig zu trinken. Das war ja bei mir schon immer das Problem gewesen. Ich trinke allgemein zu wenig, und eigentlich erst dann wenn mein Mund schon vor Trockenheit gar nicht mehr so richtig zugehen will. Ich trank bereits am Vormittag noch zwei weitere Glas Wasser, und im Laufe des Tages und des Abends kamen noch ein paar weitere dazu. Natürlich vermisste ich bereits an diesem ersten Tag des Selbstversuches die Tasse Kaffee, den Schluck Cola zum Essen oder auch die Limo zwischendurch. Aber noch blieb ich eisern, obwohl ich das ein oder andere Mal auch hätte schwach werden können. Um mich abzulenken schaute ich nämlich fern, und da wird ja andauernd mit irgendwelchen Getränken Werbung gemacht. Ob Kaffee, alkoholfreies Bier, Milch oder sonstige Getränke. Wasser kommt da eher selten vor. Am Abend hatte ich auch schon überhaupt keine Lust mehr auf Wasser, und so trank ich erst einmal gar nichts mehr.

 

Den ersten Tag hatte ich überstanden, blöderweise träumte ich in dieser Nacht von allerlei süßem und trinkbarem Zeugs. Kakao, Limonade oder auch Cappuccino. Cola, Bier und Trinkjoghurt. All das, worauf ich eisern am ersten Tag verzichtet hatte, flog in meinem Traum an mir vorbei. Am nächsten Morgen nach dem Aufstehen lief ich gewohnheitsbedingt und wie ferngesteuert an die Kaffeemaschine. Doch noch bevor ich die Tasse unter den Auslauf unseren modernen Vollautomaten stellen und den Knopf drücken konnte, machte meine Frau eine kurze Randbemerkung, und stellte mir dezent ein frisches Glas Wasser auf den Tisch. „Na Schatz, willst du schon schwach werden? Du wolltest doch nur noch Wasser trinken. Ich habe dir ein Glas auf den Tisch gestellt. Viel Spaß damit!“ „Na prima“, dachte ich mir. Jetzt nutzte meine Frau das auch noch schamlos aus, sich ein wenig lustig über mich zu machen. Ich ließ das mit dem Kaffee sein, und nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. Aber das schmeckte ausgesprochen eklig. Kaffee hat nun mal Geschmack, und wer das kennt, und sich mit ungeputzten Zähnen und einem nach dem Schlafen sicherlich nicht allzu frischem Atem aus der Mundhöhle ein Glas Wasser trinkt, der wird wissen wie beschissen das schmeckt.

 

Das Wasser schmeckte überhaupt nicht nach Wasser, sondern eher nach einer fauligen Brühe aus einer alten Regentonne. Ich zog es vor mir die Zähne zu putzen, um wenigstens diesen modrigen Geruch und Geschmack aus der Mundhöhle zu bekommen. Aber ich hatte bei weitem nicht daran gedacht, dass Wasser noch ekliger schmecken kann, wenn man sich wenige Sekunden zuvor die Zähne mit einer Zahnpasta putzt, die mit Menthol und Minze angereichert ist. Ich nahm einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas und sofort verzog ich das Gesicht. Das schmeckte wie flüssige Eisgletscherbonbons. Wie Menthol in seiner reinsten Form. Das konnte ich bisher noch nie ausstehen, und sofort spuckte ich das restliche Wasser aus meinem Mund in die Spüle. Was hätte ich jetzt für eine Tasse Kaffee gegeben, aber ich wollte nicht bereits am zweiten Tag den Selbstversuch aufgegeben. Nun gut, einzig meine Frau und mein Sohn hätten sich wohl ein wenig lustig gemacht, aber ich wollte es mir selbst beweisen, dass es auch ein Leben nur mit Wasser geben kann. Andere schaffen es doch auch. Warum also hatte ich nach so kurzer Zeit bereits Probleme damit?

