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Ursprung des Leidens

 

Ursprung des Leidens

 

Der weitere Verlauf des Tages entsprach leider nicht dem inneren Feuer, das ich in mir gespürt hatte, als ich an diesem Morgen aufgewacht war. Möglicherweise mochte der Ursprung jenen Feuers auch nur in dem hei­ßen Cappuccino liegen, den ich nach einem reichhaltigen Frühstück zur selbst gedrehten Zigarette getrunken hatte. Allerdings konnte die scheinbar unbegründete Euphorie auch vom sich langsam abbauenden THC in meinem Blut herrühren. Ich war mir nicht sicher.

 

Die Schmetterlinge in meinem Magen zogen mich, nachdem ich mich parfümiert und genitalrasiert hatte, zum nächsten Supermarkt, wo ich zwei Flaschen deut­sches Bier gegen etwas Münzgeld eintauschte. Die junge Dame an der Kasse schaute mich an, als wollte sie sagen "...um die Uhrzeit saufen..."

Und sie hatte ja vollkommen recht. Immerhin stellte ich beim Blick auf mein Handy fest, dass der Mittwoch be­reits vor elf Stunden und einer halben angebrochen war. Ich sollte mich lieber ranhalten. So tat ich dann auch und öffnete mit einem lauten "plopp" eine der braunen Hülsen. Der Kronkorken klapperte zu Boden und ich tä­tigte den ersten Schluck, der Anlass für einen inbrünsti­gen Rülpser war.

 

 

Ich wurde durch zwei dicke Brillengläser von einer Oma auf der anderen Straßenseite gemustert, die Zeugin meiner oralen Kackophonie geworden war und mich mit einem stirngerunzelten Kopfschütteln bedachte. Ich hielt ihrem Blick stand, bis diese ihren abwendete und lief weiter auf dem schwarzen Asphaltstreifen entlang, der mich letztendlich an mein angepeiltes Ziel bringen würde.

 

Beim Gedanken daran, nachher meine nassgeschwitzten Schuhe ausziehen zu müssen, rümpfte ich unwillkürlich die Nase und wünschte mir gleichzeitig eine schwere Wolke vor die Sonne. Fehlanzeige. Die gelbe Kugel blieb den gesamten Weg über unverdeckt und ärgerte mich mit ihrer abnormal heißen Hitze. Diese wirkte sich im Zusammenspiel mit dem schäumenden Gerstensaft alles andere als positiv auf meinen Kreislauf aus. Ich versuchte ein paar Meter mit geschlossenen Augen vor­anzuschreiten, brach das Experiment beim Betreten der Grasnarbe auf der rechten Seite des Weges jedoch abrupt wieder ab.

 

Ein leichtes Schwindelgefühl überkam mich beim Öffnen meiner Lider und kleine leuchtende Pünktchen huschten über meine Netzhaut. Ihre Absicht war es wohl, mich von der Fußgängerampel abzulenken, die versucht war, mich mit einem roten Männlein zum Stehenbleiben zu animieren. Soll wohl schon so manchen Zusammen­stoß verhindert haben.

 

  

Ich betrachtete das rote Licht und wunderte mich, warum es zu Blinken begonnen hatte. Da gesellte sich eine Frau in weißer Bluse zu mir und fummelte an mei­nem Arm herum, was für mich der nächste Grund war, über den Maßen verwirrt zu sein. Jetzt erst registrierte ich, dass sich meine Umgebung komplett verändert hatte.

 

Ich befand mich in einem recht schlicht gehaltenen Raum, der durch lediglich ein mittelgroßes Fenster be­leuchtet wurde. Alles was ich aus meiner horizontalen Position erkennen konnte, waren ein Fernseher in der hinteren Ecke des Zimmers und eine Art Computer, der mir gegenüber stand und mich zu beobachten schien.

"...großes Glück gehabt."

"Was?", lallte ich und spürte dabei die unmenschlichen Schmerzen, die durch das Bewegen meines Kopfes ver­ursacht wurden.

"Ich sagte, da haben sie aber großes Glück gehabt.", wiederholte das blonde Fräulein und schenkte mir ein herzerfrischendes Lächeln.

"Wieso denn das? Und wo bin ich hier?", fragte ich und achtete darauf, mich nicht zu rühren.

"Sie sind hier in guten Händen. Ihre Mutter dürfte auch bald da sein. Sie sollten sich jetzt lieber ein wenig ausru­hen."

Damit verließ sie den Raum und klackerte mit ihren Stöckelschuhen einen Gang entlang, der ein beachtliches Echo zurückwarf. Langsam dämmerte mir, wo ich war.

 

  

Krankenhaus.

 

 

Unfall.

 

 

Kopf kaputt.

 

 

Eine dreiviertel Stunde später wird meine Mutti ankom­men. Sie wird mir sagen, dass ich von einem Zwölf-Ton­ner angefahren wurde und mein Körper hauptsächlich aus Brei bestünde. Sie wird mich trösten und mich jeden Tag besuchen. Die Leute vom Hospital werden sich gut um mich kümmern und mir zur Genesung verhelfen.

 

Ich werde wieder in meiner Wohnung leben und dieses euphorische Gefühl bekommen. Den Grund für diese ekstatischen Empfindungen werde ich nicht benennen können. Dennoch werde ich davon auf die Straße und anschließend in den nächsten Supermarkt getrieben. Dort kaufe ich mir dann zwei Bier und lasse den Rest des Tages einfach mal auf mich zukommen...

Impressum

Texte: Kevin Hänle / OutlawMusika
Bildmaterialien: OutlawMusika
Tag der Veröffentlichung: 01.06.2015

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