 

An diesem Tag trank ich ausgesprochen wenig bis gar nichts mehr. Ständig erinnerte ich mich an das Wasser vom Morgen, dass nach Zahnpasta geschmeckt hatte. Ich vermied es auch an diesem Tag in die Küche zu gehen, oder auch hinaus in einen Vorratsraum in dem wir unsere Getränke lagerten. In der Küche hätte ich an der Flasche Wasser vorbei gemusst, die mir meine Frau bereitgestellt hatte, und draußen im Vorratsraum wäre ich auf die anderen Getränke gestoßen, die ich verzweifelt versuchte zu vermeiden. Auch dieser Tag ging vorbei, und abends noch zwang ich mich förmlich dazu, noch ein letztes Glas Wasser für diesen Tag zu trinken. Ich schloss die Augen, hielt mir die Nase zu und ließ das Wasser in meine Kehle laufen. War das eklig. Unzählige andere Menschen wären sicherlich über ein frisches Glas Wasser froh gewesen, ich aber musste mich fast zum Trinken zwingen. So hatte ich es geschafft an diesem Tag doch zwei Glas Wasser zu trinken. Immerhin. Aber das Verlangen nach Kaffee und Konsorten wurde immer stärker. Waren das Entzugserscheinungen? War ich von Kaffee, Tee und dem süßem Kram etwa abhängig wie ein Raucher von Zigaretten?

 

Ich kam mir schon ein wenig wie ein Süchtiger vor, und ich bildete mir auch ein, dass meine Hände zitterten als ich zu Bett ging. War ich verrückt? Ich hatte sie wohl nicht mehr alle, und noch in der Nacht stand ich kurz auf, um ein weiteres Glas mit Wasser zu trinken. Ich wollte nicht in der noch so frühen Phase meines Selbstversuches in alte Muster zurück verfallen. Noch war ich Mental stabil, obwohl ich gut und gerne das ein oder andere Mal mir ein Glas Cola in den Magen hätte laufen lassen wollen. Auch diese Nacht war träumerisch ein absoluter Alptraum. Zuerst träumte ich davon, nie wieder etwas anderes trinken zu dürfen außer Wasser mit Mentholgeschmack. Dann träumte ich davon einer riesigen Flasche Limonade hinterher zu laufen um diese einzufangen, abschließend dann schwamm ich in einem Swimmingpool gefüllt mit Bier.

 

Morgens wachte ich schweißgebadet auf. Ich kam mir vor wie geduscht, wie nach einem Regenschauer oder nach dem Joggen bei 40 Grad im Schatten. Völlig aufgelöst und bereits am dritten Tag mit den Nerven am Ende ging ich in die Küche und brühte mir eine Tasse Kaffee auf. Frisch, wohlduftend und absolut schmackhaft genoss ich diesen schwarzen Lebenssaft, der mir wieder allen Mut gab, diesen Tag zu überstehen. Mit einer zweiten Tasse Kaffee beschloss ich diesen Selbstversuch zu beenden. Natürlich trinke ich auch weiterhin Wasser, aber eben nicht nur. Aber Wasser ist und bleibt eben nicht das Getränk, mit dem ich ausschließlich leben möchte. Solange ich die Möglichkeit habe auch etwas anderes zu trinken, werde ich das auch machen. Aber natürlich ausgewogen und nicht ausschließlich. Aber wem Wasser schmeckt, der soll das gerne trinken. Aber gelegentlich auf ein Bier, eine Cola oder Limonade möchte ich nun Mal nicht mehr verzichten. Prost.

Selbstversuch 4: Nur noch ohne Zucker

Ich wusste, dass es schwer werden würde. Sogar sehr schwer. Dass es aber fast unmöglich wäre, daran hätte ich im Traum nicht gedacht. Ein Leben, Essen und Trinken ohne Zucker. Schon morgens fing das Dilemma an. Ein Frühstück ohne Zucker ist nicht ganz so einfach zu realisieren. Bisher hatte ich meine Tasse Kaffee mit Milch und eben normalem Zucker getrunken. Ich hatte auch schon die Milchtüte in der Hand, und war auf dem Weg zum Schrank in dem die Würfelzucker lagen, als mich meine Frau mit einem dezenten Hinweis ansprach: „Schatz, denke bitte daran, kein Zucker. Und auch keine Milch, denn da ist auch Zucker drin. Nämlich Milchzucker!“ Prompt machte ich auf dem Absatz kehrt, und nahm den ersten Schluck schwarzen Kaffee aus der Tasse.

 

Ohne Milch und Zucker schmeckte der Kaffee etwas merkwürdig, aber ich dachte mir nur, dass das sicher nur Gewöhnungssache sei. So wie eben bei allem. Wer aufhört zu rauchen, hat doch sicher auch Probleme sich daran zu gewöhnen, bzw. sich zu entwöhnen. Wer sein Essen umstellt, abnehmen möchte und kein Fett mehr essen möchte, braucht doch sicher auch seine Zeit. So muss das eben dann auch mit dem Zucker sein. Zum Frühstück schmierte ich mir dann etwas Butter auf eine Scheibe Vollkornbrot und belegte es mit einer Scheibe Käse. Da sollte nun wirklich kein Zucker drin sein. Mir fiel sofort wieder mein letzter Selbstversuch mit dem Wasser trinken ein. Das würde mir jetzt schon wieder blühen. Zusätzlich. Egal was ich sonst trinken würde, egal ob Cola, Limonade, Energy Drinks, Fruchtsaft oder auch Kakao, Milch oder Trinkjoghurts, überall ist Zucker enthalten. Ich sah mich schon verdursten, weil ich sicher nach spätestens zwei Tagen das Wasser wieder satt hätte.

 

So bereitete ich mir zumindest eine Kanne Tee vor. Tee würde auch kalt gehen, ob das allerdings auch ungesüßt schmecken würde, erfuhr ich kurze Zeit später am Vormittag. Übrigens musste ich zum Frühstück meine geliebte Marmelade, den Schokoladenaufstrich, den Honig und auch das Müsli weglassen. Ist ja überall Zucker drin, aber zumindest ein gekochtes Ei gönnte ich mir, auf das ich etwas Salz streute. Im Salz sollte nun wirklich kein Zucker enthalten sein. Aber irgendwie war ich mir da mittlerweile auch etwas unsicher. Der Tee schmeckte übrigens scheußlich. Ungesüßter Tee schien etwas nur für absolute Ökos, Aussteiger oder Alternative zu sein. Nach einer halben Tasse bereits, schüttete ich den Rest in den Abfluss und nahm ein Schluck aus der Wasserflasche.

 

Aber auch die Sachen für Zwischendurch musste ich weglassen, die ich sonst allein schon aus Gewohnheit zu mir nahm. Kaugummis, Müsliriegel, Bonbons, ein Stück Kuchen, eine Dose Cola, den Milchkaffee und auch den Joghurt mit Erdbeer- oder Himbeergeschmack waren passé für mich. So kaute ich zwischendurch auf einer Scheibe Knäckebrot und einer Karotte herum. Sollte so das Leben eines Mannes im besten Alter aussehen? War das das Essen wofür es sich lohnt zu leben? Im Wissen, dass es ein zeitlich begrenzter Selbstversuch war, versuchte ich mich weiter aufzuraffen. Ich aß übrigens die Karotte und das Knäckebrot vollständig auf. Mittags gab es übrigens Frikadellen, Kartoffelbrei und einen Salat als Beilage. Für die selbstgemachten Frikadellen hatten wir auch kein Weißbrot verwendet, da ja dort auch Zucker enthalten ist. Ich verwendete Knäckebrot anstatt, um das Hackfleisch ein wenig fester zu bekommen, was aber den Geschmack und die Konsistenz der Fleischklopse völlig ruinierte. Knäckebrot ist nun mal kein Weißbrot und es schmeckt nun einmal völlig anders.

 

Zumindest der Kartoffelbrei war essbar, was ich vom Salat nicht sagen konnte. Denn dieser war anstatt mit meinem geliebten French Dressing aus dem Supermarkt nun nur mit Essig und Öl angemacht. Etwas lieblos kaute ich somit die grünen Blätter, und trank natürlich mal wieder ein Glas Wasser zum Essen. Irgendwie merkte ich auch hier wieder schnell, dass ich wohl nicht der Typ Mensch für solche Selbstversuche war. Jedes Mal darauf achten ob Zucker in den Lebensmitteln enthalten war? Beim Einkaufen anstatt in einer viertel Stunde aus dem Laden zu sein, mehr als eine Stunde benötigen um all die Inhaltsstoffe zu lesen? Ständiger Verzicht auf meine Lieblingssachen?

 

Der erste Tag verlief schleppend, sehr schleppend. Dauernd wollte ich zur Schublade mit der Schokolade wandern, als meine Frau aber nur schon den Versuch machte mich darauf hinzuweisen, dass ich doch noch mitten im Selbstversuch sei, tat ich so als ob ich etwas anderes suchte. Ab und an erwähnte ich nur prüfen zu wollen wieviel Zucker denn in den Sachen wäre die wir derzeit Zuhause hatten. So konnte ich zumindest einen Blick auf die leckeren Sachen werfen, und immerhin mental meinen Hunger nach Zucker stillen. Das eigentlich gesunde Obst zwischendurch ließ ich auch weg. Fruchtzucker soll ja noch schlimmer sein als der Industriezucker, und gönnte ich mir bis zum Abend ein paar Salzstangen die ja außen mit Salz bestreut waren.

 

Während ich diese kaute, nahm ich mir die Inhaltsangabe auf der Verpackung vor, und bekam vor Staunen den Mund gar nicht mehr zu. In den Salzstangen war Zucker enthalten. Wenig, aber es war Zucker im Teig der für die Herstellung der Stangen verwendet wurde. Die Salzkristalle wurden nur außen draufgestreut, im Teig aber war doch tatsächlich Zucker. Man lernt ja nie aus, und ich machte mir daraufhin erneut ernste Gedanken ob in dem Salz, für das am Morgen von mir gegessene Ei, nicht auch Zucker enthalten war. Vielleicht sogar noch im Essig und Öl? Vielleicht wurde ja auch der Salat während des Wachsens mit Zucker gedüngt? Keine Ahnung, aber mittlerweile malte ich mir die wildesten Dinge aus.

 

Ich wollte abends dann irgendwie gar nichts mehr essen. Sogar das Glas Wasser schmeckte irgendwie süßlich. Zumindest bildete ich mir das ein, und die Scheibe Brot nahm ich nur noch mit Schmierkäse und etwas Kräuter, die ich oben drüber streute, zu mir. Aber auch beim Schmierkäse war ich der gelackmeierte. Zucker. Sogar im Käse war Zucker drin. Wahrscheinlich auch noch in der Butter, hier konnte ich aber nicht nachsehen, da meine Frau die Butter immer aus der Originalverpackung in eine Plastikbutterdose legt. Aber ich war dann auch sicher, dass auch in der Butter der Zucker drin war. Ich bildete mir ein, dass mittlerweile alles süßlich und nach Zucker schmeckt. Völlig deprimiert ging ich ins Bett. Zu allem Übel träumte ich von Brasilien, was ja nicht das schlechteste gewesen wäre, wenn es nicht um den Zuckerhut gegangen wäre. Am nächsten Tag brach ich den Selbstversuch ab und trank meinen Kaffee wieder mit Milch und Zucker. Und der schmeckte so gut. Herrlich.

War´s das?

Noch können wir unser Essen nicht über Highspeed Internet downloaden, aber wir können uns Mahlzeiten per Web bestellen und nach Hause liefern lassen, und vielleicht wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis wir uns mittels eines 3D-Druckers eine Currywurst mit Pommes, ein Hamburger oder sogar ein Steak „ausdrucken“ werden. Warum soll das mit Lebensmitteln nicht auch irgendwann einmal funktionieren? Wir kochen nicht unser Essen, sondern wir drucken es einfach.

 

Leider haben wir Menschen immer weniger Zeit zum Essen. Arbeit, Familie, noch ein Nebenjob, die Pflege von Verwandten und viele andere Dinge rauben uns die Zeit, und treiben uns schier in den Fastfoodwahnsinn. Kein Wunder werden wir immer dicker und fettleibiger. Das ging mir ja schon fast selbst so. Ich habe aber noch die Kurve bekommen und jetzt nehme ich mir wieder Zeit zum Essen und der Zubereitung dafür. Wir gehen mindestens einmal im Monat gut und ohne Zeitdruck essen. Diese Freiheit nehmen wir uns einfach heraus.

 

Hektisch ist es auf der Arbeit eh schon die gesamte Woche, die Mittagspause wird dauernd unterbrochen, und alles in sich hineingestopft was schnell und einfach ist. Da sind dann auch die Kalorien egal, auf Geschmacksverstärker wird da auch nicht so genau geachtet wie auch auf Zucker, zu viel Salz oder Fett. Na ja, zumindest morgens schaffe ich es kleingeschnittenes Obst mit ein wenig Honig zum Frühstück zu mir zu nehmen. Vorher habe ich oft ein Wurst- oder Käsebrötchen gegessen. Das lag dann auch entsprechend den Vormittag schwer im Magen. Jetzt ist das viel besser und es schmeckt auch gar nicht so übel.

 

Leider bekommen wir aber diese Hektik beim Essen im Fernsehen vorgelebt. Diese neumodischen Kochshows sind da wirklich der blanke Horror. Zumindest was die Zeit angeht, denn alles muss in wenigen Minuten fertig sein. Vorspeise, Hauptspeise und der Nachtisch. Am besten alles in zwanzig Minuten auf den Tisch. Das schafft doch Zuhause wirklich niemand, und das ist vielleicht auch mit ein Grund, warum wir in der Küche hektisch werden und dann auch unser Essen schnell verschlingen. Wir wollen ja fertig werden, und das nicht nur mit dem Kochen, sondern auch mit dem Essen, da ja schon die nächste Kochshow darauf wartet gesehen zu werden. Ein Wahnsinn.

 

Wir haben uns Zuhause „entschleunigt“. Und das bleibt auch so. Keine Hektik mehr, kein Stress mehr und beim Essen nehmen wir uns auch Zeit. Da soll dann die Kochshow auf mich warten, und wenn nicht dann schau ich mir eben etwas anders an! Ein wenig auf die Ernährung achten und hier und da etwas Bewegung hat noch niemandem geschadet. Sogar ich habe es geschafft mittlerweile ein paar Pfunde loszuwerden.

Schlußwort

 Falls Sie jetzt immer noch Hunger haben, dann greifen Sie ruhig zu. Egal was Sie essen, und wie schnell Sie essen. Schauen Sie einfach nur, dass die Portionen nicht zu groß sind. Das reicht doch meist schon aus. Trinken Sie am besten auch noch wenig bis gar kein Alkohol, vermeiden sie zuviele Süßigkeiten und versuchen Sie sich hin und wieder mit Bewegung ihren Körper und sich selbst fit zu halten. Laufen Sie Treppen anstatt mit dem Fahrstuhl zu fahren, steigen Sie auf das Fahrrad anstatt in Ihr Auto, und gehen Sie Schwimmen anstatt sich im Fernsehen ein Autorennen auf der Couch anzusehen.

 

Sie werden sehen, es ist eigentlich total einfach gesund zu leben. Sie müssen ja nicht auf Dinge verzichten. Denn Verzicht macht wieder Lust auf das was man sich verboten hat. Ich bin zumindest weiter auf einem guten Weg noch ein wenig an Gewicht zu verlieren, und tatsächlich gehen viele Dinge leichter seit meine Waage wieder eine Tendenz nach unten anzeigt.

 

Genießen Sie also das Leben, aber eben in Maßen!

 

Alles Gute

 

Marsellus Vega

Impressum

Texte: Marsellus Vega
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2015

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